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Der Unfallchirurg Originalien Unfallchirurg https://doi.org/10.1007/s00113-020-00923-2 Angenommen: 27. Oktober 2020 © Der/die Autor(en) 2020 Redaktion W. Mutschler, München H. Polzer, München B. Ockert, München J. G. Korbmacher 1 · U. Schulze-Raestrup 2 · H. Nowak 3 · R. Smektala 1 1 Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie, Knappschaftskrankenhaus Bochum-Langendreer, Universitätsklinik der Ruhr Universität Bochum, Bochum, Deutschland 2 Qualitätssicherung NRW, Ärztekammer Westfalen-Lippe, Münster, Deutschland 3 Klinik für Anästhesiologie, Knappschaftskrankenhaus Bochum-Langendreer, Universitätsklinik der Ruhr- Universität Bochum, Bochum, Deutschland Proximale osteosynthetisch versorgte Femurfrakturen: Der Versorgungszeitpunkt verzögert sich bei vorbestehender Antikoagulation Ergebnisse der Daten der externen stationären Qualitätssicherung aus Nordrhein-Westfalen mit einer Fallzahl von 24.786 Fällen im Rahmen sekundärer Datennutzung Hintergrund und Fragestellung Proximale Femurfrakturen stellen im Leben älterer Betroffener einen erhebli- chen Einschnitt dar, beeinträchtigen die Lebensqualität und haben weitreichen- de gesundheitliche und soziale Folgen. Jährlich erleiden ca. 100.000 Menschen in Deutschland eine proximale Femur- fraktur [1]. Es konnte gezeigt werden, dass die Letalität mit längerer präoperativer Ver- weildauer steigt [20]. Die Letalität war um 6 % niedriger bei Patienten, die innerhalb von 24h operiert wurden, im Vergleich zu Patienten, die später operiert wurden [20]. Daher wurde bereits 2014 jeweils ei- ne S2e-Leitlinie zur Schenkelhalsfraktur und zur pertrochantären Oberschenkel- fraktur von der Deutschen Gesellschaſt für Unfallchirurgie (DGU) in Zusam- menarbeit mit der Österreichischen Ge- sellschaſt für Unfallchirurgie (ÖGU) er- stellt, die festlegt, dass Patienten mit einer Schenkelhalsfraktur bzw. pertrochantä- ren Femurfraktur „so schnell wie mög- lich innerhalb von 24h operiert werden sollten, wenn der Allgemeinzustand des Patienten dies zulässt“ [2, 8]. Der Qualitätsbericht des IQTIG für das Jahr 2018 wies auf 7 Indikationen hin, bei denen Handlungsbedarf bestand, da die vorgegebenen Qualitätsziele wie- derholt nicht erreicht wurden. Eine die- ser Indikationen ist die präoperative Ver- weildauer bei Vorliegen einer proximalen Femurfraktur, die osteosynthetisch ver- sorgt werden soll [15]. Die Gründe für die Einführung dieses Indikators wurde durch das IQTIG in der Rationalen wis- senschaſtlich begründet [14]. Um die be- obachteten Qualitätsmängel abzustellen, veröffentlichte der Gemeinsame Bundes- ausschuss am 22.11.2019 zur Frage der Versorgung proximaler Femurfrakturen eine Richtlinie, die zum 01.07.2020 in Kraſt treten sollte. Diese Richtlinie umfasst Maßnahmen zur Qualitätssicherung zur Versorgung von Patienten mit einer hüſtgelenknahen Femurfraktur. Erklärtes Ziel dieserRicht- linie ist die „Gewährleistung einer qua- litativ hochwertigen und frühestmögli- chen operativen Versorgung von Patien- ten mit einer hüſtgelenknahen Femur- fraktur, in Regel innerhalb von 24 h [. . . ]“ [10]. Das Qualitätsziel wurde in NRW mit 19,96 % (KI 19,26–20,68 %) im Jahr 2015 und 18,95 % (KI 18,27–19,65 %) im Jahr 2016 verfehlt. In absoluten Zahlen be- deutet dies, dass im Jahr 2015 in 2461 Fällen (von 12.329) und im Jahr 2016 in 2361 Fällen das Qualitätsziel nicht er- reicht werden konnte. Ziel der vorgelegten Auswertung auf Basis der Daten der externen Qualitäts- sicherung war es, den Einfluss einer anti- thrombotischen Dauertherapie (ATDT) auf die präoperative Verweildauer auf- zuzeigen, da es sich im strukturierten Dialog gezeigt hatte, dass ein häufiger Grund für eine Verzögerung der Opera- tion eine vorbestehende Medikation mit gerinnungsaktiven Medikamenten war. Folgende Fragen sollen beantwortet werden: Der Unfallchirurg

Proximaleosteosynthetisch versorgteFemurfrakturen:Der … · 2020. 11. 27. · nisten(2157 Pat.)undASS(4005Pat.) wurden am häufigsten eingenommen. VondenPatienten,dieeineATDTein-nehmen,

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  • Der Unfallchirurg

    Originalien

    Unfallchirurghttps://doi.org/10.1007/s00113-020-00923-2Angenommen: 27. Oktober 2020

    © Der/die Autor(en) 2020

    RedaktionW. Mutschler, MünchenH. Polzer, MünchenB. Ockert, München

    J. G. Korbmacher1 · U. Schulze-Raestrup2 · H. Nowak3 · R. Smektala1

    1 Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie, Knappschaftskrankenhaus Bochum-Langendreer,Universitätsklinik der Ruhr Universität Bochum, Bochum, Deutschland

    2QualitätssicherungNRW, Ärztekammer Westfalen-Lippe,Münster, Deutschland3 Klinik für Anästhesiologie, Knappschaftskrankenhaus Bochum-Langendreer, Universitätsklinik der Ruhr-Universität Bochum, Bochum, Deutschland

    Proximale osteosynthetischversorgte Femurfrakturen: DerVersorgungszeitpunkt verzögertsich bei vorbestehenderAntikoagulationErgebnisse der Daten der externenstationären Qualitätssicherung ausNordrhein-Westfalen mit einer Fallzahl von24.786 Fällen im Rahmen sekundärerDatennutzung

    Hintergrund und Fragestellung

    Proximale Femurfrakturen stellen imLeben älterer Betroffener einen erhebli-chen Einschnitt dar, beeinträchtigen dieLebensqualität und haben weitreichen-de gesundheitliche und soziale Folgen.Jährlich erleiden ca. 100.000 Menschenin Deutschland eine proximale Femur-fraktur [1].

    Es konnte gezeigt werden, dass dieLetalität mit längerer präoperativer Ver-weildauersteigt [20].DieLetalitätwarum6%niedriger bei Patienten, die innerhalbvon 24h operiert wurden, im Vergleichzu Patienten, die später operiert wurden[20].Daherwurde bereits 2014 jeweils ei-ne S2e-Leitlinie zur Schenkelhalsfrakturund zur pertrochantären Oberschenkel-fraktur von der Deutschen Gesellschaftfür Unfallchirurgie (DGU) in Zusam-menarbeit mit der Österreichischen Ge-sellschaft für Unfallchirurgie (ÖGU) er-stellt, die festlegt, dassPatientenmit einerSchenkelhalsfraktur bzw. pertrochantä-ren Femurfraktur „so schnell wie mög-

    lich innerhalb von 24h operiert werdensollten, wenn der Allgemeinzustand desPatienten dies zulässt“ [2, 8].

    Der Qualitätsbericht des IQTIG fürdas Jahr 2018 wies auf 7 Indikationenhin, bei denenHandlungsbedarf bestand,da die vorgegebenen Qualitätsziele wie-derholt nicht erreicht wurden. Eine die-ser Indikationen ist die präoperative Ver-weildauerbeiVorliegeneinerproximalenFemurfraktur, die osteosynthetisch ver-sorgt werden soll [15]. Die Gründe fürdie Einführung dieses Indikators wurdedurch das IQTIG in der Rationalen wis-senschaftlich begründet [14]. Umdie be-obachteten Qualitätsmängel abzustellen,veröffentlichte derGemeinsame Bundes-ausschuss am 22.11.2019 zur Frage derVersorgung proximaler Femurfraktureneine Richtlinie, die zum 01.07.2020 inKraft treten sollte.

    Diese Richtlinie umfasstMaßnahmenzur Qualitätssicherung zur Versorgungvon Patientenmit einer hüftgelenknahenFemurfraktur.ErklärtesZieldieserRicht-linie ist die „Gewährleistung einer qua-

    litativ hochwertigen und frühestmögli-chen operativen Versorgung von Patien-ten mit einer hüftgelenknahen Femur-fraktur, in Regel innerhalb von 24h [. . . ]“[10].

    Das Qualitätsziel wurde in NRW mit19,96% (KI 19,26–20,68%) im Jahr 2015und 18,95% (KI 18,27–19,65%) im Jahr2016 verfehlt. In absoluten Zahlen be-deutet dies, dass im Jahr 2015 in 2461Fällen (von 12.329) und im Jahr 2016in 2361 Fällen das Qualitätsziel nicht er-reicht werden konnte.

    Ziel der vorgelegten Auswertung aufBasis der Daten der externen Qualitäts-sicherungwar es, den Einfluss einer anti-thrombotischen Dauertherapie (ATDT)auf die präoperative Verweildauer auf-zuzeigen, da es sich im strukturiertenDialog gezeigt hatte, dass ein häufigerGrund für eine Verzögerung der Opera-tion eine vorbestehende Medikation mitgerinnungsaktiven Medikamenten war.

    Folgende Fragen sollen beantwortetwerden:

    Der Unfallchirurg

    https://doi.org/10.1007/s00113-020-00923-2http://crossmark.crossref.org/dialog/?doi=10.1007/s00113-020-00923-2&domain=pdfhttp://orcid.org/0000-0003-2213-4133

  • Originalien

    Abb. 18Antithrombotische Behandlung in Abhängigkeit von denAltersklassen (prozentuale Antei-le)

    1. Wie viele Patienten nehmen eineATDT ein? Welche gerinnungs-hemmenden Medikamente werdeneingenommen?

    2. Verlängert sich durch die Einnah-me einer ATDT die präoperativeVerweildauer?

    3. Treten mehr Komplikationen auf-grund der Einnahme von Antikoagu-lanzien auf?

    Material undMethoden

    Datengrundlage und Erhebungs-instrumente

    Die Auswertung beruht auf den Datender externen vergleichenden Qualitäts-sicherung Nordrhein-Westfalen für dieJahre 2015 und 2016. Bis einschließ-

    lich 2014 wurden osteosynthetische undendoprothetische Prozeduren nach ei-nemOberschenkelhalsbruch gemeinsamim QS-Verfahren „Hüftgelenknahe Fe-murfraktur“ erfasst. Ab 2015 richtetesich die Auswertung des Instituts fürQualitätssicherung und Transparenz imGesundheitswesen (IQTIG)nachderArtder Versorgung. Somit werden seit 2015jeweils die osteosynthetischen Verfahren(DHS, PFN etc.) und die endoprothe-tischen Verfahren (Duokopfprothese,HTEP etc.) getrennt voneinander re-gistriert. Das IQTIG wurde durch dengemeinsamen Bundesausschuss (G-BA)mit dieser Aufgabe betraut. Das IQTIGerfasst bundesweite Daten, jedoch sindnach wie vor regionale Auswertungenüber die Geschäftsstellen, die in Nord-

    rhein-Westfalen bei den Landesärzte-kammern angesiedelt sind, möglich.

    Insgesamtwurden24.786Fällehüftge-lenknaherFemurfrakturen,dieosteosyn-thetisch versorgt wurden, in die Auswer-tung eingeschlossen. Die Verteilung aufdie Jahre 2015 und 2016 ist annäherndgleich (2015: 12.329 und 2016:12.457).Patienten unter 20 Jahren wurden infol-ge der Rechenregeln des IQTIG nicht er-fasst und somit aus der Auswertung aus-geschlossen. Die Auswertung der DatenbeiderJahrgänge(2015+ 2016)wurdeaufBasis der Spezifikation von 2016 erstellt.

    Der Toleranzbereich für die präope-rative Verweildauer wurde durch dasIQTIG (vormals Aqua-Institut) mit 15%festgelegt, d.h., für maximal 15% derPatienten können medizinische Gründevorliegen, die zu einer Verzögerung derVersorgung führen. Als verzögert ope-riert gelten dabei Patienten, die später als24h nach Aufnahme oder Frakturereig-niswährenddes stationärenAufenthaltesoperiert werden. Für die Patientengrup-pen der direkten Thrombininhibitorenund ATDT in der Kategorie Sonstige(z.B. Rivaroxaban, Fondaparinux) wur-de durch das IQTIG eine präoperativeVerweildauer von 48h als Toleranzbe-reich festgelegt und somit in der vorlie-genden Auswertung auch entsprechendberücksichtigt.

    Auswertung und grafischeDarstellung

    DieDatenwurdenmit SPSS 23 ausgewer-tet. Hierbei kam neben den Verfahrender deskriptiven Statistik für die analyti-sche Auswertung der unterschiedlichenEinflussfaktoren die binäre logistischeRegressionzurAnwendung.Alsabhängi-ge Variablen wurden die Variablen „Tod“,„allgemeine Komplikationen“1 und hiereine zusammengefasste Subgruppe derItems für kardiovaskuläre Komplikati-onen, Lungenembolie und Thromboseausgewertet. Des Weiteren wurden die

    1 Allgemeine behandlungsbedürftige postope-rative Komplikation(en): Pneumonie, kardio-vaskuläre Komplikation(en), tiefe Bein-/Beckenvenenthrombose, Lungenembolie,Sonstige.

    Der Unfallchirurg

  • Zusammenfassung · Abstract

    Unfallchirurg https://doi.org/10.1007/s00113-020-00923-2© Der/die Autor(en) 2020

    J. G. Korbmacher · U. Schulze-Raestrup · H. Nowak · R. Smektala

    Proximale osteosynthetisch versorgte Femurfrakturen: Der Versorgungszeitpunkt verzögert sich beivorbestehender Antikoagulation. Ergebnisse der Daten der externen stationären Qualitätssicherungaus Nordrhein-Westfalen mit einer Fallzahl von 24.786 Fällen im Rahmen sekundärer Datennutzung

    ZusammenfassungHintergrund und Fragestellung. ProximaleFemurfrakturen stellen mit ca. 100.000Betroffenen/Jahr in Deutschland ein häufigesKrankheitsbild dar. Durch eine zeitnaheVersorgung (

  • Originalien

    Präoperative Verweildauer

    Art der Medikation 24h >48 Gesamt Auffällig? Auffällig? %Keine Medikation 14.066 1.742 981 16.789 2.723 16,2%Vitamin-K-Antagonisten (z.B. Phenprocoumon, Warfarin)

    1.195 631 331 2.157 962 44,6%

    ASS 3.324 421 260 4.005 681 17,0%AndereThrombozytenaggregationshemmer(z.B. Clopidogrel, Prasugrel)

    447 128 114 689 242 35,1%

    Dauertherapie erhalten, keine Angaben zum Medikament

    111 18 23 152 41 27,0%

    Direkte Thrombininhibitoren

    162 91 62 315 62 19,7%

    Sonstige (z.B. Rivaroxaban, Fondaparinux)

    350 210 119 679 119 17,5%

    Gesamt 19.655 3.241 1.890 24.786 4.830 19,5%

    Abb. 29 Präoperative Ver-weildauer inBezugzuranti-thrombotischenDauerthe-rapie (ATDT).Grünnichtauf-fällig (innerhalb des Tole-ranzbereichs nach Vorgabedes IQTIG), ocker/orangeauffällig (außerhalb des To-leranzbereichs)

    schen Komplikationen und Lungenem-bolie 0,748. Somit können diese Ergeb-nisse als gut bewertet werden. Hingegenliegen die Ergebnisse der anderen Mo-delle unter 0,70, womit die Ergebnisse alsschwach bewertet werden müssen.

    Da auf Basis des vorliegenden Da-tensatz mehrere Auswertungen durch-geführt werden, ist von einer multiplenTestsituation auszugehen. Aus diesemGrund ist mit einer α-Fehler-Kumulie-rung zu rechnen. Um dies zu vermeiden,kommt die Bonferroni-Korrektur zurAnwendung. Sie ist die einfachste undkonservativste Form, das multiple α-Ni-veau anzupassen. Dabei wird das globaleα-Niveau zu gleichen Teilen auf die Ein-zeltests verteilt. Bei einem angestrebtenα-Fehler von 0,05 bedeutet dies für dieseUntersuchung, dass bei 5 Tests ein korri-gierter Wert von 0,01 in die Auswertungeingehen muss. Dies wurde in der Formumgesetzt, dass das Konfidenzintervallbei der binären, logistischen Regressionauf 99,0% festgelegt wurde.

    Die Grafiken wurden mit Excel 2010und SPSS 23 generiert.

    Ergebnisse

    Beschreibung der Grund-gesamtheit

    Das Durchschnittsalter der Patienten lagbei 79,3 Jahren mit einer Standardabwei-

    chung von 12,4 Jahren. Die prozentualeVerteilung innerhalb der Altersgruppenzeigt . Abb. 1. Das Geschlechterverhält-nis betrug männlich zu weiblich 32,3%zu 67,7%.

    Auswertungen nachFragestellungen

    1. Wie viele Patienten nehmengerinnungshemmendeMedikamente ein? WelchegerinnungshemmendenMedikamente werdeneingenommen?In NRWwurden in den Jahren 2015 und2016 insgesamt 24.786 Patienten mithüftgelenknaher Femurfraktur operativversorgt, von denen 16.789 keine ATDTerhielten. 32,3% der Patienten (7997Pat.) mit hüftgelenknaher Femurfrakturerhielten eine ATDT. Andere Throm-bozytenaggregationshemmer (689 Pati-enten) und „Sonstige“ (679 Pat.) lagenim Mittelfeld, wohingegen die direktenThrombininhibitoren mit 315 Patientendie kleinste Gruppe darstellten. Bei 152Patienten wurde eine Dauerbehandlungangegeben, jedoch die Substanzgruppenicht beschrieben. Vitamin-K-Antago-nisten (2157 Pat.) und ASS (4005 Pat.)wurden am häufigsten eingenommen.Von den Patienten, die eine ATDT ein-nehmen, wurden insgesamt 26,3% derFälle (2107 Pat.) verzögert operiert.

    Einen Überblick über die eingenom-mene Art der Antikoagulation und diepräoperative Verweildauer gibt . Abb. 2.

    2. Verlängert sich durch die Ein-nahme einer antithrombotischenDauertherapie die präoperativeVerweildauer?Patienten, die einen Vitamin-K-Anta-gonisten (Phenprocoumon oder Warfa-rin) einnahmen, wurden in 962 Fällen(44,6%) außerhalb der vorgesehenenZeit operiert. Der prozentuale Anteil derPatienten, die einen „anderen Throm-bozytenaggregationshemmer“ (z.B. Clo-pidogrel, Prasugrel, Ticagrelor oder Ci-lostazol) erhielten und nicht innerhalbvon 24h operiert wurden, lag zwar bei35,1%, aber bei einer Gesamtzahl von689 Patienten ist dieses Ergebnis sekun-där. Das Gleiche galt für die Patientenmit einer Dauertherapie ohne Angabenzur Medikation (. Abb. 2).

    3. Treten mehr Komplikationenaufgrund der Einnahme vonAntikoagulanzien auf?Letalität. Bei der Berücksichtigung derantithrombotischen Substanzgruppenzeigte sich, dass die „odds ratio“ beiden Patienten, die mit einem „anderenThrombozytenaggregationshemmer“behandeltwurden,bei1,393 liegt.BeidenPatienten, die zwar eine Dauertherapieerhalten haben jedoch keine Angaben

    Der Unfallchirurg

  • Abb. 38 Zusammenhang zwischen Letalität und antithrombotischer Dauertherapie

    Abb. 48Allgemeine postoperative Komplikationen (Pneumonie, kardiovaskuläre Komplikationen,postoperative Thrombose, Lungenembolie) in Bezug zu den eingenommenenAntikoagulanzien

    zumMedikament gemacht wurden, liegtdieser Wert bei 1,805. Bei den anderenSubstanzen liegt derWertunter 1,was füreinen positiven Effekt sprechen könnte.Bei dem nach Bonferroni korrigiertenBereich für das Konfidenzintervall von99% ist jedoch keines der Ergebnissesignifikant (. Abb. 3).

    Die Werte des Hosmer-Lemeshow-Tests (p= 0,869) und der Fläche unterder Kurve/ROC (0,789) bestätigen, dassdie Güte des Regressionsmodells als guteinzuordnen ist.

    Allgemeine Komplikationen. Werdendie antithrombotischenMedikamente imZusammenhang mit allgemeinen post-operativen Komplikationen gebracht, sozeigt sich ein Effekt bei den folgendenSubstanzen. Bei Vitamin-K-Antagonis-ten lag die Odds ratio bei 1,229 (99%-KI: 1,030 und 1,466, p= 0,003), bei ASSbei 1,168 (99%-KI: 1,013 und 1,348;p= 0,005), bei anderen Thrombozyten-aggregationshemmern bei 1,661 (99%-KI: 1,270 und 2,171; p= 0,000).

    Bei den direkten Thrombininhibito-ren liegt der Wert bei 1,157 (99%-KI:0,755 und 1,773; p= 0,378), bei sonsti-

    ger ATDT bei 1,270 (99%-KI: 0,951 und1,696; p= 0,034) und bei „Dauerthera-pie erhalten, keine Angaben zum Medi-kament“ bei 1,682 (99%-KI: 0,964 und2,936; p= 0,016), womit diese Ergebnissenicht signifikant sind (. Abb. 4).

    Die Werte des Hosmer-Lemeshow-Tests (p= 0,014) undder Fläche unter derKurve/ROC (p= 0,693) zeigen, dass dieGüte desRegressionsmodells als schwacheinzuordnen ist.

    Kardiovaskuläre Komplikationen/Thrombose/Lungenembolie. Insgesamtkonnten in dem untersuchten Datensatz911 kardiovaskuläre Komplikationen(3,7%), 30 thrombotische Komplika-tionen (0,1%) und 66 Lungenembo-lien (0,3%) beobachtet werden. Diese3 Gruppen wurden zusammengefasst,wobei Mehrfachnennungen von Kom-plikationen bei einem Patienten als einEreignis gewertet wurden. Insgesamtkonnte bei 986 Patienten (4,0%) we-nigstens eine dieser Komplikationenbeschrieben werden.

    Bei allen Patienten – außer bei den-jenigen, bei denen keine Spezifizierungder ATDT angegeben wurde – stieg dasRisiko für diese Komplikationen an. DieOdds ratio lag zwischen 1,506 und 2,224.Für die direkten Thrombininhibitorenkonnte jedoch kein signifikantes Ergeb-nis beschrieben werden. Hervorzuhebenist, dass inderGruppe„andereThrombo-zytenaggregationshemmer“ das Risikofür ein solches Ereignis ansteigt (OR:2,124; p= 0,000). Lediglich bei den Pa-tienten, bei denen keine Spezifizierungder ATDT angegeben wurde, konnte ei-ne Odds ratio kleiner 1,000 beschriebenwerden, wobei dieWerte des 99%-KI bei0,166 und 2,348 lagen, was auf die kleineFallzahl zurückzuführen ist (. Abb. 5).

    Die Werte des Hosmer-Lemeshow-Tests (Sig: 0,438) und der Fläche unterder Kurve/ROC (0,748) bestätigen, dassdie Güte des Regressionsmodells als guteinzuordnen ist.

    Spezifische Komplikationen. Die An-zahl der Patienten, bei denen eine spezifi-sche postoperative Komplikation auftrat,betrug 550.

    Die Werte für die Odds ratio betra-gen für die Patienten mit einer „Dau-

    Der Unfallchirurg

  • Originalien

    Abb. 58 Kardiovaskuläre Komplikationen im Zusammenhangmit der EinnahmevonAntikoagulan-zien

    ertherapie erhalten, keine Angabe zumMedikament“ OR= 1,636, für „Vita-min-K-Antagonisten“ OR= 1,261 undfür „andereThrombozytenaggregations-hemmer“ OR= 1,109. Die Ergebnisse fürdie anderen Substanzen liegen unter 1:Acetylsalicylsäure OR= 0,956, direkteThrombininhibitoren OR= 0,739 und„Sonstige“ OR= 0,671. Keines dieserErgebnisse ist signifikant.

    Die Werte des Hosmer-Lemeshow-Tests (p= 0,212) und der Fläche unterder Kurve/ROC (0,646) zeigen, dass dieGüte desRegressionsmodells als schwacheinzuordnen ist.

    Hämatom/Nachblutung. Insgesamtwurde bei 233 Patienten (von gesamt24.786 Pat.) eine Nachblutung beob-achtet, entsprechend einem Anteil von0,94%. 130 der 233 Patienten erhieltenkeine ATDT, die übrigen 103 Patienteneine entsprechende Gerinnungspro-phylaxe. Von den Patienten, die eineATDT erhalten hatten, fanden sich beiVitamin-K-Antagonisten 38 Patienten(gesamt 2157 Pat.), bei Acetylsalicyl-säure 42 Patienten (gesamt 4005 Pat.),bei anderen Thrombozytenaggregati-onshemmern 12 Patienten (gesamt 677Pat.), bei direkten Thrombininhibito-ren 2 Patienten (gesamt 315 Pat.), bei„Sonstigen“ 6 Patienten (gesamt 673 Pat.)und bei „Dauertherapie erhalten, keineAngaben zum Medikament“ 3 Patienten

    (gesamt 152 Pat.) mit einem Hämatomoder einer Nachblutung.

    Die Gabe von Vitamin-K-Antagonis-ten zeigte ein signifikantes Ergebnis imVergleich mit den Patienten, die keineDauertherapie erhalten hatten. Dabei istdie Odds ratio bei der Therapie mit Vi-tamin-K-Antagonisten doppelt so hoch(OR: 2,010), wobei das 99%-KI zwi-schen 1,213 und 3,329 lag. Bei einerTherapie mit anderen Thrombozyten-aggregationshemmern war das Ergebnisebenfalls nahezu verdoppelt (OR: 1,985),jedoch lag dasMinimum des 99%-KI beiOR= 0,895, womit keine Signifikanz vor-lag. Auch bei den weiteren Substanzenkonnte keine Signifikanz beschriebenwerden. Insgesamt ist die Fallzahl derHämatome und Nachblutungen sehr ge-ring, sodass die Ergebnisse kritisch zuwerten sind (. Abb. 6).

    Die Werte des Hosmer-Lemeshow-Tests (Sig: 0,212) und der Fläche unterder Kurve/ROC (0,646) zeigen, dass dieGüte desRegressionsmodells als schwacheinzuordnen ist.

    Diskussion

    Die Versorgungsforschung ist der „Mo-tor für ein lernendes und sich stetig ent-wickelndes Gesundheitssystem“ [3]. Dievorliegende Auswertung stellt mit derAnalysevon24.786FällenproximalerFe-

    murfrakturen in NRW einen wichtigenBeitrag zur Versorgungsforschung dar.

    Die Auswertung zeigt, dass für denVersorgungszeitraum 2015/2016 19,5%der Patienten nicht zeitgerecht operiertwurden. Dabei liegt ein erheblicher Un-terschied zwischen den einzelnen Medi-kationen einerATDT vor.Wird der Indi-kator vor 2016 hinzugezogen, nach demeineOperation innerhalbvon48hdurch-zuführen wäre, so wäre nur ein Anteilvon 7,6% der Patienten auffällig. Dar-aus lässt sich schließen, dass nach derTrennung der osteosynthetisch und en-doprothetischen Versorgung der hüftge-lenknahen Frakturen die Änderung inder Spezifikation und die damit verbun-denen Bedingungen in einigen Klinikennicht berücksichtigt werden. Insgesamtwerden in dem Zeitfenster zwischen 24und 48h 3241 Patienten operiert. Da-von wurde ein Anteil von 90,7% (2940Patienten) nach der neuen Spezifikationnicht zeitgerecht operiert (nach der altenSpezifikationwären diese Patienten nichtauffällig gewesen).

    Nach der neuen Spezifikation sind diePatienten, bis auf wenige Ausnahmen,innerhalb von 24h zu operieren. EineATDT rechtfertigt nur im Fall einerThe-rapie mit direkten Thrombininhibitorenbzw. Sonstigen (z.B. Rivaroxaban, Fon-daparinux) eine Ausweitung des Thera-piefensters bis 48h. Für diese Patientensind dieKomplikationsereignisse gering-fügig erhöht (19,7% bzw. 17,5%).

    Vor allem Bedenken hinsichtlichmöglicher intraoperativer, aber auchpostoperativer Blutungen spielen einewichtige Rolle [16]. Dabei liegt der Fokusv. a. auf Vitamin-K-Antagonisten (VKA)und den direkten oralen Antikoagulan-zien (DOAKs). Als zentraler Befundder vorgelegten Auswertung kristalli-siert sich heraus, dass ein Großteil derPatienten, die verzögert operiert wer-den, einen VKA einnehmen. In dieserGruppe zeigte sich in der vorgelegtenAuswertung ein Anteil der Patienten, dieverzögert operativ versorgt worden sind,von 44,6%. Diese Ergebnisse sind ver-gleichbar mit den Ergebnissen andererObservationsstudien, obgleich die Datennicht immer komplett vergleichbar sind,da in unterschiedlichem Kontext teil-

    Der Unfallchirurg

  • Abb. 68 ZusammenhangzwischenderEinnahmeeinerantithrombotischenDauertherapieunddemRisiko zur Entstehung eines Hämatoms/einer Nachblutung

    weise erst ab 48h von einer verzögertenOperation gesprochen wird [5, 9, 16].

    Die in dieser Auswertung ermitteltenDaten stellen die Berechtigung einerBehandlungsverzögerung aufgrund be-fürchteter Blutungskomplikationen in-frage. Eine Reversierung der Wirkungvon VKA lässt sich problemlos inner-halb kurzer Zeit unmittelbar präoperativdurch die Gabe von Prothrombinkom-plex erreichen – zahlreiche Arbeitenbei Patienten mit Eingriffen am pro-ximalen Femur konnten zeigen, dasseine erfolgreiche Aufhebung der VKA-Wirkung durch diese Substanz erzieltwerden kann [21]. Einzelne dieser Stu-dien berichten über eine erhöhte Ratean kardialen Ereignissen bei den mitProthrombinkomplex behandelten Pa-tienten, allerdings sollte dies in denmeisten Fällen weniger auf die Reversie-rung an sich zurückzuführen sein als aufdie Tatsache, dass Patienten unter einerVKA-Therapie implizit insgesamt we-gen der zugrunde liegenden Erkrankungein erhöhtes Risiko für entsprechendeEreignisse aufweisen. PPSB wirkt in-nerhalb von 30min, und die Wirkunghält mindestens 6h an. Die gleichzeitigeGabe von Vitamin K erlaubt eine stabileAntagonisierung ohne Rebound-Effekt[22]. Es gilt zu beachten, dass Warfarineine deutlich kürzere Halbwertszeit als

    Phenprocoumon ausweist und damit dieVergleichbarkeit einschränkt.

    AuchunterderEinnahmevonDOAKsmuss das noch gängige Prozedere einerverzögerten operativen Versorgung vonproximalen Femurfrakturen kritischhinterfragt werden. DOAKs werdeninzwischen in Deutschland häufigereingenommen als VKA [24]. Diese Me-dikamente zeichnen sich durch eine imVergleich zu VKA kurze Halbwertszeitvon nur 5–17h aus (je nach Substanz undNierenfunktion des Patienten); sie sindsomit vergleichbar zu den Halbwertszei-ten von niedermolekularen Heparinen[26]. Gerade unter Berücksichtigungdes individuellen letzten Einnahmezeit-punktes einesDOAK’s ließe sich somit inden allermeisten Fällen eine Operationinnerhalb von 24h in dieser Patienten-gruppe gewährleisten, z.B. indem manden Zeitpunkt der Operationen eher indie zweite Hälfte des 24-stündigen Zeit-raums legt. Zusätzlich existiert im Falleeines schweren, lebensbedrohlichen Blu-tungsnotfalls neben der Möglichkeit derGabe von Prothrombinkomplex aucheine spezifische Antagonisierung: imFall von Dabigatran ist dies Idaruci-zumab; bei den Faktor-Xa-Inhibitorensteht Andexanet alfa in Aussicht, dessenZulassung auf dem europäischen Marktim März 2019 von der EuropäischenArzneimittel-Agentur (EMA) empfoh-

    len worden ist und somit in absehbarerZukunft auch verfügbar sein sollte [6,7, 23]. In der vorgelegten Auswertungwurden 48% der Patienten, die direk-te Thrombininhibitoren eingenommenhaben, verzögert (>24h) operiert. Dabeiwurde nicht differenziert, welcher di-rekte Thrombininhibitor eingenommenwurde.

    Wenn keine genauen Angaben zumMedikament gemacht werden konnten,aber eine ATDT verabreicht wurde, stie-gen in den zur Verfügung stehendenDa-ten sowohl die Wahrscheinlichkeiten, zuversterben als auch postoperativ allge-meine Komplikationen zu erleiden, an.Hieraus könnte eine Empfehlung zur lab-ortechnischen Substanzbestimmung ab-geleitet werden, wobei hier die Fallzahlmit n= 679 Fällen sehr gering war.

    Für die Gruppen der direkten (Apixa-ban, Edoxaban, Rivaroxaban) und indi-rekten Faktor-Xa-Inhibitoren (Fondapa-rinux) sowie niedermolekularen Hepa-rine ist Andexanet alfa ein vielverspre-chendes Antidot. Andexanet ist ein mo-difizierter Faktor Xa und bindet somitdie Faktor-Xa-Inhibitoren, hat aber kei-ne enzymatische Aktivität [19]. Andexa-net reduziert die Anti-Faktor-Xa-Akti-vität innerhalb von 2–5min [25]. DieHalbwertszeit ist mit 1h sehr kurz [25].In einer noch laufenden Phase-IIIb/IV-Studie („ANNEXA-Studie“) zeigtenZwi-schenergebnissedie signifikanteSenkungder Anti-Faktor-Xa-Aktivität bei Patien-ten mit lebensbedrohlichen Blutungen[11–13]. IndervorliegendenAuswertungfielenunter „Sonstige“PatientenmitEin-nahme von z.B. RivaroxabanundFonda-parinux. In dieser Gruppe wurden 49%der Patienten verzögert (>24h) operiert.

    Diese theoretischen Überlegungenkönnen auch mit klinischen Datenuntermauert werden. Aktuelle Unter-suchungen hinsichtlich Blutungskom-plikationen bei operativer Versorgungproximaler Femurfrakturen unter ATDTzeichnen hier ein einheitliches Bild. EineFall-Kontroll-Studie von Tran et al. aninsgesamt520Patientenkonnte zwischenPatientenohneATDT,mitVKAodermitDOAK keinen Unterschied hinsichtlichder Menge des geschätzten Blutverlustesund der erforderlichen Bluttransfusio-nenzeigen[27].Eine retrospektiveStudie

    Der Unfallchirurg

  • Originalien

    von Rutenberg et al. an 796 Patientenzeigte ebenso keinen Unterschied in derMenge der benötigten Bluttransfusionenzwischen diesen 3 Gruppen, obgleichauch indieserStudiePatientenmitATDTdeutlich später operativ versorgt wur-den als Patienten ohne ATDT [9]. Eineaktuelle Arbeit der Kollegen Lott et al.zeigte keinen Unterschied bei Patientenunter DOAKs in der Blutungsmenge,der Anzahl der erforderlichen Bluttrans-fusionen und der Dauer des operativenEingriffs hinsichtlich eines frühen vs.späten Operationszeitpunktes [17].

    UnterEinnahmevonVitamin-K-Ant-agonisten kam es in der vorgelegtenAus-wertung zu einer signifikantenErhöhungdes relativen Risikos für das Auftretenvon kardiovaskulären Komplikationen,Hämatomen/Nachblutungen sowie vonallgemeinen postoperativen Komplika-tionen. Für das Auftreten „spezifischerpostoperativer Komplikationen“ hinge-gen fand sich hingegen bei keiner Sub-stanzklasse eine signifikante Erhöhungdes relativen Risikos. Mattisson et al.untersuchten 99 Patienten, die Warfa-rin einnahmen und eine proximale Fe-murfraktur erlitten hatten, und stelltensie 99 Kontrollpatienten mit proximalerFemurfraktur ohne Einnahme eines An-tikoagulans (Kontrollgruppe) gegenüber[18]. Auch sie fanden keinen signifikan-ten Unterschied in Bezug auf Komplika-tionen. Auch die Mortalität (Einjahres-Follow-up) war im Vergleich zur Kon-trollgruppe nicht erhöht. Überraschen-derweise fanden sie sogar eine niedrigereTransfusionsrate in der Warfaringruppe.Auch hier sei nochmals auf die einge-schränkte Vergleichbarkeit vonWarfarinvs. Phenprocoumon verwiesen.

    Die vorgelegte Auswertung zeigt, dassein Großteil der verzögert operierten Pa-tienten früher operativ versorgt werdenkönnte und somit die Letalität insgesamtgesenkt werden könnte. Eine aktuelleVeröffentlichung von Bonnaire et al.fasst das Management bei bestehenderAntikoagulation und hüftgelenknahenFrakturen zusammen; die Arbeit unter-streicht, dass eine zeitnahe Versorgungim Zusammenhang mit Antikoagulati-on und hüftnaher Fraktur zum einenessenziell und zum anderen durchauspraktisch möglich ist [4].

    Limitationen

    Bei den analysierten Daten handelt essich um Daten der externen, statio-nären Qualitätssicherung. Der Vorteildieser Datenform ist eine hohe Fall-zahl (24.786) mit hoher Power. Aufder anderen Seite werden diese Datenzwangsweise erhoben und durch Perso-nal der operierenden Fachabteilung ein-gegeben, sodass Eingabefehler (bewusstoder unbewusst) nicht auszuschließensind. Im Falle von Auffälligkeiten istmit Mehrarbeit/„Sanktionen“ infolgedes strukturierten Dialogs zu rechnen.Weiterhin können bei einem derartigenDesign keine direkten Kausalzusam-menhänge hergestellt werden. Ziel derAuswertung war es, Potenziale für eineVerkürzung der präoperativen Verweil-dauer aufzuzeigen. Dass die Mortalitätdurch entsprechende Maßnahmen (Ga-be von Antidota etc.) tatsächlich gesenktwerden kann, muss durch entsprechendeStudien gezeigt werden. Darüber hinausfand die Datenerhebung/Analyse nichtsektorenübergreifend statt. Somit kön-nen nur die Komplikationen, Todesfälleetc. eines Patienten während des statio-nären Aufenthaltes erfasst werden. Tritteine Komplikation, ein Todesfall etc.poststationär bzw. außerhalb der ope-rierenden Fachabteilung auf, wird diesdurch die Daten der externen, statio-nären Qualitätssicherung nicht erfasst.Limitationen ergeben sich auch durchdas Erhebungsinstrument. Es wird nach„Art derMedikation“ gefragt. Dabeiwirdnicht erfasst, wann die letzte Einnahmedes Antikoagulans erfolgte. Insbeson-dere im Hinblick auf die DOAKs wärediese Angabe relevant.

    Fazit für die Praxis

    4 Die Einnahme von Antikoagulanzienist der Hauptgrund für eine verlän-gerte präoperative Verweildauer.

    4 Von den Patienten, die verzögertoperiert werden (>24h), nehmen46,9% eine ATDT ein.

    4 Ein Großteil der Patienten könntedurch die Verwendung von Antidotainnerhalb von 24h versorgt werden,und somit könnte die Sterberate ver-mutlich signifikant gesenkt werden.

    4 Die Einnahme einer ATDT hat aufthrombotische Komplikationen undLungenembolie keinen signifikantenEinfluss.

    4 Unter Einnahme von Vitamin-K-Antagonisten und „anderen Throm-bozytenaggregationshemmern“treten signifikant mehr Hämatomeund Nachblutungen auf, nicht aberbei Einnahme von ASS, direktenThrombininhibitoren und „sonsti-gen“ Antikoagulanzien.

    4 Die Ergebnisse müssen vor demHintergrundvon EQS-Datenbewertetwerden.

    4 Die Etablierung eines Gerinnungsma-nagements in Form von SOP in denKliniken ist zu fordern.

    Korrespondenzadresse

    Dr. J. G. KorbmacherKlinik für Unfallchirurgieund Orthopädie,KnappschaftskrankenhausBochum-Langendreer,Universitätsklinik der RuhrUniversität BochumIn der Schornau 23–25,44892 Bochum, [email protected]

    Funding. Open Access funding enabled and organi-zed by Projekt DEAL.

    Einhaltung ethischer Richtlinien

    Interessenkonflikt. J.G. Korbmacher, U. Schulze-Raestrup, H. NowakundR. Smektala geben an, dasskein Interessenkonflikt besteht.

    Für diesenBeitragwurden vondenAutoren keineStudien anMenschenoder Tierendurchgeführt.Für die aufgeführten Studiengelten die jeweils dortangegebenen ethischenRichtlinien.

    Open Access.Dieser Artikelwird unter der CreativeCommonsNamensnennung4.0 International Lizenzveröffentlicht, welche dieNutzung, Vervielfältigung,Bearbeitung, VerbreitungundWiedergabe in jegli-chemMediumundFormat erlaubt, sofern Sie den/dieursprünglichenAutor(en)unddieQuelle ordnungsge-mäßnennen, einen Link zur Creative Commons Lizenzbeifügenundangeben, obÄnderungen vorgenom-menwurden.

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    Der Unfallchirurg

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    Proximale osteosynthetisch versorgte Femurfrakturen: Der Versorgungszeitpunkt verzögert sich bei vorbestehender AntikoagulationZusammenfassungAbstractHintergrund und FragestellungMaterial und MethodenDatengrundlage und ErhebungsinstrumenteAuswertung und grafische Darstellung

    ErgebnisseBeschreibung der GrundgesamtheitAuswertungen nach Fragestellungen1. Wie viele Patienten nehmen gerinnungshemmende Medikamente ein? Welche gerinnungshemmenden Medikamente werden eingenommen?2. Verlängert sich durch die Einnahme einer antithrombotischen Dauertherapie die präoperative Verweildauer?3. Treten mehr Komplikationen aufgrund der Einnahme von Antikoagulanzien auf?

    DiskussionLimitationen

    Fazit für die PraxisLiteratur