6

Click here to load reader

Proximale Femurfrakturen bei liegender ... · tive Fraktur des Trochanter major sollte immer sofort fixiert werden. Ist die Ent-scheidung zur operativen Therapie ge- ... Prothesenende

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Proximale Femurfrakturen bei liegender ... · tive Fraktur des Trochanter major sollte immer sofort fixiert werden. Ist die Ent-scheidung zur operativen Therapie ge- ... Prothesenende

Ep

DdedeLeZaEuzaseSplageratupe

Proximale Femurfrakturen bei liegenderHüftgelenkstotalendoprothese

&n Richard Stange,Moritz Freistühler, PhilippMichel, Clemens Kösters, Michael J. Raschke

OP©DO

22

hen

Geb

rauc

h he

runt

erge

lade

n. V

ervi

elfä

ltigu

ng n

ur m

it Z

ustim

mun

g de

s V

erla

ges.

Zusammenfassung

Die Inzidenz periprothetischer Fraktu-ren amproximalen Femur bei liegenderHüftgelenksprothese nimmt aufgrundder demografischen Entwicklung undder damit verbundenen höheren Le-benserwartung, der steigenden Zahlder implantierten Prothesen sowie desvermehrten Auftretens von Osteoporo-se und des höheren Aktivitätsniveausder älteren Bevölkerung zu. Neben derLokalisation der Fraktur und der Stabi-lität der Prothese sind insbesondereauch patientenspezifische individuelleFaktoren für die Planung des therapeu-tischen Vorgehens zu berücksichtigen.Für diese Frakturform hat sich in denletzten Jahren die Vancouver-Klassifi-kation nach Duncan und Masri im kli-nischen Alltag durchgesetzt. Sie be-rücksichtigt neben der Lokalisation derFraktur und der Stabilität der Protheseauch die Knochenqualität und liefertso Hinweise für die Auswahl des richti-gen Behandlungsverfahrens. Die Thera-

idemiologie

ie Inzidenz periprothetischer Frakturens Hüftgelenks nimmt aufgrund dermografischen Entwicklung, höhererbenserwartung und der steigendenhl der implantierten Prothesen zu. Inropa nimmt Deutschland bei der An-hl an implantierten Hüftendoprothe-n mit ca. 254000 im Jahr 2008 eineitzenposition ein. Die Revisionsrateg hier bei 15,1% und es wurden ins-samt ca. 45000 Prothesenwechselope-tionen durchgeführt [6]. In der Litera-r variieren die Inzidenzangaben fürriprothetische proximale Femurfrak-

t2ntplptpihFgp6Rgbtsa

-JOURNAL 2015; 31: 22–27Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New YorkI http://dx.doi.org/10.1055/s-0035-1545872

pie der proximalen periprothetischenFemurfraktur ist sehr differenziert undreicht von der konservativen Therapieüber die operative Stabilisierung bishin zum totalen endoprothetischen Fe-murersatz, und sollte unter optimalerVorbereitung und besten Operations-bedingungen an spezialisierten Zentrenerfolgen. Neue interdisziplinäre multi-modale Therapieansätze können hel-fen, der zu erwartenden weltweitenZunahme der periprothetischen Frak-turen zu begegnen.

Proximal Femoral Fractures around aTotal Hip Arthroplasty

The incidence of periprosthetic frac-tures around a total hip arthroplasty isincreasing with the demographic de-velopment involving the increased ex-pectation of life, the increased numberof endoprostheses and the increasedincidence of osteoporosis in combina-tion with higher levels of activity inthe elderly population. In addition to

uren zwischen 0,045% und mehr als7,8% [2,3,16,19], wobei die Anzahlach primärer Endoprothesenimplanta-ion geringer ist. Die Inzidenz der peri-rothetischen proximalen Femurfrakturiegt nach Meek et al. 5 Jahre nach Im-lantation einer primären Totalendopro-hese bei 0,9% und 4,2% bei Revisions-rothesen [19]. Beals und Tower konntenn einer weiteren Arbeit zeigen, dass einöheres Risiko, eine periprothetischeraktur zu erleiden, nach zementfreieregenüber der zementierten Schaftim-lantation insbesondere in den erstenMonaten vorliegt [1]. In einer großenegisterstudie konnten Lindahl et al. zei-en, dass die durchschnittliche Standzeitis zur Fraktur für die primäre Endopro-hese bei 7,4 Jahren liegt. Bei der Revi-ionsprothese verringert sich diese Zeituf 3,9 Jahre undwirdmit der steigenden

the localisation of the fracture and thestability of the prosthesis, especiallypatient-specific aspects must be takeninto account when planning the thera-peutic procedure. The Vancouver clas-sification developed by Duncan andMasri has prevailed for this type offracture in the past years in clinicalpractice. It considers not only the loca-tion of the fracture and the stability ofthe prosthesis but also the bone qualityand thus provides hints for the selec-tion of the right therapeutic procedure.The therapy for theperiprosthetic prox-imal femoral fracture is very differen-tiated ranging from conservative treat-ment over surgical stabilisation to totalfemoral replacement and should there-fore be carried out under optimumpreparation and operation conditionsat specialised centres. New interdisci-plinary multimodal treatment ap-proaches will help us tomanage the ex-pected global increase of periprostheticfractures.

Anzahl an Revisionsoperationen immerkürzer (3,8 Jahre nach der 2. Revisionund 2,3 Jahre nach der 3. Revision) [16].

Risikofaktoren

Bei den Risikofaktoren der periprotheti-schen Fraktur lassen sich allgemeinevon lokalen Faktoren unterscheiden.

n Zu den allgemeinen Risikofaktoren zäh-len systemische Nebenerkrankungen,die die Knochenqualität beeinflussen.Hier ist in erster Linie die Osteoporoseals einer der häufigsten Risikofaktoreninsbesondere bei Frauen im postmeno-pausalen Alter zu nennen.

Des Weiteren führt die Abnahme derKoordinationsfähigkeit, Muskulatur undSinneswahrnehmung in Kombination

Die

ses

Dok

umen

t wur

de z

um p

ersö

nlic

Page 2: Proximale Femurfrakturen bei liegender ... · tive Fraktur des Trochanter major sollte immer sofort fixiert werden. Ist die Ent-scheidung zur operativen Therapie ge- ... Prothesenende

mit einer zunehmenden Morbidität desalten Menschen zu rezidivierendenSturzereignissen. Diese Stürze sind alsNiedrigenergietrauma i.d.R. ursächlichfür eine periprothetische Fraktur. Zu-sätzlich steigt beim älteren Menschendas Risiko, eine Fraktur zu erleiden mitder Anzahl der eingenommenen Medi-kamente [13]. Weitere allgemeine Risi-kofaktoren stellen die Gruppe der neuro-degenerativen Erkrankungen (z.B. Mor-bus Parkinson) und die rheumatoideArthritis dar.

n Zu den lokalen Risikofaktoren zählt ins-besondere die Schaftlockerung, diedurch Reduktion der Steifigkeit und desDrehmoments zu Frakturen führt [9](Abb. 4).

Die Implantationstechnik kann einer-seits durch nicht ausreichendes Press Fitbei der zementfreien Technik und ande-rerseits durch zu starkes Aufbohren oderAufraspeln im Verlauf zu Frakturen füh-ren. Die Revisionsendoprothetik besitztaufgrund von Osteolysen, verminderterKnochenqualität und ‑quantität sowieschwieriger Zement- und Implantatent-

fernungen mit ggf. notwendiger Osteo-tomie eine höhere Inzidenz an peripro-thetischen Frakturen.

Klassifikationen

In den letzten Jahren hat sich im klini-schen Alltag bei den periprothetischenFrakturen am proximalen Femur die sog.Vancouver-Klassifikation nach Duncanund Masri durchgesetzt [4] (Abb. 1). Hierwerden mit der anatomischen Lokalisa-tion, der Prothesenstabilität und derKnochenqualität 3 wesentliche Aspektefür eine therapeutische Intervention be-rücksichtigt. Proximale Frakturen im Be-reich der Trochanterregion werden hierals Typ-A-Fraktur bezeichnet, Brücheentlang des Prothesenschafts werdendem Typ B und Frakturen unterhalb derProthesenspitze dem Typ C zugeordnet.Frakturen des Typs B werden hier nochweiter unterteilt, je nach Vorliegen einerstabilen Prothese (Typ B1), lockeren Pro-these (Typ B2) oder lockeren Prothese beigleichzeitig schlechter Knochenqualität(Typ B3). Ein Versuch, eine einheitlicheKlassifikation für alle Arten der peripro-thetischen Fraktur zu erstellen, ist das

Unified Classification System (UCS) vonDuncan und Haddad [5] (Tab. 1). Hierwird in Typen von A–F jede Möglichkeitdes Bruches um eine oder mehrere Pro-thesen sowie in einem oder beiden ge-lenkbildenden Knochen beschrieben.

Therapieplanung und Vorbereitung

Hier muss zwischen intraoperativ auf-getretenen Frakturen, die sofort versorgtwerden müssen, und postoperativenFrakturen unterschieden werden.

n Die Auswahl des richtigen Behandlungs-verfahrens richtet sich nach Lokalisationder Fraktur, möglichem Dislokations-grad, Festigkeit der Prothese und derKnochenqualität, also den Faktoren, dieidealerweise in einer Klassifikation mitabgebildet werden [26].

Zusätzlich müssen weitere Faktoren wieAnspruch und biologisches Alter des Pa-tienten und mögliche Nebenerkrankun-gen berücksichtigt werden. Auch die An-zahl der Voroperationen, die möglichezusätzliche endoprothetische Versor-gung angrenzender Gelenke sowie auchdie Erfahrung des Operateurs müssen indem Entscheidungsprozess berücksich-tigt werden. Aufgrund dieser sehr kom-plexen Situationslage und des zusätzlichmeist multimorbiden Patientenguts soll-te die Versorgung dieser Frakturen anspeziellen Zentren durchgeführt wer-den. Eine sofortige Notfalloperation derperiprothetischen Fraktur ist bei offenenFrakturen, großem Weichteilschadenoder Gefäß- oder Nervenschädigungenerforderlich. Meist ist jedoch nebeneiner suffizienten Analgesie eine Ruhig-stellung in einer Schiene oder die Anlageeiner Extension ausreichend, um die

�� �� �� �� ��

Abb. 1 Schematische Darstellung der Vancouver-Klassifikation nach Duncan und Masri [4].

Tab. 1 Übersichtsdarstellung des United Classification Systems, einer Klassifizierung unab-hängig von der Lokalisation der Prothese nach Duncan und Haddad [5].

Typ Charakteristika

A Apophyse/Tuberositas mit Ansatz von Weichteilgewebe

B Fraktur im Bereich des Implantatbetts

C Fraktur distal oder proximal des Implantatbetts

D Knochen mit 2 Gelenkprothesen betroffen

E 2 Knochen um eine Prothese betroffen

F Gelenkfläche, die in Verbindung mit einer Prothese steht, ist betroffen

23

OP-JOURNAL 1/2015

Richard Stange et al.: Proximale Femurfrakturen bei liegender Hüftgelenkstotalendoprothese

Die

ses

Dok

umen

t wur

de z

um p

ersö

nlic

hen

Geb

rauc

h he

runt

erge

lade

n. V

ervi

elfä

ltigu

ng n

ur m

it Z

ustim

mun

g de

s V

erla

ges.

Page 3: Proximale Femurfrakturen bei liegender ... · tive Fraktur des Trochanter major sollte immer sofort fixiert werden. Ist die Ent-scheidung zur operativen Therapie ge- ... Prothesenende

mehrheitlich multimorbiden Patienteninterdisziplinär optimal auf die Opera-tion vorzubereiten und den Eingriff inden ersten Tagen nach optimaler Vor-bereitung sowie unter optimalen Opera-tionsbedingungen durchführen zu kön-nen. Ziel der operativen Versorgung isteine möglichst frühfunktionelle Nach-behandlung unter möglichst belastungs-stabilen Verhältnissen.

Behandlungsalgorithmus

Das eigene klinische Vorgehen soll hieran einem Algorithmus anhand der Van-couver-Klassifikation erläutert werden.Hierbei ist neben der Frakturlokalisationund Morphologie, die sich im Röntgen-bild meist gut darstellen lässt, die Frageder Stabilität der Prothese von entschei-dender Bedeutung. Hier muss auf radio-logische Lockerungszeichen wie Saum-bildung um den Prothesenschaft, Osteo-lysen, Frakturen im Zementmantel undmögliche Zeichen für Verschleiß geach-tet werden (Dezentrierung des Kopfes inder Pfanne etc.). Ein Vergleich mit Vor-aufnahmen, wenn vorhanden, sollte im-mer durchgeführt werden. Zusätzlichkann auch die Anamnese über belas-tungsabhängige Schmerzen, Gangun-sicherheiten, Stauchungsschmerz oderInfekt in den Wochen vor der FrakturHinweise auf eine mögliche Lockerungliefern. Zum Ausschluss einer Lockerungkann die Durchführung einer präopera-tiven Computertomografie hilfreich sein.Bestehen Zweifel an der Festigkeit derProthese, muss diese intraoperativ aufStabilität überprüft werden und imZweifel die Prothese gewechselt werden,um Folgeoperationen zu vermeiden.

Typ-A-Frakturen

Dieser Frakturtyp macht nach Lindahl etal. [17] ca. 2–3% aller periprothetischenhüftgelenksnahen Frakturen aus und istmeist stabil. Es wird die Fraktur des Tro-chanter major (Typ AG) von der des Tro-chanter minor (Typ AL) unterschieden.Die postoperativ aufgetretene Frakturdes Trochanter major ist eine Domäneder konservativen Therapie [10,21]. Hiersollten für 6–12 Wochen forcierte Ab-duktionsbewegungen vermieden und,wenn möglich, eine Teilbelastung derbetroffenen Extremität durchgeführtwerden. Bei persistierenden Schmerzen,Trendelenburg-Hinken, Instabilitätsge-fühl nach Pseudarthrosenausbildungoder rezidivierenden Luxationen ist je-doch eine Indikation zur operativen Refi-xierung gegeben. Ebenfalls ist bei einer

Dislokation der Fragmente um mehr als2 cm die operative Therapie der konser-vativen überlegen [21]. Eine intraopera-tive Fraktur des Trochanter major sollteimmer sofort fixiert werden. Ist die Ent-scheidung zur operativen Therapie ge-fallen, stehen verschiedene Cerclage-Techniken, Plattensysteme und Kom-binationen zur Auswahl. Die isolierteperiprothetische Fraktur des Trochanterminor ist hingegen selten und wird innahezu allen Fällen konservativ behan-delt (Abb. 2).

Typ-B-Fraktur

Die Typ-B-Fraktur der Vancouver-Klassi-fikation stellt mit einer Inzidenz von 88%die mit Abstand häufigste Frakturformdar. Hiervon macht die B2-Fraktur miteinem Bruch im Bereich des Prothesen-schafts und gelockerter Prothesewieder-um über die Hälfte aller Fälle aus und istsomit die häufigste periprothetischeFraktur am Hüftgelenk [17]. Essenziellfür die Wahl des richtigen Therapiever-fahrens ist hier die Stabilität der einlie-

Abb. 3 Algorithmus für das therapeutische Vorgehen bei Vancouver-B-Frakturen.

Abb. 2a bis d a 75-jähriger Patient mit Schaftlockerung; b Prothesenwechsel inkl. Trochanter-osteotomie und Refixierung des Trochanter major mittels Drahtcerclage; c 7 Monate später Vor-stellung mit persistierenden Beschwerden und Trendelenburg-Hinken. d Postoperatives Rönt-genbild nach Entfernung der Cerclagen und Refixierung des Trochanter major mittels Trochan-terplatte (Trofix, Fa. Zimmer).

24

OP-JOURNAL 1/2015

Richard Stange et al.: Proximale Femurfrakturen bei liegender Hüftgelenkstotalendoprothese

Die

ses

Dok

umen

t wur

de z

um p

ersö

nlic

hen

Geb

rauc

h he

runt

erge

lade

n. V

ervi

elfä

ltigu

ng n

ur m

it Z

ustim

mun

g de

s V

erla

ges.

Page 4: Proximale Femurfrakturen bei liegender ... · tive Fraktur des Trochanter major sollte immer sofort fixiert werden. Ist die Ent-scheidung zur operativen Therapie ge- ... Prothesenende

genden Prothese. Nach Anamnese, kli-nischer Untersuchung sowie radiologi-scher Diagnostik kann präoperativ eineEinteilung der Vancouver-B-Fraktur inihre Subtypen und die Operationspla-nung erfolgen (Algorithmus Abb. 3).

n Es muss intraoperativ zwingend eineKontrolle und Reevaluation der Prothe-senstabilität erfolgen, um Folgeopera-tionen zu vermeiden. Vermeintliche B1-Frakturen können sich intraoperativ alsB2-Frakturen mit gelockerter Protheseherausstellen, deren Lockerung in derpräoperativen Diagnostik nicht nach-weisbar war.

Der Operateur muss in der Lage sein, dasgewählte Therapieverfahren ggf. auchintraoperativ von einem Osteosynthese-verfahren auf einen Prothesenwechselund umgekehrt umstellen zu können.Dies erfordert einen hohen Grad an Ex-pertise in der Osteosynthese und in derEndoprothetik sowohl des Operateursals auch des gesamten Operationsteamsund eine entsprechende Vorhaltung derspeziellen Implantate und Prothesen,wie es zumeist nur an speziellen Zentrenzu finden ist.

Die Therapie der B1-Fraktur und somitder stabilen Hüftprothese sollte unterder Verwendung von Plattenosteosyn-theseverfahren erfolgen. Durch die hö-here biomechanische Stabilität ist beiwinkelstabilen Plattensystemen zumeistdie sofortige Mobilisation mit Teilbelas-tungmöglich. Hier konnten in der Litera-

tur gute Heilungsraten von bis zu 91%erreicht werden [8]. Entscheidend fürdie Osteosynthese ist, dass das distaleProthesenende ummindestens 2 Femur-schaftbreiten überbrückt wird [24]. So-wohl proximal als auch distal der Fraktursollten für eine stabile Versorgung 8 Kor-tikales gefasst werden. Hierbei ist auchauf eine ausreichende Länge der Plattenzu achten und auf einen ausreichendenAbstand der Schrauben vom Fraktur-spalt, damit die Osteosynthese nicht zurigide wird und es zur Ausbildung vonPseudarthrosen kommt. Heute gibt esmoderne winkelstabile Plattensysteme,welche speziell für die periprothetischeFraktur entwickelt wurden und sich u.a.durch polyaxiale Winkelstabilität aus-zeichnen [22,26]. Dies ermöglicht dasEinbringen und Platzieren von Schrau-ben am Schaft der Prothese vorbei bikor-tikal im Knochen. Studien konnten deut-liche biomechanische Vorteile dieser bi-kortikalen Schraubenfixierung der Plattegegenüber einer Fixierungmit monokor-tikalen Schrauben oder Cerclagen nach-weisen [14]. Ein Beispiel für diese spe-ziellen Plattensysteme ist die „Non-Con-tact Bridging Plate“ bzw. „Non-ContactPeriprosthetic Plate“ der Firma Zimmer(Warsaw, IN, USA). Hier kann der Opera-teur, je nach Lokalisation am Femur, zwi-schen mehreren anatomisch präformier-ten Platten unterschiedlicher Längewäh-len. Es besteht eine diagonale Dreiloch-anordnung und es ist eine polyaxialeWinkelstabilität mit einer Angulationvon maximal 30° möglich. Eine Alterna-tive ist die „Variable Angle Locking Com-

pression Plate“ der Firma DePuy Synthes(Solothurn, Schweiz). Diese bietet inKombination mit der „Locking Attach-ment Plate“ und weiteren Kombina-tionsplatten ebenfalls die Möglichkeitder polyaxialen Winkelstabilität an jederLokalisation des Femurs. Diese Implanta-te können dann teils auch minimalinva-siv über Zielbügel eingeschoben werdenund ermöglichen somit eine weichteil-schonende Operationstechnik. Des Wei-teren ist eine zusätzliche Kombinations-möglichkeit der Plattenosteosynthesemit Cerclagesystemen zur zusätzlichenFragmentfixierung möglich. Neben derherkömmlichen Drahtcerclage hat sichin den letzten Jahren zunehmend dieKabelcerclage aufgrund einer standardi-sierten und einfachen Anlage sowie derhohen Versagenslast etabliert [25]. Lenzet al. konnten hier in einer biomecha-nischen Testreihe zeigen, dass die Kom-bination aus Kabelcerclage und einerdoppelt um den Knochen gelegtenSchlinge die stabilste Fragmentfixierungaufwies [15]. Bei zementierten Schäftensollten spezielle größere Zementbohrerzur Vermeidung von Rissen im Zement-mantel benutzt werden [11]. Bei Patien-ten mit Vancouver-B1- oder ‑C-Frakturund zusätzlich schlechter Knochenquali-tät oder Defekten bei Osteoporose ist ggf.zur Gewährleistung einer belastungs-oder übungsstabilen Situation eine Dop-pelplattenosteosynthese mit einer zu-sätzlichen medialen oder ventralen Plat-te indiziert [22].

n Bei den Vancouver-Typ-B2-Frakturen istein Prothesenwechsel auf einen diaphy-sär verankernden Schaft indiziert.

Um die Prothese stabil zu verankern,sollte die Fraktur um mindestens 2 Fe-murschaftbreiten (mindestens 7–10 cm)von der Prothesenspitze überragt wer-den (Abb. 4). Eine zu lange Prothese soll-te jedoch nicht gewählt werden, da daskürzeste stabile Implantat die bestenLangzeitergebnisse liefert [10,23]. EineAlternative sind proximal verankerndeSchäfte mit distaler Verriegelung. DieseVerriegelung wird nach ca. 6–9 Monatenentfernt und ermöglicht ein nachträgli-ches Einsintern der Prothese nach Frak-turheilung und somit eine proximaleVerankerung. Ein Nachteil ist jedoch diezusätzliche Schwächung des Knochensdurch das Bohrloch mit der Gefahr einerzusätzlichen Fraktur [10]. Die Repositionund Fragmentsicherung an den Prothe-senschaft kann durch Cerclagen erfolgen.Ein Prothesenwechsel ist prinzipiell ze-mentiert und zementfrei möglich. Der

Abb. 4a bis d Vancouver-Typ-B2-Fraktur bei einer 75-jährigen Patientin nach Sturz in häus-licher Umgebung auf die rechte Hüfte (a, b). Postoperative Bilder nach Prothesenwechsel aufmodulare Revisionsendoprothese (Revitan, Fa. Zimmer) inkl. Cerclagen und Trochanter-Reat-tachment Device (Fa. DePuy Synthes; c, d).

25

OP-JOURNAL 1/2015

Richard Stange et al.: Proximale Femurfrakturen bei liegender Hüftgelenkstotalendoprothese

Die

ses

Dok

umen

t wur

de z

um p

ersö

nlic

hen

Geb

rauc

h he

runt

erge

lade

n. V

ervi

elfä

ltigu

ng n

ur m

it Z

ustim

mun

g de

s V

erla

ges.

Page 5: Proximale Femurfrakturen bei liegender ... · tive Fraktur des Trochanter major sollte immer sofort fixiert werden. Ist die Ent-scheidung zur operativen Therapie ge- ... Prothesenende

Nachteil des zementierten Wechsels beider periprothetischen Fraktur ist dieMöglichkeit der Ausbildung von Pseud-arthrosen, da der Zement in die Fraktur-spalten eindringen kann und so eine suf-fiziente Knochenheilung erschwert. Des-halb ist ein zementierter Wechsel nurbei alten Patienten mit deutlich vermin-derter Knochenqualität zu empfehlen[24]. Prinzipiell lassen sich mit der mo-dularen Revisionsprothese und der nichtmodularen Langschaftprothese 2 For-men der Revisionsprothese für die peri-prothetische Fraktur unterscheiden. Beiden modularen Prothesen ergibt sich derVorteil, dass durch die schrittweise Im-

plantation der Prothese eine Anpassungan die individuellen und frakturbeding-tenGegebenheitenmöglich ist. Schwach-punkte dieser Prothesen sind jedoch dieVerbindungsstellen zwischen den Kom-ponenten, die in einigen Arbeiten zueinem sog. „fretting“, einem vermehrtenSchwingreibungsverschleiß und so zuOsteolysen geführt hat [10,20,27].

Die Typ-B3-Fraktur ist durch eine ge-lockerte Prothese mit zusätzlich ver-minderter Knochenqualität oder Verlustan Knochenmasse gekennzeichnet. Hierkommen dann zumeist modulare Re-visions- oder Tumorprothesen bis hin

zum kompletten Ersatz des Femurs zumEinsatz (Abb. 5). Um eine stabile Ver-ankerung zu gewährleisten, gelten diegleichen Prinzipien wie für den bereitszuvor beschriebenen Prothesenwechselauf diaphysär verankernde Schäfte beiB2-Frakturen. Aufgrund des Vorteils dersofortigen Belastungsstabilität wird je-doch bei schlechter Knochenqualität einzementierter Ersatz des proximalen Fe-murs und je nach Situation sogar desgesamten Femurs von einigen Autorenempfohlen [10,12,18]. Beim Ersatz desproximalen Femurs kommt es zum Ver-lust der Muskelansätze, die durch spe-zielle Anbindungsschläuche an die Pro-these fixiert werden müssen. Zusätzlichkommen als Luxationsschutz größereKöpfe und überhöhte Inlays oder Pfan-nen zum Einsatz. McLean et al. konntenhier in einer Arbeit zeigen, dass der Er-satz des proximalen und sogar des tota-len Femurs zu guten klinischen Ergeb-nissen nach periprothetischer Frakturund schlechter Knochenqualität führenkann [18].

Typ-C-Fraktur

n Dieser Frakturtyp findet sich außerhalbdes Verankerungsbereichs der Protheseund wird wie die B1-Fraktur mittels Plat-tenosteosynthese versorgt.

Es gelten hier die gleichen Versorgungs-prinzipien für die Plattenfixierung imBereich des Prothesenschafts wie für dieB1-Fraktur. Es sollte ebenfalls eine mög-lichst belastungsstabile Situation ggf.auch mittels Doppelplattenosteosynthe-se angestrebt werden (s. Abb. 6). Zur bes-seren Verankerung der Schrauben kanninsbesondere am distalen Femur bei os-teoporotischem Knochen ggf. eine Aug-mentierung des Implantatlagers erfol-gen. Dies hat eine Erhöhung der Stabilitätdurch Vergrößerung des Knochen-Im-plantat-Interfaces durch Ummantelungmit Knochenzement zur Folge [26]. Inseltenen Fällen ist eine Osteosyntheseauch mit einem retrograden Verriege-lungsnagel indiziert.

Prävention

n Um der zu erwartenden weltweiten Zu-nahme der periprothetischen Fraktur zubegegnen, sollte in den nächsten Jahrender Prävention ein zunehmender Stel-lenwert eingeräumt werden.

Der Ansatz sollte hier interdisziplinärund multimodal sein. Es gilt zum einen,beim alten Menschen Sturzereignisse zu

Abb. 5a bis d Vancouver-B3-Fraktur mit Prothesenbruch einer zementierten Langschaft-prothese. Im Bereich des proximalen Femurs ist eine deutliche Saumbildung als Zeichen für eineLockerung zu erkennen. Ebenfalls besteht bereits fortgeschrittene Gonarthrose (a). Intraopera-tiv deutlich verminderte Knochenqualität (b, c). Postoperatives Bild des totalen Femurersatzes(MUTARS Fa. Implantcast; d).

Abb. 6 Fraktur Vancouver Typ C mit stabiler Prothese. Zunächst anatomische Reposition undOsteosynthese mittels freier 3,5-mm-Schraube dann Doppelplattenosteosynthese mittels 12-Loch-NCP‑PP (Fa. Zimmer) und 12-Loch-3,5-mm-LCP (Fa. DePuy Synthes).

26

OP-JOURNAL 1/2015

Richard Stange et al.: Proximale Femurfrakturen bei liegender Hüftgelenkstotalendoprothese

Die

ses

Dok

umen

t wur

de z

um p

ersö

nlic

hen

Geb

rauc

h he

runt

erge

lade

n. V

ervi

elfä

ltigu

ng n

ur m

it Z

ustim

mun

g de

s V

erla

ges.

Page 6: Proximale Femurfrakturen bei liegender ... · tive Fraktur des Trochanter major sollte immer sofort fixiert werden. Ist die Ent-scheidung zur operativen Therapie ge- ... Prothesenende

verhindern, indem begünstigende Ko-morbiditäten wie z.B. neurodegenerati-ve, ophthalmologische oder kardiovas-kuläre Erkrankungen möglichst optimaltherapiert und eingestellt werden.

n Die Osteoporose als ein Hauptfaktor fürdie schlechte Knochenqualität und da-mit für Frakturen muss leitliniengerechttherapiert werden.

Des Weiteren gilt es, durch regelmäßigeNachsorgeuntersuchungen der Patienteneine schlechte Knochenqualität und Lo-ckerungen von Endoprothesen zu detek-tieren, bevor es zum Frakturereigniskommt. Studien konnten zeigen, dassauch eine interdisziplinäre Betreuungder meist geriatrischen Patienten nacherlittener Fraktur zu einem besserenOutcome und kürzeren stationären Auf-enthalten führt [7].

Schlussfolgerungen

– Die Inzidenz periprothetischer Fraktu-ren des Hüftgelenks nimmt aufgrundder demografischen Entwicklung, hö-herer Lebenserwartung und der stei-genden Zahl der implantierten Pro-thesen zu.

– Die Osteoporose als ein Hauptfaktorfür die schlechte Knochenqualität,geriatrische Begleiterkrankungen undhäufig mehrfache endoprothetischeVersorgung führen beim alten Patien-ten zu einem erhöhten Risiko für peri-prothetische Frakturen und erfordernein komplexes Management.

– Bei den Risikofaktoren für eine peri-prothetische Fraktur lassen sich all-gemeine von lokalen Faktoren unter-scheiden.

– Die Auswahl des richtigen Behand-lungsverfahrens richtet sich nachKlassifikation und Lokalisation derFraktur, möglichem Dislokationsgrad,Festigkeit der Prothese und der Kno-chenqualität.

– Unabdingbar ist eine regelmäßigeKontrolle der Patienten mit Prothese,um eine Lockerung der Implantate,geminderte Knochenqualität oderSturzneigung frühzeitig zu erkennenund zu behandeln, bevor es zum Frak-turereignis kommt.

Literatur

1 Beals RK, Tower SS. Periprosthetic fractures ofthe femur. An analysis of 93 fractures. ClinOrthop Relat Res 1996; 327: 238–246

2 Berry DJ. Epidemiology: hip and knee. OrthopClin North Am 1999; 30: 183–190

3 Della Rocca GJ, Leung KS, Pape HC. Peripros-thetic fractures: epidemiology and futureprojections. J Orthop Trauma 2011; 25(Suppl. 2): S66–S70

4 Duncan CP, Masri BA. Fractures of the femurafter hip replacement. Instr Course Lect1995; 44: 293–304

5 Duncan CP, Haddad FS. The Unified Classifica-tion System (UCS): improving our under-standing of periprosthetic fractures. BoneJoint J 2014; 96-B: 713–716

6 Falbrede I, Widmer M, Kurtz S et al. [Utiliza-tion rates of lower extremity prostheses inGermany and Switzerland: a comparison ofthe years 2005–2008]. Orthopade 2011; 40:793–801

7 Friedman SM, Mendelson DA, Bingham KW etal. Impact of a comanaged Geriatric FractureCenter on short-term hip fracture outcomes.Arch Intern Med 2009; 169: 1712–1717

8 Graham SM, Moazen M, Leonidou A et al.Locking plate fixation for Vancouver B1 peri-prosthetic femoral fractures: a critical analy-sis of 135 cases. J Orthop Sci 2013; 18: 426–436

9 Harris B, Owen JR, Wayne JS et al. Does femo-ral component loosening predispose to femo-ral fracture?: an in vitro comparison of ce-mented hips. Clin Orthop Relat Res 2010;468: 497–503

10 Holzapfel BM, Prodinger PM, Hoberg M et al.[Periprosthetic fractures after total hip ar-throplasty: classification, diagnosis and ther-apy strategies]. Orthopade 2010; 39: 519–535

11 Kampshoff J, Stoffel KK, Yates PJ et al. Thetreatment of periprosthetic fractures withlocking plates: effect of drill and screw typeon cement mantles: a biomechanical analy-sis. Arch Orthop Trauma Surg 2010; 130:627–632

12 Klein GR, Parvizi J, Rapuri V et al. Proximalfemoral replacement for the treatment ofperiprosthetic fractures. J Bone Joint SurgAm 2005; 87: 1777–1781

13 Lai SW, Liao KF, Liao CC et al. Polypharmacycorrelates with increased risk for hip fracturein the elderly: a population-based study.Medicine (Baltimore) 2010; 89: 295–299

14 Lenz M, Perren SM, Gueorguiev B et al. Me-chanical behavior of fixation components forperiprosthetic fracture surgery. Clin Biomech(Bristol, Avon) 2013; 28: 988–993

15 Lenz M, Perren SM, Richards RG et al. Bio-mechanical performance of different cableand wire cerclage configurations. Int Orthop2013; 37: 125–130

16 Lindahl H, Malchau H, Herberts P et al. Peri-prosthetic femoral fractures classificationand demographics of 1049 periprostheticfemoral fractures from the Swedish National

Hip Arthroplasty Register. J Arthroplasty2005; 20: 857–865

17 Lindahl H, Garellick G, Regner H et al. Threehundred and twenty-one periprosthetic fem-oral fractures. J Bone Joint Surg Am 2006; 88:1215–1222

18 McLean AL, Patton JT, Moran M. Femoral re-placement for salvage of periprosthetic frac-ture around a total hip replacement. Injury2012; 43: 1166–1169

19 Meek RM, Norwood T, Smith R et al. The risk ofperi-prosthetic fracture after primary and re-vision total hip and knee replacement. J BoneJoint Surg Br 2011; 93: 96–101

20 Molloy DO, Munir S, Jack CM et al. Fretting andcorrosion in modular-neck total hip arthro-plasty femoral stems. J Bone Joint Surg Am2014; 96: 488–493

21 Pritchett JW. Fracture of the greater trochan-ter after hip replacement. Clin Orthop RelatRes 2001; 390: 221–226

22 Raschke MJ, Stange R, Kosters C. [Treatment ofperiprosthetic and peri-implant fractures:modern plate osteosynthesis procedures].Unfallchirurg 2012; 115: 1009–1021

23 Schuh A, Holzwarth U, Zeiler G. Titaniummodular revision prosthesis stem in revisionhip prosthesis. Orthopade 2004; 33: 63–67

24 Stange R, Raschke MJ, Fuchs T. [Periprostheticfractures. An interdisciplinary challenge].Unfallchirurg 2011; 114: 688–696

25 Wahnert D, Lenz M, Schlegel U et al. Cerclagehandling for improved fracture treatment. Abiomechanical study on the twisting proce-dure. Acta Chir Orthop Traumatol Cech2011; 78: 208–214

26 Wahnert D, Schroder R, Schulze M et al. Bio-mechanical comparison of two angular stableplate constructions for periprosthetic femurfracture fixation. Int Orthop 2014; 38: 47–53

27 Wirtz DC, Heller KD, Holzwarth U et al. Amod-ular femoral implant for uncemented stemrevision in THR. Int Orthop 2000; 24: 134–138

Priv.-Doz. Dr. med. Richard StangeOberarztDr. med. Moritz FreistühlerAssistenzarztDr. med. Philipp MichelAssistenzarztDr. med. Clemens KöstersOberarztProf. Dr. Michael J. RaschkeKlinikdirektor

Klinik für Unfall-, Hand- undWiederherstellungschirurgieUniversitätsklinikum MünsterWaldeyerstraße 148149 Münster

[email protected]

27

OP-JOURNAL 1/2015

Richard Stange et al.: Proximale Femurfrakturen bei liegender Hüftgelenkstotalendoprothese

Die

ses

Dok

umen

t wur

de z

um p

ersö

nlic

hen

Geb

rauc

h he

runt

erge

lade

n. V

ervi

elfä

ltigu

ng n

ur m

it Z

ustim

mun

g de

s V

erla

ges.