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Proteinbiosynthese Prolegomena zum experimentellen Engineering des genetischen Codes durch Erweiterung seines Aminosäurerepertoires Nediljko Budisa* Angewandte Chemie StichwɆrter: AminosȨuren · Biosynthese · Evolution · Genetischer Code · Proteine N. Budisa Aufsätze 6586 # 2004 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim DOI: 10.1002/ange.200300646 Angew. Chem. 2004, 116, 6586 – 6624

Prolegomena zum experimentellen Engineering des genetischen Codes durch Erweiterung seines Aminosäurerepertoires

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Proteinbiosynthese

Prolegomena zum experimentellen Engineeringdes genetischen Codes durch Erweiterungseines Aminos�urerepertoiresNediljko Budisa*

AngewandteChemie

Stichw�rter:Aminos�uren · Biosynthese · Evolution ·Genetischer Code · Proteine

N. BudisaAufs�tze

6586 2004 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim DOI: 10.1002/ange.200300646 Angew. Chem. 2004, 116, 6586 – 6624

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„Wenn es uns gelingt, in dem dunklen Gebiet der organischenNatur auf einen lichten Punkt zu treffen, der uns wie einer derEing nge erscheint, durch die wir vielleicht auf die wahren Wegezur Erforschung und Erkennung dieses Gebietes gelangenk"nnen, so hat man immer Ursache sich Gl$ck zu w$nschen,selbst wenn man sich der Unersch"pftheit des vorgesetztenGegenstandes bewusst ist.“

F. W&hler und J. Liebig, Ann. Pharm. 1833, 3, 249

1. Einf�hrung

1.1. Das genetische Programm und die Naturgesetze

Das Leben ist ein fortw�hrendes Wechselspiel zwischeneinem autonomen, sich selbst erhaltenden System aus orga-nischer Materie und seiner physikochemischen Umgebung.Zwei Rahmenbedingungen schr�nken diesen Prozess ein: dieNaturgesetze, die deterministischen Gesetze der Chemie undder Physik, sowie das genetische Programm, das alle biolo-gischen Aktionen und Ph�nomene bestimmt. Die Existenzeines solchen genetischen Programms unterscheidet lebendevon nichtlebender Materie:[1] Nucleins�uren codieren Infor-mationen, die von Proteinen repliziert werden.

Die genetische Information wird durch Sequenzen genaufestgelegt, durch die Abfolge der Basen in Nucleins�uren unddurch die Aminos�uresequenz in Proteinen. Die in derDesoxyribonucleins�ure (DNA) enthaltene Informationkann als regulatorische DNA gespeichert werden, in Ribonu-cleins�ure (RNA) 4berf4hrt werden und dort wiederum inForm von tRNA, rRNA, snRNA, tmRNA, etc. gespeichertwerden. Auch l�sst sich die Information von der Messenger-

RNA (mRNA) zur4ck in DNA schreiben (durch eine reverseTranskriptase) oder von der RNA (4ber mRNA) weiter aufein Protein 4bertragen. Das urspr4nglich von Crick formu-lierte „zentrale Dogma“ der Molekularbiologie[2] war dieerste Hypothese, die die Richtung des Transfers genetischerInformation in Lebewesen vorhersagte. Es besagt, dass „derTransfer der Information von Nucleins�ure zu Nucleins�ureoder von Nucleins�ure zu Protein m;glich ist, dass aber derTransfer von Protein zu Protein oder von Protein zu Nucle-ins�ure unm;glich ist.“ Dieser Transfer wird vom genetischenCode durch ein Regelwerk bestimmt, das der Sequenz vonBasentripletts in Nucleins�uren (Polynucleotiden) genau eineAminos�uresequenz in Proteinen (Polypeptiden) zuordnet.Durch die Aufkl�rung des in Tripletts gruppierten geneti-schen Codes[3,4] wurde klar, wie die colinearen Nucleins�ure-sequenzen die Information f4r lineare Aminos�uresequenzenbeherbergen. Heute z�hlt es zum biochemischen Grundwis-sen, dass die zwanzig Standard- oder auch kanonischenAminos�uren durch 61 codierende Triplett-Kombinationenund drei Stopp-Signale zugewiesen werden (Abbildung 1).

[*] Dr. N. BudisaMax-Planck-Institut f%r BiochemieSelbst�ndige Nachwuchsgruppe „Molekulare Biotechnologie“Am Klopferspitz 18a82152 Martinsried bei M%nchen (Deutschland)Fax: (+49)89-8578-3516E-mail: [email protected]

Hintergrundinformationen zu diesem Beitrag sind im WWW unterhttp://www.angewandte.de zu finden oder k@nnen beim Autorangefordert werden.

Die Proteinsynthese und ihre Verbindung mit dem genetischenCode spielten lange Zeit eine zentrale Rolle in der Biologie. Derschnelle experimentelle Fortschritt f#hrte im vergangenen Jahr-zehnt zu einer nahezu kompletten Beschreibung dieser Prozesse.Weitere wichtige Experimente ergaben Hinweise daf#r, dass dienat#rliche Protein-Translationsmaschinerie neu programmiertwerden kann, um viele nichtkanonische Aminos.uren genetisch zucodieren. Tats.chlich lassen die 20 kanonischen Aminos.uren, dieim universellen genetischen Code verwendet werden, viele w#n-schenswerte Funktionalit.ten vermissen, etwa Halogen-, Keto-,Cyan-, Azido-, Nitroso-, Nitro- oder Silylgruppen sowie C=C- oderC�C-Bindungen. Die F.higkeit, genetisch eine derartige chemischeVielfalt zu codieren, wird uns erm3glichen, lebende Zellen wieBakterien neu zu programmieren, sodass sie maßgeschneiderteProteine mit vielseitigen Funktionen exprimieren. An der Schnitt-stelle von Biologie, Chemie und Physik entwickelt sich mit demEngineering des genetischen Codes ein aufstrebendes For-schungsgebiet.

Aus dem Inhalt

1. Einf�hrung 6587

2. Charakteristika undVoraussetzungen der zellul�renProteinsynthese 6589

3. Traditionelle Auxotrophie-Methoden 6592

4. M$glichkeiten und Grenzen desSelektionsdrucks: Engineering eineszweiten Codes 6599

5. Suppressionsbasierte Methoden 6605

6. Weitere Aspekte eines erweitertenAminos�urerepertoires 6610

7. Einige praktische Anwendungennichtkanonischer Monomere 6613

8. Die Zukunft des Engineerings desgenetischen Codes 6618

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1.2. Was ist das Engineering des genetischen Codes?

Experimentelle Ans�tze zur Erweiterung der Auswahlvon Aminos�uren, die als Grundbausteine in der ribosomalenProteinsynthese zur Verf4gung stehen, werden in der Litera-

tur mit unterschiedlichen Namen bezeichnet. Beispiele hier-f4r sind „erweiterter Anwendungsbereich der Proteinsynthe-se“ („expanded scope of protein synthesis“),[5] „erweitertesAminos�urerepertoire“ („expanded amino acid reper-toire“),[6] „erweiterter genetischer Code“ („expanded geneticcode“),[7] „tRNA-vermitteltes Protein-Engineering“ („tRNAmediated protein engineering“, TRAMPE)[8] und „ortsspezi-fischer Austausch gegen nichtnative Aminos�uren“ („site-directed non-native amino acid replacement“, SNAAR).[9]

Alle Ans�tze haben eine experimentelle Neucodierung, einEberlesen („readthrough“) oder Ver�nderungen in der Be-deutung codierender Tripletts im universellen genetischenCode gemeinsam. Prinzipiell kann man das experimentelleEberlesen entweder durch die Neufestlegung evolution�rzugewiesener codierender Tripletts (Sense-Codons) oderdurch das Unterdr4cken von Stopp-Tripletts (UGA, UGG,UGU) oder Nicht-Triplett-Codierungseinheiten erreichen. InBezug auf die Proteinexpression wird dies durch die Steue-rung von Umgebungsfaktoren (d.h. durch Selektionsdruck)und/oder durch den Zusatz neuer Translationskomponentenm;glich. Das Ergebnis dieser experimentellen Eingriffe inden universellen genetischen Code ist eine erh;hte Codie-rungskapazit�t durch die Erweiterung des Aminos�urereper-toires. Mit anderen Worten, die Gnderungen in der Interpre-tation des genetischen Codes erweitern die Bandbreite derribosomalen Proteinsynthese. Der Ausdruck „Engineeringdes genetischen Codes“ vereint alle diese Aspekte, denn erbezieht sich explizit auf Experimente mit dem Ziel, dieInterpretation des universellen genetischen Codes und somitdie Struktur des Codes durch die Einf4hrung neuer Codie-rungseinheiten zu ver�ndern.

1.3. Engineering des genetischen Codes: Terminologie

Das Engineering des genetischen Codes bezieht vieleDisziplinen ein. Daher ist es schwierig, einen umfassendenEberblick 4ber dieses Gebiet zu erhalten. Beispielsweisebringt das Teilgebiet Genetik eine sehr komplexe Termino-logie ein. Weit verbreitete Begriffe wie „Funktionelle Geno-mik“ oder „Proteomik“ decken die Genwirkungen und -wechselwirkungen f4r das Genom bzw. Proteom ab, unddabei werden wenigstens vier Komplexit�tsebenen unter-schieden: Gene (das Genom), Messenger-RNA (das Trans-criptom), Proteine (das Proteom) und der Stoffwechsel (dasMetabolom).[10] Noch komplizierter wird es, wenn weitereAspekte ber4cksichtigt werden, etwa posttranslationale Mo-difikationen oder pharmakologische Eigenschaften, da jedesdieser Forschungsgebiete seine eigene Terminologie verwen-det.

Bislang gibt es keine allgemein akzeptierte Nomenklaturf4r das Code-Engineering. Eine vereinfachte Terminologie[6]

unterteilt die Aminos�uren in zwei Hauptgruppen: kanoni-sche und nichtkanonische. Andere Systeme unterscheidenbeispielsweise zwischen verwandten (cognate) und nichtver-wandten, codierten und nichtcodierten, proteinogenen undnichtproteinogenen, Standard- und Nicht-Standard-, nat4rli-chen/unnat4rlichen/nichtnat4rlichen, speziellen kanonischenAminos�uren und biogenen Aminos�uren. Isostere Amino-

Nediljko Budisa, geboren 1966 in Sibenik(Kroatien), studierte Chemie, Biologie, Mole-kularbiologie und Biophysik an der Universi-t)t Zagreb (Kroatien). Seine Doktorarbeitf.hrte er in der Gruppe von Robert Huberam Max-Planck-Institut f.r Biochemie inMartinsried durch. Nach seiner Promotion(Technische Universit)t M.nchen, 1997)blieb er als Postdoc bei Robert Huber undLuis Moroder in Martinsried, wo er 2000eine Forschungsgruppe f.r „Protein-Enginee-ring“ .bernahm und jetzt eine Nachwuchs-gruppenleiterstelle („Molekulare Biotechno-logie“) innehat. Derzeit schließt er seineHabilitation an der TU M.nchen ab.

Abbildung 1. Die Struktur des genetischen Codes. Zwanzig Aminos�u-ren werden von 61 Triplett-Codierungseinheiten („Sense“-Codons) co-diert, die %brigen drei Codons (UAA, UGA, UAU) wirken als Stopp-Sig-nale bei der Proteintranslation („Nonsense“-Codons). Das Ensembleder 20 kanonischen Aminos�uren ist das Ergebnis der evolution�renZuordnung von codierenden Tripletts oder Codonfamilien zu bestimm-ten Aminos�uren (unten). Bemerkenswert ist die Zuordnung mehrererredundanter Synonymcodons zu streng polaren und unpolaren Amino-s�uren: Arg, Ser (XGX-Codons), Leu und anderen hydrophoben Amino-s�uren (XUX-Codons). Met (AUG) und Trp (UGG) ist dagegen nur je-weils ein codierendes Triplett zugeordnet.

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s�uren oder solche, die den kanonischen �hneln, bezeichnetman als Analoga oder Surrogate; ihr Einbau in Proteine kannpositionsspezifisch (dirigiert durch die Neuzuweisung selte-ner Codons sowie durch Unterdr4cken von Stoppcodons oderCodierungseinheiten mit verschobenem Leseraster (fra-meshifted coding-units)) oder multipositionell erfolgen (4b-licherweise dirigiert durch die Neuzuweisung gemeinsamercodierender Tripletts oder ganzer Codon-Familien in derTarget-Sequenz).

1.4. Wege zu einem erweiterten Aminos�urerepertoire

Die aktuellen methodologischen Entwicklungen zurk4nstlichen Erweiterung des genetischen Codes lassen sichzwei gleichermaßen viel versprechenden Ans�tzen mit unter-schiedlichen Traditionen zuordnen. Der erste Ansatz, der aufder Verwendung auxotropher St�mme beruht, l�sst sich aufein klassisches Experiment von Cowie und Cohen im Jahre1957 zur4ckf4hren.[11] Es beruhte auf klassischer Genetik mitBr4ten, Konstruktion von St�mmen und Selektion gezieltinduzierter genetischer Variationen in intakten exprimieren-den Wirtszellen, die durch kontrollierte Bedingungen undManipulation, also durch einen externen Selektionsdruck, zu„falschem“ Einbau veranlasst werden. Dieser experimentelleAnsatz wird 4blicherweise als Codon-Neuzuordnung undMehrfacheinbau (multiple-site mode of incorporation) be-zeichnet.

Der zweite Ansatz geht ebenfalls auf fr4he Experimentezur4ck, bei denen versucht wurde, den genetischen Code unddie Proteinsynthese aufzukl�ren. Das bekannteste Beispiel istdie klassische Entdeckung von Chapeville et al. ,[12] die 1962zeigten, dass sich misacylierte tRNAs (tRNAs, die nichtver-wandte Aminos�uren enthalten) – im Einklang mit derAdapter-Hypothese – an der Kn4pfung von Peptidbindungenam Ribosom beteiligen k;nnen. Diese Entdeckung kann manals die Geburtsstunde derjenigen experimentellen Ans�tzebezeichnen, bei denen haupts�chlich tRNAs mit ver�nderterIdentit�t, in der Regel Suppressor-tRNAs, zum Einsatzkommen. Durch die Verwendung chemisch oder enzymatischaminoacylierter tRNAs wird die urspr4ngliche Bedeutungder Codierungseinheiten unterdr4ckt. Diese suppressionsba-sierten Methoden werden gew;hnlich mit einem positions-spezifischen Einbau verbunden.

1.5. Thema dieses Aufsatzes

In diesem Aufsatz werde ich die Bedeutung von Selekti-onsdruckmethoden f4r das Engineering des genetischenCodes in einem weiten Zusammenhang diskutieren.[6,13–17]

Dies ist notwendig, da keine neueren umfassenden undkritischen Aufs�tze zu diesem Thema vorliegen. Der Eber-blick 4ber das gesamte Gebiet wird durch eine systematischeBeschreibung suppressionsbasierter Methoden abgerundet.Wieviele verschiedene Teilgebiete von Chemie und Biologiedieses neue Forschungsgebiet ber4hrt, wird am Beispielaktueller Fragestellungen aus der biologischen Chemie ge-zeigt. Außerdem sollen taxonomische Unklarheiten gekl�rt,

potenzielle zuk4nftige Forschungsgebiete vorgestellt undauch m;gliche Einfl4sse des Code-Engineerings auf dieGesellschaft ber4cksichtigt werden.

Viele der beschriebenen Untersuchungen des Code-En-gineerings st4tzen sich auf die Chemie von Escherichia coli,da dieser Mikroorganismus in der Biochemie nach wie vor daswichtigste Modell f4r die Proteinexpression ist. Eine Haupt-aufgabe zuk4nftiger Experimente wird es sein, das Enginee-ring des genetischen Codes in eukaryotischen Zellen imgr;ßeren Ausmaß m;glich zu machen, da sich hieraus sicher-lich aufregende Einblicke und Konzepte ergeben werden.Verwandte Gebiete wie Proteinmodifikationen, Peptidsyn-these, rekombinant exprimierte Proteine und native Ligationsowie der In-vitro-Einsatz chemisch misacylierter tRNAswerden nicht behandelt, da bereits zahlreiche Aufs�tze undB4cher zu diesen Themen zur Verf4gung stehen.

2. Charakteristika und Voraussetzungen derzellul�ren Proteinsynthese

2.1. Chemie und Metabolismus kanonischer undnichtkanonischer Aminos�uren

Einer der gr;ßten Erfolge in der Biochemie des 19.Jahrhunderts war das Konzept des Stickstoffhaushalts,[18] daseng mit dem Aminos�urestoffwechsel verbunden ist. Erstnach der Einf4hrung der radioaktiven Markierung bei meta-bolischen Untersuchungen wurde klar, dass dieses Konzeptdas Gleichgewicht zwischen Proteinsynthese und -abbaubeschreibt. Als Folge dieser Balance findet man Aminos�u-ren in lebenden Organismen in freier Form (modifiziert odernichtmodifiziert), kovalent in Peptiden und Proteinen inte-griert oder mit anderen Strukturen konjugiert. Viele Orga-nismen haben im Zuge der Evolution spezifische Methodenzur Verarbeitung von Aminos�uren entwickelt. Daher lassensich viele Entdeckungen in Escherichia coli bez4glich 1) derMechanismen der Aminos�uresynthese, 2) ihrer chemischenEigenschaften und 3) ihres intrazellul�ren Transports sowieihrer Freisetzung gleichsam auf S�ugetierzellen und andereZelltypen anwenden.[19] Im Allgemeinen werden Aminos�u-ren entweder metabolisch hergestellt oder durch aktivenTransport in Gewebe eingef4hrt. Sie k;nnen unterschiedlicheStoffwechselwege durchlaufen: Bei ihrer Desaminierung ent-stehen Ketos�uren, die wiederum in Form von Pyruvat oderAcetyl-CoA in den glycolytischen Abbau oder in den Krebs-Zyklus eintreten. Dar4ber hinaus dienen sie als Grundbau-steine der Proteinsynthese sowie als wichtige Komponentenin der Biosynthese von zahlreichen bioaktiven Molek4len,z. B. Nucleins�uren, Glutathion, Nicotinamidsphingosinen,Porphyrin-Derivaten, metabolischen Cofaktoren, Neuro-transmittern und Pigmenten.[10]

Unter physiologischen Bedingungen sowie unter Gleich-gewichtsbedingungen im Wachstumsmedium bleiben dieAminos�urekonzentrationen des intrazellul�ren Vorrats kon-stant – Schwankungen und Ver�nderungen sind lediglich vonder Zellzyklusphase abh�ngig.[20] Der Transport von Amino-s�uren durch die Plasmamembran ist ein aktiver Prozess, der

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durch Membranpermeasen vermittelt wird, die entsprechendihrer Pr�ferenzen f4r bestimmte Aminos�uren gruppiert sind.Lebende Zellen pr4fen viele Substanzen, die ihren Stoff-wechsel st;ren k;nnten. Ihre Transportsysteme sind ver-gleichsweise promiskuitiv, d.h. sie k;nnen nicht zwischenchemisch und sterisch �hnlichen Aminos�uren (und anderenkleinen Molek4len) unterscheiden. So kommt es, dass dieZellen der Aufnahme sch�dlicher Substanzen Tribut zollenm4ssen.[19] Es ist also zu erwarten, dass nichtkanonischeAminos�uren ebenso eingelagert werden wie kanonische.

Aufgrund der mangelnden Spezifit�t bei den zellul�renAufnahmemechanismen w4rde eine bestimmte Zelle mit dend- und l-Formen �hnlich oder sogar identisch verfahren unddas Eindringen aller Arten von kleinen Molek4len zulassen,wodurch sich intrazellul�re Vorr�te an b-Imino-, b- und g-Aminos�uren, cyclischen Formen, usw. bilden k;nnten. Sindderartige Substanzen erst einmal ins Cytosol gelangt, so kanndies Auswirkungen auf eine Vielzahl physiologischer Funk-tionen haben. Im Allgemeinen haben diese Aminos�urenmehrere Effekte: 1) Sie beeinflussen die Aminos�urebiosyn-these, 2) sie wechselwirken mit katabolischen Enzymen, 3) siewirken als mechanismusbasierte irreversible Enzyminhibito-ren, 4) sie st;ren den Transport und die Speicherung vonAminos�uren und 5) sie nehmen als Substrate bei der Pro-teinsynthese an der Translation teil (d.h. sie werden in dengenetischen Code aufgenommen).[19,21]

2.2. Warum gibt es nur 20 kanonische Aminos�uren?

Numerum combinationum in terminis etiam numero finitisesse infinitum; si rite omnia expendantur. In ipso immensocombinatorium numero in immensum plures esse combinatio-nes inordinatas, quam ordinatas.

(Eine gr#ndliche Untersuchung enth#llt die unendlicheZahl der Kombinationen aus einer endlichen Zahl vonTermen. Unter dieser Vielzahl von Kombinationen sind vielmehr Vertreter ohne Ordnung als solche mit Ordnung.)

R. J. Boscovich Theoria philosophiae naturalis redacta adunicam legem virium in natura existentium, Venetiis, ExTypographia Remondiana, 1763, S. 254–256.

Der Aufbau polymerer Molek4le aus Bausteinen nachdefinierten Kombinationsregeln f4hrt unausweichlich zukombinatorischen Explosionen.[22] Die Zahl der monomerenBausteine ist begrenzt, wohingegen die aus ihnen gebildetenPolymere schnell eine große Gruppe bilden. Die organisier-ten polymeren Strukturen in Lebewesen entstehen unterNichtgleichgewichtsbedingungen in einem Selbstorganisa-tionsprozess, der durch Selbstvergr;ßerung oder kooperativeEffekte erleichtert wird.[23] Diese Strukturen werden um einTemplat herum aufgebaut, und die Wahl ihrer Grundbaustei-ne richtet sich nach den biologischen Funktionen, die sie nachder Implementierung erf4llen sollen. Im Laufe der Evolutionhaben sich bei diesem Aufbauprozess bestimmte Struktur-Funktions-Einheiten aufgrund ihrer Selektionsvorteile durch-gesetzt. Diesbez4glich stellen sich folgende Kernfragen:

Welche grundlegenden Eigenschaften sollten die Polymerehaben? Wodurch werden ihre Gr;ße, Vielfalt und Komple-xit�t beschr�nkt?

Vor einigen Jahrzehnten besch�ftigten sich Miller undWeber[24] mit dem hypothetischen Szenario der unabh�ngigenEntstehung von Leben auf einem anderen Planeten, bei derProteine als Katalysatoren wirken sollten. Welche Verbin-dungen k�men als Grundbausteine f4r die Synthese derProteine infrage? Auf der Grundlage von physikochemi-schen, genetischen und historischen Beweisf4hrungen[25] fol-gerten Miller und Weber, dass etwa zwei Drittel der Grund-bausteine ihrer physikochemischen Natur nach mit ihrenGquivalenten auf der Erde 4bereinstimmen w4rden. DiesemKonzept zufolge w�ren solche Aminos�uren vom Codeausgeschlossen, die ung4nstige Effekte auf Struktur, Stabilit�tund Funktion der Proteine haben. Der Ausschluss andererAminos�uren, die diese Bedingung nicht verletzen, isth;chstwahrscheinlich historisch bedingt, etwa durch ihremangelhafte Verf4gbarkeit oder dadurch, dass der Zeitrah-men der Evolution nicht ausreichte, um sie durch Biosyntheseherzustellen.[26]

Daher ist die Antwort auf die Frage, warum das Stan-dardrepertoire des universellen genetischen Codes nur aus 20Aminos�uren besteht, evolution�r begr4ndet. Die Entwick-lung dieses Standardsatzes war sicherlich ein historischerProzess, ein evolution�rer Engpass, auf den alle Codierungs-eigenschaften zur4ckgef4hrt werden k;nnen.[27] Dieses Er-eignis wurde bildlich als „letzter universeller gemeinsamerVorfahre“[28] oder als „Progenote“ lokaler Populationen[29]

beschrieben. Mit anderen Worten, in ihrer evolution�renEntwicklung hatten die Lebewesen eine Stufe erreicht, vonder aus eine Erweiterung des Aminos�urerepertoires (d.h.eine weitere Einf4hrung oder Neuzuordnung von codieren-den Tripletts) ohne letale Folgen nicht mehr m;glich war. Dasist insofern verwunderlich, als die Komplexit�t von Genomund Proteom evolution�r fortgeschrittener eukaryotischerZellen eine weitere funktionelle Diversifizierung durchauszul�sst, wie an anderer Stelle bereits ausf4hrlich diskutiertwurde.[27]

In dieser Hinsicht kann man das Aminos�urerepertoiredes genetischen Codes als konserviert bezeichnen. Kanoni-sche Aminos�uren als die grundlegenden Monomere vonProteinstrukturen erm;glichen es, durch Faltung angemessenstabile und funktionelle Strukturen mit ausgewogenen undoptimierten Sequenzen aufzubauen. Dabei sind sie vollkom-men in den Zellstoffwechsel und die Bioenergetik integriert.Als ein Ergebnis dieser evolution�ren Optimierung sindcharakteristische Faltungsmuster und stabile Konformationenin Proteinen trotz großer Variationen in ihren Sequenzengr;ßtenteils erhalten worden.

Obwohl das Code-Repertoire derart streng konserviertist, ist es seit Jahrzehnten durch einfache Experimente mitgewissen Einschr�nkungen m;glich, im gesamten Proteomeine kanonische Aminos�ure durch eine �hnliche nichtkano-nische zu ersetzen. Dieses Verfahren greift den einfachenExperimenten mit Selektionsdruck vor, die auf einer Kom-bination aus Ph�notypselektion (Zellen mit ver�ndertemStoffwechsel, z.B. Auxotrophe), bestimmten Fermentations-bedingungen und einer gesteuerten Zufuhr von Aminos�uren

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beruhen. Die rekombinante DNA-Technologie macht dies f4reinzelne Proteine m;glich (siehe Abschnitt 3.4).

Entwirft man experimentell „intrinsische“ Codonneuzu-ordnungen, so sollten diese auch chemisch plausibel sein. F4rjede Aminos�ure, die f4r den Einbau in einen „maßgeschnei-derten“ genetischen Code „privilegiert“ ist, gelten Auswahl-kriterien wie Polarit�t, Hydropathie, Molek4lvolumen, iso-elektrischer Punkt oder die Position in der Proteinstrukturmit optimiertem Codontemplat. Entsprechend wird ein Se-lektionsdruckexperiment die Tatsache nutzen, dass ausrei-chend Spielraum f4r eine Erweiterung des genetischen Codeszur Verf4gung steht.

2.3. Grundlegende Merkmale der ribosomalen Proteinsynthese

Die an der Replikation, Transkription, Aminoacylierungund Translation beteiligten Gene sind in den Lebensreichennahezu universell konserviert. Die Proteinsynthese, einSchl4sselschritt bei der Umsetzung der genetischen Informa-tion, vollzieht sich in allen Organismen an den Ribosomen.Diese 4bersetzen die genetische Information, die zuvor vonder DNA-Vorlage in eine mRNA umgeschrieben wurde(Kopie des Templats), in die Aminos�uresequenz einesProteins. DNA-Replikation, RNA-Transkription und Prote-intranslation sind voneinander unabh�ngige Prozesse, die derrichtigen Faltung eines Zielproteins[6] zugrunde liegen (sieheAbbildung 2).

Die Proteintranslation wird durch zwei molekulareErkennungsereignisse gekennzeichnet: eine Codon-Anti-codon-Wechselwirkung zwischen tRNA und mRNA im Ribo-som (genau genommen ist dies die Translation der geneti-schen Information) sowie eine spezifische Selektion derAminos�uresubstrate durch Aminoacyl-tRNA-Syntheta-

sen[30] (die Interpretation des genetischen Codes). Die Trans-lation der genetischen Information beruht somit auf Nucle-ins�ure-Nucleins�ure-Wechselwirkungen (Basenpaarung),ihre Interpretation auf Enzym-Substrat-Wechselwirkungen[31]

mit der Aminoacyl-tRNA-Synthetase (aaRS), in Ausnahme-f�llen auch mit anderen Enzymen. Die Aminoacyl-tRNA-Synthetasen reagieren im zweiten Erkennungsereignis, dertRNA-Aminoacylierung, hoch spezifisch f4r bestimmte Ami-nos�uren und ihnen verwandte tRNA-Isoacceptoren. Daherspielen die aaRSs und tRNAs eine zentrale Rolle bei derTranslation,[32] indem sie die Aktivierung der Aminos�urenund die korrekte Biosynthese von Aminoacyl-tRNAs, denunmittelbaren Vorstufen der codierten Proteine, katalysieren.

Die Transfer-RNA 4bernimmt die Rolle eines Adapterszwischen Aminos�uren und mRNA-Molek4len,[2] da sie die inder Nucleotidsequenz der mRNA codierte Information coli-near mit der Aminos�uresequenz des entsprechenden Prote-ins verkn4pft. Wegen der Entartung des genetischen Codesgibt es bereits in E. coli mehr als vierzig Adapter. Die tRNA-Molek4le[33,34] bestehen aus einem Acceptorstamm, der miteiner Aminos�ure beladen werden kann, und einer Anti-codon-Schleife, die eine zu den codierenden Tripletts auf dermRNA komplement�re Sequenz enth�lt. Dieser Aufbaugarantiert, dass das tRNA-Molek4l an beiden Erkennungs-ereignissen teilnehmen kann, die f4r die fehlerfreie Transla-tion einer bestimmten mRNA zur Target-Proteinsequenzentscheidend sind.

Bei der urspr4nglichen Formulierung der Adapter-Hypo-these wurde postuliert, dass die Synthese von Proteinen ausMessenger-RNA m;glich ist, weil jede verwandte tRNA voneinem eigenen Enzym aminoacyliert wird.[2] Heute weiß manjedoch, dass viele Archaea-Bakterien nur 16 von 20 kanoni-schen aaRSs enthalten. Das Fehlen bestimmter aaRSs (etwaAsnRS und GlnRS) wird oft durch indirekte Wege ausgegli-

Abbildung 2. Fließschema der Jbertragung von genetischer Information. Die Exaktheit des Translationsprozesses h�ngt stark von zwei sukzessi-ven unabh�ngigen Erkennungsereignissen ab: 1) Selektion, Aktivierung und kovalente Verkn%pfung verwandter Aminos�uren mit den entsprechen-den tRNAs (Aminoacylierung) und 2) nichtkovalente Wechselwirkungen zwischen der beladenen tRNA und der mRNA auf den Ribosomen (die ei-gentliche Translation). Die grundlegende Codierung erfolgt %ber die konservative Codon-Anticodon(mRNA-tRNA)-Basenpaarung; bei der Amino-acylierung wird die Bedeutung jedes Codons durch die strenge Substratspezifit�t der Aminoacyl-tRNA-Synthetasen (aaRSs) interpretiert. LokaleVer�nderungen in der Bedeutung von Codons sowie posttranslationale Modifikationen dienen dazu, die Proteinfunktionalit�t zu diversifizieren.

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chen, d.h. durch die Ebertragung der Aufgabe auf Enzymedes Intermedi�rmetabolismus.[32] Interessanterweise wird diefehlende CysRS durch die duale Funktion von ProRS (dieoffensichtlich beide Substrate erkennt) kompensiert.[35]

Ein weiteres Merkmal des Translationsapparats ist dieExistenz von Kontrollmechanismen, die zwischen verwand-ten, nichtverwandten und biogenen Aminos�uren unterschei-den.[36–38] Jede tRNA aus dem zellul�ren Vorrat hat ihreeigene „Identit�t“. Diese ist definiert als die Summe derEigenschaften, die ihre Erkennung durch die verwandteAminoacyl-tRNA-Synthetase gew�hrleistet und die Bindunganderer Enzyme verhindert.[39,40] Das „Identit�ts-Problem“von Aminos�uren in einem erweiterten Aminos�urereper-toire kann analog betrachtet werden. Es ist denkbar, dass eineAminos�ure als Substrat f4r zwei Synthetasen dient. Diebeiden unterschiedlichen tRNA-Spezies sind dann als Isoac-ceptoren mit der gleichen Aminos�ure beladen und haben diegleiche „Identit�t“. Beispielsweise demonstrierten Tirrell undMitarbeiter,[41] dass Norleucin und Norvalin nicht nur Sub-strate f4r MetRS, sondern, mit verminderter Aktivit�t, auchf4r LeuRS sind. Ebenso sind chlorierte und bromierte Phe-Analoga �hnlich gute Substrate f4r ver�nderte PheRS aus E.coli[42] sowie f4r TyrRS aus M. jannaschii.[43] Daher sollte manerwarten, dass experimentelle Ver�nderungen der intrazellu-l�ren Konzentrationen sowie der Substratspezifit�ten vonaaRSs zu „Identit�tsschaltern“ f4hren k;nnen, die bestimmtenichtkanonische Aminos�uren bei der Proteintranslationunterschiedlichen codierenden Tripletts zuordnen.

3. Traditionelle Auxotrophie-Methoden

Aus der Evolutionstheorie ist bekannt, dass Mutationen inlebenden Organismen spontan auftreten. Es sind also nichtg4nstige Gnderungen,[1,44] sondern Zufallsereignisse, und dieUmwelt dient als Filter f4r vorteilhafte Mutationen (Selek-tion).[45] Die Ebertragung dieser Strategie aus der Natur insLabor erm;glicht eine anthropogene Selektion des interes-sierenden Ph�notyps. F4r die Arbeit unter Laborbedingun-gen, also in f4r Menschen sehr kurzen Zeitr�umen, werdengew;hnlich Systeme gew�hlt, die sich schnell entwickeln, z. B.Viren, Bakterien, Protozoen oder einige Organellen sowie inKultur schnell wachsende S�ugetierzellen. Eine besondereKlasse von Mutanten bakterieller oder eukaryotischer Zellen,die nicht in der Lage sind, sich selbst mit Aminos�urenversorgen (Auxotrophe), kann mit Methoden der klassischenGenetik kultiviert und selektiert werden.[46] Das Engineeringdes genetischen Codes profitiert von derartigen Zellen, dieentweder Mikroorganismen mit ver�nderten Stoffwechsel-wegen oder eukaryotische Zellen darstellen. Nach diesemKriterium selektierte Zellen bilden eine nahezu idealeGrundlage, um die Selektion von Aminos�uren f4r dieProteinbiosynthese zu beeinflussen und so das Aminos�ure-repertoire zu erweitern. F4r jede Aminos�ure, die als Prote-inbaustein neu eingef4hrt werden soll, muss im Allgemeinenein spezifischer Selektionsdruck entworfen werden. Ein er-folgreiches Experiment besteht aus 1) der Aufnahme dernichtkanonischen Aminos�ure, 2) ihrer Konjugation mit der

tRNA sowie 3) ihrem Einbau in die neu entstehende Poly-peptidkette.

Bez4glich des genetischen Codes und der Translation dergenetischen Information f4hrt dieser traditionelle Auxotro-phieansatz zu einer Neuzuordnung von Sense-Codons, die dieSubstitution einer kanonischen gegen eine nichtkanonischeAminos�ure in der Proteinsequenz zur Folge hat. Bei erstenExperimenten betraf diese Substitution das gesamte Pro-teom.[11] Sp�ter, als extrachromosomale, plasmidgesteuerteProteinexpressionssysteme verf4gbar wurden, konnten auchAminos�uren in einzelnen Target-Proteinen gezielt ersetztwerden (siehe z. B. Lit. [13,17,47–49]).

3.1. Fr�he Experimente

Die Substitution kanonischer Aminos�uren durch nicht-kanonische ist ein relativ alter Ansatz.[50,51] Zahlreiche Er-gebnisse fr4her Untersuchungen sind jedoch auch heute nochrelevant f4r die Entwicklung neuer Methoden, und in j4ngs-ten Studien erleben die bahnbrechenden Ideen aus den 50erund 60er Jahren eine Renaissance.[52] In den urspr4nglichenArbeiten spielte Escherichia coli noch nicht die Rolle einesModellorganismus f4r die Proteinexpression. Andere Mikro-organismen (Staphylococcus, Bacillus, Lactobacillus, Salmo-nella, Leuconostoc) und eine Vielzahl eukaryotischer Zellty-pen (Saccharomyces, Neurospora, Tetrahymena, Krebszellli-nien wie HeLa, Hepatozyten, Lymphozyten, etc.) wurdenebenfalls f4r Einbauexperimente verwendet.[52]

Bei ersten Versuchen, Variationen in der Aminos�urezu-sammensetzung von Proteinen zu erzeugen, wurden bei derFermentierung von Mikroorganismen Strukturanaloga derAminos�uren zugesetzt.[53] Eine Substanz kann als „Analo-gon“ bezeichnet werden, wenn sie in Form und Gr;ße demnat4rlichen Molek4l �hnelt und sich in ihren biophysikali-schen Eigenschaften nicht stark unterscheidet. Analoga,deren sterischer Anspruch demjenigen der kanonischenAminos�ure fast identisch ist, nennt man Isostere (z.B. Met/SeMet[11] oder Arg/Canavanin[54]). Modifikationen durch Ad-dition/Deletion einer oder mehrerer Methylengruppen in derSeitenkette (z. B. Met/Ethionin)[53] oder anderer Gruppenf4hren zu Homologen der Aminos�uren. In neuerer Zeitwerden solche Aminos�uren 4blicherweise „Surrogate“ ge-nannt (Beispiele siehe Abschnitt 4).

Analoga/Surrogate wirken potenziell als Antimetaboli-ten, und sie gelangen auf dem gleichen Weg wie die entspre-chenden kanonischen Verbindungen in den Aminos�urevor-rat von Bakterien. Dieser Vorrat ist im dynamischen Gleich-gewicht mit der Proteinsynthesemaschinerie. Es zeigte sichauch, dass bestimmte Analoga, etwa 3-a-Indolylacryls�ure,die Tryptophan-Biosynthese inhibieren.[55] Bei Fermentati-onsexperimenten offenbarten sich antimetabolische Effektedadurch, dass Kulturen, denen diese Analoga zugesetztwurden, ein lineares anstelle eines exponentiellen Wachstumszeigten.[56] Dieses lineare Wachstum wurde dem Einbau derAminos�ure-Analoga in lebensnotwendige zellul�re Enzymezugeschrieben, deren Aktivit�t auf diese Weise herabgesetztoder ganz aufgehoben wurde. Bei fast allen dokumentiertenFermentationsexperimenten, bei denen eine Vielzahl von

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Analoga eingesetzt wurden, war das Wachstum der Kulturennach Zugabe eines Analogons in die synthetischen Kultur-medien linear (eine Ausnahme bildet SeMet).[57] Diese rich-tungsweisenden Experimente best�tigten, dass die Zusam-mensetzung von Proteinen durch Ver�nderungen der Umge-bung, d.h. durch experimentellen Selektionsdruck, beein-flusst werden kann. Seither werden zunehmend spezifischeZiele definiert, um Genaueres 4ber die Faktoren zu erfahren,die den Einbau von Aminos�uren in Proteine steuern.Allgemeine Regeln, die vorhersagen, welche Gnderungenzu translationsaktiven Aminos�ure-Analoga f4hren, stehenallerdings noch aus. Es gibt lediglich empirische Beobach-tungen bez4glich der chemischen Reaktivit�t, der molekula-ren Struktur, des Volumens und weiterer Eigenschaften derAnaloga/Surrogate.

Nichtsdestoweniger ebneten die fr4hen Studien den Wegf4r umfassendere Untersuchungen der Vielfalt enzymatischerund immunologischer Effekte, die der Austausch kanonischergegen nichkanonische Aminos�uren in ausgesuchten Protei-nen bewirkt. Zahlreiche historische Beispiele der Anwen-dung von Aminos�ure-Analoga auf unterschiedlichen Gebie-ten, von der Mikrobiologie bis hin zur Biomedizin, sindausf4hrlich beschrieben worden.[50,51, 58]

3.2. Die Bedeutung von Zellextrakten f�r fr�heEinbauexperimente

Bereits zu Beginn der 50er Jahre wurde durch verschie-dene Forschergruppen gezeigt, dass die ribosomale Protein-synthese auch nach der Zerst;rung der Zelle abl�uft undnicht auf die intakte Zelle angewiesen ist.[59] Die Ribosomenin den Zellextrakten konnte man mit endogenen DNA-Templaten programmieren. Dadurch hatten diese Systemeeinen unsch�tzbaren Wert f4r Untersuchungen zu Vorausset-zungen und molekularen Mechanismen der Proteinbiosyn-these sowie bei der Aufkl�rung des genetischen Codes. DieEinf4hrung von exogenen Botenstoffen durch Nirenberg undMatthaei[3, 4,60] erm;glichte nicht nur die eindeutige Aufkl�-rung des genetischen Codes, sondern auch die Entwicklungmoderner zellfreier Systeme mit einer deutlich h;herenLeistungsf�higkeit. Auch die gute Verf4gbarkeit dieser zell-freien Extrakte war wesentlich f4r die Untersuchung derProteintranslation mit Aminos�ure-Analoga/Surrogaten.

Dass eine Vielzahl von Aminos�ure-Analoga aktiviertwerden kann, war bereits bekannt, bevor man ein klares Bildvon der Aminoacylierung hatte. In den ersten Experimentenuntersuchte man die Aktivierung nichtkanonischer Amino-s�uren in E.-coli-Extrakten. Norvalin, a-Amino-b-chlorbut-ters�ure, p-Fluorphenylalanin, Nle, SeMet, und Ethioninwurden in E.-coli-Extrakten aktiviert.[52] Das wichtigste Er-gebnis dieser Untersuchungen war, dass die Geschwindigkeitder Aktivierung nicht direkt mit der Translationsf�higkeit derAminos�ure-Analoga in Proteinsequenzen korreliert. Bei-spielsweise aktivierten die Extrakte einer Phe-abh�ngigen E.-coli-Linie b-2-Thienylalanin mit der gleichen Geschwindig-keit wie Phe, das Analogon ist jedoch ein schlechtes Substratf4r die Proteinsynthese in intakten E.-coli-Zellen. Die Lehreaus diesen Experimenten war offensichtlich: Aktivierbare

Aminos�ure sind nicht automatisch auch translationsaktiv.Sp�ter wurden die Extrakte aus auxotrophen mikrobiellenSt�mmen durch gereinigte Aminoacyl-tRNA-Synthetasen(aaRS) ersetzt, und die Aktivierung wurde direkt in ATP-Pyrophosphat-Austauschreaktionen getestet. Schon gegenEnde der 70er Jahre war eine beeindruckende Zahl nichtka-nonischer Analoga identifiziert worden, die an Aktivierungs-reaktionen teilnehmen.[61]

3.3. Proteomweiter Austausch: ein „unnat�rlicherMikroorganismus“

Bereits in den 50er Jahren war bekannt, dass manAminos�ure-Analoga in die Proteine von E. coli einbauenkann und dass derartige Substitutionen zu verschiedenenbiologischen Effekte f4hren.[52] Die bedeutendste Entde-ckung war jedoch der SeMet-Einbau in Proteine des Met-auxotrophen E.-coli-Stamms ML304d durch Cowie undCohen.[11] Die Wachstumsgeschwindigkeit der Kultur hingvon der Menge an extern zugef4hrtem Met ab. In einemsynthetisches Medium, in dem Met durch SeMet ersetztwurde, wuchsen ML304d-Zellen langsamer als in Kulturenmit Met, die Wachstumskurve verlief jedoch exponentiell.Wenn nur SeMet anstelle von Met zur Verf4gung stand, soersetzte es Met in allen zellul�ren Proteinen vollst�ndig undunterschiedslos; dabei blieb das exponentielle Wachstumgew�hrleistet. Die Lebensf�higkeit der Zellen wurde durchden Austausch gegen SeMet nicht drastisch eingeschr�nkt,und dieser erste „unnat4rliche“ Organismus hatte �hnlicheEigenschaften wie sein Met-haltiger Vorl�ufer.

Das bahnbrechende Experiment von Cowie und Cohen[11]

war sicherlich die erste proteomumfassende Substitution vonMet-Resten durch Selenomethionin. SeMet z�hlt zu denwenigen Analoga, f4r die eine große Substitutionskapazit�tnachgewiesen werden konnte. Eberdies ist die Arbeit vonCowie und Cohen[11] ein außergew;hnlich gutes Beispiel f4rexperimentell erzwungene Ver�nderungen bei der Interpre-tation des genetischen Codes (namentlich die Met!SeMet-Neuzuordnung f4r das codierende Triplett AUG) durch denEinsatz von Zellen mit ver�ndertem Stoffwechsel (Met-Auxotrophen). In den folgenden Jahrzehnten richtete sichdas Augenmerk auf die Mechanismen des SeMet-Einbaus inunterschiedlichen Zellen sowie dessen Rolle bei der Amino-acylierung und der Proteinsynthese. Der Einbau von SeMet inProteine r4ckte erneut in den Mittelpunkt des Interesses, alsHendrickson[62] den Ansatz von Cowie und Cohen f4r dieStrukturbiologie wiederentdeckte. Der Austausch von Schwe-fel in den Met-Resten gegen Selen f4hrte effektiv zumAuftreten einer anomalen R;ntgenstreuung, einer grundle-genden Voraussetzung f4r die „Multiwavelength AnomalousDiffraction“ (MAD) zur L;sung des Phasenproblems in derR;ntgenkristallographie von Proteinen.[63] Die zunehmendeZahl an Proteinstrukturen, die durch MAD gel;st werdenkonnte, belegt hervorragend, dass SeMet-Proteine nicht nurein kurzlebiger Trend in der Biochemie sind.[64]

Ein zweites Beispiel f4r einen „unnat4rlichen“ Mikroor-ganismus lieferte Wong,[65] der 4ber eine Reihe von Mikro-organismen berichtete, die ihre Pr�ferenz f4r Aminos�uren

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intrinsisch �ndern k;nnen. In diesem Experiment wurde derBacillus-subtilis-QB928-Trp-Auxotroph fortlaufend mutiertund viele Generationen lang in einem definierten Minimal-medium kultiviert, das 4-Fluortryptophan enthielt. Den da-durch entstehenden Bacillus-subtilis-Mutanten HR15, der 4-Fluortryptophan gegen4ber dem kanonischen Trp bevorzugt,bezeichnete man als den „ersten freilebenden Organismusseit mehreren Milliarden Jahren, der mit einem genetischenCode gedeihen kann, der sich vom universellen Code unter-scheidet“. Leider wurde keine Analyse des Genotyps mitge-liefert. Unseres Wissens wurden außerdem bislang keineExperimente durchgef4hrt, die diese aufregende Entdeckungreproduzieren. Da 4-Fluortryptophan bei Raumtemperaturnicht charakteristisch fluoresziert, sollten entsprechend mar-kierte Proteine eine „stille“ (unterdr4ckte) Fluoreszenz auf-weisen. Dies wurde f4r ribosomale Proteine aus B.-subtilis-HR15 beobachtet, die als Folge des Austauschs von Trp gegen4-Fluortryptophan ihre Fluoreszenz verloren.[66] Bedeutunghaben die Experimente von Wong dadurch, dass sie zweierleidemonstrierten: 1) Die genetische Selektion ist wirksam, und2) experimenteller Druck kann zu Mikroorganismen f4hren,deren genetischer Code ein ver�ndertes Vokabular nutzt.

Ellington und Bacher haben k4rzlich den Ansatz vonWong zur Entwicklung eines „unnat4rlichen“ Organismuswieder aufgenommen. 2001 beschrieben sie Versuche, E.-coli-Varianten zu entwickeln, die in Gegenwart von wachstums-inhibierendem 4-Fluortryptophan ((4-F)Trp) 4berleben.[253]

Sie vermuteten, dass nur wenige Proteine gesch�digt seink;nnten und dass einige Zellen mutieren und sich 4ber vieleGenerationen weiterentwickeln w4rden. So sollte (4-F)Trp ineinem einfachen Transferexperiment in das Proteom derZellen aufgenommen werden. Nach 250 h Evolutionsdauerund 14 Transfers war der Elternstamm an 99% (4-F)Trp imMedium gew;hnt. Obwohl mutante St�mme aus syntheti-schen Medien mit 99.97% (4-F)Trp isoliert wurden, warenalle erzeugten St�mme auf die Zufuhr von Trp angewiesen.Die Autoren schlossen daraus, dass der Einbau nichtkanoni-scher Aminos�uren in die Proteome von Organismen zwarm;glich sein k;nnte, aber eine ausgiebige Evolution zurReoptimierung der Proteine und des Stoffwechsels mit sichbringen w4rde, um die Analoga einzuf4hren. In ihremaktuellsten Beitrag setzten Bacher, Bull und Ellington denBakteriophagen Qb als Modellsystem f4r den Aufbau che-misch mehrdeutiger Proteome ein.[254] Qb ist ein vergleichs-weise einfaches System; das Genom dieser Quasi-Speziesstellt den gewichteten Mittelwert der Sequenzen einer Viel-zahl unterschiedlicher Individuen dar. Die Replikation desPhagen wurde in Trp-auxotrophem E. coli in Gegenwartverschiedener monofluorierter Trp-Analoga untersucht.Obwohl der Phage sich nach 25 Zyklen merklich angepassthatte, blieb er auf Spuren von l-Trp angewiesen.

Die genetische Selektion war auch das Mittel der Wahl f4rdie ehrgeizigen Experimente von Marliere et al. ,[67] die zumZiel hatten, „mikrobielle St�mme mit einem definiertenBedarf f4r eine zus�tzliche Aminos�ure“ herzustellen, „waszur experimentellen Erweiterung des genetischen Codesbeitragen sollte“.[68] Aus den Mutagenese-Selektions-Zyklengingen St�mme von E.-coli-Mutanten hervor, die Transla-tionsmechanismen f4r den spezifischen Einbau einer zus�tz-

lichen Aminos�ure in vivo entwickeln konnten. Bei diesemExperiment wurde ein E.-coli-Mutant mit einer defektenThymidylat-Synthetase gez4chtet, dem somit ein zum Wach-sen und Eberleben notwendiges Enzym fehlte. Nachdem dasessenzielle Arginin-Codon (f4r Arg126) im Gen der Thy-midylat-Synthetase zu einem Leucin-Codon mutiert war,wuchsen die Zellen nur noch in Gegenwart von Azaleucin.Die Aktivit�t des Enzyms konnte nur wiederhergestelltwerden, indem Azaleucin (das strukturell Leucin �hnelt,funktionell jedoch Arginin ersetzt) an Position 126 desEnzyms eingebaut wurde. Dieser Selektionsdruck f4hrtealso zu einer ph�notypischen Suppression, die eine Kompen-sation von Arg durch die antibiotische Aminos�ure Azaleucinbewirkt. In weiteren Experimenten selektierten D;ring undMarliere[69] stabile Bakterienst�mme mit mehrdeutig codie-renden Tripletts. Dabei wurde das seltene Isoleucin-CodonAUA als codierendes Signal verwendet; Cystein diente wegender Seltenheit seiner Codons in den Genomen als „Codon-F�nger“. Auch die totale Neuzuordnung des seltenen CodonsAUA in E. coli durch eine geeignete Selektion unter expe-rimentellem Druck wurde vorgeschlagen. Vor kurzem kon-struierten Marliere und Mitarbeiter[67] einen E.-coli-Stammmit einer defekten Korrekturfunktion von ValRS(Thr222Pro), mit dem es m;glich ist, fast 24% an Valin imzellul�ren Proteom gegen a-Aminobutters�ure auszutau-schen.

3.4. Substitutionen in einzelnen Target-Proteinen durchSelektionsdruck

Eine allgemeine Regel besagt, dass nahezu alle Amino-s�uren außer den 20 kanonischen Aminos�uren und ihrenmetabolischen Zwischenstufen toxisch sind und das Zell-wachstum nicht unterst4tzen. SeMet bildet eine Ausnahmevon dieser Regel:[70] Es konnte schon fr4h gezeigt werden,dass der E.-coli-Met-Auxotroph ML304d in zellul�ren Pro-teinen Met vollst�ndig durch SeMet ersetzt.[11] Andererseitsk;nnen auch toxische Analoga (fluorierte Phenylalaninderi-vate, Norleucin und Canavanin) als Substrate in der Prote-insynthese dienen. Wenn derartige toxische Analoga zusam-men mit ihren kanonischen Gegenst4cken im synthetischenWachstumsmedium zur Verf4gung stehen, werden sie ge-w;hnlich in geringem Maß in alle zellul�ren Proteine einge-baut. Beispielsweise f4hrt das Met-Analogon Norleucin inden Proteinen zum Austausch von nur 38 % des zellul�renMet, wodurch die Lebensf�higkeit von E.-coli-ML304d aberstark beeintr�chtigt ist.[57] Aus neueren Experimenten gehthervor, dass auf diese Weise etwa 50 % des Met in denzellul�ren Proteinen ersetzt werden k;nnen, da nach derErsch;pfung des intrazellul�ren und extrazellul�ren (imMedium vorhandenen) Met-Vorrats eine weitere Zellteilungstattfindet.[71, 72]

Das grundlegende Problem bei einer vollst�ndigen Sub-stitution in den Target-Proteinen bestand darin, die Transla-tionsf�higkeit zu erhalten und gleichzeitig die Stoffwech-seltoxizit�t auszuschließen. Auxotrophe Bakterien-Mutantenbieten eine L;sung, um die Stoffwechseltoxizit�t zu umgehen.Mithilfe derartiger Zellen gelingen Austauschexperimente,

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bei denen eine nichtkanonischen Aminos�ure bevorzugtgegen4ber einer kanonischen eingebaut werden kann. Einbesonders effizienter Ansatz beruht darauf, die Wirtszellenbez4glich einer spezifischen kanonischen Aminos�ure auszu-hungern und unter Zugabe des Analogons zum Kulturmedi-um die Synthese eines spezifischen Proteins zu induzieren.Sykes et al.[73] erzielten auf diese Weise in der alkalischenPhosphatase einen Austausch von 10% aller Tyr-Reste.Bakteriophagen-codierte Proteine, die mit fluorierten Ami-nos�uren markiert waren, wurden nach einer �hnlichenMethode durch Ausl;sen einer Bakteriophagen-Infektionund die simultane Zugabe des Aminos�ure-Analogons her-gestellt.[50]

Der Auxotrophieansatz f4r eine komplette Markierungder Target-Proteine konnte jedoch erst nach der Einf4hrungvon rekombinanten DNA-Techniken generell auf einzelneTarget-Proteine angewendet werden. Cohen, Boyer undMitarbeiter[74] gelang die Anordnung isolierter DNA-Frag-mente und Gene zu neuen Arrangements, die sie in lebendenZellen vermehrten. Diese Methode stellte hoch effizienteExpressionssysteme f4r die Herstellung großer Mengen he-terologer Proteine zur Verf4gung. Derartige extrachromoso-mal codierte Proteinexpressionssysteme bieten dar4berhinaus eine hervorragende Grundlage zur Erweiterung desAminos�urerepertoires. Insbesondere die strikte Kontrolleder heterologen Genexpression gestattet es, durch einenSelektionsdruck auf den Translationsapparat gezielt einzelnesubstituierte Target-Proteine zu erzeugen, die sich in einerWirtszelle mit ansonsten unver�ndertem Proteom befinden.

Besonders erw�hnenswert ist, dass die gew4nschte nicht-kanonischen Aminos�ure in einzelne Target-Proteine einge-baut werden kann, ohne dass dem Expressionswirt darausglobale Sch�den erwachsen. Zu den Grundvoraussetzungenz�hlen: 1) die Selektion eines geeigneten Zell- und Expres-sionssystems, 2) die Kontrolle der Fermentationsbedingungen(d.h. der Umgebung), 3) der Selektionsdruck f4r den Aus-tausch der Aminos�ure (d. h. die Neuzuordnung des/derSense-Codons) in einem einzelnen Protein.[13] DieserAnsatz, der Einbau unter Selektionsdruck (selective pressureincorporation, SPI), beruht auf dem Prinzip, dass die Auswahlder Aminos�uren f4r die Proteinsynthese durch die Steue-rung von Umgebungsfaktoren wie Aminos�ureversorgungund Fermentationsparametern festgelegt werden kann.[6]

F4r die SPI-Methode haben Forschergruppen im vergan-genen Jahrzehnt verschiedene Namen gepr�gt (z.B. Auxo-trophie-Methode, Media-Shift). Im Zuge ihrer Untersuchun-gen wurde eine Vielzahl nichtkanonischer Aminos�uren inProteine eingebaut. Der experimentelle Druck auf einenExpressionswirt wurde dabei wie folgt ausge4bt: Die Aktivi-t�t des Target-Gens wurde w�hrend des Wachstums derWirtszellen bis zu einer bestimmten Zelldichte unterdr4ckt.Nachdem gen4gend „gesunde“ Zellen herangewachsenwaren, wurde die Synthese des Target-Proteins induziert.Von diesem Zeitpunkt an dienten die Wirtszellen lediglich als„Fabrik“ f4r das gew4nschte rekombinante Protein. Durchdie Fermentation in Minimalmedien mit wachstumslimitie-renden Konzentrationen der nativen Aminos�ure wurde derVorrat des nat4rlichen Substrats im Medium aufgebraucht.Daraufhin wurde die nichtkanonische Aminos�ure zugege-

ben, und die Proteinsynthese wurde induziert. Als Folge desDrucks auf den Translationsapparat sammelte sich dasTarget-Protein an, das ausschließlich die entsprechendenichtkanonische Aminos�ure enthielt. Dieser Prozess brachtedas Zellwachstum zum Erliegen, was jedoch im Hinblick aufeine erfolgreiche Expression der Target-Proteinvarianten nurvon untergeordneter Bedeutung ist.[15] Die Toxizit�t wurdesomit geradlinig umgangen. Alternativ k;nnen Biosynthese-wege der Wirtszellen, deren endogene Versorgung also, durchintrazellul�re Zugabe entsprechender Inhibitoren w�hrendder Einbauexperimente blockiert werden.

Der SPI-Ansatz zur Erweiterung der heterologen Expres-sion basiert darauf, dass die zust�ndigen aaRSs bei derInterpretation des genetischen Codes nicht zwischen einerVielzahl strukturell und chemisch �hnlicher Substratanalogaf4r die Aminoacylierung unterscheiden k;nnen (Abbil-dung 3).[6] Dadurch wird allgemein eine Neuzuordnung dercodierenden Tripletts m;glich, oder anders ausgedr4ckt, derexperimentelle Selektionsdruck �ndert die Interpretation desgenetischen Codes, w�hrend das 4brige Proteom der Wirts-zelle intakt bleibt. Die grundlegenden Vorteile der SPI-Methode liegen in den M;glichkeiten zur Sense-Codon-dirigierten (restspezifischen) Substitution, zur Expressionund Reinigung modifizierter Proteine aus Wildtyp-Individu-en sowie darin, dass sie leicht durchf4hrbar und reproduzier-bar ist. Aus diesen Gr4nden wird die SPI-Methode immernoch am h�ufigsten zur Produktion markierter Proteine imgr;ßeren Maßstab gew�hlt, z.B. f4r probenintensive struk-turbiologische Methoden (NMR-Spektroskopie[73,75] oderR;ntgenkristallographie von Proteinen[63, 70, 76]) oder zurindustriellen Produktion therapeutischer Proteine (Ab-schnitt 7).[14, 15, 77]

3.5. Ein fortgeschrittenes Translationssystem f�r dieProteinbiosynthese

Durch die Manipulation der Aktivit�t bestimmter Trans-lationskomponenten lassen sich Methoden, die auf Selekti-onsdruck beruhen, weiter verbessern. Tirrell und Mitarbeitertesteten eine Bibliothek aus neun unges�ttigten Met-Analogaauf ihre Translationsaktivit�t (Abbildung 4),[5] um verschie-dene terminal ges�ttigte Met-Analoga einzuf4hren, jedochnur trans-Crotylglycins�ure (12) wurde erfolgreich in einModellprotein eingebaut. Das andere Met-Surrogat, cis-Cro-tylglycin (17), war trotz einer m�ßigen Aktivierungsf�higkeitnicht translationsaktiv. Ein effizienter Einbau (> 90 %) dieserVerbindung in Modellproteine gelang erst nach endogenerCoexpression rekombinanter MetRS.[78] Hier zeigt sich klareine Korrelation zwischen Aktivierungs- und Translationsf�-higkeit mit aaRS f4r Tyr und Met ohne zus�tzliche Korrek-turfunktionen. Auf diesem Weg wurde eine Reihe von Met-Analoga in Proteine eingebaut. Die Target-Proteine wurdenin Met-ersch;pften E.-coli-Kulturen exprimiert, in denenMetRS 4berexprimiert ist, indem das Analogon in millimo-larer Konzentration zum Medium gegeben wurde.

Dar4ber hinaus l�sst sich dieser Ansatz sogar auf Synthe-tasen mit gut dokumentierter Korrekturleseaktivit�t anwen-den, jedoch nur, wenn die gew4nschte nichtkanonische

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Aminos�ure kein Substrat f4r Korrekturreaktionen ist. Bei-spielsweise ist das Leucin-Analogon Trifluorleucin beimATP/Pyrophosphat-Austausch-Aktivierungsassay etwa 200-mal weniger aktiv als Leucin.[79] Nichtsdestotrotz kann esunter normalen Expressionsbedingungen leicht in relativkleine Coiled-Coil-Proteine eingebaut werden.[80] Demgegen-4ber nimmt das Leucin-Analogon Hexafluorleucin nicht ander Proteinsynthese teil, weil es ungef�hr 4000-mal langsameraktiviert wird als Leucin. Eine erh;hte Konzentrationen derLeucyl-tRNA-Synthetase in der Zelle erwies sich als ent-scheidend, um Hexafluorleucin an den Stellen in das Coiled-Coil-Protein HA1 einzubauen, die durch Leucin-codierendeTripletts in der mRNA-Sequenz vorgegeben sind.[81]

Mittlerweile hat sich herausgestellt, dass zumindest einigenichtkanonische Aminos�uren, die unter konventionellenExpressionsbedingungen nicht an der Proteinsynthese teil-nehmen, effizient in Proteine eingebaut werden, wenn mandie Menge an intrazellul�rer aaRS im mikrobiellen Wirterh;ht.

3.6. Engineering der Katalyse- und Korrekturfunktionen vonaaRS

Die Aminoacylierung ist einer der wichtigsten „Filter“,der den Einbaus nichtkanonischer/nichtverwandter Amino-s�uren verhindert.[38] Der „klassische“ SPI-Ansatz nutzt le-

diglich die Promiskuit�t der Wildtyp-aaRSs, um das Amino-s�urerepertoire zu erweitern.[6] Auf diesem Weg k;nnen nurrelativ wenige nichtkanonische Aminos�uren in den geneti-schen Code eintreten. Im Vergleich zu suppressionsbasiertenMethoden, die auf chemischer tRNA-Aminoacylierung be-ruhen, ist die chemische Vielfalt bescheiden. Die In-vivo-Erweiterung des Aminos�urerepertoires durch den SPI-Ansatz sollte jedoch stark profitieren, wenn die aaRSs desmikrobiellen Wirts durch k4nstliche Enzyme mit ver�nderteroder geringerer Substratspezifit�t erg�nzt oder ersetztw4rden.

Kast und Hennecke[82] berichteten 4ber einen Mutantender Phenylalanyl-tRNA-Synthetase (PheRS) mit einer Mu-tation in der Bindungstasche (Ala294Gly), die die tRNAPhe

mit p-Chlorphenylalanin bel�dt. Sp�ter zeigten Ibba et al.[42]

sowie Tirrell und Mitarbeiter,[83] dass es m;glich ist, Amino-s�uren wie p-Chlorphenylalanin (45) und p-Bromphenylala-nin (52) in rekombinante Luziferase und Dihydrofolat-Re-duktase einzuf4hren, indem man bakterielle Wirte verwen-det, die extrachromosomal mit dieser weniger substratspezi-fischen PheRS-Variante versorgt wurden. Am Computerwurde ein neuer Mutant der E.-coli-PheRS mit der zus�tzli-chen Mutation Thr251Gly entworfen, der eine noch geringereSubstratspezifit�t aufwies. Der E.-coli-Expressionswirt mitdiesem Enzym konnte in das Modellprotein Dihydrofolat-Reduktase einen Satz von Phe-Analoga und -Surrogateneinbauen, z. B. O-Acetyltyrosin (65), p-Bromphenylalanin(52), p-Iodphenylalanin (46), p-Cyanphenylalanin, p-Ethinyl-

Abbildung 3. Die Hauptwege der experimentellen Erweiterung des Aminos�urerepertoires f%r die ribosomale Proteinsynthese. Im Mittelpunktstehen dabei eine tRNA mit einer ver�nderten Identit�t oder eine mit der gew%nschten nichtkanonischen Aminos�ure aminoacylierte tRNA. Einesolche aminoacylierte tRNA kann entweder durch chemische Synthese (links) oder mithilfe von verwandten Aminoacyl-tRNA-Synthetasen (aaRSs,rechts) hergestellt werden. Der Aufbau chemisch aminoacylierter tRNAs profitiert davon, dass alle tRNAs eine gemeinsame Acceptorsequenzhaben (-CCA). Durch kontrollierten Verdau k@nnen in jedem tRNA-Typ die beiden terminalen Nucleotide (-CA) abgespalten werden.[158] Die ge-w%nschte Aminos�ure kann chemisch mit dem Dinucleotid p(d)CpA verkn%pft und anschließend mit T4-RNA-Ligase an die entsprechend vorberei-tete Suppressor-tRNA angef%gt werden.[166] Diese tRNAs werden haupts�chlich bei der In-vitro-Proteinsynthese eingesetzt. Dagegen l�sst sich dieenzymatische Aminoacylierung sowohl in vivo als auch in vitro durchf%hren. Da native aaRSs oft promiskuitiv sind, lassen sich viele nichtkanoni-sche Aminos�uren auf verwandte tRNAs laden und anschließend in die Target-Proteine einbauen.[6]

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phenylalanin (66), p-Azidophenylalanin (59) sowie 2-, 3- und4-Azaphenylalanin (53, 55, 56, Abbildung 5).[83, 84]

Aminoacyl-tRNA-Synthetasen ohne Korrekturleseaktivi-t�t, etwa TyrRS, sind besonders attraktive Targets f4r dasEngineering der Substratspezifit�t. Beispielsweise wurde derMutant Phe130Ser von TyrRS aus E. coli, dessen Affinit�t f4r2-Azatyrosin (61) erh;ht ist, durch ein Screening von E.-coli-

Zellen selektiert. Diese Zellen wurden mit Plasmiden trans-fiziert, die das mutante TyrRS-Gen (tyrS) enthielten.[85] In�hnlicher Weise f4hrte ein TyrRS-Engineering, das auf derdreidimensionalen Struktur des Enzyms aus Bacillus stearo-thermophilus beruhte, bei Hefe zu dem Mutanten Tyr43Gly-TyrRS, der m-substituierte Tyr-Analoga als Substrate f4r dieAminoacylierung akzeptiert.[86] Nach der Einf4hrung in E.

Abbildung 4. Erweiterung der Codierungskapazit�t von AUG- und UGG-Tripletts, die im genetischen Code den kanonischen Aminos�uren Methio-nin (1)[13, 76] bzw. Tryptophan (19)[17,74,75,102–106] zugeordnet sind. Diese evolution�ren Codonzuordnungen machen Met und Trp zu obligatorischenProteinbausteinen; beide geh@ren zum ersten Codierungsniveau. Durch die experimentelle Neuzuordnung der codierenden Tripletts AUG undUGG k@nnen Bibliotheken meist isosterer nichtkanonischer Aminos�ure-Analoga und -Surrogate als Substrate in der ribosomalen Proteinsyntheseverwendet werden, wodurch ein zweites (fakultatives) Codierungsniveau geschaffen wurde. Nichtcodierte Niveaus enthalten Aminos�uren diebisher nicht eingebaut werden konnten. Eine der Hauptaufgaben beim Code-Engineering liegt darin, nicht translationsaktive Aminos�uren aus demnichtcodierten Niveau in codierte Niveaus zu %berf%hren. Die meisten der hier vorgestellten translationsaktiven Aminos�uren wurden durch dieGruppen von Budisa und Tirrell in Proteine eingebaut. Bemerkenswert ist, dass translationsaktives Allylglycin, 2-Butinylglycin ebenso wie Norvalin(9), Norleucin (3), Homoallylglycin (11) und Homopropargylglycin (8) auch als Substrate f%r ver�nderte LeuRS dienen k@nnten.[102–106] Dieser neueGesichtspunkt im Translationsprozess („Identit�tsproblem“) wird im Text diskutiert. Methionin-Analoga und -Surrogate: Selenomethionin (SeMet,2), 2-Aminoheptans�ure (4), Telluromethionin (TeMet, 5), S-Nitrosomethionin (6), Trifluormethionin (7), Ethionin (10), trans-Crotylglycin (12), Sele-noethionin (13), Azidohomoalanin (14), Metoxinin (15), Azidoalanin (16), cis-Crotylglycin (17) und Trifluornorleucin (18). Translationsaktive Trypto-phan-Analoga und -Surrogate: 7-Azatryptophan (20), 4-, 5- und 6-Fluortryptophan (21, 22 und 23), 5- und 4-Hydroxytryptophan (24 und 25), 5- und4-Aminotryptophan (26 und 27), l-b-(Thieno[2,3-b]pyrrolyl)alanin (28), l-b-(Thieno[3,2-b]pyrrolyl)alanin (29), b-Selenolo[2,3-b]pyrrolyl-l-alanin (30)und b-Selenolo[3,2-b]pyrrolyl-l-alanin (31). Dazu kommen die nicht gezeigten Verbindungen 7-Fluortryptophan und 4-Methyltryptophan. Nichttranslationsaktive Trp-Analoga und -Surrogate: 5-Cyantryptophan (32), Benzothienopenalanin (33), Azulen (35), 1-, 6- und 7-Aminotryptophan (34,36 und 37), 7-Trifluormethyltryptophan (38) und 2-Azatryptophan (39). Die IUPAC-Namen der vorgestellten Aminos�uren sind in den Hintergrund-informationen aufgef%hrt.

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coli zieht diese Hefe-Tyr43Gly-TyrRS dar4ber hinaus m-Iodtyrosin (49) dem nat4rlichen Substrat Tyr vor. Schultz undMitarbeiter[87] w�hlten die TyrRS aus Methanococcus janna-schii und stellten eine Bibliothek von Mutanten mit neuerSubstratspezifit�t her. Sie selektierten auf diese Weise einenMutanten, der O-Methyltyrosin (60) gegen4ber Tyr bevor-zugt.[88]

K4rzlich wurde 4ber eine Kombination von genetischerSelektion und Screening berichtet. Dieses System erm;glichtdie schnelle Entwicklung der Substratspezifit�t der TyrRS ausM. jannaschii. Beim Screening auf Varianten mit der ge-w4nschten ver�nderten Aminos�urespezifit�t wurde ein an-tibiotischer Marker mit einem verst�rkbaren Fluoreszenzre-porter kombiniert.[43] Ein Vorteil dieses Ansatzes liegt darin,dass der Fluoreszenzreporter eine Absch�tzung der aaRS-Aktivit�t und -Selektivit�t erm;glicht. Die Aminos�urebin-dungstasche einer TyrRS aus M. jannaschii wurde systema-tisch mutiert, und eine Reihe neuer TyrRS-Varianten wurdeselektiert, die Tyr-Analoga spezifisch aminoacylieren. Unter

den Substraten waren Tyr-artige (oder Phe-artige) Amino-s�uren mit Methoxy-,[88] Amino-,[89] Alkenyl-,[90] Keto-,[91]

Azido-[92] oder Naphthyl[93]-Gruppen sowie Substrate mitphotochemisch vernetzbaren Gruppen[94] (Abbildung 5).

Eine weitere M;glichkeit, das Aminos�urerepertoireeines bestimmten Systems zu erweitern, bieten Synthetasenmit ausgeschalteter oder verminderter Korrekturleseaktivi-t�t. K4rzlich berichteten Mursinna und Martinis[95] 4ber dieBlockierung der Aminos�urekorrektur in der LeuRS von E.coli mithilfe eines rationalen Ansatzes. In diesem Enzymspielt ein einziges Thr an Position 252 (in der Aminos�ure-bindungstasche des aktiven Zentrums f4r den Korrekturvor-gang) eine entscheidende Rolle bei der Korrekturreaktion;seine Mutation zu sperrigen Aminos�uren, z. B. Phe oder Tyr,f4hrte zum Verlust der Korrekturleseaktivit�t. Eine derartinaktivierte LeuRS er;ffnet einen einfachen und effizientenenzymatischen Syntheseweg f4r tRNAs, die mit nichtkanoni-schen Aminos�uren beladen sind. Tirrell und Mitarbeiterisolierten und charakterisierten drei LeuRS-Mutanten

Abbildung 5. Den kanonischen Aminos�uren Phe und Tyr sind je zwei codierende Tripletts zugeordnet. Ihr zweites Codierungsniveau enth�lt we-nigstens 25 chemisch und strukturell unterschiedliche Analoga und Surrogate. Bez%glich ihrer „Identit�t“ k@nnen viele davon entweder als Tyr-oder als Phe-Analoga oder -Surrogate bezeichnet werden, abh�ngig von dem System, in dem sie verwendet werden. Beispielsweise k@nnen p-Iod-phenylalanin (46) und p-Bromphenylalanin (52) in Proteine eingebaut werden – entweder mithilfe von E.-coli-Zellen, deren PheRS eine gelockerteSubstratspezifit�t haben, oder durch den Einsatz von Plasmiden, die TyrRS aus M. jannaschii mit einer neuen Substratspezifit�t tragen. Analogawie p-Aminophenylalanin (57), p-Azidophenylalanin (59), p-Benzoylphenylalanin (62) und 2-Naphthylalanin (64) wurden mithilfe von Suppressor-tRNA f%r das UGA-Stoppcodon in Modellproteine eingef%gt. Mit modifizierter TyrRS und entsprechenden tRNAs wird ein Einbau in Proteine auchals Antwort auf die Sense-Codons UAU oder UAC m@glich (Details siehe Text). Vorgestellte Aminos�uren: Tyrosin (40), Phenylalanin (41), m-, o-und p-Fluorphenylalanin (42, 43 und 44), p- und o- Chlorphenylalanin (45, 51), o- und m-Fluortyrosin (47, 48), m-Iodtyrosin (49), m-Chlortyrosin(50), 2-, 3- und 4-Azaphenylalanin (53, 55 und 56), 2,6-Diazaphenylalanin (54), 3- und 2-Thienylalanin (58, 73), O-Methyltyrosin (60), 2-Azatyrosin(61), O-Allyltyrosin (63), O-Acetyltyrosin (65), p-Ethinylphenylalanin (66), m-Aminotyrosin(67), m-Hydroxytyrosin (DOPA, 68), b-Fluorphenylalanin(69), 3,5-Diiodtyrosin (70), m-Methoxytyrosin (71), 3-Thienylglycin (72), Cyclooctatetraenylalanin (74), Cyclohexylalanin (75), (4-Boronyl)phenylala-nin (76) Carboranylalanin (77). Die IUPAC-Namen der vorgestellten Aminos�uren sind in den Hintergrundinformationen aufgef%hrt.

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(Thr252Tyr; Thr252Leu; Thr252Phe) mit verminderter Kor-rekturleseaktivit�t.[41] Der LeuRS-Thr252Tyr-Mutant wurdezusammen mit Target-Proteinen endogen 4berexprimiert,was den Einbau der nichtkanonischen Aminos�uren Norvalin(9) und Allylglycin erm;glichte. Dar4ber hinaus wurden anden Leu-Positionen des Modellproteins nichtkanonischeAminos�uren (Met-Surrogate) eingebaut, z.B. Homoallygly-cin (11), Homopropargylglycin (8), (Abbildung 4) und 2-Butinylglycin.[41]

Abschließend sei noch ein computergest4tzter Ansatzerw�hnt, mit dem die relativen Bindungsenergien unter-schiedlicher nichtkanonischer Aminos�uren an den Bin-dungsstellen der aaRS auf der Basis von Kristallstrukturenoder Homologiemodellen vorhergesagt werden k;nnen.Diese Methode eignet sich f4r das virtuelle Screening vonAminos�ure-Analoga. Goddard III et al. berichteten, dass dieerrechneten Bindungsenergien zwischen einigen Phe-Analo-ga und PheRS gut mit ihren Translationsaktivit�ten in E. colikorrelieren.[96] Die „Clash Opportunity Progressive Compu-tational Method“ wurde k4rzlich als ein Verfahren entwi-ckelt, mit dem sich aaRS-Mutanten entwerfen lassen, dienichtkanonische Aminos�uren als Substrate bevorzugen.[97]

4. M$glichkeiten und Grenzen des Selektionsdrucks:Engineering eines „zweiten“ Codes

Die Erweiterung des Aminos�urerepertoires st;ßt beson-ders in vivo auf Grenzen, die durch das spezifische Experi-ment auferlegt werden. Dazu z�hlen metabolische Einschr�n-kungen (Stoffwechseltoxizit�t der meisten nichtkanonischenAminos�uren), Korrekturlesemechanismen bei der Ebertra-gung der genetischen Information, die die exakte Protein-translation gew�hrleisten, und schließlich die Regeln derProteinfaltung, die eng mit der Struktur des genetischenCodes und den physikochemischen Eigenschaften der Ami-nos�uren verbunden sind. Die Ver�nderung oder Anpassungder aaRS-Aktivit�ten ist einer der wichtigsten Wege, umdiese Einschr�nkungen f4r das Engineering des genetischenCodes zu umgehen.

Die Darstellung der Erweiterung des Aminos�urereper-toires in Abbildung 6 macht deutlich, dass die postulierteUniversalit�t des genetischen Codes nicht nur f4r seinenersten (beschr�nkten) Teil gilt, sondern auch f4r einenzweiten (gelockerten) Teil (den „zweiten Code“), der expe-rimentell zug�nglich sein sollte.[6] Im genetischen Codek;nnen drei Niveaus postuliert werden (Abbildung 4 und5): Das erste Codierungsniveau umfasst die f4r den geneti-schen Code obligatorischen kanonischen Aminos�uren; daszweite Codierungsniveau bilden nichtkanonische Aminos�u-ren, deren Einbau gem�ß des Codes erlaubt ist; das dritteoder auch nichtcodierte Niveau bilden alle „verbotenen“Aminos�ure-Analoga, die auf dem derzeitigen Entwicklungs-stand nicht durch Sense-Codon-Neuzuordnungen in dengenetischen Code eingef4hrt werden k;nnen.

F4r jede kanonische Aminos�ure sollte demnach eineganze Bibliothek translationsaktiver Analoga und Surrogateexistieren, die ersatzweise in Proteine eingebaut werdenk;nnen. Das Ziel w�re der Aufbau eines erweiterten gene-

tischen Codes mit einem entsprechenden zweiten Codie-rungsniveau, wobei Aminos�uren von einem nichtcodiertenauf ein codiertes Niveau 4bertragen werden. Die folgendenAbschnitte geben einen Eberblick 4ber elf Aminos�uren, diebereits Gegenstand eines derartigen Austauschs waren.

4.1. Tryptophan

Tryptophan ist als Target-Aminos�ure attraktiv, da esnahezu alleine die UV-Absorption und Fluoreszenz vonProteinen bestimmt. Die vielseitige Indolchemie bietet zahl-reiche Trp-Analoga, die auf ihre Translationsaktivit�t unter-sucht werden k;nnen. Mit nur etwa 1% aller Reste inglobul�ren Proteinen ist Trp die seltenste Aminos�ure. Trp isteine nahezu positionsspezifische intrinsische Sonde zur Un-tersuchung von Struktur, Dynamik und Funktion von Protei-nen.

Eber die ersten Versuche zur Erweiterung des Amino-s�urerepertoires f4r das Trp-codierende Triplett UGG be-richteten Pardee et al. (1956)[98] sowie Brawerman und Ycas(1957)[99] mit dem Einbau von 7-Azatryptophan (20) und 2-Azatryptophan (34) in alle Proteine von E. coli sowie denEinbau von Trp-Analoga in eukaryotische Proteine. Schle-singer beschrieb am Beispiel einer alkalischen Phosphatasedie erste gezielte Markierung eines einzelnen Enzyms in einerintakten Zelle mit diesen Aminos�uren.[47] Die Gruppen von

Abbildung 6. Die Rolle des zweiten Codierungsniveaus des geneti-schen Codes f%r ein erweitertes Aminos�urerepertoire.[6] KanonischeAminos�uren sind nicht toxisch und unterliegen keinerlei Korrektur-funktionen. F%r den Eintritt in den genetischen Code m%ssen nichtka-nonische Aminos�uren drei Bedingungen erf%llen: Sie d%rfen nichttoxisch sein, bei Korrekturlesemechanismen nicht auffallen und diekorrekte Faltung des Target-Proteins nicht beeintr�chtigen. WeitereSchwierigkeiten k@nnten bei der Aufnahme in die Zelle sowie bei dermetabolischen Aktivierung oder Modifikation vor oder nach ihrer Bela-dung auf entsprechende tRNAs hinzukommen. Eine nichtkanonischeAminos�ure, die reproduzierbar in eine Proteinsequenz %bertragenworden ist, geh@rt dem zweiten Codierungsniveau des universellen ge-netischen Codes an. Derart exprimierte Proteine mit nichtkanonischenoder k%nstlichen Aminos�uren werden als Alloproteine[121] oder maßge-schneiderte (custom-made) Proteine bezeichnet.[204]

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Sykes und Ho f4hrten die 19F-NMR-spektroskopische Ana-lyse f4r Fluortryptophan-substituierte Proteine ein.[73,100] Imletzten Jahrzehnt erweiterten Szabo, Ross und Mitarbei-ter[17, 101,102] dieses Repertoire, indem sie mit 5-Hydroxytryp-tophan (24) eine wichtige Fluoreszenzsonde vorstellten.Selenophen- und thienylhaltige Trp-Analoga haben sich alsWirkstoffe sowie als Marker f4r die Protein-R;ntgenkristal-lographie bew�hrt.[76,103] Neuerdings wurden auch Aminotry-ptophan-Analoga eingebaut, die die M;glichkeit er;ffnen,proteinbasierte Sensoren zu entwickeln (siehe Ab-schnitt 7).[104, 105]

Das mithilfe der SPI-Methode erweiterte Repertoire f4rdas Trp-codierende Triplett UGG (Abbildung 4) umfasstderzeit 4-Fluortryptophan (21),[66] 5-Fluortryptophan (22), 6-Fluortryptophan (23), 7-Fluortryptophan, 4-Methyltrypto-phan, 7-Azatryptophan (20), 4-Hydroxytryptophan (25),[105]

5-Hydroxytryptophan (24),[106] 4-Aminotryptophan (27), 5-Aminotryptophan (26),[105]

l-b-(Thieno[3,2-b]pyrrolyl)alanin(28), l-b-(Thieno[2,3-b]pyrrolyl)alanin (29),[77] b-Seleno-lo[3,2-b]pyrrolyl-l-alanin (31) und b-Selenolo[2,3-b]pyrrolyl-l-alanin (30).[76, 103]

Obwohl fr4he Arbeiten nahelegten, dass methylierte Trp-Analoga gute Substrate f4r die Tryptophan-tRNA-Synthetase(TrpRS) und die Translationsmaschinerie sein k;nnten,[106]

haben neuere Experimente gezeigt, dass nur 4-Methyltrypto-phan ein Substrat der nativen E.-coli-Translationsmaschinerieist.[107] Der am Stickstoffatom protonierte Indolring hatoffensichtlich generell große Bedeutung bei der Erkennungvon Trp und seinen Analoga durch TrpRS und den Transla-tionsapparat. Dies zeigte sich durch die Synthese von Ana-loga, deren Iminogruppe durch andere Heteroatome (Selen,Schwefel oder Sauerstoff) ersetzt wurde; die resultierendenAminos�uren waren nicht translationsaktiv.[77] Beispielsweiseist die Trp-artige blaue Aminos�ure 35 mit einem Azulen-Ringsystem kein Substrat f4r die native Translationsmaschi-nerie,[108] – auch dann nicht, wenn sie in einer In-vitro-Reaktion chemisch auf die tRNA 4bertragen wird.

Bisher gibt es keine Berichte 4ber eine systematischeErweiterung der Substratspezifit�t von TrpRS.[109] Dabei ließesich mit einer ver�nderten TrpRS die chemische Vielfalt inProteinen sicherlich vergr;ßern. Dar4ber hinaus w�ren Ver-suche, ein orthogonales Paar zu entwickeln, das das selteneUGG-Codon nutzt, der geradlinigste Weg zu positionsspezi-fischen und multiplen Austauschen.

4.2. Tyrosin

Mit dem Einbau von m-Fluortyrosin ((3-F)Tyr, 48) in b-Galactosidase durch Munier und Sarrazin[110] begann 1962 dieEntwicklung eines erweiterten Aminos�urerepertoires f4r dieTyr-codierenden Tripletts UAU und UAC. In den 70er Jahrenerhielten Sykes, Lu und Mitarbeiter[73,111] 19F-NMR-Spektrendes mit (3-F)Tyr markierten lac-Repressors sowie der alka-lischen Phosphatase aus E. coli. Ein Jahrzehnt sp�ter unter-suchten Ring und Huber mithilfe der Substitution aller Tyr-Seitenketten durch (3-F)Tyr die Rolle von Tyr im aktivenZentrum der b-Galactosidase bei der Katalyse.[112,113] Brookset al.[114] erweiterten 1998 das Repertoire translationsaktiver

Tyr-Analoga, indem sie o-Fluortyrosin (47) und 2,3-Difluor-tyrosin in die Ketosteroid-Isomerase aus Pseudomonas tes-tosteroni einbauten. Der fr4h von Calender und Berg[115]

beschriebene Einbau von l-Dopa (68) in Proteine wurdedurch neuere Experimente nicht best�tigt (Abbildung 5).[116]

Die Untersuchungen zur Modifizierung der Tyrosyl-tRNA-Synthetase (TyrRS) aus E. coli f4hrten zu dem Mu-tanten Phe130Ser-TyrRS, mit dem man das Tyr-AnalogonAzatyrosin (61) in zellul�re Proteine einf4gen kann. Yoko-yama und Mitarbeiter[86] entwickelten eine Suppres-sor-tRNATyr sowie eine mutante TyrRS, durch die m-Iodty-rosin (49) in Proteine von S�ugetierzellen eingebaut wurde.Die Arbeitsgruppe von Schultz entwickelte einige orthogo-nale M.-jannaschii-TyrRS/tRNACUA

Tyr-Paare mit einer beein-druckend weitreichenden Substratspezifit�t.[43] Aminos�urenwie O-Methyltyrosin (60), O-Acetyltyrosin (65), O-Allylty-rosin (63), 2-Naphthylalanin (64), p-Aminophenylalanin (57),p-Iodphenylalanin (46), p-Bromphenylalanin (52), p-Azido-phenylalanin (59) und p-Benzoylphenylalanin (62) wurdendurch eine effiziente Suppression des Stoppcodons UGA ingr4n fluoreszierendes Protein,[89] Glutathion-S-Transfera-se[117] und Dehydrofolat-Reduktase[88] eingebaut (Abbil-dung 5).

Eine Strukturhomologie deutet an, dass TyrRS und TrpRSKonformationsisomere sind. M;glicherweise kann man mitdieser Eigenschaft die Substratspezifit�t der Enzyme schaltenoder abschw�chen und so das Aminos�urerepertoire zus�tz-lich erweitern.

4.3. Phenylalanin

Fluorierte Phenylalanin-Analoga kamen bei den anf�ng-lichen Einbauexperimenten ebenso wie in den letzten Jahrenhaupts�chlich bei der NMR-spektroskopischen Untersu-chung von Proteinen zum Einsatz. Yoshida fand heraus,[118]

dass die Stabilit�t der a-Amylase aus Bacillus subtilis beimpartiellen Austausch von Phe durch p-Fluorphenylalanin (44)unver�ndert bleibt, ihre Aktivit�t jedoch nachl�sst. Demge-gen4ber entdeckte Richmond,[52] dass sich die Exopenicillaseaus Bacillus cereus durch Substitution mit p-Fluorphenylala-nin bez4glich ihrer immunologischen Eigenschaften ver�n-derte. Bei der alkalischen Phosphatase aus E. coli hatte einAustausch von 56 % der Phe-Reste gegen p-Fluorphenylala-nin keinen erkennbaren Einfluss auf Stabilit�t und Aktivit�t.K4rzlich wurden o-, m- und p-Fluorphenylalanin (42, 43, 44)systematisch in rekombinante Proteine oder rekombinanthergestellte Materialien eingebaut,[119] wobei interessanteoptische[120] und thermische Eigenschaften beobachtetwurden und Ver�nderungen der Reaktionskinetik auftraten.Janecek und Rickenberg[121] zeigten, dass b-Galactosidase, diein der Gegenwart des Phe-Surrogats 2-Thienylalanin (73)exprimiert wurde, labiler als das normale Enzym ist. 2-Thienylalanin inhibiert die Permeaseaktivit�t, d.h. seinenaktiven Transport in das Cytosol, obwohl es als Substrat f4rdie Proteinsynthese wirkt. Deshalb wird dieses Analogon inauxotrophen St�mmen mit intakter Permeasefunktion nur ingeringem Maß eingebaut. Sp�ter wurde das Phe-Analogon 3-Thienylalanin (58) in ein rekombinantes periodisches Protein

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eingebaut, das lamellare Kristalle aus gleichm�ßigen b-Falt-blatt-Strukturen bildet.[122] Koide et al.[123] berichteten 4berden Einbau von Phe-Analoga mit Pyridylgruppen in einemrekombinanten humanen epidermalen Wachstumsfaktor.Diese Analoga, z. B. 2-, 3- und 4-Azaphenylalanin (53, 55und 56, Abbildung 5), liegen in sauren L;sungen protoniertvor.

Die Entdeckung einer bakteriellen PheRS-Variante mitverminderter Substratspezifit�t durch Kast und Hennecke[82]

ebnete den Weg f4r weitere translationsaktive Phe-Surrogateund -Analoga. Die halogenierten Analoga p-Chlor- (45) undp-Bromphenylalanin (52) wurden in vitro in die rekombinan-te Luziferase eingebaut.[42] Eine weitergehende Neugestal-tung des aktiven Zentrums der PheRS und die M;glichkeitder Coexpression in E. coli f4hrten zu einem Austausch derPhe-Reste in der Dihydrofolat-Reduktase gegen O-Acetylty-rosin (65), p-Aminophenylalanin (57), p-Iodphenylalanin(46), p-Bromphenylalanin (52), p-Azidophenylalanin (59),p-Chlorphenylalanin (45), p-Cyanphenylalanin, p-Ethinyl-phenylalanin (66), p-Azidophenylalanin (59) und 2,6-Diaza-phenylalanin (54).[83, 124] Diese k4nstlichen PheRS-Variantenerm;glichen auch einen effizienten In-vivo-Einbau von Aryl-keto-Funktionalit�ten in Proteine, der normalerweise durchdie zellul�re Translationsmaschinerie verhindert wird.[84]

Einige Phe-Derivate, etwa p-Bromphenylalanin und p-Iod-phenylalanin, wurden mithilfe einer ver�nderten TyrRS ausM. jannaschii als Antwort auf das Amber-Stoppcodon inProteine eingebaut.[43] Alle diese Aminos�uren haben dem-nach eine „duale Identit�t“, da sie Substrate f4r beideSysteme sind (Abbildung 5).

4.4. Histidin

Die Histidin-Analoga 1,2,4-Triazolyl-3-alanin und 2-Me-thylhistidin wurden erfolgreich in die alkalische Phosphatasevon E. coli eingebaut. Das resultierende Enzym war jedochinaktiv, da es nicht dimerisieren konnte.[58] Die gleichenAnaloga wurden in Aspartat-Transcarbamoylase und in einemutante Phospholipase A2 eingebaut. Die Produkte dieserModifikationen unterschieden sich bez4glich des pH-Aktivi-t�ts-Profils drastisch von den nativen Enzymen;[125] so f4hrteder Austausch von His gegen 1,2,4-Triazolyl-3-alanin zueinem Enzym mit hoher Aktivit�t im sauren pH-Bereich.[126]

Einen �hnlichen Effekt beobachtete man beim Einbau von 2-Fluorhistidin[127] und 4-Fluorhistidin, wodurch der pKa-Wertum ungef�hr 5 erniedrigt wurde.[58] Dieser drastische Acidi-t�tsanstieg wirkt sich stark auf die Eigenschaften Fluorhisti-din-haltiger Proteine aus und f4hrt m;glicherweise dazu, dassviele Proteine ihre enzymatische Aktivit�t im physiologischenMilieu einb4ßen. Somit ließe sich die Toxizit�t von 2- und 4-Fluorhistidin dadurch erkl�ren, dass sie gegen His ausge-tauscht werden k;nnen.[58] Diese Eberlegungen wurdendurch Untersuchungen an Ribonuclease S mit halbsynthe-tisch eingebautem 4-Fluorhistidin best�tigt.[128] K4rzlich stell-ten Ikeda et al. einen vielseitigen Satz von Histidin-Analogaher, die gute Substrate f4r die Proteinsynthese sind.[129]

His-Reste sind f4r das Engineering von Enzymaktivit�tund -katalyse besonders interessant, da sie h�ufig in aktiven

Zentren von Enzymen vertreten sind und nucleophile Reak-tionen sowie S�ure-Base-Reaktionen katalysieren. Der iso-stere Austausch bestimmter kanonischer Aminos�uren (z. B.Ser/Cys oder Thr/Val) ist eine hervorragende Methode, um zupr4fen, ob die Reste direkt an der Enzymkatalyse beteiligtsind. Derartige Austauschman;ver sind jedoch f4r His-Sei-tenketten nicht m;glich. Das Engineering der Substratspezi-fit�t der Histidyl-tRNA-Synthetase (HisRS) ist daher beson-ders wichtig, um die Vielseitigkeit der Enzymkatalyse zuvergr;ßern.

4.5. Leucin, Valin und Isoleucin

Bahnbrechende Arbeiten von Anker und Mitarbeiternhaben gezeigt, dass 5’,5’,5’-Trifluorleucin zwar von Bakterien,nicht jedoch von Eukaryoten in Proteine eingebaut wird.Diese Ergebnisse wurden von Tirrell und Tang[80] best�tigt,denen es dar4ber hinaus gelang, Hexafluorleucin in in-vivo-exprimierte Peptide einzubauen.[81] Die in E. coli exprimierteDihydrofolat-Reduktase aus Lactobacillus casei wurde mit(2S,4S)-5-Fluorleucin substituiert, um durch Ligandenbin-dung induzierte Konformations�nderungen des Proteins mit-hilfe von 19F-NMR-Spektroskopie zu untersuchen.[130] Hortinund Boime beschrieben die Translationsaktivit�t von threo-3-Hydroxyleucin,[50] und k4rzlich fanden Apostol et al.heraus,[131] dass Norvalin (9) anstelle von Leucin in rekombi-nante Proteine eingebaut werden kann. Die nichtkanonischenAminos�uren Norvalin (9), Norleucin (3), Allylglycin, Ho-moallylglycin (11), Homopropargylglycin (8) und 2-Butinyl-alanin wurden effizient an den Leucin-Positionen rekombi-nanter Proteine eingebaut.[41] Dazu wurde die T252Y-Mutan-te von Leucyl-tRNA-Synthetase mit verminderter Korrek-turleseaktivit�t in E. coli unter Bedingungen ihrer konstitu-tiven Eberexpression verwendet.

Die Valin-Analoga 2-Amino-3-chlorbutters�ure, Cyclo-butylglycin, Penicillamin und allo-Isoleucin wurden zur Un-tersuchung des Transports sekretorischer Proteine durch dasendoplasmatische Reticulum eingesetzt,[51] in welchemUmfang sie eingebaut wurden ist jedoch bis heute nichtgekl�rt. Beispielsweise berichteten Porter et al. ,[132] dassCyclobutylglycin durch ValRS unter Bildung von Cyclobu-tylglycyl-tRNAVal aktiviert und bevorzugt anstelle von Valinin Proteine eingebaut wird. Eine neuere Studie von Marliereund Mitarbeitern hat eindeutig gezeigt, dass eine 24%igeproteomumfassende Substitution von Valin durch a-Amino-butyrat in einem E.-coli-Stamm mit verminderter ValRS-Korrekturleseaktivit�t m;glich ist.[67]

Zu den Isoleucin-Analoga, die in den ersten Experimen-ten zum Einsatz kamen, z�hlen 4-Thiaisoleucin, O-Ethyl-threonin, O-Methylthreonin, 4-Fluorisoleucin und allo-Iso-leucin.[50–52] Unter den k4rzlich in Modellproteine eingebau-ten neueren Isoleucin-Analoga sind Furanomycin und Triflu-orisoleucin zu nennen.[133]

Die Systeme zur Selektion und tRNA-Aminoacylierungvon Leucin, Valin und Isoleucin haben in ihren Synthetasenzus�tzliche Dom�nen f4r eine „Doppelsieb“-Unterschei-dung[36] zwischen verwandten und nichtverwandten, nichtka-nonischen und biogenen Aminos�uren entwickelt. Ver�nder-

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te Valyl- oder Leucyl-tRNA-Synthetasen mit inaktivierteroder verminderter Korrekturleseaktivit�t sollten das zweiteCodierungsniveau von Leucin, Valin und Isoleucin um eineVielzahl von Analoga, Surrogaten oder �hnlichen Amino-s�uren bereichern.

4.6. Methionin

Methionin-Reste tragen sowohl durch hydrophobe Wech-selwirkungen als auch durch Wasserstoffbr4cken zur Struk-turbildung in Proteinen bei. Sie sind relativ selten (nur 1.5%aller Reste in Proteinen mit bekannter Struktur) und befin-den sich gew;hnlich an Positionen, die vom L;sungsmittelnicht erreicht werden; nur 15% aller Met-Reste liegen an derProteinoberfl�che.[134] Met (1) war in Proteinen und Peptidenschon lange ein interessantes Austausch-Target, da es leichtund reversibel durch Oxidation in eine hydrophile Sulfoxid-Form umgewandelt werden kann. Mit der nat4rlichen Trans-lationsmaschinerie war es in E. coli und gleichfalls in Hefe-und S�ugetierzellen m;glich, Met-Reste durch SeMet (2),[11]

Nle (3),[49,71, 72] Ethionin (10)[13,52] und sogar Telluromethionin(5)[13,135] zu ersetzen. Honek und Mitarbeiter beschrieben1997 den Einbau von Trifluormethionin (7) in Phagen-Lyso-zym.[136]

Ein Target f4r die Korrekturleseaktivit�t der MetRS istdie metabolische Met-Vorstufe Homocystein.[137] Normaler-weise erkennen Korrekturfunktionen alle Met-artigen Ami-nos�uren, die kleiner als Met sind; Nle bildet die Grenzedieses gr;ßenbasierten Ausschlussverfahrens.[138] K4rzlichbelegte Jakubowski, dass S-Nitrosomethionin (6) mithilfevon MetRS auf tRNAMet 4bertragen und in E. coli sowie inKaninchenreticulozyten in Proteine eingebaut werdenkann.[139] Durch Abspaltung der Nitrosogruppe von S-Nitro-somethionin-tRNAMet entsteht Homocysteinyl-tRNAMet,4ber die Homocystein anstelle von Met in vitro in Proteineeinbaut werden kann.

Die Erh;hung der intrazellul�ren MetRS-Konzentrationdurch Coexpressionsexperimente im E.-coli-Met-AuxotrophCAG18491 mit Dihydrofolat-Reduktase als Modellprote-in[140] f4hrten weitere Met-Analoga und -Surrogate ein (Ab-bildung 4): Homoallylglycin (11), Homopropargylglycin (8),cis-Crotylglycin (17), trans-Crotylglycin (12), Allylglycin, 2-Butinylglycin, 2-Aminoheptans�ure (4), Norvalin (9) undAzidohomoalanin (14).[141] Einige dieser Aminos�uren habeneine „doppelte Identit�t“ (z. B. Norvalin (9), 2-Butinylglycin,Homoallylglycin (11) und Allylglycin), da sie sowohl f4rMetRS, als auch f4r LeuRS mit verminderter Korrekturlese-aktivit�t als Substrate dienen.[41]

4.7. Prolin

Prolin ist die einzige kanonische Aminos�ure mit einercyclischen Seitenkette. Wegen des fixierten Winkels f wirktes als Unterbrecher von a-Helix- und b-Faltblatt-Strukturenin wasserl;slichen Proteinen und Peptiden. Bei der langsa-men Faltung vieler Proteine ist der geschwindigkeitsbestim-mende Schritt die cis-trans-Isomerisierung an Peptidyl-Prolyl-

Amidbindungen.[142] Ein weiterer Unterschied zu den 4brigen19 kanonischen Aminos�uren besteht darin, dass Prolin inProtein- und Peptidsequenzen oft posttranslational hydroxy-liert wird. Wegen dieser Unterschiede kann Pro nur mithilfeeines erweiterten Aminos�urerepertoires cotranslational sub-stituiert werden.

Fr4her nahm man an, dass 3,4-Dehydroprolin, 4-Thiapro-lin, 4-Selenoprolin, cis-4-Hydroxyprolin, cis-4-Fluorprolin,trans-4-Fluorprolin und Azetidin-2-carbons�ure als Prolin-Analoga in der Proteinsynthese in Frage kommen,[50–52] undneuere Untersuchungen haben best�tigt, dass cis- und trans-4-Fluorprolin, Difluorprolin und Thiaprolin in rekombinanteProteine eingebaut werden k;nnen.[143] Dar4ber hinauswurde das Prolin-Analogon 3,4-Dehydroprolin in ein peri-odisches Protein mit lamellarer Morphologie eingebaut.[144]

Serin- oder Threonin-derivatisierte Oxazolidine sowievon Cystein abgeleitete Thiazolidine sind aus der Peptidsyn-these als Pseudoproline f4r peptidomimetische Untersuchun-gen bekannt.[145] Mithilfe chemisch aminoacylierter Suppres-sor-tRNAs fand man heraus, dass auch verschiedene Prolin-Analoga und -Surrogate, die die R4ckgratstruktur beeinflus-sen, in Proteine eingebaut werden k;nnen. Zu diesen Ana-loga z�hlen Pipecolins�ure, Homopipecolins�ure, Cyclopro-pylglycin, Azetidin-2-carbons�ure und Hydroxyprolin.[146]

Obwohl der In-vivo-Einbau dieser Analoga und Surrogatebisher nicht gelang, besteht kein Zweifel daran, dass dasEngineering oder die Steigerung der intrazellul�ren Prolyl-tRNA-Synthetase(ProRS)-Konzentration in einem Selekti-onsdruckexperiment zur Translation dieser Substanzenf4hren wird.

4.8. Arginin

Canavanin, ein sehr wirksames Gift aus rohen Samen vonCanavalia ensiformis, wurde bislang als einziges Arginin-Analogon bei der Proteinsynthese untersucht. Schon in den50er und 60er Jahren wurde gezeigt, dass der Einbau vonCanavanin in Proteine zu Konformations�nderungen undFunktionseinbußen f4hrt.[54] Die Produktion funktionell be-eintr�chtigter Canavanyl-haltiger Proteine wirkt sich inhibie-rend auf das Zellwachstum aus. Aus diesem Grund wurdendie antiviralen Eigenschaften und die Antitumorwirkungdieser Substanz intensiv untersucht.[51]

4.9. Lysin

Lysin-Reste spielen in Proteinen eine wichtige Rolle alsTargets zur chemischen Derivatisierung oder f4r posttransla-tionale Modifikationen. Fr4he Studien berichteten 4bereinige Lysin-Analoga, die potenziell in Proteine eingebautwerden k;nnen (S-2-Aminoethylcystein, 6-C-Methyllysin, 5-Hydroxylysin, trans-4,5-Dehydrolysin, 2,6-Diamino-4-hexan-s�ure, 4-Oxalysin, 4-Selenalysin[145]), neuere Untersuchungenauf diesem Gebiet stehen jedoch aus.

Auch hier k;nnte die Substratspezifit�t der Lysyl-tRNA-Synthetase (LysRS) durch Engineering vollst�ndig ge�ndertoder gezielt erweitert werden. In vitro variiert die Spezifit�t

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der Aminoacylierung (die Diskriminierung, ausgedr4cktdurch den D-Faktor) bez4glich der 20 kanonischen Amino-s�uren f4r die unterschiedlichen aaRS deutlich.[137] Denh;chsten D-Faktor (zwischen 28 000 und > 500 000) hatTyrRS, die niedrigsten Werte (zwischen 130 und 1700)werden f4r LysRS beobachtet. Zuk4nftige Experimentesollten kl�ren, ob diese „intrinsisch relaxierte“ LysRS-Sub-stratspezifit�t allgemeine Bedeutung f4r eine weitere chemi-sche Diversifizierung von Proteinen hat, die Lysin-Analogaund -Surrogate einbauen. Dar4ber hinaus l�sst sich dieExistenz zweier unabh�ngiger Varianten von LysRS mitgleicher Affinit�t f4r Lysin, aber unterschiedlichen Pr�feren-zen gegen4ber nichtkanonischen Aminos�uren wie Thialy-sin[147] nutzen, um das Repertoire Lysin-artiger Aminos�urenzu erweitern. Die Lys-Reste befinden sich haupts�chlich ander Oberfl�che von Proteinen, weshalb LysRS-basierte or-thogonale Systeme, die Template mit optimierten Lys-Codon-Verteilungen verwenden, komplizierte suppressionsbasierteAns�tze bei der chemischen Diversifizierung von Protein-oberfl�chen ersetzen k;nnten.[117]

4.10. Stoffwechseltoxizit�t und der Einsatz von Zwischenstufendes Sekund�rmetabolismus in der Proteinbiosynthese

Alle kanonischen Aminos�uren sind perfekt in das Zu-sammenspiel aus zellul�rer Biosynthese, Stoffwechsel undEnergiehaushalt integriert. Ihre Synthese und Aufnahmem4ssen reguliert werden, nicht nur, um die Translation inProteine zu erm;glichen, sondern auch, um die Balance derMetaboliten in der Zelle zu gew�hrleisten. Kleine Mengetoxischer Aminos�uren beeintr�chtigen die Lebensf�higkeiteiner Zelle gew;hnlich nicht, gr;ßere Mengen k;nnen hin-gegen zum Zelltod f4hren.

Diese Beobachtungen zeigen, dass isostere Aminos�urenauch insofern physiologisch „orthogonal“ zu kanonischenAminos�uren sind, als sie in der Zelle als Antagonistenwirken. Daher muss man metabolische Auswirkungen stetsber4cksichtigen, wenn die Expressionswirtszelle hinsichtlicheiner Erweiterung des Aminos�urerepertoires modifiziertwerden soll. Der einfachste Ansatz f4r eine proteomumfas-sende Substitution w�re demnach ein Stoffwechsel-Enginee-ring mikrobieller St�mme, bei dem nichtfunktionalisiertealiphatische Aminos�uren wie Alanin, Leucin und Valinglobal substituiert werden. Wegen ihres vergleichsweise ein-fachen Metabolismus w�re ein Austausch dieser Aminos�u-ren vermutlich am wenigsten sch�dlich, und sie sollten diebesten Kandidaten f4r Translationen nichtkanonischer Ami-nos�uren in das gesamte zellul�re Proteom sein.

Mehr als 700 biogene Aminos�uren (darunter mindestens300 pflanzliche)[148] bilden ein reiches nat4rliches Reservoiran potenziellen Substraten f4r die Proteinbiosynthese. InOrganismen aller Lebensreiche entstehen a-Aminos�uren alsEndprodukte des Sekund�rmetabolismus, als Zwischenstufenvon Stoffwechselwegen oder bei der Entgiftung von Fremd-substanzen.

Seit Jahren werden durch Stoffwechsel-Engineering f4rbestimmte Substanzen (Vitamine, Hormone, metabolischeZwischenstufen) neue endogene Versorgungswege konzi-

piert, und es sollte m;glich sein, in E. coli Aminos�urengezielt herzustellen. Mehl et al. kombinierten dieses Stoff-wechsel-Engineering mit dem In-vivo-Einbau nichtkanoni-scher Aminos�uren.[149] Sie bauten in E. coli die GenlocipapA, papB und papC ein, die den Syntheseapparat von p-Aminophenylalanin (57) codieren, das in Streptomyces vene-zuele als metabolische Zwischenstufe identifiziert wurde. DieGene wurden auf einem Low-Copy-Plasmid in E. coli einge-bracht, das die Synthese von p-Aminophenylalanin ausChorismat erm;glichte. Mithilfe eines orthogonalen Paarswurde p-Aminophenylalanin �hnlich genau und effizienteingebaut wie kanonische Aminos�uren. Der intrazellul�rerzeugte p-Aminophenylalanin-Vorrat beeinflusst die intra-zellul�ren Vorr�te an kanonischen Aminos�uren nur wenig.Dieser mit orthogonalen Komponenten, einem heterologenTarget-Gen und einem neuen Stoffwechselweg ausgestatteteExpressionswirt ist ein lehrreiches Beispiel f4r die Kombina-tion von Komponenten aus unterschiedlichen Spezies ineinem System.

Dem Stoffwechsel-Engineering bakterieller und andererExpressionswirte stehen zwei gegens�tzliche Ans�tze zurVerf4gung. Der erste Ansatz beruht auf der vollst�ndigenoder teilweisen Einf4hrung neuer Biosynthesewege, derzweite nutzt Knockout-Techniken sowie die Modulationoder Einschr�nkung bestehender Biosynthesewege. F4r prak-tische Anwendungen ist ein In-vivo-Expressionssystem, beidem die Zellen die gew4nschten nichtkanonischen Amino-s�uren direkt aus dem Wachstumsmedium beziehen, in vielenF�llen von Vorteil. Die Expression rekombinanter Proteinemit p-Aminophenylalanin in E. coli k;nnte jedoch interessantsein, um zu untersuchen, wie sich ein Selektionsdruck auf dasAminos�urerepertoire lebender Zellen auswirkt. Eine engereVerbindung zwischen der Naturstoffchemie und dem Engi-neering des genetischen Codes k;nnte ein weitreichenderesScreening auf geeignete Aminos�uren erm;glichen. Auf dieseWeise k;nnten Verbindungen aus dem Intermedi�rmetabo-lismus unterschiedlicher Spezies als Kandidaten f4r denEintritt in den genetischen Code identifiziert werden.

4.11. Zellul�res Korrekturlesen

Unter Selektionsdruck entwickelten lebende Zellen Ver-bindungen, deren Molek4le die effizienteste Gr;ße und Formhaben, um eine gew4nschte Funktion auszuf4hren. Diemonomeren Grundbausteine der Proteine, die 20 kanoni-schen Aminos�uren, erf4llen diese Kriterien offenbar. Mankann dar4ber spekulieren, ob eine gr;ßere Zahl an Baustei-nen zum geh�uften Auftreten von Fehlern in der Proteinsyn-these f4hren und so die Vorteile einer gr;ßeren Vielfaltzunichte machen w4rde. Unter den codierten Aminos�urentrifft man jedoch auf bemerkenswerte Ghnlichkeiten: So sindeinige isoster (Val/Thr, Cys/Ser), haben das gleiche Molek4l-volumen (Ile/Val, Pro/Cys) oder sehr �hnliche chemischeEigenschaften (Ser/Thr). Um diese eng verwandten Struktu-ren praktisch unterscheiden zu k;nnen, bedarf es geeigneterErkennungsmechanismen, – und viele biochemische Systemezeichnen sich durch ein nahezu perfektes Unterscheidungs-verm;gen aus.[150]

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Dabei sollte man immer beden-ken, dass die Aktivierung der Ami-nos�uren und die Beladung dertRNA nicht die einzigen Kontroll-schritte der Translation sind. Bei-spielsweise wurde bei Versuchen zurErweiterung des Aminos�urereper-toires mit dem SPI-Ansatz gezeigt,dass es m;glich ist, 4-Aminotrypto-phan in das gr4n fluoreszierendeProtein (GFP) aus Aequorea einzu-bauen, 5-Aminotryptophan sowie 4-oder 5-Hydroxytryptophan jedochnicht.[104] Dennoch sind alle dieseSubstrate translationsaktiv, da mansie in ein anderes Protein (Barstar)einbauen konnte.[105] Ein weiteresBeispiel sind Thiaprolin und Sele-noprolin: Beide wurden erkannt, se-lektiert und in der Aminoacylierungauf verwandte tRNAs 4bertragen,aber nur Thiaprolin konnte in Mo-dellproteine eingebaut werden.[14]

Die Gr4nde f4r dieses Verhaltensind noch nicht gekl�rt, wahrschein-lich greifen bislang unbekannte Kor-rekturmechanismen bei den ribos-omalen Synthesezyklen oder der co-translationalen Faltung ein. Untersu-chungen der cotranslationalen oderunterst4tzten (d.h. Chaperon-ver-mittelten) Proteinfaltung sindselten, ebenso wie Studien 4ber die Genauigkeit der Ribo-somen beim Einbau nichtkanonischer Aminos�uren.

Da Zellen viele weitere biogene Aminos�uren sowieMetaboliten enthalten, gen4gt es nicht, nur zwischen den 20kanonischen Aminos�uren unterscheiden zu k;nnen. Dar-4ber hinaus reagiert die Korrekturfunktion nicht auf spezifi-sche Merkmale chemisch oder sterisch �hnlicher syntheti-scher Aminos�uren, da diese in der Evolution nicht auftraten.Dass aaRSs in vielen Systemen nicht absolut substratspezi-fisch reagieren, ist seit Jahrzehnten bekannt, und man er-kannte fr4h, dass sich damit ein Weg zur Erweiterung desAminos�urerepertoires in vivo auftut.

4.12. Proteinfaltung und der genetische Code: Gibt es allgemeineRegeln f�r Codonneuzuordnungen?

In Bezug auf den genetischen Code entspricht der Einbauvon Aminos�ure-Analoga in Proteine mithilfe des traditio-nellen Auxotrophie-Ansatzes einer Codonneuzuordnung, f4rdie eine einfache Regel gilt: „Ghnliches ersetzt Ghnliches“.[6]

Eine experimentelle oder nat4rliche Codonneuzuordnungberuht immer auf der Ghnlichkeit der Aminos�uren: Bei-spielsweise konnte das Met-Codon AUG Ile oder Nle neuzugewiesen werden, jedoch nicht den Aminos�uren Arginin(nichtverwandt) oder Metoxinin (Abbildung 7), da dieseNeuzuordnungen f4r die effiziente Faltung und damit f4r

die biologische Aktivit�t der codierten Proteinstruktur fatalw�ren.[27] Durch die Codonneuzuordnung gem�ß dieser ein-fachen Regel ist die Gefahr minimiert, dass die resultierendeProteinstruktur beeintr�chtigt wird, denn die Gnderungen inder Aminos�ureseitenkette sind relativ geringf4gig. In derEvolution der Proteine sind Substitutionen durch �hnlicheAminos�uren viel h�ufiger als solche durch un�hnliche.Sonneborn erfasste diese Beobachtungen 4ber Codierungs-�hnlichkeiten bei Aminos�uren mit �hnlichen physikalischenEigenschaften in einer „Theorie der Minimierung von Trans-lationsfehlern“ durch den genetischen Code.[151] Demnachliegt die Hauptaufgabe des genetischen Codes darin, dieStrukturen von globul�ren Proteinen zu erhalten. Aus dieserSicht ist die Struktur des genetischen Codes das direkteProdukt einer nat4rlichen Selektion f4r ein System, dasph�notypische Auswirkungen genetischer Fehler mini-miert.[152,153]

Die einfachste allgemeine Regel f4r den Aufbau vonProteinen lautet: „apolar nach innen – polar nach außen“.Diesem Architekturprinzip folgend, falten sich Proteine zukompakten Partikeln, deren hydrophober Kern vom umge-benden L;sungsmittel abgeschirmt ist. Die Einteilung inpolare und nichtpolare Aminos�uren ist im genetischen Codeverankert: Alle Codons mit einem zentralen „U“ codierenAminos�uren mit chemisch relativ gleichartigen, hydropho-ben Seitenketten („konvergente Typen“). Demgegen4bercodieren Tripletts mit einem zentralen „A“ Aminos�uren

Abbildung 7. Die chromatographische Mobilit�t der Ninhydrin-Derivate kanonischer und nichtkano-nischer Aminos�uren ist abh�ngig von Molek%lgr@ße, Polarit�t, Hydrophobizit�t und pI-Wert.[220]

Die Elutionsprofile von Met (1, Signal c) und seinen isosteren Analoga Nle (18, e), SeMet (2, f)und Metoxinin (15, a) sowie von Leucin (78, d) und den isosteren Analoga 5’,5’,5’-Trifluorleucin (79,a) und Azaleucin (80, g) wurden auf den gleichen Retentionszeit(tRet)-Maßstab projiziert. Da dieMolek%lform der kanonischen Aminos�uren und ihrer Gegenst%cke nahezu identisch ist, beruht dieTrennung auf Unterschieden in ihrer Polarit�t und ihren pI-Werten. Die zellul�re Translationsmaschi-nerie erkennt die hydrophoben Aminos�uren Leu und Met als native Substrate, deren Signale in derneutral-apolaren Region in der Mitte des Chromatogramms positioniert sind. Ihre isosteren AnalogaMetoxinin (15) und Azaleucin (80), die keine Substrate f%r die Proteinbiosynthese sind, ergeben Sig-nale in den sauren und basischen polaren Regionen. Hydrophobe, neutrale Aminos�uren aus derXUX-Codon-Familie (Val, Ile und Phe) k@nnen nicht durch diese polaren Aminos�uren ersetztwerden, da dies einen schwerwiegenden Effekt auf die Proteinfaltung h�tte. Schon die Positionender chromatographischen Signale geben also an, welche nichtkanonischen Analoga in den geneti-schen Code eintreten k@nnen.

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mit chemisch unterschiedlichen, polaren Seitenketten („di-vergente Typen“).

Diese chemische Ordnung l�sst sich durch chromatogra-phische Experimente quantifizieren. Woese et al.[154] be-stimmten die Mobilit�t von Aminos�uren bei der Papier-chromatographie mit unterschiedlichen L;sungsmitteln. Diebeobachtete Mobilit�t korreliert mit der Zahl an Wassermo-lek4len, die f4r die Solvatation ben;tigt werden. Auf dieserGrundlage wurde der Hydrophobizit�tsindex („Polar-Requi-rement“-Index) entwickelt,[155] der die bemerkenswerte Ord-nung in der Codierungstabelle widerspiegelt: Aminos�urenmit �hnlicher Polarit�t/Hydrophobizit�t sind verwandte Trip-letts zugewiesen. Sp�tere Studien von Wolfenden und Mitar-beitern[156, 157] best�tigten, dass in der relativen Verteilung derAminos�uren auf die Oberfl�che und das Innere nativerglobul�rer Proteine ein Einfluss des genetischen Codeserkennbar ist.

Gleiches gilt f4r die Neuzuordnung oder die Substitutionkanonischer Aminos�uren durch nichtkanonische. Der chro-matographische Mobilit�tstest f4r zwei Gruppen von isoste-ren kanonischen und nichtkanonischen Aminos�uren, Metund seine Analoga Nle, SeMet und Metoxinin (15) sowie Leuund seine Analoga 5’5’5’-Trifluorleucin und Azaleucin, ist inAbbildung 7 dargestellt. Die beobachtete Mobilit�t zeigt,dass es von der Polarit�t der Aminos�uren abh�ngt, ob sie inProteine eingebaut werden k;nnen: Neutrale und hydropho-be (apolare) nichtkanonische Aminos�uren wie Nle, SeMetund Trifluorleucin eignen sich f4r die Substitution der kano-nischen Aminos�uren Met und Leu. Demgegen4ber konntendie isosteren, aber hydrophilen (polaren) Gegenst4cke Aza-leucin und Metoxinin nie erfolgreich in Target-Proteineeingebaut werden. Es 4berrascht nicht, dass Marliere undMitarbeiter[68] Azaleucin als funktionelles Analogon f4rArginin verwendeten.

Die Hauptaussage dieser Beobachtung besteht darin, dassNeuzuordnungen codierender Tripletts streng durch die bio-physikalischen Eigenschaften sterisch �hnlicher Aminos�u-ren bestimmt werden. Die oben beschriebenen einfachenExperimente lehren uns auch, dass im genetischen Codezwischen „erlaubten“ und „verbotenen“ Aminos�uren einefeste Grenze gezogen ist, die auf Unterschieden in denphysikochemischen Eigenschaften beruht. In diesem Zusam-menhang w�re es interessant, quantitativ durch einen Indexabzusch�tzen, ob eine synthetische Aminos�ure in den gene-tischen Code aufgenommen werden kann. Zuk4nftige Arbei-ten zum Code-Engineering werden zeigen, welche Kriterien(z. B. Polarit�t, Hydropathie, Molek4lvolumen, isoelektri-scher Punkt, Position in der Codetabelle und mutmaßlicheProteinstruktur) wichtig f4r die Entwicklung eines solchenIndexes sind.

5. Suppressionsbasierte Methoden

In der Natur sind solche Codonneuzuordnungen amh�ufigsten, bei denen ein und dasselbe Codon f4r unter-schiedliche kanonische Aminos�uren codiert. Beispielsweisewird AUA in den Mitochondrien von Wirbeltierzellen mitMet 4bersetzt, im Cytosol ist dieses Codon jedoch Isoleucin

zugeordnet.[158] Osawa und Mitarbeiter behaupteten abwei-chend davon, es sei ein zentrales Prinzip der Codonneuzu-ordnung, dass ein Codon nicht gleichzeitig zwei Aminos�urenzugeordnet sein darf, da sich dies f4r einen Organismus letalauswirken w4rde.[159] Eine Ausnahme davon bildet das UGA-Codon, das Selenocystein (SeCys), Pyrrolysin, Trp und Cys-tein codiert und dar4ber hinaus als Stoppcodon dient.[160] Alsweiteres Beispiel ist das universelle Leucin-Codon CUG zunennen, das in manchen Candida-Spezies mit Serin 4bersetztwird;[161] diese Codierungseinheit, der unterschiedliche Ami-nos�uren zugeordnet sind, wurde als „Polysemous-Codon“bezeichnet.[162] Die Diversit�t bei der Zuordnung einzelnerCodons des universellen Codes legt nahe, dass zus�tzlicheAminos�uren experimentell in Proteine eingef4hrt werdenk;nnen.[9]

Traditionelle Auxotrophieans�tze sind nur in Ausnahme-f�llen in der Lage, einzelne Aminos�uren in Proteinen sogezielt zu ersetzen, wie es durch positionsspezifische Muta-genese m;glich ist. Beim Einbau von SeCys f4hrte Selekti-onsdruck w�hrend der Evolution zu einer passablen Suppres-sion von Nonsense-Interpretation. Dreidimensionale mRNA-Strukturelemente und ein spezieller Verl�ngerungsfaktor�nderten dabei lokal die Bedeutung eines Codons. Solchelokalen Ver�nderungen „erweitern“ den genetischen Code,[7]

insofern als bei derartigen Experimenten zahlreiche Amino-s�uren durch die Suppression von Stoppcodons oder durchleserasterverschobene („frameshifted“) Codons in Proteinse-quenzen eingef4hrt wurden.[163] Die große Vielfalt chemischoder enzymatisch aminoacylierter Suppressor-tRNAs, diesich an der ribosomalen Proteinsynthese beteiligen k;nnen,bildet die Basis f4r suppressionsbasierte Methoden, sowohlzum positionsspezifischen Einbau als auch zum Mehrfach-einbau von Aminos�uren.

5.1. Suppression bei der Proteintranslation

Tritt eine Nonsense(Stopp)-Mutation in einer Gense-quenz auf, so wird das unfertige Polypeptid vorzeitig aus demRibosom freigesetzt. Da viele dieser unfertigen Proteine nichtdie gew4nschte biologische Aktivit�t zeigen, sind die meistenNonsense-Mutationen f4r Zellen sch�dlich. Solche Sch�denk;nnen durch weitere Ver�nderungen (Suppressor-Mutatio-nen) an verschiedenen Genen mutanter tRNAs r4ckg�ngiggemacht werden. Diese genetischen Ver�nderungen finden intRNA-Anticodons statt, seltener auch in anderen tRNA-Identit�tselementen. Suppressor-tRNAs k;nnen unterschied-liche kanonische Aminos�uren einbauen und damit aufNonsense- (Stopp-Codons in der mRNA), Missense-Codons(die Gnderung eines Sense-Codons in ein weiteres, das f4reine andere Aminos�ure codiert) oder eine Frameshift-Mutation im Elterngen reagieren. Auf diese Weise werdendie normalen Funktionen dieser Stopp- oder Sense-Codonsdurch tRNAs mit ver�nderter Identit�t unterdr4ckt.[158]

Die Entdeckung der Suppressor-tRNAs warf die Frageauf, wie sie mit den Freisetzungsfaktoren f4r Stoppcodonskonkurrieren, besonders mit denjenigen f4r UAG und UGA,die regelm�ßig am Ende von Genen auftreten. Dar4berhinaus ist immer noch unklar, warum UGA- und UAG-

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Suppressor-tRNAs nicht zur Bildung 4berlanger Proteinef4hren.[164] Offensichtlich liegt f4r eine normale Zelle keinVorteil darin, Suppressor-Mutationen zu beherbergen, auchwenn dadurch nur ein kleiner Anteil der Proteine funktions-unf�hig w�re. Daher sollte man Nonsense- oder Missense-Suppressionen als Ausnahmef�lle betrachten. Die Reaktioneiner Suppressor-tRNA auf ein bestimmtes Nonsense-Codon(das Eberlesen, „read-through“) kann, abh�ngig von dessenPosition in der mRNA, um das Zehnfache variieren („Kon-texteffekt“). Es sind auch Suppressor-tRNAs bekannt, diedurch Insertion von Nucleotiden entstandene Frameshift-Mutationen aufheben und anschließend das Leseraster wie-derherstellen.[165]

5.2. Chemische tRNA-Misacylierungen und Amber(UAG)-Suppression in vitro

Lipmann und Mitarbeiter zeigten bereits fr4h, das mis-acylierte tRNA chemisch synthetisiert werden kann; siewandelten Cys-tRNACys durch Desulfurierung mit Raney-Nickel in Ala-tRNACys um.[12] Mit misacylierter tRNA gelanges, im Modellprotein H�moglobin alle Cys-Positionen durchAla zu ersetzen. Dieses Ergebnis st4tzt die These, dass dieGenauigkeit der Proteinsynthese großteils auf dem Niveauder Aminos�ureaktivierung und der korrekten tRNA-Bela-dung durch aaRSs gesteuert wird. Sp�ter demonstriertenHecht und Mitarbeiter[166] den Nutzen misacylierter tRNAsbei der Aminos�uresubstitution an bestimmten Stellen inPolypeptiden. Zu diesem Zweck zeigten sie, dass Lysyl-tRNAan der e-Aminogruppe acetyliertes Lysin ann�hernd gleicheffizient in Kaninchen-H�moglobin einbauen kann wie un-modifiziertes Lys.[166] Die allgemeine Herstellungsmethodef4r misacylierte (Suppressor- oder normale) tRNAs vonHecht und Mitarbeitern war bereits Gegenstand von Eber-sichten.[163,167]

Eine Vielzahl chemisch acylierter Suppressor-tRNAs f4rdas Stoppcodon UAG (Amber-Codon) beteiligt sich an derKn4pfung von Peptidbindungen am Ribosom. Supressor-tRNA-Spezies mit dem Anticodon CUA k;nnen entwederdurch chemische Modifikation kommerziell erh�ltlichertRNAs (z.B. Hefe-tRNAPhe) oder durch Runoff-Transkripti-on eines Suppressor-tRNA-Gens hergestellt werden. DerVerlauf der chemischen Aminoacylierung dieser tRNAs ist inAbbildung 3 schematisch wiedergegeben. Solche tRNAsnehmen in passend programmierten In-vitro-Translationssys-temen direkt an der ribosomalen Proteinsynthese teil, wo-durch der Interpretationsschritt (die In-vivo-Selektion, Akti-vierung und Aminoacylierung der gew4nschten Aminos�ure)im Fluss der genetischen Information vermieden wird. Daher4berrascht es nicht, dass eine Vielzahl modifizierter Amino-s�uren an der Proteinsynthese teilnehmen kann.[168] K4rzlicherweiterten die Arbeitsgruppen von Schultz,[169] Chamber-lin[170] und Sisido[163] den Ansatz von Hecht durch eine Reihevon In-vitro-Experimenten mit Stopp- oder Frameshift-Sup-pressor-tRNAs und zeigten, dass die Ribosomen bei derTranslation 4ber hundert verschiedene nichtkanonische Ami-nos�uren in Proteine einbauen k;nnen (Abbildung 8).

Die chemische Misacylierung von Suppressor- oder ver-wandten tRNAs vergr;ßerte die Einsatzm;glichkeiten vonMissense- oder Nonsense-Suppressions-Ph�nomenen zur Er-weiterung des Aminos�urerepertoires durch In-vitro-Experi-mente. Die Zugabe dieser tRNAs zu einem Translationssys-tem, das mit einem Gen mit Nonsense-Suppressionsstellenprogrammiert war, f4hrt zum Einbau nichtkanonischer Ami-nos�uren an den entsprechenden Postitionen des Proteins.Chamberlin und Mitarbeiter beschrieben den positionsspezi-fischen Einbau von 3-Iodtyrosin in ein Peptid aus 16 Amino-s�ureeinheiten mithilfe eines Kaninchenreticulocyten-Sys-tems in vitro.[171]

Auf �hnliche Weise bauten Noren et al. mit einer Non-sense-Suppressor-tRNA aus Hefe mehrere Phe-Analogaein.[7] Diese positionsspezifische Austauschstrategie wurdeerstmals durch Kwok und Wong postuliert,[172] die zeigenkonnten, dass E.-coli-PheRS eine Hefe-tRNAPhe mit wenigerals 1% der Effizienz f4r E.-coli-tRNAPhe aminoacyliert.Daher eignete sich die von Hefe-tRNAPhe abgeleiteteAmber-Suppressor-tRNA besonders gut f4r In-vitro-Einbau-experimente mit einem gekoppelten Transkriptions-Transla-tions-System auf der Basis von E.-coli. Diese tRNAs f4hrten

Abbildung 8. Einige translationsaktive Aminos�uren, die dem Ribosomdurch chemische Aminoacylierung von Suppressor-tRNAs zugef%hrtwerden k@nnen. Die Vielzahl synthetischer Aminos�uren, die mitdiesen Ans�tzen in Proteine eingebaut wurde, demonstriert die M@g-lichkeiten f%r chemische Diversifizierungen an Proteinoberfl�chen.Solche Verbindungen k@nnten als Marker f%r hydrophobe/polare Wech-selwirkungen, als Spinmarkierungen oder als photoreaktive Seitenket-ten dienen, oder das Proteinr%ckgrat fixieren. Die Aminos�uren werdenjedoch nur in Ausnahmef�llen ins Innere der Proteine eingebaut.(Siehe die Jbersichten von Schultz et al.[85,167, 169, 174] , Doughertyet al.[179,180] sowie Hohsaka und Sisido[163] . Die IUPAC-Namen der Ver-bindungen sind in den Hintergrundinformationen aufgef%hrt.)

N. BudisaAufs�tze

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die gew4nschte Aminos�ure effizient in das Target-Protein b-Lactamase ein; dabei wurden Positionen besetzt, die demUAG-Codon auf der zugeh;rigen mRNA entsprechen. DietRNAs wurden durch keine der anderen E.-coli-aaRSs desZelllysats acyliert oder desacyliert. Nach der Suppressionsre-aktion wurden im Transkriptions-Translations-System vonZubay 2.8–7.5 mgmL�1 der substituierten b-Lactamase her-gestellt, was etwa 15–20% der Produktion an nativem Protein(30–45 mg) entspricht.[7]

Diese Erfolge waren nur m;glich, weil vier Vorausset-zungen f4r die Anwendung der Suppressionsmethode erf4lltwurden: 1) Die supprimierbare Amber(UAG)-Mutationwurde im betreffenden Gen durch konventionelle ortsgerich-tete Mutagenese erzeugt, 2) das Design einer effizientenSuppressor-tRNA gelang, 3) die Suppressor-tRNA wurdechemisch acyliert und 4) man verf4gte 4ber ein geeignetesSystem zur In-vitro-Proteinsynthese.

5.3. Die Grenzen suppressionsbasierter Methoden

Durch den Einsatz misacylierter Suppressor-tRNAs er-hielt man Proteine mit nichtkanonischen Aminos�uren anbestimmten Positionen. Bei den meisten dieser Untersuchun-gen wurde das UAG-Codon 4berlesen. Das gr;ßte Hindernisf4r alle suppressionsbasierten Ans�tze ergibt sich daraus, dasschemisch misacylierte, synthetische Suppressor-tRNA, diemit nichtkanonischen Aminos�uren beladen ist, Nonsense-Codons (aus drei oder vier Basen) nur eingeschr�nkt deco-dieren kann. Dies 4berrascht nicht, denn Suppressionen sindkontextabh�ngige Ph�nomene, und nicht jede gew4nschtePosition einer Proteinsequenz kann beliebig supprimiertwerden. Beispielsweise greifen Freisetzungsfaktoren an eini-gen Positionen derart effektiv ein, dass die nat4rliche Funk-tion des Amber-Stoppcodons, die Freisetzung des Proteins,nicht supprimiert wird, – selbst dann nicht, wenn die Sup-pressor-tRNA mit derjenigen Aminos�ure beladen ist, dienormalerweise im Wildtyp-Protein an dieser Stelle eingebautwird.[173] Weitere ungel;ste Probleme sind die mangelndeStabilit�t von mRNA mit Stoppcodons sowie die Stabilit�tvon Proteinen mit nichtkanonischen Aminos�uren.

Diese Methode wird somit nicht durch die relativ niedrigeAusbeute an In-vitro-exprimierten Proteinen beschr�nkt,[169]

sondern durch die ineffiziente Suppression. Dieser Parameterh�ngt weitgehend von den Eigenschaften der Aminos�ure ab,die in die Target-Proteine eingebaut werden soll. Beispiels-weise kann Nle in T4-Lysozym mit 100 %, a-Methylleucinhingegen nur mit 14 % Suppressionseffizienz eingebautwerden.[174] Zu den Suppressionseffizienzen gibt es bishernur empirische Beobachtungen, z.B. dass das Eberlesen f4rpolare Aminos�uren nur schlecht funktioniert. Die „Neben-wirkungen“ der Suppression lassen sich zumindest teilweiseumgehen, indem man f4r bestimmte aaRS-tRNA-Paare mitorthogonaler Funktion ein definiertes Quadruplett her-stellt[175] oder nichttoxische Analoga einsetzt (z. B. substitu-ierte aromatische Aminos�uren). K4rzlich beschrieben Fran-kel und Roberts[176] einen Selektionsansatz zur Identifizierungcodierender Tripletts, die f4r die Suppression besonderszug�nglich sind. Die Einschr�nkungen kann man jedoch am

einfachsten umgehen, indem man Sense-Codons[177,178] inCodon-optimierten Target-Gensequenzen verwendet (Ab-schnitt 5.7).

Die beeintr�chtigte Lebensf�higkeit der Zelle ist nicht dieeinzige „Nebenwirkung“ der In-vivo-Einf4hrung orthogona-ler Translationskomponenten. Auch die Effizienz der Trans-lation kann deutlich gemindert werden, was zu niedrigerenAusbeuten der gew4nschten Proteinvarianten f4hrt. Bei-spielsweise exprimiert E. coli mit einem heterologen tRNA-

CUATyr/wtTyrRS-Paar in Vollmedien 67 mg L�1 Dihydrofolat-

Reduktase, im Minimalmedium ist dieser Wert um mehr als95% auf 2.6 mg L�1 veringert.[88] Dennoch k;nnte sich dieserAnsatz bew�hren, wenn nur geringe Mengen an markiertenProteinen in lebenden Zellen ben;tigt werden.[179,180]

Man sollte immer in Betracht ziehen, dass alle dieseExperimente mit Modellproteinen durchgef4hrt wurden (z. B.Dehydrofolat-Reduktase, Streptavidin, Luziferase, kleinereKn�uelpeptide, Lactamase, Lysozym oder GFP). Bei kom-plizierteren Proteinen wie einkettigen Antik;rpern gelingensolche Inkorporationen in aller Regel nicht. Außerdemk;nnten suppressionsbasierte Ans�tze, mit denen Aminos�u-ren wie e-(7-Nitrobenz-2-oxa-1,3-diazol-4-yl)-l-lysin oderDansyllysin eingebaut werden, nur zu einer chemischenDiversifizierung der Proteinoberfl�chen dienen.[181] Effizienteund einfachere Protokolle hierf4r sind allerdings bereits weitverbreitet.[117] Die derzeit verf4gbare Einbaumethode mussdaher entscheidend vereinfacht werden, um suppressionsba-sierte In-vitro-Ans�tze f4r Anwendungen in den Biowissen-schaften attraktiv zu machen.

Die Eigenschaften der Aminos�uren korrelieren mit ihrerSuppressionseffizienz. Beispielsweise werden große hydro-phobe Aminos�uren effizienter eingebaut als kleine undgeladene: Zahlreiche Aminos�uren mit großen aromatischenRingsystemen wurden in vitro eingebaut (Abbildung 8), unddie meisten k4rzlich durch In-vivo-Suppression eingebautennichtkanonischen Aminos�uren waren substituierte Phe- undTyr-Derivate (Abbildung 5). Polarit�t und Konfiguration derAminos�ure sowie die Stellung der Aminogruppe sind wei-tere Faktoren, die die Suppressionseffizienz drastisch beein-flussen. So eignen sich d-Aminos�uren oder b-Aminos�urennicht als Substrate f4r die Translation mit Nonsense-Suppres-sionsmethoden.[169,174] Eine interessante Frage gilt es noch zukl�ren: Besteht ein Zusammenhang zwischen der Suppressi-onseffizienz, den Eigenschaften der Aminos�uren und denallgemeinen Regeln f4r Codon-Neuzuordnungen?

5.4. Frameshift-Suppressionsmethoden in vitro

Bei der Translation wird das Leseraster nicht perfektbefolgt, m;glicherweise resultierende Frameshift-Mutationenk;nnen aber von außen unterdr4ckt werden. Experimente inden 60er und 70er Jahren haben gezeigt, dass mutanteSalmonella- und Hefe-tRNAs mit verl�ngerten AnticodonsNicht-Triplett-Codons zu lesen verm;gen, ihre Eberlesef�-higkeit ist jedoch vergleichsweise gering.[158] K4rzlich wurdenachgewiesen, dass die Effizienz einer tRNALeu mit einge-bautem 3’AUCU5’-Anticodon bei der Decodierung vonUAGA-Quadrupletts 20–40% erreichen kann.[182]

ProteinbiosyntheseAngewandte

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Ein auf der Frameshift-Suppression basierender In-vitro-Ansatz wurde im letzten Jahrzehnt durch die Arbeitsgruppevon Sisido entwickelt.[183] Anhand der Kombinationen ausden Vier-Basen-Codons AGGN und ihren AnticodonsNCCU wurden die Einsatzm;glichkeiten der In-vitro-Fra-meshift-Suppression f4r den Einbau bestimmter kanonischerAminos�uren untersucht; die Einf4hrung von 2-Anthranyl-alanin in Streptavidin gelang mit allen Quadrupletts (AGGG,AGGA, AGGC, AGGU).[184] Die Target-Gensequenz wurdeoptimiert, indem in ihre mRNA strangabw�rts zus�tzlicheStoppcodons eingegliedert wurden: Nicht-leserasterverscho-bene Produkte wurden auf diese Weise terminiert, d.h. beiausbleibender Frameshift-Suppression wurde die Proteinsyn-these abgebrochen.[175]

Sisido und Mitarbeiter beobachteten,[185] dass der Einbaubestimmter nichtkanonischer aromatischer Aminos�urendavon abh�ngt, ob sie sich an das aktive Zentrum derribosomalen A-Bindungsstelle anpassen k;nnen. Diese Ex-perimente f4hrten zu der Regel, dass nichtkanonische Ami-nos�uren mit großen linearen aromatischen Gruppen (z. B. 2-Naphthylalanin, p-Biphenylalanin, (p-Phenylazo)phenylala-nin) g4nstiger sind als solche mit sehr großen oder gewinkel-ten aromatischen Gruppen (z. B. 9-Phenylanthrylalanin). DieEbertragung dieser Komponenten in ein zellfreies Kanin-chenreticulocyten-System best�tigte die Ergebnisse im We-sentlichen.[184]

Der Einsatz von Quadrupletts hat großes Interesse ge-weckt, da auf diese Weise zwei oder mehr unterschiedlicheAminos�uren in ein und dasselbe Protein eingebaut werdenk;nnen. Beispielsweise wurde Streptavidin-mRNA mitCGGG- und AGGU-Quadrupletts in Gegenwart von Ami-noacyl-tRNACCCG und Aminoacyl-tRNAACCU 4bersetzt, diemit e-(7-Nitrobenz-2-oxa-1,3-diazol-4-yl)lysin (CGGG-Signalin der mRNA) bzw. 2-Naphthylalanin (AGGU-Signal in dermRNA) beladen waren. Sisido und Mitarbeiter haben ge-zeigt, dass der Einsatz von Quadrupletts bei der In-vitro-Proteinbiosynthese die Einf4hrung nichtkanonischer Amino-s�uren an mehreren Positionen eines einzelnen Proteinserm;glicht.[186] Obwohl man den grundlegenden Vorteildieser Strategie darin sah, die Konkurrenz mit den Freiset-zungsfaktoren zu umgehen, ist es bislang noch ungekl�rt,warum unterschiedliche Quadrupletts unterschiedliche Sup-pressionseffizienzen zeigen. Beispielsweise wurde vermutet,dass bestimmte Positionen in der mRNA eher Frameshiftsverursachen als andere.[187] Die Strategie wird daher durchzwei Aspekte eingeschr�nkt: durch die gesamte Eberleseef-fizienz der Suppressor-tRNAs und durch die gelegentlichauftretende Fehlfaltung naszierender Proteine mit modifi-zierten Aminos�uren.

K4rzlich wurde die Beschr�nkung der Gr;ße von Anti-codons untersucht,[188,189] um zu pr4fen, ob effiziente tRNA-Suppressoren f4r Codons aus zwei, drei, vier, f4nf oder sogarsechs Basen abgeleitet werden k;nnen. Dabei zeigte sich,dass sich F4nf-Basen-Codons (Pentapletts) f4r den Einbaubestimmter kanonischer Aminos�uren in Proteine eignen.[189]

Ausgiebige Untersuchungen von Schultz et al. belegen, dassCodons mit drei bis f4nf Basen vom Translationsapparatdecodiert werden k;nnen und dass jeder Codon-Typ unter-schiedliche tRNAs ben;tigt. Sechs-Basen-Codons sind mit

der Translationsmaschinerie nicht mehr kompatibel, undPentapletts werden nicht mit der gleichen Effizienz suppri-miert wie Quadrupletts. Wahrscheinlich bestimmt das Ribo-som die Begrenzung der Codongr;ße, wohingegen die tRNAeine Art „molekulares Lineal“ ist, das die Codongr;ßew�hrend der Translation lediglich ausmisst.[188]

5.5. Spezies-spezifische Merkmale der Aminoacylierung undorthogonale aaRS/tRNA-Paare

Auf dem Niveau der Interpretation des genetischenCodes, bei der Aminoacylierung, definiert man Orthogona-lit�t als das Fehlen von Kreuzreaktivit�t zwischen heterolo-gen aaRSs und tRNAs und den endogenen Synthetasen,tRNAs und Aminos�uren des Wirts. Die wichtigste Voraus-setzung f4r die Herstellung orthogonaler Translationskom-ponenten ist der strikte Ausschluss von Kreuzreaktivit�tenmit dem Proteinsyntheseapparat des Wirts. Die tRNA fun-giert bei der Translation als Adapter und ist daher dasinteressanteste Target f4r das Orthogonalit�ts-Engineering.Dies setzt voraus, dass die Identit�tsregeln der tRNA genaubekannt sind. Ein rationales Design sowohl positiver als auchnegativer Erkennungselemente der tRNAs ist schwierig, undexperimentelle Ergebnisse beruhen h�ufig auf Zufallsentde-ckungen. Manchmal ist es notwendig, außerhalb des Antico-dons nach Identit�tselementen zu suchen, die sich beimDesign effizienter Suppressor-tRNA als Marker eignen. DieSuche nach orthogonalen Paaren mit In-vivo- und In-vitro-Suppressionsmethoden l�sst sich wie folgt beschreiben: Ers-tens muss eine orthogonale Amber-Suppressor-tRNACUA

hergestellt werden, die in der Lage ist, f4r ein UAG-Codonin der mRNA eine nichtkanonische Aminos�uren in einProtein einzubauen. Zweitens muss durch Mutagenese undScreening eine orthogonale Aminoacyl-tRNA-Synthetaseentworfen werden. Diese orthogonale aaRS sollte ausschließ-lich die zugeh;rige orthogonale tRNA und keine der endo-genen tRNAs erkennen. Schließlich muss eine Bibliothek vonMutanten der orthogonalen tRNAs und aaRSs durchgemus-tert werden, um orthogonale aaRS/tRNA-Paare zu finden,die die gew4nschte nichtkanonische Aminos�ure bevorzugtgegen4ber den kanonischen Aminos�uren aktivieren undtransferieren.[190]

Bei den ersten systematischen Untersuchungen stellteman ausgehend von den dreidimensionalen Strukturen desGlnRS/tRNA2

Gln-Paars aus E. coli mehrere mutante Suppres-sor-tRNAs her, die als Adapter bei der In-vivo-Proteinsyn-these dienen sollten.[191] Diese tRNAs wurden von endogenenaaRSs nicht als Substrate erkannt, auch nicht von der GlnRS,die eine wichtige orthogonale Komponente in einem nicht-toxischen System zur In-vivo-Aminoacylierung ist.[192] Paral-lele Versuche, eine orthogonale GlnRS zu entwerfen, resul-tierten nicht in mutanten Enzymen, die die orthogonaletRNA besser beladen k;nnen als die nativen Enzyme.[190]

Auch Versuche, mit heterologer tRNA2Gln aus Hefe ein

orthogonales E.-coli-GlnRS/tRNA2Gln-Paar herzustellen,

waren nur bedingt erfolgreich.Der Erzeugung eines 21. aaRS/tRNA-Paars in lebenden

Zellen stehen zwei grunds�tzliche Hindernisse im Weg.

N. BudisaAufs�tze

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Erstens werden solche Enzyme wegen ihrer Redundanz vonden lebenden Zellen selektiv abgebaut; sie k;nnen nur inExperimenten mit Selektionsdruck aufrechterhalten werden.Das zweite Problem besteht darin, herauszufinden, welcheder 4brigen tRNAs und Enzyme der Zelle direkt mit demmodifizierten Enzym interferieren.[193] Beispielsweise ent-deckten RajBhandary und Mitarbeiter urspr4nglich, dass dieEinf4hrung von Hefe-TyrRS in E. coli letal ist, da diesesEnzym die E.-coli-tRNAPro mit Tyr misacyliert.[194] Daherwurde die Hefe-TyrRS derart modifiziert, dass sie die E. coli-tRNAPro nicht mehr falsch beladen konnte. Nur ein (durch„Error-prone-PCR“ hergestellter) Mutant mit sehr geringerMisacylierung f4r E.-coli-tRNAPro war als orthogonale aaRSgeeignet.

Die Entwicklung orthogonaler aaRS/tRNA-Paare warbesonders erfolgreich, wenn beide Komponenten, Suppres-sor-tRNA und aaRS, aus einem anderen Organismus impor-tiert wurden.[195] Heute weiß man, dass die Nutzung derSpezies-Spezifit�t der Aminoacylierung am meisten f4r dasDesign orthogonaler Paare verspricht. Beispielsweise analy-sierten Wang et al. die biochemischen Daten der TyrRS/tRNATyr-Paare einer Vielzahl von Organismen und folgerten,dass TyrRS/tRNACUA

Tyr aus Methanococcus jannaschii einwertvolles orthogonales Paar f4r die Exprimierung rekombi-nanter Target-Proteine in E. coli sein k;nnte.[196] Die Ursachef4r die Orthogonalit�t in Tyr-Systemen liegt in den grundle-gend unterschiedlichen Erkennungsmodi der tRNATyr durchdie TyrRS in Archaea/Eukarya und Eubakterien,[197] die eineKreuzaminoacylierung in einem derartigen Hybridtransla-tionssystem verhindert. Dar4ber sind bei der TyrRS aus M.jannaschii keine Korrekturmechanismen bekannt und ihreentsprechende tRNATyr kann effizient in Suppressor-tRNAumgewandelt werden, ohne dass die Aminoacylierungseffizi-enz dabei entscheidend nachl�sst.[196] Weiterhin gelang derTransfer von Amber- und Ochre-Supressor-tRNAs aus E.-coli-Initiator-tRNAs in COS1-S�ugetierzellen. Diese tRNAsfungieren nicht als Substrate f4r S�ugetier-aaRS, und ihreAminoacylierung mit Aminos�ure-Analoga er;ffnet einePerspektive f4r deren positionsspezifischen Einbau in S�u-getierzellen.[198]

5.6. Orthogonale aaRS/tRNA-Paare in vivo

Chemische Aminoacylierungen sind komplexe Experi-mente, und In-vitro-Expressionssysteme versprechen nurniedrige Proteinausbeuten. Das war sicherlich Anreizgenug, die suppressionsbasierten Methoden auf In-vivo-Sys-teme zu 4bertragen. Auch wenn kein effizientes E.-coli-basiertes orthogonales GlnRS/tRNA2

Gln-Paar entworfenwerden konnte,[190] gelang mit diesen Experimenten dochein methodischer Durchbruch bei der Entwicklung eineseffizienten Systems f4r die positiv/negativ-Selektion mutanteraaRSs und tRNAs.[43,88] Dabei r4ckten auch andere Aspekteins Blickfeld, die beim Engineering des Wirtsstamms inBetracht gezogen werden sollten. Als entscheidend erwiessich beispielsweise, dass der Transport der Aminos�uren indie Zellen kein rein passiver Vorgang ist. Die meistentranslationsaktiven nichtkanonischen Aminos�uren sind

etwa so groß wie kanonische Aminos�uren, und es 4berraschtnicht, dass „exotische“ Aminos�uren wie (p-Phenylazo)phe-nylalanin kaum als Substrate der zellul�ren Aminos�ure-Permease-Systeme akzeptiert werden. Aus diesem Grund istdie systematische Herstellung von Bibliotheken zellpermea-bler Aminos�uren ein wichtiges Forschungsfeld.[199]

Extrachromosomale heterologe Expressionssysteme inMikroorganismen sind besonders gut geeignet f4r die Erwei-terung des Aminos�urerepertoires, da sie sich schnell ver-mehren und leicht zu handhaben sind. Diese Systeme k;nnensowohl f4r den positionsspezifischen als auch f4r den multi-plen Einbau nichtkanonischer Aminos�uren programmiertwerden, indem man sie mit zus�tzlichen Translationskompo-nenten ausstattet. In lebenden Zellen kann dieses Ziel nurerreicht werden, wenn vier Voraussetzungen erf4llt sind:1) Codierungseinheiten, die die Translation nichtkanonischerAminos�uren programmieren, 2) tRNAs, die diese Einheitendecodieren, und 3) ein Enzym, das die tRNA bel�dt, m4ssenverf4gbar sein. 4) Sowohl die aaRS als auch die entsprechen-de tRNA d4rfen keinerlei Kreuzaminoacylierungen zulassenund m4ssen mit der Translationsmaschinerie und der Physio-logie des Wirts kompatibel sein.[87]

Furter entwickelte als erster einen allgemeinen Ansatz f4rden positionsspezifischen In-vivo-Einbau nichtkanonischerAminos�uren, der diese Kriterien ber4cksichtigte.[200] Codiertdurch ein UAG-Triplett in der mRNA, wurde das Phe-Analogon p-Fluorphenylalanin an Position 5 in rekombinantexprimierte Dehydrofolat-Reduktase eingebaut. Dies gelangdurch die Einf4hrung eines PheRS/Amber-Suppressor-tRNAPhe-Paars aus Hefe in den Expressionswirt E. coli. Zwischenden PheRS aus Hefe und E. coli gibt es nahezu keineKreuzreaktivit�t, da sich die Identit�tselemente in ihrentRNAs auf vollkommen unterschiedliche Art und Weiseentwickelt haben. Der verwendete E.-coli-Stamm war Phe-auxotroph und resistent gegen4ber p-Fluorphenylalanin, d.h.seine PheRS ließ nicht zu, dass die tRNAPhe mit p-Fluorphe-nylalanin beladen wird. F4r die Hefe-PheRS war p-Fluor-phenylalanin hingegen ein fast genauso gutes Substrat wiePhe. Auf diese Weise w�re das System jedoch nicht ausrei-chend definiert, da das UAG-Triplett an Position 5 desDehydrofolat-Reduktase-Gens sowohl mit Phe als auch mitp-Fluorphenylalanin 4bersetzt werden k;nnte. Dieses Pro-blem wurde durch optimierte Fermentationsbedingungenumgangen, was zu 64–75% Austausch an der Amber-codier-ten Position der Dehydrofolat-Reduktase f4hrte. In diesemBeispiel wurden zum ersten Mal ein redundanter Aminoacy-lierungsweg und ein neues Hybridtranslationssystem einge-f4hrt. Unter einem experimentellen Druck baut der Expres-sionswirt die nichtkanonische Aminos�ure bevorzugt gegen-4ber der kanonischen ein.

Ein weiterer Fortschritt gelang mit dem orthogonalenTyrRS/tRNACUA

Tyr-Paar aus M. jannaschii[196] im Expressions-wirt E. coli. Beim positionsspezifischen Einbau von O-Methyltyrosin in die Dihydrofolat-Reduktase konnte eineAusbeute von etwa 2 mgL�1 erzielt werden.[88] Auch denChromophor von gr4n fluoreszierendem Protein (GFP)[89]

konnte eine Vielzahl Tyr-Analoga eingebaut werden. DasHybridtranslationssystem mit TyrRS/tRNACUA

Tyr-Paar aus M.jannaschii in E. coli ist technisch viel ausgereifter als das

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System von Furter.[200] Die Orthogonalit�tsbedingungenwerden fast vollst�ndig erf4llt, da Amber-Positionen auf dermRNA sehr genau in den Target-Proteinen wiedergegebenwerden und suppressionsbedingt nur minimale toxische Ef-fekte auftreten. Ein weiterer großer Vorteil dieses Systemsbesteht darin, dass Analoga aromatischer Aminos�uren ein-gesetzt werden k;nnen.

Es wird sich zeigen, ob diese In-vivo-Expressionssystemef4r den Einsatz in Molekularbiologie und Biochemie weiter-entwickelt werden k;nnen. Der eingeschr�nkte Erfolg beiExperimenten mit GlnRS/tRNAGln [190] wirft die Frage auf, oballe Synthetase/tRNA-Systeme f4r ein derartiges Designgeeignet sind. Dar4ber hinaus muss f4r jede nichtkanonischeAminos�ure durch eine Reihe komplizierter Mutagenese-und Selektionszyklen ein spezifisches orthogonales Synthe-tase/Suppressor-tRNA-Paar entwickelt werden. Es ist auchfraglich, ob der In-vivo-Transfer alle Probleme l;sen kann,die kontextabh�ngige Suppressionsph�nomene aufwerfen(K;nnen alle Positionen in einer Proteinsequenz gleicherma-ßen supprimiert werden?). Außerdem bringt der In-vivo-Ansatz zus�tzliche Schwierigkeiten mit sich, die mit derToxizit�t der gew4nschten Aminos�uren und ihrem Transportins Cytoplasma in Zusammenhang stehen.

5.7. Sense-Codon-abh�ngige Methoden mit chemoenzymatischbeladenen tRNAs

Mithilfe von Sense-Codon-Neuzuordnungen durch che-misch oder enzymatisch beladene tRNAs k;nnten die Kom-plikationen umgangen werden, die aus Kontexteffekten insuppressionsbasierten Ans�tzen resultieren. Takai et al.[177]

inaktivierten tRNAAsp und tRNAPhe in S30-Rohextraktenaus E. coli durch eine Antisense-Behandlung oder durch denVerdau eines Großteils der tRNA, ohne die Aktivit�t derRibosomen wesentlich zu beeinflussen. In RNAse-behandel-ten zellfreien S30-Extrakten nutzten sie HIV-1-Protease alsModellprotein und bereits mit Aminos�uren beladenetRNAs, um Asparagins�ure- und Phe-Reste durch 2-Naph-thylalanin und (p-Phenylazo)phenylalanin zu ersetzen. DieAusbeute an komplett substituiertem Protein konnten siejedoch nicht bestimmen, vermutlich weil die Faltung derresultierenden Proteine gravierend gest;rt war.

Ein �hnlicher Ansatz von Sisido und Mitarbeitern[175,184]

beruhte auf der Verwendung seltener Codons, die an jederPosition in eine mRNA-Sequenz eingebaut werden k;nnen.Eine solche Codonoptimierung der Target-Gensequenz er-m;glicht den positionsspezifischen oder multiplen Einbaueiner oder mehrerer unterschiedlicher Aminos�uren. Bei-spielsweise ist das h;chst seltene Arginin-Codon AGG (dasdurchschnittlich weniger als 3% zum Arg-Einbau beitr�gt)ein guter Bindungspartner f4r chemisch acylierte tRNACCU,was f4r den Einbau photoaktiver Aminos�uren (p-Amino-phenylalanin, 2-Anthrylalanin, 1- und 2-Naphthylalanin, p-Biphenylalanin) genutzt wurde.[201]

Sense-Codon-Neuzuordnungen durch extern beladenetRNAs k;nnten interessante Ans�tze darstellen, da sie denEinsatz Codon-optimierter DNA mit In-vitro-Proteinsynthe-sen kombinieren. Beispielsweise wird die kanonische Ami-

nos�ure Thr durch vier codierende Tripletts repr�sentiert(Abbildung 1), wobei ACA in E. coli das seltenste Codon ist.Durch die Verwendung ausgekl4gelter In-vitro-Systeme wiePURE,[202] bei dem die Zugabe aller Komponenten pr�zisekontrolliert werden kann, sollte es m;glich sein, die ge-w4nschte Aminos�ure entweder ortsspezifisch oder multipo-sitionell einzubauen. Durch ortsgerichtete Mutagenese kannman die Target-DNA-Sequenz derart optimieren, dass ACAnur einmal, zweimal, usw. vorkommt. Die entsprechendetRNA (tRNAThr (3’UGU5’)) wird enzymatisch mit der ge-w4nschten nichtkanonischen Aminos�ure beladen, die 4bri-gen tRNAThr-Isoacceptoren werden mit Thr beladen. WennProbleme durch Desacylierung ausgeschlossen werdenk;nnen, sollte die Zugabe dieser bereits acylierten tRNAszu einem zellfreien System den gew4nschten (positionsspezi-fischen oder multiplen) Einbau erm;glichen.[255] In �hnlicherWeise kombinierten Forster et al.[203] ein aaRS-freies Trans-lationssystem mit chemoenzymatisch synthetisierten ver-wandten tRNAs, wodurch sie in vitro beliebige codierendeTripletts komplett nichtkanonischen Aminos�uren zuordnenkonnten.

Schließlich wurde 4ber eine erfolgreiche Neuzuordnungcodierender Tripletts im Rahmen der Codonfamilien berich-tet. Tirrell und Mitarbeiter[178] verwendeten mutante Hefe-tRNAPhe, um der beiden Phe-Codons der nichtkanonischenAminos�ure 2-Naphthylalanin neu zuzuordnen. Dabei han-delt es sich jedoch um einen Missense-suppressionsbasiertenAnsatz, der noch an den „Kinderkrankheiten“ dieser Metho-den leidet: Die Neuzuordnung war nicht vollst�ndig. AlsAntwort auf die „neuzugeordneten“ Codierungseinheitenwurden kanonische Aminos�uren bei der Translation oftbevorzugt eingebaut. Aus all diesen Gr4nden k;nnte einAnsatz mit Codon-optimierten DNA/mRNA-Templaten ambesten zur durchgehenden Translation nichtkanonischerAminos�uren geeignet sein. Solche Template w4rden selteneSense-Codierungseinheiten enthalten, die an spezifischenPositionen in einer Target-Gensequenz platziert w�ren.Daher wird die In-vitro- oder In-vivo-Translation dieserCodon-optimierten DNA/mRNA-Template mit nichtkanoni-schen Aminos�uren die suppressionsbasierten Methodenwahrscheinlich weitgehend ersetzen.

6. Weitere Aspekte eines erweitertenAminos�urerepertoires

6.1. In-vitro- und In-vivo-Translation bei der Erweiterung desAminos�urerepertoires im Vergleich

Die klassischen Experimente, in denen Chapeville et al.zeigten, dass misacylierte tRNA an der Proteinsyntheseteilnehmen kann,[12] wurden mit In-vitro-Translation durch-gef4hrt. Die zellfreien Systeme mit chemisch aminoacyliertentRNAs verf4gten 4ber ein Ribosom, das erstaunlich flexibelwar bez4glich der Anzahl sowie der strukturellen, sterischenund chemischen Eigenschaften der Aminos�uren, die inProteine 4bertragen werden konnten. Diese chemische Viel-falt kann bei der Eberf4hrung in eine In-vivo-Methode zueinem Großteil verloren gehen. Ein neueres Beispiel zeigt,

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dass ein aus dem orthogonalen TyrRS/tRNACUATyr-System aus

M. jannaschii abgeleitetes „orthogonales Paar“ in einem In-vivo-System haupts�chlich die Translation von Tyr- oder Phe-Analoga erm;glicht (Abbildung 5). Um ungew;hnliche Ami-nos�uren wie e-(7-Nitrobenz-2-oxa-1,3-diazol-4-yl)-l-lysin,oder das Biotin-Derivat 91 (Abbildung 8) intrazellul�r ver-f4gbar zu machen, ist offensichtlich eine „rationale Umstruk-turierung“ vieler Komponenten der lebenden Zelle notwen-dig. Dieser experimentelle Eingriff umfasst sowohl eineUmgestaltung, als auch nichtinvasive Ver�nderungen beimTransport der Aminos�ure in die Zelle. Dar4ber hinausm4ssen Wege gefunden werden, um die metabolische Akti-vierung oder Modifikation zu verhindern und die Korrektur-funktionen der Translation einer intakten Zelle zu umgehen.

Man sollte sich immer bewusst sein, dass die Proteinsyn-these durch In-vivo-Genexpression in einer Zelle abl�uft, diewegen ihrer Zellw�nde und Membranen ein geschlossenenSystem bildet. Die Alternative stellt das offene System einerzellfreien In-vitro-Proteinsynthese dar. Daher k;nnte einegekoppelte In-vitro-Transkription/Translation, die nicht vonphysiologischen Funktionen der Zelle behindert wird, zueinem System f4r das Engineering des genetischen Codesoptimiert werden, das ein deutlich breiteres Substratspek-trum zul�sst als lebende Organismen.[204] So erkl�rt sich dasgroße Interesse an der Entwicklung zellfreier Translations-systeme mit hohen Ausbeuten. Verbesserungen werden in deraktuellen Literatur ausgiebig diskutiert, z. B. optimierteBatch-Reaktionen, die Zugabe von Chaperonen, Nachschubf4r verbrauchte Ausgangsstoffe, Continuous-Flow-Methodenoder die Optimierung der Anteile verschiedlicher Lysatkom-ponenten. Neue Generationen von hoch entwickelten In-vitro-Systemen mit besserer Kontrolle der Translationsbedin-gungen und h;herer Proteinausbeute werden die Erweite-rung des Aminos�urerepertoires sicherlich vorantreiben.

6.2. Ortsgerichteter und „statistischer“ Einbau

F4r neue Forschungsgebiete kann man anfangs oft keineakkuraten Definitionen festlegen, da nicht gen4gend Infor-mationen zur Verf4gung stehen. Es ist daher pragmatisch,eine Terminologie mit provisorischen Begriffe zu formulie-ren, die in der Folge verfeinert werden. Ein Beispiel aus demGebiet des Code-Engineerings zeigt, welche Verwirrungenauftreten k;nnen, wenn eine unausgereifte Terminologieverwendet wird: Die „Ortsspezifit�t“ ist eine �ußerst w4n-schenswerte Eigenschaft eines Hybridtranslationssystems.Beispielsweise wurde oft behauptet, dass suppressionsbasier-te Eberlesemethoden einen „ortsspezifischen“ Einbau nicht-kanonischer Aminos�uren erm;glichen, weil ein supprimier-bares Stoppcodon theoretisch so positioniert werden kann,dass die Aminos�ure an jeder gew4nschten Position in dasProtein eingebaut werden kann. Dies trifft h;chstwahrschein-lich nicht zu, da misacylierte tRNA mit Freisetzungsfaktorenkonkurrieren muss, was oftmals zu einer niedrigen Suppres-sionseffizienz oder gar zu einem kompletten Ausbleiben derSuppression f4hrt. Daher ist es notwendig, nach „zul�ssigen“Positionen zu suchen, die eine effiziente Suppression m;glichmachen und so den Informationsverlust („leakage“) im

System m;glichst gering halten. Im Sprachgebrauch vonDNA-Mutagenese-Experimenten mit Oligonucleotiden kannein solcher Ansatz allerdings schwerlich als „ortsspezifisch“bezeichnet werden.

Der Begriff „statistischer“ Einbau (Markierung) ist ausden folgenden Gr4nden ebenfalls ungeeignet. Man ist sichnoch nicht einig, ob der beschriebene Einbau einer bestimm-ten Aminos�ure mithilfe von Eberlesemethoden mit 10%Suppressionseffizienz als „statistisch“ oder „ortsspezifisch“bezeichnet werden soll, oder ob eine 99%ige Neuzuordnungeines UGG-Codons (d.h. Trp-Substitution) in einer bestimm-ten Gensequenz „statistisch“, „multipositionell“ oder „orts-gerichtet“ ist. Derartige taxonomische Unklarheiten k;nntenzu Aussagen f4hren, wie jener, dass der Einbau mit Selekti-onsdruckmethoden „vergleichsweise geringen Einfluss aufdem Gebiet des Protein-Engineerings“ hat (zitiert inLit. [104]). Dies ist irref4hrend, da beispielsweise der tradi-tionelle SeMet-Einbau in Proteine mithilfe von auxotrophenSt�mmen in der Strukturbiologie eine wichtige Rolle spielt.Beim Design therapeutischer Proteine f4r den Wirkstoff-transport kann eine solche multipositionelle Ausrichtungsogar w4nschenswert sein (siehe Abschnitt 7). Ob SeMetmultipositionell, statistisch oder ortsgerichtet eingebaut wird,h�ngt letztlich von der Zahl der AUG-Codons ab, die durchrekombinante DNA-Technologie leicht experimentell mani-puliert werden k;nnen.

Um derartige terminologische Mehrdeutigkeiten zu ver-meiden, k;nnte man einfach akzeptieren, dass in nat4rlichvorkommenden Proteinen das Problem der „Ortsspezifit�t“durch das evolution�r optimierte Auftreten der Codons inbestimmten Sequenzen gel;st wurde (H�ufigkeit). Dies giltbesonders f4r seltene Aminos�uren wie Trp, Cys und Met. Obeine Aminos�ure ortsgerichtet oder multipositionell einge-baut ist, ist dann in erster Linie eine Frage der Codonzusam-mensetzung des Templats. In der Praxis k;nnen bei Einbau-experimenten mit nichtkanonischen Aminos�uren Codon-optimierte Gensequenzen, d.h. Target-Gensequenzen mitgesteuerter Codonzusammensetzung, verwendet werden. AlsAustauschtargets kann man selten in nat4rlichen Proteinenvertretene Aminos�uren wie Trp (1.1%) oder Met (1.5%)w�hlen, die oft eine entscheidende Rolle f4r die Funktion desProteins spielen. Schließlich sollte es zahlreiche Proteinse-quenzen geben, bei denen das Problem des multipositionellenAustauschs durch die Kombination von ortsgerichteter Mu-tagenese mit einem erweiterten Aminos�urerepertoire ele-gant umgangen werden kann.

6.3. Weitere Ans�tze

Beim Engineering des genetischen Codes sind experi-mentelle Eingriffe auf allen wichtigen Stufen der Ebertra-gung von genetischer Information denkbar, um die Zahl derals Proteingrundbausteine dienenden Aminos�uren zu erh;-hen. In der DNA/RNA-Sequenz k;nnen die Zusammenset-zung und die L�nge der grundlegenden Codierungs- undDecodierungseinheiten, der Codons und Anticodons, mani-puliert werden. Die Aminoacylierung ist das Interpretations-niveau des genetischen Codes und daher der wichtigste

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Ansatzpunkt f4r experimentelle Eingriffe. Da Codon-Anti-codon-Wechselwirkungen unabh�ngig davon sind, welcheAminos�ure an den Acceptorstamm der tRNA angeh�ngtist, bietet sich der Teilschritt der Aminos�urebeladung an, umneue Aminos�uren in den genetischen Code einzuf4hren.Schließlich kann man das Ribosom selbst ver�ndern, um dieInterpretation des genetischen Codes zu beeinflussen. DieVerwendung nichtkanonischer Nucleotide zur Bildung einesneuen Watson-Crick-Basenpaars wird bereits ausf4hrlichdiskutiert.[205–207]

Um die Probleme zu umgehen, die mit der Konkurrenzdurch Freisetzungsfaktoren in suppressionsbasierten Metho-den einhergehen, erforschten Kowal und Oliver[173] die Ver-wendung nicht zugeordneter Codons in Micrococcus luteus.In diesem Mikroorganismus sind sechs Codons nicht (odernur sehr selten) zugeordnet; diese Codons k;nnte man in dasDNA-Templat einf4gen und beim positionsspezifischen odermultipositionellen Einbau nichtkanonischer Aminos�ureneinsetzen. Eine komplette Translation gelang bei einer In-vitro-Reaktion in einem Lysat aus M. luteus, das mit einemplasmidcodierten Target-Gen und E.-coli-tRNAs f4r nichtzugewiesene oder seltene Codons angereichert war.

Außer durch aaRS-Engineering k;nnten aminoacyliertetRNAs mit nichtkanonischen Aminos�uren auch mit speziel-len Ribozymen hergestellt werden, die Aminos�uren an das3’-Ende spezifischer tRNAs transferieren.[208,209] Diese Me-thode hat jedoch noch schwerwiegende Schw�chen, z. B.einen ineffizienten Aminos�uretransfer, den kompliziertenAufbau des Ribozyms (der zumindest teilweise den Einsatzchemischer Methoden verlangt) sowie hohe Konzentrationenan aminoacyliertem Ribozym.

Ein anderer Weg zur Erweiterung des genetischen Codesk;nnte die Manipulation der Ribosomenstruktur sein. Manweiß nur wenig 4ber die Erkennungselemente, die es zuver�ndern gilt, um chemische Funktionalit�ten in Proteineeinzuf4hren. Beispielsweise zeigten Dedkova et al.,[210] dassMutationen der 23S-rRNA in der Region f4r das Peptidyl-Transferase-Zentrum und die Helix 89 zu einer Konforma-tions�nderung f4hren, die die normalen Mechanismen f4reine Unterscheidung zwischen d- und l-Aminos�uren in derA-Bindungsstelle des Ribosoms herunterregulierten. Solchemodifizierten Ribosomen verf4gen m;glicherweise 4ber ver-�nderte Translationseigenschaften, die f4r die Erweiterungdes Aminos�urerepertoires n4tzlich sein k;nnen. Die Zugabevon Suppressor-tRNACUA zu einem zellfreien System mitderartigen Ribosomen erm;glichte die Synthese von Luzife-rase mit d-Met und d-Phe.

Weitere Untersuchungen werden zeigen, ob diese Ans�t-ze an die Effizienz der derzeit verf4gbaren Methoden zurErweiterung des genetischen Codes heranreichen.

6.4. Zukunftsvisionen: Orthogonale Shuttle-Paar- undHybridtranslationssysteme mit Codon-Einfang

Praktische Anwendungen in Forschung und Industriewerden die Erweiterung des genetischen Codes maßgeblichmitbestimmen. Der Schwerpunkt wird dabei auf der Ent-wicklung effizienter In-vitro- oder In-vivo-Hybridtransla-

tionssysteme liegen, mit denen sich maßgeschneiderte Pro-teine in gr;ßeren Mengen herstellen lassen. F4r die Produk-tion therapeutischer Proteine oder neuer Materialien bietetsich das experimentelle Design spezialisierter prokaryoti-scher oder eukaryotischer Zellen an, die Proteinvarianten mithoher Genauigkeit synthetisieren k;nnen. Stoffwechsel, Bio-energetik, Synthese- und Versorgungswege sowie Aminos�u-revorr�te solcher Zellen sollten genau regulierbar sein. DerKombination von Stoffwechsel- und Code-Engineering stehtdaher eine große Zukunft bevor.

Auch die In-vivo-Expression maßgeschneiderter Proteineals Markierung in S�ugetierzellen ist erstrebenswert. Dabeigen4gen bereits minimale Mengen der markierten Proteine,da diese leicht detektierbar sind (beispielsweise durch Fluo-reszenz).[180, 211] Schließlich w�re es sehr vorteilhaft, wenn manderartige Systeme zwischen Zellen von Vertretern der unter-schiedlichen Lebensreiche (Archaea-Bakterien, Eubakterien,Eukaryoten) transferieren k;nnte. Der aktueller Beitrag 4berdas orthogonale TyrRS/tRNACUA

Tyr-System aus M. jannaschiiin Hefe schildert einen ersten Schritt in diese Richtung.[212]

Die Anf�nge des Engineering des genetischen Codesbelegen, dass neue Aminos�uren in das existierende Reper-toire eingef4hrt werden k;nnen. In den meisten F�llen wardies deshalb leicht m;glich, weil nicht beabsichtigt wurde,„unnat4rliche Organismen“ zu produzieren, sondern Syste-me, die mit einem erweiterten Aminos�urerepertoire arbei-ten k;nnen. Das System ist mit der Translationsmaschineriedes Wirts kompatibel, die als Plattform f4r die Codonneuzu-ordnung dient. F4r die derzeit verf4gbaren Methoden zurErweiterung des Aminos�urerepertoires sind vor4bergehen-de Ver�nderungen charakteristisch, die durch Gnderungendes Genotyps und der Physiologie lebender Zellen sowiedurch Steuerung der experimentellen Bedingungen m;glichwerden: Eberlesen, Suppression, Codonneuzuordnungen undandere. Das Ziel ist jedoch eine permanente Neuzuordnungoder die Zuordnung neuer Codierungseinheiten, d.h. derEinfang von Codons in einem Expressionssystem oder einerlebenden Zelle (Abbildung 9). Der Codon-Einfang sollte1) nichtletal und 2) eine intrinsische Eigenschaft des Systemssein. Expressionswirtszellen, deren Lebensf�higkeit durch dieEinf4hrung einer neuen Aminos�ure nicht zu stark beein-tr�chtigt wird, w�ren das am weitesten entwickelte System,um die Codierungskapazit�ten des universellen genetischenCodes in vivo zu erweitern. Eine umfassendere Aufgabebesteht darin, neue Codierungseinheiten durch die Entwick-lung neuer Nucleins�ure-Basenpaare einzuf4hren. In beidenF�llen w4rde die Proteintranslation um neue kanonischeAminos�uren bereichert. Der Codoneinfang in einem Orga-nismus mit maßgeschneidertem (oder Target-ver�ndertem)genetischem Code und einem intrinsisch erweiterten Amino-s�urerepertoire ist die gr;ßte Herausforderung f4r das Code-Engineering der Zukunft.

6.5. Kann eine „autonome synthetische Lebensform“ erschaffenwerden?

Wie bereits ausgef4hrt, sollte der Codoneinfang nichtletalsein und als intrinsische Eigenschaft eines „unnat4rlichen“

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Mikroorganismus auftreten, dessen maßgeschneiderter gene-tischer Code 4ber eine erweiterte Codierungskapazit�t ver-f4gt. Die k4rzlich beschriebene „erste synthetische Lebens-form“[213] mit rekombinant exprimiertem Protein, das infolgeder Suppression des Amber-Stoppcodons p-Aminophenyla-laninreste enth�lt,[149] erf4llt diese Kriterien nur teilweise.Auch wenn p-Aminophenylalanin ins Proteom eines E.-coli-Expressionswirts aufgenommen wurde, der mit einem Hy-bridtranslationssystem, d.h. mit orthogonalen Komponenten,ausgestattet ist, sich teilweise importierter Stoffwechselwegebedient und dessen Stoppcodon annektiert wurde, so ge-schieht alles nur mithilfe eines extrachromosomalen Expres-sionssystems (Abbildung 9). Daher ist dieser „wahrhaft un-nat4rliche Organismus“[213] das, was er taxonomisch schonimmer war: Escherichia coli. Es bleibt abzuwarten, ob p-Aminophenylalanin als „Codon-F�nger“ der UAG-Termina-tionssignale in das Genom und das Proteom eindringen kann,ohne die Lebensf�higkeit dieses Mikroorganismus zu beein-tr�chtigen.

Der erste Schritt in diese Richtung w�re das Eindringeneiner neuen Aminos�ure in das bestehende Repertoire durchCodoneinfang. Solche Zellen w4rden extrachromosomal oderkompartimentiert mit maßgeschneiderten genetischen Codesversorgt werden. Dabei sollte man jedoch immer an dieimmensen Komplikationen denken, die in der komplexenbiologischen Maschinerie einer lebenden Zelle durch dieVer�nderung einer Schl4sselkomponente hervorgerufen

werden: Da die Komponenten auf sovielen Wegen wechselwirken, werden kom-pensatorische Ver�nderungen in anderenKomponenten die Folge sein. Beispielswei-se erfordern nichtkanonische Basenpaaref4r eine In-vivo-Erweiterung des Codeseine experimentelle Neustrukturierungvon DNA-Replikation, Transkription undKorrekturmechanismen sowie das Designneuer tRNA-Gene; außerdem m4ssen dieneuen Basen sowie die Codierungseinhei-ten, die diese Basen enthalten, erkanntwerden. Ghnlich k;nnte ein rational ent-worfenes orthogonales aaRS/tRNA-Paareine umfassende Mutagenese ausl;senund schließlich zum Zelltod f4hren. Dasaltbew�hrte Prinzip der Kontinuit�t vonLucretius trifft auch auf lebende Organis-men zu: „Natura non saltus fecit“ („DieNatur macht keine Spr4nge“).

Gnderungen in der Struktur des gene-tischen Codes sind heute f4r fast alleLebewesen bekannt. Beispielsweise sindalle eukaryotischen Zellen mit zwei leichtunterschiedlichen Codezuordnungs-Arran-gements ausger4stet, sie verwenden jedochdabei das gleiche Standard-Aminos�urere-pertoire. Dies bedeutet, dass eine Zelletrotz ihres komplexen Genoms und Prote-oms eine der 20 kanonischen Aminos�urenunterschiedlichen Codons zuordnen kann.Die M;glichkeit, alternative Repertoires in

die bestehende Code-Struktur einzuf4hren, wurde als eine„Kopernikanische Wende“ bezeichnet.[27] Das Aminos�ure-repertoire des genetischen Codes aller Lebewesen ist univer-sell, kleinere Abweichungen bei Codonneuzuordnungenwerden allerdings toleriert. Auch wenn Lebewesen Codon-neuzuordnungen (innerhalb des Standard-Aminos�urereper-toires) 4berleben k;nnen, ist die Einf4hrung einer neuenAminos�ure sch�dlich. Und gerade darin liegt das Hauptzieldes beschriebenen Forschungsgebiets: Es sollen Zellen mitnichtletalen Codoneinf�ngen gefunden werden, die denEinbau einer neuen Aminos�ure in ihr Repertoire 4berleben.Auf diese Weise w�re der Ebergang vom Standard-Amino-s�urerepertoire zu einem alternativen Aminos�urerepertoireim genetischen Code experimentell durchf4hrbar. Inwieweitman Zellen mit nichtletalen Codoneinf�ngen und maßge-schneiderten genetischen Codes, die von nat4rlichen Eltern-zellen abgeleitet sind, taxonomisch als neue Spezies oderSubspezies werten kann, muss noch gekl�rt werden.

7. Einige praktische Anwendungen nichtkanonischerMonomere

7.1. Proteinchemie und Engineering des genetischen Codes

Viele interessante nichtkanonische Aminos�uren enthal-ten w4nschenswerte funktionelle Gruppen wie Halogensub-

Abbildung 9. Codoneinfang als M@glichkeit, die Codierungskapazit�ten des universellen ge-netischen Codes zu erweitern. Bei der Erweiterung des genetischen Codes bisher eingesetzteMikroorganismen mussten Sense-, Nonsense- und Nicht-Triplett-Codierungseinheiten %berle-sen k@nnen, die neu zugeordnet oder supprimiert wurden. Dabei ging es haupts�chlich umeinzelne Proteine und selten um das gesamte Proteom. Alternativ zu diesen tempor�renNeucodierungen kann der genetische Code durch einen Codoneinfang maßgeschneidertwerden. Dabei werden bestimmte Codierungseinheiten permanent zugeordnet, entweder imExpressionssystem oder proteomumfassend in der ganzen Zelle. Die Arg-codierenden Trip-letts AGA und AGG wurden im Beispiel einer hypothetischen neuen Aminos�ure (NAA) per-manent neu zugeordnet; andere Kombinationen sind ebenfalls denkbar.

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stituenten, Keto- und Silylgruppen, C=C- oder C�C-Bindun-gen und k;nnten Proteinen bemerkenswerte Vorteile brin-gen. W�ren wir in der Lage, diese chemische Vielfalt gene-tisch zu codieren, so sollten wir lebende Zellen wie Bakteriendahingehend programmieren k;nnen, dass sie aus Wasser,Salzen und einfachen Kohlenstoffquellen anspruchsvolleProdukte synthetisieren. Es ist daher unvermeidbar, Wegezur Erweiterung des genetischen Codes zu untersuchen. DieEbertragung der Fortschritte in der Chemie von Polymeren,Peptiden und Peptidmimetika auf die Proteine wird derenchemische Vielfalt bedeutend vergr;ßern.[214] Es ist abzuse-hen, dass die Nachfrage nach Proteinen mit neuen Eigen-schaften oder Funktionen sowie nach therapeutisch wirksa-men Proteinen steigen wird. Daher wird die Produktionmaßgeschneiderter Proteine (Alloproteine, Abbildung 6) mitprogrammierten Templaten in Wirtszellen mit ver�ndertemStoffwechsel sicherlich eine Triebkraft f4r das Engineeringdes genetischen Codes durch die Erweiterung des Amino-s�urerepertoires sein.

7.2. Der isomorphe Austausch in der Biochemie

Vor mehr als zwei Jahrzehnten beschrieben Wilson undHatfield,[51] dass Analoga kanonischer Aminos�uren vorher-sagbare St;rungen in der Proteinstruktur induzieren. Diesentspricht dem isomorphen Austausch in der Protein-R;nt-genkristallographie: Ein schweratomhaltiges Analogon kannin ein Protein eingebaut werden, ohne dass es zu großenVer�nderungen bez4glich der Konformation der Molek4le imKristall kommt. Dieser Einbau beeinflusst auf eine vorher-sagbare Art die Beugungsmuster der Proteinkristalle, wo-durch es m;glich wird, die Proteinstruktur zu verfeinern. Dasbekannteste Beispiel ist der routinem�ßig durchgef4hrteSeMet-Einbau in Proteine, bei dem Selen als Markierungf4r die Strukturaufkl�rung genutzt wird.[13,63, 215] Im Laufe derZeit wurden zu diesem Zweck weitere selenhaltige Amino-s�ure-Analoga oder -Surrogate entwickelt (Abbil-dung 10).[70,76, 103, 216, 217]

Ghnlich nutzt man bei 19F-NMR-spektroskopischen Un-tersuchungen die hohe Empfindlichkeit der chemischen Ver-schiebung von 19F bez4glich lokaler Ver�nderungen. Mithilfedieser wirkungsvollen Technik k;nnen kleinste Konforma-tions�nderungen und dynamische Prozesse in Proteinenanalysiert werden.[75] Weiterhin sind fluorierte Proteinewegen ihrer Biokompatibilit�t sicherlich interessant f4r me-dizinische In-vivo-Diagnosemethoden wie 19F-NMR-Kernsp-intomographie und -Spektroskopie. Das Potenzial von Ami-nos�ure-Analoga in der Spektroskopie, bei der Proteinfaltungund bei Stabilit�tsuntersuchungen, in den Materialwissen-schaften und der Enzymologie wird an anderer Stelle ausgie-big diskutiert.[6,15]

F4r einen Biophysiker repr�sentiert der Austausch ein-zelner Atome oder kleiner Gruppen, etwa H/F oder CH2/S/Se/Te, eine „atomare Mutation“.[134, 218–220] Diese Austauscheverursachen minimale Ver�nderungen in der lokalen Struk-tur, die oft weit unter dem Aufl;sungsverm;gen der R;ntgen-und NMR-Proteinanalysen liegen, und ver�ndern dennochwenig stabile Proteinstrukturen signifikant. Dadurch verlei-

hen sie den Proteinen neue Eigenschaften (z. B. erh;hte/verringerte Polarit�t) und zeigen, wie diese Eigenschaften inder kooperativ gefalteten Proteinstruktur integriert, vermehrtund moduliert werden.

Das Konzept der vorhersagbaren St;rungen und desisomorphen Austausches kann man von der Strukturbiologieund der Biophysik auf die Biomedizin ausdehnen. Einigem;gliche Anwendungen werden in den folgenden Abschnit-ten detailliert besprochen.

7.3. DNA-Nucleotid-Analoga

Analoga werden nicht nur in der Proteinchemie erforscht.Das bekannteste Beispiel ist der enzymatische Einbau vonDidesoxynucleotid-Analoga (dNTPs) in einen wachsendenDNA-Strang. Auf der Grundlage dieser Experimente entwi-ckelten Sanger und Mitarbeiter eine Methode, die dasKernst4ck fast aller aktueller DNA-Sequenzierungstechno-logien ist. Die modifizierten dNTPs mit detektierbaren,kovalent an die Base angef4gten Reportergruppen wie Dig-oxigenin oder Biotin, Fluorochromen oder aliphatischenSeitenketten sind in der Lage, die durch eine Reihe vonDNA-Polymerasen vermittelte DNA-Synthese abzubre-chen.[158]

Der gleiche Ansatz l�sst sich auch in der Biomedizinanwenden. Beispielsweise codieren der Humane Immundefi-zienzvirus (HIV) und andere Retroviren nicht die spezifi-schen Enzyme, die f4r den Metabolismus der Purin- oderPyrimidin-Nucleoside ben;tigt werden. Viele der antimeta-bolischen oder antiviralen Wirkstoffe, die derzeit f4r dieBehandlung von HIV-Infektionen verwendet werden odersich in fortgeschrittenen klinischen Studien befinden, geh;renzu unterschiedlichen Klassen von Nucleosid/Nucleotid-Ana-loga, die die reverse Transkriptase inhibieren, z. B. Zidovudin(AZT), Didanosin (ddI), Zalcitabin (ddC) und Stavudin(d4T).[221]

Schließlich versucht man mithilfe �hnlicher Ans�tze, dengenetischen Code durch die Bildung eines 65. Codon-Anti-codon-Paares aus nichtkanonischen Nucleosid-Basen zu er-weitern. Die Basen sollen 4ber Nicht-Standard-Wasserstoff-br4cken oder sogar 4ber hydrophobe Wechselwirkungenmiteinander verbunden sein. Ein solches neues DNA-Basen-paar w4rde den Informationsgehalt der DNA vergr;ßern,indem es das genetische Alphabet um ein drittes Basenpaarbereichert.[205, 206, 222]

7.4. Proteinbasierte Sensoren und goldene Fluoreszenz

Absorption im nahen UV-Bereich und Fluoreszenz sindintrinsische Eigenschaften von Proteinen, die auf aromati-schen Aminos�ureresten beruhen; die Beitr�ge der Reste zudiesen Spektraleigenschaften sind additiv. Die Aminos�ureTryptophan ist seit langem ein Ziel von Substitutionsunter-suchungen, da die UV-Absorption der Proteine haupts�chlichdurch ihren Beitrag bestimmt wird.[120] Eine Ebersicht vonSzabo, Ross und Hogue beschreibt ausf4hrlich das Anwen-dungspotenzial von 5-Hydroxytryptophan, 7-Azatryptophan

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und fluorierten Trp-Analoga in der Fluoreszenz-Spektrosko-pie.[17] Zu den neuesten Fortschritten z�hlen der Einbau vonselenhaltigen Trp-Surrogaten (f4r die Strukturbiologie), phar-makologisch aktiven Schwefel-Surrogaten (Abbildung 10)sowie pH-empfindlichen Aminotryptophan-Analoga, die Per-spektiven f4r ein einfaches allgemeines Design von Sensorenauf der Basis von Proteinen er;ffnen (Abbildung 11).[105]

Ein weiterer Schritt hin zu einer Verwendung von Ami-noindolen war ihre Integration in den Chromophor des gr4nfluoreszierenden Proteins (GFP) aus der Qualle Aequoriavictoria (av), das seit kurzem als Standardreporter in der Zell-und Molekularbiologie sowie als Modell f4r Untersuchungenzur Photophysik von Chromophoren eingesetzt wird.[223] DeravGFP-Chromophor (4-(p-Hydroxybenzyliden)imidazolid-5-on) wird autokatalytisch in einer posttranslationalen Reakti-on der Reste Ser65, Tyr66 und Gly67 gebildet.[224] Diese Restesind ideale Ziele f4r Substitutionen, da ein Effekt anhand deroptischen Eigenschaften direkt erkennbar ist. Dabei ist zubeachten, dass jede beliebige aromatische Aminos�ure anPosition 66 den Aufbau eines fluoreszenzaktiven avGFP-Chromophors bewirken kann.[225] Da im Standardrepertoire

nur vier aromatische Aminos�uren zur Verf4gung stehen(Phe, His, Tyr und Trp), kann das spektrale Fenster durchdirektes Neudesign des avGFP-Chromophors nur begrenztver�ndert werden, und es 4berrascht nicht, dass in jahrelan-

Abbildung 11. Der Austausch von Trp gegen 4-Aminotryptophan machtdas pH-unempfindliche Protein Barstar zu einem pH-empfindlichenfluoreszierenden Protein. Die Lagen der Fluoreszenz-Emissionsmaxima(lmax) sind nur in (4-NH2)Trp-Barstar pH-abh�ngig.[103]

Abbildung 10. Der Einsatz eines erweiterten Aminos�urereper-toires in der R@ntgenkristallographie von Proteinen. a) Transla-tionsaktive nichtkanonische Aminos�uren mit Atomen, die alsBeugungsmarker f%r die R@ntgenkristallographie von Proteinengeeignet sind: Selenocystein (SeCys, 94),[160] Selenomethionin(SeMet, 2),[11] Telluromethionin (TeMet, 5),[13] b-Selenolo[3,2-b]pyr-rolyl-l-alanin ([3,2]Sep, 31),[74] b-Selenolo[2,3-b]pyrrolyl-l-alanin([2,3]Sep, 30),[101,105] o- ,m- oder p-brom- oder iodsubstituiertesPhenylalanin (X-Phe), o- oder m-brom- oder iodsubstituiertesTyrosin (X-Tyr).[81] b) Natives humanes rekombinantes Annexin Vmit einem einzelnen Trp an Position 157 kristallisiert in derRaumgruppe R3. c) Isomorphe Kristalle von Thieno[3,2-b]pyrrolyl)alanin-Annexin V. Die Aminos�ure ist pharmakologisch aktiv. d) Experimentellbestimmte Elektronenverteilungen best�tigen den kompletten Austausch der Benzylgruppen von Trp durch Selenophen-Einheiten von [3,2]Sep inPosition 53 des Proteins Barstar (Abbildung 11). F%r diesen Rest sind die Differenz-Fourier-Karten (Fo�Fc) mit 3.5 s (blau) und die 2Fo�Fc-Elek-tronendichtekarte bei 1 s (orange) %berlagert. e) Darstellung analog zu d) f%r den Austausch von Trp gegen [3,2]Sep an Position 157 in rekombi-nantem humanem Annexin V (Fo�Fc bei 3.0 s und 2Fo�Fc bei 1 s). f) Die Struktur von humanem rekombinantem Annexin V mit [3,2]Sep anPosition 157. F%r beide Proteine (Annexin V und Barstar) verlief der Einbau des Analogons isomorph: Faltungseigenschaften und Strukturen sindpraktisch identisch mit denen der Elternproteine.

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gen Bem4hungen mit klassischem Protein-Engineering keinesignifikant rotverschobenen Varianten des GFP aus A. victo-ria erhalten wurden (lmax < 530 nm). Offensichtlich ist f4reine grundlegende Modifikation des avGFP-Chromophorsein erweitertes Aminos�urerepertoire unentbehrlich.

Die Mutation Tyr66Trp (z. B. Ser65Thr/Tyr66Trp) f4hrt zuden verst�rkt cyan fluoreszierenden Proteinen (enhancedcyan fluorescent proteins, ECFPs) mit einer charakteristi-schen blaugr4nen Emission und einem Indolring als Bestand-teil des Chromophors. Der Austausch des Wasserstoffatomsan der 4-Position des Indolrings gegen eine elektronenlie-fernde Aminogruppe f4hrt zu einem gold fluoreszierendenProtein GdFP. Mit einer Stokes-Verschiebung von etwa100 nm ist dies die Aequoria-GFP-Variante mit der gr;ßtenRotverschiebung (Abbildung 12).[104] GdFP zeichnet sichaußerdem durch eine deutlich h;here Thermostabilit�t undh;here Stabilit�t als Monomer aus. Es wurde mit einem Trp-auxotrophen E.-coli-Stamm exprimiert und gereinigt. DieAusbeute war �hnlich hoch wie f4r das Elternprotein ECFP(� 30 mg L�1 Kultur), sodass es m;glich war, das Protein zukristallisieren, seine Struktur zu bestimmen sowie biochemi-

sche und biophysikalische Parameter zur Dynamik des Chro-mophors zu ermitteln.

Unter den verf4gbaren avGFP-Varianten ist nur ein Paarvon Proteinen, die bei derselben Wellenl�nge angeregt, aberbei zwei unterschiedlichen Wellenl�ngen detektiert werdenk;nnen. Das Design von GdFP er;ffnet weitere M;glichkei-ten, da drei Populationen Trp-auxotropher E.-coli-Zellencyan, gr4n und gold fluoreszierende Proteine exprimieren, diegetrennt detektiert werden k;nnen, nachdem sie mit Lichteiner Wellenl�nge angeregt wurden (Abbildung 12). Diesesaußerordentlich gelungene Beispiel f4r das Maßschneidernvon Proteinen ist wegweisend f4r vielf�ltige Markierungsan-wendungen.

Die Einsatzm;glichkeiten der maßgeschneidertenavGFPs als Markierung in S�ugetierzellen sind jedoch be-grenzt, da sie auf auxotrophe Bakterienst�mme oder Bakte-rienst�mme mit geeigneten orthogonalen Paaren angewiesensind. Es w�re ideal, S�ugetierzellen mit geeigneten orthogo-nalen Paaren oder orthogonalen Translationskomponentenauszur4sten, um die Expression von mehreren avGFP-Fusi-onsproteinen simultan zu untersuchen. Dies setzt jedoch die

Entwicklung exprimierbarer Reportersys-teme f4r die Verwendung in S�ugetierzellenvoraus.[198, 211,180]

7.5. Analoga, Isostere und Surrogate f�r dieBiomedizin

Bioisostere Verbindungen mit nahezuidentischen Strukturen, Formen und Volu-mina sowie �hnlichen Elektronenverteilun-gen k;nnten in biochemisch �hnlichen Sys-temen als Agonisten oder Antagonistenwirken und dadurch besondere biologischeEigenschaften hervorrufen. Richmond,[52]

Hortin und Boime,[50] Wilson und Hat-field[51] sowie Kirk[58] haben fr4he Studien4ber nichtkanonische Aminos�uren als An-timetaboliten ausf4hrlich zusammengefasstund deren herausragende antimikrobielle,antimykotische und Antitumorwirkungengezeigt. Diesen pharmakologischen Eigen-schaften, die m;glicherweise großes Poten-zial f4r biomedizinische Anwendungenhaben, wurde jedoch nur wenig Aufmerk-samkeit gewidmet.[15] Außer der Beteili-gung an der Proteinsynthese spielen nicht-kanonische Aminos�uren weitere Rollen,indem sie spezifisch mit metabolischen undkatabolischen Enzymen (Inhibition, Akti-vierung, Modulation) wechselwirken undBiosynthese, Umwandlung, Transport undSpeicherung von Aminos�uren beeinflus-sen.

Die Toxizit�t der nichtkanonischenAminos�uren resultiert h�ufig aus ihrerUmwandlung in Giftstoffe auf einem kom-plexen Stoffwechselweg. Mikroorganismen

Abbildung 12. Oben: Anregung unterschiedlich emittierender avGFP-Mutanten und Varianten, die inBakterienzellen exprimiert wurden, bei einer Wellenl�nge und Aufnahme durch ein konfokales Stan-dardmikroskop mit verschiedenen Emissionsfiltern. Die Fluorophore werden bei einer Wellenl�ngeangeregt und anhand ihrer Emissionswellenl�ngen unterschieden. Das gezeigte Experiment ist einBeispiel f%r eine nichtinvasive multiple In-vivo-Markierung: Trp-auxotrophe E.-coli-ATCC49980-Zellen[102] mit cyan (ECFP, Ser65Thr/Tyr66Trp), gr%n (EGFP, Phe64Leu/Ser65Thr) und gold fluoreszie-rendem Protein (GdFP) sind nach simultaner Anregung bei l=457 nm klar voneinander zu unter-scheiden. Unten: Die normalisierten Fluoreszenz-Emissionsspektren dieser avGFP-Klassen. Die Fluo-reszenz von ECFP zeigt zwei Emissionsmaxima (lmax1=475 nm, lmax2=506 nm). Das Emissionsmaxi-mum des „klassischen“ Mutanten EGFP (mit Tyr66 im Chromophor) ist weiter rotverschoben(lmax=508 nm).[223] Das maßgeschneiderte GdFP (mit (4-NH2)Trp66 im Chromophor) zeigt diegr@ßte Rotverschiebung (lmax2=576 nm). RF=normalisierte Fluoreszenzintensit�t.

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und Pilze wie Cephalosporine oder Penicilline produzierenungew;hnliche aminos�urehaltige Toxine, die in S�ugetierenoder anderen Mikroorganismen physiologisch hochgradigsch�dlich wirken. Pflanzen sind unter den lebenden Organis-men die besten Chemiker: Sie produzieren eine bemerkens-werte Vielfalt von Sekund�rmetaboliten wie Alkaloide, Ter-pene und Tannine, um sich vor Fressfeinden, Parasiten undViren zu sch4tzen. Viele pflanzliche Aminos�uren sind denkanonischen strukturell sehr �hnlich und k;nnen den Stoff-wechsel anderer Organismen schwer sch�digen. Beispiels-weise verursacht die nichtkanonische Aminos�ure MimosinHaarausfall bei Weidevieh und Schafen, wenn diese aufFl�chen grasen, die mit Leucaena leucocephala oder Mimosapudica bewachsen sind. Viele Pflanzen, die f4r Weidetieretoxisch sind, enthalten selen- oder schwefelhaltige Amino-s�uren.[148]

Die Toxizit�t von 3-Fluortyrosin, 3-Fluorphenylalaninund 5-Fluortryptophan ist besonders gut erforscht; sie resul-tiert aus der Bildung von Fluoracetat 4ber den dominantenTyr-Stoffwechselweg, der bereits vor 4ber 30 Jahren entdecktwurde.[226–228] Das toxische Fluoracetat ist die am weitestenverbreitete nat4rliche Fluorkohlenstoffverbindung. Es wurdein mehr als 40 tropischen und subtropischen Pflanzenspeziesgefunden. Außerdem produzieren es einige Mikroorganis-men, wenn sie auf fluoridhaltigen Medien kultiviert werden.Bislang ist unbekannt, ob man solche Strategien von derNatur 4bernehmen kann, um gezielt Tumorzellen zu t;ten. Inder Chemotherapie erlangt man die beste Wirkspezifit�t undTransportselektivit�t, indem man Proteine als Transportereinsetzt (Protein-Shuttle; Abbildung 13). Beispielsweise istbekannt, dass 3-Fluortyrosin in S�ugetiergeweben in letaleStoffwechselprodukte wie Fluorcitrat und Fluoracetat umge-wandelt wird;[58] das gleiche geschieht in Tumorzellen. Folg-lich besteht die Aufgabe darin, den Transport der cytotoxi-schen Aminos�uren in die Tumorzellen zu gew�hrleisten(Abbildung 14). Nach der Einschleusung freigesetzte cytoto-xische Aminos�uren haben zwei M;glichkeiten: 1) denEinbau in andere Proteine (d.h. Wiedereintritt in die Prote-intranslation) und 2) den Eintritt in den intrazellul�ren

Stoffwechsel. Die cytotoxische Wirkung folgt wahrscheinlicheinem von Pattison formulierten allgemeinen Prinzip: „JedeVerbindung ist toxisch, die in einfachen biochemischenProzessen Fluoressigs�ure bilden kann“.[229]

7.6. Nichtkanonische Aminos�ure-Surrogate im Gehirn?

Viele Surrogate sind aktiver als ihre Elternmolek4le. Einbekanntes Beispiel ist das Lactose-Surrogat Isopropyl-b-thiogalactosid (IPTG), das ein viel st�rkerer Induktor deslac-Operons ist als Lactose selbst. Neuroregulatorische Ami-nos�uren und ihre Derivate erf4llen nicht nur im Gehirn,sondern im gesamten Nervensystem entscheidende bioche-

Abbildung 13. Proteine mit cytotoxischen Aminos�uren als m@gliche nichtinvasive Wirkstofftransporter.[15] Antibiotische Aminos�uren wie Penicill-amin, Azaleucin, Azatyrosin, Thiaprolin, Furanomycin oder starke Antimetaboliten wie fluorierte Aminos�uren oder Canavanin k@nnen in Proteineeingebaut werden. Von rekombinanten Proteinen mit derartigen pharmazeutisch aktiven Aminos�uren erwartet man, dass sie Targets im menschli-chen K@rper spezifisch ansteuern und als „Shuttles“, „Trojanische Pferde“ oder „Magic Bullets“ wirken k@nnen.

Abbildung 14. Humanes rekombinantes Annexin V, isomorph substituiert mit dernichtkanonischen Aminos�ure Thiaprolin.[14] Die Struktur des Proteins wird durchden Austausch nicht ver�ndert. Cytotoxische Aminos�uren wie Thiaprolin k@nnenals diagnostische Marker dienen. Sie sind kovalent in das Polypeptid integriert,das eine inaktive Wirkstoffvorstufe darstellt, und sollten w�hrend des Transportsnicht toxisch wirken. Die strukturellen, funktionellen und immunogenen Eigen-schaften des transportierenden Proteins (z.B. eines Antik@rpers, Cytokins, Wachs-tumsfaktors oder gewebespezifischen Proteins) sollen so wenig wie m@glich ver-�ndert werden.

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mische Aufgaben. Zahlreiche neurologisch aktive Substanzenentstehen aus Aminos�uren, und die Aufnahme von Amino-s�uren ins Gehirn ist außerordentlich wichtig f4r die Steue-rung der Hirnfunktionen. Die Zusammensetzung des Vorratsan freien Aminos�uren im Gehirn unterscheidet sich starkvon derjenigen anderer Gewebe. Aufnahme und Umwand-lung solcher Aminos�uren bestimmen oft die Geschwindig-keit der neurologischen Prozesse ihrer Derivate. Beispiels-weise f4hrt die Verabreichung großer Mengen von Trp inRatten zu einer verst�rkten Synthese des Neurohormons 5-Hydroxytryptamin (Serotonin).[230]

Die neurologische Aktivit�t einiger nichtkanonischerAminos�ure-Analoga und -Surrogate sowie ihrer Derivateist seit langer Zeit bekannt.[231, 232] Der Transport dieserSubstrate 4ber die Blut-Hirn-Schranke, frei oder durcheinen Peptid- oder Protein-Carrier, k;nnte das Gehirn mitneuen, synthetischen Substanzen versorgen.

Die gelockerte Substratspezifit�t der Gehirnenzyme l�sstsich an den Beispielen der unspezifischen aromatischenAminos�ure-Decarboxylase sowie der Dopamin-b-Hydroxy-lase beschreiben. Die Enzyme sind f4r die Umwandlung einerReihe von Tyr-Derivaten in Analoga von Norepinephrinsowie die Umwandlung der von 5-Hydroxytryptophan abge-leiteten Serotonine verantwortlich. Auch die Speichermecha-nismen sind wenig selektiv: Sie unterscheiden nicht zwischenprozessierten (decarboxylierten) kanonischen Aminos�urenund ihren Aminos�ure-Surrogaten.[233] Diese Merkmalek;nnten dabei helfen, die synaptische Aktivit�t mithilfe vonnichtkanonischen Aminos�ure-Analoga oder -Surrogaten zumodulieren, da diese in einige Stoffwechselwege ihrer kano-nischen Gegenst4cke eintreten und Metaboliten bilden k;nn-ten, die nat4rliche Neurotransmitter ersetzen w4rden.

Aminos�urebasierte Neurohormone sind an vielen neu-rologischen Prozessen und Gehirnfunktionen beteiligt. Daherist es denkbar, dass Surrogate und Analoga den Hormon-haushalt des Gehirns st;ren und sogar den Bewusstseinszu-stand �ndern k;nnten. Aminos�ure-Surrogate sollten dieUntersuchung der Chemie des Gehirns, der molekularenGrundlagen des Denkens, des Ged�chtnisses und der Sinnes-wahrnehmung erleichtern und die Entwicklung wirksamerMedikamente unterst4tzen.[234]

8. Die Zukunft des Engineerings des genetischenCodes

8.1. Proteinchemie und Genetik: Vergangenheit und Gegenwart

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts hatten Proteinchemikerdie meisten Aminos�uren identifiziert, die heute als dieGrundbausteine aller Proteine bekannt sind. Zur gleichenZeit erkl�rten Fischer[235] und Hofmeister[236] die Verkn4p-fung von Aminos�uren in Proteinen durch die „Peptid-Hypothese“ (Konzept der Peptidbindung). Fast ein halbesJahrhundert dauerte die Entwicklung von Analysetechniken,bis die Hypothese mit der Sequenzierung von Insulin durchSanger endg4ltig best�tigt wurde.[237] Wie die Aminos�uren zuden Polypeptidketten verkn4pft werden, wurde erst klar, alsexperimentell nachgewiesen wurde, dass RNA-Template die

Synthese aller Proteine steuern. Erst an diesem Punkt war diedirekte Verbindung zwischen der Proteinsynthese in Orga-nismen und ihrem genetischen Programm offensichtlich.

Nach ihrer eindeutigen Identifizierung als Tr�gerin desErbguts durch Avery, Hershey und Chase[238,239] richtetenBiologen, Chemiker und Physiker ihr Interesse auf die DNA.Sicherlich ebnete das „Ein-Gen-ein-Protein“-Konzept vonBeadle[240,241] den Weg f4r die Entdeckung der Regulation derGenexpression durch Jacob und Monod.[242] Nach der Ent-schl4sselung des genetischen Codes[3, 4] war die Entwicklungnicht mehr aufzuhalten. In den fr4hen 70er Jahren waren fastalle entscheidenden Konzepte der Genetik etabliert, dieheute zum biochemischen Grundwissen z�hlen. Das „Ein-Gen-ein-Protein“-Konzept passt sicherlich nicht in das heu-tige Bild eines vielschichtigen Proteoms, seine historischeBedeutung als eine Arbeitshypothese, die zu wichtigenEntdeckungen und Entwicklungen gef4hrt hat, ist jedochunbestritten.

Ans�tze zum Einbau nichtkanonischer Aminos�uren inProteine entwickelten sich bereits in den 50er Jahren,[52] aneiner Erweiterung des Aminos�urerepertoires konnte jedocherst nach der Einf4hrung der rekombinanten DNA-Techno-logie gearbeitet werden. Wie bei der Entschl4sselung desgenetischen Triplett-Codes, m4ssen auch hierbei OrganischeChemie und Genetik Hand in Hand zusammenarbeiten. Dieneuen Vorhaben zielen 4ber die Herstellung von Proteinenmit synthetischen Aminos�uren hinaus auf eine Ver�nderungdes universellen genetischen Codes und eine m;gliche k4nst-liche Evolution.

8.2. Theorien zum genetischen Code und zum Code-Engineering

Untersuchungen zu Natur und Entwicklungsgeschichtedes genetischen Codes waren seit jeher eine Dom�ne derTheoretischen Biologie, die Suche nach den M;glichkeitenzur Erweiterung des Aminos�urerepertoires fiel jedoch derProteinchemie zu. Das Gebiet der molekularen Evolutionwurde in den letzten Jahrzehnten durch Untersuchungen anunterschiedlichen Evolutionsmodellen f4r den genetischenCode gepr�gt, die das experimentelle Engineering des gene-tischen Codes allerdings nur wenig beeinflussten.

Mit den klassischen Experimenten von Miller[25] 4ber diespontane pr�biotische Synthese von Aminos�uren begann dieSuche nach dem Ursprung des Lebens mithilfe von experi-mentellen Ans�tzen. Hinsichtlich des genetischen Codesbeschr�nkt sich die große Mehrheit der Beitr�ge auf theore-tische Aussagen; nur wenige Autoren haben sowohl theore-tische als auch praktische Forschungen angestellt. Yarusbemerkte dazu k4rzlich: „the immediate future of the codeorigin appears to be in hands of experimentalists“.[243] Wonget al. lieferten historisch wichtige Beitr�ge zur Erweiterungdes Aminos�urerepertoires,[66,172] dar4ber hinaus postuliertedie Coevolutionstheorie f4r den Ursprung des genetischenCodes, dass bei der Erweiterung des genetischen CodesVorl�ufer-Aminos�uren aus sich entwickelnden Biosynthese-wegen einbezogen wurden.[244] Demnach sollte eine Erweite-rung der Codierungskapazit�ten des bestehenden genetischenCodes m;glich sein, wenn Mikroorganismen zus�tzlich mit

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neuen Biosynthesewegen f4r Aminos�uren ausgestattetwerden, die mit der Physiologie und dem Stoffwechsel derZellen kompatibel sind. Das Aminos�urerepertoire kannsomit nicht frei erweitert werden, indem man die Effizienzeiner einzelnen Funktion maximiert, sondern diese Entwick-lung ist mit einem Ausbau weiterer Stoffwechsel- und Bio-synthesewege der Zelle verbunden. Neuere Experimente vonMehl et al. scheinen dies zu best�tigen.[149]

Weitere Aspekte der Evolution des genetischen Codes,z. B. seine Pr�gung durch Selektionsdr4cke, die F�higkeit zurMinimierung von Translationsfehlern und seine Flexibilit�t,k;nnten dem experimentellen Code-Engineering den Wegweisen. Wenn man die immense Komplexit�t der betrachte-ten biologischen Systeme ber4cksichtigt, sollte es nicht 4ber-raschen, dass trotz der Menge an Untersuchungen zurEvolution des genetischen Codes keine allgemein anerkann-ten Konzepte vorliegen.

Wahrscheinlich werden wir den Ursprung und die Ent-wicklung des Codes nie exakt entschl4sseln. Der genetischeCode ist ein Produkt der Darwinistischen Evolution,[44,245] undDarwinismus ist per se ein historisches Konzept. Daher bleibtdas Experiment beim Engineering des genetischen Codes derPr4fstein f4r Vorhersagen, Hypothesen und Erwartungen.Und selbst damit sind unl;sbare Komplikationen und Kon-troversen schwer zu vermeiden: Ein Beispiel ist das „U“ inder zweiten Position von Tripletts, die hydrophobe Amino-s�uren codieren. Auf diese Weise konserviert der genetischeCode die Hydrophobizit�t gegen4ber zuf�lligen Nucleotid-Mutationen. Das 4berrascht nicht, denn diese Eigenschaft isteine wichtige Triebkraft f4r die Proteinfaltung. Demgegen-4ber ist es bekanntermaßen h�ufig schwer, eine einzelneEigenschaft von Aminos�uren des Standardrepertoires zucharakterisieren. Beispielsweise ist nicht gekl�rt, ob Trp alshydrophob einzustufen ist:[246,247] Mehr als vierzig Hydropho-bizit�tsskalen sind beschrieben worden, und viele widerspre-chen sich bez4glich der hydrophoben/hydrophilen Natur vonTrp.[248]

8.3. Code-Engineering und De-novo-Protein-Design

Die Begriffe „Protein-Engineering“ und „Protein-Design“, die in zahlreichen zeitgen;ssischen Forschungsbe-richten verwendet werden, beziehen sich gew;hnlich aufModifikation oder Neugestaltung programmierter Protein-module. Diese werden in der Regel durch Mustererkennungoder Austausch (Permutation) unter den 20 kanonischenAminos�uren identifiziert. Beide Wege wurden in der Evo-lution 4ber mehrere Milliarden Jahre durch vielf�ltige Selek-tionsdr4cke optimiert. In den vergangenen zwanzig Jahrenhaben sich zwei grundlegend unterschiedliche Ans�tze ent-wickelt: 1) eine „rationale“ Neugestaltung durch ortsgerich-tete Mutagenese. Diese Methode setzt voraus, dass diedreidimensionale Struktur des Proteins bekannt ist. Außer-dem muss vorhersagbar sein, welchen Effekt ein Austauschunter den 20 kanonischen Aminos�uren hat, und 2) Zufalls-mutationstechniken wie das „DNA-Shuffling“, das auf einemMutations/Selektions-Ansatz beruht und den nat4rlichenSelektionsprozess imitiert.

Obwohl zahlreiche Untersuchungen und experimentelleBeobachtungen 4ber die Faltungseigenschaften von Protei-nen ver;ffentlicht worden sind, gibt es immer noch keineallgemeinen Regeln f4r ein erfolgreiches De-novo-Protein-Design.[249] Der schnelle Fortschritt der Strukturbiologie, dersich im drastischen Anstieg der Zahl bekannter dreidimen-sionaler Strukturen widerspiegelt, trug 4berraschenderweisenur wenig dazu bei, die Probleme des rationalen Designs zul;sen. Trotz des Aufsehens, das ihre Ver;ffentlichung erregte,hat die Aufkl�rung der Strukturen aller Translationskompo-nenten, einschließlich des Ribosoms,[250] die experimentelleErweiterung des genetischen Codes nur marginal vorange-bracht. Die k4rzlich ermittelte Struktur des TyrRS/tRNACUATyr-Paars aus Methanococcus jannaschii[251] erkl�rt beispiels-weise die strukturelle Grundlage der Orthogonalit�t – aller-dings a posteriori, nachdem die neue aaRS-Substratspezifit�tbereits etabliert war! Auch wenn dreidimensionale Struktu-ren wertvolle Ausgangspunkte f4r Designversuche sind, sowird doch deutlich, dass diese vorwiegend mechanistischenund beschreibenden Methoden den Anforderungen an einrationales Proteindesign und Code-Engineering nicht gerechtwerden. Man kann hoffen, dass die Proteinchemie durch dasCode-Engineering der biochemischen Forschung k4nftig eineandere Richtung geben kann – weg von den vorherrschenden,beschreibenden Ans�tzen, hin zu einer Forschung, die durchIntuition, neue Konzepte und Erfindergeist gepr�gt ist.

Das Problem des De-novo-Designs von Proteinen wirdnicht alleine durch die Erweiterung des Aminos�urereper-toires gel;st. Schon auf dem jetzigen Entwicklungsstand sindviele F�lle bekannt, in denen sich translationsaktive Amino-s�uren ung4nstig auf die Faltung und die strukturelle Integ-rit�t der Target-Proteine auswirken. Viele interessante nicht-kanonische Aminos�uren k;nnen also nicht einfach ohneNeugestaltung oder De-novo-Design in ein nat4rliches Pro-teinger4st eingebaut werden. Bildlich gesprochen sind wir inder gleichen Situation wie die Baumeister im fr4hen Mittel-alter, die sich ihr Material aus griechischen und r;mischenPrunkbauten beschafften.

8.4. Perspektiven des Code-Engineerings

Alle Fortschritte in den Naturwissenschaften, auch Ent-wicklungen zur k4nstlichen Erweiterung des genetischenCodes, beeinflussen die Gesellschaft, indem sie neue Tech-nologien bereitstellen und Perspektiven er;ffnen. Oft werfenFortschritte jedoch auch zahlreiche philosophische, religi;seund ethische Fragen auf. Sie k;nnen einschneidende Neube-wertungen bewirken, Obsoletes verdr�ngen, oder sogar dazuf4hren, dass sich in einer Gesellschaft neue ideologische,religi;se oder ethische Standpunkte herausbilden.

In der Sichtweise des Darwinismus w4rde man dengenetischen Code als denjenigen Bestandteil der Zellchemieverstehen, der die Eberlebensf�higkeit in einer bestimmtenUmgebung zu sichern hat.[45] Diesem Konzept zufolge entwi-ckeln sich biologisch aktive nat4rliche Proteine und lebendeOrganismen ohne Beteiligung bewusster Steuerelemente.[252]

Demgegen4ber w�re das Engineering neuer Funktionen ink4nstlichen Proteinen oder sogar Zellen mit einem erweiter-

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ten Aminos�urerepertoire ein Beispiel f4r bewusstes, vomMenschen gesteuertes Design.

Vom praktischen Standpunkt betrachtet, wird sich dieexperimentelle Forschung in den kommenden Jahrzehntenhaupts�chlich darauf konzentrieren, das vorhandene Wissen4ber die grundlegenden Faktoren hinter der Organisation desgenetischen Codes zu nutzen, um weitergehende Manipula-tionen durchzuf4hren. Dabei wird man sich in einem weitausgr;ßeren Maß als heute der Evolutionsstrategie der Naturbedienen. Die nat4rliche Selektion ist kein zuf�lliger Prozess,sondern sie wird durch die Umgebung gepr�gt. Sie ist einstatistisches Ereignis, das andernfalls extrem unwahrschein-liche, aber anpassungsf�hige genetische und ph�notypischeKombinationen bevorzugt. Dieser Prozess ist hochgradiginnovativ und teleonomisch, da er eine Funktion in einerbestimmten Umgebung verbessert.

Die Entwicklung maßgeschneiderter Proteine, die inspezialisierten Zellen (mit einem gezielt ver�nderten geneti-schen Code) hergestellt werden, um in einer definiertenUmgebung eine bestimmte Aufgabe zu erf4llen, leitet die„Post-Proteom-Gra“ ein. Dennoch sollte man Fortschritte aufdiesem Gebiet auch in Zukunft nicht als „revolution�r“bezeichnen – auch Intuition und Forschergl4ck sind wichtigeFaktoren f4r bahnbrechende Entdeckungen. Ein weitererGrund daf4r, immer skeptisch gegen4ber als „revolution�r“Bezeichnetem zu sein, liegt in der Tatsache, dass letztlich nurgeschicktes und engagiertes Experimentieren solche Ent-wicklungen erm;glichen kann. Weiterhin ist es schwer vor-stellbar, dass ein gefeierter Fortschritt zu einem „Paradig-mensprung“ f4hrt. – Vielmehr sollte man an ein graduellesAnpassen der Konzepte und experimentellen M;glichkeitendenken, die in der Tradition von Mendel und Darwin stetskritisch gepr4ft und verbessert werden m4ssen.

Addendum

Seit Einreichen dieses Aufsatzes wurde eine Reihe wich-tiger Beitr�ge zu diesem aufstrebenden Forschungsgebietver;ffentlicht.

Prolin- und Phenylalanin-Analoga und -Surrogate : DieErwartung, dass Prolin-Analoga und -Surrogate wie cis- undtrans-4-Hydroxyprolin, Piperidin-2-carbons�ure und Azeti-din-2-carbons�ure durch Engineering oder eine einfacheErh;hung der intrazellul�ren Konzentration von Prolyl-tRNA-Synthetase (ProRS) translationsaktiv werden k;nnen(Abschnitt 4.7), wurde von Conticello und Mitarbeitern be-st�tigt.[256] Sie bauten diese Aminos�uren effizient in rekom-binantes Elastin ein, indem sie Pro-auxotrophe St�mme mitnativer genomischer Hintergrundaktivit�t von ProRS ver-wendeten oder Pro-defiziente St�mme, die mit erh;htenMengen nativer oder mutanter ProRS ausger4stet waren,deren Expression durch ein orthogonales Promotorsystemkontrolliert wurde. Bentin et al. gelang auf �hnliche Weise,durch Verwendung der PheRS-Mutanten PheRS-aAla294Gly mit gelockerter Substratspezifit�t, der Einbaugr;ßerer Mengen der photoreaktiven bicyclischen Amino-s�ure Benzofuranylalanin in ein Modellprotein.[257]

Identit.tsproblem : Ein wichtiger Beitrag zur „Identit�t“von Aminos�uren (Abschnitt 2.3) mit Bezug auf die Protein-Translationsmaschinerie kommt von Tirrell und Kumar.[258]

Darin best�tigen sie die Hypothese, dass dieselbe Aminos�u-re das Substrat f4r zwei Synthetasen ist und folglich auf zweiverschiedenen tRNAs geladen werden kann, die dann die-selbe „Identit�t“ h�tten. Es ist bekannt (siehe z. B. Lit. [259]und [260]), dass der Anteil der tRNA-Misacylierungen mitder Erh;hung der aaRS-Konzentration im Cytosol steigt. Indieser Arbeit wird explizit gezeigt, wie Gnderungen derCytosol-Konzentrationen von aaRS in bakteriellen Expressi-onswirten dazu f4hren, dass ein und dieselbe RNA-Informa-tion unterschiedlich interpretiert wird. Tirrell, Kumar undMitarbeiter zeigten dies am Beispiel der nichtkanonischenAminos�ure (2S,3R)-4,4,4-Trifluorvalin, deren Identit�t inder Proteintranslation dadurch ver�ndert werden kann, dasssie entweder Isoleucin- oder Valin-Codons zugeordnet wird.Die Zuordnung richtet sich nach den intrazellul�ren Konzen-trationen von Isoleucyl- und Valyl-tRNA-Synthetase imExpressionswirt. Dieses hervorragende Beispiel zeigt, wiedas Wissen um kinetische Gr;ßen, speziell um die rela-tiven Geschwindigkeiten konkurrierender Aminoacylierun-gen, die Erweiterung des Aminos�urerepertoires f;rdernkann.

Verbindung zwischen Theorie und Experiment : Die Er-gebnisse in Lit. [254] erwiesen sich als maßgeblich f4r dasVerst�ndnis des Ursprungs eines alternativen genetischenCodes, wobei die Hypothese einer mehrdeutigen Zwischen-stufe (ambiguous intermediate) von Schultz und Yarus be-vorzugt wird.[261, 262] Zwei j4ngere Ver;ffentlichungen zeigen,dass auch Forscher, die sich vom Standpunkt der Theoreti-schen Biologie aus mit der Evolution des genetischen Codesbesch�ftigen, eine alte Tradition wieder aufnehmen (sieheauch Abschnitt 2.2, Lit. [27]) und Experimenten zum Code-Engineering zunehmend Aufmerksamkeit schenken. Erw�h-nenswert sind eine Ebersicht von Bacher, Hughes, Wong undEllington[263] sowie ein Kommentar von Cavalcanti undLandweber,[264] die verschiedene Hypothesen zu Entstehungund Entwicklungsm;glichkeiten des genetischen Codes imLicht der Ergebnisse neuer Code-Engineering-Experimentebetrachten.

Weitere Beitr.ge und >bersichten zum Thema : In derZwischenzeit hat die Arbeitsgruppe von Schultz 4ber dieVerwendung orthogonaler TrpRS/tRNATrp berichtet, die dasOpal-Codon effizient supprimiert und den selektiven Einbauvon (5-OH)Trp in Proteine von S�ugetierzellen erm;g-licht.[265] Einen weiteren Erfolg erzielten sie bei Design undHerstellung eines orthogonalen Synthetase/tRNA-Paares aufder Grundlage der tRNALys-Sequenzen von Archaea. DiesesPaar erwies sich als wirksam bei der Frameshift-Suppressiondes Quadruplettcodons AGGA;[266] außerdem war es miteinem Amber-orthogonalen System kompatibel, sodass dersimultane Einbau von Homoglutamin und O-Methyltyrosinan definierten Positionen in Myoglobin gelang. Die neuestenEbersichten von Link et al.,[267] Hahn et al.[268] sowie Anth-ony-Cahill und Maglierly[269] , bieten einen ausgewogenenEberblick 4ber das gesamte Gebiet, spezialisierte Ebersich-ten besch�ftigen sich eingehender mit der stellungsspezifi-schen Markierung durch chemoenzymatisch acylierte

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tRNAs[270,271] und die posttranslationale Chemie der entste-henden Proteine.[272]

Nichtkanonische DNA-Basenpaare : Den Ansatz vonBenner und Mitarbeitern (1989), mithilfe komplement�rerNucleotide ein neue Watson-Crick-Basenpaare zu erzeugen,machten sich Yokoyama und Mitarbeiter k4rzlich zunutze.[273]

Sie zeigten, dass auch DNA mit un4blichen Basenpaaren inRNA transkribiert wird. Der schnelle Fortschritt bei Designund Konstruktion nichtkanonischer Basenpaare durch dieGruppen um Benner, Eaton, Kool, Hirao, Rombesberg,Yokoyama und Schultz wurde k4rzlich von Bergstrom zu-sammengefasst.[274]

Neben experimentellen Ergebnissen und kritischen Beobach-tungen pr.sentiert dieser Aufsatz einige Themen und Erkennt-nisse, die mich schon lange besch.ftigt haben. Neue Ideen,Konzepte und innovative Arbeiten gedeihen dort am besten,wo ihnen die Freiheit zur Entfaltung geboten wird, dort, woGruppenleiter ihren Kollegen erm3glichen, ab und an dieGrenzen ihrer Projekte zu #berschreiten. In den vergangenenelf Jahren durfte ich in einem solchen Umfeld forschen. Daherm3chte ich meinenMentoren Robert Huber und Luis Morodermeine Dankbarkeit und tiefste Anerkennung ausdr#cken, diemir die Infrastruktur ihrer Laboratorien und die Unterst#tzungdurch ihre Belegschaft zur Verf#gung stellten, mich in meinerArbeit immer wieder ermutigten und mir allem voran Freihei-ten einr.umten. Ich danke auch Waltraud Wenger, TatjanaKrywcun und Petra Birle f#r ihre hervorragende technischeUnterst#tzung, Freundlichkeit und die angenehme kreativeArbeitsatmosph.re. Mein besonderer Dank gilt meiner Fami-lie, besonders meiner Frau Monika f#r ihre Liebe und ihrVerst.ndnis f#r meinen „wissenschaftlichen“ Lebensstil.

Eingegangen am 29. Dezember 2003,ver�nderte Fassung am 5. April 2004Ebersetzt von Dr. Thomas Fritzsche, Heidelberg

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