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Buch von Joe Masteroff nach dem Stück „Ich bin eine Kamera“ von John van Druten und den Erzählungen von Christopher Isherwood, Musik von John Kander, Gesangstexte von Fred Ebb Cabaret TICKETSERVICE: 07221/932700 [email protected] TOURIST-INFORMATION: 07221/275233 [email protected] www.theater-baden-baden.de Ist unsere Demokratie in Gefahr? [...] In den letzten beiden Jahren haben wir Politiker Dinge sagen hören und tun sehen, die in den Vereinigten Staaten ohne Beispiel waren, von denen wir aber wissen, dass sie andernorts Vorboten demokratischer Krisen waren. Das bange Gefühl, das uns [...] beschleicht, versuchen wir mit dem Gedanken zu be- schwichtigen, dass es bei uns doch gar nicht so schlimm sein könne. Wir wissen zwar, dass Demokratien stets zerbrechlich sind, aber die Demokratie, in der wir leben, hat es doch irgendwie geschafft, der Schwerkraft zu trotzen. Unsere Verfassung, unser Glaube an Freiheit und Gleichheit, unsere historisch robuste Mittelschicht, unser großer Wohlstand, unser hoher Bildungsstand und unsere große weitgefächerte Wirtschaft: all dies sollte uns gefeit machen gegen einen Zusammenbruch der Demokratie, wie wir ihn anderswo erlebt haben. Und trotzdem sind wir besorgt. Heutzutage behandeln amerikanische Politiker ihre Konkurrenten als Feinde, sie schüchtern die freie Presse ein und erkennen die Ergebnisse von Wahlen nicht an. Sie versuchen, die institutionellen Puffer unserer Demokratie – Ge- richte, Nachrichtendienste, Aufsichtsbehörden – zu schwächen. [...] Militärputsche und andere gewaltsame Machtergreifungen sind selten geworden. [...] Demokratien sterben weiterin, aber auf andere Weise. Seit dem Ende des Kalten Krieges sind die meisten demo- kratischen Zusammenbrüche nicht durch Generäle und Soldaten, sondern durch gewählte Regierungen verursacht worden. [...] Der demokratische Rückschritt beginnt heute an der Wahlurne. [...] Gewählte Autokraten halten eine demokratische Fassade aufrecht, während sie die demokratische Substanz auflösen. [...] Da es keinen konkreten Moment gibt – kei- nen Putsch, keine Verhängung des Kriegsrechts, keine Aussetzung der Verfassung –, in dem das Regime offensichtlich die Trennlinie zur Diktatur überschreitet, kann es sein, dass die Alarmglocken der Gesellschaft nicht anschlagen. [...] Die Erosion der Demokratie ge- schieht so unmerklich, dass viele sie nicht wahrnehmen. S. Levitsky, D. Ziblatt: Wie Demokratien sterben, 2018 WIE DEMOKRATIEN STERBEN Und da war ein Cabaret mit einem Conférencier – und da war eine Stadt, die Berlin heißt, in einem Lande, das Deutschland heißt ... – und das war das Ende der Welt, und ich tanzte mit Sally Bowles ... und wir versanken in einen tiefen Schlaf ... “ Chiara Regenold, Sonja Dengler, Josephine Bönsch, Maja Müller Sonja Dengler Chiara Regenold, Sonja Dengler, Maja Müller, Berth Wesselmann, Leonie Jacobs

Programmheft CABARET 2019 - Theater-Baden-Baden€¦ · CABARET erzählt von Menschen, die versuchen, in äußert schwierigen Zeiten ihr Glück zu machen, und die (fast alle) die

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Page 1: Programmheft CABARET 2019 - Theater-Baden-Baden€¦ · CABARET erzählt von Menschen, die versuchen, in äußert schwierigen Zeiten ihr Glück zu machen, und die (fast alle) die

Buch von Joe Masteroff nach dem Stück „Ich bin eine Kamera“ von John van Druten und den Erzählungen von Christopher Isherwood, Musik von John Kander, Gesangstexte von Fred Ebb

Cabaret

TICKETSERVICE: 07221/932700 [email protected]: 07221/275233 [email protected]

Ist unsere Demokratie in Gefahr? [...] In den letzten beiden Jahren haben wir Politiker Dinge sagen hören und tun sehen, die in den Vereinigten Staaten ohne Beispiel waren, von denen wir aber wissen, dass sie andernorts Vorboten demokratischer Krisen waren. Das bange Gefühl, das uns [...] beschleicht, versuchen wir mit dem Gedanken zu be-schwichtigen, dass es bei uns doch gar nicht so schlimm sein könne. Wir wissen zwar, dass Demokratien stets zerbrechlich sind, aber die Demokratie, in der wir leben, hat es doch irgendwie geschafft, der Schwerkraft zu trotzen. Unsere Verfassung, unser Glaube an Freiheit und Gleichheit, unsere historisch robuste Mittelschicht, unser großer Wohlstand, unser hoher Bildungsstand und unsere große weitgefächerte Wirtschaft: all dies sollte uns gefeit machen gegen einen Zusammenbruch der Demokratie, wie wir ihn anderswo erlebt haben. Und trotzdem sind wir besorgt. Heutzutage behandeln amerikanische Politiker ihre Konkurrenten als Feinde, sie schüchtern die freie Presse ein und erkennen die Ergebnisse von Wahlen nicht an. Sie versuchen, die institutionellen Puffer unserer Demokratie – Ge-richte, Nachrichtendienste, Aufsichtsbehörden – zu schwächen. [...] Militärputsche und andere gewaltsame Machtergreifungen sind selten geworden. [...] Demokratien sterben weiterin, aber auf andere Weise. Seit dem Ende des Kalten Krieges sind die meisten demo-kratischen Zusammenbrüche nicht durch Generäle und Soldaten, sondern durch gewählte Regierungen verursacht worden. [...] Der demokratische Rückschritt beginnt heute an der Wahlurne. [...] Gewählte Autokraten halten eine demokratische Fassade aufrecht, während sie die demokratische Substanz auflösen. [...] Da es keinen konkreten Moment gibt – kei-nen Putsch, keine Verhängung des Kriegsrechts, keine Aussetzung der Verfassung –, in dem das Regime offensichtlich die Trennlinie zur Diktatur überschreitet, kann es sein, dass die Alarmglocken der Gesellschaft nicht anschlagen. [...] Die Erosion der Demokratie ge-schieht so unmerklich, dass viele sie nicht wahrnehmen.

S. Levitsky, D. Ziblatt: Wie Demokratien sterben, 2018

WIE DEMOKRATIEN STERBEN „Und da war ein Cabaret mit einemConférencier – und da war eine Stadt,

die Berlin heißt, in einem Lande,das Deutschland heißt ... – und das war

das Ende der Welt, und ich tanzte mitSally Bowles ... und wir versanken in

einen tiefen Schlaf ... “

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Chiara Regenold, Sonja Dengler, Maja Müller, Berth Wesselmann, Leonie Jacobs

Page 2: Programmheft CABARET 2019 - Theater-Baden-Baden€¦ · CABARET erzählt von Menschen, die versuchen, in äußert schwierigen Zeiten ihr Glück zu machen, und die (fast alle) die

Berth Wesselmann, Maja Müller

Berlin, Ende 1929/Anfang 1930. Clifford Bradshaw, ein amerikanischer Schriftsteller, reist nach Berlin auf der Suche nach Stoff für seinen Roman. Bereits im Zug lernt er den Deut-schen Ernst Ludwig kennen; dieser vermittelt ihm eine Bleibe in der Pension von Fräulein Schneider und wird sein Englisch-Schüler. Das Berliner Nachtleben verführt Cliff: Im Kit Kat Klub sieht er einen Auftritt der Engländerin Sally Bowles und verliebt sich augenblicklich in sie. Beide ziehen zusammen und genießen ihr Leben abseits der Bürgerlichkeit. Aber die Realität holt sie schnell ein. Sally wird ungewollt schwanger, und Deutschland steckt wirt-schaftlich wie politisch in der Krise: Banken werden geschlossen, die Nationalsozialisten gewinnen an Zulauf. Fräulein Schneider wird von Ernst Ludwig wegen ihrer Verbindung zum jüdischen Herrn Schultz bedroht und zieht ihre Konsequenzen. Cliff erkennt die Ge-fahr, die vom aufkeimenden Faschismus ausgeht, und versucht Sally zu überreden, mit ihm zu fliehen. Sally aber ist ihre Unabhängigkeit wichtiger; ihre Karriere und Berlin will sie nicht aufgeben.

CABARET erzählt von Menschen, die versuchen, in äußert schwierigen Zeiten ihr Glück zu machen, und die (fast alle) die Vorgänge in Politik und Gesellschaft nicht einzuordnen wissen. Eingebettet ist die Geschichte von Cliff, Sally, Fräulein Schneider und ihren Mietern in das Cabaret: einen Ort der Sehnsucht und Entgrenzung. Abseits der Realität herrscht hier das schillernde und entfesselte Berlin der 20er Jahre. Der Conférencier führt durch den Abend, begrüßt die Zuschauer, leitet das Spiel. In der Baden-Badener Inszenierung lässt Regisseur Ingmar Otto den Spielleiter nach scheinbar langem Ruhen erwachen; schnell findet er zu alter Form und holt die Geister der Vergangenheit zurück aus dem Untergrund.

ZUM STÜCK

Conférencier Berth Wesselmann

Sally Bowles Sonja Dengler

Clifford Bradshaw Simon Mazouri

Fräulein Schneider Catharina Kottmeier

Herr Schultz Oliver Jacobs

Ernst Ludwig Holger Stolz

Fräulein Kost Josephine Bönsch/Maja Müller

Kit Kat Girls Josephine Bönsch, Sven Niemeyer/

Maja Müller; Leonie Jacobs, Chiara Regenold

Knabe Jonas Kimmerl/Maksim Enderle

Matrosen Holger Stolz, Band-Mitglieder

Band Mario Fadani (Bass), Alexander Fies (Schlagwerk), Heiko Gottberg (Gitarren), Pirmin Ullrich/Jutta Fischer (Klarinette, Saxophon), Wolfram Wagner (Posaune), Bernd Wiedamann (Klarinette, Saxophon), Hans-Georg Wilhelm (Klavier), Otto Zwecker (Trompete)

MUSIKALISCHE LEITUNG Hans-Georg

Wilhelm

INSZENIERUNG Ingmar Otto

CHOREOGRAPHIE Sven Niemeyer

BÜHNE Steven Koop

KOSTÜME Matthias Strahm

DRAMATURGIE Leona Lejeune

REGIEASSISTENZ UND ABENDSPIEL-

LEITUNG Désirée Ly

INSPIZIENZ Katrin Westphal

Bühneneinrichtung: Thomas GüssBeleuchtung: Christian WagnerMaske: Lena Braunbarth, Anja Dehn, Shari RappRequisite: Anette Jadczak, Klaus RummelTon: Michael JungVideo: Joshua WengleinKinderbetreuung: Tatjana Ermolenko

WIEDERAUFNAHMEAM 17. OKTOBER 2019AUFFÜHRUNGSDAUERca. 2 Stunden 20 Minuten, eine Pause

AUFFÜHRUNGSRECHTEFelix Bloch Erben GmbH & Co. KG, Berlin

Technischer Leiter: Walter Fäßler; Leiter Bühnen-technik: Sebastian Gerstner; Leiter Beleuchtung: Christian Wagner; Leiterin Kostümwerkstätten: Anneliese Klein; Leiterin Maske: Anja Dehn; Leiter Requisite: Klaus Rummel; Leiter Ton und Video: Michael Jung

CABARETBuch von Joe Masteroff nach dem Stück „Ich bin eine Kamera“ von John van Druten und den Erzäh-

lungen von Christopher Isherwood, Musik von John Kander, Gesangstexte von Fred Ebb, reduzierte

Orchesterfassung von Chris Walker, aus dem Englischen von Robert Gilbert, Originalproduktion am

Broadway unter Leitung von Harold Prince

Impressum: Theater Baden-Baden, Goetheplatz 1, 76530 Baden-Baden; Intendantin: Nicola May; Redaktion: Leona Lejeune, DTP: Johanna Tydecks; Inszenierungsfotos: Felix Grünschloß; Druck Späth Media GmbH

1966 wurde das Musical CABARET am Broadway uraufgeführt. Die berühmte Musik kom-ponierte John Kander, die Liedtexte stammen aus der Feder von Fred Ebb, das Buch dazu schrieb Joe Masteroff. Masteroff bediente sich als Vorlage bei dem Schauspielstück „Ich bin eine Kamera“ von John van Druten, welches Anfang der 50er Jahre am Broad-way lief. „Ich bin eine Kamera“ wiederum basiert auf zwei romanhaften Erzählungen des britisch-amerikanischen Schriftstellers Christopher Isherwood: „Mr. Norris steigt um“ aus dem Jahr 1935 und „Leb wohl, Berlin“ von 1939. Isherwoods Romane sind fiktional, aber autobiographisch angelegt. Der Autor verarbeitet darin seine Erfahrungen in Berlin zwi-schen 1929 und 1933. Die meisten Figuren haben reale Vorlagen, so geht Sally Bowles auf die Cabaret-Sängerin Jean Ross zurück usw. Seine „Schnappschüsse“ der deutschen Metropole galten lange als prägend für die ausländische Wahrnehmung vom Berlin der 30er Jahre.

Bereits Erzählungen, Schauspielstück und Musical waren erfolgreich (allein das Musical gewann 1967 in 8 Tony-Kategorien die begehrte Trophäe), weltbekannt wurde der Stoff jedoch durch die Verfilmung von Bob Fosse 1972. Ihre Darstellung der Sally Bowles ver-schaffte Liza Minnelli den Durchbruch, Joel Greys Verkörperung des Conférenciers war stil-bildend. Der Film gewann insgesamt 8 Oscars. An vielen Stellen wurde für die Verfilmung Story und Personage geändert, einige Songs aus dem Musical fielen weg. Neue Musiken für den Film schrieb wiederum John Kander, die später teils Eingang in die Musiktheater-fassung fanden.

CABARET erlebte seit 1966 zahlreiche bekannte Neuinszenierungen mit Starbesetzung: Judi Dench war 1968 Sally Bowles, Ute Lemper 1986, Hildegard Knef spielte Fräulein Schneider 1987, 1993 inszenierte Sam Mendes das Musical mit Alan Cummings neuer Interpretation des Conférenciers, 2004 erfolgte die berühmte Aufführung von Vincent Pat-terson in Berlin in der Bar jeder Vernunft, die seit 2014 wieder im Tipi am Kanzleramt zu sehen ist.

DAS MUSICAL