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Prof. Dr. Tanja Michael Fachrichtung Psychologie Störungen des Erlebens und Verhaltens Panikstörung und Agoraphobie

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Prof. Dr. Tanja Michael

Fachrichtung Psychologie

Störungen des Erlebens und Verhaltens

Panikstörung und Agoraphobie

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Frau M.

Sabine M. (34 Jahre, Lehrerin) leidet seit 11 Jahren an

wiederkehrenden Attacken intensiver Angst gekoppelt mit

massivem Herzklopfen, Schwindel und Schweißausbrüchen. Sie

vermeidet Situationen, in denen sie solche Attacken hatte.

Inzwischen traut sie sich kaum noch aus ihrer Wohnung. Sie

musste ihren Beruf aufgeben und selbst alltägliche Dinge wie das

Einkaufen werden ihr zur Qual.

Störungen des Erlebens und Verhaltens- Panikstörung und Agoraphobie

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Die Geschichte von Frau M.

die Attacken begannen mit 23 Jahren

ausgiebige ärztliche Untersuchungen ergaben keine somatischen Krankheiten

seit 2 Jahren war sie fast vollständig an ihre Wohnung gebunden

der Verlust an Lebensqualität hatte depressive Verstimmung zur Folge

mehrere Psychotherapien halfen nicht

manchmal möchte sie „einfach Schluss machen“

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Panikstörung / Agoraphobie

plötzliche Anfälle intensiver Angst („Angstanfall“, „Panikattacke“)

Vielzahl körperlicher und kognitiver Symptome

zentrale Befürchtung: Unmittelbare Katastrophe (sterben oder verrückt werden)

als Konsequenz: Sorgen, Veränderung des Lebensstils, Vermeidung

sehr häufig: spätere Agoraphobie

Diskussion: Panik + Agoraphobie oder Agoraphobie + Panik (ICD: Agoraphobie mit/ohne PS, DSM: PS mit Agoraphobie oder Agoraphobie ohne PS in Vorgeschichte)

Störungen des Erlebens und Verhaltens- Panikstörung und Agoraphobie

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Panikstörung mit Agoraphobie

schwere, chronische Angstkrankheit (Spontanremission unter 10%)

höchste Behandlungsquote aller psychischen Störungen

aufwendige Differentialdiagnose und häufige Folgeprobleme bewirken massive Gesundheitskosten

hohe Rate von Fehldiagnosen und -behandlungen

Suizidrate rund 18fach erhöht

sehr häufig: Lebenszeitprävalenz 5%

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Panikattacke nach DSM-IV

"Eine Panikattacke ist eine klar abgrenzbare Episode intensiver Angst und

Unbehagens, bei der mindestens 4 der nachfolgend genannten Symptome

abrupt auftreten und innerhalb von 10 Minuten einen Höhepunkt erreichen

Palpitationen (Herzrasen), Herzklopfen oder beschleunigter Herzschlag,

Schwitzen,

Zittern oder Beben,

Gefühl der Kurzatmigkeit oder Atemnot,

Erstickungsgefühle,

Schmerzen oder Beklemmungsgefühle in der Brust,

Übelkeit oder Magen-Darm-Beschwerden,

Schwindel, Unsicherheit, Benommenheit oder der Ohnmacht nahe sein,

Derealisation (Gefühl der Unwirklichkeit) oder Depersonalisation (sich losgelöst fühlen),

Angst, die Kontrolle zu verlieren oder verrückt zu werden,

Angst zu sterben (Todesangst),

Parästhesien (Taubheiten oder Kribbelgefühle),

Hitzewallungen oder Kälteschauer."

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Auslöser von Panikattacken sind u.a. auch:

Gleichgewichtsstörungen (z.B. Morbus Menière)

Herzkrankheiten mit Rhythmusstörungen (z.B. Angina pectoris, Mitralklappenprolaps)

Lungenkrankheiten (z.B. Lungenembolie, Asthma bronchiale)

Migräne

Schilddrüsenüberfunktion

Unterzuckerung

Drogenkonsum (alle Drogen einschließlich Alkohol)

Einnahme von Neuroleptika

Einnahme von Sympathomimetika (z.B. Nasentropfen, Appetitzügler)

starker Kaffee-Genuß

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Panikattacken in nicht-klinischen Populationen

9,3 % bei repräsentativer Bevölkerungsstichprobe (Wittchen, 1986)

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Epidemiologische Daten zur Panikstörung und Agoraphobie

Lebenszeitprävalenz

Panikstörung 1, 4 – 3, 6%%

Agoraphobie 3,4 – 10, 9 %

Von allen Patienten mit psychischen Störungen ersuchen diejenigen mit Panikattacken am häufigsten professionelle Hilfe.

Patienten mit Panikattacken sind für das Gesundheitssystem besonders teuer.

In klinischen Stichproben sind Agoraphobien die weitaus häufigste Angststörung.

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Massive subjektive Beschwerden durch Panikattacken

„Herzfrequenz von 300!“

„Mein Herz droht zu zerspringen!“

„Ich ersticke!“

„Ich falle tot um!“

„Ich verliere den Verstand!“

„Ich bin nicht mehr ich!“

„Ich verliere das Bewusstsein!“

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Geringe objektive Veränderungen: Ambulante Messungen

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American Journal of Psychiatry (1986),

Journal of Nervous and Mental Disease (1987),

Journal of Psychophysiology (1990)

Schläge/Minute

86

88

82

9293

85

87 87

84

80

84

88

92

96

100

Studie 1 Studie 2 Studie 3

Herzfrequenz bei Panikanfällen und Vergleichsperioden

Baseline

Panik

Kontrolle

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Pfaltz, M. C., Michael, T., Meyer, A. H., Grossman, P., Margraf, J., & Wilhelm, F. H. (2009, accepted pending revisions). Variability of Symptoms in Daily Life of Patients with Panic Disorder and Patients with Posttraumatic Stress Disorder. Journal of Anxiety Disorders.

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Ambulante Erfassung der Symptomatik bei Patienten mit PTBS und Patienten mit Panikstörung

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Theoretischer Hintergrund

Angststörungen: durch wiederkehrende Episoden starker Angst charakterisiert

Panikstörung (PS): Wiederkehrende Panikattacken im Vordergrund

Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS): wiederkehrende Episoden starker Angst im Zusammenhang mit Wiedererleben (DSM-IV: intensive psychische Belastung und körperliche Rekationen auf Hinweisreize)

erhöhte Angstvariabilität bei beiden Störungen, systematische Quantifizierung + direkte Vergleiche zwischen PS und PTBS fehlen jedoch

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Fragestellungen

Ziel: Validierung diagnostischer Kriterien mittels Erfassung von Angstsymptomen über Zeit hinweg, nah an deren Auftreten + Vergleich der Variabilität von Angstsymptomen zwischen Panik- und PTBS-Patienten

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Hypothesen:

1. Variabilität körperlicher Angstsymptome:

Bei Panik und PTBS stärker ausgeprägt als bei gesunden Kontrollen

(Sekundäre Analysen: Variabilität von Angst und Depressivität)

2. Symptomfreie Episoden (keine körperlichen Angstsymptome): Patientengruppen unterscheiden sich von Kontrollen und untereinander bezüglich der Dauer.

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Methode

Versuchspersonen:

Panikstörung (n=26)

PTBS (n=17)

gesunde Kontrollpersonen (n=28)

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Einschlusskriterien

Panik aktuelle Panikstörung mit oder ohne Agoraphobie, keine Suizidalität

PTBS aktuelle PTBS, keine Suizidalität

Kontrollen keine aktuelle Achse-I Störung, keine Angststörung in der Vergangenheit

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Methode

Traumata innerhalb der PTBS-Gruppe: physischer oder sexueller Missbrauch (n=8)

Verkehrsunfälle (n=5)

Naturkatastrophen (n=2)

andere (n=2)

Störungen des Erlebens und Verhaltens- Panikstörung und Agoraphobie

PTBS (M±SD) Panik (M±SD) Kontrollen (M±SD) p

Alter (Jahre) 43.8±15.4 36.3±11.6 38.6±11.4 0.16

Bildung (Jahre)

11.3±1.7 10.8±1.8 11.5±1.6 0.36

Weiblich (%) 47.1% 73.1% 64.3% 0.22

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Page 17: Prof. Dr. Tanja Michael Fachrichtung Psychologie Störungen des Erlebens und Verhaltens Panikstörung und Agoraphobie

Basler Elektronisches Angsttagebuch (BEAT)

Palmtop (Tungsten E)

Erfassung von Emotionen, Kognitionen und körperlichen Symptomen bei

Panik, PTBS und gesunden Kontrollen im Alltag

ca. 100 Items

(z.B. Fragen bzgl. Angstsymptomen, Vermeidungsverhalten,

Stimmung, aktuelle Tätigkeit, Personen, Orte)

verschiedene Antwortformate

(Rating-Skalen, Zeiterfassung, dichotome

Ja/Nein Antworten etc.)

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Basler Elektronisches Angsttagebuch (BEAT)Störungen des Erlebens und Verhaltens- Panikstörung und Agoraphobie

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Methode

Untersuchte Variablen:

Variabilität von körperlichen Angstsymptomen, Angst und Depressivität (-

> RMSSD)

Dauer symptomfreier Episoden

(Symptomfreie Episoden über gesamte Woche hinweg -> mittlere Dauer)

Fragebogen zur Emotionsregulation

(ERQ, Gross & John, 2003): Subskala zur Ausdruckshemmung

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Ergebnisse: Akzeptanz und Reaktivität

Ratings (0=gar nicht, 10=sehr stark) PTBS Panik Kontrollen

Veränderungen im Verhalten durch

Untersuchungsmethode* 2.8 (2.9) 2.5 (2.6) 0.9 (1.6)

Mehr auf psychische Verfassung geachtet * 6.2 (2.8) 5.7 (2.7) 2.15 (2.5)

Mehr auf körperliche Veränderungen geachtet * 5.8 (3.0) 5.4 (2.5) 1.77 (2.4)

Negative Reaktionen anderer auf die Untersuchungsmethode

1.1 (2.2) 0.5 (1.3) 0.35 (1.4)

Die Reaktionen anderer waren mir unangenehm 1.2 (2.4) 0.7 (1.5) 0.46 (1.3)

Empfand das Tagebuch als störend 3.0 (2.2) 2.0 (2.2) 1.58 (2.1)

Empfand die Selbsteinschätzung als Hilfreich * 6.1 (2. 5) 7.1 (2.9) 3.0 ( 3.3)

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• * PD=PTSD>HC, p’s < 0.013

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Ergebnisse: VariabilitätStörungen des Erlebens und Verhaltens- Panikstörung und Agoraphobie

RM

SS

D

Körperliche

Angstsymptome

0

0.5

1

1.5

2

2.5

3

Angst Depressivität

Kontrollen

Panik

PTBS

•*

•*

•*

•*

•*•*

•*

* p<0.006

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Ergebnisse: Symptomfreie EpisodenStörungen des Erlebens und Verhaltens- Panikstörung und Agoraphobie

• HC PD PTSD

Da

ue

r sy

mp

tom

fre

ier

Ep

iso

de

n (

Std

.)

0

24

48

72

96

• HC

• PD

• PTSD

•*

•*

•*

Kontrollen Panik PTBS

* p<0.048

Mittlere Dauer symptomfreier Episoden (Mittelung über Woche)

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Ergebnisse: Emotionsregulation

RMSSDAngst

RMSSDDepressivitä

t

RMSSD

KAS*

Panikr=-0.003p>0.98

r=-0.038p>0.85

r=0.15p>0.46

PTBSr=0.43p>0.1

r=0.62p=0.013

r=0.05p>0.85

Störungen des Erlebens und Verhaltens- Panikstörung und Agoraphobie

Korrelationen mit Ausdruckshemmung:

*körperliche Angstsymptome

*p‘s<0.02

0

5

10

15

20

25

1

Ausd

ruck

shem

mun

gG

esam

tsco

re

Kontrollen Panik PTBS

•*

•*

•*

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Zusammenfassung und Diskussion

Panikstörung und PTBS: erhöhte Variabilität körperlicher Angstsymptome + verkürzte Dauer symptomfreier Episoden

körperliche Angstsymptome bei PTBS: stärkere Variabilität + kürzere Dauer symptomfreier Episoden

Datenlage konsistent mit Wiedererlebenssymptomatik

Validierung diagnostischer Kriterien im Alltag der Patienten

Störungen des Erlebens und Verhaltens- Panikstörung und Agoraphobie

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Ang

st (

0-10

)

Dep

ress

ivitä

t (0-

10)

Kör

perli

che

Ang

stsy

mpt

ome

(0-1

0)Wochenverläufe innerhalb der 3 Gruppen

Störungen des Erlebens und Verhaltens- Panikstörung und Agoraphobie

Angst

PTBS=PS>HC, p‘s<0.001

Depressivität

PTBS>PS>HC, p‘s<0.05

Körperliche Angstsymptome

PTBS>PS>HC, p‘s<0.04

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Einzelne Paniksymptome (Mittelwerte über Woche)

0

0,1

0,2

0,3

0,4HC PD PTSD

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Monique C. Pfaltz, Tanja Michael & Frank H. Wilhelm(in Vorbereitung)

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Dissoziation und Wiedererlebens-symptome bei PS und PTBS

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Theoretischer Hintergrund

Wiedererleben und dissoziative Symptome sind Hauptmerkmale der posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS)

keine Studien mit PS

Beurteilung der Symptome anhand retrospektiver Selbstbeurteilungen

Verzerrung von Erinnerungen

keine Validen Untersuchungen der Intensität und Anzahl der Symptome, die Patienten im täglichen Leben erleben

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© Prof. T. Michael Folie 28

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Ziele und Hypothesen

Erfassung von Dissoziation und Wiedererlebenssymptomen nahe an deren Auftreten Quantifizierung der Belastung

Dissoziation und Wiedererlebenssymptome: Assoziation mit bestimmten Emotionsregulationsstrategien?

Der Gebrauch inadäquater Emotionsregulationsstrategien (z.B. Gedankenunterdrückung, Unterdrücken von Gefühlen) erhöht die Anzahl der Symptome.

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© Prof. T. Michael Folie 29 Wegner, Amstadter & Vernon (2006); Moore et al. (2008)

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Methode

Ausgewählte Variablen

Symptome des Wiedererlebens (Ja/Nein):

• Wiedererleben des Traumas

• belastende Gedanken an das Trauma

• Traumaerinnerungen

Dissoziative Symptome (0-10):

•ins Leere starren

•sich wie ein Roboter fühlen

•neben sich stehen

Störungen des Erlebens und Verhaltens- Panikstörung und Agoraphobie

© Prof. T. Michael Folie 30

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Methode

Ausgewählte Variablen

Emotionsregulationsstrategien:

• Ich versuchte…

…nicht über das Trauma zu sprechen (Ja/Nein)

…nicht an das Trauma zu denken (Ja/Nein)

…Gefühle im Zusammenhang mit dem Trauma zu unterdrücken

(Ja/Nein)

…meine Gefühle zu verbergen (0-10)

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Ergebnisse – TraumaerinnerungenStörungen des Erlebens und Verhaltens- Panikstörung und Agoraphobie

Anzahl Traumaerinnerungen (Erinnerungen an die schlimmste Panikattacke oder negativstes Erlebnis) pro Woche

10

2

4

6

8

10

12

14

16

18

KG PS PTBS

•*

•*

•*

* p<.002

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Ergebnisse – Belastende GedankenStörungen des Erlebens und Verhaltens- Panikstörung und Agoraphobie

Anzahl belastende Gedanken an das Trauma (an die schlimmste Panikattacke oder das negativste Lebensereignis) pro Woche

* p<.018

10

2

4

6

8

10

12

14

KG PS PTBS

•*

•*

•*

© Prof. T. Michael Folie 33

Page 34: Prof. Dr. Tanja Michael Fachrichtung Psychologie Störungen des Erlebens und Verhaltens Panikstörung und Agoraphobie

Ergebnisse – WiedererlebenStörungen des Erlebens und Verhaltens- Panikstörung und Agoraphobie

Anzahl Wiedererlebensberichte pro Woche

10

1

2

3

4

5

6

7

8

9

KG PS PTBS

•*

•*

•*

* p<.05

© Prof. T. Michael Folie 34

Page 35: Prof. Dr. Tanja Michael Fachrichtung Psychologie Störungen des Erlebens und Verhaltens Panikstörung und Agoraphobie

Ergebnisse – Dissoziative SymptomeStörungen des Erlebens und Verhaltens- Panikstörung und Agoraphobie

An

zah

l dis

sozi

ativ

er

Sym

pto

me

pro

3-S

tun

de

n I

nte

rva

ll

Series10

0.5

1

1.5

2

2.5

3

KG PS PTBS

•*

• *

Series10

0.5

1

1.5

2

2.5

3

KG PS PTBS

Inte

nsi

tät

de

r d

isso

zia

tive

n S

ymp

tom

e (

0-1

0)

•*

• *

* p<.001

© Prof. T. Michael Folie 35

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Zusammenfassung und Schlussfolgerungen

PTBS hohe Alltagsbelastung durch Traumagedanken, Erinnerungen und

Wiedererleben

Versuche, die Gedanken zu unterdrücken führt zu belastenden Traumagedanken Erweiterung experimenteller Laborbefunde (Shipherd & Beck, 1999; Amstadter & Vernon, 2006)

PS hohe Anzahl von Wiedererlebenssymptomen

Gefühle verbergen und Gedankenunterdrückung

Anzahl der Symptome des Wiedererlebens

Intensität der dissoziativen Symptome

Störungen des Erlebens und Verhaltens- Panikstörung und Agoraphobie

© Prof. T. Michael Folie 36

Page 37: Prof. Dr. Tanja Michael Fachrichtung Psychologie Störungen des Erlebens und Verhaltens Panikstörung und Agoraphobie

Kinder von Personen mit Panikstörung tragen hohes Risiko für

Ausbildung der Störung

„In der Wahl seiner Eltern kann man nicht vorsichtig genug sein“

Störungen des Erlebens und Verhaltens- Panikstörung und Agoraphobie

© Prof. T. Michael Folie 37

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Prospektive LängsschnittstudieStörungen des Erlebens und Verhaltens- Panikstörung und Agoraphobie

N

Alter in Jahren

Weiblich (%)

„Panik-Kinder“ (N)

„Phobie-Kinder“ (N)

„Kontroll-Kinder“ (N)

T1140

11.7 (2.6)

56%

66

22

52

T 2113

18.4 (3.6)

58 %

53

17

43

Wiederteilnahme-Rate: 81 %

Follow-up Zeitraum: 6.3 (.9) Jahre

Schneider et al. © Prof. T. Michael Folie 38

Page 39: Prof. Dr. Tanja Michael Fachrichtung Psychologie Störungen des Erlebens und Verhaltens Panikstörung und Agoraphobie

Interpretations-Bias bei Kindern von Eltern mit Panikstörung

Interpretationsfragebogen für Kinder (basierend auf Fragebögen von McNally & Foa (1987); Clark et al. (1997); Margraf & Ebert (in Vorb.)

3 Typen von mehrdeutigen Stimuli panikrelevant

neutral (Erkältung)

phobierelevant (Spinne)

Störungen des Erlebens und Verhaltens- Panikstörung und Agoraphobie

© Prof. T. Michael Folie 39

Page 40: Prof. Dr. Tanja Michael Fachrichtung Psychologie Störungen des Erlebens und Verhaltens Panikstörung und Agoraphobie

Interpretationsfragebogen für Kinder (IF-K)

Beispiel-Item:

Der Bär Balu läuft durch den Wald. Plötzlich bemerkt er, dass sein Herz klopft, ihm ist schwindlig und heiß.

Was ist passiert?

Störungen des Erlebens und Verhaltens- Panikstörung und Agoraphobie

© Prof. T. Michael Folie 40

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Interpretationsfragebogen für Kinder (IF-K)

Panik (+1):

Balu ist ängstlich. Er denkt, daß er sehr krank ist und einen Arzt braucht.

Neutral (0):

Balu ist lange gelaufen. Er ist erschöpft und braucht eine Pause.

Positiv (-1):

Balu ist sehr aufgeregt. Er wird gleich seine Freundin treffen.

2 parallele Versionen (Messwiederholung)

Störungen des Erlebens und Verhaltens- Panikstörung und Agoraphobie

© Prof. T. Michael Folie 41

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Ergebnisse IF-KStörungen des Erlebens und Verhaltens- Panikstörung und Agoraphobie

-0.4

-0.3

-0.2

-0.1

0

0.1

0.2

0.3

Panik Phobie Erkältung

Art des Modells

IF-K

(na

ch-v

or M

odel

l)

"Panik-Kinder"

"Phobie-Kinder"

"Kontroll-Kinder"

Schneider, Unnewehr, Florin, Margraf, J. Anx. Disorders (2002) © Prof. T. Michael Folie 42

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Interpretations-Bias als Risikofaktor?

Kinder von Eltern mit Panikstörung zeigen nach Priming gleichen Interpretations-Bias wie ihre Eltern

Kinder haben jedoch noch keine Panikanfälle erlebt!

Sagt Interpretations-Bias Auftreten einer Panikstörung vorher?

Störungen des Erlebens und Verhaltens- Panikstörung und Agoraphobie

© Prof. T. Michael Folie 43

Page 44: Prof. Dr. Tanja Michael Fachrichtung Psychologie Störungen des Erlebens und Verhaltens Panikstörung und Agoraphobie

Risikofaktor Interpretations-Bias

Merkmal in der Kindheit

(M=10.7 Jahre, SD=2.0)

Störungen des Erlebens und Verhaltens- Panikstörung und Agoraphobie

© Prof. T. Michael Folie 44

Störung im Erwachsenenalter(M=19.0 Jahre, SD=3.9)

Interpretations-Bias

Panik / Agoraphobie

OR 3.0

Sozialphobien.s.

Angststörung

n.s.

Spezifische Phobien.s.

N=68

Schneider & Nündel, European Neuropsychopharmacology (2002)

Page 45: Prof. Dr. Tanja Michael Fachrichtung Psychologie Störungen des Erlebens und Verhaltens Panikstörung und Agoraphobie

RisikofaktorTrennungsangst (TA)

Störungen des Erlebens und Verhaltens- Panikstörung und Agoraphobie

Hypothese:

TA ist ein spezifischer Risikofaktor für Panikstörung/ Agoraphobie (Klein, 1964)

• retrospektive Studien: uneinheitliche Ergebnisse

• Familienstudien: einzelne Belege (Unnewehr, Schneider, Florin, Margraf, 1998)

prospektive Längsschnittstudien fehlen

© Prof. T. Michael Folie 45

Page 46: Prof. Dr. Tanja Michael Fachrichtung Psychologie Störungen des Erlebens und Verhaltens Panikstörung und Agoraphobie

RisikofaktorTrennungsangst

Störung in der Kindheit (M=11.7 Jahre, SD=2.6)

Störungen des Erlebens und Verhaltens- Panikstörung und Agoraphobie

Störungen im Erwachsenenalter(M=18.4 Jahre, SD=3.6)

Trennungsangst

Panik / Agoraphobie

OR 8.4

N=113

Sozialphobien.s.

Angststörung

n.s.

Spezifische Phobien.s.

Schneider & Nündel, European Neuropsychopharmacology (2002) © Prof. T. Michael Folie 46

Page 47: Prof. Dr. Tanja Michael Fachrichtung Psychologie Störungen des Erlebens und Verhaltens Panikstörung und Agoraphobie

RisikofaktorTrennungsangst

Störungen in der Kindheit (M=11.7 Jahre, SD=2.6)

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Störung im Erwachsenenalter(M=18.4 Jahre, SD=3.6)

Panik / Agoraphobie

TrennungsangstOR 8.4

Sozialphobie n.s.

Generalisierte Angststörung

n.s.

N=113

Schneider & Nündel, European Neuropsychopharmacology (2002) © Prof. T. Michael Folie 47

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Biologische Modelle der Panikstörung

Suffocation false alarm theory (Klein, 60ziger Jahre): Respiratorische Abnormalitäten charakterisieren PS:

breath-by-breath variability und Atemvolumen bei PS erhöht (Laborbefunde)

Aber: Naturalistische Überprüfung der Hypothese ergab keinerlei Unterschied zwischen PS Patienten und Kontrollprobanden.

Pfaltz, M. C., Michael, T., Grossman, P., & Wilhelm, F. H. (2009). Ambulatory Monitoring of Automatic and Respiratory Regulation in Panic Disorder – No Evidence for Respiratory Trait Instability. Psychosomatic Medicine, 71, 869-876.

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Naturalistische Messung mit Life-Shirt

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Biologische Modelle der PanikstörungStörungen des Erlebens und Verhaltens- Panikstörung und Agoraphobie

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Biologische Modelle der Panikstörung

Trotz state-of-the-art ambulatorischer Messung und hinreichender statistischer Power ergaben sich keinerlei Hinweise für respiratorische Abnormalitäten bei PS Patienten.

D.h., man kann vermuten, dass Laborbefunde durch eine erhöhte Reaktivität der PS Patienten auf die Experimentalsituation hervorgerufen wurden.

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Biologische Modelle der Panikstörung

Hyperventilationstheorie der Panikstörung (Lum; Ley; Garssen, 80ziger Jahre):

akute und/oder chronische Hyperventilation löst Panikattacken aus

Aber: Es leiden weder die Mehrzahl der Panikpatienten an chronischer Hyperventilation noch tritt akute Hyperventilation regelmäßig bei akuten Panikattacken auf (Michael, Ehlers, & Margraf, 2003).

Jedoch: Willkürliche Hyperventilation löst bei der Mehrzahl der Panikpatienten Angst aus. Auch haben viele PS Patienten einen niedrigen arteriellen Partialdruck des Kohlendioxids (PCO2) vor belastenden Situationen.

Patienten interpretieren Hyperventilationssymptome stärker als Gefahr als Kontrollprobanden.

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Biologische Modelle der Panikstörung

Biochemische Auffälligkeiten:

Patienten mit PS-Störung erleben häufig Panikattacken durch sog. panikogene Substanzen (z.B. Natriumlaktatinfusionen, Koffein).

Aber:

Substanzen stehen mit sehr unterschiedlichen bzw. sich sogar gegenseitig ausschließenden biologischen Prozessen in Zusammenhang (Barlow, 2002).

Patienten mit PS unterscheiden sich nicht von KP in ihren Reaktionen auf Substanzen, wohl aber stark im Ausgangsniveau der Angst (Ehlers et al., 1986).

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SchwindelSchwächegefühleBenommenheitVisuelle SymptomeZittern, Blässe

PalpitationenBrustschmerzenSchwitzenAtembeschwerden

Körperliche Symptome

AtemnotWürgegefühlKloss im Hals

Kribbeln in den Extremitäten

Derealisation und DepersonalisationRasende GedankenKonzentrationsschwierigkeiten

Häufigste Fehlinterpretationen bei Panikanfällen

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Alle intensiven Angstsymptome

Ich werde in Ohnmacht fallen.Ich habe einen Hirntumor.Ich bekomme einen Schlaganfall.

Ich bekomme einen Herzinfarkt.

Ich ersticke.Ich höre auf zu atmen und sterbe.

Ich werde gelähmt, bin schwerkrank.

Ich verliere die Kontrolle über mich.Ich werde verrückt, muss ins Irrenhaus.

Diese Angst bringt mich um.

Gedanken / Interpretationen

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Kognitives Modell der PanikstörungStörungen des Erlebens und Verhaltens- Panikstörung und Agoraphobie

Körperliche

Symptome

Wahr-

nehmung

Gedanken

„Gefahr“

„Angst“

Physiologische

Veränderungen

Sichtbares Verhalten

Äußere Reize

Clark (1986) © Prof. T. Michael Folie 55

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Kognitives Modell der Panikstörung

Zahlreiche Befunde stützen das kognitive Modell der PS (Übersicht bei Clark, 1997).

PS Patienten interpretieren körperliche Empfindungen deutlich stärker als Anzeichen von Gefahr als KP.

Veränderung der dysfunktionlen Kognitionen reduziert Paniksymptome (sehr gute Therapieerfolge!!!).

Kurze Instruktion über (ungefährliche) körperliche Reaktion auf panikogene Substanzen verhindert das Auftreten von Panikanfällen.

Aber: Wie können nächtliche Panikattacken erklärt werden?

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Nächtliche Panikattacken

Ca. 50% der PS Patienten gibt an, mind. einmal eine Panikattacke im Schlaf erlitten zu haben, d.h. in panischem Zustand aus dem Schlaf zu erwachen (Jedoch: die überwiegende Mehrzahl der Panikattacken tritt tagsüber auf).

Nächtliche Panikattacken scheinen keine Reaktion auf Alpträume zu sein (treten zumeist in Non-REM-Schlafphasen auf.

Wie können katastrophisierende Gedanken im Schlaf auftreten?

Ergänzung: lerntheoretische Erklärungen (Panik beruht zumindest zum Teil auf konditionierten Reaktionen).

Patienten, die zu nächtlichen Panikattacken neigen, haben weniger katastrophisierende Kognitionen als Patienten, die nur tagsüber Panikattacken erleben.

Störungen des Erlebens und Verhaltens- Panikstörung und Agoraphobie

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Lerntheorie der Panikstörung

Bouton, M. E., Mineka, S., & Barlow, D. H. (2001). A modern learning theory perspective on the etiology of panic disorder. Psychological Review, 108, 4–32

Ursprüngliche Panikattacken werden mit ursprünglichen neutralen internen (interozeptiven) und externen Reizen assoziiert.

ängstliche Besorgnis durch Kontextkonditionierungseffekte

agoraphobisches Vermeidungsverhalten

Panikattacken selbst werden interne Reize gekoppelt (dieser Prozess kann Panikattacken erklären, die scheinbar aus dem Nichts kommen)

Warum entwickeln nicht alle Menschen nach einer Panikattacke eine Panikstörung?

Störungen des Erlebens und Verhaltens- Panikstörung und Agoraphobie

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Erhöhte KonditionierbarkeitStörungen des Erlebens und Verhaltens- Panikstörung und Agoraphobie

© Prof. T. Michael Folie 59

Michael, T., Blechert, J., Vriends, N., Margraf, J., & Wilhelm, F. H. (2007). Fear Conditioning in Panic Disorder: Enhanced Resistance to Extinction. Journal of Abnormal Psychology, 116, 612-617.

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Der Zeitpunkt der ersten Panikattacke

Obwohl Panikattacken scheinbar aus dem Nichts kommen, tritt die erste Panikattacke im Anschluss an psychisches Leid oder hochgradig stressbedingte Lebensumstände wie Verlust einer nahestehenden Person, Beendigung einer wichtigen Beziehung, Arbeitsplatzverlust oder kriminelle Viktimisierung auf.

Störungen des Erlebens und Verhaltens- Panikstörung und Agoraphobie

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Panikstörung- Behandlung -

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Störungen des Erlebens und Verhaltens- Panikstörung und Agoraphobie

Medikamentöse Therapie

Notfallmedikamente Temesta

Valium

Seresta

Xanax

Problem: Suchtmittelabhängigkeit !!!

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Panikstörung- Behandlung -

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Störungen des Erlebens und Verhaltens- Panikstörung und Agoraphobie

Medikamentöse Therapie

Antidepressiva Surmontil Anafranil Deroxat/Seroxat/Cipralex/Zoloft/Fluctine Floxyfral Efexor/Cymbalta

Nebenwirkungsprofil !!!

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Panikstörung- Behandlung -

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Störungen des Erlebens und Verhaltens- Panikstörung und Agoraphobie

Kognitive Verhaltenstherapie

seit ca. 1990 etabliert

Therapiemodell wird durch „geleitetes Entdecken“ vermittelt

Im Rahmen eines dialogischen Prozesses lernen Patienten Fehlinterpretationen körperlicher Prozesse zu identifizieren und alternative Erklärungskonzepte zu entwickeln.

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Panikstörung- Behandlung -

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Störungen des Erlebens und Verhaltens- Panikstörung und Agoraphobie

Kognitive Verhaltenstherapie

sechs Schritte: diagnostische Phase

psychoedukative Phase

Identifizierung von Sicherheitsverhalten

Konfrontation mit internen Auslösern der Angstanfälle

imaginative Auseinandersetzung mit befürchteten Katastrophen

Konfrontation mit externen Auslösern

spezielle kognitive Techniken

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Panikstörung- 10 Gebote -

1. Denken Sie daran, dass Panik eine normale Körperreaktion ist, nur übertrieben.

2. Panik ist nicht schädlich oder gefährlich, nur sehr unangenehm.

3. Achten Sie darauf, was gerade hier und jetzt passiert, nicht auf das, was Sie fürchten, was passieren könnte.

4. Konzentrieren Sie sich darauf, was Sie hören, sehen und riechen können, nicht aber auf Ihre Körperempfindungen.

5. Verschlimmern Sie die Angst nicht durch angsterzeugende Gedanken.

6. Warten Sie ab und lasse Sie der Angst Zeit, von selbst zu vergehen. Bekämpfen Sie sie nicht und laufen Sie nicht von ihr davon.

7. Denken Sie daran, dass jedes Auftreten von Angst eine gute Gelegenheit ist, Fortschritte zu machen.

8. Atmen Sie ruhig und langsam, aber nicht tief.

9. Beginnen Sie langsam mit der gerade aufgehörten Tätigkeit.

10. Erzählen Sie jemanden von dem, was Sie gerade erlebt haben.

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PanikstörungWie gehe ich mit Rückschlägen um?

1. Stellen Sie sich darauf ein, dass Ängste auftreten werden. Versuchen Sie auch die Ängste zu provozieren, um zu lernen, wie Sie am besten mit der Angst umgehen können.

2. Versuchen Sie möglichst in der Situation zu bleiben, in der die Panik begonnen hat.

3. Falls Ihnen ein Verbleiben unmöglich erscheint, entfernen Sie sich langsam ein kurzes Stück vom angstbesetzten Ort – versuchen Sie aber auf keinen Fall, zu flüchten.

4. Vergegenwärtigen Sie sich immer wieder die 10 Gebote, die ihnen helfen sollen, mit der Angst besser umzugehen.

5. Üben Sie möglichst weiter, auch wenn die Ängste geringer geworden sind.6. Wenn Sie aus Angst nach Hause zurückgekehrt sind, versuchen Sie so

schnell wie möglich, erneut in die gemiedene Situation zurückzukehren.7. Führen Sie ein Angsttagebuch.8. Einige Rückschläge werden unvermeidlich sein. Sie treten bei jedem

Lernprozess auf. Stellen Sie sich darauf ein und geben Sie nicht auf.

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Vor welchen Situationen fürchten sich Patienten mit Agoraphobie?

Öffentliche Orte und Menschenansammlungen

Autofahren

Benutzen von öffentlichen Verkehrsmitteln

Fahrstühle

Schlange stehen

Einkauf in Kaufhäusern oder Supermärkten

Besuch von Kinos, Theatern oder Gaststätten

Alleinsein

etc.

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Was fürchten die Patienten?

Entfernung von „sicheren“ Orten

Einengung der Bewegungsfreiheit

„In der Falle sitzen“ (häufige Metapher)

in Begleitung werden die Situationen im Allgemeinen besser ertragen

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Bedeutung von Sicherheitssignalen

Sicherheitssignale reduzieren Angst, ihre Abwesenheit wird jedoch wiederum zum Angstauslöser.

häufige Beispiele:

Medikamente, etwas zum Festhalten, Telefonnummer des Hausarztes oder Therapeuten, Anwesenheit eines Partners

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Erklärung der Agoraphobie

Vorbemerkung:

Agoraphobie ohne Panikstörung in der Vorgeschichte gibt es fast nicht. Wenn tatsächlich keine Panik auftrat, litten die Patienten an anderen unvorhersehbaren körperlichen Gebrechen wie Colitis (plötzliche blutige Diarrhoe) oder Epilepsie, die der betroffenen Person massiv Angst machte.

Gängiges Störungsmodell:

Angst vor der Angst (moderne Variante des Zweifaktorenmodells von Mowrer)

Ergänzungen: hohe Angstsensitivität, hohe subjektive Vulnerabilitätseinschätzungen und dysfunktionale Kognitionen (in Kindheit erworben – Beck–Modell).

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Agoraphobie- Behandlung-

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Bentz, D., Michael, T., & Margraf, J. (2010). Reizkonfrontationsverfahren. Psychiatrie Up to date.

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Wirksamkeit von Konfrontation im klinischen Alltag

Efficacy: Wirksamkeit einer Intervention unter idealen Bedingen.

Publizierte Therapiestudien ermitteln in der Regel die efficacy eines Verfahrens.

Effectiveness: Wirksamkeit unter durchschnittlichen Alltagsbedingungen.

Studie von Hahlweg et al. (2001) ergab einen effectiveness-Grad, der vergleichbar ist mit efficacy Angaben von Therapiestudien.

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Akzeptanz von Konfrontationstherapie

Bei massierter Konfrontation lehnen 15-25% der Patienten das Vorgehen ab oder beenden die Therapie vorzeitig.

Bei graduellem Vorgehen ist die Ablehner- / Abrrecherquote unter 5%.

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Zusätzliche psychotherapeutische Maßnahmen

positive Befunde für:

stärkere Integration kognitiver Methoden

Partner-Kommunikationstraining

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Kombinationsbehandlung mit Psychopharmakotherapie

unklare Datenlage

eventuell kann Kombination mit Antidepressiva sinnvoll sein

Besondere methodische Probleme beim metaanalytischen Vergleich von psychologischen und pharmakologischen Therapiestudien.

Für Interessierte:

Lajtman, M., Michael, T., & Meyer, A. H (2010, im Druck). Meta-Analysis of Psychological versus Pharmacological Treatments for Mental Disorders: Strengths and Caveats. Behavioural and Cognitive Psychotherapy.

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