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Programm-Magazin Nr. 2 Saison 15/16 Chantefleurs MITTWOCH, 28. OKTOBER 2015

Programm-Magazin Chantefleurs

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Page 1: Programm-Magazin Chantefleurs

Programm-Magazin Nr. 2 Saison 15/16

ChantefleursMITTWOCH, 28. OKTOBER 2015

Page 2: Programm-Magazin Chantefleurs

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1

Sinfoniekonzert ‹Chantefleurs›

3 Programm

4 Maurice Ravel:

Ma mère l’oye

7 Witold Lutosławski:

Chantefleurs et Chantefables

10 W. A. Mozart:

Bella mia fiamma

12 Olga Pasichnyk

13 Jean Sibelius: Sinfonie Nr. 3

Intermezzo

18 Vorlaut - Eine Serie

von Alain Claude Sulzer

20 Orchester-Geschichte(n),

Teil 2

22 Emilia Taubic und

Roger Pyne im Gespräch

Vorschau

30 Krenek-Kaleidoskop

32 Agenda

Liebes Konzertpublikum

E s ist eine kluge Entscheidung des Stiftungs­rats, dass in Zukunft neben dem Chefdiri­genten auch ein 1. Gastdirigent unser Orches­

ter künstlerisch leiten wird. Zum einen decken beide Dirigenten gemeinsam die Repertoireanforderungen, die heute an ein modernes Sinfonieorchester gestellt werden, bestens ab. Zum anderen bringt ein 1. Gast­dirigent eine grössere Planungs sicherheit und Kon­tinuität, sodass sich unser Orches ter noch stärker künstlerisch profilieren kann.

Mit Michał Nesterowicz konnten wir einen her­ausragenden Vertreter der jungen Dirigentengene­ration gewinnen. Seit fast drei Jahren arbeitet das Sinfonieorchester Basel mit Michał Nesterowicz zu­sammen. Wir sind überzeugt von seinem Talent und seiner Gestaltungskraft. Als 1. Gastdirigenten möch­ten wir ihn noch stärker an das Orchester binden. Michał Nesterowicz steht für eine neue Generation, die starke programmatische Akzente im Bereich der Musik des 20. und 21. Jahrhunderts setzt.

Für das Programm des 2. Abonnementskonzerts hat sich Michał Nesterowicz von Klangfarben inspi­rieren lassen, die aus der Welt der Märchen und Träume stammen.

Mehr über das Programm und die Solistin Olga Pasichnyk, die zum ersten Mal in Basel singen wird, erfahren Sie auf den nachfolgenden Seiten.

Ich wünsche Ihnen bei der Lektüre viel Vergnü­gen und freue mich auf Ihren Konzertbesuch.

Dr. Hans­Georg HofmannLeiter Künstlerische Planung

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Page 4: Programm-Magazin Chantefleurs

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Michał Nesterowicz

Page 5: Programm-Magazin Chantefleurs

3

Sinfoniekonzert SOBChantefleurs

MITTWOCH, 28. OKTOBER 2015

19.30 Uhr, Musiksaal Stadtcasino Basel18.15 Uhr: Englischsprachige Einführung durch Thüring Bräm

18.45 Uhr: Deutschsprachige Einführung durch Benjamin Herzog

Maurice Ravel (1875–1937)Ma mère l’oye, Cinq pièces enfantines, Suite für Orchester (1911)

1. Pavane de la belle au bois dormant 2. Petit poucet 3. Laideronnette, impératrice des pagodes 4. Les entretiens de la belle et de la bête 5. Le jardin féerique

Witold Lutosławski (1913–1994)Chantefleurs et Chantefables für Sopran und Orchester (1990)

1. La Belle-de-Nuit 2. La Sauterelle 3. La Véronique 4. L’Eglantine, l’Aubépine et la Glycine5. La Tortue 6. La Rose 7. L’Alligator 8. L’Angélique 9. Le Papillon

Pause

Wolfgang Amadé Mozart (1756–1791)Bella mia fiamma, addio,

Rezitativ und Arie für Sopran und Orchester, KV 528 (1787)

Jean Sibelius (1865–1957)Sinfonie Nr. 3 C-Dur, op. 52 (1907)

1. Allegro moderato 2. Andantino con moto, quasi Allegretto 3. Moderato-Allegro (ma non tanto)

Konzertende ca. 21.45 Uhr

Sinfonieorchester BaselOlga Pasichnyk, Sopran

Michał Nesterowicz, Leitung

Page 6: Programm-Magazin Chantefleurs

4

zwei Kindern im Alter von sieben und neun Jahren (allerdings nicht den Widmungsträgern) uraufge­führt. Sie müssen sehr talentiert gewesen sein, denn ‹kinderleicht› ist keine der beiden Stimmen. Ravel sah die Stücke denn auch als vollwertige Komposi­tionen an. Das zeigt sich nicht zuletzt daran, dass er 1911 eine Suite für Orchester anfertigte und noch im selben Jahr eine um zwei Nummern erweiterte Bal­lettmusik.

Der Titel des Zyklus geht zurück auf Charles Perrault, einen Märchensammler, der in Frankreich so populär ist wie die Gebrüder Grimm es im deut­schen Sprachraum sind. Seine Histoires ou contes du temps passé avec des moralités erschienen 1697; sie wur­den auch als Contes de ma mère l’oye (Geschichten von Mutter Gans) bekannt. Auf Perrault­Märchen beziehen sich allerdings nur die Sätze Pavane de la belle au bois dormant und Petit poucet. Die Vorlage zu Laideronnette,

M aurice Ravel gab seinem ursprünglich für Klavier bestimmten Zyklus Ma mère l’oye den Untertitel Cinq pièces enfantines

– Fünf kindliche Stücke. Doch was bedeutet eigentlich das Attribut ‹kindlich› in Bezug auf Musik? Man mag damit Stücke bezeichnen, die technisch so einfach sind, dass Kinder sie selbst spielen können. Oder Kompositionen, die ein junges Publikum leicht auf­nehmen kann, weil die musikalischen Ideen beson­ders prägnant formuliert sind. Oder Musik, die sich (auch) an Erwachsene wendet, dabei aber kindliche Themen aufgreift, Erinnerungen an die Kindheit weckt. Dass Ravels Klavierstücke von allen drei As­pekten etwas haben, zeigt ein Kommentar des Kom­ponisten in seiner autobiographischen Skizze aus dem Jahr 1928: «Die Absicht, in diesen Stücken die Poesie der Kindheit wachzurufen, hat mich völlig selbstverständlich dazu geführt, mein Komponieren zu vereinfachen und meinen Stil zu entschlacken.»

Ravel hatte offenbar ein sehr unbefangenes, lie­bevolles Verhältnis zu Kindern und eine lebenslange Sehnsucht nach der Welt der Kindheit. Er sammelte mechanisches Spielzeug, begeisterte sich für Illus­trationen in Kinderbüchern und verliess manchmal bei einer Abendgesellschaft die Erwachsenen, um mit den anwesenden Kindern zu spielen. «Ravel er­zählte mir wunderbare Geschichten. Ich sass auf sei­nem Schoss und er begann, ohne es jemals müde zu werden, mit seinem ‹Es war einmal ...›», erinnerte sich Maria Godebski, mit deren Eltern der Kompo­nist gut befreundet war. Seine Märchen erzählte Ravel aber nicht nur in Worten. Für Maria und ihren Bruder Jean, die beide recht gut Klavier spielten, schrieb er 1908 seine Pavane de la belle au bois dormant und bis 1910 noch vier weitere Stücke nach Märchen­motiven. Der Zyklus wurde am 20. April 1910 von

Maurice Ravel: Ma mère l’oyePoesie der Kindheit

von Jürgen Ostmann

MA MÈRE L’OYE, CINQ PIÈCES ENFANTINES, SUITE FÜR ORCHESTERBesetzung: 2 Flöten, 2 Oboen, 2 Klarinetten, 2 Fagotte, 2 Hörner, Schlagzeug, Harfe, Celesta, Streicher

Entstehung: 1911

Widmung: Mimi und Jean Godebski (Kinder von Maurice Ravels’ Freund Cyprian Godebski)

Uraufführung: 28. Januar 1912, Théâtre des Arts in Paris

Dauer: ca. 16 min

Page 7: Programm-Magazin Chantefleurs

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Page 8: Programm-Magazin Chantefleurs

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mente mussten ihrer Körpergrösse entsprechen.» Die geringe Grösse der Instrumente spiegelt sich in der hohen Tonlage der Melodie, und das östliche Flair erzielt Ravel durch die Verwendung der chinesischen Fünftonleiter, die ja den schwarzen Tasten auf dem Klavier entspricht.

Das bekannte Märchen von der Schönen und dem Biest liegt dem vorletzten Stück, Les entretiens de la belle et de la bête, zugrunde. Die Musik erzählt eine län­gere Szene daraus: Zunächst erkennt das Mädchen das gute Herz des Tiers – dafür steht ein sanfter Wal­zer (übrigens mit einer Anspielung auf Erik Saties Gymnopédies zu Beginn). Dann entschliesst sich das Biest, sie um ihre Hand zu bitten, und erhält eine Absage – ein Thema in knarzender Basslage verkör­pert das Tier. Nach einer längeren Unterredung zeigt die Schöne am Ende doch noch Mitleid – ein zartes Glissando markiert daraufhin die Verwandlung des Tiers in einen Prinzen.

Dem Finale (Le jardin féerique, Der Feengarten) hat Ravel weder in der Klavierfassung noch in der heute gespielten Orchestersuite ein bestimmtes Märchen zugeordnet. Seine inhaltlichen Vorstellungen lassen sich allerdings aus der späteren Ballettversion ablei­ten. Dort bildet der Satz einen Teil der Rahmenhand­lung: Dornröschen wacht nach hundertjährigem Schlaf wieder auf (die Mittelsätze werden somit als Traumsequenzen gedeutet) und heiratet ihren Prin­zen. Der Satz beginnt mit einem schlichten langsamen Walzer und nimmt am Ende einen strahlenden, heroi­schen Charakter an. Man hört freudige Fanfaren und das magische Glissando der guten Fee – Ravel arbeitet mit einfachsten Mitteln der Tonmalerei, die jedem Kind sofort einleuchten, die aber auch Erwachsene durch ihre unverstellte Naivität bezaubern. ●

impératrice des pagodes findet sich in der 1698 veröf­fentlichten Sammlung Contes nouveaux ou les fées à la mode von Marie Catherine Baronne d’Aulnoy und die zu Les entretiens de la belle et de la bête im Magasin des enfants, contes moraux (1757) von Marie Leprince de Beaumont.

‹Es war einmal›, diese Formel, mit der jedes Kin­dermärchen beginnt, setzt Ravel im 1. Satz musika­lisch um: Denn die Pavane, ein würdevoller Schreit­tanz des 16. und frühen 17. Jahrhunderts, war bereits zu Perraults Zeit passé, und den altertümlichen Charakter des Stücks betont Ravel noch durch die Verwendung der äolischen Kirchentonart (Moll ohne den ‹leitenden› Halbton zwischen siebter Stu­fe und Grundton).

Die Geschichte des nächsten Stücks, Petit poucet (Der kleine Däumling), entspricht etwa dem deutschen Märchen von Hänsel und Gretel. Welche Szene da­raus Ravel meinte, erklärt das vorangestellte Motto: «Er glaubte, den Heimweg dadurch leicht zu finden, dass er sein Brot überall, wo er vorüberkam, aus­streute; aber er erlebte eine grosse Überraschung, als er nicht ein einziges Krümchen wiederfand; die Vögel hatten alles aufgefressen.» Das rastlose Umher­irren des Däumlings und seiner Brüder zeichnet Ravel in durchgehenden Achteln nach; sie wechseln häufig Bewegungsrichtung und Taktart. Ungefähr in der Mitte des Stücks sind Vogelstimmen zu hören.

Der nächste Satz, Laideronnette, impératrice des pa-godes, handelt von einer orientalischen Kaiserin und erzählt die folgende Märchen­Episode: «Sie entklei­dete sich und ging ins Bad. Sogleich begannen Pago­den und Pagodinnen zu singen und Instrumente zu spielen: Einige hatten Theorben aus Nussschalen, einige Violen aus Mandelschalen; denn die Instru­

Page 9: Programm-Magazin Chantefleurs

7

lich geht das freilich nicht, denn ein gespielter oder gehörter Ton bleibt eine Einheit. Aber wenn man den Gedanken dennoch weiterverfolgt, gelangt man un­weigerlich zu vier Eigenschaften, die jeder Ton auf­weist: die Höhe, die Dauer, die Lautstärke und die Farbe. Gewiss kommen diese vier Eigenschaften nie­mals separiert und für sich vor – was wäre eine ‹ reine› Lautstärke ohne die Tonhöhe, wie sollte eine ‹blosse› Klangfarbe vorstellbar sein ohne eine bestimmte Dauer? (Aus einer anderen Perspektive betrachtet, lassen sich diese Toneigenschaften auch physikalisch herleiten, denn sie stellen die akustischen Dimensi­onen eines Tons dar: Die Dauer ist dabei einfach zu erfassen, sie ist die zeitliche Ausdehnung. Daneben aber bedeutet die Tonhöhe akustisch gesehen die Frequenz: die Anzahl der Schallschwingungen pro Sekunde. Die Amplitude dieser Frequenz – also die Stärke einer Schwingung – zeigt an, wie laut ein Ton ist. Und das Frequenzspektrum, das heisst die Ober­tonverhältnisse, bestimmt die Klangfarbe. Doch las­sen wir die Physik beiseite.)

Das mag abstrakt, technisch, ja sogar unmusika­lisch erscheinen. Und dennoch, im Komponieren des 20. Jahrhunderts spielen solche Gedanken durchaus

S tellen Sie sich folgende kleine Begebenheit vor: Jemand spielt auf einem Instrument ei­nen Ton, kurze Zeit später ist er verklungen.

Fügt man mehrere solcher Töne zusammen, kann daraus Musik werden. Aber was ist mit den Tönen selbst? Woraus bestehen sie? Kann man diese quasi musikalischen Atome, diese ‹kleinsten Einheiten› der Musik, ihrerseits auseinandernehmen? Klang­

Beobachtungen zum Kompositionsprozess von Witold Lutosławskis

Chantefleurs et ChantefablesGesondert gedacht – zusammen gemacht

von Simon Obert, Paul Sacher Stiftung

CHANTEFLEURS ET CHANTEFABLES FÜR SOPRAN UND ORCHESTERBesetzung: Flöte, Oboe, Klarinette, Fagott, Horn, Trompete, Posaune, Pauke, Schlagzeug, Harfe, Klavier (Celesta), Streicher

Entstehung: 1990

Uraufführung: 8. August 1991, Royal Albert Hall in London (BBC Symphony Orchestra, Sopran: Solveig Kringelborn, Leitung: Witold Lutosławski)

Dauer: ca. 20 min

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Abb. 1: Witold Lutosławski, Chantefleurs et Chantefables, rhythmisch-metrische SkizzeAbb. 2: Witold Lutosławski, Chantefleurs et Chantefables, Tonhöhen-Skizze

Abb. 3: Witold Lutosławski, Chantefleurs et Chantefables, Particell mit Instrumentenangaben

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eine Rolle, was sich auch in den Skizzen und Entwür­fen zu Witold Lutosławskis Chantefleurs et Chantefables zeigt – einer Musik, die angesichts ihrer melodi­schen und klanglichen Anmut eines musikalischen Technizismus unverdächtig ist. Ein Blick in die Quel­len – links abgebildet drei Skizzen zum dritten Lied, La Véronique – kann hingegen veranschaulichen, dass sich analytisches Denken und musikalische Ge­fälligkeit keineswegs ausschliessen.

Bevor Lutosławski die Partitur von Chantefleurs et Chantefables schrieb, fertigte er drei Arten von Ent­würfen an. Zunächst hielt er in einer Skizze das Met­rum fest und entwarf den Rhythmus (sowie einen nur angedeuteten Melodieverlauf). Ausserdem trug er darin auch vereinzelt dynamische Anweisungen ein (siehe Abbildung 1). Hier sind also die Dimensio­

nen der Tondauern sowie der Lautstärken festgehalten. In einer weiteren Skizze entwarf Lutosławski für den Verlauf des Lieds die zentralen Tonhöhen; dies jedoch nur abstrakt, ohne bestimmten Instrumenten zugewie­sen zu sein oder melodische Konturen zu erfahren (Ab­bildung 2). In einer dritten Skizze fügte Lutosławski die bisherigen Dimensionen des Rhythmus, der Dynamik und der Tonhöhen zusammen, indem er sie schon rela­tiv konkret ausnotierte. Was hier jedoch hinzutritt, ist die vierte, bislang noch fehlende Tondimension: die der Klangfarbe. Zu den einzelnen Stimmen notierte Lutosławski in diesem Entwurf nun die Instrumente (Abbildung 3). Nach diesem Schritt musste er gewisser­massen nur noch die Partitur ins Reine schreiben. Was separat gedacht wurde, wird schliesslich durchdacht zusammengefügt. ●

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Der Text stammt aus dem von Niccolò Jommelli 1772 vertonten mythologischen Festspiel Cerere placata. Folgende Handlung geht der Szene voraus:

Ceres, Königin von Sizilien, hat den iberischen König Titano, der sie um die Hand ihrer Tochter Pro­serpina gebeten hatte, abgewiesen. Daraufhin raubt Titano Proserpina, und Ceres schwört dem Entführer Rache. In ihrer Wut entfacht sie einen Sturm, der das Paar wieder zurück an die heimatliche Küste wirft. Titano gerät dadurch in Gefangenschaft der Ceres, die grausame Rache ankündigt und ihn schliesslich auf immer verbannt. Mit dem Rezitativ Bella mia fiamma beginnt der Ausbruch seiner Verzweiflung über die Trennung von der Geliebten. ●

G laubt man den Briefmitteilungen Wolfgang Amadé Mozarts gehörte die Zeit in Prag um das Jahr 1787 zu den glücklichsten Momen­

ten seines Lebens. Hier wurde sein Figaro umjubelt und erlebte der Don Giovanni eine mit Begeisterung aufgenommene Uraufführung. Zusammen mit Kon­stanze verbrachte er unbeschwerte Tage unter ande­rem auch in der Gartenvilla des Ehepaars Duschek in einem Vorort von Prag. Franz Xaver Duschek war ein angesehener Komponist und Pianist, seine Frau Josepha Duschek eine schöne und hochbegabte Sängerin, Pianistin und Komponistin. Ihr widmete Mozart seine Konzertarie Bella mia fiamma (KV 528). Um die Entstehung dieses Werks rankt sich eine Anekdote, die Mozarts Sohn Karl Thomas 1856 der Berliner Zeitung mitteilte. Demnach erlaubte Josepha Duschek dem Vater während seines Aufenthalts in der Gartenvilla nicht, ihren Flügel zu verlassen, bis er ihr eine «schon lange versprochene Arie» kompo­niert habe. Auf diesen Erpressungsversuch konterte Mozart mit der Bedingung, dass er ihr gerne eine Arie schreiben werde, aber wenn sie diese nicht feh­lerfrei vom Blatt singen könne, werde er die Partitur sofort wieder zerreissen. Mozart komponierte tat­sächlich eine äusserst anspruchsvolle, virtuose Arie mit schwierigen harmonischen Wendungen. Die Sängerin meisterte die Hürden zur Überraschung al­ler Anwesenden bravourös. Zumindest blieb die Arie erhalten, und sie gehört zu Mozarts schönsten Wer­ken dieser Gattung.

Wolfgang Amadé Mozart: Bella mia fiamma, addio

Erpressungsversuche in Pragvon Hans­Georg Hofmann

BELLA MIA FIAMMA, ADDIO, REZITATIV UND ARIE FÜR SOPRAN UND ORCHESTER, KV 528Besetzung: Flöte, 2 Oboen, Fagott, 2 Hörner, Streicher

Entstehung: Prag 1787

Widmung: Josepha Duschek

Dauer: ca. 10 min

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Josepha Duschek

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Olga Pasichnyk stammt aus der Ukraine und lies sich am Konservatorium in Kiew sowie an der Musikakademie in Warschau ausbilden.

1992 wurde sie Ensemblemitglied der War­schauer Kammeroper. Sie gastierte u. a. als Blanche (Dialogues des Carmelites) in Antwerpen/Gent, in der Titelpartie von La Calisto in München und als Roxana (Krol Roger) in Paris, Madrid, Bregenz, War­schau und Brüssel. Ausserdem war sie als Micaela (Carmen), Ilia (Idomeneo), Megacle (L’Olimpiade) und Tomiri (Il Tigrane) zu erleben.

Neben einer regen Konzerttätigkeit gehören zu den Highlights der vergangenen Spielzeiten u. a. Donna Anna (Don Giovanni) in einer konzer­tanten Aufführung unter der Leitung von Rene Jacobs, Grafin Almaviva (Le nozze di Figaro) in Luxemburg, Pamina (Die Zauberflöte) in Strassburg, die Titelpartie von Paweł Szymánskis Qudsja Zaher

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in Warschau sowie Händel­Partien, für die sie zur ‹Sän gerin des Jahres› gekürt wurde, darunter Almirena (Rinaldo), Dalinda (Ariodante) und Dorinda ( Orlando) in Antwerpen/Gent und München, Bellezza (Il trionfo del Tempo e del Disinganno) in Paris, Düsseldorf und Gra­nada, Morgana (Alcina) in Paris, Cleopatra (Giulio Cesare) in Warschau, Achille (Deidamia) in Amsterdam sowie Semele in Essen. 2014/15 kehrte sie als Ginevra (Ariodante) zurück nach Essen.

Im Laufe ihrer Karriere hat Olga Pasichnyk an Konzerten unter der Leitung von Herreweghe, Good­man, Parrot, Penderecki, Bolton, Holliger, Mazzola und vielen weiteren namhaften Dirigenten teilge­nommen. In der vergangenen Spielzeit gastierte Olga Pasichnyk mit Roxana (Krol Roger) unter der Lei­tung von Charles Dutoit beim Boston Symphony Orchestra und feierte als Despina (Così fan tutte) ihr Debüt an der Komischen Oper Berlin. ●

Die ukrainische SopranistinOlga Pasichnyk

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gestaltungen der Satzanlage – nicht mit der sinfoni­schen Tradition. Wie alle zu Beginn des 20. Jahr­hunderts komponierten Sinfonien lässt sich auch Sibelius’ 3. Sinfonie als persönliche Variante eines Typus verstehen. Sibelius hat sie nicht allein in der Form reduziert, sondern, indem er auf Tuba und Harfe verzichtet, die er in den beiden Vorgängern noch verwendet hatte, den sinfonischen Monumen­talstil seiner Zeit auch durch die Verkleinerung der Orchesterbesetzung zurückgenommen.

Die Sonatensatzform des Kopfsatzes ist klassizis­tisch klar gegliedert. Sibelius lässt dem unter dem Einfluss der finnischen Folklore erfundenen Haupt­thema in der Grundtonart ein zwar der Gattungs­norm entsprechend lyrisches, von den Violoncelli vorzutragendes Seitenthema folgen, weist es aber der in einer C­Dur­Sinfonie ungewöhnlichen Tonart h­Moll zu. Die Durchführung ist dem Grundcharak­ter der Sinfonie entsprechend kammermusikalisch gestaltet. Erst in der Reprise verliert vor allem das Seitenthema seinen lyrischen Charakter und wird apotheotisch gesteigert. Wenn die Coda mit einem Choral ausklingt, hat das Satzende bereits die Züge eines Finales angenommen.

S eine 3. Sinfonie komponierte Jean Sibelius zwischen 1904 und 1907. Durch Ihre dreisät­zige Anlage erscheint sie auf den ersten Blick

ohne Vorbild, weil sich die Viersätzigkeit bis ins späte 19. Jahrhundert als verbindlich gehalten hat. Dennoch bricht Sibelius in seiner 3. Sinfonie – so wenig wie seine Zeitgenossen Nielsen und Mahler in ihren Um­

Jean Sibelius: Sinfonie Nr. 3Eine Enttäuschung für das Publikum?

von Sebastian Urmoneit

SINFONIE NR. 3 C-DUR, OP. 52Besetzung: 2 Flöten, 2 Oboen, 2 Klarinetten, 2 Fagotte, 4 Hörner, 2 Trompeten, 3 Posaunen, Pauke, Schlagzeug, Streicher

Entstehung: 1904 – 1907

Widmung: Granville Bantock

Uraufführung: 25. September 1907 in Helsinki (Orchester der Philharmonischen Gesellschaft Helsinki, Leitung: Jean Sibelius)

Dauer: ca. 28 min

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Jean Sibelius (1913)

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punkt auf C als triumphaler Choral die Sinfonie be­schliesst.

Die Uraufführung der 3. Sinfonie fand am 25. Sep­tember 1907 in Helsinki statt. Der Komponist dirigier­te das Orchester der Philharmonischen Gesellschaft Helsinki.

Als Rimski­Korsakow die Sinfonie hörte, soll er den Kopf geschüttelt und Sibelius gefragt haben, wa­rum er nicht so komponiere, wie es Art sei: «Sie wer­den sehen, dass das Publikum hier nicht mitkommt und nichts versteht.» Doch Sibelius war sich 1940 sicher, dass seine Sinfonien häufiger gespielt würden als die des russischen Komponisten. Dennoch muss­te er drei Jahre später feststellen, dass seine 3. Sinfo­nie «eine Enttäuschung für das Publikum» war; «denn alle erwarteten etwas Ähnliches wie die Sinfo­nie Nr. 2. Ich sprach darüber mit Gustav Mahler, als er mich besuchte, und auch er stellte fest, dass ‹man mit jeder neuen Sinfonie diejenigen verliert, die man mit den vorangegangenen gewonnen hat›.» ●

Die Form des langsamen Satzes, der im entfern­ten gis­Moll steht, ist so mehrdeutig, dass er sich kaum auf eines der überlieferten Muster projizieren lässt.

Im Finale der 3. Sinfonie hat Sibelius, die Ten­denz zur Verdichtung der Satztypen, wie er sie in der 2. Sinfonie vorbereitet hat, fortsetzend, das Scherzo mit dem Finale verschränkt. Grundsätzlich sprach der Komponist selbst einmal von «einem fortschrei­tenden Zwang», der alle seine Sinfonien zusammen­halte, und den letzten Satz seiner 3. Sinfonie bezeich­nete er vieldeutig als die «Kristallisation eines Gedankens aus dem Chaos». Nach Auffassung des Sibelius­Forschers Vesa Siréns hat er damit das Motivspiel gemeint, in dem der Komponist auf das Material der ersten beiden Sätze zurückgeht und das überwunden wird, indem Sibelius ab der Vortragsbe­zeichnung «allegro, con energia» ein Hymnenthema Schritt für Schritt im weiteren Satzverlauf sich durchsetzen lässt, bis es schliesslich über dem Orgel­

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fourmi über die achtzehn Meter lange Ameise, die Französisch, Latein und Japanisch spricht. Seit Juliet­te Gréco das Chanson – es war eines ihrer ersten – in der kongenialen Vertonung Joseph Kosmas zu Beginn der 50er­Jahre erstmals gesungen und aufge­nommen hat, kennt es fast jedes Kind, denn es hat alle Eigenschaften eines Volksliedes. Robert Desnos war ein versöhnlicher Surrealist. Ihm ging es nicht darum, Regeln einzuhalten, die von einer literari­schen Elite aufgestellt worden waren; er, der sich mit den Surrealisten überwarf, pflegte in seinen Ge­dichten spielerischen Umgang mit der Realität; mal stand sie Kopf, mal drehte sie sich um sich selbst, stets sollte sich der Betrachter wundern. Ein Rück­zug in den Elfenbeinturm kam für ihn so wenig in­frage wie die Kollaboration mit den deutschen Be­satzern. Robert Desnos, der als Widerstandskämpfer deportiert worden war, starb kurz nach der Befrei­ung des KZ Theresienstadt an Typhus.

Gedichte sind für die Kammer gedacht, für einsa­mes Lesen und stilles Geniessen. Doch was geschieht, wenn das Gedicht – die Kunst hinter der verschlosse­nen Tür – die vier Wände verlässt und in die Welt hinaustritt, von der es sich eben noch mit so wohlab­gewogenen Worten abgesondert hat? Wenn Klang

W ie gross, wie umfangreich, wie erhaben muss ein Gedicht sein, wenn man da­raus Musik machen will? Nicht grösser,

nicht umfangreicher und nicht erhabener als eine Heuschrecke.

In einen Elefanten – und was ist ein Orchester in seinem philharmonischen Umfang anderes als ein Dickhäuter? – lässt sich buchstäblich alles verwan­deln, auch das kürzeste Tier. Der Abstand zwischen kleinem und grossem Format ist überwindbar, auch der zwischen minderem Text und bedeutender Mu­sik, sofern handwerkliches Geschick und Können vorhanden sind. Gute Musik bezwingt selbst einen schlechten Text, wohingegen kein Fall bekannt ist, in dem ein guter Text missratene Musik gerettet hätte. Ideal aber ist es, wo die Symmetrie, ja ein möglichst vollkommenes Gleichgewicht gewahrt bleibt. Eine zu starke Differenz zwischen Geschriebenem und Ge­sungenem kann der Sache nicht guttun, auch wenn die wenig erstrebenswerte unsaubere Artikulation von Sängern dazu beitragen mag, sie zu verwischen.

Robert Desnos, der Dichter der einundachtzig Chantefables et Chantefleurs, die den neun Orchester­liedern Witold Lutosławskis zugrunde liegen, ist in Frankreich weniger berühmt als sein Gedicht La

Vorlaut – Eine SerieEin folgsamer Dickhäuter

von Alain Claude Sulzer

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ren leichte Last er trägt, geht er schonend um; den Grashalm, den er nicht zertreten will, zerquetscht er ebenso wenig wie die Heuschrecke oder die rosa Rose; und die weisse Rose schont er genauso wie die schöne Schildkröte, der nur die Flügel fehlen, um der Schwalbe nachzueifern.

Witold Lutosławskis Orchester ist kein Dickhäu­ter. Es breitet unter den grazilen Gedichten von Robert Desnos den feinsten, buntesten Teppich aus, auf dem die Sängerin leise voranschreitet. Nicht als agierendes Subjekt, sondern als tonangebende Er­zählerin, die den Elefanten am seidenen Zügel hält. Er folgt ihr immer aufs Wort. ●

jenseits der Worte entsteht? Wenn Silben und Sätze von ungewohnten Tönen flankiert werden? Wenn der Elefant sich erhebt und zu posaunen beginnt?

Er kann auch anders, denn seine wahre Bestim­mung ist die Differenzierung. Nie war der Elefant so leise und dünnhäutig, so hellhörig, demütig und leichtfüssig. Er hat nichts zu verlieren, nichts zu beweisen, er trägt eine Reiterin auf seinem breiten Rücken, die auf ihm tanzen kann. Er wartet ab, um im richtigen Augenblick aufzutrumpfen. Er lauscht. Grosse Ohren hat er ja. Er taugt zu mehr als zum tap­sigen Zirkuselefanten, der prustet und trompetet und sich im Kreis bewegt. Mit denen, die er liebt, de­

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D er Augenblick dürfte noch vielen Musik­freunden und Theaterbesuchern in Erin­nerung sein: Wenige Minuten nach Beginn

der Opernpremiere von Die Liebe zu den drei Orangen von Sergei Prokofjew am 15. September 2006 hörte man ein Gepolter im Orchestergraben des Theater Basel. Die Aufführung – es war der Start der Ära von Georges Delnon am Theater Basel – wurde sofort ab­gebrochen. Der 74­jährige Dirigent Armin Jordan hatte einen Kreislaufkollaps erlitten und musste un­verzüglich ins Spital gebracht werden. Zwar konnte sein Assistent nach einer unfreiwilligen Pause wei­terdirigieren und die Premiere retten, doch Armin Jordan verstarb fünf Tage später in Zürich.

Den Ruf «Ist ein Arzt im Saal?» hörte man damals nicht, denn im Theater ist während jeder Auffüh­rung ein Mediziner anwesend. Anders als im Stadt­casino gegenüber, in welchem bei vollem Musiksaal bekanntlich mehr Menschen sitzen als im Theater. Das liegt, wie zu hören ist, an der unterschiedlichen Entfernung zur Notfallstation des Universitätsspitals (die allerdings, bei Licht besehen, nur um wenige Meter differiert). Im Theater sind immer am rechten Rand der vierten Reihe zwei Plätze für den Theater­arzt reserviert. Diesen Job teilen sich 25 Ärztinnen und Ärzte im Turnus. Es gibt im Theater auch ein Krankenzimmer mit einem Beatmungsgerät, einem Defibrillator und Medikamenten – «die gesamte Pa­lette für Ernstfälle», wie der Kleinbasler Arzt Dr. Felix W. Eymann sagt. Er wirkt seit zwanzig Jahren in die­sem grossen medizinischen Team mit und ist ver­

mutlich der erfahrenste von allen Basler Theater­doktoren. Er war auch vor Ort, als Armin Jordan kollabierte. Dr. Eymann bedauert heute, dass Armin Jordan das Kantonsspital so rasch verliess – viel­leicht hätte sein Leben gerettet werden können.

Die potenziellen Patienten des Theaterarztes sind nicht nur im Publikum zu finden, sondern auch im Orchestergraben und auf der Bühne. Da kann Eymann die eine oder andere Anekdote erzählen. Als einmal ein Hauptdarsteller dauernd unter Brechreiz litt, robbte der Doktor im Anzug auf die Bühne hinter die Requisiten und verpasste dem Sänger – unsichtbar fürs Publikum – eine beruhigende Spritze. Und die Orchestermusiker? «Die Orchestermusiker sind im Allgemeinen ein gesundes Völkchen», sagt der Thea­terarzt, der ein gutes menschliches Verhältnis zu den Künstlern auf der Bühne wie im Graben unterhält. «Ein Cellist kam manchmal eine Minute, bevor der Dirigent im Orchestergraben eintraf, zu mir, um mir noch den neusten Witz zu erzählen», erinnert sich Eymann. Vielen Musikerinnen und Musikern hat er schon helfen können, und einige sind denn auch Patienten in seiner Praxis geblieben.

Das Sinfonieorchester Basel beschäftigt keinen ständigen Arzt, aber auf Reisen nimmt man in der Regel einen Medikus mit. Sich zum Beispiel in Eng­land von einem dortigen Arzt behandeln zu lassen, kann kompliziert werden. Dies hat das Orchester auf seiner Englandtournee im letzten Jahr erfahren müs­sen, als es keinen eigenen Mediziner dabeihatte. «Beim nächsten Mal, wenn wir wieder nach England

Orchester-Geschichte(n), Teil 2«Ist ein Arzt im Saal?»

von Sigfried Schibli

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es war ein heisser Spätsommer, und man wechselte häufig von einem klimatisierten Raum in die Brut­hitze. Natürlich gibt es gerade in fremden Ländern auch Magen­Darm­Erkrankungen, und es kann ein­mal einem Musiker ein Fremdkörper ins Auge gera­ten. «Es ist wie in einer Hausarztpraxis», sagt Schäub­lin, der für seine Arbeit kein Honorar verlangt, weil solche Reisen sein Hobby sind.

Man möchte ihm wünschen, auf seiner nächsten Orchesterreise möglichst arbeitslos bleiben zu können. ●

und Irland fahren, nehmen wir sicher einen Arzt mit», sagt Franziskus Theurillat, der Geschäftsleiter des SOB.

Seit einigen Jahren engagiert das Orchester für diese Dienste in der Regel den Basler Arzt Dr. Arnold Schäublin – einen ehemaligen Theaterarzt, der das ganze Spektrum der körperlichen und seelischen Leiden von Künstlern aus langjähriger Erfahrung kennt. «Es sind sehr unterschiedliche Probleme, mit denen man zu tun bekommt», erzählt Schäublin. In China waren es vor allem Luftwegserkrankungen –

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Ja. Aber wir waren so jung und haben viel rumge­ albert, anstatt Noten zu lesen oder Technikübungen zu machen. Aber wir spielten schon sehr oft …

Vor der Schule oder nach der Schule?

Nach der Schule.

Ich musste damals noch vor der Schule Geige üben. Aber das war auch gut, man braucht manchmal etwas Druck. Ich hatte aber eine sehr liebe Geigenlehrerin. Sie kam nach dem Krieg aus Österreich nach Australien. Sie war sehr kultiviert und hat nie geschimpft! Aber ich wollte schon in meiner ersten Geigenstunde ein Vibrato machen. Das ist halt meine Art! Aber Technik ist nicht alles – die Musik als Gesamtes muss stimmen.

Das war das Problem bei mir. Ich konnte Musik und Technik damals nie unterscheiden – eigentlich heu­te immer noch nicht. Ich wollte sofort Chopin spie­len und habe nicht verstanden, dass man zuerst tech­nische Übungen machen muss, um nachher solch grosse Stücke spielen zu können.

Aber in den ersten paar Jahren ist das auch wichtig. Wenn man älter wird, wachsen die Erfahrungen mit dem Leben und den Freunden. Und dann bringt man den Blues in die Musik. Dann ist man froh, dass man am Anfang gelernt hat,

Roger Pyne: Warum hast du angefangen zu singen? Oder wie hast du angefangen? Was waren deine ersten Impulse?

Emilia Taubic: Zuerst habe ich mit Klavier angefan­gen. Wir haben alle Klavier gespielt, ich und meine Schwestern. Seit ich drei Jahre alt war, hatten wir Klavierunterricht. Wir hatten eine sehr strenge Leh­rerin. (lacht)

War das gut oder schlecht?

Es war gut, es war gut.

Es bringt einen vorwärts, oder?

Emilia Taubic und Roger Pyne im Gespräch

«Santana spielt sich auch gut auf der Geige»

Emilia Taubic, Basler Jazz-Musikerin, und Roger Pyne, Violinist im Sinfonieorchester Basel, unterhalten sich über ihr gemeinsames

Cocktailkonzert, Improvisation und Surfen.

aufgezeichnet von Cristina Steinle

COCKTAILKONZERT ‹DAY AND NIGHT IN NEW YORK› Donnerstag, 29. Oktober 2015

19.00 Uhr, Grand Hotel Les Trois Rois, Salle Belle Epoque

Emilia Taubic, Gesang Roger Pyne, Musikalische Leitung Mitglieder des Sinfonieorchesters Basel

Das Konzert ist ausverkauft

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Bühne ging. Und ich musste ständig trinken, weil mein Mund vor Nervosität ganz ausgetrocknet war. Aber mit zunehmender Erfahrung kann man das überwinden.

Und es hilft bestimmt auch, dass du nicht alleine bist, son-dern mit deiner Band zusammen auftreten kannst. Das habe ich im Orchester auch, die vielen Leute um mich he-rum und ein guter Dirigent, der führt. Ich bin gespannt, wie das an unserem gemeinsamen Konzert sein wird.

Ich auch, wir haben uns ja vorher alle gar nicht ge­kannt. Bis Hans­Georg Hofmann auf mich zugekom­men ist und mich gefragt hat, ob ich Lust hätte, im Rahmen eines Cocktailkonzerts mit Musikern des Sinfonieorchesters Basel zu singen. Ich konnte es erst kaum glauben! Nicht mal meine Mutter, sie spielt Vio­line im Sinfonieorchester Basel, wusste etwas davon.

Vielleicht hat er ein Konzert von dir gehört?

Nein, er hat ein YouTube­Video von mir gesehen.

Für solche Sachen sind die schon gut, diese YouTube-Videos!

Das ist oft so, dass Leute ein Video von mir sehen und mich aufgrund dessen für ein Konzert anfragen. Und Hans­Georg Hofmann ist ja auch ein grosser Fan der 20er­ und 30er­Jahre­Jazz­Musik.

Ja! Das ist mir auch aufgefallen – er hat sehr viele Ideen für Stücke und ist total begeistert! Das macht natürlich auch die Freude für uns umso grösser, ein solches Konzert zu spielen. Ich bin richtig froh, dass er hier bei uns im Orches-ter ist. Es gibt durch ihn einen Aufschwung für andere Sachen, nicht nur klassische Konzerte.

Ich bin wirklich auch sehr gespannt darauf, wie das Konzert sein wird – nicht nur was die Musik betrifft, ich freue mich auch auf das Zusammenkommen die­ser verschiedenen Menschen.

Ich bin auch sehr gespannt auf dieses Aufeinandertreffen! Seit ich Kind bin, höre ich Rock-Musik. Mein Bruder hat unterdessen tausende Jazz-Platten und CDs, einen schall-isolierten Raum im Garten mit einer speziellen Klima-

zu phrasieren und die richtige Tonart zu treffen. Dennoch finde ich es gefährlich, wenn man heute den Fokus so sehr auf die Technik legt – so geht doch auch das Individuelle etwas verloren.

Denn jeder Zuhörer möchte doch von uns etwas Spe-zielles hören. Ich habe eine Platte von 1917 – als ich das hörte, dachte ich nur OMG! So erstaunlich, wie smooth die Phrasierungen sind: wie Perlen. Und diese Freiheit, wie sie spielen. Man erkennt den Musiker sofort. Natürlich gibt es das heutzutage auch noch, aber ich denke, dass dieses jahre-lange Spielen an Wettbewerben eine Gefahr für die Indi-vidualität und Freiheit der Musiker ist, dass es sogar manchmal etwas Einheitsbrei ist, was gespielt wird. Wett-bewerbe können schon auch gut sein, denn sie bringen ei-nen auf ein hohes Niveau. Und wenn man dann Kammer-musik macht oder in einer Band spielt, wie du es machst … oder was meinst du, ist das eine generelle Entwicklung?

Das ist manchmal im Jazz auch nicht anders. Es wer­den an den Jazz­Sessions immer wieder die gleichen Stücke oft so routiniert auf und ab gespielt, weil man sie so gut kennt, aber eigentlich kann man so vieles mehr aus so wenigem herausholen. Ich war vor Kur­zem wieder in London; die Energie an einigen Jazz­Sessions hat mich sehr beeindruckt. Die Musik klingt einfach anders wenn man auf der Bühne ver­gisst, was man jahrelang gelernt hat! (lacht)

Ich habe in Wien studiert. Ganz am Anfang des Studiums musste einer meiner Mitstudenten spontan vor dem Pro-fessor und vor uns allen ein Stück vortragen. Doch da frag-te der Lehrer entsetzt: «Was ist das?» Und da fing der Bogen des Studenten an zu zittern. Und seine Nerven sind mit ihm durchgebrannt. Der Lehrer wollte damit zeigen, dass man sich, auch wenn man unter Druck kommt, im Griff haben muss. Von da an habe ich unglaublich viel geübt – und so auch etwas meine Nervosität verloren. Durch die bessere Technik konnte ich mich befreien. Heute bin ich vor einem Konzert schon noch nervös, aber auf eine gesunde Art, das gehört ja auch zur Musik.

Genau, es ist auch gut für die Musik – die Nervosität zeigt schliesslich, dass es einem nicht egal ist. Beim Gesang ist das genau das Gleiche. Man braucht Zeit, bis man ein gesundes Selbstbewusstsein hat. Noch mit achtzehn habe ich gezittert, wenn ich auf die

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anlage – der hat Unsummen von Australischen Dollars in sein Equipment gesteckt!

(lacht) Ich verstehe das so gut! Auch bei Musik­ instrumenten ist das so. Man wird einfach süchtig nach ihnen. Ich gehe häufig in Musikläden und wür­de da am liebsten jeweils alles mitnehmen, was es zu kaufen gibt.

Als ich vor einiger Zeit im Rahmen einer Cube Session mit DJs gespielt habe, wollte ich auch nur mit der besten Geige spielen. Und wow, dieses Konzert hat mir die Augen geöff-net! Seit ich Kind bin, habe ich Led Zeppelin und alle diese Sachen gehört.

Und jetzt habe ich sie auch gespielt! Endlich habe ich erkannt, dass solche Lieder ja auch gut auf der Geige liegen,

Roger Pyne und Emilia Taubic

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Roger Pyne wurde in Adelaide, Australien, geboren und lebt seit 39 Jahren in der Schweiz. Als Stimmfüh-rer und Solist der Festival Strings Lucerne bereiste er die Welt. Sein Studium führte ihn von Robert Pikler in Sydney zu Gunars Larsens am Konservatorium Luzern, welches er 1981 mit dem Konzertdiplom abschloss. Weitere Studien folgten bei Josef Suk in Wien und Felix Andrievski in Gstaad. 1981 erhielt er den Edwin Fischer Gedenkpreis der Stadt Luzern. Seit 1988 spielt er in den 1. Violinen des Sinfonie- orchesters Basel.

Roger Pyne spielt auf einer Joseph Gagliano Violine von 1785 aus Neapel.

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Ja, man spielt ein Stück eigentlich nie ganz gleich. Es kommt aber auch darauf an, denn bei einer Eigen­komposition möchte ich zum Beispiel, dass der Bas­sist wirklich das spielt, was ich im Kopf habe. Bei einem Jazz­Standard ist das anders. Wenn beispiels­weise der Pianist inspiriert ist und in eine neue Rich­tung geht, gehen die anderen Musiker eben mit ihm mit. Aber das ist nicht zu verwechseln mit freier Mu­sik. Bei einem Jazz­Standard kann man sich immer an der Form des Stückes festhalten. Man hat ja das ganze Stück vor sich, respektive man hat es wie ein Film im Kopf. Man muss das Stück halt sehr gut ken­nen, der Spass dabei ist, in der Form ausbrechen zu können.

In der klassischen Musik gibt es das natürlich nicht. Ich habe darüber mit den anderen Musikern und Musikerin-nen geredet, die jetzt im Cocktailkonzert mit uns spielen werden. Die freuen sich auch total darauf, etwas freier in-terpretieren zu können.

Ich habe ja mit klassischem Klavier angefangen und wollte früher immer Chopin spielen. Oft habe ich da nie wirklich auf die Dynamik in den Noten geschaut, vielleicht war ich zu jung, vielleicht hat mir das mei­ne Lehrerin aber auch nicht gut genug gezeigt. Ich

und das macht mich glücklich. Es ist genau wie Surfen! Wie man auf die perfekte Welle wartet, paddelt und am Ende durch die ‹Tube› fahren kann – das ist genau wie Phrasie-rung! Und das ist eben auch so im Latin, im Rock … und schlussendlich ist alles Blues!

Ich komme auch vom Blues. Damit habe ich angefan­gen. Erst später habe ich mich in Richtung Jazz ent­wickelt. Wir kommen also beide vom Blues!

Und du artikulierst dich in Worten, du bringst eine Message rüber – Blues und Jazz erzählen ja meist von Gefühlen, von Verletzlichkeit. Oder?

Ja, genau. Hast du mich eigentlich schon mal singen gehört?

Nein! Ich habe dich noch nie gehört!

Ah, du hast mich noch nie gehört? (lacht) Ich habe dich halt schon gesehen! Zum Beispiel da an der Cube Session, wo auch meine Mutter gespielt hat.

Ich spare es mir auf, damit ich es dann erlebe, wenn wir live zusammen musizieren! Ich habe übrigens kürzlich mit dem Pianisten unseres Konzerts telefoniert. Er hat mir am Computer etwas vorgespielt. Er ist daran, Night and Day, Body and Soul, Love me and Leave me … für uns zu arrangieren.

Ah, er macht das mit dem Notensatzprogramm Sibe­lius? Das mache ich auch so …

Ja genau. Auf jeden Fall ist er daran, für uns die Arrange-ments zu schreiben, das brauchen wir vier vom Sinfonie-orchester ja. Aber du und deine Band, ihr habt … wie heisst das nochmal?

Du meinst Sheets, genau. Da ist das Stück so einfach wie möglich notiert, also nur die Melodie und die Ak­korde, damit man die Interpretationsfreiheit beim Spielen hat, aber auch damit man nicht so mit dem Lesen beschäftigt ist.

Was ich auch sehr mag ist die Improvisation. Ihr improvi-siert jedes Mal, es ist nie gleich, oder?

Emilia Taubic, 26, stammt ursprünglich aus Polen und wuchs in einem musikalischen Umfeld auf. Ihre Mutter ist Violinistin im Sinfonieorchester Basel. Mit drei Jahren erhielt sie ihren ersten klassischen Kla-vierunterricht bei Tanja Monighetti. Mit vierzehn Jah-ren entdeckte sie Dinah Washington, Sarah Vaughan und später Nancy Wilson, und bald darauf entschied sie sich für ein Studium an der Jazzschule Bern, im Hauptfach Gesang bei Efrat Alony, das sie 2014 ab-schloss. Emilia Taubic singt in unterschiedlichen For-mationen, so etwa mit der Band ‹Emilia Anastazja›, mit der sie 2016 ein neues Album herausgeben wird. Gemeinsam mit Thomas Dürst und Slawek Plizga gründete sie das ‹Emilia Taubic Jazz Trio›.

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Oh, wow, alles von Hand geschrieben, das ist denn schön! Das erinnert mich an mein erstes Arrange­ment, das ich im Jazz­Studium für eine grössere Be­setzung schreiben musste. Unser Lehrer wollte, dass wir alles von Hand aufschreiben. Das waren schluss­endlich etwa zehn Seiten – aber so schön wie du habe ich das nicht hinbekommen!

Du kannst das ja mal deinem Gitarristen geben, vielleicht hat er ja noch gute Ideen …

Super! Es ist wirklich grossartig, dass wir dieses Pro­jekt zusammen machen können. Auch dass wir es im Grand Hotel Les Trois Rois spielen können, ist etwas ganz Besonderes! ●

habe es dann also immer selber interpretiert, sodass ich zum Beispiel da, wo forte stand, extrem leise spiel­te – also komplett falsch und überhaupt nicht im Sinne des Komponisten. Das war dann immer eine Katastrophe in der Klavierstunde, weil ich mich be­reits so an diese Art zu spielen gewöhnt hatte und meine Lehrerin natürlich nicht damit einverstanden war. Aber ich hab das ja nicht extra gemacht – dann musste ich mich eben immer wieder umgewöhnen.

Was das anbelangt, gibt dir die Jazz-Musik aber auch etwas mehr Freiheiten …

Passiert dir das denn nicht manchmal auch, dass du etwas anderes empfindest als das was in den Noten steht?

Ja, doch. Das ist dann ein bisschen wie eine Zwangsjacke! (lacht) Aber in der Gruppe muss man eben an einem Strang ziehen …

Aber zurück zu unserem Projekt: Ich habe dir nämlich noch Noten mitgebracht. Das habe ich direkt von der CD abgeschrieben.

Impressum

Sinfonieorchester Basel, Steinenberg 19, 4051 Basel, +41 ( 0 )61 205 00 95, [email protected], www.facebook.com/sinfonieorchesterbasel, twitter.com/symphonybasel

Geschäftsleitung : Franziskus Theurillat Leitung Künstlerische Planung : Dr. Hans-Georg Hofmann Konzeption und Redaktion Programm-Magazin : Simone Staehelin und Cristina Steinle Titelbild : Christian Aeberhard, Basel Korrektorat: Ulrich Hechtfischer Gestaltung : Neeser & Müller, Basel Druck : Schwabe AG, Basel/Muttenz Auflage : 5500 ExemplarePartner:

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Ihre Buchhandlung in Basel «Das Narrenschiff»

Das NarrenschiffBuchhandlung Schwabe AGSteinentorstrasse 11, CH-4010 BaselTel. +41 61 278 98 10, Fax +41 61 278 98 12E-Mail: [email protected]

ÖffnungszeitenDienstag bis Freitag 9.30 bis 18.30 Uhr, Samstag 9.30 bis 17 Uhr

Weitere Informationen und Buchempfehlungen, Hinweise zu Ver anstaltungen und die Möglichkeit zur Buchbestellung finden Sie unter www.dasnarrenschiff.ch

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eigener Werke nach Europa zurück, wo er zahlreiche bedeutende Auszeichnungen erhielt.

In Zusammenarbeit mit dem Sinfonieorchester Basel und den Musikhochschulen von Basel, Luzern und Wien, unterstützt vom Ernst Krenek Institut Krems und von Gladys Nordenstrom­Krenek, der Witwe und Nachlassverwalterin des Komponisten, ist ein vielfältiges Programm entstanden, das Kre­

D er Komponist Ernst Krenek – 1900 in Wien geboren, gestorben 1991 in Kalifornien – ist heute weitgehend vergessen; einzig die

1927 uraufgeführte Oper Jonny spielt auf, die als erste ‹Jazz­Oper› gilt, erscheint hin und wieder auf der Bühne. Nun ehrt der Gare du Nord ihn mit einem gross angelegten Krenek­Kaleidoskop, bei dem auch das Sinfonieorchester Basel mitwirkt. – Die Bezeich­nung ‹Kaleidoskop› passt zu diesem Komponisten, der nicht nur fast das ganze 20. Jahrhundert durch­lebt, sondern sich auch sukzessive dessen unter­schiedliche musikalische Sprachen anverwandelt hat. So hat er zunächst in freier Atonalität kompo­niert, sich später von Jazz und Operette beeinflussen lassen, neo­klassisch und neo­romantisch kompo­niert, sich in den 1940er­Jahren der seriellen Musik zugewandt und schliesslich auch mit der Elektronik experimentiert. Dabei war er ein wacher Zeuge sei­nes Jahrhunderts und bezog vor allem in seinen Büh­nenwerken immer wieder gesellschaftspolitisch Stellung. Seine vor allem vom Welterfolg des Jonny beflügelte Karriere endete abrupt, als die Nazis die Macht ergriffen und seine Musik als ‹entartet› diffa­mierten. Er floh in die USA, wo er sich eine neue Existenz aufbauen musste. Dort blieb er vorerst, kehrte aber nach dem Krieg regelmässig als Dirigent

Vorschau: ‹In ewigen Warteräumen›Musikalisches Kaleidoskop der Lebensreise

von Ernst Krenekvon Alfred Ziltener

IN EWIGEN WARTERÄUMEN – MUSIKALISCHES KALEIDOSKOP DER LEBENSREISE VON ERNST KRENEK1. Oktober bis 28. November 2015

Veranstaltungen mit dem Sinfonieorchester Basel:

‹Im Atem der Zeit› – Literarisches Kammerkonzert Sonntag, 1. November 2015 17.00 Uhr, Basler Papiermühle

‹Zauberflöte und Krenek› – Promenadenkonzert Sonntag, 22. November 2015 11.00 Uhr, Gare du Nord

VVK: www.sinfonieorchesterbasel.ch oder bei Bider & Tanner

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bildet bei Krenek das Happy End. Kreneks Beziehun­gen zur Schweiz sind Thema einer Ausstellung in der Bibliothek der Musik­Akademie und eines Buchs, das im Rahmen des Festivals seine Vernissage erlebt. Das Sinfonieorchester Basel beteiligt sich mit zwei Ver­anstaltungen an dieser Hommage. In der Reihe ‹Schwarz auf Weiss› in der Basler Papiermühle liest Christian Sutter Auszüge aus dem Buch Im Atem der Zeit – Erinnerungen an die Moderne, Kreneks Versuch, im amerikanischen Exil die verlorene Vergangenheit für sich und andere möglichst genau festzuhalten. Dazu spielen Mitglieder des Orchesters Kammermu­sik Kreneks in unterschiedlicher Besetzung. Bei der sonntäglichen ‹Promenade› im Gare du Nord ist ne­ben W. A. Mozarts Harmoniemusik zur Zauberflöte Kreneks 4. Streichquartett op. 14 zu hören. Das rund halbstündige Werk ist im Winter 1923/24, zum Teil auch in der Schweiz, entstanden. ●

neks Musik mit jener seiner Zeitgenossen und einem Auftragswerk des 1974 in Innsbruck geborenen Johannes Maria Staudt kombiniert. Auch Musik von Gladys Nordenstrom­Krenek wird zu hören sein; sie selbst nimmt an einer Podiumsdiskussion teil. Ein Schwerpunkt des Programms liegt auf der Kammer­musik. So sind sechs der acht Streichquartette zu hören, und in einer szenischen Installation von Nives Widauer interpretiert der Bariton Florian Boesch den Liederzyklus Reisebuch aus den österreichischen Alpen. Désirée Meiser, die Leiterin des Gare du Nord, kom­biniert im Musiktheater­Abend ‹Mad Couples› Kreneks 1945 im Auftrag der New Yorker Metropoli­tain Opera entstandene Kammeroper What Price Confidence (deutsch: Vertrauenssache) mit Arien aus W. A. Mozarts Così fan tutte. In beiden Werken geraten zwei junge Paare in eine Liebes­ und Vertrauenskri­se; der Partnertausch, der bei Mozart in der Luft liegt,

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Theater Basel VVK: Theaterkasse

Stadtcasino, Musiksaal Eintritt frei

Stadtcasino, Musiksaal

Grand Hotel Les Trois Rois, Salle Belle Epoque

Basler Papiermühle

Kuppel Basel

Stadtcasino, Musiksaal

Stadtcasino, Musiksaal

Gare du Nord

DO 22.10.1519.30

DI 27.10.1512.00

MI 28.10.1519.30

DO 29.10.1519.00

SO 01.11.1517.00

DO 05.11.1521.00

MI 11.11.1519.30

DO 12.11.1519.30

SO 22.11.1511.00

Oper: ChowanschtschinaMusikalisches Volksdrama in fünf Akten von Modest MussorgskiIn russischer Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln

Punkt 12: Offene OrchesterprobeSOB / Michał Nesterowicz

Sinfoniekonzert SOB: Chantefleurs Maurice Ravel: Ma mère l’oye, Ballettsuite für OrchesterWitold Lutosławski: Chantefleurs et Chantefables für Sopran und OrchesterWolfgang Amadé Mozart: Bella mia fiamma, addio, Rezitativ und Arie für Sopran und Orchester, KV 528Jean Sibelius: Sinfonie Nr. 3 C-Dur, op. 52SOB / Olga Pasichnyk / Michał Nesterowicz

Erstes Cocktailkonzert: Day and Night in New York Mitglieder des SOB / Emilia Taubic / Roger Pyne u.a.

Schwarz auf Weiss: Im Atem der Zeit Ernst Krenek: Serenade für Klarinette, Violine, Viola und Violoncello, op. 4 Monologue für Klarinette, op. 157 Streichtrio in 12 Stationen, op. 237Ernst Krenek: Ausschnitte aus Im Atem der Zeit – Erinnerungen an die ModerneMitglieder des SOB / Christian Sutter

Cube Session #13Mitglieder des SOB feat. Amped/Wired

Erstes Coop-Sinfoniekonzert Werke von Maurice Ravel, Pablo de Sarasate und Ludwig van Beethoven SOB / Noa Wildschut / Douglas Boyd

Erstes Volkssinfoniekonzert Werke von Maurice Ravel, Pablo de Sarasate und Ludwig van Beethoven SOB / Noa Wildschut / Douglas Boyd

Promenade: Zauberflöte und Krenek Wolfgang Amadé Mozart: Die Zauberflöte, HarmoniemusikErnst Krenek: 4. Streichquartett, op. 24Mitglieder des SOB

Agenda

Vorverkauf ( falls nicht anders angegeben ) : Bider & Tanner, Ihr Kulturhaus in Basel, Aeschenvorstadt 2, 4010 Basel, 061 206 99 96 Detaillierte Informationen und Online­Verkauf : www.sinfonieorchesterbasel.ch

Das Konzert ist ausverkauft

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Einkaufen, staunen und geniessen

proinnerstadtbasel.ch

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111 Joor, dasch nid neu, sin mir z Basel

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Däägligg uff em Märt www.eiche-metzgerei.ch