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Verschiedenes. 355 der angewandten Entomologie widmen wollen, wunschen, dass sie durch die systematische Schule gehen, damit sie jene Eigenschaften in moglichst hohem MaSB,sich aneignen. DeM klares Erfassen der Aufgabe, klare Fragestellung und kiitische Sichtung des Unwesentlichen vom Wesentlichen isi gerade bei den angewandten Wissenschaften VOII der allergrossten Bedeutung - weit mehr noch als bei den rein theoretischen, da bei den ersteren jeder Entschluss und jedes Urteil eine mehr oder minder grosse Verantwortung fur die Allgemeinheit in sich birgt, und falsche Folgerungen schwere, oft nicht wieder gut zu mwhende Schaden nach sich ziehen konnen. So hat also auch unsere Spezialwissenschaft, die angewandte Entomologie, mehr als eirien Grund, E d m u n d R o i t t e r s an seinem Jubilaum zu gedenken und ihm die herzlichsten Gliickwiinsche darzubringen. Moge es dem Jubilar noch recht lange vergonnt soin, Lupe und Feder zu fiihren und weiter Ordnung in so manches noch besteheride Chaos zu bringen; es gibt noch reichen Arbeits- stoff fur mehrere Dezennien. - E. Escherich. Professor Dr. Lucas von Heyden t. Am 13. September 1015 entschhef sanft in den Armen seiner treuen Schwester der von uns allen so hochgeschatzte und geliebte L. v o n H e y d e n.1) Er war noch einer der immer seltener werdenden Entomologen vom alten Schlag, deren ganzes Denken und Fiililen der wunderbaren Welt der Insekten galt und die sich dadurch ein kindlich zufriedenes gliickliches Gemut bis an ihr Lebensende bewahrten. Jedem musste es im p e r s 6 n 1 i c h e n Ve r k e h r mit H e y d e n wohl zu Mute sein. Entstromte doch dem herrlichen Manne mit dem ehrwiirdigen, von langem weissen Bart umrahmten Gesicht so vie1 Liebe, Milde und Giite, dass man sich in seiner Nahe viillig entriickt fiihlte von dem von Hass und Neid geleiteten Kampfe, der unablassig rings herum tobt. Ich 1) L u c a 6 v o n H e y d e n wurde geboren am 22. Mai 1838 als Sohn des Senators Dr. phil. hon. c. K a r 1 v o n H e y d e n , der selbst zu den hervorragendsten Entomologen des vorigen Jahrhunderts gehorte. Nach Absolvierung des Gymnasiums in Frankfurt a. M. wurde er Leutnant im Bundeskontingent des Frankfurter Infanterie-Bataillons, war be- reita 1865 Hauptmann und Kompagniechef und wurde 1866, nach Aufloeung des Ba&illons durch den preussischen Staat, pensioniert. 1870 stellte er sich freiwillig zur Verfiigung, wurde in die preuseische Armee libernommen und nahm an dem Feldzuge gegen Frankrekh teil, erwarb sich das eiserne Kreuz 11. Klasse, trat aber 1871 wieder in das Privatletm zuriick, um sich ganz der entomologischen Wissenschaft zu widmen. 1884 m d e ihm der Charakter eines kgl. preussischen Majors verliehen. 1875 wurde ihm der Doktor phil. hon. causa ubertragen, von der Universitiit Bonn, die ihm nach 25 Jahren, zum erstenmal seit deren Bestehen dieses Doktordiplom in schmeichelhafter Weiee erneuerte. Den Titel einee Professors erhielt er 1901 dureh ein Diplom dee preU66i6Chen Ministeriume im Hin- blick ad seine anerkennenswerten wiseenschaftlichen Leistungen. Uber 200 Insekten aus allen Ordnungen sind ihm zu Ehren nach seinem Namen benannt worden. Er stand mit 52 Gesellschaften ale wirkliches oder korrespondierendes Mitglied in Verbindung, und 10 Gesellschaften gehorte er ale Ehrenmitglied an. - (Ich entnehme diese Daten dem ausftihrlichen, w a h empfundenen Nachruf, den R e i t t e r seinem Freunde in den ,,Ento- mologiechen Mitteilungen (1915, S. 253-267) widmete, und den ich allen, die sich fur das Leben H e y d e n 8 naher interessieren, zur Lektiire empfehle).

Professor Dr. Lucas von Heyden †

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Verschiedenes. 355

der angewandten Entomologie widmen wollen, wunschen, dass sie durch die systematische Schule gehen, damit sie jene Eigenschaften in moglichst hohem MaSB,sich aneignen. DeM klares Erfassen der Aufgabe, klare Fragestellung und kiitische Sichtung des Unwesentlichen vom Wesentlichen isi gerade bei den angewandten Wissenschaften VOII der allergrossten Bedeutung - weit mehr noch als bei den rein theoretischen, da bei den ersteren jeder Entschluss und jedes Urteil eine mehr oder minder grosse Verantwortung fur die Allgemeinheit in sich birgt, und falsche Folgerungen schwere, oft nicht wieder gut zu mwhende Schaden nach sich ziehen konnen.

So hat also auch unsere Spezialwissenschaft, die angewandte Entomologie, mehr als eirien Grund, E d m u n d R o i t t e r s an seinem Jubilaum zu gedenken und ihm die herzlichsten Gliickwiinsche darzubringen. Moge es dem Jubilar noch recht lange vergonnt soin, Lupe und Feder zu fiihren und weiter Ordnung in so manches noch besteheride Chaos zu bringen; es gibt noch reichen Arbeits- stoff fur mehrere Dezennien. - E. Escherich.

Professor Dr. Lucas von Heyden t. Am 13. September 1015 entschhef sanft in den Armen seiner treuen

Schwester der von uns allen so hochgeschatzte und geliebte L. v o n H e y d e n.1) Er war noch einer der immer seltener werdenden Entomologen vom alten Schlag, deren ganzes Denken und Fiililen der wunderbaren Welt der Insekten galt und die sich dadurch ein kindlich zufriedenes gliickliches Gemut bis an ihr Lebensende bewahrten. Jedem musste es im p e r s 6 n 1 i c h e n Ve r k e h r mit H e y d e n wohl zu Mute sein. Entstromte doch dem herrlichen Manne mit dem ehrwiirdigen, von langem weissen Bart umrahmten Gesicht so vie1 Liebe, Milde und Giite, dass man sich in seiner Nahe viillig entriickt fiihlte von dem von Hass und Neid geleiteten Kampfe, der unablassig rings herum tobt. Ich

1) L u c a 6 v o n H e y d e n wurde geboren am 22. Mai 1838 als Sohn des Senators Dr. phil. hon. c. K a r 1 v o n H e y d e n , der selbst zu den hervorragendsten Entomologen des vorigen Jahrhunderts gehorte. Nach Absolvierung des Gymnasiums in Frankfurt a. M. wurde er Leutnant im Bundeskontingent des Frankfurter Infanterie-Bataillons, war be- reita 1865 Hauptmann und Kompagniechef und wurde 1866, nach Aufloeung des Ba&illons durch den preussischen Staat, pensioniert. 1870 stellte er sich freiwillig zur Verfiigung, wurde in die preuseische Armee libernommen und nahm an dem Feldzuge gegen Frankrekh teil, erwarb sich das eiserne Kreuz 11. Klasse, t ra t aber 1871 wieder in das Privatletm zuriick, um sich ganz der entomologischen Wissenschaft zu widmen. 1884 m d e ihm der Charakter eines kgl. preussischen Majors verliehen. 1875 wurde ihm der Doktor phil. hon. causa ubertragen, von der Universitiit Bonn, die ihm nach 25 Jahren, zum erstenmal seit deren Bestehen dieses Doktordiplom in schmeichelhafter Weiee erneuerte. Den Titel einee Professors erhielt er 1901 dureh ein Diplom dee preU66i6Chen Ministeriume im Hin- blick a d seine anerkennenswerten wiseenschaftlichen Leistungen. Uber 200 Insekten aus allen Ordnungen sind ihm zu Ehren nach seinem Namen benannt worden. Er stand mit 52 Gesellschaften a l e wirkliches oder korrespondierendes Mitglied in Verbindung, und 10 Gesellschaften gehorte er ale Ehrenmitglied an. - (Ich entnehme diese Daten dem ausftihrlichen, w a h empfundenen Nachruf, den R e i t t e r seinem Freunde in den ,,Ento- mologiechen Mitteilungen (1915, S. 253-267) widmete, und den ich allen, die sich fur das Leben H e y d e n 8 naher interessieren, zur Lektiire empfehle).

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356 Verschiedenea.

hatte leider nicht allzuoft Gelegenheit mit ihm zusammenzukommen: jedesmal aber waren es festliche Stunden in meinem Leben. Der erste Besuch, den ich, eben der Schulbank entflohen, als 18 jtihriger bei ihm in Bockenheim machte, ist mir heute noch so gegenwartig, als wars erst vor kurzem geschehen. Mit klopfendem Herzen trat ich ein, sobald ich ihn aber mit seinem giitigen Gesicht mi& anblicken sah, schwand jede Benommenheit und bald fiihlte ich mich ihm gegeniiber wie ein Sohn zu dem Vater. Diese Empfindung blieb bei mir bis zu- letzt, da ich ihn vor wenigen Jahren anlasslich eines Vortrages (uber angewandte Entomologie) im ,,Senkenberg" zum letzten Male sah; stets war er mir der vater- liche Freund. So wirds wohl den meisten ergangen sein, die mit H e y d e n in Verkehr traten.

Nicht weniger herzerfreuend war der b r i e f 1 i c h e Ve r k e h r. Mit allen entomologischen Anliegeli, welchor Art sie auch sein mochten, fand man boi ihm williges Gehor. Stets antwortete er umgehend in seiner klaren Art mit seiner herrlichen charakteristischen Handschrift. Sprichwortlich war seine Frei- gebigkeit im A u s 1 e i h e n v o n B ii c h e r n aus seiner grossartigen, kauin iiber- troffenen entomologischen Bibliothek (die nun durch Vermachtnis in den Besitz von Senkenberg iibergegangen ist). Niemals wurden ihm die Ausgaben und die Arbeit fur das Versenden der Biicher, von denen wohl taglich eine ganze An- zahl nach allen Himmelsrichtungen gingen, zu viel. Jede Bitte um Literatur- Unterstutzung wurde postwendend erledigt. Ja sollte einmal - was allerdings selten vorkam - ein gewiinschtes Werk in seiner Bibliothek nicht vorhmden gewesen sein, so ging er sofort nach der Senkenberg-Bibliothek und kopierte dort, wenn 8s sich nicht um allzulange Arbeiten handelte, eigenhhdig die be- treffenden Stellen. Ich bwitze eine g a z e Reihe solcher handschriftlichen Kopien, teils von recht ansehniichem Umfange.

Nicht weniger frdgebig war H e y d e n im V e r l e i h e n v o n M a t e r i a l a u s s e i n e r w e l t b e k a n n t e n C o l e o p t e r e n s a m m l u n g , die an Reichhaltigkeit seiner Bibliothek um nichts nachsteht. Es wird wohl wenige Monographen von Kaferfamilien geben, denen nicht sein Material, das durch die peinlich genaue Etikettierung jedes Stiickes besonderen Wert besitzt, vorgelegen war. Es machte H e y d e n gar nichts aus, Hunderte und Tausende von Exemplaren herauszustecken und zu versenden, wenn er nur wusste, dass er anderen einen Dienst damit erwies und ,,die liebe Wissenschaft" dadurch ge- fordert wurde. Auch wenn ihm dieses weitherzige Entgegenkommen mitunter schlecht gelohnt und er durch seine Liebenswurdigkeit um manches wertvolle Material gebracht wurde, so hielt i'nn dies nicht ab, an seinem alten Optimismus festzuhalten; - jedenfalls sollten unter der Unerzogenheit einzelner nicht andere zu leiden haben. Mit grosster Freude trat der Verstorbene auch geschenkwdse von seinem Material an Freunde ab, selbst wenn er nur wenige Stiicke von der betreffenden Art besass - wenn er nur uberzeugt war, dass das Material in gute HHnde gelangte.

Die s c h r i f t s t e l l e r i s c h e T a t i g k e i t v. H e y d e n s war sehr fruchtbar; hat er doch nicht weniger als 500 neue Kaferarten und -Gattugen beschrieben. Ausserdem hat er sich durch die Mitherausgabe (mit R ei t t e r und We i s e) des jedem Entomologen unentbehrlichen ,,Catalogus Coleopterorum" grosse Verdienste erworben. Seine Veroffentlichungen (mehr ds 300) bezogen

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Verachiedenes. 357

sich aber nicht nur auf rezente Coleopteren, sondern er beschrieb auch eine grosse Anzahl fossile Kafer, ferner fossile Dipteren und andere Insekten.

Neben der Beschaftigung mit der Systematik galt ein g r o s s e r T e i 1 s e i n e r A r b e i t d e r a n g e w a n d t e n E n t o m o l o g i e . Hat er doch durch mehr als 20 Jahre als Obmann der R e b l a u s k o m m i s s i o n in der Rheinprovinz gewirkt. Mit welcher Gewissenhaftigkeit und Hingabe er disses Amtes gewaltet hat, mogen einige Stellen aus Briefen, die er aus Neuenahr an seinen Freund R e i t t e r gerichtet hat, zeigen: ,,Ich schreibe diese Zeilen", heisst es in einem Brief, ,,morgens 5 1 1 ~ Uhr vor dem Priihstiick, da wir 4 Kollegen zu unserom Bestimmungsort taglich 3/, Stunden hin und ebensolange zuriickzugehen haben. Von morgens 7 Uhr bis zum Dunkelwerden wird guarbeitet. Abends 61/2 Uhr bekommen wir im Gasthaus orst warmes Essen. So geht es nun weiter. Dabei ist die Arbeit anstrengend auch im Anfang fur den Kopf, da vie1 kopiert und Wurzeln untersucht werden mussten. Du weisst aber, dass ich eine gute Gesundheit habe und Strapazen ertragen kann." - Und an anderer Stelle im Jahre 1878: ,,Die Arbdt ist hier sehr anstrengend fur mich, da. ich in den Wein- bergen in steiler Lage in der grossten Sonnenhitzo stehend untersuchen und dazu 60 Herren unter mir habe, die in 9 Kolonnen untersuchen. Das einheitlich zu leiten, ist nicht leicht, doch steht mir eine 10 jahrige Erfahrung und gute G e sundheit zur Verfugung." Interessnnt sind ferner diesbezuglich noch eiriige Bemerkungen in oinem Brief vom 23. Oktober 1887: ,,Ich habe an G a n g e l - b a u e r eine kleino Sendung gemacht und fur Dich ( R e i t t e r ) ein Glaschen mit Phylloxera-Nodositaten beigepackt. Betrachte sie als ein wertvolles Ge- schenk von mir, denn ich gebe sonst nichts davon ab, weil ich es eigentlich nicht darf; mein Bestreben ist, Infektionen, sobald ich sie finde (40 in diesem Jahr im Ahrtal, doch innerhalb der alten Grenzen) sofort zu vernichten. Wurzeln darf ich nur zum Zwecke von Reblauskursen, im Auftrage meines Chefs, des Reichs- kanzleramtes, sammeln lassen. Du fragst nach geflugelten Tieren! Ja, wer hat diese in Deutschland? Ich sah erst 6 Stiicke, die ich an mit Raupenleim iiber- strichenen Leinwandtuchern vor Jahren im Ahrtal fand. Zum Glucke entwickeln sich bei uns am Rheine die allerwenigsten Nymphen zu gefliigelten Tieren. Wahrend des Septembers untersuchte ich mit 8 meiner Herren 740 Garten bei Wiesbaden."

Wie sehr ihm neben der systematischen die angewandte Entomologie am Herzen lag, liess sich auch aus der grossen Freude erkennev, mit der er mir gegeniiber seinerzeit die Mitteilung uber die Griindung der Deutechen Gesellschaft fur angewandte Entomologie begriissto, der er gleich als Mitglied beitrat.

Alle Entomologen, mogen sie der systematischen oder angewand ten Richtung angehoren, werden durch die Nachricht vom Hinsc,heiden H e y d o n s in aufrichtige Trauer versetzt worden sein. Sein Name wird bestehen bleiben, so lange es eine entomologische Wissenschaft geben wird. Wir alle aber, die wir ihn gekannt haben, werden bis an unser Ende in dankbarster Erinnerung dieses selten gutigen und edlen Mannes gedenken und nicht mude werden. ihn jungeren Generationen als Vorbild zu preisen.

K. Eecherich.

Zeitschr. f. angewandte Entomologie 111, 2. 24