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Prostitution in Deutschland – Fachliche Betrachtung komplexer Herausforderungen © Autorinnen: Dorothea Czarnecki, Henny Engels, Barbara Kavemann, Elfriede Steffan, Wiltrud Schenk, Dorothee Türnau Beratung zu Fragen des Menschenhandels: Naile Tanis Berlin im April 2014

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Prostitution in Deutschland – Fachliche Betrachtung komplexer Herausforderungen

© Autorinnen:

Dorothea Czarnecki, Henny Engels, Barbara Kavemann, Elfriede Steffan, Wiltrud Schenk, Dorothee Türnau

Beratung zu Fragen des Menschenhandels: Naile Tanis

Berlin im April 2014

Prostitution in Deutschland – Fachliche Betrachtung einer komplexen Herausforderung 5

1 Das Prostitutionsgesetz – eine Maßnahme für rechtliche Gleichstellung und gegen Diskriminierung 7

2 Prostitution als Erwerbstätigkeit: Arbeitsbedingungen, Arbeitsbereiche, Arbeitsformen 8

3 Welche Gründe nennen Frauen für den Einstieg in die Prostitution? 8

4 Alles erlaubt? Rechtliche Regelungen in Deutschland 13

4.1 Das Prostitutionsgesetz 13

4.2 Europäische Regelungen 14

4.3 Der Einfluss von Zuwanderungsregelungen auf die Prostitution in Deutschland 14

Freizügigkeitsgesetz / EU 11

Zuwanderungsgesetz 12

4.4 Strafrechtliche Regelungen zu Aspekten der Prostitution im Strafgesetzbuch 15

Strafrecht im Zusammenhang mit Prostitution 15

Strafrecht im Zusammenhang mit Menschenhandel 17

5 Der Einfluss anderer Gesetze und Regelungen 18

5.1 Gesundheitsversorgung 18

5.2 Steuerrecht 19

5.3 Sperrgebietsverordnung: Räumliche und zeitliche Begrenzung der Ausübung von Sexarbeit 19

6 Migration und Prostitution 21

7 Unterstützungsangebote 23

7.1 Unterstützungsangebote für Frauen in der Prostitution 23

7.2 Unterstützungsangebote für Minderjährige in der Prostitution 24

7.3 Unterstützungsangebote im Gesundheitswesen 25

7.4 Unterstützungsangebote für Betroffene von Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung 25

8 Angebote zur beruflichen Neuorientierung 27

8.1 Unterstützung bei einer Neuorientierung 27

9 Offene Fragen und politische Kontroversen 29

9.1 Erfüllen das Prostitutionsgesetz und flankierende Maßnahmen die Erwartungen? 29

9.2 Fördert das Prostitutionsgesetz Zuhälterei und Menschenhandel? 29

9.3 Behindert das Prostitutionsgesetz die Strafverfolgung? 30

9.4 Pro und Contra Strafbarkeit des Erwerbs sexueller Dienstleistungen 31

9.5 Was bringt eine Erlaubnispflicht für Prostitutionsstätten? 32

Inhalt

10 Politische Initiativen und Perspektiven 34

10.1 Interessensvertretung von Sexarbeiterinnen 34

10.1.1 Bündnis der Fachberatungsstellen für Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter - bufas e.V. 34

10.1.2 Berufsverband erotische und sexuelle Dienstleistungen 35

10.2 Leuchtturmprojekte: Interinstitutionelle Kooperation zur Regelung von Prostitution 35

10.2.1 „Runder Tisch NRW Prostitution“ (Strategieentwicklung auf der Ebene eines Flächenlandes) 35

10.2.2 „Runder Tisch sexuelle Dienstleistungen, Hamburg“ (Strategieentwicklung auf der Ebene eines Stadtstaates) 36

10.2.3 „Arbeitsgruppe Milieu, Prostitution, Menschenhandel des Kommunalen Kriminalpräventionsrates (KKP)“, Hannover (Strategieentwicklung auf der Ebene einer Kommune) 37

10.3 Partizipative Verhandlung von Nutzungskonkurrenzen im öffentlichen Raum 38

10.3.1 Nachbarschaftsprojekt Kurfürstenstraße Berlin 38

10.3.2 „Projekt Straßenstrich Geestemünder Straße“, Köln 40

10.4 Leuchtturmprojekte: Interinstitutionelle Kooperation zur Bekämpfung des Menschenhandels 40

10.4.1 Der bundesweite Koordinierungskreis gegen Frauenhandel und Gewalt an Frauen im Migrationsprozess – KOK e.V. 41

10.4.2 Bund-Länder-Arbeitsgruppe Menschenhandel 42

11 Schlusswort 45

12 Literatur 46

13 Anhang 49

13.1 Anlage 1: Das Prostitutionsgesetz 45

13.2 Anlage 2: Beispiel einer Sperrgebietsverordnung 46

14 Angaben zu den Autorinnen 51

4

Impressum

Autorinnengruppe (Herausgeberinnen): Dorothea Czarnecki, Henny Engels, Barbara Kavemann, Elfriede Steffan, Wiltrud Schenk, Dorothee TürnauBeratung zu Fragen des Menschenhandels: Naile Tanis

© Autorinnengruppe 2014

Kontakt überBarbara Kavemann [[email protected]]Elfriede Steffan [[email protected]] und über die einzelnen Autorinnen (siehe Anhang).

Weiterverbreitung und Zitierungen sind ausdrücklich erwünscht, sofern die Kontaktautorinnen einen Link oder ein Belegexemplar erhalten.

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Prostitution in Deutschland – Fachliche Betrachtung einer komplexen Herausforderung

WARUM DIESER TEXT?

Die Diskussion über Prostitution in Deutschland wird seit Herbst 2013 wieder heftig geführt. Dabei werden die Themen Prostitution und Menschen-handel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung oft miteinander vermischt. Falsche Informationen über die Rechtslage und -praxis in Deutschland werden verbreitet.1 Eine Kampagne der Europäischen Frau-enlobby will Europa von Prostitution „befreien“. Feministinnen im In- und Ausland erklären – wie auch die Bild-Zeitung und Der Spiegel – Deutsch-land zum „Bordell Europas“. Im Herbst 2013 rief die Frauenzeitschrift „EMMA“ dazu auf, einen Appell zur Bestrafung von Prostitutionskunden und zur Abschaffung der Prostitution zu unterzeichnen. Als Reaktion darauf veröffentlichte der neu gegrün-dete „Berufsverband erotische und sexuelle Dienst-leistungen“ einen Appell „pro Prostitution“.

WORUM GEHT ES UNS?

Wir Autorinnen sind Feministinnen und arbeiten mit Prostituierten und mit Opfern von Menschen-handel in unserem Berufsalltag: im Rahmen von Beratung bzw. Forschung und politisch/fachlich an einer Verbesserung ihrer Situation (vgl. 14). Es geht uns um Rechtssicherheit der Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter2 bei ihrer Erwerbstätigkeit, denn wir wissen, dass die Stärkung von Rechten zu mehr Schutz vor Gewalt, zu mehr Prävention und guter gesundheitlicher Versorgung sowie zum Abbau von Demütigungen bei Behörden und von gesellschaft-licher Stigmatisierung beiträgt. Wir veröffentlichen diesen Text, um einen Beitrag zur Versachlichung

1 Z.B. verkündete Pierrette Pape (Policy Officer und Project Coordinator der Europäischen Frauenlobby) im Sep-tember 2012 auf einer Tagung, in Deutschland würden Frauen Sozialleistungen gekürzt, wenn sie sich nicht bereit erklärten, in der Prostitution zu arbeiten. www.womenlobby.org/spip.php?article4084&lang=de

2 Im Weiteren sprechen wir meistens von Sexarbeiterinnen und weiblichen Prostituierten, weil diese im Zentrum der Kontroverse stehen, während männliche und trans-sexuelle Prostitution kaum thematisiert wird.

und Differenzierung der Debatte über Prostitution zu leisten. Es geht uns darum, ein realistisches, von Forschungsergebnissen und Berufserfahrung ge-stütztes Bild von Prostitution zu vermitteln.

In den Mittelpunkt unserer Auseinandersetzung mit diesem Thema stellen wir die Rechte und die rechtliche Gleichstellung der Sexarbeiterinnen und ihren Schutz. Wir nehmen eine nicht wertende Position ein zum Thema Prostitution. Es ist uns bewusst, dass diese Position nicht von allen Femi-nistinnen geteilt wird. Andere sehen in der Prosti-tution eine Gefährdung des Rechts von Frauen auf Gleichstellung im Geschlechterverhältnis und auf ein Leben ohne männliche Gewalt und patriarchale Dominanz. Sie fürchten, dass die Präsenz von Pros-tituierten in der Öffentlichkeit sowie das spezifische sexualisierte und klischierte Frauenbild der Prosti-tution in der Öffentlichkeit und der Charakter der sexuellen Dienstleistung diese gesellschaftlichen Kämpfe erschweren und Errungenschaften der Frauenbewegung in Frage stellen könnten. Wir nehmen diese Befürchtungen sehr ernst. Diese Fra-gen beschäftigen viele Frauen, die durchaus bereit sind, genauer hinzuschauen und die eine ideologi-sche Vereinfachung der Thematik für sich ablehnen. Wir sind uns bewusst, dass es sich um ein Dilemma handelt – die Rechte einzelner bzw. einer Minder-heit gegen den Wunsch vieler nach einer Gesell-schaft ohne Prostitution. Dieses Dilemma darf aber nicht einfach nach einer Seite hin aufgelöst werden. Die Unterschiedlichkeit der Lebenslagen, der Le-benswelten und die „eigensinnige Lebensweise der Anderen“ (Nauerth 2012: 58) müssen grundsätzlich berücksichtigt werden. Es geht um Selbstbestim-mung – auch um den Respekt vor Entscheidungen, die Frauen angesichts stark reduzierter Optionen treffen. Und viele Frauen treffen Entscheidungen, die andere für sich strikt ablehnen.

Die Diskussion in Europa polarisiert den Blick auf Frauen, die in der Prostitution tätig sind, auf fatale Weise. Die Zuschreibung „sad or bad“ (Dodsworth 2011:1) teilt die in der Prostitution Tätigen in zwei Gruppen: auf der einen Seite die Opfer, die Unter-stützung verdienen, auf der anderen die Unmorali-

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schen, Unwürdigen. Sexarbeiterinnen selbst schil-dern ein komplexeres Bild ihrer Lebenssituationen und der eingeschlagenen Wege (ebenda). Eine pola-risierende Haltung läuft Gefahr, Prostituierten die Möglichkeit zur Selbstbestimmung so weit abzu-sprechen, dass ihre Stimmen bei den Entscheidun-gen über rechtliche und sozialpolitische Regelungen ignoriert oder zum Schweigen gebracht werden.

Neben der Auseinandersetzung unter Feministinnen geht es in der Debatte auch um eine Kontroverse um die Aufgaben des Staates und seiner Instituti-onen. Wie weit sollen und dürfen die Rechte auf selbstbestimmte Wahl der Erwerbstätigkeit und auf sexuelle Aktivität eingeschränkt werden? Soll und darf der Staat sich in die Sexualität zwischen Erwachsenen einmischen und Bürgerinnen und Bürgern moralische Normen vorschreiben – wo-möglich strafrechtlich aufzwingen – wenn sie einvernehmlich ihre Sexualität leben? Dass bei dieser Frage die rechtsstaatliche Tradition und die Geschichte Ausschlag gebend sind, kann am Bei-spiel der gegensätzlichen Wege, die Schweden und Deutschland gehen, verdeutlicht werden (Dodillet 2013). Welchen staatlichen Einfluss wünschen wir uns, welchen wollen wir in Grenzen halten? Diese Diskussion sollte offen geführt werden.

Eine weitere Diskussion nimmt im Hintergrund – in der Regel unausgesprochen – Einfluss auf die Kontroverse: das Verständnis von weiblicher und männlicher Sexualität. Für nicht wenige Feminis-tinnen scheint es ein Beweis für die Gewaltanteile in der männlichen Sexualität zu sein, wenn Männer für sexuelle Dienstleistungen bezahlen. Ein Wunsch nach Unverbindlichkeit wird dann offenbar mit dem Wunsch nach Beherrschung und Unterwer-fung gleichgesetzt und gilt als nicht akzeptabel. Ein Wunsch nach sexuellen Aktivitäten, zu denen nicht alle Frauen bereit sind, erscheint als verwerflich und nur dann zu akzeptieren, wenn sie in einer Partnerschaft praktiziert werden. Für die weibliche Sexualität wird das Modell der Liebesbeziehung ver-pflichtend vorausgesetzt. Sexuelle Autonomie gibt es dann nur noch in vorgeschriebenen Bereichen. Die Frau wird auf ihren Körper reduziert, die Pro-stituierte bietet dann keine sexuelle Dienstleistung an, sondern sie verkauft Körper und Seele (vgl. hier-zu Haaf 2013). Es wäre produktiv, eine Diskussion darüber zu beginnen, wie die Auseinandersetzung mit Prostitution unser jeweils individuelles Ver-ständnis von Sexualität berührt und den Blick be-stimmt, den wir auf Prostituierte richten, sowie eine Auseinandersetzung mit Moral und Werten: welche erachten wir als individuell unverzichtbar, welche sollen Allgemeingültigkeit haben, welche schränken die Rechte anderer ein?

UNSERE HALTUNG:

Wir publizieren ausschließlich Kenntnisse langjähriger Berufserfahrung und wissenschaft-lich erarbeitete Fakten und beschreiben die Situation der Prostitution und der Sexarbeite-rinnen in Deutschland in ihrer Komplexität und ihrer Widersprüchlichkeit. Wir präsentieren Ergebnisse unterschiedlicher Befragungen von Sexarbeiterinnen. Es geht uns ebenso wenig darum, Prostitution schön zu reden, wie Prostituierte pauschal zu pathologisieren. Wir neh-men realen Unterstützungsbedarf wahr, wie er in Befragungen benannt wird. Wir erwarten von einer Diskussion unter Feministinnen, dass sie sich nicht einer Strategie der Bevormun-dung bedient und anderen Frauen vorschreibt, wie sie zu denken, zu fühlen und zu handeln haben. Es kann nicht darum gehen, von einer selbst definierten Position, z.B. als Retterin, andere Frauen vor sich selbst schützen zu wollen.3 Frauen müssen im Rahmen geltender Gesetze über die Gestaltung ihres Lebens selbst entscheiden können und dürfen. Dies muss auch für Entscheidungen gelten, die für andere nur schwer oder gar nicht nachvollziehbar sind, etwa, wenn Frauen sich entscheiden, als Prostituierte zu arbeiten. Sie müssen zu Recht erwarten können, dass dies akzeptiert und respektiert wird. Ihnen grundsätzlich zu unterstellen, sie könnten diese Entscheidung nicht freiwillig getroffen haben, widerspricht der Forderung nach einem Selbstbestimmungsrecht für alle Frauen.

3 Der Eingriff in die persönlichen Rechte zum Schutz vor sich selbst ist zu Recht sehr eng gefasst und greift ausschließlich bei akuter Suizidalität.

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1 Das Prostitutionsgesetz – eine Maßnahme für rechtliche Gleichstellung und gegen Diskriminierung

Mit dem Prostitutionsgesetz von 2002 wurde sei-tens der damaligen Bundesregierung der Versuch unternommen, die Lebens- und Arbeitsbedin-gungen von Sexarbeiterinnen und Sexarbeitern in Deutschland zu verbessern (vgl. 4.1). Das Prosti-tutionsgesetz hat die Sittenwidrigkeit der Tätig-keit aufgehoben und damit eine grundsätzliche rechtliche Benachteiligung von Sexarbeiter_innen beseitigt. Es hat aber eine zu geringe Reichweite, um Verbesserungen darüber hinaus zu erreichen. Aufgrund der föderalen Struktur Deutschlands, die viele Rechtsfragen in die Kompetenz der Bundes-länder legt, unterblieben wichtige Maßnahmen zur Umsetzung des Gesetzes. Es konnte zwar mit den damaligen politischen Mehrheiten den Bundestag passieren, der Bundesrat hätte es aber mit Hinblick auf erforderliche Veränderungen z.B. im Gewerbe-recht und Baurecht, die in Landeshoheit geregelt waren, gestoppt.

Obwohl die Bevölkerung und die großen sozialen und konfessionellen Institutionen mehrheitlich für eine Aufhebung der Sittenwidrigkeit eintraten, bleiben gegensätzliche Positionen und offene Fragen bestehen, auf die im Weiteren eingegangen werden soll. Prostitution – das zeigen aktuelle Diskussio-nen – ist ein Thema, das Menschen nicht nur im Kopf anspricht, sondern auch emotional berührt. Die meisten Menschen verbinden mit Prostitution Ideen wie „Prostituierte verkaufen sich bzw. ihren Körper“ – das löst ablehnende Gefühle aus. Dieje-nigen, die sich entschieden haben, für kurze oder längere Zeit als Prostituierte zu arbeiten, verwahren sich gegen solche Beschreibungen ihrer Tätigkeit; sie sagen, dass sie eine Dienstleistung verkaufen, so wie viele andere Dienstleisterinnen auch. Dass eine Frau freiwillig in der Prostitution arbeitet, übersteigt aber die Vorstellungskraft mancher Men-schen. Die Diskussion bewegt sich zwischen den Polen „freiwillig und selbstbestimmt“ einerseits und „Prostitution ist Gewalt gegen Frauen“ andererseits. Bei letzterem wird die Tätigkeit von Prostituierten abwertend und nicht deren Selbstverständnis ent-

sprechend beschrieben. Mit dem Ziel der Skandali-sierung wird mit empirisch nicht haltbaren Zahlen versucht, die Ablehnung des Prostitutionsgesetzes und dessen angebliche Wirkungslosigkeit oder auch schädliche Wirkung zu begründen. Zugleich wird unterstellt, diejenigen, die für eine akzeptierende Haltung gegenüber Sexarbeiterinnen eintreten, würden Prostitution idealisieren und Gewalt billi-gend in Kauf nehmen.

Eine Verbesserung der Situation von Prosituierten setzt einen vorurteilsfreien, nicht ideologisierenden Diskurs über Prostitution als Erwerbstätigkeit vor-aus. Solch ein Diskurs würde unterscheiden zwischen einer Tätigkeit als Prostituierte einerseits und Men-schenhandel, der eine Menschenrechtsverletzung und einen Straftatbestand darstellt, andererseits.

Die folgenden Texte beziehen sich vor allem auf die Situation von Frauen in der Sexarbeit, weil die europäische Diskussion über Prostitution sich aus-schließlich auf Frauen bezieht und die Frage nach der Gewalt gegen Frauen bzw. der Möglichkeit der Selbstbestimmung in der Sexarbeit aufwirft. Die beschriebenen gesetzlichen Regelungen in Deutsch-land richten sich jedoch auch an Männer und Trans*-Menschen in der Sexarbeit. Gleiches gilt zum Teil für Unterstützungsangebote.

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2 Prostitution als Erwerbstätigkeit: Arbeitsbedingungen, Arbeitsbereiche, Arbeitsformen

In der internationalen Fachliteratur wird in der Regel auf Straßenprostitution und Beschaffungs-prostitution eingegangen, wenn von Prostitution gesprochen wird. Forschung in Deutschland nimmt dagegen das gesamte, sehr komplexe Spektrum der Prostitution in den Blick. Es existieren allerdings keine allgemein gültigen Definitionen für Pros-titutionsstätten. Thema sind sehr viel mehr die jeweiligen Arbeitsbedingungen, die entsprechenden Möglichkeiten der Selbstbestimmung oder der Ab-hängigkeit.

Wie jeder Wirtschaftsbereich ist auch die Prostitu-tion heterogen: es gibt exklusive, hochpreisige Leis-tungen und Niedriglohnbereiche, Familienbetriebe, Ein-Frau-Betriebe, Kollektive und ausbeuterische Arbeitsverhältnisse. Wie in anderen Bereichen – man denke an manche Discounterketten – finden sich in Großbetrieben oft eher schlechte Arbeitsbe-dingungen, während kleine Läden manchmal nicht hundertprozentig hygienisch betrieben werden, aber mehr Sicherheit bieten und mehr Selbstbe-stimmung ermöglichen. Weil dieser Bereich über lange Zeit nicht nach arbeitsrechtlichen Maßgaben reguliert war, entwickelte sich eine Schattenwirt-schaft, die nicht nur von Deregulierung, sondern teilweise von krudem Kapitalismus gekennzeichnet ist. Dieser kann durchaus die Grenze zur strafbaren Ausbeutung überschreiten. Prostitution bedeutet sexuelle Dienstleitungen und damit den sehr spezi-fischen Einsatz von Körper und Intimität. Deshalb brauchen die hier Tätigen Schutz und vor allem Zugang zu Rechten, die für andere Erwerbstätige selbstverständlich sind. Neben Arbeits- und Sozi-alrecht geht es immer auch um die Sicherung der sexuellen Selbstbestimmung. Deshalb sind Arbeits-bedingungen ein zentrales Thema.

Einige Beispiele sollen die Vielfalt der Arbeitsbe-reiche und deren Arbeitsbedingungen verdeutli-chen:

Laufhaus, Bordell

Ein Laufhaus ist eine Prostitutionsstätte, in dem die Sexarbeiterin ein Zimmer mietet und bei geöffneter Tür auf Kunden wartet oder im Schaufenster im Erdgeschoss steht oder sitzt. Die Kunden laufen durch die Flure des Hauses oder an den Fenstern vorbei. Ein Bordell ist eine Prostitutionsstätte, die über einen Kontaktraum verfügt, in dem sich die Sexarbeiterinnen dem Kunden vorstellen. Die Sexarbeiterin geht dann mit ihrem Kunden auf ein in der Regel von ihr gemietetes Zimmer.

Vorteile dieser Arbeitsplätze:

p Sie bieten relativ guten Schutz vor Übergriffen durch Kunden.

p Die Infrastruktur des Betriebes kann genutzt werden.

p Zimmer können sehr angenehm ausgestattet sein.

Nachteile dieser Arbeitsplätze:

p Häufig müssen hohe Zimmermieten und Kosten für Wirtschafter_in, Bettwäsche u.a. gezahlt werden.

p Eine freie Arbeitszeiteinteilung ist nur beschränkt möglich, weil die Zimmer- belegung abgestimmt werden muss.

p Die hohen Zimmermieten fallen meist auch dann an, wenn die Sexarbeiterin keine Kunden hat oder z.B. wegen Krankheit kurzfristig nicht arbeiten kann.

Apartment, Privatwohnung, Club

In diesem Arbeitsbereich ist das Schaffen einer für den Kunden angenehmen Atmosphäre und Kon-versation gefordert, d. h., Voraussetzung sind (gute) Deutschkenntnisse und ein gewisses Kommunikati-onstalent.

Vorteile dieses Arbeitsplatzes:

p Die Arbeitssituation ist sehr persönlich und diskret.

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Nachteile dieses Arbeitsplatzes:

p Es entstehen teils hohe Abgaben für Miete und Infrastruktur.

p In vielen Clubs wird Alkoholkonsum erwartet.

p im FKK- oder Sauna-Club wird erwartet, dass sich die Sexarbeiterinnen unbekleidet aufhalten. Teilweise sind die Kunden eben-falls unbekleidet, teilweise tragen sie Bade-mäntel oder Handtücher.

Lovemobil

Lovemobile sind fahrbare Wohnwagen oder Wohn-wagenanhänger, die an gut zugänglichen Straßen außerhalb des Stadtgebiets stehen, häufig auch in der Nähe von Autobahnauffahrten. Sie werden meist von Sexarbeiterinnen gemietet, teilweise sind sie auch Eigentum der Sexarbeiterin.

Vorteile dieses Arbeitsplatzes:

p Der Arbeitsplatz ermöglicht freie Zeiteinteilung.

p Eigenständiges Arbeiten ist möglich.

Nachteile dieses Arbeitsplatzes:

p Dieser Arbeitsplatz ist öffentlich. Die Wahr-scheinlichkeit, von z.B. Nachbarn oder Be-kannten gesehen zu werden, ist groß.

p Eine Gefährdung durch gewalttätige Kunden ist an diesem Arbeitsplatz hoch, da Sexarbei-terinnen hier in der Regel alleine arbeiten.

p Es fallen laufende Kosten für den Stellplatz bzw. die Anmietung des Wohnwagens an, durchaus auch dann, wenn die Frau z. B. wegen Krankheit nicht arbeiten kann.

Straßenstrich

Die Arbeit auf dem Straßenstrich ist in vielen Städten durch Sperrgebietsverordnungen einge-schränkt.4 Die Verordnungen grenzen die Stand-fläche ein und geben den zeitlichen Rahmen vor. Migrantinnen ohne gute Deutschkenntnisse finden hier häufig eine Arbeitsmöglichkeit.

4 Diese Einschränkung gilt auch für Bordelle, Wohnungs-prostitution usw.

Auch Beschaffungsprostitution findet mehrheitlich auf der Straße statt. Damit sind diese Prostitutions-formen die für die Allgemeinheit sichtbarsten, über die auch auf Grund von Anwohner _innenprotesten häufig öffentlich gestritten wird.5 Dabei haben diese beiden Formen der Prostitution an der Sexarbeit insgesamt einen eher geringen Anteil. Expert_innen schätzen, dass sich eher weniger als 20 Prozent des Prostitutionsgeschehens auf der Straße abspielt.6

Vorteile dieses Arbeitsplatzes:

p Es muss nicht viel geredet (also auch wenig Deutsch verstanden) werden, die Kunden müssen nicht „unterhalten“ werden.

p Auf der Straße muss, anders als in manchen Clubs und Bordellen, kein Alkohol konsu-miert werden.

p Jede Sexarbeiterin bestimmt selbst, welche sexuellen Dienstleistungen sie zu welchem Preis anbietet, und sie entscheidet, welchen Kunden sie bedient.

p Es gibt keine laufenden Kosten wie z.B. für Zimmermiete, Werbung. Wenn nicht gear-beitet wird, fallen keine Kosten an.

Nachteile und Risiken dieses Arbeitsplatzes:

p Dieser Arbeitsplatz ist öffentlich. Die Wahr-scheinlichkeit, von z.B. Nachbarn oder Be-kannten gesehen zu werden, ist groß.

p An diesem Arbeitsplatz ist eine Gefährdung durch gewalttätige Kunden höher als in an-deren Bereichen.

p Sperrgebietsverordnungen weisen für die Straßenprostitution häufig entlegene und eher einsame Stadtbereiche aus, die wenig oder keine Infrastruktur wie fließendes Was-ser, Toiletten, Beleuchtung usw. bieten.

p Die Sperrgebietsverordnungen vieler deutscher Großstädte sind sehr komplex, sie enthalten räumliche und zeitliche Einschränkungen. Hier besteht für Sexarbeiterinnen mitunter ein hohes Risiko, wegen Verstößen gegen die Sperrgebietsverordnung mit Platzverweisen und Geldbußen belegt zu werden.

p Die Entlohnung ist teilweise gering.

5 Siehe hierzu weiter unten die Ausführungen zur Sperr-gebietsverordnung.

6 Siehe hierzu z.B. Statistisches Bundesamt (2013), S. 3

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B/D/S/M-Studio

In B/D/S/M-Studios (Bondage & Discipline, Do-minance & Submission, Sadism & Masochism) werden auch aufwändige Wünsche der Kunden, die z. B. mit bestimmten Inszenierungen (Rollenspiele) oder Gerätschaften verbunden sind, erfüllt.

Vorteile dieses Arbeitsplatzes:

p In diesem Bereich bestehen gute Verdienst-möglichkeiten.

p Absprachen zur vereinbarten Praxis werden in aller Regel eingehalten.

p Dominante Sexarbeiterinnen können körper-liche Berührungen steuern und auch versagen.

Nachteile dieses Arbeitsplatzes:

p Kenntnisse zu speziellen Sexualpraktiken (z.B. Fesselungen) und passende Kleidung (z.B. aus Latex und Leder) sind erforderlich.

p Für die Abstimmung der Wünsche und Grenzen der Kunden sind gute Sprachkennt-nisse und hohe Kommunikationskompetenz erforderlich.

Escortbereich, Haus- und Hotelbesuche

Im Escortbereich und bei Haus- und Hotelbesuchen steht die sexuelle Dienstleistung nicht immer im Vordergrund. Häufig wird die Begleitung des Kunden zum Essen, ins Theater u.a. erwartet. Ein Talent zur Kommunikation, eine gewisse Bildung und Fä-higkeit, sich in unterschiedlichen gesellschaftlichen Kontexten angemessen zu verhalten, sind erforderlich.

Vorteile dieses Arbeitsplatzes:

p In diesem Bereich bestehen gute Verdienst-möglichkeiten.

Nachteile dieses Arbeitsplatzes:

p Es sind gute Sprachkenntnisse, ein sicheres gesellschaftliches Auftreten und hohe Kom-munikationskompetenz erforderlich.

p Die Arbeit in Hotelzimmern birgt Risiken von gewalttätigen Übergriffen durch Kun-den.

Sexualassistenz / Sexualbegleitung

Eine Sonderform der Prostitution sind sexuelle Dienstleistungen für Menschen, die aufgrund einer Behinderung kaum eine andere Möglichkeit haben, zwischenmenschliche Sexualität zu leben. Sexualas-sistentinnen sind meist durch spezielle Ausbildungs-gänge auf die besonderen Bedürfnisse behinderter Menschen spezialisiert oder speziell therapeutisch geschult.

FAZIT:

Die einzig wahre, für alle Sexarbeiterinnen zutref-fende Definition von guten Arbeitsbedingungen, guten Arbeitsformen gibt es nicht. Grundsätzlich stellen sich jedoch immer die Fragen nach Sicher-heit (Schutz vor Gewalt und Ausbeutung), Hygiene und einem angemessenen Verdienst. Jede Sexar-beiterin muss für sich herausfinden, in welchem Arbeitsbereich sie sich wohl fühlt und wo sie ihren Service am besten und selbstbestimmt anbieten kann. Faktoren für die Entscheidung können sein:

p Wie hoch ist ihr Anonymitätsbedürfnis?

p Wie hoch ist ihr Bedürfnis nach einem schützenden Rahmen?

p Ist Sexarbeit ihre Haupterwerbstätigkeit oder eine Nebentätigkeit?

p Kann sie Alkoholkonsum akzeptieren?

p Ist die Zusammenarbeit mit Kolleginnen gewollt?

p Welche Sexpraktiken will sie anbieten?

p Hat sie die erforderlichen Fähigkeiten für die jeweiligen Angebotsbereiche?

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In der europäischen Kontroverse über das Thema Prostitution wird teilweise davon ausgegangen, dass alle in der Prostitution tätigen Frauen zu dieser Tätigkeit gezwungen werden und dass es einen frei-willigen Entschluss zur Tätigkeit in der Prostitution nicht geben kann. Diese Position vereinfacht die komplexe Realität, vermischt die Bereiche Prostitu-tion und Menschenhandel und verstärkt Klischees, ohne zur Aufklärung beizutragen.

Die Motive, in der Prostitution zu arbeiten, sind vielfältig. Deutsche und internationale Literatur weist an erster Stelle auf ökonomische Motive hin, wenn Frauen (und Männer) beginnen, als Prostitu-ierte zu arbeiten (Leopold/Steffan 1997, Gangoli/Westmarland 2006, Svanström 2006, Strobl 2006, Kavemann/Rabe 2008). Es geht, wie bei anderen Erwerbstätigkeiten auch, um Gelderwerb. Die Ausgangssituationen sind jedoch unterschiedlich. Manche Frauen treffen ihre Entscheidung, in der Prostitution zu arbeiten, angesichts vielfältiger Alternativen. Hier sind etwa Studentinnen zu nennen oder Frauen mit einer Ausbildung, die be-reits erfolgreich in anderen Bereichen erwerbstätig waren. Das Prostitutionsmilieu kann eine starke Anziehungskraft entfalten als Gegenmodell zu einer bürgerlichen Gesellschaft. Andere Freuen fassen ihren Entschluss in einer Situation von ökono-mischem Druck angesichts begrenzter oder kaum vorhandener Alternativen. Dies betrifft vor allem Migrantinnen, die in Deutschland keine andere Arbeit aufnehmen können als eine selbständige, oder für die sich wegen unzureichender Kenntnisse der deutschen Sprache wenig andere Arbeitsmög-lichkeiten anbieten. Auch Schulden sind ein Motiv für die Arbeit in der Prostitution, die mit der Er-wartung von schnellem Verdienst verbunden ist. Häufig wird in der Prostitutionstätigkeit die einzige Möglichkeit gesehen, die benötigten finanziellen Mittel zu erwerben, sei es für den Abbau von Schul-den, die Erfüllung bestimmter Wünsche, den Dro-genkonsum oder den Lebensunterhalt der Familie. Expertinnen aus Fachberatungsstellen weisen darauf hin, dass Frauen oft Informationen fehlen, wie sich ihr Schuldenproblem anders lösen ließe und wie staatliche Transferleistungen helfen können. Letzte-re kommen für Migrantinnen in der Regel nicht in

Frage. Neben einer allgemeinen Beratungsferne und Sprachproblemen können Scham über Armut oder Verschuldung und Scham wegen der stigmatisierten Tätigkeit verschärfend zum Informationsmangel hinzukommen und ein Hindernis für die Bera-tungssuche darstellen.

In der Regel ist der Entschluss zum Gelderwerb in der Prostitution kein endgültiger. Viele Frauen arbeiten zunächst nur gelegentlich in der Prostitu-tion und erwarten, dass sie damit aufhören werden, nachdem eine gewisse Summe verdient und Schul-den abgetragen oder Ziele erreicht wurden (Leo-pold/Steffan 1997).

In der Regel sind Frauen jung oder sehr jung, wenn sie mit der Prostitution beginnen (Gangoli/West-marland 2006). Jugendliche, die auf Trebe sind, oder Jugendliche, die aus gewalttätigen Familien kommen, zeigen häufiger sexuell riskantes Verhal-ten. Weitere Motive, die junge Frauen nennen, sind der Wunsch nach Geld, um „schöne Dinge“ zu kaufen, in der Gruppe der Gleichaltrigen mitzuhal-ten oder ein geringes Selbstbewusstsein zu stärken (ebenda).

Entgegen der Annahme, dass Frauen über einen männlichen Freund oder Bekannten, der als ihr Zuhälter fungiert, in die Sexarbeit kommen, sind es viel eher Freundinnen oder Bekannte, die bereits als Prostituierte Geld verdient haben und sie mitneh-men und einführen (ebenda).

Drogenabhängigkeit ist vor allem ein Thema der Straßenprostituierten. Für die Mehrheit der Drogen Konsumierenden ist das „Anschaffen“ eine verhasste Notwendigkeit (vgl. Strobl 2006). Sozialwissen-schaftlerinnen und Beraterinnen problematisieren, dass es keine einfache Antwort auf die Frage gibt, ob zuerst die Droge oder zuerst die Prostitution war. Drogenabhängigkeit führt häufig in die Pro-stitution, psychische Belastung durch Prostitution kann jedoch auch in den Drogenkonsum und die Abhängigkeit führen (ebenda).

Ein enger Zusammenhang zwischen (sexuellem) Gewalterleben in Kindheit und Jugend und späterer Drogenabhängigkeit ist durch Forschung bestätigt

3 Welche Gründe nennen Frauen für den Einstieg in die Prostitution?

12

(Hester/Westmarland 2004; Kerschl 2003). Es kann jedoch keinesfalls der Kurzschluss gezogen werden, dass hinter jedem Schritt in die Prostitution Ge-walterlebnisse stehen oder dass Gewalterlebnisse zwangsläufig in die Prostitution führen. Auch in diesem Kontext überwiegen meist ökonomische Motive.7

7 Weiterführende Literatur: Kavemann u.a. 2006a: Ab-schlussbericht der Untersuchung zu den Auswirkungen des Prostitutionsgesetzes, www.bmfsfj.de/RedaktionB-MFSFJ/Abteilung4/Pdf-Anlagen/prostitutionsgesetz-gut-achten-1,property=pdf,bereich=bmfsfj,sprache=de,r-wb=true.pdf

Kavemann u.a. 2006b: Vertiefung spezifischer Fragestel-lungen zu den Auswirkungen des Prostitutionsgesetzes: Ausstieg aus der Prostitution. Kriminalitätsbekämpfung und Prostitutionsgesetz, www.bmfsfj.de/bmfsfj/gene-rator/RedaktionBMFSFJ/Abteilung4/Pdf-Anlagen/pro-stitutionsgesetz-gutachten-2,property=pdf,bereich=,-sprache=de,rwb=true.pdf www.bmfsfj.de/bmfsfj/generator/RedaktionBMFSFJ/Abteilung4/Pdf-Anlagen/prostitutionsgesetz-gutach-ten-2,property=pdf,bereich=,sprache=de,rwb=true.pdf

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4 Alles erlaubt? Rechtliche Regelungen in Deutsch-land

4.1 Das Prostitutionsgesetz

Bis zum Inkrafttreten des Prostitutionsgesetzes (ProstG)8 gab es keine spezifische gesetzliche Regelung der Prostitution in Deutschland. Die Ausübung der Prostitution war seit 1927 nicht ver-boten, galt aber laut höchstrichterlicher Rechtspre-chung als sittenwidrig und gemeinschaftsschädlich. Diese Bewertung beruhte in erster Linie auf der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes, das die Prostitution 1965 mit der Betätigung als Berufsverbrecher gleichstellte. Als Maßstab für den Begriff der guten Sitten galt das 1901 vom Reichs-gericht formulierte „Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden“. Die Ausübung der Prostituti-on unterlag der Steuerpflicht, aber Verträge über die Ausübung von Prostitution (z.B. das Anmieten von Gewerberaum, die Vereinbarung über Entlohnung oder der Abschluss einer Krankenversicherung) waren ohne Rechtskraft, denn die Tätigkeit galt als sittenwidrig. Eine Prostituierte trotz erbrachter Dienstleistung nicht zu bezahlen, war nicht straf-bar.9

Das Prostitutionsgesetz hat mit der Abschaffung der Sittenwidrigkeit erreicht, dass für die Prostituierten ein gerichtlich einklagbarer Anspruch auf Entgelt der von ihnen erbrachten Leistungen vorliegt. Pro-stituierten wurde dadurch ermöglicht, rechtsgültige Verträge zu schließen und Kunden gegenüber ihren Anspruch auf Bezahlung geltend zu machen. Hier-bei handelt es sich jedoch um einen einseitigen Ver-trag. Das heißt, dass zwar die Prostituierten ihren Anspruch auf Zahlung geltend machen können, die Kunden sich jedoch nicht auf bestimmte Zusagen der Prostituierten berufen können. Demzufolge ist die Prostituierte in keinem Fall verpflichtet, die mit einem Kunden vereinbarte Leistung zu erbringen. Nach § 1 Satz 2 ProstG besteht der Anspruch auf das Entgelt auch dann, wenn eine Entlohnung vor-

8 Der vollständige Text des Gesetzes findet sich im An-hang als Anlage 1.

9 Deshalb gilt bis heute in der Prostitution die Regel der Vorkasse: erst die Bezahlung, dann die Dienstleistung.

her vereinbart war und sich die Prostituierte ledig-lich für die Erbringung der sexuellen Dienstleistung bereithält.

Diese Ansprüche dürfen gemäß § 2 ProstG nicht abgetreten werden. Darunter ist zu verstehen, dass diese Rechtsansprüche nicht auf eine andere Person (z.B. einen Zuhälter oder Betreiber) übertragen werden können, die sie geltend machen könnte.

Laut § 3 ProstG steht der Annahme einer Beschäf-tigung im Sinne des Sozialversicherungsrechts nicht entgegen, dass in der Prostitution das eingeschränk-te Weisungsrecht der Arbeitgeber_innen im Rah-men der abhängigen Tätigkeit gilt.

Das eingeschränkte Weisungsrecht beinhaltet:

p ein eingeschränktes Direktionsrecht der Arbeitgeberin/des Arbeitgebers bei einem Höchstmaß an Selbstbestimmung der Prosti-tuierten. Die Wahl der Kunden und der Art der Dienstleistung darf nicht vorgeschrieben werden;

p eine gewisse Eingliederung in den Betrieb, z.B. die Vereinbarung von Arbeitszeiten;

p die Freiwilligkeit der Tätigkeit (BMFSFJ 2006: 16).

Hinsichtlich der eingeschränkten Weisungsbefugnis für Arbeitgeber_innen besteht immer wieder das Missverständnis als habe das ProstG generell Betrei-ber_innen eine Weisungsbefugnis verliehen. Sie gilt – und auch nur in dem oben genannten Rahmen – jedoch ausschließlich für versicherungspflichtige Arbeitsverträge.

Faktisch können selbständig tätige Prostituierte sich nunmehr genauso wie andere Selbständige kranken- und rentenversichern. Die Besteuerung der Pros-titution ist im Prostitutionsgesetz nicht geregelt, Sexarbeiter_innen waren schon immer steuerpflich-tig (vgl. 5.2).

14

4.2 Europäische Regelungen

Reglementierungen der Sexarbeit in Europa reichen von teilweiser bis vollständiger Kriminalisierung über abolitionistische und prohibistische Positio-nen bis zu seltenen regulierenden Regelungen. Die Strategien und Interventionen sind europaweit sehr unterschiedlich und teilweise gegensätzlich, obwohl alle erklären, grundsätzlich ein gemeinsames Ziel zu verfolgen: den Kampf gegen Diskriminierung, Gewalt und soziale Ausgrenzung im Bereich der Sexarbeit. Die Jahrzehnte langen Erfahrungen mit einem Rechtssystem in Deutschland – nach dem Prostitution selbst zwar nicht verboten, aber sit-tenwidrig war und Organisation von Prostitution unter Strafe stand – belegen, dass diese rechtliche Behandlung der Prostitution zwar das Wohl und den Schutz von Frauen meinte, aber das Gegenteil erreichte. Abolitionismus trägt zu weiterer Stigma-tisierung von Sexarbeit und der Ausgrenzung von Sexarbeiter_innen bei und verstärkt zusätzlich die Doppelmoral (Leopold/Steffan 1994). Gegenwärtig verfolgen nur neun der 47 Staaten des Europarats einen regulierenden Ansatz der Legalisierung von Sexarbeit. In einigen dieser Länder werden jedoch Pflichtuntersuchungen für Sexarbeiter_innen als Teil der Regulierung verstanden, was weitere Prob-leme aufwirft (vgl. 6.1).

Eine kürzlich erschienene Studie mit 1.000 Sexar-beiterinnen zu den Arbeitsbedingungen und dem Zugang zur Gesundheitsversorgung in sechs euro-päischen Ländern – Deutschland, Polen, Estland, Litauen, Slowakische Republik, Bulgarien und Ru-mänien (SPI 2013) – betont durchgängig die Not-wendigkeit einer europaweiten Anerkennung der Sexarbeiter_innen als wichtige Zielgruppe von Prä-vention, Forschung und Politik. Politische Initiati-ven sollten in Konzepte der Umsetzung von Men-schenrechten und Entdiskriminierung eingebettet sein. Dies steht im Einklang mit den Empfehlungen der WHO: „All countries should work towards decriminalisation of sex work and elimination of the unjust application of non-criminal laws and regulations against sex workers.[…] Health services should be made available, accessible, and acceptable to sex workers based on the principles of avoidance of stigma, non-discrimination, and the right to he-alth.” (WHO 2012)

4.3 Der Einfluss von Zuwanderungs-regelungen auf die Prostitution in Deutschland10

Freizügigkeitsgesetz / EU

Seit im Rahmen der EU-Osterweiterung 2007 Bulgarien und Rumänien in die EU aufgenommen wurden, weisen kleinere Studien und Berichte aus der Praxis darauf hin, dass ein wesentlicher An-teil der in der Sexarbeit tätigen Migrant_innen in Deutschland aus diesen Ländern stammt. Wie alle anderen EU-Bürger_innen können Staatsangehö-rige aus diesen Ländern innerhalb der EU ohne Visum reisen und sich frei niederlassen. Die gesetz-liche Grundlage dafür bildet das hier beschriebene Freizügigkeitsgesetz. Im Gegensatz zu Bürger_innen aus anderen EU-Staaten ist ihnen die Aufnahme einer abhängigen Beschäftigung (etwa in einem An-gestelltenverhältnis) bisher noch verboten, jedoch können sie sich als Selbständige in Deutschland beruflich betätigen. Damit ist für Bürger_innen aus anderen EU-Staaten die Ausübung der Prostitution in Deutschland legal möglich. Im Einklang mit der Freizügigkeitsrichtlinie benötigen Unionsbürger_in-nen für die Einreise sowie für einen Aufenthalt von bis zu drei Monaten nur einen gültigen Personalaus-weis oder Reisepass (§ 2 Absatz 5 Freizügigkeitsge-setz/EU).

Für ein Aufenthaltsrecht von mehr als drei Mona-ten müssen bestimmte weitere Voraussetzungen erfüllt sein: Gemeinschaftsrechtlich freizügigkeits-berechtigt sind nach § 2 Absatz 2 des Freizügig-keitsgesetzes/EU: Arbeitnehmer_innen sowie Uni-onsbürger_innen, die sich für eine gewisse Zeit zur Arbeitsuche oder zur Berufsausbildung aufhalten wollen, Selbständige sowie Erbringer_innen von Dienstleistungen, nicht erwerbstätige Unionsbür-ger_innen, sofern sie über ausreichende Existenz-mittel und Krankenversicherungsschutz verfügen. Migrant_innen aus Bulgarien und Rumänien, die in Deutschland der Prostitution nachgehen, benötigen einen Personalausweis oder Reisepass, eine polizei-liche Anmeldung sowie eine Steuernummer und den Nachweis, dass sie in Deutschland ihrer Steuer-pflicht nachkommen.

10 Siehe hierzu Website des Bundesministerium des Inne-ren : www.gesetze-im-internet.de.

15

Freizügigkeitsberechtigte Unionsbürger_innen kön-nen ihr Aufenthaltsrecht aus Gründen der öffentli-chen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit verlie-ren. Für eine solche Feststellung gelten besonders enge Voraussetzungen: Es muss eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung der öffent-lichen Ordnung oder Sicherheit vorliegen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Diese Ge-fährdung muss auf dem persönlichen Verhalten des Unionsbürgers / der Unionsbürgerin beruhen.

Außerdem kann die Ausländerbehörde auf der Grundlage von § 5 Absatz 5 Freizügigkeitsgesetz/EU in den ersten fünf Jahren des Aufenthalts den Verlust des Freizügigkeitsrechts feststellen, wenn die Voraussetzungen für die Ausübung des Rechts entfallen sind. Eine Überprüfung darf nur aus besonderem Anlass stattfinden. Das kann zum Bei-spiel dann der Fall sein, wenn Unionsbürger_innen falsche Angaben über ein Arbeitsverhältnis gemacht haben und in erheblichem Umfang Sozialleistungen in Anspruch nehmen. Unionsbürger_innen sind nach der Verlustfeststellung des Freizügigkeitsrechts ausreisepflichtig.

Zuwanderungsgesetz

Für Bürger_innen aus Staaten außerhalb der Euro-päischen Union, die nicht über eine Aufenthaltser-laubnis in Deutschland verfügen, ist eine Arbeitsauf-nahme jeglicher Art verboten. Hierunter fällt auch die Arbeit in der Prostitution. Sie können sofort ab-geschoben werden, wenn sie z.B. im Rahmen einer Razzia aufgegriffen werden.

4.4. Strafrechtliche Regelungen zu Aspekten der Prostitution im Strafgesetzbuch

In Deutschland sind Straftatbestände und deren Strafmaß größtenteils im Strafgesetzbuch (StGB) geregelt.

Strafrecht im Zusammenhang mit Prostitution11

Es existieren verschiedene strafrechtliche Regelun-gen im deutschen Strafgesetzbuch im Zusammen-hang mit der Prostitution. Hierbei handelt es sich um § 180 a StGB (Ausbeutung von Prostituier-ten) und § 181 a StGB (Verbot der Zuhälterei). Bei der Zuhälterei wird unterschieden zwischen ausbeuterischer Zuhälterei (§ 181a Abs. 1 Nr. 1), dirigistischer Zuhälterei (§ 181a Abs. 1 Nr. 2) und gewerbsmäßig fördernder Zuhälterei (§ 181a Abs. 2 StGB).

Kunden machen sich strafbar bei der Inanspruch-nahme von sexuellen Dienstleistungen Minderjäh-riger nach §§ 176 und 176a StGB (sexueller Miss-brauch von Kindern), auch wenn eine Einwilligung oder sogar ein Angebot zur sexuellen Handlung von Personen unter 14 Jahren vorliegt. Nach §182 Abs.1, Nr.1 machen sich Erwachsene strafbar, wenn sie mit einer Person unter 16 Jahren sexuelle Handlungen gegen Entgelt ausüben (sexueller Miss-brauch von Jugendlichen). Seit 2008 macht sich ein Kunde in Deutschland auch strafbar, wenn er die Dienste von 16 oder 17jährigen annimmt (siehe 7.2).

In der Diskussion zur besseren Bekämpfung von Zwangsprostitution und Menschenhandel ist auch die Anhebung der Altersgrenze für legale Prostitu-tion auf 21 Jahre. Begründet wird diese Forderung mit der besonderen Schutzwürdigkeit junger Frau-en. In der Konsequenz würde das bedeuten, dass Prostitution für unter 21 Jährige verboten ist, diese Sexarbeiter_innen selbst müssten eine Strafverfol-gung befürchten und wären wahrscheinlich für so-ziale und gesundheitliche Angebote kaum noch zu erreichen. Diese Forderung steht in einem Wider-spruch zu dem von allen Akteuren getragenen Para-

11 Die Texte sind angelehnt an KOK 2008.

16

digma, Sexarbeiter_innen selbst nicht grundsätzlich einer Strafverfolgung auszusetzen. Diese geforderte Altersgrenze befindet sich außerdem nicht im Ein-klang mit anderen gesetzlichen Regelungen für diese Altersgruppe, die z.B. die Heirat ab 18 Jahren, in Ausnahmefällen sogar ab 16 Jahren erlauben und den Wehrdienst mit der Waffe ab 18 sowie die Or-ganspende ab 16 Jahren zulassen.

Die Strafbarkeit der Ausbeutung von Prostituierten ist in § 180a StGB geregelt. Die Prostituierten sol-len demnach vor ausbeuterischen Strukturen in der Prostitution geschützt werden, um sicherzustellen, dass sie über ihre Sexualität frei entscheiden kön-nen und nicht Opfer fremdbestimmter Sexualität sind.12 Hiernach macht sich strafbar, wer einen Prostitutionsbetrieb leitet, in dem die Prostituierten in persönlicher oder wirtschaftlicher Abhängigkeit gehalten werden. Wesentlich ist, dass die Abhän-gigkeit über die typischen Abhängigkeiten einer Arbeitnehmerin hinausgeht, da der Arbeitgeber nach § 3 ProstG nur beschränkt weisungsbefugt ist. Von einer Abhängigkeit wird dann gesprochen, wenn die Prostituierte in ihrer sexuellen Selbstbe-stimmung fremdbestimmt ist. Sie kann persönlich abhängig sein (wenn z.B. ihre Bewegungsfreiheit eingeschränkt wird) oder wirtschaftlich (wenn z.B. ihre Einnahmen zu einem großen Teil einbehalten werden). Nach §180a Absatz 1 wird bestraft, wer ei-ner Person unter 18 Jahren zur Ausübung der Pros-titution Wohnung, gewerbsmäßige Unterkunft oder gewerbsmäßige Aufenthalt gewährt“, Prostitution für unter 18jährige ist damit faktisch verboten 13

In Deutschland ist – wie in allen europäischen Ländern, die Prostitution gesetzlich regeln – Zu-hälterei verboten. Strafbar ist nach § 181a Absatz 1 Nr. 1 StGB (sog. ausbeuterische Zuhälterei), wenn jemand eine Person, die der Prostitution nachgeht, ausbeutet.14 Das Ausnutzen muss im Rahmen ei-nes Abhängigkeitsverhältnisses in gewinnsüchtiger Absicht erfolgen und die Prostituierte muss eine

12 Satzger, Schmitt, Widmaier, Kommentar zum StGB, 1. Auflage, 2009, § 180 a StGB, Rn. 1

13 Ebenda, Rn 614 Die Ausbeutung von Prostituierten gemäß § 180a Abs.

2 Nr. 1 setzt voraus, dass einer unter 18-jährigen Pro-stituierten zur Prostitutionsausübung eine Wohnung oder gewerbsmäßig Unterkunft bzw. Aufenthalt ge-währt wird. Der § 180a Abs. 2 Nr. 2 setzt voraus, dass einer Prostituierten unabhängig von deren Alter eine Wohnung zur Prostitutionsausübung gewährt wird und sie zur Prostitution angehalten oder im Hinblick auf die Prostitution ausgebeutet wird.

spürbare Verschlechterung ihrer wirtschaftlichen Lage erlitten haben. Dies ist z.B. bei 50-prozentiger Abgabe der Einnahmen anzunehmen.15

Die dirigistische Zuhälterei ist nach § 181a Absatz 1 Nr. 2 StGB strafbar. Unter dem Begriff „diri-gistisch“ ist zu verstehen, dass eine Lenkung oder ein Zwang von außen vorliegt, das heißt, dass die Zuhälter_innen die Art und Weise der Prostitu-tionsausübung so regeln, dass die Prostituierten nicht frei handeln können. Dazu zählt, wenn das Verhalten der/des Täterin/Täters die Prostituierte in Abhängigkeit hält, sie zur fortwährenden Prostituti-onsausübung anhält oder ihre Entscheidungsfreiheit in sonstiger Weise einschränkt.16 Nicht gleichzu-setzen mit der Zuhälterei ist das Organisieren der Prostitution.

Die Bordellbetreiber/innen dürfen die Art und das Ausmaß der Prostitutionsausübung nicht vorgeben. Die Prostituierte muss das Recht haben, jederzeit zu kündigen, sie muss berechtigt sein, sexuelle Hand-lungen abzulehnen und darf auch keinem Direkti-onsrecht in der Weise unterliegen, dass sie bestimmte Kunden gegen ihren Willen annehmen muss.17

15 Lackner/Kühl StGB-Kommentar, 27. Auflage, § 181a, Rn. 3.16 Lackner/Kühl, 27. Auflage, § 181a, Rn. 4.17 Lackner/Kühl, 27. Auflage, § 181a, Rn. 4.

17

Strafrecht im Zusammenhang mit Menschenhandel

Der Rahmenbeschluss des Rates von 2002 zur Bekämpfung des Menschenhandels18 wurde in Deutschland im Jahr 2005 umgesetzt. Als Folge wurden die strafrechtlichen Tatbestände der §§ 232 ff StGB eingeführt. Unter Menschenhandel zur se-xuellen Ausbeutung wird nach § 232 StGB verstan-den, wenn Personen eine Zwangslage in Form von Gewaltanwendung, Drohung oder Täuschung oder die sogenannte auslandsspezifische Hilflosigkeit einer anderen Person ausnutzen, um diese in die Aufnahme oder Fortsetzung der Prostitution oder sexueller Handlungen, durch die sie ausgebeutet wird, zu bringen. Der Zwang kann dabei verschie-dene Formen annehmen; er kann sowohl durch psychische Gewalt oder Androhung derselben als auch durch Erpressung, unrechtmäßiges Einbehal-ten von Dokumenten und verdientem Geld, Raub, Isolation oder Betrug ausgeübt werden. Auch das Ausnutzen einer hilflosen Lage, der Autoritätsmiss-brauch und die Schuldknechtschaft sind Formen des Zwangs. Die Abhängigkeitsverhältnisse entste-hen beispielsweise durch „fiktive“ Schulden für die Einreise, die zunächst abgearbeitet werden müssen. Hinzu kommen Arbeitsbedingungen, die nicht vergleichbar sind mit Arbeitsbedingungen in der selbstbestimmten Prostitution.

Der § 232 Absatz 1 Satz 2 StGB enthält eine Be-sonderheit. Hiernach wird bestraft, wer eine Person unter einundzwanzig Jahren zur Aufnahme oder Fortsetzung der Prostitution oder sonstiger sexueller Handlungen bringt. In diesen Fällen ist es nicht erforderlich, dass eine auslandsspezifische Hilflo-sigkeit oder eine Zwangslage vorliegt und dass der Täter dieses ausnutzt. Der Tatbestand des Men-schenhandels ist also an Personen unter 21 Jahren besonders leicht zu verwirklichen.

Neben dem Menschenhandel zur sexuellen Ausbeu-tung existiert Menschenhandel zur Arbeitsausbeu-tung. Oftmals wird der Begriff Menschenhandel missverstanden, weil viele nicht wissen, dass die §§ 232, 233 StGB nicht den Handel oder die Rekru-

18 Rahmenbeschluss des Rates vom 19. Juli 2002 zur Be-kämpfung des Menschenhandels (2002/629/JI): http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=O-J:L:2002:203:0001:0004:DE:PDF (11.07.2013)

tierung betreffen.19 Opfer, oder im strafrechtlichen Sinne Verletzte, können daher sowohl Drittstaats-angehörige, EU-Bürger_innen als auch Deutsche sein, da Menschenhandel auch innerstaatlich statt-finden kann.

Durch § 233a StGB werden den Menschenhandel nach §§ 232 oder 233 StGB fördernde Handlungen als selbständige Straftaten erfasst. Hierunter fällt der Menschenhandel, wie er im internationalen Kontext verstanden wird. Gemeint ist das Schaffen von Bedingungen, die Menschenhandel ermöglichen, das heißt das Anwerben, Befördern, Weitergeben, Beherbergen oder Aufnehmen einer Person.

Nunmehr existiert aus dem Jahr 2011 die Richtli-nie 2011/36 des europäischen Parlaments und des Rates zur Verhütung und Bekämpfung des Men-schenhandels und zum Schutz seiner Opfer sowie zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2002/629/JI des Rates, welche Deutschland bis zum 06.04.2013 hätte umsetzen müssen. Die Richtlinie hat zum Ziel, neben einer Verbesserung der Strafverfolgung und Verhinderung von Straftaten auch einen bes-seren Schutz der Opfer umzusetzen. Sie verlangt ein integriertes, ganzheitliches und menschen-rechtsbasiertes Vorgehen bei der Bekämpfung des Menschenhandels. Deutschland hat bislang die EU-Richtlinie nicht umgesetzt.20 Die Richtlinie nimmt als weitere Ausbeutungsformen das Ausnut-zen der Betteltätigkeit, sowie das Ausnutzen strafba-rer Handlungen sowie den Organhandel auf. Diese Ausbeutungsformen sind in Deutschland bislang unter dem Menschenhandel nicht erfasst und daher nicht strafbar.

19 Renzikowski, Entwicklung von tragfähigen Unterstüt-zungsstrukturen für die Betroffenen von Menschenhan-del zur Arbeitsausbeutung, Hrsg. BMAS 2011

20 Stand 30.11.2013: Am 4.6.13 legten die Regierungs-fraktionen CDU/CSU und FDP dem Bundestag den Ge-setzesentwurf 17/13706 vor, welcher am 27.06.2013 in der zweiten und dritten Lesung angenommen wurde. Der Bundesrat beschloss jedoch am 20.9.13 die Einbe-rufung des Vermittlungsausschusses. Somit ist nach dem Grundsatz der Diskontinuität der Gesetzentwurf gescheitert. Die Umsetzung der Richtlinie 2011/36/EU muss demnach in der 18. Wahlperiode (2013-2017) neu verhandelt werden.

18

5 Der Einfluss anderer Gesetze und Regelungen

5.1 Gesundheitsversorgung

Bis zur Einführung des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) im Jahr 2001 war in Deutschland das Ge-setz zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten (GeschlKG) die Grundlage für Maßnahmen des Öffentlichen Gesundheitsdienstes zur Diagnostik und Kontrolle von nur vier definierten Geschlechts-krankheiten (Gonorrhöe, Syphilis, Ulcus Molle, Venerische Lymphknotenentzündung). Die in diesem Gesetz definierte Möglichkeit („Kannbe-stimmung“), für bestimmte Personen mit „häufig wechselndem Geschlechtsverkehr“ Pflichtunter-suchungen anzuordnen, wurde ausschließlich auf Prostituierte angewandt. Weibliche Sexarbeiterin-nen waren demnach in vielen Bundesländern ver-pflichtet, sich regelmäßig auf Geschlechtskrankhei-ten untersuchen zu lassen21. Auch dann, wenn sie ausschließlich „safe“ arbeiteten und noch nie krank waren, betrug der übliche Untersuchungsrhythmus zwei Wochen. Je nach Kommune oder Bundesland kontrollierten Sozialarbeiter_innen, Gesundheits-aufseher_innen oder Polizist_innen diese „Bock-schein“ genannten Untersuchungsnachweise im Rahmen aufsuchender Arbeit oder entsprechender Kontrollen und Razzien. Wurden Sexarbeiterin-nen ohne gültige Untersuchungsnachweise erfasst, wurden sie dem Gesundheitsamt zugeführt, und bei Wiederholungen mit Ordnungsstrafen belegt. Eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen den Sozialarbeiter_innen der Gesundheitsämter und Sexarbeiterinnen konnte vor diesem Hintergrund nur schwer aufgebaut werden.

Mit der Einführung des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) im Jahr 2001 wurde erstmalig in Deutsch-land eine gemeinsame gesetzliche Grundlage für alle über 30 sexuell übertragbaren Erreger (STIs) ein-schließlich HIV/AIDS geschaffen. Die Überschrift von § 3 des Gesetzes: „Prävention durch Aufklä-rung“ entspricht dem Leitgedanken des Gesetzes. Die Risiken, denen viele Infektionskrankheiten zu Grunde liegen, können wirksam reduziert werden,

21 In der Tat galt die Untersuchungspflicht ausschließlich für weibliche Sexarbeiterinnen.

wenn Menschen unterstützt werden, sich selbst zu schützen. Im Mittelpunkt der öffentlichen Auf-merksamkeit steht also nicht länger die Kontrolle, sondern die Förderung des gesundheitsbewussten Verhaltens der Einzelnen.

§ 19 IfSG präzisiert die Aufgaben des Gesund-heitsamtes im Rahmen der Bekämpfung von STI. Mit freiwilligen, anonymen und sogar kostenlosen Angeboten wird auch hier die Förderung des indivi-duellen Gesundheitsverhaltens in den Mittelpunkt gestellt.

Das Gesundheitsamt bietet bezüglich sexuell über-tragbarer Krankheiten und Tuberkulose Beratung und kostenlose Untersuchungen an oder stellt diese in Zusammenarbeit mit anderen medizinischen Einrichtungen sicher. Diese sollen für Personen, deren Lebensumstände eine erhöhte Ansteckungs-gefahr für sich oder andere mit sich bringen, auch aufsuchend angeboten werden und können im Einzelfall die ambulante Behandlung durch einen Arzt des Gesundheitsamtes umfassen, soweit dies zur Verhinderung der Weiterverbreitung der sexuell übertragbaren Krankheiten und der Tuberkulose erforderlich ist. Die Angebote können bezüglich sexuell übertragbarer Krankheiten anonym in An-spruch genommen werden.

Für Sexarbeiter_innen sind diese Angebote unter mehreren Gesichtspunkten wichtig:

Mit der Abschaffung der Untersuchungspflicht ent-fällt eine oftmals erniedrigende Prozedur, die auch aus gesundheitspolitischer Sicht nachweislich nicht sinnvoll war.22

Die zugesicherte Anonymität schützt die Privat-sphäre und ermöglicht es auch Sexarbeiter_innen ohne Aufenthaltsstatus aus Nicht-EU-Ländern, die-se Angebote wahrzunehmen.

Die erregerunabhängige Definition von STI ermög-licht eine breite und verbesserte Diagnostik.

Die aufsuchende Arbeit an den Arbeitsorten wirkt vertrauensbildend, sichert den Zugang zu gesund-

22 Weibliche Prostituierte gehörten in den deutschen Bundesländern, die vor der Einführung des IfSG eine Un-tersuchungspflicht für Prostituierte angeordnet hatten zu den auf STD und HIV meist getesteten Personengrup-pen. Es wurden bei ihnen aber nicht mehr Infektionen gefunden, als im Durchschnitt der weiblichen Allgemein-bevölkerung (Leopold/Steffan 1994).

19

heitsfördernden Angeboten und erweitert gesund-heitsbezogenes Wissen. Insbesondere Migrantinnen in der Sexarbeit werden über aufsuchende Arbeit erreicht.

Die Angebote können auch ohne Krankenversiche-rung in Anspruch genommen werden.

Wurde von den entsprechenden Beratungsstellen der Gesundheitsämter in den ersten Jahren nach Abschaffung der Untersuchungspflicht für Sexarbei-terinnen über einen Rückgang von Patientinnen aus der Sexarbeit berichtet, stiegen die Zahlen in den Folgejahren wieder an.23

5.2 Steuerrecht

Schon vor Verabschiedung des Prostitutionsgesetzes war Prostitution nicht verboten, also legal, wurde aber in der Rechtsprechung als sittenwidrige Tätig-keit eingestuft. Unter der Bezeichnung Sexarbeit oder Prostitution war es nicht möglich, sich bei der Rentenversicherung oder in einer Krankenkasse anzumelden. Die Einkünfte aus Sexarbeit waren aber schon immer als „Einkünfte anderer Art“ zu versteuern. Mit Abschaffung der Sittenwidrigkeit der Prostitution durch Einführung des ProstG ist es nun verpflichtend, sich unter der Berufsbezeich-nung Prostituierte, Begleitservice oder „Dienst-leistung persönlicher und sachlicher Art“ beim Finanzamt anzumelden und eine Steuernummer zu führen. Wie alle Steuerpflichtigen müssen auch Sexarbeiter_innen einmal im Jahr Steuererklärun-gen abgeben, die alle Einnahmen nachweisen. Aus-gaben, die im Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit in der Sexarbeit entstehen, können steuer-lich abgesetzt werden.

Die Höhe der zu leistenden Umsatz- und Einkom-menssteuer richtet sich nach der Höhe des Jahres-einkommens und der persönlichen Situation (ver-heiratet, Alleinverdienerin, Kinder usw.). Obwohl sich Prostituierte bisher nicht beim Wirtschafts- oder Gewerbeamt als Gewerbetreibende anmelden können, gelten sie steuerrechtlich als Gewerbetrei-bende und müssen ab einem bestimmten Gewinn zusätzlich Gewerbesteuer zahlen.

23 Die Jahresstatistik der Gesundheitsämter kann bei der Senatsverwaltung für Gesundheit, Umwelt und Verbrau-cherschutz, Berlin angefordert werden.

Da die Mehrheit der Sexarbeiter_innen als Selbstän-dige arbeitet und ihren Arbeitsort häufiger wech-selt, besteht in den Finanzbehörden Zweifel an der Steuerehrlichkeit von Sexarbeiter_innen. Mehrere Städte habe deshalb die Möglichkeit eingeführt, eine pauschalierte „Vorauszahlung zur Sicherung der Steuererhebung“ zu entrichten. Dieses Modell hat keine Rechtsgrundlage,24 kann aber freiwillig genutzt werden. Nehmen Frauen oder Männer an diesem Modell teil, zahlen sie pro Arbeitstag (unab-hängig davon, wie viele Stunden sie arbeiten, und unabhängig von ihrem realen Verdienst) eine be-stimmte Summe. Diese schwankt zwischen 30 Euro in Berlin, über 25 Euro in Stuttgart und München, 15 Euro in Leipzig und 6 Euro in Köln. Arbeiten sie als Selbständige in einem Bordell, kassiert der Betreiber bzw. die Betreiberin diesen Pauschalbe-trag und führt ihn an das Finanzamt ab. Bei diesem Modell besteht die Möglichkeit, den Pauschalbetrag unter dem Künstlernamen zu bezahlen und dem Betreiber bzw. der Betreiberin keine persönlichen Daten zu übermitteln. Vielen Sexarbeiter_innen ist aber leider nicht bekannt, dass sie trotz Teilnahme am pauschalierten Verfahren ihrer Steuerpflicht erst dann genügen, wenn sie am Jahresende eine indivi-duelle Steuererklärung beim Finanzamt einreichen.

Seit Verabschiedung des ProstG wird die Zahlung von Steuern von den Finanzämtern durch Kontrol-len in den Bordellen verstärkt überprüft.

In einigen Städten wurde eine kommunale Auf-wandssteuer bzw. Vergnügungssteuer eingeführt. Steuergegenstand sind „im Stadtgebiet veranstaltete Vergnügungen“ sexueller Art. Sie wird von Betrie-ben erhoben, die “gezielt Gelegenheit zu sexuellen Vergnügungen“ einräumen wie auch von Sexarbei-ter_innen, die „sexuelle Handlungen gegen Entgelt“ außerhalb solcher Betriebe anbieten.

5.3 Sperrgebietsverordnung: Räumliche und zeitliche Begrenzung der Ausübung von Sexarbeit

Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch (EGStGB): In Kommunen bis zu 50.000 Einwohner_innen kann in Deutschland die Regierung eines Bundes-landes die Prostitution im Gemeindegebiet ganz

24 Aus diesem Grund hat z.B. Niedersachsen dieses Ver-fahren nicht eingeführt.

20

untersagen, ab 50.000 Einwohner_innen können räumliche und/oder zeitliche Beschränkungen er-lassen werden, die die Prostitution in bestimmten Straßen oder Stadtgebieten bzw. zu bestimmten Zeiten verbieten. Unabhängig von der Zahl der Einwohner_innen kann Straßenprostitution im ganzen Gebiet oder in Teilen des Gebiets einer Ge-meinde oder eines gemeindefreien Gebiets durch Rechtsverordnung verboten werden.

Die Grundlage hierfür bildet die Sperrgebiets-verordnung (siehe Anlage). Bis auf Rostock und Berlin haben alle Kommunen entsprechender Grö-ße in Deutschland eine Sperrgebietsverordnung. Umsetzungen und Überprüfung der Sperrgebiets-verordnung sind staatliche Regelungen. An der Umsetzung und Kontrolle sind die Ordnungsämter federführend beteiligt. Teilweise wird die Einhal-tung aber auch von der Polizei überprüft. Verstöße werden mit Platzverweisen und Ordnungsstrafen geahndet.

Die hier dargestellte Sperrgebietsverordnung und andere ähnliche Verordnungen, z. B. Rechtsverord-nungen zum Schutz der Jugend und des Anstandes, definieren ausschließlich Wegweisungsmöglich-keiten. In der Tendenz versuchen Kommunen, die Innenstädte im Erscheinungsbild „prostitutionsfrei“ zu halten, und erlassen entsprechende Sperrgebiets-verordnungen, die auch zeitliche Einschränkungen enthalten können. Zugrunde liegen hier vielfach Beschwerden von Anwohner_innen und Gewerbe-treibenden, die sich durch das Prostitutionsgesche-hen (Anbahnung, Kundenverkehr, Nachtleben) ge-stört fühlen. Die Sperrgebiete können sich sowohl auf Bordelle und andere Prostitutionsstätten bezie-hen als auch auf Straßenprostitution.

Die Gebiete, die Kommunen insbesondere für Straßensexarbeit ausweisen, sind häufig abgelegen, schlecht mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar und gering oder gar nicht beleuchtet. Auch fehlen in der Regel Unterstellmöglichkeiten bei Regen, Papierkörbe und Toiletten. Notrufsäulen sind nicht vorhanden und Einrichtungen, die etwas Komfort und Schutz bieten könnten, wie etwa hell beleuch-tete Tankstellen und Restaurants, sind häufig weit entfernt. Viele nach dem gültigen Gesetz ausge-wiesene Prostitutionsgebiete sind also ungenügend ausgestattet und stellen eine hohe Gefährdung für die Sicherheit und Gesundheit der dort arbeitenden Sexarbeiter_innen dar.

Dass Kommunen auch über andere Gestaltungs-möglichkeiten verfügen, stellt gerade ein Projekt in der sperrgebietsfreien Metropole Berlin überzeu-gend dar. Im Rahmen des Nutzungskonflikts zwi-schen Anwohner_innen, Gewerbetreibenden und Sexarbeiterinnen im öffentlichen Raum rund um die Kurfürstenstraße wurden Gesprächsgruppen mit allen Beteiligten durchgeführt und die Situation vor Ort analysiert. Ziel ist es, gemeinsam mit allen Ak-teur_innen Lösungen zu finden, um Störungen zu minimieren und Verdrängungen zu verhindern.25

25 Christiane Howe (2012): Nachbarschaften und Straßen-prostitution: http://www.tu-berlin.de/fileadmin/f27/PDFs/Forschung/Nachbarschaften_und_Strassen-Pros-titution_Bericht.pdf

21

6 Migration und Prostitution

Laut aktueller Statistiken der EU über interna-tionale Migration sind mehr als ein Drittel aller Nicht-Staatsbürger_innen mit Wohnsitz in der EU-27 am 1. Januar 2012 Bürger_innen aus an-deren EU-Mitgliedstaaten.26 Die meisten Auslän-der_innen in der EU leben in Deutschland (7,1 Millionen Personen am 1. Januar 2012), gefolgt von Spanien und dem Vereinigten Königreich. Die neuen EU-Länder Rumänien und Bulgarien sind unter den Ländern mit der höchsten EU-Binnen-mobilität.27

Gemäß dem deutschen Migrationsbericht 2010 vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sind Rumänien und Bulgarien die zwei wichtigs-ten Herkunftsländer der Zuwanderer_innen in Deutschland. Im Falle Rumäniens hat sich die Zahl der Zuzüge seit 2006, dem Jahr vor dem EU-Beitritt, mehr als verdreifacht, im Falle Bulgariens in etwa verfünffacht.28

Die offiziellen Statistiken können die Dynamik und Mobilitätsmuster der nicht dokumentierten Migrant_innen in Deutschland nicht umfassend abbilden. Es liegen keine Daten vor, die das re-gelmäßige Pendeln von Personen erfassen, die mit Touristenvisum, ohne Arbeitsvisum und ohne Auf-enthaltserlaubnis reisen.

Welchen Anteil Sexarbeiter_innen an den migrie-renden Frauen und Männer insgesamt haben, ist ebenfalls unbekannt; aussagekräftige Studien fehlen.29 Migration und Prostitution sind jedoch zwei eng miteinander verknüpfte Themen – das ist keine neue Erkenntnis. Expert_innen vermuten, dass mehr als die Hälfte der Sexarbeiterinnen in Deutschland ausländischer Herkunft sind.30 Dabei

26 http://epp.eurostat.ec.europa.eu/statistics_explained/index.php/Migration_and_migrant_population_

statistics/de27 EUROSTAT: (2011)28 Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Hrsg.) (2010)29 Wir möchten an dieser Stelle noch einmal darauf hin-

weisen, dass wir ausschließlich über weibliche Sexar-beiterinnen berichten, obwohl in der mann-männlichen Sexarbeit Männer und Jugendliche aus Osteuropa eine große Rolle spielen.

30 http://tampep.eu/documents.asp?section=reports

hat sich nach der EU-Osterweiterung eine deutliche Veränderung bei den Herkunftsländern entwickelt. Waren es in den 1970er Jahren noch überwiegend Frauen aus lateinamerikanischen, afrikanischen und asiatischen Ländern, kamen direkt nach der Wende Anfang der 1990er Jahre viele Frauen aus Polen und der Ukraine, um in Deutschland in der Sexarbeit zu arbeiten. Für diese Frauen aus damals noch Nicht-EU-Ländern war aber auf Grund ausländerrecht-licher Regelung eine Arbeitsaufnahme und damit auch die Aufnahme einer Tätigkeit als Prostituierte verboten, mit entsprechend negativen Auswirkun-gen auf die Arbeits- und Lebensbedingungen. Die mit den EU-Ostweiterungen 2004 und 2007 ver-bundenen Freizügigkeitsregelungen führten zu ei-nem verstärkten Anstieg auch der Zahlen der Frau-en aus den damals neuen Beitrittsländern, die nach Westeuropa, insbesondere auch nach Deutschland kommen, um hier der Prostitution nachzugehen. Hierfür werden verschiedene Gründe vermutet. So führt Andriajasevic (2007) an, dass der Transfor-mationsprozess in den Beitrittsländern mit einer steigenden Arbeitslosigkeit verbunden war; der Stellenabbau habe insbesondere Frauen betroffen. Die gleichzeitige Nachfrage nach Dienstleistungen im Niedriglohnbereich einschließlich des Sexge-werbes und das Streben nach einer wirtschaftlichen Verbesserung hätten einen wesentlichen Beitrag zur Ost-West-Prostitutionsmigration geleistet.31 Die Prostituierten aus den Beitrittsstaaten haben gegen-über solchen aus Drittstaaten Vorteile bezüglich des Aufenthaltsrechtes; so können sie sich drei Monate ohne Visum in anderen EU-Mitgliedsstaaten auf-halten und haben die Erlaubnis, einer selbständigen Erwerbsarbeit nachzugehen. Um einen Anspruch auf Sozialleistungen und Arbeitslosengeld II zu er-werben – was unter bestimmten Voraussetzungen möglich ist – müssen sie beim Finanzamt angemel-det sein und eine Steuererklärung abgegeben haben. Hiervon wird aber nur in Ausnahmefällen Ge-brauch gemacht. Aus der aktuellen Beratungspraxis ist bekannt, dass diese Rechte bisher nicht immer einfach durchzusetzen sind.

Mit Blick auf diese Personengruppe stellen sich ei-nige, teils neue Herausforderungen:

Viele Kommunen in Deutschland sind seit der Erweiterung der EU im Jahr 2007 mit verstärkter Zuwanderung aus den süd-osteuropäischen Mit-gliedsstaaten konfrontiert. Sie entwickeln deshalb 31 ebd. Auszug auf der genannten Website; 1.

22

Konzepte, um mit dieser neuen Situation besser umgehen zu können (vgl. die sozialpolitischen In-itiativen auf kommunaler Ebene und Landesebene unter 10.1). Die Stadt Duisburg hat eine Hand-lungskonzeption „Zum Umgang mit der Zuwande-rung von Menschen aus Südost-Europa“ vorgelegt und stellt in der Einleitung fest: „Die Zuwande-rungssituation wird nicht vorübergehend sein, so dass sich die Frage stellt, wie eine gesellschaftliche Integration der Zuwandernden möglich ist.“32 Das Konzept muss sich aber in der Praxis noch bewähren.

Für Beratungsstellen und Gesundheitsämter ist die Zuwanderung von Frauen aus Südost-Europa in die Prostitution ebenfalls eine neue Herausforderung. Als Voraussetzung für die persönliche Beratung vor Ort und in den Beratungsstellen müssen die Bera-ter_innen sich mit den kulturellen Hintergründen der Frauen, ihrem Bildungsstand, ihren Lebenssi-tuationen auseinandergesetzt haben. Auf diesem Wissen aufbauend, muss vorhandenes schriftliches Informationsmaterial überarbeitet und in verschie-dene neue Sprachen übersetzt werden. Darüber hin-aus gilt es Piktogramme und Audio-Information für Analphabetinnen zu entwickeln.

Häufig wird das Thema Migration und Prostitution geradezu reflexhaft mit dem Thema Frauenhandel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung verbunden – eine Verknüpfung, die nicht zulässig ist, weil sie der Realität nicht gerecht wird (vgl. 9.2 und BKA 2011). Dieser Behauptung entgegen zu wirken ist eine große Herausforderung für all diejenigen, die einer differenzierten und damit den betroffenen Personen gerecht werdenden Betrachtung der Pros-titution den Vorzug geben.

32 Stadt Duisburg 2011, S. 3.

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7 Unterstützungsangebote

7.1 Unterstützungsangebote für Frauen in der Prostitution33

Frauen sind nicht aufgrund ihrer Erwerbstätigkeit in der Sexarbeit beratungs- und unterstützungsbe-dürftig. Sie haben aber, genauso wie andere, in be-stimmten Situationen ein Recht auf professionellen Rat und gezielte Unterstützung, zum Beispiel bei Problemen mit ihren Kindern oder ihrem Partner/ihrer Partnerin, bei Verschuldung, bei Gewalt oder wenn sie in einer psychischen Krise sind. Prostitu-ierte wenden sich in solchen Situationen aus Angst vor Diskriminierung nur selten an allgemeine oder zum Beispiel auf Schuldnerberatung spezialisierte Beratungsstellen. Und sie tun dies erst recht nicht, wenn es um Probleme geht, die mit ihrer Arbeit in der Prostitution zusammenhängen, etwa bei Ärger mit Kolleg_innen, Bordellbetreiber_innen oder Polizei, oder wenn sie einen Tätigkeitswechsel an-streben. Notwendig sind daher Einrichtungen, in denen sie ohne moralische Vorbehalte Rat und Un-terstützung erhalten und in denen sowohl Kennt-nisse über die spezifische Lebens- und Arbeitssitua-tion von Sexarbeiterinnen als auch ein bestimmtes Spektrum an sozialarbeiterischen Qualifikationen vorhanden sind.

Neben von Prostituierten initiierten Projekten, die Beratung und Unterstützung anbieten, wenden sich in einigen deutschen Großstädten verschiedene Fachberatungsstellen freier Träger gezielt an weib-liche und männliche Prostituierte und an Trans*, die in der Sexarbeit tätig sind. Einige bieten mit unterschiedlichen Arbeitsschwerpunkten Beratung und Unterstützung nur für weibliche Prostituierte an. Andere wenden sich an spezielle Zielgruppen wie männliche Prostituierte/Stricher, Migrantinnen in der Prostitution, teilweise auch an minderjährige und drogengebrauchende Prostituierte.

Ein wesentlicher Arbeitsschwerpunkt ist die aufsu-chende Arbeit (Streetwork), die an allen Orten, an denen sexuelle Dienstleistungen angeboten werden, durchgeführt wird. Sie dient der Kontaktaufnahme zu den Prostituierten, der Kontaktpflege mit den-

33 Der Text ist angelehnt an Dücker/Leopold (2008)

jenigen, die nicht in die Beratungsstelle kommen wollen oder können, und zur Weitergabe von In-formationen zum Angebot der Beratungsstelle und prostitutionsrelevanten Themen und Arbeitsutensi-lien, z.B. Kondomen.

Zur Professionalisierung der Sexarbeiterinnen bie-ten einige Fachberatungsstellen Workshops vor Ort in den Prostitutionsbetrieben an.34

Der überwiegende Teil der Prostituiertenberatungs-stellen hat eine Mischfinanzierung, die sich aus Mitteln des jeweiligen Bundeslandes, der Kom-munen und Landkreise und aus Einnahmen aus Bußgeldverfahren und Spenden zusammensetzt. Die Teams der Fachberatungsstellen bestehen über-wiegend aus Sozialarbeiterinnen/-pädagoginnen, auch aus Psychologinnen, Soziologinnen oder ehe-maligen Prostituierten. Entsprechend ausgebildete Männer arbeiten lediglich in den Einrichtungen für männliche Prostituierte/Stricher. Von den Bera-tungsstellen für weibliche Prostituierte haben etli-che einen konfessionellen Hintergrund. Zum weit-aus größten Teil handelt es sich um Einrichtungen der evangelischen Kirche, die in unterschiedlichen Trägerkonstellationen zumeist im Diakonischen Werk beheimatet sind.

Andere Beratungsstellen haben ihre Wurzeln in der deutschen Hurenbewegung oder haben diese maß-geblich mit getragen. Sie sind konfessionell unab-hängig und haben in der Regel eher kleinere Träger-vereine. Im Laufe der Zeit veränderte sich teilweise das Aufgaben- und Angebotsspektrum der Projekte. Die politische Interessenvertretung von und für Sexarbeiter_innen wurde ergänzt durch eine breite Palette sozialer Arbeit sowie unterschiedlicher Qua-lifizierungsangebote für Sexarbeiter_innen. Sie ha-ben mittlerweile den Status von Fachberatungsstel-len, ohne dabei jedoch ihre politischen Aktivitäten zur Entdiskriminierung des Bereiches Sexarbeit zu vernachlässigen.

Unabhängig von Zielgruppen, Arbeitsschwerpunk-ten und Trägerhintergrund arbeiten die Fachbera-tungsstellen parteilich und akzeptierend. Klientin-nen werden ihrem jeweiligen Bedarf entsprechend beraten und unterstützt, unabhängig davon, ob

34 Ein Konzept ist „Profis – Professionalisierung von Sexar-beiter_innen in Bordellen“, www.aidshilfe.de. Es wurde von der Aktivistin Stephanie Klee für die Deutsche AIDS-Hilfe entwickelt.

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sie weiterhin in der Sexarbeit arbeiten wollen oder nicht.

Die verschiedenen Fachberatungsstellen entwickeln sowohl innerhalb ihres Trägerverbundes als auch trägerübergreifend Strategien für ihre Arbeit und gemeinsame politische Stellungnahmen zu speziel-len Aspekten wie zum Prostitutionsgesetz.

So hat sich im Jahre 2010 das Bündnis der Fachbe-ratungsstellen für Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter, bufas e.V., gegründet.35 Das Bündnis setzt sich ein für:

p die dauerhafte Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen von Sexarbeiter_innen,

p die rechtliche und soziale Gleichstellung von Sexarbeiter_innen mit anderen Erwerbstäti-gen,

p die Gleichstellung der Sexarbeit mit anderen Erwerbstätigkeiten,

p die Entkriminalisierung der Sexarbeit und Entstigmatisierung der Sexarbeiter_innen.

Neben den Fachberatungsstellen sind die an Ge-sundheitsämtern angesiedelten Beratungsstellen für sexuell übertragbare Erkrankungen und AIDS (STI-Beratungsstellen) wichtige Anlaufstellen für Prostituierte. (Vgl. 7.2)36

Adressen sind zu finden unter: www.services4sexworkers.eu/s4swi/services/coun-try/?name=Germany

7.2 Unterstützungsangebote für Minderjährige in der Prostitution

Prostitution von Minderjährigen ist faktisch verbo-ten, findet jedoch in einer Grauzone im Schnitt-stellenbereich verschiedener Szenen trotzdem statt wie der Prostitutions-, der Drogen-, der Bahnhofs- und der Treberszene. Mit Ausnahme der Drogen-prostitution findet die Prostitution Minderjähriger auch meist im Verborgenen statt, was den Zugang zu den Betroffenen durch Unterstützungs- und Hil-feprojekte erschwert. Fachberatungsstellen wie die

35 www.bufas.net36 Eine Liste der Beratungseinrichtungen befindet sich im

Anhang.

Dortmunder Mitternachtsmission haben spezifische Unterstützungsangebote für Minderjährige. Die Beraterinnen nennen individuell sehr verschiedene Gründe weswegen junge Mädchen und Jungen in die Prostitution gehen. Meist geht es um ökono-mische Gründe wir die Perspektivlosigkeit bei der Arbeitssuche, aber auch die schlechte Bezahlung in typischen Mädchen- und Frauenberufen. Auch mangelnde Lebenserfahrung, der Wunsch nach Konsumgütern, Gutgläubigkeit und „verliebt sein“, die Hoffnung auf ein besseres Leben und die Doppelmoral im sozialen Umfeld können dazu führen, den Schritt in die Prostitution zu gehen. Viel diskutiert wird hier die Loverboy-Strategie der Anwerbung Minderjähriger, mittels der ihnen junge Männer eine Liebesbeziehung vortäuschen, um die Mädchen dann in die Prostitution zu locken oder zu zwingen.37 Ausreißerinnen aus Heimen und Fa-milien scheuen den Kontakt zu Mitarbeiter_innen von Institutionen, da sie befürchten, wieder zu-rückgebracht zu werden. Sie sehen sich gezwungen, unterzutauchen, müssen aber gleichzeitig ihren Le-bensunterhalt sichern (Mitternachtsmission 2012: 56). Dort, wo Fachberatungsstellen spezifische Unterstützung und Prävention anbieten, kann die Zielgruppe erreicht werden. Die Mitarbeiterinnen der Beratungsstellen kommen über die aufsuchende Arbeit in Kontakt mit Kindern und Jugendlichen oder werden durch andere Prostituierte auf diese aufmerksam gemacht. Auch die Kooperation mit Multiplikator_innen der Schulen und der offe-nen Jugendarbeit bewährt sich (Leopold/Grieger 2004). Während es Bordellen und bordellähnlichen Betrieben verboten ist, sexuelle Dienstleistungen von Minderjährigen anbieten zu lassen , können Mädchen und Jungen auf der Straße, in Kneipen, Discotheken und Wohnungen der Prostitution un-auffälliger nachgehen. Der Ausbau von Prävention und Unterstützung wird von allen Expert_innen gefordert.

37 www.kok-buero.de/kok-informiert/aktuel-le-kok-publikationen/fachliteratur-studien-berichte/fachliteratur-studien-berichteeintraege/detailan-sicht-fachliteratur-studien-berichte/artikel/experti-se-zum-thema-deutsche-betroffene-von-menschenhan-del.html

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7.3 Unterstützungsangebote im Gesundheitswesen

In vielen größeren Städten der Bundesrepublik Deutschland existieren spezielle Beratungsstellen zu sexuell übertragbaren Krankheiten, die von allen Menschen, nicht nur Sexarbeiterinnen, aufgesucht werden können. Häufig arbeiten dort multiprofes-sionelle Teams, d.h. Fachärzt_innen bieten anonym kostenfreie Untersuchungen auf STI an und be-handeln diese im Bedarfsfall. Sozialarbeiter_innen beraten, wenn nötig mit einer Sprachmittlerin, zum Thema Schutz vor sexuell übertragbaren Krankhei-ten und über Kondombenutzung. Frauen, die im Sexgewerbe arbeiten, werden darüber hinaus über rechtliche Grundlagen wie Krankenversicherung und Steuer, über Schutz vor Gewalt und „anschaf-fen und gesund bleiben“ im weitesten Sinne be-raten. Sozialarbeiter_innen der Gesundheitsämter bieten diese Beratung auch vor Ort, d.h. bei Street-work, am Arbeitsplatz der Prostituierten an.

Sozialarbeiter_innen der Gesundheitsämter ha-ben kein Zutrittsrecht zu Bordellen, sie müssen durch ihre Angebote überzeugen, mit Bordellbe-treiber_innen reden, sie von Vorsorge, Safer Sex Praktiken usw. überzeugen. Sexarbeiter_innen, die seit Inkrafttreten des Infektionsschutzgesetzes nicht mehr verpflichtet sind, sich regelmäßig beim Gesundheitsamt auf sexuell übertragbare Krank-heiten untersuchen zu lassen, können sich nun zu allen ihnen wichtigen Themen beraten lassen, einschließlich Gesundheit, Steuer, Krankenversiche-rung, eventuellem Ausstieg. Seit der Abschaffung der Untersuchungspflicht und der Kontrolle bieten Sozialarbeiter_innen Hilfe und Beratung bei Prob-lemen und Krisen an. Dies führte dazu, dass Frauen sich in Notsituationen häufiger an sie wenden als vor dem Inkrafttreten des IfSG 2001. Ein deutli-cher Hinweis darauf, dass Freiwilligkeit die einzige Möglichkeit einer effektiven Prävention von sexuell übertragbaren Krankheiten und Unterstützung bei Zwang zur Prostitution ist.

Beratungsstellen für STI/HIV der Gesundheits-ämter: www.services4sexworkers.eu/s4swi/services/country/?name=Germany

7.4 Unterstützungsangebote für Betroffene von Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung

Es gibt den Menschenhandel zur sexuellen Ausbeu-tung, in dem Frauen – teilweise aus dem Ausland angeworben – unter Täuschung zur Prostitutions-ausübung verleitet bzw. gezwungen werden. Doch auch Frauen, die aufgrund eigener Entscheidung in der Prostitution tätig sind, können unter be-stimmten Umständen zu Menschenhandelsopfern werden. Gemäß dem Bundeslagebild des Bundes-kriminalamtes gaben im Jahr 2011 27 Prozent der ermittelten Menschenhandelsopfer an, mit der Auf-nahme der Prostitution einverstanden gewesen zu sein (Bundeskriminalamt 2011: 11). Auch Fachbe-ratungsstellen für Betroffene von Menschenhandel berichten, dass etliche der Betroffenen zwar nicht darüber getäuscht werden, dass sie in der Prostituti-on arbeiten sollen, wohl aber über die tatsächlichen Arbeitsbedingungen. So erhalten sie beispielsweise nur einen Bruchteil des versprochenen Verdienstes, müssen sich bestimmten Sexualpraktiken unter-werfen oder dürfen nicht selbstbestimmt Kunden auswählen (Prasad 2008: 70). Oft kommen andere Faktoren hinzu wie fiktive Schulden für die Einrei-se, die zunächst abgearbeitet werden müssen, oder das Einbehalten von Reisepässen. Auf diese Weise werden gezielt Abhängigkeitsverhältnisse geschaf-fen, die unter den Straftatbestand des Menschen-handels in die sexuelle Ausbeutung fallen.

Betroffene erhalten in Deutschland in spezialisierten Fachberatungsstellen Unterstützung. Diese Fachbe-ratungsstellen sind Nichtregierungsorganisationen unter verschiedenen Trägerschaften oder aus der autonomen Frauenbewegung, deren Arbeit sich an den Interessen und Belangen der Klientinnen orien-tiert. Fachberatungsstellen assistieren ihren Klien-tinnen in der Wahrnehmung ihrer Rechte und stüt-zen sie in der Förderung ihrer Selbstbestimmung und Stärke. Die Beratung erfolgt auf freiwilliger Basis und je nach Bedarf muttersprachlich und an-onym. Die Beraterinnen unterliegen der Schweige-pflicht und behandeln alle Angaben ihrer Klientin-nen vertraulich. Zusätzlich sichern sie den Rahmen für die Beratung durch koordinierende Tätigkeiten ab. Aktuell gibt es in fast jedem Bundesland min-destens eine spezialisierte Fachberatungsstelle. Alle sind im Bundesweiten Koordinierungskreis gegen

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Frauenhandel und Gewalt an Frauen im Migrati-onsprozess – KOK e.V. – entweder als eigenstän-diges Mitglied oder durch die Mitgliedschaft ihrer Hauptbüros organisiert.

Das Leistungsangebot der Fachberatungsstellen ist vielseitig und zum Teil sehr unterschiedlich, je nach Konzept und Ausstattung. In der Regel erhalten sie eine Mischfinanzierung, bestehend aus Mitteln von (meist Sozial-)Ministerien der jeweiligen Bundes-länder, finanziellen Zuschüssen der Kommunen, Stiftungsgeldern und Spenden. Ein Großteil der Fachberatungsstellen bietet neben der direkten Unterstützung der Betroffenen auch Öffentlich-keits-, Vernetzungs-, Lobby- und Gremienarbeit an. Die Schwerpunkte ihrer Arbeit liegen in folgenden Bereichen:

p Krisenintervention und Erstgespräch, auch aufsuchende Arbeit

p fortlaufende psychosoziale Beratung und Un-terstützung

p Klärung aufenthalts- und sozialrechtlicher Fragen, Sicherung des Lebensunterhaltes

p Angebot oder Vermittlung von Unterbrin-gung, medizinischer Versorgung, Therapiean-geboten, Bildungsmaßnahmen und Freizeit-gestaltung

p Begleitung zu Behörden

p Begleitung im Ermittlungs- und Strafverfah-ren und vor Gericht; psychosoziale Prozess-begleitung

p Vermittlung einer/s Rechtsanwält_in

p Information über Rechte als Geschädigte von Straftaten, z.B. durch das Opferentschädi-gungsgesetz

p Unterstützung beim Aufbau von Lebenspers-pektiven in Deutschland: Sprachkurse, Woh-nungs-, Ausbildungs- und Arbeitssuche

p Organisation und Unterstützung bei der Ausreise und Vermittlung von Hilfsangebo-ten in den Herkunftsländern

Viele Beratungsstellen sind nach ihrem Konzept und von ihrer Geschichte und Trägerschaft her primär auf die Zielgruppe Frauen ausgerichtet. Mit der steigenden Problematik des Menschenhandels zur Arbeitsausbeutung, der seit dem Jahr 2005 als

eigenständiger Straftatbestand durch § 233 StGB eingeführt wurde, werden zunehmend auch Männer als Betroffene sichtbar, so dass die Fachberatungs-stellen darauf reagieren oder betroffene Männer bei Beratungsbedarf zumindest an geeignete Stellen weiter verweisen können.

Der Kontakt zwischen der betroffenen Frau und der Fachberatungsstelle kommt meistens über die allgemeine Sozialberatung, Sozialberatung in Krankenhäusern und psychiatrischen Kliniken, Schwangerschaftsberatung, Frauenhäuser, Sozialäm-ter oder über Privatpersonen und eigene Anfragen der Betroffenen zustande. Oft findet eine Kontakt-aufnahme aber auch über die Polizei statt, wenn beispielsweise bei Razzien in Bordellen Frauen ohne gültige Papiere mit Verdacht auf Menschenhandel aufgefunden werden. Die Zusammenarbeit zwi-schen Fachberatungsstellen und Strafverfolgungsbe-hörden ist seit dem Jahr 1999 mittels eines Koope-rationskonzeptes geregelt, das von der Bund-Länder Arbeitsgruppe Frauenhandel (seit November 2012: B-L-AG Menschenhandel)38 entwickelt wurde. Ziel und Zweck des Konzeptes ist, für beide Seiten klare und verbindliche Regelungen für den Umgang mit Menschenhandelsbetroffenen zu bestimmen. Die verschiedenen Aufgaben und Arbeitsinhalte werden – soweit für die Kooperation von Belang – trans-parent und verlässlich gemacht, zudem wird auch geregelt, wo die jeweiligen Grenzen der Zuständig-keitsbereiche liegen. Eine wichtige Maßnahme sind verbindliche Ansprechpartner_innen sowohl bei Po-lizei als auch bei den Fachberatungsstellen. Vor dem Hintergrund, eine tragfähige Kooperationsbasis zwischen der Beratungsstelle und der ermittelnden Polizei zu schaffen, haben sich solche Kooperations-vereinbarungen inzwischen in 13 Bundesländern in der Praxis bewährt.39

Die Liste aller 56 Mitgliedsorganisationen des KOK findet sich unter: http://www.kok-buero.de/mit-gliedsorganisationen-fachberatungsstellen.html

38 Die B-L-AG Menschenhandel ist ein interdisziplinäres Fachgremium, das im Jahr 1997 unter Federführung des BMFSFJ eingerichtet wurde. Es dient dem fachübergrei-fenden Austausch und der gemeinsamen Entwicklung von Strategien und Handlungsempfehlungen. Neben Vertreter_innen verschiedener Ministerien wie BMFSFJ, BMAS, BMI, BMJ sind auch das BKA und der KOK ver-treten: http://www.bmfsfj.de/BMFSFJ/gleichstellung,-did=73024.html [31.07.2013]

39 Das Arbeitspapier findet sich unter http://www.bmfsfj.de/BMFSFJ/Service/Publikationen/publikationen,-did=101044.html

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8 Angebote zur beruflichen Neuorientierung

In der Europäischen Frauenlobby (EWL) und ande-ren europäischen Kontexten wird intensiv über eine Reduzierung oder eine gänzliche Abschaffung der Prostitution diskutiert. In der Praxis findet jedoch in den abolitionistischen Ländern keine berufliche För-derung und Qualifizierung von Prostituierten statt.

In Deutschland bieten die meisten Beratungsstellen für Prostituierte auch Beratung für diejenigen an, die die Tätigkeit in der Prostitution beenden wollen und nach einer neuen Perspektive suchen.

Über die Motive von Frauen, die in der Prostitution tätig waren, sich beruflich umzuorientieren, ist we-nig bekannt. In Forschung und Praxis gibt es kaum Erkenntnisse zu den Entscheidungen von Frauen, die diesen Schritt eigenständig vollziehen, z.B. weil sie ihre Ziele erreicht haben. Mehr Wissen gibt es über Frauen, die Beratungsstellen oder sog. „Aus-stiegsprogramme“ in Anspruch nehmen.

Eine Evaluation von unterstützenden Maßnahmen zum Umstieg aus der Prostitution40 belegt ein sich abzeichnendes Muster, dass für viele Frauen der Wunsch nach einer anderen Tätigkeit in erster Linie ein Resultat eines psychischen, physischen und öko-nomischen „Entkräftungsprozesses“ (Burn-Out) ist, der das Gefühl vermittelt, den teilweise extrem Res-sourcen beanspruchenden, harten Alltag nicht mehr bewältigen zu können. Eine weitere Motivation ist sinkender Verdienst: Ist in der Prostitution keine lohnende Perspektive mehr zu sehen, beginnen Frauen, über eine Umorientierung nachzudenken. Auch das Alter spielt eine Rolle.

Für Frauen, die die Prostitution aufgeben wollen, hängt die Absicherung des Lebensunterhaltes davon ab, ob sie eine andere Arbeitsstelle finden. Entschei-dend ist, ob es eine realistische Perspektive gibt, bzw. ob diese individuell denkbar ist.

Motivation für einen Neuanfang ist die Hoffnung auf eine Verbesserung der eigenen Lebensqualität in einem veränderten beruflichen und sozialen Umfeld. Liegen die zu erreichenden Ziele jedoch in allzu fer-ner Zukunft oder besteht nur die Aussicht auf ein staatlich gefördertes Existenzminimum oder eine als 40 Kavemann/Steffan, Veröffentlichung für 2015 erwartet

unzumutbar empfundene Tätigkeit, kann die Moti-vation zur Neuorientierung abnehmen oder können Versuche, neue Wege einzuschlagen, scheitern.

Wenn Prostituierte sich neu orientieren wollen, befinden sie sich oft in einer Situation, die von viel-schichtigen Schwierigkeiten bestimmt ist. Neben finanziellen und/oder familiären bzw. gesundheitli-chen Problemen kommen bei fast der Hälfte Defizi-te in schulischer Ausbildung oder Berufsausbildung dazu, die eine Vermittlung in den ersten Arbeits-markt meist scheitern lassen. Kompetente Unter-stützung und Qualifizierung ist deshalb wichtig.41

8.1 Unterstützung bei einer Neuorientierung

In Deutschland wird seit langem von Expertinnen in Sozialer Arbeit, Politik und Forschung über eine Förderung beruflicher Umorientierung nachge-dacht. Unterschiedliche Modelle wurden erprobt. Grundsätzlich muss zwischen individueller Be-ratung und Begleitung zur Umorientierung und Qualifizierungsmaßnahmen im Gruppenkontext unterschieden werden. In einigen Städten Deutsch-lands wurden sporadisch auch Maßnahmen der Berufsqualifizierung im Gruppenkontext durchge-führt, z.B. EDV-Schulungen. Weiter verbreitet wa-ren und sind jedoch individuelle Beratungsmodelle, um für Frauen die für sie beste Lösung zu eruieren, Arbeits-, Beschäftigungs-, Praktikumsmöglichkeiten zu finden, Schuldenregulierung anzubieten.

Ausstiegsprogramme in Form von Beratungs- oder Qualifizierungsangeboten gab es bislang durch Förderung einzelner Bundesländer, Kommunen oder auch des Europäischen Strukturfonds ESF (Kavemann/Rabe 2008). Sie wurden vereinzelt durchgeführt und in den vergangenen zehn Jahren kaum noch finanziert. Ein ausreichendes Angebot dieser Unterstützung ist jedoch nicht vorhanden (Kavemann u.a. 2006b). Seit 2011 fördert das Bun-desministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend ein Bundesmodellprojekt an vier Standor-ten, an denen Fachberatungsstellen für Prostituierte neue Formen von Beratung, Unterstützung und Qualifizierungsmodellen erproben. Das Modell ist niedrigschwellig: der bereits erfolgte Ausstieg aus der Prostitution ist keine Voraussetzung für die

41 Ebenda

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Teilnahme an den Maßnahmen. Das Modell wird von zwei unabhängigen Forschungsinstituten evalu-iert, Ergebnisse werden für Herbst 2015 erwartet.42

Vielfältige Hindernisse sind beim Umstieg zu bewältigen: Die Gesellschaft zeigt sich als nicht durchlässig genug, um aus dem diskriminierten Be-reich der Prostitution heraus eine Umorientierung vergleichbar anderen Berufswechseln zu ermögli-chen. Diskriminierung führt zu Isolation und zu hohen Barrieren, die Lebenswelt der Prostitution zu verlassen.

Ein Teil der Prostituierten hat eine Wohnung mit zu hohen Mietpreisen oder kein eigenes Zuhause – die Arbeitsstätte ist gleichzeitig auch Unterkunft, die bei Aufgabe der Tätigkeit verlassen werden muss. Bezahlbare Wohnungen sind schwer zu fin-den, vor allem in Großstädten. Vorhandene Schul-den zögern die Umsetzung einer beabsichtigten Umorientierung hinaus. So ist vor Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung die Einleitung einer Schuldenregulierung von höchster Priorität. Positiv ist hier zu vermerken, dass sich mit der Einführung des neuen Gesetzes zur Regelung von Privatinsolvenzen zum 01.01.1999 überschul-deten Personen auch ohne oder mit geringem Ein-kommen die Perspektive einer Entschuldung bietet.

Seit Einführung des Prostitutionsgesetzes erleben Beratungsstellen im Prostitutionsbereich einen vermehrten Zulauf. Dies berichten sowohl Ge-sundheitsämter und Prostituiertenberatungsstellen als auch Prostituierten(selbsthilfe)organisationen. Die in der Prostitution Tätigen bekunden einen erhöhten Informationsbedarf, insbesondere, weil viele ihre Tätigkeit legal, steuerlich und gewerblich angemeldet ausüben wollen, oder aber, weil sie Pro-bleme mit dem Finanzamt oder der Krankenkasse haben. Durch diese Erstkontakte mit einer Gruppe von Klientinnen, die früher nicht in den Beratungs-stellen auftauchte, können die Mitarbeiterinnen bereits im Vorfeld auf Möglichkeiten einer Umori-entierung aufmerksam machen.

42 Mehr Information unter: http://www.kassandra-nbg.de; www.diwa-berlin.de; http://www.pink-baden.de

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9 Offene Fragen und politische Kontroversen

9.1 Erfüllen das Prostitutionsgesetz und flankierende Maßnahmen die Erwartungen?

An das Prostitutionsgesetz werden unterschiedliche Erwartungen gerichtet, je nachdem, wer sie in wel-chem Kontext formuliert. Häufig gehen die Erwar-tungen weit über das hinaus, was ein kleines Artikel-gesetz auf Bundesebene leisten kann. Flankierende Maßnahmen gibt es bislang kaum. Meist kann statt von „Erwartungen an das ProstG“ von „Erwartungen an eine umfassende staatliche Regulierung der Pros-titution“ gesprochen werden. In anderen Fällen sollte statt von „erwarten“ eher von „erhoffen“ gesprochen werden, denn vor allem die Sexarbeiterinnen selbst sind nicht immer in der Position, Erwartungen zu formulieren.

In Befragungen (Kavemann u.a. 2006, Leopold/Steffan 1997; Steffan/Kerschl 2004) wünschen sich Sexarbeiterinnen mehr Gerechtigkeit und mehr Respekt. Dafür legt das ProstG durch die Abschaffung der Sittenwidrigkeit die Grundlage, die Umsetzung erfordert jedoch einen gesellschaftlichen Wandel, der die Summe vielfältiger Diskussionsprozesse sein muss – auch über Stigmatisierung und Diskriminierung von Sexarbeiterinnen. Eine weitere Erwartung sind verbesserte Arbeitsbedingungen. Auch dafür schafft das ProstG die Voraussetzungen, die wirksame Umsetzung scheiterte aber bislang an der föderalen Struktur des Gewerbe- und Baurechts sowie der an Anstellungsverhältnisse geknüpften Arbeitsschutz-bestimmungen. Wenn von Seiten der Bundesländer keine Initiative für Standards und Regelungen in diesem Bereich kommt, bleibt das ProstG ohne wei-tere Folgen. Auf Bundesebene wurde hier eine wei-tergehende Diskussion angeregt (BMFSFJ 2012).

Sexarbeiterinnen, die diese Arbeit aufgeben und eine andere suchen wollen, erwarten Unterstützung beim beruflichen Neuroeintierung und bei der Sicherung ihrer Existenz. Zudem erwarten sie den Abbau von Zugangsschwellen zu guter Versorgung bei Traumata, gesundheitlicher Belastung und fami-liären Problemen.

Die Erwartungen von Betreiber_innen von Prosti-tutionsbetrieben (Kavemann u.a. 2006) konzentrie-ren sich auf Planungssicherheit. Ohne diese werden sie nicht in die Betriebe investieren. Wenn seitens der Länder und Kommunen keine Initiativen ergrif-fen werden, um Prostitutionsbetrieben Standards an Hygiene und Sicherheit zu verordnen, werden sie von sich aus nicht tätig werden. Die Bestrebungen, im Gewerberecht Veränderungen einzuführen, soll-ten deshalb vorangetrieben werden.

Andere gesellschaftliche Gruppen erwarten vom ProstG eine Bekämpfung des Menschenhandels, eine Reduzierung des Zuzugs von Sexarbeiterinnen aus anderen Ländern, eine Reduzierung der Pros-titution insgesamt oder aber eine Reduzierung der Migration. Alle diese Erwartungen kann das ProstG nicht erfüllen, weil dies gänzlich andere Gesetze und Maßnahmen erfordern würde.

Es ist festzuhalten, dass das ProstG nur wenige Er-wartungen erfüllen konnte. Auf weitere politische und gesellschaftliche Initiative zum Erreichen der Ziele des ProstG ist zu warten.

9.2 Fördert das Prostitutionsgesetz Zuhälterei und Menschenhandel?

Die Ausübung von Prostitution galt in Deutschland bis zum Jahr 2002 zwar als sittenwidrig, doch legal. Lediglich die Förderung der Prostitution gemäß § 180a Abs. 1 Nr. 2 StGB war verboten. Seit In-krafttreten des ProstG zum 1.1.2002 nun auch die Förderung freiwillig ausgeübter Prostitution straffrei wurde, befürchten insbesondere Prostitutionsgeg-ner_innen, dass diese Entkriminalisierung zu einer Förderung der Zuhälterei und einer Erhöhung des Menschenhandels innerhalb Europas führe (vgl. SOLWODI, 18.06.2012).

Die sukzessive Öffnung der Grenzen zu süd-ost-europäischen Ländern und die damit verbundene (teils noch eingeschränkte) Arbeitnehmer_innen-freizügigkeit hatte eine erhöhte Migration von Arbeitskräften nach Deutschland zur Folge. Ange-sichts der prekären wirtschaftlichen Situation und der Einkommensunterschiede der neuen EU-Län-der zur Bundesrepublik wirkt die Aussicht auf eine Beschäftigung in Deutschland attraktiv – dessen ungeachtet, dass der tatsächliche Zugang zum

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Arbeitsmarkt auf bestimmte, einkommensschwache Sektoren beschränkt ist (vgl. 6). Hingegen den ver-mehrten Zuzug bulgarischer und rumänischer Frau-en, die in Deutschland als Prostituierte arbeiten, als Indiz dafür zu sehen, dass das ProstG in besonderer Weise den innereuropäischen Menschenhandel flo-rieren lässt, ist argumentativ nicht haltbar. Die Aus-übung der Prostitution mit Menschenhandel gleich-zusetzen bedeutet zudem, die beteiligten Frauen als Menschenhandelsopfer zu deklarieren.

Die Schätzungen, wie viele Frauen und Männer in Deutschland von Menschenhandel zum Zwecke sexueller Ausbeutung betroffen sind, gehen weit auseinander und können sich nicht auf stichhaltige Statistiken stützen. Die einzig zuverlässigen Zahlen werden jährlich als Bundeslagebild Menschenhan-del vom Bundeskriminalamt (BKA) veröffentlicht. Dieses zeigt entgegen dem Vorwurf an das ProstG, es fördere den Menschenhandel, keinen Anstieg der Opferzahlen, sondern lässt vielmehr einen leichten Rückgang in den letzten Jahren erkennen. Das Bundeslagebild stellt jedoch nur das polizei-liche Hellfeld dar, da sich die Statistik lediglich auf abgeschlossene Ermittlungsverfahren bezieht. Berücksichtigt man gleichzeitig die Schwierigkeit der Identifizierung der von Menschenhandel Be-troffenen und des Zugangs zu ihnen (Herz/Minthe 2006), wird schnell klar, dass die BKA-Statistik keine realitätsgetreue Abbildung der tatsächlichen Situation sein kann. Dies ist auch die Einschät-zung der Bundesregierung, der zufolge von einer hohen Dunkelziffer ausgegangen werden muss (vgl. BR-Drucksache 17/12504). Dunkelfeldstudien, die eine zuverlässige Schätzung erlauben würden, existieren allerdings nicht. Diese Aussage wird auch seitens der Praxis der Fachberatungsstellen unter-stützt, welche auch immer wieder von den Schwie-rigkeiten des Zugangs zu den Betroffenen berichten und darauf verweisen, dass nicht alle Klientinnen eine Strafanzeige stellen und somit keinen Eingang in das Bundeslagebild des BKAs finden.

Zuletzt sorgte eine Studie (vgl. Cho/Dreher/Neumeyer 2012) für Aufsehen, die einen Zusam-menhang zwischen der Liberalisierung des Prosti-tutionsrechts und einer Zunahme von Menschen-handel herstellt. Obwohl die Autor_innen selbst eine schlechte Qualität der Daten eingestehen und auf selektive Schätzungen zurückgreifen, ziehen sie dennoch Rückschlüsse, die sie fälschlicherweise als Kausalzusammenhänge präsentieren. U.a. beziehen

sie sich auf Daten eines UNODC-Reports (2006), übergehen dabei allerdings eine wichtige Differen-zierung: UNODC gibt lediglich das Ausmaß der Berichterstattung über Menschenhandel wieder, Cho et al. hingegen präsentieren diese Zahlen als tatsächlichen Umfang von Menschenhandelsfällen (vgl. Henning/Walentowitz 2012). Zudem definie-ren die Autor_innen weder den Begriff Menschen-handel, noch legen sie fest, was sie unter „Legali-sierung“ der – in Deutschland ja bereits vor dem ProstG legalen – Prostitution verstehen.

Bei der Frage, ob bzw. inwieweit das ProstG Zu-hälterei und Menschenhandel fördert, zeigt sich eine Kontroverse. Die abolitionistische Position zur Sexarbeit benutzt das ProstG im Kontext des Themas Menschenhandel mit bisher nicht belegten Behauptungen, um einerseits ein Verbot der freien Prostitutionsausübung und anderseits eine allge-meine Bestrafung der Freier/Kunden zu erwirken. Dabei bietet das ProstG durch die Abschaffung der „Förderung der Prostitution“ die Voraussetzungen für verbesserte Arbeitsbedingungen für Prostituierte und erleichtert den Zugang zu Unterstützungs-strukturen. Die Trennung der Bereiche Prostitution und Menschenhandel erschwert Betroffenen von Menschenhandel den Zugang zu Hilfsmöglichkei-ten nicht. Die praktischen Erfahrungswerte der meisten Fachberatungsstellen, die sowohl direkt mit Betroffenen von Menschenhandel als auch mit Po-lizei und Justiz zusammenarbeiten, bestätigen keine Verbindung zwischen dem ProstG und einem An-stieg des Menschenhandels (vgl. KOK 2008).

9.3 Behindert das Prostitutionsgesetz die Strafverfolgung?

Mit der Einführung des ProstG wurden gleichzeitig einige Regelungen des Strafgesetzbuches angepasst (siehe hierzu Punkt 4.4). Ziel dieser Anpassungen war es, die rechtlichen Rahmenbedingungen für eine soziale Absicherungen von Prostituierten zu verbessern, sie vor ausbeuterischen Strukturen bes-ser zu schützen (Bundestagsdrucksache 16/4146, S. 23) und „kriminellen Begleiterscheinungen durch die Schaffung eines rechtlichen Rahmens für die Ausübung der Prostitution den Boden zu entzie-hen“ (Bundestagsdrucksache 14/5958).

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In der Debatte zum Thema werden allerdings immer wieder Befürchtungen geäußert, wonach durch die im Strafgesetzbuch veränderten Straftatbestände eine Bekämpfung von Kriminalität im Rotlichtmilieu „erschwert worden sein könnte“, insbesondere Men-schenhandel und Organisierte Kriminalität werden hier benannt (Bundestagsdrucksache 16/4146, S. 23).

Belegt wurden diese Behauptungen mit sinkenden Zahlen der Strafverfahren zum Menschenhandel und zu anderen Delikten wie Organisierte Kri-minalität und Zuhälterei (Bundestagsdrucksache 16/4146, S. 23). Die in einer im Auftrag der Bun-desregierung durchgeführten Evaluation des ProstG (BMFSFJ 2007) befragten Expert_innen stellten allerdings mehrheitlich keinen Zusammenhang zwischen den gesunkenen Fallzahlen und der Ein-führung des ProstG her (Bundestagsdrucksache 16/4146, S. 26). Die Fälle seien bereits vor Einfüh-rung des neuen Gesetzes rückläufig gewesen. Außer-dem sei die Verfolgung der Straftatbestände Men-schenhandel und Zuhälterei in der Mehrheit nur mit einer Aussagebereitschaft von Opferzeuginnen möglich. Expert_innen zu Folge ist eine Verbes-serung der Strafverfolgung in diesen Bereichen in erster Linie von einem verbesserten Erkennen von Opferzeuginnen, einer besseren Opferversorgung inkl. Aufenthaltsregelungen und Zeugenschutzpro-grammen abhängig (Wohlfahrt 2007, Helfferich/Kavemann/Rabe 2010, Steffan 2010).

Einige Rechtswissenschaftler (z.B. Renzikowski 2008, Wohlfahrt 2007) halten die Kritik am Pro-stG jedoch „im Kern“ für durchaus berechtigt. Das ProstG habe sich mit der Schaffung eines zivilrecht-lichen Rahmens für die Ausübung der Prostitution begnügt, aber die Kontrolle seiner Einhaltung sei völlig vernachlässigt worden. Jedoch sei dies vorher unter der alten Rechtslage nicht besser gewesen. Perspektivisch wird die Anpassung weiterer Rege-lungen (z.B. Gewerbe-, Gaststätten-, und Baurecht) gefordert und angemahnt, in Deutschland einen einheitlichen, auf allen föderalen Ebenen gleicher-maßen verbindlichen rechtlichen Rahmen für Pro-stitution zu schaffen, um die Rechtssicherheit von Prostituierten zu erhöhen (Renzikowski 2008).

Aus der Abschaffung der Sittenwidrigkeit ergeben sich durchaus neue Ansätze der Strafverfolgung, die entsprechend intensiver genutzt werden können. Statt eines Schutzes „vor der Prostitution“ geht es

nach der aktuellen Gesetzeslage um einen Schutz „in der Prostitution“ (Renzikowski 2008). Auf der Grundlage der neuen Gesetzgebung sind in den letzten Jahren z.B. zwischen Polizei und sozialer Arbeit Modelle interdisziplinärer Zusammenarbeit entstanden, die einen wichtigen Beitrag zu mehr Schutz und Rechtssicherheit für Prostituierte beitra-gen konnten (Steffan 2010).

9.4 Pro und Contra Strafbarkeit des Erwerbs sexueller Dienstleistungen

Im Zusammenhang insbesondere mit dem Men-schenhandel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung wird immer wieder die Frage gestellt, ob die Kri-minalisierung derjenigen, die diese Dienstleistung in Anspruch nehmen, einige, wenn nicht alle Pro-bleme, die sich in diesem Zusammenhang stellen, lösen könne. Einige haben in dieser Debatte aller-dings über den Menschenhandel hinaus auch die freiwillige legale Prostitution im Blick. Die in der Diskussion zu beobachtenden Strömungen in der gesellschaftlichen und politischen Diskussion im Allgemeinen finden sich auch in den feministischen Diskursen wieder. Der Auffassung, dass Frauen die freie Entscheidung darüber zustehe, sich für diese Arbeit zu entscheiden, steht die Auffassung gegen-über, dass Sex nicht käuflich sein dürfe. Manche führen an, dass Prostitution nicht mit einem positiv besetzten Frauenbild vereinbar sei. Und nicht weni-gen sehen Prostitution als eine Form der Gewalt ge-gen Frauen an, die zu bekämpfen sei. Insbesondere für Vertreter_innen dieser Position wäre vermutlich eine generelle Strafbarkeit wünschenswert.43

Verwiesen wird in diesem Zusammenhang auf die Erfahrung in Ländern, in denen Prostituierte strafffrei bleiben, Kunden aber bestraft werden. Eines der prominentesten Beispiele ist Schweden. Während die schwedische Regierung und die Befür-worter_innen dieser Lösung immer wieder darauf verweisen, dass diese gesetzliche Regelung überaus erfolgreich sei (Ministry of Justice, Sweden 2010), weisen Kritiker_innen der Regelung darauf hin, dass das Gesetz gescheitert sei. In den 13 Jahren, in denen das Gesetz bisher existiert, sei es der schwedi-sche Regierung nicht gelungen nachzuweisen, dass sich die Anzahl von Kunden und Anbieterinnen

43 Vgl. EMMA, Mai/Juni 2003 und Januar/Februar 2013

32

sexueller Dienstleistungen verringert habe oder dass Menschenhandel rückläufig sei (z.B. Jordan 2012; Levy 2011; Dodillet 2011).Das Gesetz habe dazu geführt, dass Prostituierte im Dunkelfeld verschwinden – oder aber die Prostitution in den grenznahen Gebieten angrenzender Länder oder auch auf Schiffen angeboten und genutzt werde. Damit werde sowohl die Strafverfolgung für Ge-waltdelikte als auch der Zugang zu sozialen und gesundheitlichen Einrichtungen erschwert. Zudem sei der Tatbestand der Anbahnung nur schwer nachweisbar und die Verfahren zu aufwändig, um eine breite Wirkung zu erzeugen.

In der Bundesrepublik wird diese Diskussion am ehesten im Zusammenhang mit dem Menschen-handel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung geführt; dabei steht die Strafbarkeit des Erwerbs sexueller Dienstleistungen im Kontext anderer denkbarer Maßnahmen, z.B. der Festlegung des Schutzalters auf 21 Jahre, wieder einzuführender Pflichtuntersuchungen etc. Die Befürworter_innen versprechen sich von der Einführung einer solchen Strafe eine abschreckende Wirkung. Die Geg-ner_innen verweisen darauf, dass bisher Zwangs-maßnahmen im Zusammenhang mit Prostitution keinen Erfolg gezeitigt, sich vielmehr negativ auf die Situation der Prostituierten selbst ausgewirkt haben. Sie bezweifeln mithin, dass eine Bestrafung der Kunden den Prostituierten selbst nutzen würde. Zudem fielen bei einer Strafbedrohung die Kunden als Unterstützer von Betroffenen z.B. von Gewalt und Menschhandel aus. Es kann vermutet werden, dass niemand Hinweise auf Menschenhandel an die Polizei gibt, wenn er Gefahr läuft bestraft zu werden, weil er die Dienstleistung der Frau in An-spruch genommen hat. Auch die Gegnerinnen der Freierbestrafung treten für eine wirksame Bekämp-fung von Gewalt gegen Frauen ein und vertreten durchaus auch die Meinung, dass Männer, die wis-sentlich die Dienste von Opfern von Menschenhan-del in Anspruch nehmen, bestraft werden müssen.

Einer Bestrafung von Kunden, die die Dienste freiwillig und legal arbeitender Prostituierten in Anspruch nehmen, steht in Deutschland die Tat-sache entgegen, dass seit Inkrafttreten des ProstG die Absprachen zwischen Prostituierten und ihren Kunden nicht mehr sittenwidrig sind, sondern Rechtsgültigkeit haben. Die Einführung einer sol-chen Maßnahme würde die Schaffung eines neuen Straftatbestandes oder die erneute Einführung der

Sittenwidrigkeit und damit die Wiederherstellung der damaligen diskriminierenden Rechtsposition von Prostituierten voraussetzen – dies aber wird als wenig zielführend angesehen.

9.5 Was bringt eine Erlaubnispflicht für Prostitutionsstätten?

Die Begriffe Erlaubnis- oder Genehmigungspflicht stammen in Deutschland aus dem Gewerberecht; eine gewerberechtlich verankerte Erlaubnis- und Genehmigungspflicht dient dem gewerberechtli-chen Verbraucher_innenschutz.

Die Forderung nach einer Erlaubnispflicht für Prostitutionsstätten (Bordellkonzessionierung), als Kernpunkt der Forderungen nach mehr gesetzli-chen Regelungen für den Prostitutionsbereich, wird in Deutschland von einigen Bundesländern, Teilen des Bundeskriminalamtes (BKA), der Mehrheit der Polizei und einigen konfessionellen Fachberatungs-stellen für Opfer von Menschenhandel gefordert. Es wird argumentiert, dass für „jedes Bierzelt eine Genehmigung benötigt wird, aber ein Bordell ohne Erlaubnis betrieben werden kann“.44

Als Gründe für die Einführung einer Erlaubnis-pflicht für Bordelle werden genannt:

p Sie ist Voraussetzung im Kampf gegen Men-schenhandel und Ausbeutung.

p Nur so haben Polizei und Fachberatungsstel-len Zugang zu Opfern von Menschenhandel.

p Nur dann kann die Zuverlässigkeit von Be-treiber_innen überprüft werden.

p Sie dient der Bekämpfung der kriminellen Begleiterscheinungen.

Zurzeit werden Gesetzesentwürfe diskutiert, die eine Betriebsstättengenehmigungspflicht – kurz: Erlaubnispflicht – für Bordellbetriebe vorsehen.45 An der Form, wie diese Erlaubnispflicht umgesetzt werden soll, besteht fachliche Kritik: die Mehrheit der Fachberatungsstellen für Sexarbeiter_innen und Beratungsstellen für sexuelle Gesundheit in Ge-sundheitsämtern begründen ihre Kritik wie folgt:44 Presseerklärung des BMFSFJ 24.1.200745 Gesetz vom 04.06.2013 zur Bekämpfung des Men-

schenhandels und Überwachung von Prostitutionsstät-ten (BT-Drucksache 17/13706)

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p Eine Erlaubnispflicht, die keine Kriterien festlegt, nach denen bei Einhaltung dieser Voraussetzungen auch Rechte erworben wer-den, dient nur der Kontrolle von Prostitution / bordellartigen Betrieben, nicht der Verbes-serung der Situation von dort tätigen Frauen.

p Erlaubnispflicht ohne gleichzeitige Rechte ist erneut nur ein Sondergesetz für Sexarbeit und dient der Reglementierung und nicht einer Normalisierung, die Stigmatisierung reduzieren und Alternativen eröffnen kann.

p Die Zuverlässigkeitsprüfung ist durch Strohmänner bzw. -frauen zu umgehen.

Die Einführung einer Erlaubnispflicht bietet aber auch Chancen, wenn sie einhergeht mit der Einfüh-rung von Rechten. Nur dann

p können Mindeststandards an Sicherheit, Hy-giene, Arbeitsbedingungen usw. für Bordelle erarbeitet und festgeschrieben werden,

p können Frauen besser vor Gewalt und Zwang geschützt werden,

p wirkt sich die Erlaubnispflicht positiv auf die Bekämpfung von Menschenhandel aus,

p haben Sexarbeiterinnen vor einer Arbeitsauf-nahme die Möglichkeit zu prüfen, ob es sich um ein angemeldetes Bordell handelt und wer verantwortlich ist,

p gibt es mehr Transparenz und Nutzer/Kun-den/Freier können erkennen, ob es sich um ein legales/überwachtes Bordell handelt, in dem keine Menschen zur Prostitution ge-zwungen werden,

p wird das Recht, ein Bordell zu betreiben, erst erworben und nicht mehr wie bisher kom-mentarlos zugestanden,

p erhalten Bordellbetreiber_innen Rechtssi-cherheit und damit den Anreiz, in angemes-sene Arbeitsbedingungen zu investieren,

p werden Prostitutionsstätten aus der Grauzone der Duldung, des Nicht-Hinsehens der Be-hörden herausgeholt.

Wie sich eine Erlaubnispflicht für die in der Pros-titution tätigen Frauen und Männer auswirkt, wird von den Details der Regelungen abhängen. Wird sie z.B. ausschließlich in einem überwachungsstaat-lichen Kontext eingeführt, ist abzusehen, dass dies

die Situation der in der Prostitution Tätigen ver-schlechtern wird:

p Da es in Deutschland keine Definition der Begriffe Prostitutionsstätten, Bordell, bordel-lartiger Betrieb usw. gibt, muss diese vorher geschaffen werden.

p Eine Erlaubnispflicht kann keine Vorausset-zung sein für die Arbeit auf der Straße oder für selbständig und alleine arbeitende Sexar-beiterinnen in einer Wohnung.

Mehr Transparenz im „Rotlichtmilieu“ und die Ein-dämmung von kriminellen Begleiterscheinungen sind erforderlich. Eine Genehmigungspflicht, die der Polizei jederzeit ohne konkreten Ermittlungsan-lass das Recht einräumt „Orte der Prostitutionsaus-übung“ zu durchsuchen, ist hierbei kein Mittel und steht im Widerspruch zum geltenden Prostitutions-gesetz (vgl. 4.4.1 und 4.4.2). Eine Erlaubnispflicht muss Rechte und Pflichten erhalten und vor allem die Position von Sexarbeiterinnen stärken – nur dann kann sie positive Veränderungen bewirken und Frauen vor Zwang und Ausbeutung schützen.

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10 Politische Initiativen und Perspektiven

Es gibt neben allem ideologischen Streit eine neue Debattenkultur. Hier bieten sich große Chancen, dass unfruchtbare, polarisierende Auseinanderset-zungen in der Praxis von pragmatischen Strategien überholt werden, die konkrete Lösungen erreichen, indem sie die Thematik sachlich, fachlich diskutie-ren und die Interessen und Nöte aller Beteiligten in den Blick nehmen. Einige sollen hier vorgestellt werden, weil sie wichtige Schritte in eine richtige Richtung sind.

10.1 Interessensvertretung von Sexarbeiterinnen

In Deutschland gibt es Interessensvertretungen von Sexarbeiterinnen sowohl im Rahmen einer Organi-sation von Expert_innen als auch der Selbstorgani-sation von Sexarbeiter_innen.

10.1.1 Bündnis der Fachberatungs-stellen für Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter - bufas e.V.

Ende der 90er Jahre schlossen sich Sexarbeiterinnen und Beratungsstellen für Prostituierte zusammen, um sich gemeinsam besonders über die rechtliche Situation in der Prostitution auszutauschen. Die damals diskutierten Themen sind von den heutigen nicht weit entfernt: arbeitserschwerende Sperrge-bietsverordnungen, Zugang zu Krankenversiche-rungsschutz für Prostituierte, Migrant_innen in der Sexarbeit, Besteuerung, die Einordnung der Prosti-tution als selbständige Tätigkeit oder Gewerbe, die Möglichkeit der abhängigen Beschäftigung in der Prostitution, etc.

Die „Bundesweite Arbeitsgemeinschaft Recht / Prostitution“ ist im Laufe der Jahre mit vielen Stel-lungnahmen an Politik, Presse und weitere Öffent-lichkeit herangetreten, um über die Situation von Sexarbeiter_innen und die rechtliche Situation in der Sexarbeit zu informieren und Forderungen zu formulieren.

Seit Inkrafttreten des ProstG hat sich die öffentliche Sicht auf Sexarbeit verändert, jedoch werden Sexar-beiter_innen immer noch stigmatisiert. Seriöse In-formationen für den Einstieg in die Sexarbeit wer-den nicht professionell vermittelt, es existiert keine gewerkschaftliche Vertretung, die Gesetzeslage ist in vielen Dingen unklar bzw. wurde nicht an das Pro-stitutionsgesetz (z.B. Werbeverbot) angepasst, sozi-alversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse sind nicht zustande gekommen.

Um den Forderungen Nachdruck zu verleihen und zu zeigen, dass es eine – in alle Teile der Ge-sellschaft hineinreichende – Bewegung gibt, ging aus der „Bundesweiten AG Recht / Prostitution“ 2010 das „Bündnis der Fachberatungsstellen für Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter e.V.“ (bufas e.V.) hervor. Das Bündnis ist ein Zusammenschluss von Fachberatungsstellen für Sexarbeiter_innen und hat als beratendes Organ einen Beirat der aus aktiven Sexarbeiter_innen besteht. Der Sitz des Vereins ist Berlin. Der Verein hat zurzeit 16 Mitgliedsorganisa-tionen und drei Organisationen mit Gaststatus.

Erklärte Ziele des Bündnisses sind:

p die Förderung der beruflichen und kulturel-len Bildung von Sexarbeiter_innen,

p die Förderung des Bewusstseins für die Be-lange der Sexarbeiter_innen in Politik, Ver-waltung und allgemeiner Öffentlichkeit,

p die Förderung der Selbstorganisation von Sexarbeiter_innen.

bufas e.V. setzt sich ein für:

p die dauerhafte Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen von Sexarbeiter_innen,

p die rechtliche und soziale Gleichstellung von Sexarbeiter_innen mit anderen Erwerbstäti-gen,

p die Gleichstellung der Sexarbeit mit anderen Erwerbstätigkeiten,

p die Entkriminalisierung der Sexarbeit und Entstigmatisierung der Sexarbeiter_innen.

Das Leitbild von bufas e.V. ergibt sich aus dem Selbstverständnis heraus, mit der Hurenbewegung und im Sinne der Sexarbeiter_innen aktiv zu wer-den und Gesellschaft und Politik mit zu gestalten und zu verändern. bufas e.V. möchte seine Forde-

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rungen auf nationaler und internationaler Ebene einbringen und die solidarische Vernetzung voran-treiben. Mehr Information: www.bufas.net:

10.1.2 Berufsverband erotische und sexuelle Dienstleistungen

Aktive und ehemalige Sexarbeiter_innen haben am 13.10.2013 den „Berufsverband erotische und sexu-elle Dienstleistungen“ gegründet. Das Spektrum der Gründungsmitglieder reicht von Wohnungs- Bor-dell- und Straßenprostituierten über Escortdamen, Callboys und Tantramasseurinnen bis hin zu Do-minas. Es sind auch Betreiber_innen dabei, die aber alle selbst in der Branche tätig gewesen sind oder noch aktiv dort arbeiten.

Der bundesweite Verband verfolgt das Ziel, die Ar-beits- und Lebensbedingungen von Sexarbeiter_in-nen zu verbessern. Er möchte über die unterschied-lichen Aspekte von Prostitution informieren und gegenüber Politik, Medien und Öffentlichkeit ein realistisches Bild der Sexarbeit vermitteln. Damit will er der Diskriminierung und Kriminalisierung von Menschen in der Sexarbeit entgegen wirken.

Anlass der Gründung sind die zahlreichen immer noch vorhandenen gesetzlichen Sonderverord-nungen, die Sexarbeiter_innen in ihrer Arbeit behindern. Kritisiert werden die Sperrgebietsver-ordnungen und das Werbeverbot. Dazu kommt der lauter werdende Ruf aus Politik und Medien nach Verschärfung des Prostitutionsgesetzes. Mehr Infor-mation: www.sexwork-deutschland.de

10.2 Leuchtturmprojekte: Interinsti-tutionelle Kooperation zur Regelung von Prostitution

In Deutschland haben sich an mehreren Orten poli-tische Initiativen gegründet, die sich mit Fragen der Umsetzung des Prostitutionsgesetzes, seinen Folgen und möglichem rechtlichem Nachbesserungsbedarf auseinandersetzen. Diese Initiativen konfrontie-ren sich stark mit Konflikten, die im Bereich des Aufeinandertreffens unterschiedlicher Interessen im politische Feld bzw. von Prostitution mit Nach-barschaft und Anwohnern entstehen und suchen

nach Lösungen, die einerseits zu mehr Akzeptanz und gegenseitigem Respekt führen, sowie anderer-seits Kriminalität konsequent bekämpfen. Einige Beispiele sollen vorgestellt werden. Die Richtung, die sie einschlagen, wird bestätigt durch die Ergeb-nisse einer internationalen, vergleichenden Studie zu Prostitutionspolitiken (Wagenaar 2013) und die Empfehlungen einer internationalen Fachtagung „Praxis- und Erfahrungsaustausch zu regulativen Maßnahmen in der Sexarbeit“ in Wien (Frauenab-teilung der Stadt Wien 2013). Ein Resümee lautete: Die komplexe Dynamik der Prostitution verlangt nach adäquaten Verfahren der Koordination in Behörden und Verwaltungen. Die Fachliteratur be-zeichnet dies als eine Situation „reziproker Abhän-gigkeit“, die eine gegenseitige Abstimmung für eine gelingende Politik voraussetzt: eine kontinuierliche, anhaltende Kommunikation zwischen Akteur_in-nen, die in die Implementation politischer Maß-nahmen involviert sind. Dazu gehören die Erarbei-tung von Verfahren der Information, Partizipation und das Fördern von Vernetzungskompetenzen (vgl. Wagenaar 2013: 19).

10.2.1 „Runder Tisch NRW Prostitu-tion“ (Strategieentwicklung auf der Ebene eines Flächenlandes)

Der Runde Tisch Prostitution erhielt im Dezember 2010 durch Beschluss des Kabinetts den Auftrag, ein Handlungskonzept zur Umsetzung des Prostitu-tionsgesetzes in Nordrhein-Westfalen zu erarbeiten. Die Landesregierung strebte damit an, die Lebens- und Arbeitsbedingungen von Prostituierten zu ver-bessern und ihr Selbstbestimmungsrecht zu stärken. Darüber hinaus ging sie davon aus, „dass die Re-gulierung der Prostitution einen wichtigen Beitrag zur Bekämpfung von Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung leisten kann“.46 Im Januar 2011 nahm der Runde Tisch seine Arbeit auf. Zusammenset-zung und Arbeitsweise sollen gewährleisten, dass erstmals auf Ebene des Landes alle beteiligten Ak-teurinnen und Akteure eingebunden werden. Als ständige Mitglieder gehören dem Runden Tisch Vertretungen der Landesministerien, der kommu-nalen Spitzenverbände, der Stadt Dortmund, der Beratungsstellen für weibliche Prostituierte sowie

46 www.mgepa.nrw.de/emanzipation/frauen/frau_und _beruf/runder_tisch_prostitution

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der Beratungsstellen für Opfer von Menschen-handel, der Landesarbeitsgemeinschaft Männliche Prostitution, der Landesarbeitsgemeinschaft der kommunalen Gleichstellungsbeauftragten, der Lan-desarbeitsgemeinschaft Recht/Prostitution sowie zwei selbständig arbeitende Prostituierte an. Dar-über hinaus war vorgesehen, dass der Runde Tisch themenbezogen externen Sachverstand hinzu zieht. Gewünscht war, dass er von wissenschaftlicher Ex-pertise ebenso wie von Erfahrungen aus der Praxis profitieren solle.

Aufgabe des Runden Tisches ist die Analyse der Situation in NRW, die Beobachtung von aktuellen Entwicklungen im Bereich Prostitution und die Er-arbeitung von Empfehlungen. Sein Selbstverständ-nis-Papier geht auf die Herausforderung ein, gegen-sätzliche Positionen und Einschätzungen zu einem sensiblen Thema zu diskutieren und Kompromisse zu finden, mit denen alle leben können. „Diese für Runde Tische typische Herausforderung ist hier besonders groß: Es geht um ein Thema, das Fragen der Sexualität und damit des intimsten Bereichs der Persönlichkeit berührt. Es tangiert ethische Grund-positionen. Umgangsformen und Vorgehensweise am Runden Tisch müssen deshalb von besonderer Sensibilität und gegenseitigem Respekt gekenn-zeichnet sein“ (ebenda).

Von vornherein stellte der Runde Tisch fest, dass es – wie internationale Beispiele zeigen – für eine Regulierung von Prostitution keinen „Königsweg“ gibt, der die Zustimmung aller findet, und dass „es keine Regelung ohne unerwünschte Nebenwirkun-gen gibt. Zudem sind die Interessen der Menschen, die in der Prostitution arbeiten, je nach Art der Tä-tigkeit und ihrer individuellen Situation sehr un-terschiedlich. Als Wirtschaftszweig ist der Bereich sexueller Dienstleistungen von Konkurrenz und dem Wunsch nach möglichst wenig Bürokratie ge-kennzeichnet. Die mit Regulation verbundene Kon-trolle schließt darüber hinaus die Prostituierten aus, denen Anonymität wichtiger ist als Sicherheit. Das Wissen um die Grenzen einer Regulierung sollte nach Auffassung des Runden Tisches stets bewusst sein; es darf jedoch nicht davon abhalten, den mit der Verabschiedung des Prostitutionsgesetzesbegon-nenen Prozess der Stärkung des Selbstbestimmungs-rechtes von Prostituierten fortzusetzen“ (ebenda).

10.2.2 „Runder Tisch sexuelle Dienstleistungen, Hamburg“ (Strategieentwicklung auf der Ebene eines Stadtstaates)

2008 gründete die Stadt Hamburg einen „Runden Tisch sexuelle Dienstleistungen“, der bis zur Vor-lage seiner Ergebnisse 2012 tagte. Das Ziel war die Einrichtung eines zeitlich befristeten interinstitutio-nellen Gremiums zum Thema, der ein kooperatives Konzept zur Umsetzung des Prostitutionsgesetzes erarbeiten, niedrigschwellige Ausstiegshilfen dis-kutieren und Konzepte gegen die Abhängigkeit von Zuhältern bzw. für selbständiges Arbeiten entwickeln sollte. Am Runden Tisch waren alle verantwortlichen Senatsverwaltungen und Behör-den vertreten sowie Vertreterinnen des Hamburger „Ratschlags Prostitution“.47

Prinzipielle Übereinkünfte des Runden Tisches waren:

p „Prostitution von Volljährigen ist keine sit-tenwidrige Erwerbstätigkeit, aber kein Beruf wie jeder andere.

p Die Arbeits- und Allgemeinsituation von Prostituierten sollen verbessert werden.

p Rechtliche Gleichbehandlung mit anderen Berufsgruppen und Rechtssicherheit von Prostituierten sollen Standards sein.

p Zielgerichtete, auch muttersprachliche Infor-mationen für Prostituierte sollen den Zugang zum Hilfesystem erleichtern und über Pflich-ten und Rechte aufklären.

p Interessen von Prostituierten und der Allge-meinbevölkerung sollen möglichst miteinan-der geklärt und ausgeglichen werden.

p Ausstiegshilfen sind ein wichtiges Ziel.

p Menschenhandel und Ausbeutung sollen präventiv verhindert und repressiv bekämpft werden.

p Prävention von Prostitution Minderjähriger soll verbessert werden. Ebenso sollen weiter-hin ausreichende soziale Hilfen gegen eine

47 Im „Ratschlag Prostitution“ sind u.a. Fachberatungs-stellen vertreten wie Amnesty for women / TAMPEP, Basis-Projekt, CASA blanca, Kaffeeklappe, Koofra e.V., Ragazza e.V., Sperrgebiet, aber auch die Gewerkschaft für Dienstleistungen ver.di.

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Verfestigung der Prostitution geleistet wer-den.“ (Runter Tisch sexuelle Dienstleistun-gen Hamburg: 11)

Im Vordergrund sollten stehen:

p „die Schaffung von Rahmenbedingungen, durch die das Selbstbestimmungsrecht von Prostituierten gestärkt werden kann. So könnte bei Straftaten ihre für den Nachweis von Menschenhandelsdelikten unerlässliche Aussagebereitschaft erhöht werden.

p die Bekämpfung jeder Art der Ausbeutung von Prostituierten.“ (ebenda:12)

Eine Vielzahl von grundsätzlichen und aktuellen Problemen wurde am Runden Tisch diskutiert und Empfehlungen für eine Lösung erarbeitet. Im Mit-telpunkt standen Konflikte in einem Hamburger Stadtteil, in dem viel Prostitution stattfindet und Anwohner sich beklagen. Empfohlen werden par-tizipative Strategien, die dazu führen sollen, dass in gegenseitigem Respekt beide Seiten aufeinander zugehen können. Ein Problem wurde bei südosteu-ropäischen Prostituierten gesehen, die oft nur für sehr kurze Zeit in Deutschland bzw. Hamburg sind und deshalb keine eigenen Interessen für eine dau-erhafte Lösung aufbringen.

Der Runde Tisch stellte fest, dass es in Hamburg ein ausreichendes Angebot an Beratung und Un-terstützung für Prostituierte und Opfer von Men-schenhandel gibt. Wichtige Ergänzungen wurden vorgeschlagen: Zusätzliche Angebote, die beim Aus-stieg aus der Prostitution begleiten und bei der Auf-nahme anderer Erwerbstätigkeit unterstützen sowie spezifische Angebote für Minderjährige – auch Dro-gen gebrauchende – die in die Prostitution einstei-gen, um eine Verfestigung zu vermeiden und rasche Alternativen und Hilfe zu bieten (ebenda: 27).

Nicht in allen Fragen konnte ein Konsens erzielt werden und Konflikte blieben bestehen – die Un-terstützungseinrichtungen sehen die Frage der Sperrgebiete grundsätzlich anders als die Behörden – aber es wurden maßgebliche Schritte zur Verbes-serung der Lebens- und Arbeitssituation erarbeitet und Empfehlungen für eine Weiterentwicklung des ProstG gemacht.

10.2.3 „Arbeitsgruppe Milieu, Prostitution, Menschenhandel des Kommunalen Kriminalpräventionsrates (KKP)“, Hannover (Strategieentwick-lung auf der Ebene einer Kommune)

Ende 1998 hat sich innerhalb des Kommunalen Kriminalpräventionsrates der Landeshauptstadt Hannover die Arbeitsgruppe Milieu, Prostitution, Menschenhandel gegründet. Der Grund war, dass bei dem 1996 eingerichteten Fachkommissariat Mi-lieu durch dessen umfassende Aufgabenstellung ein hoher Abstimmungsbedarf mit außerpolizeilichen Dienststellen entstand.

Ziele und Maßnahmen der Arbeitsgruppe:

p Stärkung des Sicherheitsgefühls der Bürger,

p Erhöhung der Effizienz des Verwaltungshan-delns auf allen Ebenen,

p Intensivierung des Informationsaustausches,

p gemeinsame Schwerpunktsetzung,

p Entgegenwirken in besonderen Gefährdungs-lagen,

p Initiierung von Präventionskonzepten / -maßnahmen,

p Feststellung rechtlicher Defizite.

Mitglieder der Arbeitsgruppe sind:

p Polizeidirektion Hannover: Fachkommissari-at Milieu,

p Landeshauptstadt Hannover: Fachbereiche Recht und Ordnung sowie Planen und Stad-tentwicklung; Referat für Gleichstellung; Stadtbezirksmanagement Mitte; Geschäfts-stelle KKP,

p Region Hannover: Fachbereich Gesundheit,

p Staatsanwaltschaft Hannover; LKA Hanno-ver Zeugenschutz, Hauptzollamt Hannover,

p Phoenix e.V.: Projekt Phoenix – Beratungs-stelle für Prostituierte und Kobra - Koordi-nierungs- und Beratungsstelle für Opfer von Menschenhandel,

p beratende Expert_innen je nach The-menschwerpunkt.

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In der AG wurde eine gemeinsame Linie entwi-ckelt. Die Prävention von Straftaten durch mehr Transparenz im Milieu scheiterte an den rechtlichen Rahmenbedingungen. Aufgrund dieser Erkenntnis entwickelte die AG 1999 eine umfangreiche Ge-setzesinitiative, die auch beim niedersächsischen Innenministerium Zustimmung erfuhr.

Weitere Maßnahmen erfolgten:

p Zur EXPO 2000 wurde ein Flyer „Anschaf-fen in Hannover“ entwickelt.

p Aufgrund der Vorlage der Gesetzesinitiative von Bündnis 90/Die Grünen zur Verbesse-rung der rechtlichen und sozialen Situation von Prostituierten (Deutscher Bundestag, Mai 2001) wurden in der AG sich daraus ergebende Fragen bearbeitet.

p Als das ProstG in Kraft trat, veröffentlichte die AG zwei zielgruppenorientierte Broschü-ren für Menschen im Milieu und Behörden-vertreter_innen.

p Die AG beteiligte sich 2005 an der Diskussi-on um die Änderungen der Sperrgebietsver-ordnung in Hannover.

p 2006 erstellte die AG eine ablehnende Stel-lungnahme zum Strafrechtsänderungsgesetz (Freierbestrafung).

p Eine weitere Gesetzesinitiative startete die AG 2007 zur gewerberechtlichen Einord-nung der Prostitution. Diese wurde weit verbreitet und vielerorts diskutiert, fand aber bisher keine Umsetzung.

Die Arbeitsgruppe sieht ihr Wirken auch als Lobbyarbeit für die legale Prostitution und damit gegen ein Verbot der Prostitution. Die Ziele sind:

p Menschenhandel bekämpfen,

p legale Prostitution verdeutlichen und för-dern,

p Qualitätsstandards für Prostituierte weiterhin fordern,

p zur Fortentwicklung des Gewerbe- bzw. Pro-stitutionsrechts beitragen,

p das Baurecht beobachten und einbeziehen,

p Strafrechtsreformen möglichst mitgestalten.

Die Arbeitsgruppe zeichnet sich durch eine gefestig-te Zusammenarbeit aus, sie bildet eine gute Vernet-zung.48

10.3 Partizipative Verhandlung von Nutzungskonkurrenzen im öffentlichen Raum

In Deutschland gibt es in immer mehr Städten und Kommunen Projekte, die daran arbeiten, die Koexistenz von Prostitution, Anwohner_inen, pädagogischen und sozialen Einrichtungen sowie Gewerbebetrieben mit ihren divergierenden Interes-sen zu fördern. Ziel hierbei ist, durch gegenseitigen Respekt ein friedliches und störungsfreies Neben-einander verschiedener Arbeits- und Lebensformen zu ermöglichen. In den folgenden Abschnitten wir je ein Beispiel aus Berlin und Köln vorgestellt.

10.3.1 Nachbarschaftsprojekt Kurfürs-tenstraße Berlin

In dem Berliner Innenstadtbezirk Tempelhof Schö-neberg wurde in den letzten Jahren ein sich gegensei-tig akzeptierendes Nebeneinander von Prostitution – Wohnen – Arbeiten geschaffen.

„Im Quartier rund um die Kurfürstenstraße im Schöneberger Norden und in Tiergarten Süd woh-nen und leben Alteingesessene und Neuhinzugezo-gene, alte wie junge Menschen, Familien mit und ohne Migrationshintergrund und mit unterschied-lichsten Bildungsabschlüssen und Berufstätigkeiten. Es gibt viele Familien mit Kindern. Hier liegen vier soziale Einrichtungen für Familien, Jugendliche, Senior/innen, drei Schulen, zwei Kindergärten, zwei Kirchengemeinden und eine Moschee. Insgesamt leben in den beiden QM-Gebieten knapp 26.000 Menschen, davon haben etwa 60 % einen Migrati-onshintergrund.“ (Howe 2011: 7)

Seit 1850 gibt es dort Prostitution; sie wurde meis-tens auf der Straße vor den Häusern angebahnt und

48 Die Broschüren sind auf der Homepage von Phoenix www.phoenix-beratung.de zu finden, mehr zum KKP unter www.hannover.de

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fand dann in Zimmern der Häuser, den Bordellen, in entsprechenden Nachtclubs, Stundenhotels oder Massagesalons statt. Bis in die 1980er Jahre gestal-tete sich das Neben und Miteinander relativ alltäg-lich. Erst ab Mitte der 1980er Jahre begann sich das Bild zu verändern, die alten Häuser wurden abgeris-sen oder saniert. Absteigen oder Pensionen sollten hier nicht mehr eingerichtet werden. Die offiziellen Versprechungen lauteten, dass man die Prostitution nicht von diesem traditionellen Standort vertreiben möchte. Konzepte waren jedoch keine vorhanden und wurden dafür im Weiteren auch nicht entwi-ckelt. Ebenso wenig gab es eine Einschätzung der Folgen dieser Maßnahme. Letztendlich bedeutete die Entwicklung für die Prostituierten eine nahe-zu komplette Wegsanierung ihrer Arbeitsplätze. Die Frauen wichen auf den Straßenstrich aus. Das Gebiet ist heute nicht mehr nur, aber auch für die rund um die Kurfürstenstraße stattfindende Straßenprostitution bekannt. Dies führte zu Lärm (mit dem Auto an- und abfahrende Prostitutions-kunden), Dreck (u.a. gebrauchte Kondome auf der Straße), Anmache von Männern, die keinen Kontakt suchten oder in Begleitung ihrer Kinder oder Partnerinnen waren, aber auch zu gewaltvollen Übergriffen auf Sexarbeiterinnen, besonders auf transsexuelle Prostituierte. Um die Situation nicht eskalieren zu lassen und allen Seiten (Sexarbeiterin-nen – Anwohner_innen – Gewerbetreibenden) ge-recht zu werden, beauftragte der Bezirksbürgermeis-ter von Tempelhof Schöneberg 2011 das Zentrum Technik und Gesellschaft in Berlin, eine Bestands-aufnahme zu erstellen und Lösungsmöglichkeiten und Handlungsempfehlungen zu erarbeiten.

Es wurden alle einbezogen: Sexarbeiterinnen, ihre Kunden, Anwohner_innen, Gewerbetreibende, Ver-treter_innen von Schulen, Kindertagesstätten und Kirchen, Expert_innen aus Gesundheitsämtern, Fachberatungsstellen, Polizei und Politik wurden in Interviews befragt. Es gab einen Runden Tisch und Werkstattgespräche in der Kirche. Die Teilnehmenden lernten sich und die Bedürfnisse der anderen Seite kennen und verstehen. Sexarbeiterinnen respektierten den Wunsch der Bewohner_innen nach Ruhe, keinen Kondomen auf der Straße, keinem öffentlichen Sex. Die Bewohner_innen sahen, dass Sexarbeite-rinnen wie sie selbst auch durch ihre Arbeit ihre Existenz sichern müssen. Das Ergebnis war eine von allen Gruppen getragene Problembeschreibung; gemeinsam wurden u.a. auf vom Forschungsprojekt

begleiteten Bürgerversammlungen Lösungsideen und ein Aktionsplan erarbeitet und zum Teil schon umgesetzt:49

p Es gab bereits Fortbildungsangebote für Er-zieher_innen in Kindertagesstätten: Wie rede ich mit Kindern über Sex / über Prostitution?

p Es gab Elternabende im Kindergarten über Gründe für den Einstieg in die Sexarbeit.

p Es gab Informationsabende zum Thema „Freier sein“.

p Es gab Gruppenarbeit mit (männlichen) Jugendlichen über Transsexualität und über Sexarbeiterinnen: Sie sind oft auch Mütter, die ihre Kinder ernähren müssen usw.

p Inzwischen haben die Überfälle der männ-lichen Jugendlichen auf die Transsexuellen aufgehört.

p Die Straßen sind sauberer (es gab gemeinsa-me Straßenreinigungsaktionen der Sexarbei-terinnen mit der Berliner Stadtreinigung).

p Sexarbeiterinnen werben diskreter um Kun-den.

p Es gibt eine Foto Wanderausstellung zu „Nachbarschaft und Straßenprostitution – Wie geht das? Eine Reise durch ein Viertel – 30 Menschen erzählen.“ (Howe/Haug/Hemmerich 2012) 50

p Im September 2013 wurde die Bürgeraus-stellung Nachbarschaft und Prostitution im Rathaus Schöneberg gezeigt.

p Ein Handbuch für Kinder-, Jugend- und Familieneinrichtungen „Sexuelle Bildung – Schwerpunkt: (Straßen-)Prostitution“ wurde veröffentlicht.51

Und es gibt regelmäßig Veranstaltungen zu ver-schiedenen Themen rund um die Prostitution vor

49 Forschungsbericht unter: www.tu-berlin.de/fileadmin/f27/PDFs/Forschung/Nachbarschaften_und_Stras-sen-Prostitution_Bericht.pdf

50 Bericht und Fotos kostenlos unter: www.berlin.de/imperia/md/content/batempelhofschoeneberg/abt-gesstadtqm/plangendenk/qm/brosch__re_stra__en-prostitution.pdf?start&ts=1361790874&file=brosch__re_stra__enprostitution.pdf

51 Handbuch kostenlos herunterzuladen unter: www.magdeburgerplatz-quartier.de/fileadmin/content-me-dia/media/2013_kh-gb/Logos___Copyrights/04_2013/Handbuch_sexuelle_Bildung-1.pdf

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Ort im Nachbarschaftstreffpunkt HUZUR, die im Durchschnitt von 150 Interessierten besucht werden. Sexarbeiterinnen, Anwohner_innen, Ge-werbetreibende und Politik sind im Gespräch und gemeinsam auf einem guten Weg, respektvoll mit-einander umzugehen. Ein Problem hierbei ist die starke Fluktuation der Sexarbeiterinnen, die häufig ihren Standort bzw. die Stadt wechseln, um gut im Geschäft zu sein. Deshalb muss die Aufklärungs- und Vermittlungsarbeit kontinuierlich fortgesetzt werden, wenn sie nachhaltig Wirkung zeigen soll.

10.3.2 „Projekt Straßenstrich Geestemünder Straße“, Köln

Mit der Schaffung von positiven Anreizen bei der Verlagerung eines Straßenstriches ging die Stadt Köln als erste deutsche Großstadt vor mehr als 10 Jahren neue Wege. In diesem Projekt wurden ord-nungspolitische, gesundheits- und sozialpolitische Maßnahmen verknüpft. Zielsetzung war die Verla-gerung von Straßenstrichbereichen aus der Kölner Innenstadt an den Stadtrand, eine bessere Erreich-barkeit der Sexarbeiterinnen für soziale und gesund-heitliche Einrichtungen und die Bekämpfung von Gewalt gegenüber Sexarbeiterinnen. Ermöglicht wurde dieses Modell durch eine ungewöhnlich enge und in der Zielführung sachgebietsübergreifende Zusammenarbeit von Polizei, Ordnungsamt, Ge-sundheitsamt und dem Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) als sozialer Betreuungseinrichtung.

Das Gelände des Straßenstrichprojektes liegt relativ weit außerhalb der Innenstadt, am Rande Kölns in einem Industriegebiet. Erreichbar ist das Gelände, außer mit dem PKW, mit den öffentlichen Ver-kehrsmitteln Straßenbahn und Bus. Das Gelände dieses offiziellen Straßenstriches Geestemünder Straße hat die ungefähre Größe eines Fußballfeldes. Auf dem Gelände befinden sich die ca. 400 Meter lange Anbahnungszone, die als Einbahnstraße nur im Schritt-Tempo zu befahren ist, die „Boxenscheu-ne“ mit zehn so genannten „Verrichtungsboxen“ mit besonderen Sicherungsvorkehrungen zum Schutz der Sexarbeiterinnen und die Betreuungs-einrichtung des Sozialdienstes Katholischer Frauen (SkF).

Um das Gelände herum ist ein Sichtschutz gezogen, um die Prostituierten und auch die Kunden vor Beobachtern zu schützen. In der Betreuungsein-richtung, die in einem Container untergebracht ist, stehen ein als Café eingerichteter Aufenthaltsraum und ein kleines Beratungszimmer zur Verfügung. Zusätzlich sind zum Schutz der Prostituierten und zur Kontrolle des Platzes täglich Polizei und Ord-nungsamt zu unregelmäßigen Zeiten auf dem Stra-ßenstrichgelände.

Auch wenn die Ziele der Stadt Köln nur teilweise erreicht wurden, weil nicht alle Prostituierten den neuen Standort annahmen und viele weiterhin im Sperrgebiet arbeiten, hat sich das Projekt bis heute bewährt. Die Ziele des SkF wurden erreicht: Es gibt dort keine Gewalt gegenüber Sexarbeiterinnen. Ins-besondere Drogen gebrauchende Sexarbeiterinnen sind eng in eine Betreuung eingebunden, die auch drogentherapeutischen Maßnahmen beinhaltet und auf mittlere Sicht aus der Prostitution herausführt.52

10.4 Leuchtturmprojekte: Interinstitutionelle Kooperation zur Bekämpfung des Menschenhandels

10.4.1 Der bundesweite Koordinie-rungskreis gegen Frauenhandel und Gewalt an Frauen im Migrationsprozess – KOK e.V.

Auf Initiative von Frauenberatungsstellen, Migran-tinnenprojekten, ehrenamtlich engagierten Frauen, Beratungsstellen für Prostituierte und Einrichtungen mit kirchlichem Hintergrund etablierten sich in Deutschland seit Ende der 1980er Jahre verstärkt eine Vernetzungsstruktur von Fachberatungsstellen (FBS) für Betroffene von Menschenhandel v.a. zur sexuellen Ausbeutung. So fanden beispielsweise ein-mal jährlich Vernetzungstreffen der verschiedenen Organisationen statt. Im Jahr 1999 wurde dieser lose Zusammenschluss in überregionale Strukturen überführt und als gemeinnütziger Verein eingetragen. Der bundesweite Koordinierungskreis gegen Frauen-handel und Gewalt an Frauen im Migrationsprozess

52 www.stadt-koeln.de/mediaasset/content/pdf53/2.pdf

41

- KOK e.V. mit seinem Sitz in Berlin vereint heute 37 Mitgliedsorganisationen unter seinem Dach. Die darin organisierten Mitglieder sind nichtstaatliche Einrichtungen unter verschiedenen Trägerschaften oder aus der autonomen Frauenbewegung, Migran-tinnenorganisationen, Prostituiertenberatungsstel-len, Schutzwohnungen sowie andere Lobbyorgani-sationen, aber auch Wohlfahrtsverbände. Trotz der oder gerade durch die Heterogenität der Projekte und Organisationen und ungeachtet der zum Teil unterschiedlichen Hintergründe der Organisatio-nen besteht der gemeinsame Wunsch sich zu ver-netzten, um für die Interessen der Betroffenen von Menschenhandel und für von Gewalt betroffene Migrantinnen zu arbeiten. Das macht das Besonde-re an der Vernetzung im KOK aus. Die Bedürfnisse und Wünsche der von Menschenhandel Betroffe-nen, darunter insbesondere Frauen, stehen immer im Fokus der umfassenden Arbeit aller.

Die Mitgliedschaft im KOK ist freiwillig, und die Mitglieder entscheiden auf Antrag über die Aufnahme weiterer Organisationen. Auch die Ar-beitsschwerpunkte des KOK werden durch die In-teressen seiner Mitgliedsorganisationen bestimmt. Gemeinsames Ziel ist es, für eine wirksame, verbes-sernde Veränderung der bestehenden Verhältnisse im Bereich von Menschenrechtsverletzungen an Frauen einzutreten. Als einziges bundes- und sogar europaweites Netzwerk mit diesem Fokus, das aus einer langjährigen Praxiserfahrung schöpfen kann, bildet der KOK eine wichtige Schnittstelle zwischen Fachberatungsstellen, Politik und Öffentlichkeit sowie relevanten Kooperationspartner_innen. Nicht nur bundes-, sondern auch europaweit ist der KOK in seiner Struktur einzigartig und wird vielerorts als Best-Practice Modell gesehen.

Die im KOK zusammengeschlossenen Organisa-tionen setzen sich gemeinsam ein:

p gegen den Menschenhandel weltweit,

p für die Stärkung der Rechte von Betroffenen von Menschenhandel,

p für die Verwirklichung der Menschenrechte von Migrantinnen,

p für die rechtliche und soziale Gleichstellung von Prostituierten.

Durch Öffentlichkeits- und Lobbyarbeit bringt der KOK sich in den politischen und gesellschaftli-chen Diskurs ein und vertritt die Interessen seiner Mitgliedsorganisationen und damit indirekt die Interessen der betroffenen Frauen. So reagiert er beispielsweise auch auf stereotypisierenden media-len Umgang der Presse mit dem Thema Menschen-handel (KOK/Czarnecki 2013). Denn inwieweit Personen, die dem Menschenhandel zum Opfer gefallen sind, von der Gesellschaft und den Behör-den Respekt und Achtung entgegengebracht wird, hängt nicht unerheblich davon ab, wie Presse und Medien über das Thema berichten.

Daneben verfolgt und begleitet der KOK Gesetzge-bungsprozesse und andere politische Entwicklungen zu seinen Kernthemen. Durch die stetige Rück-kopplung mit seinen Mitgliedern kann der KOK die aktuellen Probleme und Trends in der Praxis auf die politische Ebene transportieren. Gleichzeitig werden politische Entwicklungen an die Praxise-bene weitergegeben, mit ihr gemeinsam analysiert und entsprechende Strategien sowie Handlungs-schritte erarbeitet. Zudem arbeitet der KOK gezielt im Wissenstransfer und hat in den letzten Jahren eine Wissensplattform erarbeitet. Die Geschäfts-stelle veröffentlicht Studien und Fachexpertisen zu relevanten Themen und stellt auf der Webseite des KOK umfangreiche aktuelle Informationen zu den Themen Menschenhandel und Gewalt an Migran-tinnen zur Verfügung.

Der KOK wird größtenteils finanziert über Zu-schüsse des Bundesministeriums für Familie, Senio-ren, Frauen und Jugend (BMFSFJ). Daneben führt er EU-geförderte Projekte durch, wie zuletzt das im Dezember 2012 abgeschlossene Projekt COMP.ACT (European Action for Compensation for Traf-ficked Persons) zur Durchsetzung von Lohn- und Entschädigungsansprüchen für die Betroffenen von Menschenhandel. Aber auch unterschiedliche Stiftungen finanzieren Projekte des KOK. Aktuell fördert die OAK-Foundation das Projekt „datACT – Data Protection in Anti Trafficking Action“, das in Zusammenarbeit mit dem europäischen Netz-werk gegen Menschenhandel „La Strada Internatio-nal“ zur Stärkung des Datenschutzes für Betroffene von Menschenhandel entwickelt wurde. datACT verfolgt das Ziel, die Rechte von Betroffenen des Menschenhandels auf Privatsphäre, Autonomie und Schutz der persönlichen Daten in Deutschland und anderen europäischen Ländern zu stärken. Die Pro-

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jektlaufzeit erstreckt sich von November 2012 bis Oktober 2014.53

Best-Practice-Beispiel: Das Kooperationskonzept zwischen Fachberatungsstellen und Polizei

Eine effektive Bekämpfung des Menschenhandels sowie der Schutz und die Unterstützung der betrof-fenen Frauen können nur dann gelingen, wenn alle relevanten Akteur_innen in diesem Feld zusammen-arbeiten. Noch bevor internationale Instrumente wie das sog. Palermoprotokoll (2000) oder die Eu-roparatskonvention (2005) diesen Punkt hervorho-ben, fand in Deutschland bereits eine interinstitu-tionelle Kooperation statt. Unter der Federführung des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) wurde im Jahr 1997 die Bund-Länder-Arbeitsgruppe Frauenhandel (seit November 2012: B-L-AG Menschenhandel) einge-richtet (siehe 10.4.2). Dieses interdisziplinäre Gre-mium dient dem fachübergreifenden Austausch, bei dem sich Regierungs- und Nichtregierungsorganisa-tionen auf gleicher Augenhöhe begegnen, um ge-meinsam Strategien und Handlungsempfehlungen gegen Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung zu entwickeln54.

Eines seiner ersten und wichtigsten Ergebnisse war 1999 das Kooperationskonzept,55 das die Zusam-menarbeit zwischen Fachberatungsstellen und Straf-verfolgungsbehörden regelt. Der Kontakt zwischen der von Menschenhandel betroffenen Frau und einer Fachberatungsstelle kann über die allgemeine Sozialberatung, Sozialberatung in Krankenhäusern und psychiatrischen Kliniken, Schwangerschaftsbe-ratung, Frauenhäuser, Sozialämter oder über Privat-personen und eigene Anfragen der Betroffenen zu-stande kommen. Doch ebenso oft findet auch eine Kontaktaufnahme über die Polizei statt, z.B. bei Razzien in Bordellen. Genau an dieser Stelle greift das Kooperationskonzept, um trotz unterschiedli-cher Handlungsansätze und verschiedener Zielrich-tungen der Arbeit einerseits der Strafverfolgungsbe-hörden, andererseits der Fachberatungsstellen den bestmöglichen Umgang mit den Betroffenen und ihre umfassende Unterstützung zu gewährleisten. 53 Weitere Informationen: www.kok-buero.de. Eine Liste

der Mitgliedsorganisationen befindet sich im Anhang.54 www.bmfsfj.de/BMFSFJ/gleichstellung,did=73024.html

[18.09.2013]55 www.bmfsfj.de/RedaktionBMFSFJ/Abteilung4/Pdf-An-

lagen/gewalt-kooperationskonzept,property=pdf,be-reich=bmfsfj,sprache=de,rwb=true.pdf [18.09.2013]

Ziel und Zweck des Konzeptes ist, für beide Seiten klare Regelungen für den Umgang mit Menschen-handelsbetroffenen zu bestimmen. Die verschiede-nen Aufgaben und Arbeitsinhalte werden – soweit für die Kooperation von Belang – transparent und verlässlich gemacht, zudem wird auch geregelt, wo die jeweiligen Grenzen der Zuständigkeitsbereiche liegen. Eine wichtige Maßnahme sind verbindliche Ansprechpartner_innen bei den Akteur_innen. In den letzten Jahren hat sich zunehmend die Er-kenntnis durchgesetzt, dass eine tragfähige Koope-rationsbasis zwischen der Beratungsstelle und der ermittelnden Polizei klar und verbindlich definiert werden muss. Nach dem Vorbild des Kooperations-konzeptes, das letztlich lediglich eine Empfehlung für die Bundesländer war, gibt es inzwischen in 13 Bundesländern Kooperationsvereinbarungen, die mittels eines Vertrags zwischen einer Fachbe-ratungs- und einer Polizeidienststelle oder mittels eines Erlasses der zuständigen Verwaltungsbehörden (meist Ministerien) angeordnet werden (vgl. Franke 2008: 113). Die Kooperationsvereinbarungen ha-ben häufig ähnliche Schwerpunkte und Zielsetzung, weichen jedoch zum Teil bezüglich ihrer Inhalte und beteiligten Kooperationspartner_innen vonein-ander ab. So sind beispielsweise in einigen Ländern auch weitere Behörden, z.B. die Ausländerbehörde oder Leistungsbehörden, eingebunden.

Um die institutionalisierte Zusammenarbeit in den Ländern zu fördern und zu verbessern, wurden als flankierende Maßnahme der Kooperationsverein-barungen Runde Tische eingerichtet, die auch mit weiteren zuständigen Stellen wie Gesundheitsäm-tern, Ausländerbehörden, Agenturen für Arbeit, Justiz besetzt sind. Sie sind wichtige Einrichtungen, um den direkten Informationsaustausch zwischen den Akteur_innen zu gewährleisten und aktuelle Probleme und Fragestellungen des Themas Men-schenhandel zu diskutieren.

10.4.2 Bund-Länder-Arbeitsgruppe Menschenhandel

Die „Bund-Länder-Arbeitsgruppe (B-L-AG) Men-schenhandel“ ist ein interdisziplinäres Fachgremi-um, das im Jahr 1997 unter Federführung des Bun-desministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) eingerichtet wurde. Hier kom-men Vertreter_innen der Landesregierungen, der

43

Bundesregierung sowie der Praxis zusammen. Die B-L-AG dient dem fachübergreifenden Austausch und der gemeinsamen Entwicklung von Strategien und Handlungsempfehlungen. Neben Vertreter_in-nen verschiedener Ministerien wie dem BMFSFJ, dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS), dem Bundesministerium des Inneren (BMI) und dem Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz (BMJV) und den entsprechen-den Ministerien der Bundesländer sind auch das Bundeskriminalamt (BKA) und der KOK vertre-ten.56 Für die Zusammenarbeit zwischen Fachbera-tungsstellen und Strafverfolgungsbehörden wurde das unter 10.4.1 beschriebene Kooperationskonzept entwickelt und beschlossen.

56 www.bmfsfj.de/BMFSFJ/gleichstellung,did=73024.html [31.08.2013]

44

45

Schlusswort

Unsere Analyse der Situation von Prostituierten in Deutschland und der einschlägigen rechtlichen Regelungen verstehen wir als einen Beitrag zur Versachlichung einer ideologisch geführten Debatte, die aus unserer Sicht weder den Frauen in der Prostitution noch den Be-troffenen von Menschenhandel hilft. Die Polarisierung der Diskussion fördert ein Schwarz-Weiß-Denken, das der Komplexität der Wirklich-keit nicht gerecht wird. Sie gefährdet und diskriminiert Frauen, die in der Prostitution ihren Lebensunterhalt verdienen. Jegliche Krimi-nalisierung – auch die der Kunden – drängt Prostituierte in schlech-tere Arbeitsbedingungen und erhöht das Gewaltrisiko. Zudem schafft Kriminalisierung die Prostitution nicht ab.

Wir setzen auf eine respektvolle Auseinandersetzung, die sich zum Ziel setzt:

für einen respektvollen Umgang mit Frauen, die in der Prostitution tätig sind, einzutreten,

die Verbesserung von Arbeitsbedingungen und Lebens- verhältnissen von Prostituierten anzustreben,

eine gelingende Prävention z.B. bei sehr jungen Frauen, die – oft einem Freund zuliebe – ohne Kenntnis des Milieus in die Prostitution gehen, durchzusetzen,

die Unterstützung von Frauen, die eine Alternative zur Prostitution suchen, zu fördern,

den Kampf für Aufenthaltsrecht und Arbeitserlaubnis für Migrantinnen zu führen,

gegen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit und ein Schüren von Vorurteilen einzutreten.

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12 LiteraturAndriajasevic, Rutvika, Ost-, mittel und südost-

europäische Prostituierte in West-, Mittel-, Nord- und Südeuropa seit den 80er Jahren, in Bade, K.J. et al, Enzyklopädie Migration in Europa. Vom 17. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Paderborn (Schöningh Wis-senschaft) 2007; 835-838, hier zitiert nach The Open University, Website besucht am 5.Mai 2013.

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13 Anhang

13.1 Anlage 1: Das Prostitutionsgesetz

Gesetzzur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostitu-ierten (Prostitutionsgesetz – ProstG)Vom 20. Dezember 2001Bundesgesetzblatt Jahrgang 2001 Teil I Nr. 74, aus-gegeben zu Bonn am 27. Dezember 2001 3983

Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten (Prostitutionsgesetz – ProstG)

§ 1Sind sexuelle Handlungen gegen ein vorher verein-bartes Entgelt vorgenommen worden, so begründet diese Vereinbarung eine rechtswirksame Forderung. Das Gleiche gilt, wenn sich eine Person, insbeson-dere im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses, für die Erbringung derartiger Handlungen gegen ein vorher vereinbartes Entgelt für eine bestimmte Zeitdauer bereithält.

§ 2Die Forderung kann nicht abgetreten und nur im eigenen Namen geltend gemacht werden. Gegen eine Forderung gemäß § 1 Satz 1 kann nur die vollständige, gegen eine Forderung nach § 1 Satz 2 auch die teilweise Nichterfüllung, soweit sie die vereinbarte Zeitdauer betrifft, eingewendet werden. Mit Ausnahme des Erfüllungseinwandes gemäß des § 362 des Bürgerlichen Gesetzbuchs und der Einre-de der Verjährung sind weitere Einwendungen und Einreden ausgeschlossen.

§ 3Bei Prostituierten steht das eingeschränkte Wei-sungsrecht im Rahmen einer abhängigen Tätigkeit der Annahme einer Beschäftigung im Sinne des Sozialversicherungsrechts nicht entgegen.

Artikel 2Änderung des StrafgesetzbuchesDas Strafgesetzbuch in der Fassung der Bekanntma-chung vom 13. November 1998 (BGBl. I S. 3322), zuletzt geändert durch Artikel 4 des Gesetzes vom 19. Dezember 2001 (BGBl. I S. 3922), wird wie folgt geändert:

1. In der Inhaltsübersicht werden die Angaben zu § 180a wie folgt gefasst: „§ 180a Ausbeutung von Prostituierten“.

2. § 180a wird wie folgt geändert: a) Die Überschrift wird wie folgt gefasst: „§ 180a Ausbeutung von Prostituierten“. b) Absatz 1 wird wie folgt geändert: aa) Die Angabe „1.“ wird gestrichen. bb) Nach den Wörtern „in persönlicher oder wirtschaftlicher Abhängigkeit gehalten werden“ wird das Wort „oder“ durch ein Komma ersetzt. cc) Nummer 2 wird aufgehoben.

3. § 181a Abs. 2 wird wie folgt neu gefasst: „(2) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer die persönli- che oder wirtschaftliche Bewegungsfreiheit einer anderen Person dadurch beeinträchtigt, dass er gewerbsmäßig die Prostitutionsausübung der anderen Person durch Vermittlung sexuellen Verkehrs fördert und im Hinblick darauf Beziehungen zu ihr unterhält, die über den Einzelfall hinausgehen.“

Artikel 3Inkrafttreten: Dieses Gesetz tritt am 1. Januar 2002 in Kraft.

13.2 Anlage 2: Beispiel einer Sperrgebietsverordnung

Rechtsverordnung zum Schutz der Jugend und des öffentlichen Anstands im Bereich der Stadt Dortmund (Sperrbezirksverordnung) vom 02.05.2011

Aufgrund von Art. 297 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und Abs. 2 des Einführungsgesetzes zum

Strafgesetzbuch (EGStGB) vom 2. März 1974 (BGBl. I S. 469), zuletzt geändert durch Artikel 4

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des Gesetzes vom 22. Dezember 2010 (BGBl. I S. 2300) in Verbindung mit § 1 der Verordnung zur Bestimmung der für den Erlass von Rechtsverord-nungen nach Art. 297 EGStGB zuständigen Ver-waltungsbehörden vom 11. März 1975 (GV. NW. 1975, S. 258) wird für den Bereich der Stadt Dort-mund verordnet:

§ 1Zum Schutze der Jugend und des öffentlichen Anstandes wird für das gesamte Stadtgebiet der Stadt Dortmund mit Ausnahme der Linienstraße verboten, auf öffentlichen Straßen, Wegen und Plätzen, in öffentlichen Anlagen sowie an sonstigen Orten, die von dort aus eingesehen werden können, der Prostitution (Straßenprostitution) nachzuge-hen. Das Stadtgebiet entspricht der Festlegung der Grenzen des Stadtgebietes nach der amtlichen Karte „Stadt Dortmund – Vermessungs- und Katasteramt – in der jeweils aktuellen Ausgabe; Kartengrundla-ge: Stadtplanwerk Ruhrgebiet, Koordinatensystem: ETRS 89/UTM“ (vgl. Anlage).

§ 2(1) Zuwiderhandlungen können nach § 120 in Ver-bindung mit § 21 des Gesetzes über Ordnungswid-rigkeiten als Ordnungswidrigkeit mit Geldbuße bis zu 500 Euro geahndet werden.

(2) Beharrliche Zuwiderhandlungen werden nach §§ 184 e und 184 f des Strafgesetzbuches mit Frei-heitsstrafe oder mit Geldstrafe bestraft.

§ 3Diese Rechtsverordnung tritt eine Woche nach dem Tag ihrer Verkündung im Amtsblatt für den Regie-rungsbezirk Arnsberg in Kraft.

Die bisherigen Regelungen der Rechtsverord-nung zum Schutz der Jugend und des öffentlichen Anstandes im Bereich der Stadt Dortmund vom 17.12.1974 (Amtsblatt für den Regierungsbezirk Arnsberg 1974, S. 72), zuletzt geändert durch die Rechtsverordnung zur Änderung der Rechtsverord-nung zum Schutz der Jugend und des öffentlichen Anstandes im Bereich der Stadt Dortmund vom 17.10.1985 (Amtsblatt für den Regierungsbezirk Arnsberg 1985, S. 365) bleiben unberührt.

gez. Gerd Bollermann -Regierungspräsident – Verkün-det im Amtsblatt Nr. 18/2011 der Bezirksregierung Arnsberg am 07.Mai 2011

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14 Angaben zu den Autorinnen

Dr. Dorothea Czarnecki, Dr., ECPAT Deutschland e.V.

Jahrgang 1982, Studium der Allgemeinen und Interkulturellen Pädagogik an der Universität Bam-berg und Oldenburg. 2013 Promotion an der Uni-versität Oldenburg zum Thema Prostitution von Kindern in Guatemala. 2005–2009 Arbeits- und Forschungsaufenthalte in Costa Rica und Guatem-ala. 2009-2014 Trainerin bei ECPAT Deutschland e.V. zur Sensibilisierung gegen die kommerzielle sexuelle Ausbeutung Minderjähriger im Tourismus. 2010-2012 Pädagogin im Kinderschutz-Zentrum Oldenburg im Bereich der Prävention sexualisierter Gewalt an Kindern. 2012 bis Ende 2013 Referentin beim Koordinierungskreis gegen Frauenhandel und Gewalt an Frauen im Migrationsprozess – KOK e.V., Berlin. Seit 2014 Projektkoordinatorin bei ECPAT Deutschland e.V., Freiburg.

Arbeitsschwerpunkte: Menschenhandel, sexuelle Ausbeutung Minderjähriger im Tourismus, Präven-tion sexueller Gewalt.

Kontakt: [email protected]

Henny Engels, Geschäftsführerin des Deutschen Frauenrates, Berlin

Jahrgang 1949, Ausbildung als Buchhändlerin, Stu-dium der Sozialarbeit (FH) sowie der Politischen Wissenschaften, Soziologie und Kath. Theologie (Religionspädagogik); Abschluss Magister Artium – MA. Sechs Jahre Diözesanvorsitzende des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) im Erzbistum Köln, zwei Jahre stellvertretende Bun-desvorsitzende des BDKJ. Zehn Jahre Verbandsre-ferentin bei der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands, zuständig für Grundsatzfragen. Seit Mai 2001 Geschäftsführerin des Deutschen Frau-enrates.

Barbara Kavemann, Prof. Dr., Diplomsoziologin

Wissenschaftliche Mitarbeiterin des Sozialwissen-schaftlichen FrauenForschungsInstituts Freiburg und Honorarprofessorin an der Katholischen Hochschule für Sozialwesen Berlin.

Arbeitsschwerpunkte sind seit 1978 Gewalt im Ge-schlechterverhältnis und sexualisierte Gewalt, seit 1982 sexueller Missbrauch in Kindheit und Jugend, seit 2005 Prostitution und Menschenhandel und seit 2010 erneut sexualisierte Gewalt.

Kontakt: www.barbara-kavemann.de, [email protected]

Wiltrud Schenk, Zentrum für sexuelle Gesundheit und Familienplanung, Berlin

Jahrgang 1950, Dipl. Sozialarbeiterin, Supervisorin, Sexualpädagogin. Bis 1979 Studium an der FHS Dortmund, anschließend vier Jahre Entwicklungs-hilfe in Botswana. 10 Jahre Sozialarbeiterin im Jugendamt Berlin Neukölln, langjährige ehrenamt-liche Tätigkeit bei Wildwasser, AG gegen sexuellen Missbrauch an Mädchen, seit 1990 Sozialarbeiterin beim Gesundheitsamt Charlottenburg Wilmers-dorf, heute im Zentrum für sexuelle Gesundheit und Familienplanung, dort u.a. aufsuchende Arbeit an den Orten der Prostitution, Beratung zu Safer Sex und anderen Themen, nicht nur für Sexarbeite-rinnen.

Kontakt:Zentrum für sexuelle Gesundheit und Familienpla-nungHohenzollerndamm 173, 10713 [email protected]: 0049 + 30 902916888

Das Zentrum für sexuelle Gesundheit und Fami-lienplanung in Berlin wurde 2008 aus den Bera-tungsstellen für sexuell übertragbare Krankheiten den Aidsberatungsstellen den Sozialmedizinischen Diensten für Eheberatung, Familienplanung und Schwangerschaft gegründet. Es hat die Aufgabe, Menschen mit Fragen und Problemen rund um das

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sensible Feld von Sexualität, Elternschaft, Famili-enplanung und Schwangerschaft so unbürokratisch wie möglich zu beraten und auch in sehr schwie-rigen Problemlagen zielorientiert zu unterstützen. Diese Aufgabe leisten etwa 25 Mitarbeiter_innen mit großem Engagement. Sie haben unterschiedli-che Berufsausbildungen. Ärzt_innen verschiedener Fachrichtungen, medizinische Fachangestellte, So-zialarbeiter_innen und Psycholog_innen nehmen sich, unterstützt von Sprachmittler_innen, Zeit für ausführliche Gespräche und die genaue Feststellung der Lebenslage, um in einer vertrauensvollen At-mosphäre die sehr persönlichen Probleme zu verste-hen. Die Unterstützungsangebote erfolgen auch in Zusammenarbeit mit anderen Behörden in einem vertraulichen Rahmen.

Die Arbeit des Zentrums ist in vielen Bereichen subsidiär, d.h., sie richtet sich an Menschen, die keine vorrangigen Möglichkeiten zur Unterstützung haben, z.B. Migrant_innen ohne aktuelle Kranken-versicherung oder einkommensarme Menschen. Sehr viele Aufgaben können nur auf Grundlage einer langjährig gewachsenen Vertrauensebene mit freien Trägern und anderen Institutionen geleis-tet werden. Hierzu gehört z.B. die Beratung von Frauen, die von Frauenhandel und sexueller Ge-walt betroffen sind. Ein wichtiger Teil der Arbeit ist die Prävention, z.B. die Sexualpädagogische Gruppenarbeit mit jungen Menschen. Die Un-terstützung von Prostituierten zu einer möglichst selbstbestimmten Ausübung ihrer Arbeit gehört zur traditionellen Aufgabe des Zentrums. Aufsuchende Arbeit mit Beratungsangeboten und die Verteilung von Kondomen ist eine der klassischen Aufgaben von Gesundheitsämtern. Durch die Begleitung von Sprachmittlerinnen ist der Aufbau eines Vertrauens-verhältnisses auch gegenüber Frauen aus anderen Kultur- und Sprachräumen möglich.

Seit 2003 gehört die direkte Ansprache der Freier ebenfalls zu den Aufgaben. In der Arbeitsgemein-schaft „Gesunder Kunde“ mit anderen öffentlichen und freien Trägern wurden Regeln für den verant-wortungsvollen Besuch von Prostituierten entwi-ckelt. In zahlreichen öffentlichen Aktionen werden diese werbewirksam durch Mitarbeiterinnen in auffälligen Kondom-Ganzkörperkostümen verteilt. Die Resonanz, z.B. bei großen Sport- und Kultur-veranstaltungen, ist durchgehend positiv.

Da ein offener Umgang mit sexuellen Dienstleis-tungen der beste Schutz für Prostituierte ist, ist das Bezirksamt dabei, gemeinsam mit Prostituierten-selbsthilfeorganisationen Kriterien für Bordelle zu entwickeln, in denen Arbeitsschutz und Arbeits-bedingungen in einer für die Außenwelt diskreten Atmosphäre vorbildlich eingehalten werden.

Die Mitarbeiter_innen des Zentrums sind bestän-dig dabei, ihre Aufgaben zu reflektieren, neue Her-ausforderungen aufzugreifen und Hilfeangebote zu optimieren. Dabei arbeiten sie intensiv mit anderen Institutionen und Trägern zusammen. Ich würde mich freuen, wenn Sie die Arbeit des Zentrums weiterempfehlen, Hinweise geben und sich nicht scheuen, ein Angebot selbst in Anspruch zu nehmen.

Elfriede Steffan, Dipl. Soziologin

Seit 1989 bei der SPI Forschung gGmbH tätig und seit 1996 dort Prokuristin. Sie verfügt über langjäh-rige nationale und internationale sozialwissenschaft-liche Forschungserfahrung in den Themenbereichen Gesundheit und Frauen. Darüber hinaus hat sie umfassende Erfahrungen in der Organisation und Entwicklung von kommunalen Interventionsan-geboten (Frauen und Gewalt; Mütter/Kinder) und Koordination internationaler, in der Regel von der Europäischen Union geförderter Kooperations-projekte (HIV/AIDS Prävention, Prostitution und Migration) in Kooperation mit Zentral- und Osteu-ropa. Ihre Expertise liegt, neben der Durchführung von Forschungsprojekten, insbesondere in der Im-plementierung und Evaluierung von Pilotprogram-men in den o. g. Bereichen.

www.spi-research.eu

Dorothee Türnau, Phoenix e.V., Projekt Phoenix - Beratungsstelle für Prostituierte , Hannover

Jahrgang 1957, Dipl. Sozialpädagogin/Sozialarbei-terin. Bis 1982 Studium an der Evangelischen Fach-hochschule für Sozialwesen in Hannover, 1984 staatliche Anerkennung, anschließend Mitar-beiterin im Institut für Entwicklungsplanung und Strukturforschung in dessen Arbeitsschwerpunkt

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„Modellevaluation im Gesundheitswesen“. Seit Ende 1989 Sozialpädagogin / -arbeiterin bei Pho-enix e.V. im Projekt Phoenix, der Beratungsstelle für Prostituierte in Hannover mit den Arbeits-schwerpunkten Beratung, aufsuchende Arbeit im Milieu, Öffentlichkeitsarbeit. 2011 bis 2013 Vor-standsfrau im bufas e.V.

Kontakt:PhoenixPostfach 4762, 30047 [email protected].: 0049 + 511 – 898288-01www.phoenix-beratung.de

Phoenix e.V. (www.phoenix-verein.org) besteht aus vier Projekten, die alle niedersachsenweit tätig sind:

p Projekt Phoenix – Beratungsstelle für Prosti-tuierte

p Projekt La Strada – Anlauf- und Beratungs-stelle für drogengebrauchende Mädchen und Frauen, die in der Prostitution arbeiten und von Gewalt bedroht sind

p Projekt Kobra – Koordinierungs- und Bera-tungsstelle für Opfer von Menschenhandel

p Projekt Nachtschicht – Beratung und aufsu-chende Arbeit am Straßenstrich

Das Angebot des Projekts Phoenix richtet sich an deutsche und ausländische Prostituierte, die freiwil-lig in der Sexarbeit tätig sind, die in der Sexarbeit arbeiten wollen und an diejenigen, die sich beruf-lich umorientieren wollen, sowie an Partner und Angehörige. Die Beratung erfolgt auf freiwilliger Basis und je nach Bedarf muttersprachlich und anonym. Beratungen sind in deutscher, polnischer, russischer, bulgarischer und englischer Sprache, bei anderen Sprachen mit Dolmetscherin möglich.

Das Angebot umfasst:

p anonyme Telefonberatung

p persönliche Beratung

p Unterstützung

Streetwork – aufsuchende Arbeit

p in den Bordellen und Clubs

p im Café Nachtschicht auf dem Straßenstrich

p im Bereich Wohnungsprostitution

p an den Standorten der Lovemobile

Kostenloses Coaching für Sexarbeiterinnen am Arbeitsplatz

Öffentlichkeitsarbeit

p Veranstaltungen und Aktionen zur HIV/STI - Prävention

p Referentinnentätigkeit zum Thema Prostitu-tion

p Mitarbeit in Arbeitskreisen auf kommunaler Ebene

p Kooperation mit NG-Organisationen aus dem Bereich Prostitution auf nationaler und internationaler Ebene

p Mitarbeit im Bündnis der Fachberatungs-stellen für Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter (bufas e.V.)

Phoenix engagiert sich für:

p Gleichstellung von Sexarbeiter_innen mit anderen Erwerbstätigen

p Rechtssicherheit und Mindeststandards in der Sexarbeit

p Integration und gesellschaftliche Gleichstel-lung

Stärkung der Selbstbestimmung von Sexarbeiter_in-nen im Beruf und bei beruflicher Umorientierung