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1 RUB Fakultät für Ostasienwissenschaften PH.D. Rüdiger Breuer Shi: Lyrik der Tang-Dynastie Die 4. Sitzung der Vorlesung “Einführung in die chinesische Literaturgeschichte” SomSemester 2015 geht um Shi: Lyrik der Tang-Dynastie. Die Shi-Dichtung der Han-Zeit und folgenden Dynastien wird als gushi “alte shi-Gedichte” genannt. Die Anzahl der Verse wird nicht vorgeschrieben und theoretisch unbeschränkt, jedoch meistens hat sie nicht mehr als 20 Verse, selten 100–200 Verse. Die Verslänge ist in der Regel einheitlich durch das ganze Gedicht, also meist 5-7-Silber , aber manchmal auch 3-/4-/6-Silber. Bei der Syntax verbindet “alte shi-Gedichte” in der Regel zwei Verse zu einem Paar, das gelegentlich Parallelismus enthält. Der Reim liegt im Allgemeinen am Ende eines Verspaars, kann aber gegebenfalls schon im 1. Vers auftreten; er kann sich durch das ganze Gedicht ziehen, kann aber auch wechseln. Bei 5-syllabischen Vers gibt es meistens eine Zäsur zwischen 2. und 3. Silbe, bei 7-syllabischen Versen eine Hauptzäsur zwischen 4. und 5. Silbe und gelegentlich Nebenzäsur zwischen 2. und 3. Silbe. In der Tang-Zeit verändert sich aber die Shi-Dichtung. Die Gedichten von neuen Stil (jintishi) tauchen auf. Sie sind in der Regel viel mehr strenger und in der Dichtungsformen auch vielfältiger geworden. Es gibt hauptsächlich 3 Kategorien von Tang-Lyrik: „Regelgedicht“ (lǜshi), „abgebrochene Verszeilen“ (jueju) und „verbundenes Regelgedicht“ ( páilǜ).

Protokoll Zur Lyrik Der Tang Dynastie

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RUB Fakultät für OstasienwissenschaftenVorlesung “Einführung in die chinesische Literaturgeschichte"Die 4. Sitzung der Vorlesung “Einführung in die chinesische Literaturgeschichte” SomSemester 2015 geht um Shi: Lyrik der Tang-Dynastie.

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Page 1: Protokoll Zur Lyrik Der Tang Dynastie

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RUB Fakultät für Ostasienwissenschaften

PH.D. Rüdiger Breuer

Shi: Lyrik der Tang-Dynastie

Die 4. Sitzung der Vorlesung “Einführung in die chinesische Literaturgeschichte” SomSemester

2015 geht um Shi: Lyrik der Tang-Dynastie.

Die Shi-Dichtung der Han-Zeit und folgenden Dynastien wird als gushi “alte shi-Gedichte”

genannt. Die Anzahl der Verse wird nicht vorgeschrieben und theoretisch unbeschränkt, jedoch

meistens hat sie nicht mehr als 20 Verse, selten 100–200 Verse. Die Verslänge ist in der Regel

einheitlich durch das ganze Gedicht, also meist 5-7-Silber , aber manchmal auch 3-/4-/6-Silber.

Bei der Syntax verbindet “alte shi-Gedichte” in der Regel zwei Verse zu einem Paar, das

gelegentlich Parallelismus enthält. Der Reim liegt im Allgemeinen am Ende eines Verspaars, kann

aber gegebenfalls schon im 1. Vers auftreten; er kann sich durch das ganze Gedicht ziehen, kann

aber auch wechseln. Bei 5-syllabischen Vers gibt es meistens eine Zäsur zwischen 2. und 3. Silbe,

bei 7-syllabischen Versen eine Hauptzäsur zwischen 4. und 5. Silbe und gelegentlich Nebenzäsur

zwischen 2. und 3. Silbe.

In der Tang-Zeit verändert sich aber die Shi-Dichtung. Die Gedichten von neuen Stil (jintishi)

tauchen auf. Sie sind in der Regel viel mehr strenger und in der Dichtungsformen auch vielfältiger

geworden. Es gibt hauptsächlich 3 Kategorien von Tang-Lyrik: „Regelgedicht“ (lǜshi),

„abgebrochene Verszeilen“ (jueju) und „verbundenes Regelgedicht“ ( páilǜ).

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Das „Regelgedicht“ (lǜshi) enthält 8 Zeilen in 4 Verspaaren, die auch einheitliche Verslänge haben:

entweder 5 oder 7 Silben. (Also wird es jeweils “wǔyán lǜshī 五言律詩/ wǔlǜ 五律” und “qīyán

lǜshī 七言律詩/ qīlǜ 七律” genannt) Das ganze Gedicht kann nur ein Reim haben (in der Regel

im píng-Ton). Der Reim schließt Verspaar ab, kann aber auch bereits im 1. Vers angeschlagen

werden. Parallelismus soll im 2. und 3. Paar (Verse 3 u. 4 bzw. 5 u. 6) sein, ist im 1. Paar acuh

erlaubt, aber ehrlich selten. Die Zäsur liegt zwischen 2. und 3. Silbe im 5-silbigen Vers bzw.

zwischen 4. und 5.m 7-silbigen Vers. Im 7-silbigen Vers gibt es noch eine Nebenzäsur zwischen 2.

und 3. Vers. Das Tonschema soll sehr streng sein.

Die „abgebrochenen Verszeilen“ (jueju) enthalten nur 4 Zeilen in 2 Verspaaren, die auch wie bei

lǜshi einheitliche Verslänge haben: entweder 5 oder 7 Silben. (Es wird jeweils “wǔyán juéjù五言

絕句 / wǔjué 五絕” und “qīyán juéjù 七言絕句 / qījué 七絕” genannt.) Sie haben auch nur

einen Reim, der das Verspaar abchließt und bei 7-Silbern schon im 1. Vers angeschlagen werden

kann. Weil sie ganz kurz sind, hat Parallelismus weitgehend ohne Bedeutung. Die Zäsuren sind

gleich wie bei lǜshi; das Tonschema ist freier als in lǜshī. Es ist auch bemerkenswert ist, dass die 3.

Verszeile oft inhaltliche Wende einleitet.

Das „verbundene Regelgedicht“ hat auch gleiche Grundregeln wie bei lǜshi. Der Unterschied liegt

nur darin, dass es mehr als 2 Verspaare zwischen Eingangs- und Endpaar enthält, (d. h. 10 Zeilen

oder noch mehr: 8+2n, mit n ≥ 1) Dazwischen ist die Reimwechsel erlaubt, aber ein Gedichter mit

Talent wird solche Situation auf jedem Fall vermeiden.

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Die shi-Dichtung in Tang-Zeit ist ganz üblich im Alltagsleben. Bei Feier und Fest, Treffen und

Abschied schreibt man zahlreiche Gedichte, um eigene Emotionen auszudrücken. Sogar spielt das

Talent der shi-Dichtung eine wichtige Rolle in der Beamtenprüfung. Ungefähr 50,000

Tang-zeitliche Gedichte sind erhalten geblieben. Als Beispiele lesen wir in der Vorlesung “鹿柴”

von Wang Wei und “早發白帝城” “夜思”von Li Bai. Wang Wei ist stark von buddhistischen

Gedanken beeinflußt, während Li Bai aber vergleichweise mehrere taoistische Darstellung zeigt.

In vier Entwicklungsphasen wird die Tang-Dichtung meist unterschieden: Frühe Tang (Chū Táng ),

ca. 618–712; Tang-Blütezeit (Shèng Táng ), 713–765; Mittlere Tang (Zhōng Táng ), 766–835;

Späte Tang (Wǎn Táng ), 835–906. Wang Wei, Meng Haoran, Li Bai und Du Fu sind alle bekannte

Tang-Dichter in der Blütezeit.