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Allergische Reaktionen Das p-i-Konzept Pseudoallergische Reaktionen 12. Jahrgang, 5. Ausgabe 2018, 203-220 Pseudo-allergische Reaktionen auf Aspirin und nicht-steroidale Antirheumatika. - - - Rubrik Fortbildungsartikel - - - Aspirin-verstärkte respiratorische Erkrankung Prävention mit Aspirin Pharmazeutische Beratung

Pseudo-allergische Reaktionen auf Aspirin und nicht ... · type 2 immune reaction resulting in both a further increase of cysteinyl leukotri-enes and an increased generation of PGD

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Allergische Reaktionen Das p-i-Konzept Pseudoallergische Reaktionen

12. Jahrgang, 5. Ausgabe 2018, 203-220

Pseudo-allergische Reaktionen auf Aspirin und nicht-steroidale

Antirheumatika.

- - - Rubrik Fortbildungsartikel - - -

Aspirin-verstärkte respiratorische Erkrankung Prävention mit Aspirin Pharmazeutische Beratung

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Pseudo-allergische Reaktionen auf Aspirin und nicht-steroidale Antirheumatika. Prof. Dr. Georg Kojda Fachpharmakologe DGPT, Fachapotheker für Arzneimittelinformation Institut für Pharmakologie und klinische Pharmakologie Universitätsklinikum, Heinrich-Heine-Universität Universitätsstr. 1, 40225 Düsseldorf [email protected] Lektorat: N.N. Den Fortbildungsfragebogen zur Erlangung eines Fortbildungspunktes zum Fortbildungstelegramm Pharmazie finden Sie hier: http://www2.hhu.de/kojda-pharmalehrbuch/FortbildungstelegrammPharmazie/Kurzportraet.html

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Abstract Drug hypersensitivity reactions are caused by allergic IgE mediated mecha-nisms such as a penicillin allergy or by non-allergic IgE independent pathways. Non-allergic reactions include those me-diated by a direct interaction with the im-mune cell receptors T-cell receptor (TCR) and the human leukocyte antigen (HLA, p-i-concept). A second group of non-aller-gic drug hypersensitivities are pseudo-al-lergic reactions. These may be mediated by activation of the mast cell receptor „Mas-related G-protein coupled receptor member X2“ (MRGPRX2). In contrast, pseudo-allergic reactions to aspirin and NSAIDS are mediated by the mechanism of action of these drugs, i.e. the unselec-tive inhibition of cyclooxygenase, which is the underlying cause of NSAID-exacer-bated respiratory disease (N-ERD). A hall-mark of the disease is the inhibition of prostaglandin(PG)E2 and the consecu-tively increased synthesis of cysteinyl leu-kotrienes. The pathogenesis includes a type 2 immune reaction resulting in both a further increase of cysteinyl leukotri-enes and an increased generation of PGD2. N-ERD causes symptoms such as nasal congestion, rhinorrhoea, sneezing, cough, wheeze, urticarial, flushing, ab-dominal pain and nausea. In the course of the disease nasal polyps and pansinusitis are likely to develop, almost always in conjunction with asthma. Patients with asthma or chronic sinusitis and concomi-tant N-ERD are most likely to have severe and difficult to manage disease, even if aspirin and NSAIDS are avoided. Beside therapeutic interventions to treat acute symptoms, aspirin desensitisation fol-lowed by aspirin maintenance therapy is now considered as standard of care. Abstrakt Eine Hypersensitivität gegenüber Arz-neistoffen kann entweder einen allergi-schen IgE-abhängigen, beispielsweise eine Penicillin-Allergie, oder einen nicht-allergischen IgE-unabhängigen Hinter-grund aufweisen. Zu den nicht allergi-schen Reaktionen zählen einerseits Un-verträglichkeiten, die auf einer Interak-tion mit Immunzell-Rezeptoren wie dem

T-Zell-Rezeptor (TCR) oder dem huma-nen Leukozyten Antigen (HLA) beruhen („p-i-Konzept“). Eine zweite Gruppe stel-len die pseudoallergischen Reaktionen dar. Diese können auf einer direkten Sti-mulation von Mastzellen nach Aktivierung des „Mas-related G-protein coupled re-ceptor member X2“ (MRGPRX2) beruhen. Dagegen werden pseudoallergische Reak-tionen auf Aspirin oder nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR) direkt durch den Wirkmechanismus der Arzneistoffe, also der unselektiven Hemmung der Cyc-looxygenase verursacht. Dies löst die As-pirin-verstärkte respiratorische Erkran-kung (NSAID-exacerbated respiratory disease, N-ERD) aus. Die Erkrankung be-ruht vor allem auf einer Hemmung der Bildung von Prostaglandin(PG)E2 und der konsekutiven Steigerung der Synthese von Cysteinyl-Leukotrienen. Daran ist auch die Aktivierung einer Typ-2-Immun-reaktion beteiligt, die zu einer weiteren Steigerung der Cysteinyl-Leukotriene so-wie einer Steigerung der PGD2 Bildung führt. N-ERD verursacht Symptome wie Rhinitis, Sinusitis, Niesen, Husten oder eine Beeinträchtigung der Respiration so-wie Erytheme, Urtikaria, abdominelle Schmerzen und Übelkeit. Im weiteren Verlauf kommen oft Pansinusitis und Anosmie fast immer bei gleichzeitig be-stehendem Asthma hinzu. In der Gruppe der Patienten mit Asthma oder Rhinosinu-sitis verursacht das gleichzeitige Auftre-ten von N-ERD oft einen schwerwiegen-den und therapeutisch schwer einzustel-lenden Verlauf, auch wenn Aspirin und/o-der NSAR von den Patienten vermieden werden. Neben der Therapie der akuten Symptome gilt die Desensibilisierung mit anschließender Aspirin-Erhaltungsthera-pie derzeit als Mittel der Wahl. Einleitung Nahezu jede Fachinformation zu Arznei-mitteln stuft eine Überempfindlichkeit ge-gen einen Arzneistoff oder Hilfsstoff als Kontraindikation ein und dies gilt auch für viele nicht-opioide Analgetika wie nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR) oder Acetylsalicylsäure (Aspirin, Weblink 1). Zur Häufigkeit solcher Hypersensitivitäts-Reaktionen gibt es nur wenige verlässli-che Daten, die zudem eher vorsichtig in-

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terpretiert werden sollten. Ein Grund hier-für ist die oft nur selten akkurate Klassifi-zierung sowie die Tatsache, dass die meisten dieser Daten auf der Epidemiolo-gie von Arzneimittel-Nebenwirkungen be-ruhen. Dennoch wird von einer Häufigkeit bis zu 20 % bei hospitalisierten Patienten und bis zu 7 % bei Patienten in der am-bulanten Versorgung ausgegangen (1). Das bei weitem am häufigsten betroffene Organ ist die Haut, wobei das Spektrum von leichten Formen von Exanthemen und/oder Urtikaria bis zu lebensbedrohli-chen Formen wie der toxischen epiderma-len Nekrolyse reichen kann (2). Eine Hypersensitivität gegenüber Arz-neistoffen kommt über verschiedene Me-chanismen zustande, die entweder einen allergischen IgE-abhängigen oder einen nicht-allergischen IgE-unabhängigen Hin-tergrund aufweisen. Schätzungen zufolge beruht etwa ein Drittel der Überempfind-lichkeiten gegenüber Arzneistoffen auf ei-ner IgE-abhängigen „richtigen“ Allergie (3,4). Allerdings sind die Symptome wie Bronchialobstruktion, Urtikaria, An-gioödeme, gastrointestinale Beschwerden wie abdominelle Schmerzen oder Übel-keit, Kopfschmerz, Ödeme und Hypoten-sion bei allen zugrundeliegenden Mecha-nismen nahezu gleich, so dass aufgrund des klinischen Erscheinungsbildes kaum unterschieden werden kann auf welchem der verschiedenen Mechanismen die Symptomatik beruht (4,5). Auch wenn nicht-allergische IgE-unabhängige Über-empfindlichkeiten gegenüber Arzneistof-fen letztlich ähnliche Symptome auslösen gibt es einige wichtige Unterschiede, denn nicht jede durch solche Mechanismen ausgelöste Hypersensitivität kann zu ei-ner Anaphylaxie führen (s.u.). Allergische Reaktionen Allergische Reaktionen verlaufen, wie bei allergischem Asthma, über die Aktivie-rung von T-Helfer-Zellen (CD4+) und B-Zellen. Letztere bilden bei Erstkontakt spezifische IgE Antikörper, die an Mast-zellen gebunden werden (Abb. 1). Die Aktivierung der B-Zellen zur Bildung von IgE wird durch T-Zellen, u.a. über stimu-latorische Interleukine (IL) wie IL-4, indu-ziert (6). Die Bindung von IgE an seinen hochaffinen Rezeptor FcεR1 ermöglicht

nach Bindung des Antigens an zwei be-nachbarte IgE Antikörper die Freisetzung von bereits gebildeten oder neu syntheti-sierten Mediatoren aus den dann aktivier-ten Mastzellen. Die Symptome der Aller-gie treten somit nicht direkt, sondern erst nach einer zweiten Exposition mit dem auslösenden Antigen auf. Während für die Sensibilisierung vergleichsweise hohe (therapeutische) Plasmakonzentrationen der Arzneistoffe erforderlich sind, können schwerwiegende Symptome wie ein ana-phylaktischer Schock nach Sensibilisie-rung bereits bei deutlich niedrigeren Kon-zentrationen auftreten. Dennoch ist es möglich, mit noch niedrigeren Konzentra-tionen, die nicht zu Symptomen führen, eine Desensibilisierung zu beginnen. So-mit ist eine nach der Einteilung der beiden britischen Ärzte Robin Coombs und Philip George Houthem Gell als Typ I Reaktion (auch Sofortreaktion) bezeichnete Hyper-sensitivität nicht Dosis-unabhängig (5). Allerdings weisen die meisten Arzneistoffe eine zu geringe Molekülgröße auf um al-lein eine Immunreaktion auszulösen. Da-her fungieren die Arzneistoffe selbst oder ein Metabolit als Hapten, welches eine kovalente Bindung mit körpereigenen Proteinen wie Albumin, Hämoglobin oder Transferrin eingehen muss, um als funk-tionelles Antigen wirksam werden zu kön-nen (Abb. 1). Darüber hinaus muss das entstandene Antigen in der Lage sein, Zellen des angeborenen Immunsystems wie dendritische Zellen oder Makropha-gen über die Aktivierung von Musterer-kennungs-Rezeptoren („pattern recogni-tion receptors“) zu stimulieren, um die nachfolgende Differenzierung von Zellen des erworbenen Immunsystems wie T- und B-Zellen zu ermöglichen. Gut be-kannte Beispiele für Arzneistoffe, die eine allergische bedingte Überempfindlichkeit auslösen können sind β-Lactam-Antibio-tika wie Penicilline, Cephalosporine, Mo-nobactame und Carbapeneme. Das p-i-Konzept Einer der Mechanismen nicht allergischer Reaktionen besteht darin, dass ein Arz-neistoff oder sein Metabolit durch eine nicht kovalente Bindung an Immunzell-Rezeptoren direkt zu einer Aktivierung von T-Zellen nicht jedoch von B-Zellen führt.

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Abb. 1: Hochmolekulare Allergene wie Proteine sind in der Lage als vollständige Antigene zu fungieren und die Bildung spezifischer IgE-Antikörper anzuregen. Im Gegensatz dazu wirken niedermolekulare Allergene wie Penicilline oder bestimmte Biozide wie Chlorhexidin als Hapten, das erst nach Bindung an ein körpereigenes Protein ein Vollantigen bildet. Die Antigen-Präsentation durch beispielsweise dendritische Zellen bewirkt eine Differenzierung in verschiedene Subtypen von Effektorzellen, beispielsweise T-Helfer-Zellen-1 (Th1) und Th2, welche zur Bildung von verschiedenen Zytokinen angeregt werden. Interleukin-4 be-wirkt eine Aktivierung von B-Zellen und die Synthese von IgE und IgG, während Interleu-kin-4, sowie Interleukin-5 und Granulozyten-Makrophagen-Kolonie-stimulierender Faktor (hier nicht dargestellt) die Proliferation von eosinophilen Granulozyten auslöst. Ebenfalls aktiviert werden natürliche Killerzellen und zytotoxische T-Lymphozyten (CD8+). Die Symptome werden in beiden Fällen durch eine Degranulation von Mastzellen ausgelöst, die zur Freisetzung von u.a. Histamin, Prostaglandinen und Cys-Leukotrienen führen. Irritan-zien, wie der basische Staub nach dem Einsturz des „World-Trade-Center“, bewirken eine Schädigung der Mukosa mit vermehrtem oxidativen Stress, die vermutlich eine zentrale Rolle bei der Pathogenese des Irritanzien-induzierten Asthmas spielt. Darüber hinaus wer-den auch vermehrt Neurokinine aus Nervenendigungen freigesetzt, die eine neuronale Ent-zündung mit Bildung von Substanz P auslösen (Abbildung modifiziert nach (6)). Dieser Mechanismus ist also unabhängig von Antikörpern und stellt eine pharma-kologische Interaktion mit Immunzell-Re-zeptoren wie dem T-Zell-Rezeptor (TCR) oder dem humanen Leukozyten Antigen (HLA) dar und wird als „p-i-Konzept“ be-zeichnet (7). Mit diesem Konzept lassen sich auch Überempfindlichkeiten gegen-über Arzneistoffen erklären, die nicht in der Lage sind als Hapten kovalent an kör-pereigene Proteine zu binden (s.o.). Da-bei ist wichtig festzuhalten, dass der Arz-neistoff weder als Antigen noch als Anti-genersatz fungiert. Eine solche Bindung ist vergleichbar mit der Bindung von Arz-neistoffen an mehrere Rezeptoren, die durch eine weniger ausgeprägte Selekti-vität für den jeweiligen Ziel-Rezeptor ge-kennzeichnet ist („off-target“-Effekte). Beispiele hierfür sind trizyklische Antide-pressiva, niedrig potente Antipsychotika oder H1-Antihistaminika der ersten Gene

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ration, die zusätzlich u.a. an adrenerge oder muskarinerge Rezeptoren binden und dadurch unerwünschte Arzneimittel-wirkungen auslösen können. Hierzu zäh-len u.a. Blutdrucksenkung (anti-adr-energe Wirkung) sowie Obstipation, Mik-tionsstörungen, Mundtrockenheit oder eine Verschlechterung der Kognition, ins-besondere bei geriatrischen Patienten (anticholinerge Wirkung). Diese Art der Hypersensitivität beruht auf einer alleinigen Aktivierung von T-Zellen und eben nicht von B-Zellen. Die Stimu-lation der T-Zellen durch Bindung an TCR oder HLA hängt sowohl von der Diversität der Immunproteine als auch vom Arz-neistoff selbst ab, denn in Anbetracht der unzähligen Möglichkeiten der Proteinse-quenzen von HLA und TCR kann nicht je-der der auslösenden Arzneistoffe an diese Proteine binden. Dies trägt dazu bei zu er-klären, dass eine solche Hypersensitivität nur jeweils einige Menschen betrifft. Inte-ressanterweise können manche Arz-neistoffe wie Amoxicillin, Flucloxacillin, Cephalosporine oder Sulfamethoxazol so-wohl allergische Reaktionen als auch p-i-Reaktionen auslösen. Während p-i-Reak-tionen, die durch andere Arzneistoffe wie Abacavir, Carbamazepin oder Lamotrigin verursacht werden, kaum anaphylakti-sche Reaktionen hervorrufen, ist dies bei den o.g. Antibiotika meistens nicht der Fall. Manifestationen ausschließlich T-Zell vermittelter Reaktionen sind beispiels-weise eine oft schwerwiegend verlau-fende Hepatitis sowie Exantheme und schwerwiegende Hautveränderungen wie das Steven-Johnson-Syndrom, die toxi-sche epidermale Nekrolyse (eine Form des Lyell-Syndroms, Abb. 2) und das DRESS-Syndrom, worunter ein Arzneimit-tel-Exanthem mit Eosinophilie und syste-mischen Manifestationen wie Hepatitis verstanden wird (2,5). Hypersensitivitätsreaktionen vom p-i-Typ können ebenfalls im Zusammenhang mit einer genetischen Prädisposition auftre-ten, was sich am Beispiel des Nukleosidi-schen Reverse Transkriptase Inhibitors (NRTI) Abacavir verdeutlichen lässt (Weblink 2). Eine Besonderheit bei Ab-acavir ist die Häufigkeit und der Schwere-grad von Hypersensitivitätsreaktionen. Diese sind dosisabhängig, treten häufig (4%) auf und können letal verlaufen. An-zeichen hierfür sind fast immer Fieber und

Hautausschläge. Bei Patienten mit einer Variante des HLA-Systems, dem HLA B*57:01 Allel, besteht ein hohes Risiko für solche Reaktionen (Kontraindikation). Daher ist die vorherige Bestimmung des Genotyps obligat. Allerdings schließt ein negativer Befund diese Nebenwirkung nicht aus, denn auch Patienten ohne diese genetische Variation können von der Hy-persensitivität betroffen sein.

Abb. 2: Beispiel einer durch Arzneimittel ausgelösten toxischen epidermalen Nek-rolyse. Es handelt sich dabei um eine Form des Lyell-Syndroms mit Läsionen vor allem am Körperstamm und einem Hautbefall von > 30 %, welches in ca. 80 % der Fälle durch Arzneimittel ausge-löst wird und eine Mortalität von ca. 30 % aufweist (8). Weniger schwerwiegende Fälle werden als Stevens-Johnson-Syn-drom bezeichnet (Abbildung aus Weblink 3). Zu den Symptomen der Überempfindlich-keitsreaktionen zählen Übelkeit, Diar-rhoe, Erbrechen, Bauchschmerzen, Ge-schwüre im Mund, Dyspnoe, Halsschmer-zen, Husten, Myalgie, selten Myolyse, Arthralgie, Erhöhung der Kreatinin-Phos-phokinase, Erhöhung des Kreatinins, Nie-renversagen, Lymphopenie, Lethargie, allgemeines Krankheitsgefühl, Ödeme, Lymphadenopathie, Blutdruckabfall, Kon-junktivitis, Anaphylaxie, Kopfschmerzen und Parästhesie (Weblink 4).

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Pseudoallergische Reaktionen Ein weiterer Mechanismus nicht allergi-scher Reaktionen auf Arzneimittel besteht darin, dass ein Arzneistoff Überempfind-lichkeits-Reaktionen auslösen kann, die kaum von allergischen Reaktionen zu un-terscheiden sind, jedoch ohne Beteiligung von IgE ablaufen. Dies kommt durch die Bezeichnung pseudoallergisch am besten zum Ausdruck (5). Pseudoallergische Re-aktionen können, wie bei Aspirin oder nicht-steroidalen Antirheumatika (NSAR), direkt auf dem zugrundeliegenden Wirk-mechanismus der Arzneistoffe, also der Hemmung der Cyclooxygenase (COX), beruhen. Dieser Mechanismus der Akti-vierung von Mastzellen liegt vermutlich auch dem Syndrom der „Aspirin-exacer-bated respiratory disease“ (AERD) zu-grunde, welches in Europa als „NSAID-exacerbated respiratory disease“ bezeich-net (9) und in den folgenden Abschnitten näher erläutert wird (Aspirin-verstärkte respiratorische Erkrankung). Zu den Arzneimitteln, die pseudoallergi-sche Reaktionen auslösen, zählen auch solche, die direkt Mastzellen stimulieren können. Diese Stimulation beruht auf ei-nem Agonismus an einem Rezeptor auf Mastzellen, der erst vor etwa drei Jahren entdeckt wurde (10). Es handelt sich da-bei um den „Mas-related G-protein coup-led receptor member X2“ (MRGPRX2). Die Bindung von Arzneistoffen wie beispiels-weise Ciprofloxacin (und andere Chino-lone), nicht depolarisierende (Atracurium, Tubocurarin, Rocuronium) und depolari-sierende Muskelrelaxantien (Succinylcho-lin) sowie Icatibant an diesen Rezeptor aktiviert direkt kultivierte Mastzellen und kann also ebenfalls als „off-target“-Effekt eingestuft werden. Die Aktivierung dieses Rezeptors ist auch für Injektionsreaktio-nen verantwortlich. McNeil et al. (10) wählten für in-vivo Effekte der Aktivie-rung von MRGPRX2 Icatibant (Firazyr®) aus und konnten anhand einer funktionel-len Ausschaltung des Rezeptors in trans-genen Mäusen zeigen, dass dessen Akti-vierung ganz überwiegend für die Injekti-onsreaktion verantwortlich war. Dieser Arzneistoff löste in den beiden Zulas-sungsstudien „For Angioedema Subcuta-neous Treatment“(FAST)-1 und FAST-2 nach subkutaner Applikation bei nahezu allen behandelten Patienten mit hereditä-rem Angioödem (> 95 %) eine transiente

unkomplizierte Reaktion an der Injekti-onsstelle aus (11), die auch wir dokumen-tieren konnten (Abb. 3). Eine ähnliche Häufigkeit dieser Reaktionen beobachte-ten wir auch in einer Phase-II-Studie mit Icatibant zur Behandlung von ACE-Hem-mer induzierten Angioödemen (12). Aspirin-verstärkte respiratorische Erkrankung Hypersensitivitäts-Reaktionen nach Ein-nahme von Aspirin sind unter verschiede-nen Bezeichnungen wie „Aspirin-sensiti-ves Asthma“ oder „Analgetika-Asthma“ seit vielen Jahren gut bekannt (13). Da diese Überempfindlichkeit jedoch nicht nur die unteren Atemwege, sondern auch die Mukosa von Nase und Nasenneben-höhlen betrifft, sind die älteren Bezeich-nungen durch „Aspirin-verstärkte respira-torische Erkrankung“, oder in Europa „NSAID-exacerbated respiratory disease“ (N-ERD), ersetzt worden (9). Klinische Aspekte Der erste Fallbericht über eine Hypersensitivitäts-Reaktion nach Einnahme von Aspirin stammt von Widal et al. aus dem Jahr 1922 und wurde später auch als Widal-Syndrom bezeich-net (13). Eine Übersetzung dieses Fallbe-richtes aus Frankreich ins Englische wurde 1987 publiziert (14). Die Autoren berichten über eine 37-jährige Frau, die seit 11 Jahren unter einer Reihe von Symptomen litt, die im Verlauf dieser Zeit immer komplizierter und stärker ausge-prägt wurden. Zu diesen Symptomen zählten Erytheme, Urtikaria, Rhinitis mit Polypen und Asthma. Die Erytheme traten zuerst nach etwas längerem Kontakt mit warmem oder kaltem Wasser auf. In der Folge entwickelten sich wiederkehrende Episoden einer Rhinitis mit Polypen, die trotz chirurgischer Entfernung rasch re-zidivierten sowie typische Asthma-Atta-cken, die ganzjährig und nicht nur in der Pollensaison auftraten. Darüber hinaus zeigte sich in den letzten Jahren vor dem Fallbericht auch eine Hypersensitivität ge-genüber Aspirin und Antipyrin (Phena-zon), die zu dieser Zeit als einzige NSAR für eine Therapie zur Verfügung standen. Eine Stunde nach Einnahme von 500 mg Aspirin trat am ganzen Körper ein starker Pruritus auf, der von einem generalisier-ten Erythem sowie Kopfschmerz und Fie-ber begleitet wurde.

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Im Rahmen der Untersuchung konnte diese Reaktion ebenfalls durch 100 mg Aspirin provoziert werden. Auch Reaktio-nen gegenüber warmem Wasser mit an-schließender Kälteexposition sowie nach durch die Nase eingeatmeten Pollen wa-ren zu beobachten. Die Autoren kamen zu dem Schluss, dass die beobachtete Hypersensitivität gegen-über verschiedenen Stimuli nicht als eine klassische allergische Reaktion eingestuft werden kann. Darüber hinaus konnten die Autoren erfolgreich eine Aspirin-Desensi-bilisierung durchführen.

Abb. 3: Beispiel einer transienten unkomplizierten Reaktion an der Injektionsstelle nach subkutaner Applikation von Icatibant an einem Patienten mit hereditärem Angioödem. Die Bilder wurden von Prof. Dr. med. Murat Bas in der hiesigen HNO-Klinik aufgenommen. Dargestellt ist der Verlauf der Reaktion über die Zeit (siehe Uhrzeit-Einblendung). Die Re-aktion erreichte nach etwa 13 min ein Maximum und war nach etwa 3 Stunden vollständig abgeklungen. Es handelt sich dabei mit großer Wahrscheinlichkeit um eine pseudoallergi-sche Reaktion nach Aktivierung des Mastzellrezeptors MRGPRX2 (Näheres siehe Text). Hierzu wurde die Patientin für jeweils 4 Tage mit steigenden Dosierungen von As-pirin (10-50 mg/Tag) über insgesamt 17 Tage behandelt und konnte auch 2 Mo-nate nach dem Ende dieser Therapie eine 600 mg Tablette Aspirin tolerieren. Diese Befunde gerieten jedoch in Vergessen-heit, so dass Samter & Beers ihre im Jahr 1968 publizierten Fälle als Neuentde-ckung betrachteten (15). Sie berichteten, dass Patienten mit Überempfindlichkeit gegen Aspirin auch Hypersensitivitäts-Re-aktionen nach Gabe von Pyrazolonen wie Phenazon oder Indolderivate wie Indome-thacin zeigen. Diese Beobachtungen leg-ten eine Pathogenese der Hypersensitivi-tät nahe, die weniger auf der chemischen Struktur dieser Arzneimittel, sondern viel eher auf dem Mechanismus beruht, über welchen diese Arzneistoffe ihre analgeti-schen, antipyretischen und antiphlogisti-schen Wirkungen entfalten (siehe unten).

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Im Gegensatz dazu sind auch Hypersen-sitivitätsreaktionen gegenüber einzelnen NSAR bekannt, die zwar ähnliche Symp-tome verursachen, aber nichts mit N-ERD zu tun und oft einen allergischen Hinter-grund haben (16). Dementsprechend ist Asthma an sich keine Kontraindikation für die Einnahme von Aspirin (Weblink 1). Die diesbezüg-lich in der Fachinformation gelisteten Kontraindikationen lauten wie folgt: „Überempfindlichkeit gegen Ace-tylsalicylsäure oder andere Sa-licylate oder einen der in Abschnitt 6.1 genannten sonstigen Bestand-teile, und früheres Auftreten von Asthma o-der Überempfindlichkeitsreaktio-nen (z.B. Urtikaria, Angioödem, schwere Rhinitis, Schock) nach Verabreichung von Salicylaten o-der Substanzen mit ähnlicher Wir-kung, insbesondere nicht-steroi-dalen Antiphlogistika (NSARs).“ Darüber hinaus wird für Patienten mit Asthma in der Fachinformation folgende Empfehlung gegeben: „Patienten mit Asthma: bei man-chen Patienten kann dem Auftre-ten eines Asthma-Anfalls eine Al-lergie gegen nicht-steroidale An-tiphlogistika oder gegen Acetylsa-licylsäure zugrunde liegen; in die-sem Fall ist dieses Arzneimittel kontraindiziert“. Somit werden Hypersensitivitätsreaktio-nen durch einzelne NSAR einschließlich Aspirin mit einem allergischen Hinter-grund und die der N-ERD zugrundeliegen-den pseudoallergischen Reaktionen auf diese Arzneistoffe nicht differenziert. N-ERD ist durch eine Schwellung der Mu-kosa der Nasennebenhöhlen und der Nase mit rasch rezidivierenden Polypen sowie der Mukosa der unteren Atemwege cha-rakterisiert (16). Als Folge der Schwellung der oberen Atemwege treten typischer-weise Symptome wie Rhinitis, Sinusitis und Niesen auf, während Laryngospas-mus, Husten und eine Beeinträchtigung der Respiration durch die Schwellung der unteren Atemwege bedingt sind. Darüber hinaus können Erytheme, Urtikaria, abdo-minelle Schmerzen und Übelkeit auftre-ten. Im Verlauf der Erkrankung entwickelt

sich oft eine persistierende Rhinorrhoe, eine Verstopfung der Nase sowie eine Anosmie (Riechverlust). Asthma ist keine Kontraindikation von Aspirin per se. Kontraindiziert ist Aspirin bei Asthmatikern nur dann, wenn in der Vergangenheit Überempfindlichkeitsreak-tionen nach der Einnahme von Aspirin oder NSAR aufgetreten sind. Das Spektrum der Erkrankung reicht von eher leicht verlaufenden Symptomen im Bereich der oberen Atemwege bis hin zu schwerwiegendem Asthma und Rhinosi-nusitis. In der Gruppe der Patienten mit Asthma oder Rhinosinusitis verursacht das gleichzeitige Auftreten von N-ERD oft einen schwerwiegenden und therapeu-tisch schwer einzustellenden Verlauf, auch wenn Aspirin und/oder NSAR von den Patienten vermieden werden. Viele Betroffene können, trotz des engen Zu-sammenhangs zwischen der Einnahme von Aspirin oder anderen NSAR und der Symptomatik, die Erkrankung lange Zeit nicht als Hypersensitivität einordnen (13). Daher bestehen bei der ersten me-dizinischen Untersuchung häufig bereits eine gleichzeitige Entzündung sämtlicher Nasennebenhöhlen (Pansinusitis) sowie Nasenpolypen (16). Obwohl N-ERD häufig bei Patienten mit vorbestehenden Aller-gien auftritt, ist dies bei etwa einem Drit-tel der Patienten nicht der Fall (17). Ins-gesamt gibt es jedoch einen Konsens, dass Allergien nicht die Ursache von N-ERD sind, sondern eher eine überwiegend erworbene Ko-Morbidität darstellen. Die Erkrankung weist einen Häufigkeits-gipfel in der dritten Lebensdekade auf und wird bei etwa der Hälfte der Patienten nach einer Virusinfektion des Respirati-onstraktes erstmals beobachtet. Genaue Daten zur Prävalenz der Erkrankung, sei es nun in der gesamten Bevölkerung oder bei Patienten mit Asthma oder nasaler Po-lyposis, stehen derzeit nicht zur Verfü-gung. Einer neueren systematischen Ana-lyse aus 27 klinischen Studien zufolge be-trägt die N-ERD Prävalenz 7 % bei typi-schen Asthma-Patienten, etwa 15 % bei Patienten mit schwerem Asthma, etwa 10 % bei Patienten mit Nasenpolypen und etwa 9 % bei Patienten mit chronischer

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Entzündung der Nasen- und Nasenneben-höhlenschleimhäute (Rhinosinusitis) (18). Allein angesichts der Prävalenz von Asthma ist N-ERD damit sicher keine sel-tene Erkrankung. Nach den Zahlen des Robert-Koch-Instituts beträgt die 12-Mo-nats-Prävalenz in Deutschland 5,4 % und die Lebenszeitprävalenz 9,2 %, wobei Frauen etwas häufiger betroffen sind als Männer (Weblink 5). Zu einem ganz ähnlichen Ergebnis kommt auch der „Glo-bal Asthma Report 2018” der WHO (Weblink 6). Bezogen auf die Lebens-zeitprävalenz von Asthma muss daher in Deutschland mit einer Zahl von etwa 1.000.000 von N-ERD betroffenen Patien-ten gerechnet werden. Weiteren Untersu-chungen zufolge ist vielen Patienten nicht bewusst, dass sie an einer N-ERD leiden. Dies betraf nach einer Studie des „Euro-pean Network of Aspirin-Induced Asthma (AIANE)“ 18 % einer Population von 500 Asthmakranken (19). Auch eine erst kürz-lich publizierte Studie zu den Ergebnissen der Auswertung einer großen elektroni-schen Gesundheitsdatenbank zeigte, dass etwa 12 % der Patienten trotz typischer klinischer Symptome keinen Aspirin-Pro-vokationstest oder eine Desensibilisie-rung erhalten haben und auch die Diag-nose N-ERD nicht gestellt wurde (20). So-mit besteht ein nicht unerheblicher Bedarf Patienten mit den genannten Symptomen nach Einnahme von Aspirin und/oder NSAR, insbesondere Patienten mit Asthma, Nasenpolypen und/oder chroni-scher Rhinosinusitis, auf die Möglichkeit einer N-ERD hinzuweisen bzw. entspre-chende therapeutische Maßnahmen ein-zuleiten. Patienten mit Unverträglichkeiten nach Einnahme von Aspirin und/oder NSAR, insbesondere Patienten mit Asthma, Na-senpolypen und/oder chronischer Rhino-sinusitis, sollten auf die Möglichkeit einer N-ERD sowie die möglichen therapeuti-schen Maßnahmen hingewiesen werden. Pathogenese Nach bisherigen Erkennt-nissen sind die Symptome der N-ERD durch ein Zusammenspiel verschiedener Zytokine und Immunzellen charakteri-siert, welches durch Aspirin und die nicht-selektiven NSAR ausgelöst wird. Diese Arzneistoffe entfalten ihre analgetischen,

antipyretischen und antiphlogistischen Wirkungen durch eine Verminderung der Synthese von Prostaglandinen (21), die auf Hemmung der beiden Isoenzyme der Zyklooxygenase (COX) COX-1 und COX-2 beruht. Für die Entwicklung einer N-ERD spielt jedoch vor allem die Hemmung der COX-1 eine Rolle, denn betroffene Patien-ten reagierten nicht oder kaum auf einen Provokationstest mit dem selektiven COX-2 Inhibitor Celecoxib (22). Zu ähnli-chen Ergebnissen für Rofecoxib, Cele-coxib, Etoricoxib und Meloxicam kam auch eine neuere Meta-Analyse (23). Dar-über hinaus löst das als schwacher COX-Inhibitor eingestufte Paracetamol nur in hohen Dosierungen gering gradige respi-ratorische Symptome aus (24). Im Ge-gensatz zur konstitutiv exprimierten COX-1 wird die COX-2 nur wenig konstitutiv exprimiert, sondern vor allem bei Entzün-dungen induziert bzw. hochreguliert. Je nach Expression der jeweiligen Prostag-landin-Synthasen, führt die Aktivität der COX zur Bildung der D-Typ- (PGD2), E-Typ (PGE2) und F-Typ-Prostaglandine (PGF2α) sowie Thromboxan (TXA2) und Prostazyklin (PGI2) aus dem COX-Inter-mediär-Produkt PGH2 (Weblink 7). Die große Bedeutung der COX-1 bei Pati-enten mit N-ERD beruht vermutlich auf einer lokalen Verminderung der Induktion und damit der Funktion der COX-2 in den oberen und unteren Atemwegen (25). So-mit hängt die Synthese von Prostaglandi-nen bei diesen Patienten im Wesentlichen von der Aktivität der COX-1 ab (Abb. 4A). Von besonderer Bedeutung hierbei ist die durch Aspirin oder NSAR verursachte Verminderung der Synthese von PGE2, denn dieses Prostaglandin ist ein wichtiger Regulator der Synthese von Leukotrienen. PGE2 vermindert nach Bin-dung an den PGE2-Rezeptor die Aktivie-rung von Mastzellen und hemmt die Funk-tion der 5-Lipoxygenase sowie die Funk-tion der Thrombozyten. Entfallen diese Ef-fekte nach Hemmung der COX-1 kommt es bei Patienten mit N-ERD zu einer ab-norm verstärkten Synthese von LTA4, LTB4, LTC4, LTD4 und LTE4 (16). Hierzu tragen auch an Granulozyten, Monozyten oder Eosinophile adhärierte Thrombozy-ten bei, Zellkomplexe, die bei N-ERD Pa-tienten in vergleichsweise hoher Konzent-ration im Blut und Gewebe nachweisbar sind (26). Dementsprechend lässt sich LTE4, der stabile Endmetabolit der

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Cysteinyl-Leukotriene, unter Ruhebedin-gungen und vor allem bei akuten Über-empfindlichkeitsreaktionen vermehrt im Urin von N-ERD-Patienten nachweisen. Gleiches gilt auch für Mastzell-Mediatoren wie Tryptase, Histamin und PGD2. Somit kann davon ausgegangen werden, dass eine Aktivierung von Mastzellen an der Steigerung der Synthese von Cysteinyl-Leukotrienen beteiligt ist. Diese Mechanismen können teilweise die Symptome wie Bronchokonstriktion, ver-mehrte Produktion von Mukus, die Entste-hung von Ödemen in der Schleimhaut so-wie die Eosinophilie erklären. Neueren Forschungsdaten zufolge ist sehr wahr-scheinlich auch eine Immunreaktion Typ

2 an der Entwicklung der Symptome be-teiligt, die durch Cysteinyl-Leukotriene angeregt wird (Abb. 4b). Unter dieser Art von angeborener Immunität wird die Fä-higkeit von spezialisierten Epithelzellen in der Mukosa verstanden, nach Kontakt mit Proteasen, Würmern oder Viren aus der Umgebung Zytokine wie IL-25, IL-33 und „thymic stromal lymphopoietin“ (TSLP) freizusetzen (27). In den Atemwegen werden Becherzellen mit diesem Typ der Immunität in Verbin-dung gebracht. TSLP und IL-33 binden an spezifische Rezeptoren an Mastzellen und fördern die Entzündung und die Freiset-zung von Mastzell-Mediatoren zu denen auch PGD2 gehört (25).

Abb. 4: Schematische vereinfachte Darstellung der Pathogenese der „NSAID-exacerbated respiratory disease“ (N-ERD). A Bei N-ERD Patienten liegt eine Funktionseinschränkung der Cyclooxygenase 2 (COX-2) vor. Bei Behandlung mit Aspirin und/oder NSAR kommt es zu einer deutlichen Verminderung der Bildung von Prostaglandinen. Von besonderer Be-deutung ist die Depletion von Prostaglandin E2 (PGE2), denn PGE2 ist ein wichtiger Regula-tor, der die Synthese von Leukotrienen durch Aktivierung des PGE2-Rezeptors (EP2-R) hemmt. B Dieser Effekt wird durch eine Immunreaktion Typ 2 verstärkt, die durch die Freisetzung von IL-25, IL-33 und „thymic stromal lymphopoietin“ (TSLP) Mastzellen akti-viert und zur Bildung von Mastzellmediatoren wie Histamin, Tryptase und PGD2 führt, die u.a. die N-ERD Symptome auslösen. Darüber hinaus werden auch „Type 2 innate lymphoid cells“ (ILC2) durch LTC4 und LTD4 induzierte Aktivierung des Cysteinyl-Leukotrien-Rezep-tors receptor (CysLT1) stimuliert, die eine Eosinophilie befördern. Die Wirkungen von LTD4 werden durch Aktivierung des G-Protein gekoppelten Rezeptors 99 vermittelt (CRTH2=“chemoattractant receptor-homologous molecule on Th2 cells, Abbildungen mo-difiziert nach (16,25), Näheres siehe Text).

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Dies erklärt den zunächst paradoxen Be-fund erhöhter Konzentrationen von PGD2 trotz Hemmung der Synthese durch Aspi-rin und NSAR. TSLP, IL25 und IL-33 sti-mulieren ebenfalls „Type 2 innate lym-phoid cells“ (ILC2). Es handelt sich dabei um spezialisierte Immunzellen der ange-borenen Immunität, die u.a. IL-5 und IL-13 bilden und auf diese Weise eine Akku-mulation von Eosinophilen fördern. Ein-mal rekrutiert und aktiviert tragen Eo-sinophile ebenfalls zur lokal erhöhten Bil-dung von PGD2 bei. Darüber hinaus ist PGD2 auch in der Lage T-Helferzellen Typ 2 und basophile Granulozyten zu rekrutie-ren sowie durch Aktivierung des Throm-boxan-Rezeptors eine Bronchokonstrik-tion auszulösen. Therapie Aufgrund der beschriebenen Assoziation zwischen Asthma, Nasenpoly-pen und/oder chronischer Rhinosinusitis und N-ERD, orientiert sich die Akut-The-rapie der Symptome an der etablierten medikamentösen Therapie von Asthma und chronischer Sinusitis (16). Bei Asthma besteht diese Therapie aus Bron-chodilatatoren, inhalativen Glukokortikoi-den sowie verschiedenen weiteren Arz-neistoffen wie Tiotropiumbromid, Mon-telukast, Theophyllin und, bei schwerem refraktärem Asthma (Schweregrad Stufe 5) in besonderen Fällen wie schwerer Eo-sinophilie, auch Antikörper gegen Il-5 wie Mepolizumab (Weblink 8). Bei chroni-scher Sinusitis mit oder ohne Polypen werden hauptsächlich topische Glukokor-tikoide und in bestimmten Fällen auch systemische Glukokortikoide oder Anti-körper gegen IgE wie Omalizumab oder IL-5 Antikörper wie Mepolizumab empfoh-len (Weblink 9). Eine weitere medika-mentöse Therapieoption ist der Einsatz des 5-Lipoxygenase-Inibitors Zileuton, der in Deutschland jedoch nicht zur Ver-fügung steht (28). Darüber hinaus wer-den bei Polyposis auch chirurgische Ver-fahren eingesetzt (16). Wie im obigen Fallbericht bereits beschrieben, treten al-lerdings oft und rasch Rezidive der Poly-pen auf (14). Daher wird empfohlen, nach einer solchen Intervention eine Aspirin-Desensibilisierung einzuleiten (16).Die prophylaktische Therapie der N-ERD fußt im Wesentlichen auf der bereits 1922 be-schriebenen Desensibilisierung (14). Diese Therapie bewirkt oft eine Verbesse-rung der Symptomatik von Asthma und Rhinosinusitis und erlaubt eine Reduktion

der Dosis lokaler und systemischer Gluko-kortikoide (29). Ihre Effektivität wurde in mehreren kleinen klinischen Studien ein-heitlich bestätigt (30-32). Sie erscheint vor allem bei Patienten sinnvoll, die eine niedrig dosierte Therapie mit Aspirin zur Prophylaxe kardiovaskulärer Erkrankun-gen erhalten (siehe unten) oder die unter rasch rezidivierenden Polypen leiden. Zu-dem sollten auch N-ERD Patienten mit stark progressivem und schwer einzustel-lendem Asthma, die Aspirin und NSAR meiden, entsprechend behandelt werden. Bei der Desensibilisierung werden den Pa-tienten schrittweise ansteigende Dosie-rungen von Aspirin verabreicht bis eine Dosis von mindestens 325 mg Aspirin problemlos toleriert wird (29). Im An-schluss erfolgt eine Erhaltungstherapie mit 2-Mal täglich 350-600 mg Aspirin. Die Nebenwirkungen der Dauertherapie mit Aspirin sind vielfältig (s.u.), erschei-nen jedoch angesichts der Effektivität der Behandlung und des daraus resultieren-den klinischen Nutzens für die Patienten gut vertretbar. Dennoch beschreiben mehrere ältere kleine klinische Studien, die 107 bis 172 Patienten eingeschlossen hatten und die Effektivität der Desensibi-lisierung untersuchten, vergleichsweise hohe Abbruchquoten wegen Nebenwir-kungen von 14-30 % (30-32). Haupt-grund mit bis zu 66 % der Therapieabbrü-che waren gastrointestinale Beschwerden wie Dyspepsie, Gastritis oder epigastrale Schmerzen. Möglicherweise lassen sich solche Therapieabbrüche durch eine Be-gleittherapie mit beispielsweise Protonen-pumpen-Inhibitoren reduzieren. Thera-pieabbrüche aufgrund von Blutungen wie Epistaxis oder Ekchymosen sowie von Urtikaria und Angioödemen waren dage-gen deutlich seltener. Zu den Nebenwir-kungen und den darauf beruhenden The-rapieabbrüchen bei einer Dauertherapie mit Aspirin an sonst gesunden Menschen geben mehrere neue große klinische Stu-dien zum Stellenwert der Primärpräven-tion kardiovaskulärer Erkrankungen mit Aspirin weiteren Aufschluss. Prävention mit Aspirin Aspirin in niedriger Dosierung wird seit Jahrzehnten weltweit bei vielen Millionen Patienten zur Prophylaxe kardiovaskulä-rer Erkrankungen eingesetzt. Dies wirft

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angesichts der Häufigkeit von N-ERD bei Asthmatikern die Frage auf, ob ein Zu-sammenhang zwischen dem regelmäßi-gen Gebrauch von Aspirin in der Pri-märprävention und der Häufigkeit von Asthma bei sonst gesunden Menschen be-steht. Hierzu wurden die Daten zweier sehr großer klinischer Studien auf diesen Aspekt hin ausgewertet. Es handelt sich dabei um die Women‘s Health Study und die Physician’s Health Study. In der Women‘s Health Study erhielten 39.876 zu Beginn der Studie gesunde Frauen ab einem Alter von 40 Jahren für 10 Jahre jeden zweiten Tag 100 mg Aspi-rin (33). Dabei zeigte sich eine signifi-kante Reduktion der Rate von Schlagan-fällen, jedoch nicht von Herzinfarkten o-der kardiovaskulären Todesfällen. In Ver-lauf dieser Studie traten 873 neu diagnos-tizierte Fälle von Asthma im Aspirin-Arm und 963 Fälle im Placebo-Arm auf (34). Dies entspricht einer geringen (10 %) aber signifikanten (P=0,027) Reduktion des relativen Risikos erstmals an Asthma zu erkranken. In der Physician’s Health Study erhielten 22.071 zu Beginn der Stu-die gesunde männliche Ärzte ab einem Al-ter von 40 Jahren (35) für im Mittel 60,1 Monate jeden zweiten Tag 325 mg Aspi-rin. In der Endauswertung dieser Studie ergab sich eine signifikante Reduktion des Myokardinfarkt-Risikos um 44 %, wäh-rend die kardiovaskuläre Sterblichkeit und die Schlaganfallrate nicht beeinflusst wurden (36). Bei der Auswertung der Da-ten zeigte sich, dass im Aspirin-Arm 113 und im Placebo-Arm 145 neu diagnosti-zierte Fälle von Asthma auftraten (37). Danach reduzierte die regelmäßige Gabe von Aspirin signifikant (P=0,045) die Rate neu aufgetretener Asthma-Erkrankungen bei Männern um 22 %. Somit ist die re-gelmäßige Anwendung von Aspirin bei sonst gesunden Frauen und Männern nicht mit einer Zunahme, sondern mit ei-ner Abnahme der Wahrscheinlichkeit erst-mals an Asthma zu erkranken verbunden. Neues zur Primärprävention An dieser Stelle erscheint es sinnvoll, die oben dar-gestellten (historischen) Daten zur Effek-tivität von Aspirin bei der Primärprophy-laxe kardiovaskulärer Erkrankungen wie Myokardinfarkt oder Schlaganfall aktuel-len Studiendaten gegenüber zu stellen. Vor wenigen Wochen wurden drei große randomisierte klinische Studien publiziert,

von welchen eine (ASPREE) die prognos-tische Wirkung einer Dauertherapie von Aspirin bei gesunden älteren Menschen hinsichtlich des Auftretens einer Behinde-rung (38), eines kardiovaskulären Ereig-nisses (39) und Todesfällen jeder Ursache (40) untersuchten. In einer zweiten Stu-die (ASCEND) wurde der Effekt von Aspi-rin auf die Rate kardiovaskulärer Ereig-nisse bei Diabetikern evaluiert (41) und in die dritte Studie (ARRIVE) wurden Patien-ten mit moderatem kardiovaskulären Ri-siko eingeschlossen (42). In diesen Studien wurden insgesamt 23.535 Teilnehmer der Behandlung mit 100 mg Aspirin/Tag als magensaft-resis-tente Tablette zugeteilt. In der ASCEND-Studie zeigte Aspirin einen geringen aber signifikanten Vorteil gegenüber Placebo, während in den anderen Studien kein sig-nifikanter Effekt von Aspirin auf die ge-wählten kardiovaskulären Endpunkte be-obachtet wurde. Diese insgesamt enttäu-schenden Ergebnisse hinsichtlich des Nut-zens von niedrig dosiertem Aspirin in der Primärprophylaxe wurden von Paul Ridker unterstützt durch eine Metaanalyse in ei-nem Editorial wie folgt kommentiert: „…die Nutzen-Risiko-Relation für prophy-laktisches Aspirin ist außergewöhnlich klein. …die beste Strategie für die Ver-wendung von Aspirin in der Primärprä-vention kardiovaskulärer Erkrankungen könnte einfach darin bestehen, statt des-sen ein Statin zu verordnen“ (43). Ein wesentlicher Unterschied zwischen Statinen und Aspirin ist die klar höhere Rate an Nebenwirkungen bei Aspirin. Dies betrifft vor allem das deutlich erhöhte Blutungsrisiko. Aus diesem Grund wurde auch schon vor der Publikation der o.g. Studien die Primärprävention mit Aspirin bei geriatrischen Patienten sehr kritisch gesehen (Weblink 10). In der ASPREE-Studie erhöhte Aspirin das Risiko schwerwiegender Blutungen einschließ-lich intrakranieller Blutungen um 38 % und das Risiko gastrointestinaler Blutun-gen um 87 %. Ganz ähnliche Ergebnisse fanden sich auch in der ASCEND- und der ARRIVE-Studie. Angesichts dieser Daten muss davon ausgegangen werden, dass auch die Erhaltungstherapie mit Aspirin bei N-ERD-Patienten nach einer Desensi-bilisierung mit intrakraniellen und schwerwiegenden gastrointestinalen Blu-tungen einhergehen kann. Daher sollte

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ein erhöhtes Blutungsrisiko, beispiels-weise bei geriatrischen Patienten, Patien-ten mit Blutungsereignissen in der Anam-nese oder Therapie mit Antikoagulantien oder mit zu niedrigem Hb-Wert, berück-sichtigt und entsprechend disponierte Pa-tienten engmaschig kontrolliert werden. Pharmazeutische Beratung Aspirin und nicht-steroidale Antirheuma-tika spielen aufgrund ihrer analgetischen, antipyretischen und antiphlogistischen Wirkungen eine große Rolle bei der Selbstmedikation. Daher sind entspre-chende Kenntnisse zu den Eigenschaften dieser Arzneistoffe für die pharmazeuti-sche Beratung unverzichtbar. Dies gilt nicht nur für Interaktionen, Nebenwirkun-gen und Kontraindikationen, sondern auch für Unverträglichkeiten wie der N-ERD. Patienten mit Symptomen wie Rhi-nitis, Sinusitis, Niesen, Husten oder einer Beeinträchtigung der Respiration nach Einnahme von Aspirin und/oder NSAR, insbesondere Patienten mit Asthma, Na-

senpolypen und/oder chronischer Rhino-sinusitis, sollten auf die Möglichkeit einer N-ERD sowie deren Therapie hingewiesen werden. „…die beste Strategie für die Verwen-dung von Aspirin in der Primärprävention kardiovaskulärer Erkrankungen könnte einfach darin bestehen, statt dessen ein Statin zu verordnen“ Paul Ridker (43) Hierzu gehört auch der Hinweis, dass ver-schreibungspflichtige selektive COX-2 In-hibitoren wie Celecoxib oder Etoricoxib und Paracetamol in Einzel-Dosierungen bis 1.000 mg in solchen Fällen gut vertra-gen werden. Schließlich wäre es auch wichtig von Patienten mit den o.g. Erkran-kungen kommunizierte Unverträglichkei-ten gegenüber Aspirin und NSAR zu hin-terfragen, denn es ist gut bekannt, dass die N-ERD auch dann die o.g. Grunder-krankungen verschlimmert, wenn Aspirin und NSAR von den Patienten wegen der Unverträglichkeiten gemieden werden.

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Erklärung zu Interessenkonflikten Der Autor erhielt Forschungsgelder1 sowie dienstlich genehmigte Beratungs-2 und Referentenhonorare3 von den Arzneimittelherstellern: Actavis1, Alcon3, Allergan2, Boehringer3, Mundipharma3, Schwarz Pharma1, Pfizer1,2 und Shire1-3 Hinweis Die Nennung des Handelsnamens von Acetylsalicylsäure statt einer Abkürzung wie ASS beruht auf der Tatsache, dass die meisten wissenschaftlichen Aufsätze zu dem Thema des Beitrags die Bezeichnung Aspirin verwenden Danksagung Der Autor dankt Herrn Apotheker Michael Krybus für die sorgfältige Durch-sicht des Manuskripts. Weblinks 1) Webseiten der ABDA Datenbank, Fachinformation Aspirin® 500 mg, kostenpflichtig, Zugriff am 14.09.2018 http://www.pharmazie.com/ 2) Webseiten der ABDA Datenbank, Fachinformation Ziagen® 300 mg, kostenpflichtig, Zugriff am 20.09.2018 http://www.pharmazie.com/ 3) Englisch-sprachige Webseiten Wikipedia, Artikel Toxic epidermal necrolysis (TEN), Zugriff am 17.09.2018 https://en.wikipedia.org/wiki/Toxic_epidermal_necrolysis 4) Kojda G. Antiretrovirale Therapie bei HIV-Infektion. Fortbildungstelegramm Phar-mazie 2016;10(6):218-238 https://www2.hhu.de/kojda-pharmalehrbuch/FortbildungstelegrammPharmazie/Fortbildungsartikel.html 5) Webseiten des Robert-Koch-Instituts, Prävalenz von Asthma bronchiale, GEDA 2009, Zugriff am 5.11.2018 https://www.rki.de/DE/Content/Gesundheitsmonitoring/Gesundheitsberichterstattung/GBEDownloadsB/Geda09/Asthma_bronchiale.pdf?__blob=publicationFile 6) Webseiten der WHO, The Global Asthma Report 2018, Zugriff am 5.11.2018 http://www.globalasthmareport.org/ 7) Catal H, Thuy-Vy Tran M. Topische nicht-steroidale Antirheumatika. Fortbildungste-legramm Pharmazie 2016;10(6):218-238 https://www2.hhu.de/kojda-pharmalehrbuch/FortbildungstelegrammPharmazie/SerieApothekenpraxis.html 8) Kojda G. Neue Erkenntnisse zu Verlauf und Pharmakotherapie bei Asthma bronchi-ale. Fortbildungstelegramm Pharmazie 2016;10(3):112-133 https://www2.hhu.de/kojda-pharmalehrbuch/FortbildungstelegrammPharmazie/SerieApothekenpraxis.html 9) Webseiten der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachge-sellschaften (AWMF), Langfassung der S2k-Leitlinie "Rhinosinusitis“, Zugriff am 11.10.2018 https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/017-049.html 10) Kojda G. Kardiovaskuläre Therapie bei hochbetagten Senioren. Kein Ausstieg in Sicht? Fortbildungstelegramm Pharmazie 2018;12(4):160-184 https://www2.hhu.de/kojda-pharmalehrbuch/FortbildungstelegrammPharmazie/Fortbildungsartikel.html

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