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Proseminar zur Linearen Algebra und Elementargeometrie Bewegungen der hyperbolischen Ebene Wintersemester 2016/17 Markus Schulze [email protected] Prof. Dr. L. Schwachh¨ ofer Technische Universit¨ at Dortmund

Proseminar zur Linearen Algebra und Elementargeometrie ......, so existiert eine Isometrie f2Iso(H) mit f(A) = A0, f(B) = B0und f(C) = C0. Damit ist dieses Axiom aquivalent zum Kongruenzsatz

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  • Proseminar zur Linearen Algebraund Elementargeometrie

    Bewegungen der hyperbolischen Ebene

    Wintersemester 2016/17

    Markus [email protected]

    Prof. Dr. L. Schwachhöfer

    Technische Universität Dortmund

    mailto:[email protected]

  • Inhaltsverzeichnis

    1 Bewegungen der hyperbolischen Ebene 31.1 Vorbemerkung, Axiome, Definitionen und Sätze . . . . . . . . . . . . . . . 3

    1.1.1 Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31.1.2 III. Anordnungsaxiom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31.1.3 IV. Bewgungsaxiom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41.1.4 Axiom M5 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41.1.5 Defintion IV.1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41.1.6 Satz IV.1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41.1.7 Defintion P1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41.1.8 Definition des Doppelverhältnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61.1.9 Definition P2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61.1.10 Folgerung P1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71.1.11 Folgerung Parameterdarstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7

    1.2 Bewegungen im Poincaré-Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81.2.1 Satz P1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91.2.2 Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111.2.3 Satz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111.2.4 Folgerung P2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141.2.5 Satz P2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141.2.6 Nachweis des Bewegungsaxioms . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171.2.7 Nachweis des Axioms M5 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19

  • 1 Bewegungen der hyperbolischen Ebene

    1.1 Vorbemerkung, Axiome, Definitionen und Sätze

    1.1.1 Vorbemerkung

    In dieser Ausarbeitung wird das Thema der Bewegungen im Poincaré-Modell bear-beitet. Hierfür wird die hyperbolische Geometrie verwendet (genauer genommen ist dieseAusarbeitung ein Teil bzw. Beitrag zum Gesamtziel, für das schrittweise gezeigt wird,dass die hyperbolische Geometrie eine Geometrie ist), also eine nichteuklidische Geome-trie, die dadurch entsteht, dass anstatt des Parallenaxioms der euklidischen Geometrie,das widersprechende hyperbolische Axiom verwendet wird. Zusammen mit den Axiomender absoluten Geometrie ergibt sich die sogenannte hyperbolische Geometrie.Es ändert sich also beispielhaft, dass es zu einer Gerade und einem Punkt, der nicht aufder Gerade liegt, nicht nur eine parallele Gerade gibt, sondern unendlich viele. Weiterhingilt in diesem Poincaré-schen Modell:

    1. Die hyperbolische Ebene wird dargestellt durch die obere Halbebene .

    2. Hyperbolische (bzw. nichteuklidische) Geraden werden durch Halbgeraden und Kreisbögendargestellt, die auf der Randgeraden senkrecht stehen.

    Mit der Frage, wie in einer solchen nichteuklidischen Geometrie Spiegelungen, Verschie-bungen, zentrische Streckungen, also ganz allgemein, Bewegungen aussehen, beschäftigtsich diese Ausarbeitung. Im letzten Schritt wird dann die Gültigkeit des Bewegungsaxiomsgezeigt.Die Primärliteratur für diese Ausarbeitung beruht auf dem Buch von Andreas Filler,Euklidische und nichteuklidische Geometrie des Wissenschaftsverlag.Im Folgenden sind nun einige Axiome, Definitionen und Sätze aufgeführt, die als Grund-lage dieser Ausarbeitung dienen. Die Sätze werden hierbei als bewiesen angesehen, so dassdies nicht erneut getan werden muss.

    Bemerkung: In den bisherigen Vorträgen des Proseminares Lineare Algebra und Ele-mentargeometrie (WS 16/17) wurde der Abstand zwischen zwei Punkten A,B durchdie Notation d(A,B) beschrieben. Im folgenden wird diese Notation geändert, sodass dernichteuklidische Abstand zwischen zwei Punkten A,B nun durch |AB|N beschrieben wird.

    1.1.2 Axiom III: Anordnungsaxiome

    III/1 Zu jeder nicht negativen reellen Zahl a und jedem Punkt O der Ebene existiert aufjedem Strahl mit dem Anfangspunkt O genau ein Punkt A mit |OA| = a.

    III/2 Eine beliebige Gerade g teilt die Menge der ihr nicht angehörenden Punkte derEbene in zwei nichtleere, disjunkte Mengen derart, dass

  • Bewegungen der hyperbolischen Ebene Proseminar Lineare Algebra

    a) die Verbindungsstrecke zweier beliebiger Punkte, die verschiedenen Mengenangehören, die Gerade g schneidet.

    b) die Verbindungsstrecke zweier beliebiger Punkte, die derselben Menge angehören,die Gerade g nicht schneidet.

    1.1.3 Axiom IV: Bewegungsaxiom

    Wenn der Abstand zweier Punkte A und B positiv und gleich dem Abstand zweier PunkteC und D ist, dann gibt es genau zwei Bewegungen, die A auf C und B auf D abbilden.Eine Halbebene bezüglich der Geraden AB wird bei jeder dieser beiden Bewegungen aufeine andere Halbebene bezüglich CD abgebildet.

    1.1.4 Axiom M5

    Aus der Ausarbeitung”Axiomatische Beschreibung der euklidischen Geometrie“ von Tho-

    mas Honermann und Johannes Klee ergibt sich für das Axiom M5, angewandt auf diehyperbolische Ebene:Sind A,B,C und A′, B′, C ′ jeweils drei Punkte aus H := {(x, y) ∈ R2 | y > 0} und es gilt|AB|N = |A′B′|N , |AC|N = |A′C ′|N und |BC|N = |B′C ′|N , so existiert eine Isometrief ∈ Iso(H) mit f(A) = A′, f(B) = B′ und f(C) = C ′.Damit ist dieses Axiom äquivalent zum Kongruenzsatz

    ”SSS“. Es gilt, dass das Dreieck

    4ABC unter der Abbildung f erhalten wird: f(4ABC) = 4A′B′C′

    1.1.5 Defintion IV.1

    Als Bewegungen werden Abbildungen der Ebene auf sich bezeichnet, die Abstände be-liebiger Punktepaare unverändert lassen.

    1.1.6 Satz IV.1

    Jede Bewegung ist eine eineindeutige Abbildung.

    Die im Modell definierten Grundbegriffe der Lobatschewski-Geometrie bezeichnen wir alsnichteuklidische Punkte (N-Punkte), N-Geraden usw.

    1.1.7 Defintion P1

    Es sei eine beliebige euklidische Ebene ε und in dieser Ebene eine Gerade u gegeben.

    a) Als nichteuklidische Ebene (N-Ebene)H bezeichnen wir eine der beiden offenenHalbebenen von ε bezüglich der Randgeraden u.

    b) Nichteuklidische Punkte (N-Punkte) nennen wir alle euklidischen Punkte derunter a) ausgezeichneten offenen Halbebene.

    c) Nichteuklidische Geraden (N-Geraden) sind alle vollständig in H liegendenoffenen Halbkreise, deren Anfangspunkte u angehören. Die N-Geraden, welche alseuklidische Halbkreise aufgefasst werden, nennen wir auch N-Geraden vom Typ

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  • Bewegungen der hyperbolischen Ebene Proseminar Lineare Algebra

    1, die als euklidische Halbgeraden aufgefassten N-Geraden N-Geraden vom Typ2 (siehe Abbildung 1.1.1)

    Abbildung 1.1.1

    Bemerkung

    1. Die Gerade u wird auch als Randgerade der nichteuklidischen Ebene H bezeich-net. Sie gehört ihr jedoch selbst nicht an, ist also in diesem Modell kein Objekt dernichteuklidischen (Lobatschewski-Geometrie). Gleiches gilt für die Mittelpunkte derunter c) beschriebenen Halbkreise und ebenso für die Anfangspunkte der Halbgera-den. Sie werden aus

    ”euklidischer Sicht“ benötigt, um die nichteuklidischen Geraden

    zu definieren, sind aber aus nichteuklidischer Sicht nicht vorhanden (wie wir spätersehen werden, können sie als unendlich ferne Punkte aufgefasst werden). Es handeltsich bei den auf u liegenden Punkten nicht um innere Punkte der zu modellierendennichteuklidischen Geometrie.

    2. Die Schnittpunkte der zur Definition der N-Geraden verwendeten Kreise und dieAnfangspunkte der Halbgeraden werden wir als uneigentliche Punkte bezeichnen,da wir sie zur Beschreibung der N-Geraden des öfteren benötigen, sie aber im nicht-euklidischen Sinne keine Punkte sind.

    3. Auch die Unterteilung der N-Geraden in die Typen 1 und 2 erfolgt lediglich ausäußerer (euklidischer) Sicht. Aus der Sicht der nicht-euklidischen Geometrie sindbeide Typen von Geraden völlig gleichwertig und nicht unterscheidbar (was sichdarin äußert, dass ihre Eigenschaften identisch sind, sie also denselben Axiomengenügen). Bei der Behandlung nichteuklidischer Abstände im Poincaré-Modell wirdsich herausstellen, dass beide Typen von Geraden nach beiden Seiten unendlich sind,was bei äußerer Messung(also mittels euklidischer Abstände) nicht zutrifft.

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  • Bewegungen der hyperbolischen Ebene Proseminar Lineare Algebra

    1.1.8 Definition des Doppelverhältnisses

    Es seien A,B, U und V vier Punkte einer Geraden g und es sei auf g eine Richtung defi-niert. Als Doppelverhältnis der Punkte A,B, U und V bezeichnen wir den Quotienten

    (A,B, U, V ) :=|AU | |BV ||BU | |AV |

    =|AU ||BU |

    :|AV ||BV |

    ,

    wobei |AU | , |BU | , |AV | und |BV | gerichtete Streckenlängen sind, d.h. jede dieser Längen|XY | ist positiv, falls Y rechts von X liegt und negativ, wenn X rechts von Y liegt.

    Bemerkung: Das Doppelverhältnis von vier Punkten ist unabhängig von der auf derGeraden g vorgegebenen Richtung: Bei Änderung dieser Richtung ändern sich die Vor-zeichen aller Streckenlängen und das Doppelverhältnis selber bleibt daher unverändert.Da für unsere Anwendung nur positive Doppelverhältnisse auftreten, werden wir bald zurVerwendung einfacher Streckenlängen zurückkehren können.

    Eigenschaften des Doppelverhältnisses:

    1. Falls vier Punkte A,B, U und V paarweise voneinander verschieden sind und jederder Punkte A und B zwischen den Punkten U und V liegt, so gilt (A,B, U, V ) > 0.

    2. Für vier beliebige (kollineare) Punkte A,B, U und V gilt

    (A,B, U, V ) =1

    (B,A, U, V ).

    3. Für fünf beliebige (kollineare) Punkte A,B,C, U und V gilt

    (A,C, U, V ) = (A,B, U, V ) · (B,C, U, V ) .

    1.1.9 Definition P2

    Es seien A und B zwei N-Punkte, die auf einer N-Geraden vom Typ 1 mit den uneigent-lichen Punkten U und V liegen sowie A′ und B′ die Fußpunkte der Lote von A bzw. Bauf u. Weiterhin seien C und D zwei Punkte, die auf einer N-Geraden vom Typ 2 mitdem uneigentlichen Punkt W ∈ u liegen (siehe Abbildung 1.1.2). Als nichteuklidischen(N-) Abstand der Punkte A und B sowie der Punkte C und D bezeichnen wir

    |AB|N :=1

    2| ln(A′, B′, U, V )| bzw. |CD|N :=

    ∣∣∣∣ln |DW ||CW |∣∣∣∣ .

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  • Bewegungen der hyperbolischen Ebene Proseminar Lineare Algebra

    Abbildung 1.1.2

    1.1.10 Folgerung P1

    Falls ein kartesisches Koordinatensystem gegeben ist, dessen Abszisse auf der Randge-raden u der nichteuklidischen Ebene H liegt und A,B,C,D, U und V Punkte, wie inDefinition P2 beschrieben, sowie (xA, yA), (xB, yB), (xC , yC), (xD, yD), (xU , 0) und (xV , 0)die Koordinaten dieser Punkte sind, so gilt

    |AB|N :=1

    2

    ∣∣∣∣ln (xU − xA)(xV − xB)(xU − xB)(xV − xA)∣∣∣∣ sowie |CD|N := ∣∣∣∣ln |yD||yC |

    ∣∣∣∣ .1.1.11 Folgerung Parameterdarstellung

    Aus Folgerung P1 kann eine Parameterdarstellung für N-Geraden vom Typ 1 und 2 ge-wonnen werden.

    Abbildung 1.1.3

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  • Bewegungen der hyperbolischen Ebene Proseminar Lineare Algebra

    Für eine N-Gerade vom Typ 1 sei die Anordnung wie in Abbildung 1.1.3 mit den Rand-punkten U = (−r, 0) und V = (r, 0), dem Mittelpunkt M = (0, 0) und den PunktenA = (0, r), B = (xB, yB) auf der N-Geraden vom Typ 1. Für den nichteuklidischen Ab-stand ergibt sich nach Folgerung P1:

    |AB|N =1

    2

    ∣∣∣∣ln (−r − 0)(r − xB)(−r − xB)(r − 0)∣∣∣∣ = 12

    ∣∣∣∣ln (−r)(r − xB)(−r)(r + xB)∣∣∣∣ = 12

    ∣∣∣∣ln (r − xB)(r + xB)∣∣∣∣

    Setze t ∈ R : t = 12

    ∣∣∣∣ln (r − xB)(r + xB)∣∣∣∣

    ⇔ (r − xB)(r + xB)

    = e2t ⇔ r(1− e2t

    )= xB

    (1 + e2t

    )⇔ xB =

    r (1− e2t)(1 + e2t)

    Aus der Darstellung für einen Kreis mit Mittelpunkt M im Koordinatenursprung ergibtsich yB:

    x2B + y2B = r

    2 xB eingesetzt⇔ r2 (1− e2t)2

    (1 + e2t)2+ y2B = r

    2

    ⇔ y2B = r2(

    (1 + e2t)2 − (1− e2t)2

    (1 + e2t)2

    )=

    4r2e2t

    (1 + e2t)2

    yB > 0⇔ yB =2ret

    1 + e2t

    Als Parameterdarstellung ergibt sich für eine N-Gerade vom Typ 1:

    (x, y)t = x0 + r

    (1− e2t

    1 + e2t,

    2et

    1 + e2t

    )Die Parameterdarstellung für eine N-Gerade vom Typ 2 ist:

    (x, y)t =(x0, e

    t)

    t ∈ R

    Der Abstand zwischen zwei Punkten, die durch t, s ∈ R parametrisiert sind, kann darge-stellt werden durch

    |t− s| = |(x, y)t(x, y)s|N .

    1.2 Bewegungen im Poincaré-Modell

    Um die Gültigkeit des Bewegungsaxioms im Poincaré-Modell nachweisen zu können,müssen wir zunächst untersuchen, welche Abbildungen nichteuklidische Abstände un-verändert lassen, also im Sinne von Defintion IV.1 nichteuklidische Bewegungen im Poin-caré-Modell sind.

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  • Bewegungen der hyperbolischen Ebene Proseminar Lineare Algebra

    1.2.1 Satz P1

    Euklidische Verschiebungen entlang der Randgeraden u, Spiegelungen an zu u senk-rechten Geraden und zentrische Streckungen mit einem positiven Streckungsfaktor undStreckzentrum auf u bilden die nichteuklidische Ebene H auf sich ab und lassen nicht-euklidische Abstände unverändert. Die Einschränkungen dieser Abbildungen auf Punktevon H sind demnach nichteuklidische Bewegungen im Poincaré-Modell.

    Bemerkung Alle drei in Satz P1 aufgeführten Abbildungen sind Abbildungen der eu-klidischen Ebene. Sie auf die Punkte der nichteuklidischen Ebene H einzuschränken, be-deutet, lediglich die Punkte von H und deren Bildpunkte zu betrachten. Erst mit dieserEinschränkung kann von nichteuklidischen Abbildungen gesprochen werden.

    Beweis: Dass alle drei im Satz genannten Arten von Abbildungen die nichteuklidischeEbene auf sich abbilden, ist gut einzusehen. Es bleibt zu zeigen, dass sie N-Abständeunverändert lassen.

    Für eine euklidische Verschiebung entlang der Randgeraden u um (x0, 0) ergibt sichdie Abbildung (x, y) 7→ (x + x0, y). Die Punkte A = (xA, yA), B = (xB, yB) und dieRandpunkte U = (xU , 0), V = (xV , 0) auf der Randgeraden u werden abgebildet aufA′ = (xA + x0, yA), B

    ′ = (xB + x0, yB), U′ = (xU + x0, 0), V

    ′ = (xV + x0, 0). Für N-Geraden vom Typ 2 bleibt der Abstand nach Folgerung P1 unverändert. Für N-Geradenvom Typ 1 ergibt sich:

    |A′B′|N =1

    2

    ∣∣∣∣ln (x′U − x′A)(x′V − x′B)(x′U − x′B)(x′V − x′A)∣∣∣∣

    =1

    2

    ∣∣∣∣ln (xU + x0 − (xA + x0))(xV + x0 − (xB + x0))(xU + x0 − (xB + x0))(xV + x0 − (xA + x0))∣∣∣∣

    =1

    2

    ∣∣∣∣ln (xU − xA)(xV − xB)(xU − xB)(xV − xA)∣∣∣∣ = |AB|N

    Damit bleibt der N-Abstand bei einer euklidischen Verschiebung entlang der Randgeradenu unverändert.

    Für eine Spiegelung an einer zu u senkrechten Gerade bei x = x0 ergibt sich als Ab-bildung (x, y) 7→ (2x0 − x, y). Da sich der y-Wert nicht verändert, folgt direkt daraus,dass nach Folgerung P1 der Abstand für N-Geraden vom Typ 2 unverändert bleibt. Für

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  • Bewegungen der hyperbolischen Ebene Proseminar Lineare Algebra

    N-Geraden vom Typ 1 ergibt sich für die Punkte A,B und die Randpunkten U, V :

    |A′B′|N =1

    2

    ∣∣∣∣ln (x′U − x′A)(x′V − x′B)(x′U − x′B)(x′V − x′A)∣∣∣∣

    =1

    2

    ∣∣∣∣ln ((2x0 − xU)− (2x0 − xA))((2x0 − xV )− (2x0 − xB))((2x0 − xU)− (2x0 − xB))((2x0 − xV )− (2x0 − xA))∣∣∣∣

    =1

    2

    ∣∣∣∣ln (xA − xU)(xB − xV )(xB − xU)(xA − xV )∣∣∣∣ = 12

    ∣∣∣∣ln (−1)(xU − xA)(−1)(xV − xB)(−1)(xU − xB)(−1)(xV − xA)∣∣∣∣

    =1

    2

    ∣∣∣∣ln (xU − xA)(xV − xB)(xU − xB)(xV − xA)∣∣∣∣ = |AB|N

    Damit bleibt auch der N-Abstand für N-Geraden vom Typ 1 bei einer Spiegelung an einerzu u senkrechten Gerade unverändert.

    Für eine zentrische Streckung mit dem Streckzentrum auf u und positivem Streckungs-faktor r ergibt sich die Abbildung (x, y) 7→ (rx+ (1− r)x0, ry). Das ergibt für N-Geradenvom Typ 2 und die Punkte C,D auf der N-Geraden nach Folgerung P1:

    |C ′D′|N :=∣∣∣∣ln |y′D||y′C |

    ∣∣∣∣ = ∣∣∣∣ln |ryD||ryC |∣∣∣∣ r>0= ∣∣∣∣ln r |yD|r |yC |

    ∣∣∣∣ = ∣∣∣∣ln |yD||yC |∣∣∣∣ = |CD|N

    Bei einer N-Geraden vom Typ 1 mit den Punkten A,B und den Randpunkten U, V ergibtsich aus der Abbildung nach Folgerung P1:

    |A′B′|N =1

    2

    ∣∣∣∣ln (x′U − x′A)(x′V − x′B)(x′U − x′B)(x′V − x′A)∣∣∣∣ ∗= 12

    ∣∣∣∣ln r(xU − xA)r(xV − xB)r(xU − xB)r(xV − xA)∣∣∣∣

    =1

    2

    ∣∣∣∣ln (xU − xA)(xV − xB)(xU − xB)(xV − xA)∣∣∣∣ = |AB|N

    Bemerkung: Für die abgebildete Differentiation der x-Koordinaten zweier Punkte U,Aergibt sich:

    xU − xA 7→ (rxU + (1− r)x0)− (rxA + (1− r)x0) = rxU − rxA = r(xU − xA) (∗)

    Es wurde gezeigt, dass die zentrische Streckung mit einem positiven Streckungsfaktor undeinem Streckzentrum auf der Randgeraden u, eine Spiegelung an einer zu u senkrechtenGerade und eine Verschiebung entlang der Randgeraden u N-Abstände erhält.

    Offenbar können die in Satz P1 aufgeführten Bewegungen (und ihre Hintereinander-ausführungen) noch nicht alle nichteuklidischen Bewegungen im Poincaré-Modell erfas-sen, denn jede dieser Bewegungen bildet N-Geraden des Typs 1 und des Typs 2 stetsauf N-Geraden des gleichen Typs ab. Das Bewegungsaxiom fordert jedoch, dass beliebi-ge N-Geraden (also auch solche unterschiedlichen Typs) aufeinander abgebildet werdenkönnen. Weiterhin ergibt sich aus diesem Axiom die Forderung, dass Bewegungen existie-ren, welche die beiden Halbebenen bezüglich einer beliebigen N-Geraden vertauschen. FürN-Geraden vom Typ 2 leisten dies die Spiegelungen. Für N-Geraden vom Typ 1 benötigen

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  • Bewegungen der hyperbolischen Ebene Proseminar Lineare Algebra

    wir dafür Abbildungen, bei denen es sich (im euklidischen Sinne) um”Spiegelungen an

    Kreisen“ handelt. Derartige Abbildungen werden als Inversionen bezeichnet. Sie habenin der Mathematik eine Bedeutung, die weit über das Poincaré-Modell hinausgeht.

    1.2.2 Definition

    Es sei in einer (euklidischen) Ebene ein Kreis K mit dem Mittelpunkt M und dem Radius

    r gegeben. Die Abbildung, die jedem Punkt A der Ebene einen Bildpunkt A′ mit A′ ∈ # »MAund

    |MA| · |MA′| = r2 (1.2.1)

    zuordnet, wird als Inversion am Kreis K bezeichnet. Der Punkt M heißt Inversions-pol und der Radius r Inversionsradius dieser Inversion.

    Bemerkung: Streng genommen, enthält diese Definition eine Inkorrektheit. Dem Mittel-punkt M wird durch die vorgegebene Abbildungsvorschrift nämlich kein Punkt der Ebenezugeordnet. Wir sagen, der Bildpunkt des Mittelpunktes ist der unendlich ferne Punkt(und umgekehrt).

    Wir leiten im folgenden eine Koordinatendarstellung für die Inversion an einem KreisK mit dem Radius r her, wobei wir ein kartesisches Koordinatensystem zugrunde legen,dessen Koordinatenursprung mit dem Mittelpunkt M des Kreises K identisch ist. Da einbeliebiger Punkt A und sein Bildpunkt A′ auf einer Geraden durch den Inversionspol (unddamit durch den Koordinatenursprung) liegen, gilt für die Koordinaten (x, y) und (x′, y′)der Punkte A und A′

    y′

    x′=y

    x(falls x, x′ 6= 0) oder x = x′ = 0 (1.2.2)

    und nach der Definition der Inversionen ist

    |MA| · |MA′| =√x2 + y2 ·

    √x′2 + y′2 = r2. (1.2.3)

    Nun wird y′ in Gleichung 1.2.3 durch yx′

    xund x′ in Gleichung 1.2.3 durch y

    ′xy

    ersetzt. DieTerme zum Ersetzen ergeben sich direkt aus Umformungen von Gleichung 1.2.2 nach x′

    und y′. Aus den beiden Beziehungen in Gleichung 1.2.2 und Gleichung 1.2.3 ergeben sichdementsprechend schnell die folgenden Gleichungen für die Koordinaten des Bildpunktes,

    x′ = r2 · xx2 + y2

    und y′ = r2 · yx2 + y2

    (1.2.4)

    Da der Punkt A auch Bildpunkt des Punktes A′ ist, gilt weiterhin:

    x = r2 · x′

    x′2 + y′2und y = r2 · y

    x′2 + y′2(1.2.5)

    1.2.3 Satz

    Bei einer beliebigen Inversion mit dem Inversionspol M werden

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  • Bewegungen der hyperbolischen Ebene Proseminar Lineare Algebra

    1. Geraden, die durch M verlaufen, auf sich selbst abgebildet.

    2. Geraden, die nicht durch M verlaufen auf Kreise, die durch M verlaufen abgebildet.Dabei schneidet die Gerade, die durch den Inversionspol M und den Mittelpunktdes Bildes geht, die Urbildgerade senkrecht.

    3. Kreise, die durch M verlaufen auf Geraden, die nicht durch M verlaufen abgebildet.Dabei schneidet die Gerade, die durch den Inversionspol M und den Mittelpunktdes Urbildes geht, die Bildgerade senkrecht.

    4. Kreise, die nicht durch M verlaufen, auf ebensolche abgebildet. Dabei liegen derInversionspol M und die Mittelpunkte des Urbildes und Bildes auf einer Geraden.

    Beweis: Wir beweisen zunächst die Behauptungen 1. und 2. und betrachten dazu einKoordinatensystem mit dem Inversionspol M als Koordinatenursprung und eine Geradeg, die parallel zur y-Achse liegt oder mit dieser identisch ist (durch geeignete Wahl desKoordinatensystems lässt sich eine solche Lage für jede Gerade erreichen, so dass dieseBedingung keine Einschränkung der Allgemeinheit darstellt). Die Gerade g wird danndurch die Gleichung x = c beschrieben, wobei c eine Konstante ist. Wegen Gleichung 1.2.4gilt für beliebige Punkte A = (x, y) und die entsprechenden Bildpunkte A′ = (x′, y′)

    x′ = r2 · cc2 + y2

    und y′ = r2 · yc2 + y2

    , (1.2.6)

    wobei r der Inversionsradius sei. Für c = 0 folgt x′ = 0 und y′ = r2

    y. Die 1. Behauptung

    ist somit unter Beachtung der zur Definition der Inversionen gemachten Bemerkung zurAbbildung von M bewiesen. Ist c 6= 0, so ergibt sich

    x′2 + y′2 =r4 · c2

    (c2 + y2)2+

    r4 · y2

    (c2 + y2)2=r4 (c2 + y2)

    (c2 + y2)2=

    r4

    c2 + y2. (1.2.7)

    Unter Beachtung von Gleichung 1.2.5 mit y = r2 · y′x′2+y′2

    ergibt sich aus Gleichung 1.2.7

    x′2 + y′2 =r4

    c2 + y2=

    r4

    c2 + y′2·r4

    (x′2+y′2)2

    =(x′2 + y′2)2

    c2

    r4(x′2 + y′2)2 + y′2

    (1.2.8)

    beziehungsweise kann x′2 identifiziert werden als

    x′2 =c2

    r4(x′2 + y′2)2 . (1.2.9)

    Aus der Definition der Inversionen folgt, dass Urbild- und Bildpunkte stets in einer Halb-ebene bezüglich einer Geraden durch den Inversionspol (speziell also auch bezüglich dery-Achse) liegen, c und x′ haben somit gleiche Vorzeichen. Aus Gleichung 1.2.9 ergibt sichdadurch

    x′2 + y′2 =r2

    c· x′ (1.2.10)

    12

  • Bewegungen der hyperbolischen Ebene Proseminar Lineare Algebra

    und schließlich nach Umformung von Gleichung 1.2.10 und quadratischer Ergänzung(x′ − r

    2

    2c

    )2+ y′2 =

    r4

    4c2. (1.2.11)

    Mit Hilfe der Kreisgleichung

    (x− xM)2 + (y − yM)2 = R2 mit Punkten (x, y)auf dem Kreis und Mittelpunkt M = (xM , yM) und Radius R

    ergibt sich aus Gleichung 1.2.11, dass das Bild der Geraden g somit ein Kreis mit demRadius R = r

    2

    2|c| und den Mittelpunktskoordinaten MKreis = (r2

    2c, 0) ist, also ein Kreis,

    der durch den Koordinatenursprung und damit durch den Inversionspol verläuft. Da diezweimalige Hintereinanderausführung einer Inversion die identische Abbildung ist, wirdein beliebiger Kreis mit einem Radius |R| und einem Mittelpunkt P (0, R) auf eine Gerademit der Gleichung x = r

    2

    2Rabgebildet. Damit haben wir die Behauptungen 2. und 3. be-

    wiesen, denn durch geeignete Wahl des Koordinatensystems kann für jeden Kreis erreichtwerden, dass sein Mittelpunkt auf der Abszisse (x-Wert eines Punktes im kartesischen Ko-ordinatensystem) liegt. Wir kommen zum Nachweis der 4. Behauptung und betrachteneinen beliebigen Kreis mit dem Mittelpunkt (d, 0) und dem Radius R (auch hier bedeutetdie Lage des Mittelpunktes auf der Abszisse keine Einschränkung der Allgemeinheit). DieGleichung dieses Kreises ist somit

    (x− d)2 + y2 = R2 bzw. x2 + y2 = R2 + 2xd− d2 , (1.2.12)

    wobei |d| von R verschieden ist, da der Kreis nicht durch den Inversionspol verläuft. WegenGleichung 1.2.4 und Gleichung 1.2.12 gilt für die Bildkoordinaten

    x′2 + y′2 =r4

    x2 + y2=

    r4

    R2 + 2xd− d2, (1.2.13)

    wegen Gleichung 1.2.5 folgt daraus

    x′2 + y′2 =r4

    R2 + 2 r2x′

    x′2+y′2d− d2

    . (1.2.14)

    Durch Umformungen ergibt sich aus dieser Beziehung(x′ +

    r2d

    R2 − d2

    )2+ y′2 =

    r4R2

    (R2 − d2)2(1.2.15)

    und somit die Behauptung, da aus Gleichung 1.2.15 schnell zu ersehen ist, dass der Bild-kreis für |d| 6= R nicht durch den Inversionspol verläuft. �

    Bemerkung: Wir haben mit unserem Beweis zusätzlich für die Fälle 2. und 3. gezeigt,dass die Bildgerade eines Kreises, dessen Mittelpunkt auf der x-Achse liegt, senkrecht aufder x-Achse steht und dass umgekehrt der Mittelpunkt eines Bildkreises einer auf derx-Achse senkrecht stehenden Geraden auf dieser Achse liegt. Für 4. haben wir nachge-

    13

  • Bewegungen der hyperbolischen Ebene Proseminar Lineare Algebra

    wiesen, dass der Inversionspol und die Mittelpunkte von Urbild- und Bildkreis auf einerGeraden liegen.

    1.2.4 Folgerung P2

    Inversionen, deren Inversionspole auf der Randgeraden u der nichteuklidischen Ebene imPoincaré-Modell liegen, bilden N-Geraden stets auf N-Geraden ab.

    1.2.5 Satz P2

    Inversionen, deren Inversionspol auf u liegt, sind nichteuklidische Bewegungen im Poin-caré-Modell, d.h. sie erhalten den N-Abstand.

    Beweis: Es ist nachzuweisen, dass Inversionen, deren Inversionspol auf u liegt, die N-Ebene H auf sich abbilden und N-Abstände unverändert lassen. Die erste Behauptungergibt sich daraus, dass Inversionen Halbebenen bezüglich beliebiger Geraden durch denInversionspol auf sich abbilden, denn Original- und Bildpunkte liegen stets auf einer Halb-geraden mit dem Inversionspol als Ursprung. Für den Nachweis der N-Abstandstreue seienA = (xA, yA) und B = (xB, yB) zwei Punkte sowie A

    ′ = (x′A, y′A) und B

    ′ = (x′B, y′B) de-

    ren Bildpunkte bei einer vorgegebenen Inversion. Die angegebenen Koordinaten sollensich auf ein kartesisches Koordinatensystem mit dem Inversionspol M als Koordinatenur-sprung auf der Randgeraden u als Abszisse beziehen. Wir betrachten zunächst den Fall,dass A und B auf einer N-Geraden vom Typ 2 (deren uneigentlicher Punkt W nicht derInversionspol ist) liegen. Die Punkte A′ und B′ liegen dann auf einer N-Geraden vom Typ1 mit dem Punkt M als einem uneigentlichen Punkt (siehe Abbildung 1.2.1) und es giltwegen der Folgerung P1

    |A′B′|N :=1

    2

    ∣∣∣∣ln x′A(xV − x′B)x′B(xV − x′A)∣∣∣∣ . (1.2.16)

    Abbildung 1.2.1

    14

  • Bewegungen der hyperbolischen Ebene Proseminar Lineare Algebra

    Abbildung 1.2.2

    Da die Punkte A,B und W auf einer Senkrechten zur Abszisse liegen, ist xA = xB =xW =: x. Wegen Gleichung 1.2.4 gilt

    x′A = r2 · xx2 + y2A

    , x′B = r2 · xx2 + y2B

    und xV =r2

    x, (1.2.17)

    letzteres, weil V der Bildpunkt des Punktes W bei der betrachteten Inversion (mit demRadius r) ist. Durch einfache Umformungen ergibt sich aus Gleichung 1.2.16

    1

    2

    ∣∣∣∣ln x′A(xV − x′B)x′B(xV − x′A)∣∣∣∣ = 12

    ∣∣∣∣ln y2By2A∣∣∣∣ . (1.2.18)

    Durch Einsetzen von Gleichung 1.2.18 in Gleichung 1.2.16 folgt die Behauptung:

    |A′B′|N =1

    2

    ∣∣∣∣ln y2By2A∣∣∣∣ = 12

    ∣∣∣∣∣ln(yByA

    )2∣∣∣∣∣ = 12∣∣∣∣2 ln yByA

    ∣∣∣∣ = |AB|N . (1.2.19)Da jede Inversion ihre eigene Umkehrabbildung ist, haben wir die N-Abstandstreue derInversionen auch für den Fall gezeigt, dass die Urbildpunkte A und B auf einer N-Geradenvom Typ 1 mit dem Inversionspol M als einem uneigentlichen Punkt und die BildpunkteA′, B′ demnach auf einer N-Geraden vom Typ 2 liegen. Auf die Darstellung des Falles,dass A und B (und damit auch A′ und B′) auf einer N-Geraden vom Typ 2 mit dem In-versionspol als uneigentlichem Punkt liegen, wird aufgrund seiner Einfachheit verzichtet.Es bleibt der Fall zu betrachten, dass A und B auf einer N-Geraden vom Typ 1, derenuneigentliche Punkte U und V vom Inversionspol M verschieden sind, liegen (siehe Abbil-dung 1.2.2). Die Bildpunkte A′ und B′ liegen dann ebenfalls auf einer N-Geraden vom Typ1, deren uneigentliche Punkte U ′ und V ′ von M verschieden sind. Wegen Gleichung 1.2.4ist

    x′A =r2 · xAx2A + y

    2A

    , x′B =r2 · xBx2B + y

    2B

    , x′U =r2

    xU, und x′V =

    r2

    xV. (1.2.20)

    15

  • Bewegungen der hyperbolischen Ebene Proseminar Lineare Algebra

    Nach Folgerung P1 ergibt sich daraus zunächst

    |A′B′|N :=1

    2

    ∣∣∣∣ln (xUxA − x2A − y2A)(xV xB − x2B − y2B)(xUxB − x2B − y2B)(xV xA − x2A − y2A)∣∣∣∣ (1.2.21)

    Da A und B (euklidisch betrachtet) auf einem Kreis mit dem Radius 12(xV − xU) (falls

    V rechts auf U liegt, was wir annehmen wollen) und dem Mittelpunkt(12(xV + xU), 0

    )liegen, gilt(

    xA −xV + xU

    2

    )2+ y2A =

    (xV − xU

    2

    )2und (1.2.22)

    (xB −

    xV + xU2

    )2+ y2B =

    (xV − xU

    2

    )2. (1.2.23)

    Durch Einsetzen der sich aus Gleichung 1.2.22 und Gleichung 1.2.23 ergebenden Ausdrückefür y2A sowie y

    2B in Gleichung 1.2.21 ergibt sich nach einigen Umformungen die Behauptung

    |A′B′|N = |AB|N .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Gleichung 1.2.22 und Gleichung 1.2.23 umgeformt ergeben:

    y2A =

    (xV − xU

    2

    )2−(xA −

    xV + xU2

    )2= −xV xU − x2A + xV xA + xUxA

    y2B =

    (xV − xU

    2

    )2−(xB −

    xV + xU2

    )2= −xV xU − x2B + xV xB + xUxB

    eingesetzt in Gleichung 1.2.21 ergibt sich:

    |A′B′|N =1

    2

    ∣∣∣∣ln (xUxA − x2A − y2A)(xV xB − x2B − y2B)(xUxB − x2B − y2B)(xV xA − x2A − y2A)∣∣∣∣

    =1

    2

    ∣∣∣∣ln (xV xU − xV xA) (xV xU − xUxB)(xV xU − xV xB) (xV xU − xUxA)∣∣∣∣

    =1

    2

    ∣∣∣∣ln xV (xU − xA)xU (xV − xB)xV (xU − xB)xU (xV − xA)∣∣∣∣

    =1

    2

    ∣∣∣∣ln (xU − xA)(xV − xB)(xU − xB)(xV − xA)∣∣∣∣ = |AB|N

    . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Aufgrund von Satz P1 und Satz P2 kennen wir nun folgende spezielle Bewegungen dernichteuklidischen Ebene H:

    1. Verschiebungen entlang der Randgeraden u

    2. Spiegelungen an zu u senkrechten Geraden,

    3. zentrische Streckungen mit einem positiven Streckungsfaktor und einem Streckungs-zentrum auf u sowie

    16

  • Bewegungen der hyperbolischen Ebene Proseminar Lineare Algebra

    4. Inversionen, deren Inversionspol auf u liegt.

    Genauer gesagt, handelt es sich bei den Einschränkungen dieser Abbildungen auf Punktevon H um N-Bewegungen.

    Natürlich sind auch beliebige Hintereinanderausführungen von endlich vielen derartigerAbbildungen N-Bewegungen. Umgekehrt gilt, dass sich jede N-Bewegung als Hinterein-anderausführung endlich vieler dieser N-Bewegungen 1. - 4. darstellen lässt (auf einenBeweis dieser Tatsache verzichten wir). Da sich jede der Verschiebungen als Hinterein-anderausführung zweier Spiegelungen und jede zentrische Streckung als Hintereinander-ausführung zweier Inversionen darstellen lässt, genügen sogar die unter 2) und 4) genann-ten Abbildungen (die wir einheitlich N-Geradenspiegelungen nennen können), um alleN-Bewegungen darzustellen.

    1.2.6 Nachweis des Bewegungsaxioms

    Wir kommen zum Nachweis der Gültigkeit des Bewegungsaxioms. Wir beschränkenuns auf den Nachweis der Existenz zweier nichteuklidischer Bewegungen, die zwei beliebigvorgegebene Punkte A und B auf zwei N-Punkte C und D mit |AB|N = |CD|N abbildenund die im IV. Bewgungsaxiom formulierte Bedingung hinsichtlich der Abbildung einerHalbebene bezüglich AB erfüllen. Wir betrachten zunächst den Fall, dass A und B aufeiner N-Geraden g vom Typ 1 (mit den uneigentlichen Punkten U und V ) sowie C undD auf einer N-Geraden h vom Typ 2 (mit dem uneigentlichen Punkt W) liegen. Dabeigehen wir davon aus, dass die uneigentlichen Punkte U und W voneinander verschiedensind(was keine Einschränkung bedeutet, da nicht beide uneigentlichen Punkte von g mitW identisch sein können) und, dass V zwischen U und W liegt, falls auch V von Wverschieden sein sollte (siehe Abbildung 1.2.3).

    Abbildung 1.2.3

    Die Inversion φ1 mit dem Inversionspol U und dem Inversionsradius r =√|UV | |UW |

    bildet wegen Gleichung 1.2.1 den Punkt V auf den Punkt W (und umgekehrt) ab. Da der

    17

  • Bewegungen der hyperbolischen Ebene Proseminar Lineare Algebra

    Kreis, dem die N-Gerade angehört, durch den Inversionspol verläuft, wird dieser Kreisdurch φ1 auf eine Gerade abgebildet, die auf u senkrecht steht und durch den Bildpunktvon V eindeutig festgelegt wird. Die N-Gerade g wird somit auf die N-Gerade h abgebil-det, insbesondere liegen die Bildpunkte A′ und B′ der Punkte A und B auf h.

    Eine zentrische Streckung φ2 mit dem Zentrum W und dem Streckungsfaktor k :=|WC||WA′|

    bildet h auf sich und den Punkt A′ auf den Punkt A′′ = C ab, B′′ sei der Bildpunkt desPunktes B′ bei φ2. Da sowohl Inversionen als auch zentrische Streckungen nichteuklidischeAbstände unverändert lassen, gilt |CD|N = |AB|N = |A′′B′′|N = |CB′′|N . Nach dem III.Anordnungsaxiom III/1 müssen die Punkte D und B′′ entweder identisch sein oder auf un-terschiedlichen Halbgeraden von h bezüglich C liegen. Im ersten dieser beiden möglichenFälle wird durch die Hintereinanderausführung φ2 ◦ φ1 der N-Bewegungen φ1 und φ2 derPunkt A auf den Punkt C und B auf D abgebildet. Im zweiten Fall sei φ3 die Inversionmit dem Inversionspol W und Inversionsradius |WC|N . Für die Bildpunkte A′′′ und B′′′von A′′ und B′′ bei dieser Inversion gilt A′′′ = A′′ = C und |CB′′′|N = |CB′′|N = |CD|N .Weiterhin liegen B′′′ und B′′ auf unterschiedlichen Halbgeraden von g bezüglich C undsomit D und B′′′ auf ein und derselben Halbgerade von h bezüglich C. Die N-Bewegungφ3 ◦φ2 ◦φ1 bildet somit den Punkt A auf den Punkt C und B auf D ab. In beiden Fällenwird durch φ2 ◦φ1 beziehungsweise φ3 ◦φ2 ◦φ1 die ”innere“ Halbebene bezüglich g auf dieg gegenüberliegende (in Abbildung 1.2.3 rechte) Halbebene bezüglich h abgebildet. Ist φ4eine Spiegelung an h, so bildet N-Bewegung φ4 ◦φ2 ◦φ1 bzw. φ4 ◦φ3 ◦φ2 ◦φ1 den Punkt Aauf den Punkt C,B auf D und die

    ”innere“Halbebene bezüglich g auf die g zugewandte

    Halbebene bezüglich h ab. Die Existenzaussage des Bewegungsaxioms ist somit für denFall, dass A und B auf einer N-Geraden vom Typ 1 sowie C und D auf einer N-Geradenvom Typ 2 liegen, bewiesen.

    Für den Nachweis des Falls der Abbildung von einer N-Geraden des Typs 1 auf eine desTyps 2 können alle durchgeführten Betrachtungen umgekehrt werden - die Umkehrabbil-dungen von Inversionen und Spiegelungen sind diese Abbildungen selbst, die Umkehrab-bildung einer zentrischen Streckung ist ebenfalls eine zentrische Streckung mit demselbenZentrum und reziprokem Streckungsfaktor. Falls sowohl A und B als auch C und D aufN-Geraden vom Typ 2 liegen, so existiert eine Verschiebung, welche die Gerade AB aufdie Gerade CD abbildet, die Bildpunkte von A und B bei dieser Verschiebung liegen aufCD und alle weiteren Schritte des Beweises entsprechen den bei dem bereits bewiesenenFall geführten Überlegungen zur Abbildung der Punkte A′ und B′ auf die Punkte C undD.

    Es bleibt schließlich der Fall zu betrachten, dass sowohl A und B als auch C und Dauf N-Geraden g bzw. h des Typs 1 liegen. Für eine beliebige N-Gerade x vom Typ 2und zwei Punkte X und Y , die auf x liegen und für die |XY |N = |AB|N = |CD|N gilt,existieren (wie schon gezeigt) sowohl zwei N-Bewegungen, die A auf X und B auf Y alsauch zwei N-Bewegungen, die X auf C und Y auf D abbilden. Somit gibt es wegen derHintereinanderausführbarkeit mindestens zwei N-Bewegungen , die A auf C und B auf Dabbilden, wobei zu überlegen ist, dass diese der im IV. Bewgungsaxiom gestellten Forde-rung hinsichtlich der Abbildung einer Halbebene bezüglich g genügen. Wir haben damitdie Existenzaussage des Bewegungsaxioms bewiesen. Auf den Nachweis der Eindeutig-

    18

  • Bewegungen der hyperbolischen Ebene Proseminar Lineare Algebra

    keitsaussage, d.h. der Tatsache, dass nicht mehr als zwei N-Bewegungen existieren, die Aauf C und B auf D abbilden, verzichten wir.

    1.2.7 Nachweis des Axioms M5

    Axiom M5 besagt, dass unter einer abstandserhaltenden Abbildung ein Dreieck ABC inein anderes Dreieck A′B′C ′ überführt werden kann, dessen Seitenlängen mit denen desDreiecks ABC übereinstimmen. Im Nachweis des Bewegungsaxioms wurde nur gezeigt,dass zwei Punkte auf zwei andere Punkte mit dem gleichen Abstand überführt werdenkönnen. Es muss noch gezeigt werden, dass es zu den beiden Punkten A′, B′ nur genauzwei Punkte existieren, für die gilt |AC|N = |A′C ′|N und |BC|N = |B′C ′|N .

    Abbildung 1.2.4

    Zunächst bilden wir das Dreieck 4ABC so ab, dass das A′, B′ auf einer N-Geraden vomTyp 2 (wie in Abbildung 1.2.4 dargestellt) mit x = x0 liegen. Die Punkte A

    ′, B′ habendie Koordinaten A′ = (x0, y

    ′A), B

    ′ = (x0, y′B). Nach dem IV. Bewgungsaxiom gilt einzeln

    betrachtet für die Abstände |AB|N = |A′B′|N , |AC|N = |A′C ′|N und |BC|N = |B′C ′|N .Nun ist zu zeigen, dass es auf der rechten Halbebene (x > x0) bzgl. der N-Geradenx = x0 nur einen Punkt gibt, für den der Abstand erhalten ist. Dafür wählen wir zwei voneinander verschiedene Punkte C ′ = (x1, y1), C̃ ′ = (x2, y2) ∈ H mit x1, x2 > x0. Es ergibtsich

    |A′C ′|N = |A′C̃ ′|N|B′C ′|N = |B′C̃ ′|N

    }siehe ∗=⇒ C ′ = C̃ ′

    19

  • Bewegungen der hyperbolischen Ebene Proseminar Lineare Algebra

    . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Rechnung:

    |A′C ′|N = |A′C̃ ′|N (∗)

    ⇔ 12

    ∣∣∣∣ln (x′U − x0)(x′V − x1)(x′U − x1)(x′V − x0)∣∣∣∣ = 12

    ∣∣∣∣ln (x′U − x0)(x′V − x2)(x′U − x2)(x′V − x0)∣∣∣∣

    ⇔ (x′U − x0)(x′V − x1)

    (x′U − x1)(x′V − x0)=

    (x′U − x0)(x′V − x2)(x′U − x2)(x′V − x0)

    ⇔ (x′V − x1)

    (x′U − x1)=

    (x′V − x2)(x′U − x2)

    ⇔ x′V x2 + x′Ux1 = x′V x1 + x′Ux2⇔ x1 (x′V − x′U) = x2 (x′V − x′U)

    ⇔ x1 = x2analoge Rechnung für |B′C ′|N = |B

    ′C̃ ′|N

    . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Daraus ergibt sich für die Halbebene x > x0, dass es genau einen Punkt gibt für dengilt |AB|N = |A′B′|N , |AC|N = |A′C ′|N und |BC|N = |B′C ′|N . Liegt nach der Bewegungvon A nach A′ und B nach B′ der Punkt C auf der Ebene x > x0, so wird, durch dieSpiegelung an x = x0, C in C

    ′ überführt, also insgesamt das Dreieck 4ABC in das Dreieck4A′B′C′ . Ist das Dreieck 4A′B′C′ in allgemeiner Lage, so führt man dies, wie im Nachweisdes Bewegungsaxioms für zwei Punkte, auf den oben behandelten Fall zurück.

    20

    Bewegungen der hyperbolischen EbeneVorbemerkung, Axiome, Definitionen und SätzeVorbemerkungIII. AnordnungsaxiomIV. BewgungsaxiomAxiom M5Defintion IV.1Satz IV.1Defintion P1Definition des DoppelverhältnissesDefinition P2Folgerung P1Folgerung Parameterdarstellung

    Bewegungen im Poincaré-ModellSatz P1DefinitionSatzFolgerung P2Satz P2Nachweis des BewegungsaxiomsNachweis des Axioms M5