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Free speed Text Marcel Wüst Fotografie Kai Dudenhöfer Mit dem Noah FAST treibt Ridley die Aerodynamik bei Straßenrädern weiter voran. Marcel Wüst testet das extrem windschnittige Bike, das 2012 das Arbeitsgerät des Teams Lotto-Belisol ist. Ridley Noah FAST Profi test

Profitest - procycling.de · ten Bremsen – so etwas sieht man ja nicht alle Tage; ob es also funktionieren würde? Was mir sofort auffiel, als ich das Rad startklar machte, war,

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Free speed

Text Marcel Wüst Fotografie Kai Dudenhöfer

Mit dem Noah FAST treibt Ridley die Aerodynamik bei Straßenrädern weiter voran. Marcel Wüst testet das extrem windschnittige Bike, das 2012 das Arbeitsgerät des Teams Lotto-Belisol ist.

Ridley Noah FAST Profitest

Procycling mai 2012 115114 Procycling mai 2012

Sattelstreben und Gabel haben das „Ridley F-Splitfork“-Feature, um Verwir-belungen durch die Speichen zu redu-zieren.

Ridley ist eine Marke, die ich im Laufe der Jahre bei meinen Bike-Tests recht gut ken-nengelernt habe, und ich freue mich im-mer, wenn ein Exemplar bei mir in Spa-nien ankommt. Zum letzten Mal getestet habe ich ihr jüngstes Flaggschiff, das Noah, vor zweieinhalb Jahren. Ich erinne-re mich gut daran, weil ich am 31. Oktober 2009 den Anstieg zum San-Salvador-Kloster in meiner Jahresbestzeit fuhr. Das war ein harter Ritt auf einem großartigen Bike, und von daher war ich gespannt, in-wieweit die Ridley-Ingenieure ihren Aero-Rahmen verbessert hatten.

Das erste Mal gesehen hatte ich das neue Noah FAST (Future Aero Speed Technology) auf der Eurobike im vergan-genen August – ich wusste also schon et-was über die aerodynamisch geformten Rohre, die „Jet Foils“ und die „Splitfork“ zur Optimierung des Luftstroms.

Das Rennrad, das ich seinerzeit gefah-ren war, war unglaublich steif, und ich er-wartete, dass das neue Modell in dieser Hinsicht nicht enttäuschen würde. Die Innovation, auf die ich besonders ge-

MIT DEN BREMSEN IST RIDLEy DER KONKuRRENZ vORAuS: DIES SIND DIE EINZIgEN BREMSEN DER WELT, DIE EINEN ScHNELLER MAcHEN.

spannt war, waren natürlich die integrier-ten Bremsen – so etwas sieht man ja nicht alle Tage; ob es also funktionieren würde?

Was mir sofort auffiel, als ich das Rad startklar machte, war, dass Ridley nun auf einen robusteren 4ZA-Alu-vorbau setzt. Am 2009er-Noah war die leichte, aber doch fühlbare Nachgiebigkeit im 4ZA-cirrus-vorbau aus carbon das einzige, was ich zu bemängeln hatte – danke an Ridley für diese clevere Neuerung.

Die integrierte carbon-Sattelstütze hat noch immer dieselbe Kappe und Sattel-klemme – und ist noch immer fummelig einzustellen, weil sie von einer Sechs-kantschraube unter dem Sattel festgehal-ten wird und kaum Platz dafür ist, mit ei-nem Schlüssel zwischen die Sattel schie- n en zu kommen, um sie anzuziehen.

Als ich den Sattel endlich eingestellt hatte, pumpte ich die Reifen auf und fuhr los. Mein Test-Bike war mit der vertrauten Sram Red-Schaltung ausgestattet, sodass ich mich gleich wohlfühlte. Bei den ande-ren Teilen gab es ein paar Abweichungen von der Red-gruppe, darunter die Rotor-Kurbel mit Q-Rings und die Ridley F-Bra-ke, aber dazu später mehr.

Schon nach ein paar Kilometern war ich schwer beeindruckt – dieses Bike machte einen großartigen ersten Ein-druck. Es ist klar, dass Ridley jetzt raushat, wie man eine außerordentliche Kraftüber-tragung hinbekommt, ohne den Fahr-komfort zu mindern, den heute jeder will. Ridley legt auch viel Wert auf Aerodyna-mik, und genau wie andere Hersteller – Specialized, canyon und Scott – haben sie das Konzept des aerodynamischen Renn-rads vorangebracht. Mit dem Noah FAST und seinen patentierten integrierten Bremsen sind die Belgier der Konkurrenz sogar einen Schritt vorausgeeilt: Dies sind die einzigen Bremsen der Welt, die einen, wie Ridley wirbt, „schneller machen“.

Das mag stimmen, wenn man sie nicht benutzt, denn der geringere Luftwider-stand macht einen etwas schneller, doch viel wichtiger ist: Was leisten sie, wenn sie einen langsamer machen sollen?

Das erste Mal, dass ich auf meiner Aus-fahrt wirklich bremsen musste, war auf einer kurvenreichen Abfahrt ins Tal von Son Macia, kurz nachdem ich meine casa ciclista verlassen hatte.

Ich war überrascht, wie fein man die Bremskraft dosieren kann. Man bekommt viel Feedback durch die Sram-Red-Hebel,

Die F-Bremsen sind so sauber in-tegriert, dass man sie kaum sieht – das Noah FAST kommt daher wie ein Bahn-Hybrid.

Die F-Bremse funktioniert wie eine V-Bremse, hat aber kein Gelenk – die Arme aus Carbon verformen sich, wenn man den Bremshebel betätigt.

Der große Tretlagerbereich sorgt dafür, dass das Noah FAST die Steifigkeit nicht der Aerodynamik opfert.

Das Noah FAST ist gebaut, um schnell zu sein, und wie immer tut Marcel ihm den Gefallen gerne.

Ridley Noah FAST

RAHMeN Ridley Noah FAST GABel Ridley Noah FB 1211A, full carbon GRuppe Sram Red KuRBelN Rotor 3D+ BReMSeN Ridley F-Brakes KeTTeNBläTTeR Rotor Q-Rings, 53/39 lAuFRäDeR Fast Forward F4R-C clincher BeReiFuNG Vredestein Fortezza VoRBAu 4ZA Stratos, alloy leNKeR 4ZA Cirrus, carbon SATTelSTüTze Integrated carbon SATTel Selle San Marco Regale Racing Team pReiS Testrad 7.599 € (Builtkit-Option);

Team Lotto Belisol Replica mit Campa Record/ Rotor 3D/Fulcrum Red Wind H50 6.000 €

KoNTAKT www.ridley-bikes.com

Technische Daten

Profitest

Procycling mai 2012 117116 Procycling mai 2012

und wenn man stärker zieht, entwickelt die Bremse einen unglaublichen Biss.

Je mehr ich sie bei meiner Fahrt benutz-te, umso mehr war ich überzeugt, dass diese Bremse sich in puncto Performance hinter keiner anderen auf dem Markt zu verstecken braucht, und dass sie in Sachen Dosierbarkeit die Nase vorn hat. Hut ab!

Neben den Bremsen erreicht das Noah FAST seine verbesserte Aerodynamik mit der Form der Rohre, der „F-Splitfork“ und der „F-Surface“. Die durchbrochene F-ga-bel ist so gestaltet, dass sie die verwirbe-lungen an den Speichen bei hohem Tem-po reduziert. Die F-Oberfläche – ein leicht erhöhter Steg auf Steuerrohr, Sattelstütze und Sattelrohr – sorgt dafür, dass die Luft gleichmäßiger über den Rahmen strömt. Wenn du weißt, dass diese beiden „Aero-Features“ für dich arbeiten, gibt es dir ei-nen mentalen Kick, wenn du lange Ab-schnitte gegen den Wind fährst – und allein das macht schneller.

Laut den Messungen von Ridley muss man mit dem Noah FAST 20 Watt weniger treten als bei einem herkömmlichen Renn-rad, um 40 km/h zu fahren. Ohne Watt-messgerät kann ich nur raten, weil das zu wenig ist, um es zu spüren – aber dauerhaft

20 Watt zu sparen, kann den unterschied zwischen Sieg und Niederlage bedeuten.

Aerodynamik hin oder her – jetzt kam erst einmal der kurze, aber steile Anstieg nach Sa vall am Ende des Tals. Bisher hat-te ich nicht weiter auf den Antrieb geach-tet, als die Straße mit einem Mal jedoch über zehn Prozent steil wurde, versuchte ich mich auf die Pedalumdrehungen mit den ovalen Rotor Q-Rings einzustellen.

Da ich mindestens 600.000 Kilometer gefahren bin, seit ich mit zehn Jahren mit dem Radsport angefangen habe, bin ich vielleicht einfach zu sehr daran gewöhnt, „einfach zu treten“, um auch nur einen gedanken daran zu verschwenden. Aber hier spürte ich eine angenehme, rundere Bewegung – allerdings nur, wenn ich dar-auf achtete. Ist wahrscheinlich gut, dass der Effekt einen nicht ablenkt.

Die Steifigkeit im Lenkbereich ist ge-nauso wichtig wie die am Tretlager, um die Kraft auf die Straße zu übertragen. Dank des unwesentlich schwereren, aber unglaublich festen Alu-vorbaus kann man am Lenker zerren, so viel man will, ohne dass Kraft verloren geht. Diese Maschine muss der Traum jedes Sprinters sein. Kein Wunder – Robbie McEwen war in die Ent-

DIE AgILE gEOMETRIE, HOHE STEI FIg - KEIT uND HERvORRAgENDE BREMS-LEISTuNg LIESSEN MIcH FAST vERgES - SEN, DASS WIR KEIN RENNEN FuHREN.

Was war die größ-te Herausforde-rung dabei, eine Bremse zu entwi-ckeln, die in die Gabel und die Sat- telstreben inte g- riert ist?JG: Von Anfang an

haben wir beschlossen, dass wir die Bremsen komplett aus Carbon herstel-len. Die Ermüdungseigenschaften von Carbon sind besser, und wir konnten die Bremsen damit sehr leicht machen. Die Herausforderung war, das perfekte Lay-up des Carbons und die ideale Bau-weise der Bremsen zu finden, sodass sie in einer Richtung robust und steif und in der anderen Richtung flexibel sind. Es war unser Ziel, eine Bremse zu entwickeln, die dem Fahrer das perfekte Bremsgefühl gibt – er muss etwas Span-nung fühlen, wenn er die Bremse an-zieht, aber nicht zu viel, und es muss möglich sein, die Bremskraft zu dosieren.

Hat der Fortschritt bei der Rennrad-Aerodynamik im Rahmen der UCI-Vorschriften mit dem Noah FAST seine Grenzen erreicht? JG: Nein, überhaupt nicht. Die UCI-Re-geln machen es den Herstellern sehr schwer, große Innovationen zu verwirk-lichen, aber wir versuchen weiter, unse-re Rennräder schneller zu machen.

Wie wichtig ist für Sie das Feedback von Ihren ProTeam-Fahrern? Wie viel vom Input von Robbie McEwan steckt heute noch im Noah?JG: Das Feedback von den ProTeam-Fahrern und -Mechanikern ist sehr wert-voll für Ridley Bikes und die Forschungs- und Entwicklungsabteilung. Sie leben auf ihrem Rad und sie bemerken die kleinste Veränderung an ihm. Die meisten Fahrer sind mäkelig bei ihrem Material, und das wollen wir. Wenn ein Profi mit einem un-serer Bikes zufrieden ist, wissen wir, dass wir ein gutes Rad entwickelt haben.

Das Noah fährt sich ziemlich komfor-tabel dafür, dass es so steif ist.JG: Damit das Bike beim Sprinten sehr steif ist, haben wir das Tretlager und den Bereich drumherum sehr steif ge-macht. Damit es komfortabel genug ist, haben wir die Sattelstützen so gebaut, dass sie Vibrationen von der Straße ab-sorbieren.

Mit André Greipel haben Sie 2012 ein Kraftwerk von einem Sprinter im Team. Würde er einen besonderen Rahmen bekommen, wenn er einen bräuchte? JG: Als André seine ersten Tests mit dem Noah FAST gemacht hat, war er sehr zu-frieden mit dem Bike. Er konnte im Sprint 150 Watt mehr als letztes Jahr produzie-ren und Geschwindigkeiten erreichen, auf die er vorher nie kam! Hört man seine positiven Kommentare, ist es nicht nötig, ihm einen speziellen Rahmen zu bauen.

Hintergrund Im Gespräch mit Jan Geudens, PR-Manager von Ridley Bikes

es gibt keinen besseren Test für die Steifigkeit eines Rahmens als einen Sprint von Marcel.

wicklung des vorgängers dieses Noah in-volviert, und das aktuelle Modell weist dieselben charakteristika auf.

Als ich oben auf dem Hügel rechts auf die Straße nach Ses communes abbog, hatte ich die gelegenheit, mit dem Rad an seine grenzen zu gehen, obwohl es eher meine grenzen waren als die der Maschi-ne. Ich machte ein paar kurze Sprints, die zeigten, dass alle Behauptungen über die vorzüge des Noah stimmten – hervorra-gende Beschleunigung, exzellente Stabili-tät und direkte Lenkung.

Als ich vorn eine gruppe von Radfah-rern sah, absolvierte ich ein kleines Zeit-fahren und holte sie kurz vor der Haupt-straße an der Nordküste ein. Ich fuhr mit ihnen rechts ab und traf einige Einheimi-sche, mit denen ich normalerweise in meiner Felanitx-gruppe fahre, darunter Toni, dem hier ein Fahrradgeschäft ge-hört. Er schaute sich das Noah genau an und stellte mir jede Menge Fragen.

Die einzige Schwäche, die ich erwäh-nen konnte, war, dass das Bike für eine Profi-Maschine ziemlich schwer ist. Auf meiner Park-Tools-Waage wog das Noah FAST mehr als 7,5 Kilogramm – was auf jeden Fall ein bisschen zu viel ist. Aller-dings würde man mit einem Satz leichter

Für ein Rad, das für lange Fluchten auf flachem Terrain gebaut ist, klettert das Noah FAST sehr gut.

Wind ausgesetzt sind. Ridley behauptet, dass sie im Windkanal den Luftstrom glätteten, aber ob das bei mäßigem bis fri-schem Seitenwind auf holprigen Straßen wirklich der Fall ist, kann niemand sagen.

Weil ich definitiv nicht der Erste war, der mit diesem Test-Bike gefahren ist, sa-hen einige der Jet Foils ein bisschen mit-genommen aus. Jeder, der sie zum ersten Mal sah, fuhr mit der Hand darüber, was keine gute Idee ist, wenn sie lange halten sollen. Aber was will man machen?

Ich überredete die Jungs, zum Abschluss noch zum San-Salvador-Kloster hochzu-fahren. Es war toll, die 5,25 Kilometer lange Steigung nicht hochzujagen, wie ich es vor zwei Jahren tat, sondern in einem modera-ten Tempo, sodass ich die meiste Zeit nicht aus dem Sattel ging. Ich nutzte die sportli-che Position und die den toten Punkt redu-zierenden Rotor Q-Rings, die bei den spa-nischen Fahrern ziemlich beliebt sind. Wir erreichten die Kuppe in knapp 18 Minuten, und es war einfach klasse, den Hügel wie-der runterzufahren. Die agile geometrie, hohe Steifigkeit und hervorragende Brems-leistung ließen mich fast vergessen, dass wir kein Rennen fuhren, sondern auf einer normalen Straße – mit normalem Autover-kehr – unterwegs waren. Nachdem wir uns trennten und jeder für sich nach Hause fuhr, genoss ich die letzten zehn Kilometer auf dem Ridley. Ich hatte schon beschlos-sen, dass ich, bis ich es wieder abgeben musste, alle meine Fahrten mit dem aero-dynamischen vorteil dieser wirklich groß-artigen Rennmaschine machen würde.

Laufräder 800 gramm sparen. Die Fast Forwards sind robust und ziemlich schnell, wenn sie einmal Fahrt aufgenom-men haben, aber definitiv keine Laufräder für Rennzwecke. Das gilt auch für die vredestein-Fortezza-Reifen. Ihre unan-sehnlichen kleinen gumminoppen an der Seite störten mich, als ich mir das vor dem cafe geparkte Rad anschaute, während wir alle eine Pause machten. Fairerweise muss man sagen, dass die Laufräder und Reifen eine zuverlässige Kombination für lange Trainingsfahrten abgeben.

Als wir nach den Erfrischungen wieder losfuhren, saß ich wieder auf dem „Selle San Marco Regale Racing Team“-Sattel, der 228 gramm wiegt. Er fühlte sich ein bisschen hart am Hintern an, sah aber wirklich gut aus. Bei dieser breiten Form gewicht zu sparen ist nicht einfach, weil selbst die version mit carbon-Schienen nur 35 gramm leichter ist.

Die Besonderheit des Bikes, über die auf unserem Heimweg am meisten diskutiert wurde, waren definitiv die geteilten Sattel-streben, die nach demselben Prinzip funk-tionieren wie die geteilte gabel und den Luftwiderstand und die verwirbelungen durch die rotierenden Speichen reduzie-ren. Es ist wahrscheinlich das innovativste Merkmal des Noah.

Die Spanier waren nicht so überzeugt von den „Jet Foils“ – einige lachten sogar darüber! Diese kleinen Streifen, die den Wind austricksen sollen, sind an Steuer-rohr, Sattelrohr und Sattelstütze ange-bracht – also allen Rohren, die direkt dem

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