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8 FRILO-Magazin Kundenprojekt keiten und Verzögerungen, so dass die Straßenbaubehörde gezwungen war, im Sommer 2002 den beauftragten Inge- nieur zu entlassen und Leonhardt, Andrä und Partner (LAP) mit der Detailplanung zu beauftragen. LAP hatte die beauf- tragte Baufirma Bilfinger + Berger bereits in der Angebots- phase beraten und plante in ihrem Auftrag die Baubehelfe und sollte auch die Montageplanung erbringen. Durch diese Vorarbeiten war LAP bestens qualifiziert, kurzfristig die entstandene Lücke auszufüllen. Zum Zeitpunkt der Beauftragung der Detailplanung durch die Straßenbaubehörde Ende August 2002 an LAP war die Baufirma längst vollständig mobilisiert und wartete seit Monaten auf die ersten Pfahl- und Gründungspläne, um mit den Bauleistungen beginnen zu können. LAP fiel somit die Aufgabe zu, in einem halben Jahr Planungszeit ein halbes Jahr aufgelaufene Verzögerungen aufzuholen und in den ersten Wochen der Planung bereits erste geprüfte Gründungspläne vorzulegen. Am 31. August 2002 begann im Stuttgarter Büro der Wettlauf gegen die Uhr, den wir im Februar 2003 im Prinzip gewonnen hatten, nachdem Termingerecht konnte am 15. August 2004 Panamas zweite große Brücke übergeben werden. Die neue Querung des Kanals wurde genau 90 Jahre nach der Eröffnung des Kanals fertig und die amtierende Ministerpräsidentin Moscoso krönte das Ende ihrer Amtszeit mit der Inbetriebnahme des größten Infrastrukturprojektes des Landes seit dem Bau des Kanals. Die Planung hatte im Jahr 2000 mit einem Ideenwett- bewerb begonnen. Bereits zu diesem Zeitpunkt stand der Eröffnungstag 15. August 2004 als Ziel fest, so dass nur ein Design-Build-Verfahren in Frage kam, was in Europa üblich und nach US-Praxis neuerdings als „Fast Track“-Verfahren eingeführt wird, mit dem Unterschied, dass der planende Ingenieur weiterhin von der Behörde beauftragt wird und nicht von der Baufirma. Die Ausführungsplanung erfolgt ohne besonderen Vorlauf fast parallel zur Ausführung. Durch die halbherzige Umstellung von traditionellen amerikanischen Verfahren, bei dem der Unternehmer vorab die komplette Ausführungsplanung erhält, auf ein Design- Build-Verfahren ergaben sich hier erhebliche Schwierig- Puente Centenario K. Humpf, S. Hopf Die zweite Panamabrücke wurde nach knapp zwei Jahren Bauzeit dem Verkehr übergeben. Es wird berichtet von der Pla- nung und der Ausführung einer 1052 m langen Schrägkabelbrücke.

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Kundenprojekt

keiten und Verzögerungen, so dass die Straßenbaubehörde gezwungen war, im Sommer 2002 den beauftragten Inge-nieur zu entlassen und Leonhardt, Andrä und Partner (LAP) mit der Detailplanung zu beauftragen. LAP hatte die beauf-tragte Baufirma Bilfinger + Berger bereits in der Angebots-phase beraten und plante in ihrem Auftrag die Baubehelfe und sollte auch die Montageplanung erbringen. Durch diese Vorarbeiten war LAP bestens qualifiziert, kurzfristig die entstandene Lücke auszufüllen.

Zum Zeitpunkt der Beauftragung der Detailplanung durch die Straßenbaubehörde Ende August 2002 an LAP war die Baufirma längst vollständig mobilisiert und wartete seit Monaten auf die ersten Pfahl- und Gründungspläne, um mit den Bauleistungen beginnen zu können. LAP fiel somit die Aufgabe zu, in einem halben Jahr Planungszeit ein halbes Jahr aufgelaufene Verzögerungen aufzuholen und in den ersten Wochen der Planung bereits erste geprüfte Gründungspläne vorzulegen. Am 31. August 2002 begann im Stuttgarter Büro der Wettlauf gegen die Uhr, den wir im Februar 2003 im Prinzip gewonnen hatten, nachdem

Termingerecht konnte am 15. August 2004 Panamas zweite große Brücke übergeben werden. Die neue Querung des Kanals wurde genau 90 Jahre nach der Eröffnung des Kanals fertig und die amtierende Ministerpräsidentin Moscoso krönte das Ende ihrer Amtszeit mit der Inbetriebnahme des größten Infrastrukturprojektes des Landes seit dem Bau des Kanals.

Die Planung hatte im Jahr 2000 mit einem Ideenwett-bewerb begonnen. Bereits zu diesem Zeitpunkt stand der Eröffnungstag 15. August 2004 als Ziel fest, so dass nur ein Design-Build-Verfahren in Frage kam, was in Europa üblich und nach US-Praxis neuerdings als „Fast Track“-Verfahren eingeführt wird, mit dem Unterschied, dass der planende Ingenieur weiterhin von der Behörde beauftragt wird und nicht von der Baufirma. Die Ausführungsplanung erfolgt ohne besonderen Vorlauf fast parallel zur Ausführung.

Durch die halbherzige Umstellung von traditionellen amerikanischen Verfahren, bei dem der Unternehmer vorab die komplette Ausführungsplanung erhält, auf ein Design-Build-Verfahren ergaben sich hier erhebliche Schwierig-

Puente Centenario

K. Humpf, S. Hopf

Die zweite Panamabrücke wurde nach knapp zwei Jahren Bauzeit dem Verkehr übergeben. Es wird berichtet von der Pla-nung und der Ausführung einer 1052 m langen Schrägkabelbrücke.

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Schrägkabelbrücke Panama

die Planung im wesentlichen abgeschlossen werden konnte und der Prüfer Schritt für Schritt die Pläne zur Ausführung freigegeben hatte. Von nun an lag es an der Ausführung, das vorgelegte Tempo auf der Baustelle umzusetzen. Nur noch 18 Monate verblieben, um ein Bauwerk mit 35800 m² Brückenfläche fertigzustellen.

Brückenstandort und BaubeschreibungDer Panamakanal durchquert das Land in Nord-Süd-Rich-tung. Der größte Teil des ca. 80 km langen Kanals verläuft in einem aufgestauten See auf +27 m ü.N.N. Die Schiffe durchlaufen am Pazifik und Atlantik je ein dreistufiges Schleußensystem, um auf die Höhe des Stausees und wieder auf Meereshöhe zu gelangen. Auf der Nordseite zum Atlan-tik hin ist das Land flach, während die Süd- und Pazifikseite durch einen Gebirgszug abgeschlossen wird. Der Kanal-durchbruch durch diesen Gebirgszug war der schwierigste Teil und hier waren die Franzosen im 19. Jahrhundert bereits gescheitert. Beim Durchbruch, dem sogenannten „Culebra

Cut“ hatte man mit nicht endenden Hangrutschungen zu kämpfen, was schließlich zur Änderung der Pläne der Kanalbauer führte. Anstatt wie beim Suezkanal eine direkte Verbindung auf Meeresniveau herzustellen, wurde auf ein Schleusensystem mit hochliegendem Kanal umgestellt, um den nicht zu beherrschenden tiefen Einschnitt am Culebra Cut zu reduzieren.

Die Stadt Panama City liegt östlich vom Kanal am Pazi-fik und hatte bisher nur eine Verbindung zur Westseite über die in den 60er Jahren an der Kanalmündung erbaute Puente de las Americas. Das neue Brückenbauwerk sollte in den Bergen etwa 30 km nördlich errichtet werden, so dass trotz einer geforderten Durchfahrtshöhe von 80 m auf lange Rampenbauwerke verzichtet werden konnte. Die neue Verbindung entlastet die stark befahrene erste Brücke und hat im wesentlichen lokale Bedeutung. Außerdem ist sie Teil der sogenannten „Transamericana“, die einmal von Alaska bis Feuerland in Argentinien eine durchgängige Straßenver-bindung durch zwei Kontinente bilden wird.

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Kundenprojekt

Mit Spannweiten von 60 – 60 – 60 – 200 – 420 – 200 – 46 m überführt die Brücke zwei 3-spurige Richtungsfahrbah-nen und einen Fußweg in Brückenmitte. Die große Haupt-spannweite erlaubt den zukünftigen Ausbau des Kanals auf 275 m Breite. Der Überbau besteht aus einem Hohlkasten mit weit auskragenden Kragarmen und Querträgern in 6,0 m Abstand. Überbau und Pylone sind monolithisch miteinan-der verbunden, durchdringen sich und bilden einen Rahmen im Längs- und Querrichtung. In den Vorlandfeldern, ohne Überspannung, ist der Überbau längs verschieblich gelagert. Die im Abstand von 6 m in der Brückenachse angeordneten Kabel werden im Hohlkasten unter dem Fußweg verankert. Im Pylonkopf schließt eine ringförmige Vorspannung die Horizontalkomponenten der Kabelverankerungspunkte kurz.

Auf der Brücke ist vorerst keine Straßenbeleuchtung vorgesehen, die Seilharfe und Pylone werden jedoch bei Nacht durch Scheinwerfer angestrahlt, so dass das Bauwerk ohne den Schiffsverkehr zu beeinträchtigen im nächtlichen Himmel hoch über dem Kanal zu sehen ist. An den inneren Fahrbahnrändern wurden Betongleitwände mit aufgesetz-tem Geländer angeordnet, die Fußweg und Seilharfe vor dem Verkehr schützen. Am äußeren Rand neben der Stand-spur kam ein verstärktes Geländer mit Rückhaltestufe H2 (nach DIN EN 1317-2) als Absturzsicherung zum Einsatz.

Die vorgesehene Verschleißschicht in Beton wurde zusammen mit dem Konstruktionsbeton eingebracht, so dass am Ende der Bauphase nur noch die unvermeidlichen Unebenheiten abgefrässt werden mußten und der Beton aufzurauhen war.

Herstellung und BaubehelfeDie Vorlandbrücken wurden mit feldweiser Rüstung auf jeweils einer Zwischenstütze hergestellt. Nach dem Betonie-ren des Trogs wurde die Fahrbahn mit den Querträgern in Abschnitten von 12 m betoniert.

Die Rüstung von 60 m Länge wurde 4 mal eingesetzt und musste nach dem ersten Einsatz auf der Ostseite vollstän-dig zerlegt und für drei weitere Einsätze auf die Westseite

verbracht werden. Auch zum Versetzen von einem Feld zum nächsten war weitgehendes Zerlegen und ein erneuter Zusammenbau angesagt.

Die überspannten Bereiche wurden traditionell im Frei-vorbau von den Pylonen aus hergestellt. Die Abschnitts-längen entsprachen den Seilabständen von 6 m. Für diese Herstellung kamen vier Vorbauwagen zum Einsatz, die zum Betonieren des Starterelements am Pylon zu einer Einheit verbunden und anschließend wieder getrennt wurden. Die einzelnen Geräte wogen bis zu 400 t beim Aufziehen am Pylon. Beim Verfahren übernahm der große C-Rahmen die gesamten Rüstungslasten und wurde über Gleitbleche, Stahl auf Stahl gleitend, verschoben. Für den Verschubvorgang musste die gesamte Konstruktion um ca. 1,2 m abgesenkt werden, damit die Schalung unter den Querträgern frei kam.

Durch eine ausgekügelte Arbeitsvorbereitung, der Ver-wendung von Teilfertigteilen in den Verankerungsbereichen und der Optimierung aller Arbeitsabläufe konnten 6 m-Segmente in einer Rekordzeit von nur 4 Tagen hergestellt werden. Im Zeitraum von Januar 2004 bis Juli 2004 wurden mit 4 Vorbauwagen 129 Segmente betoniert und vorge-spannt, d. h. im Schnitt wurden nur 6 Tage benötigt. Ohne die enge Abstimmung der Entwurfsplanung auf die Belange der Herstellung wären diese rekordverdächtige Herstellge-schwindigkeit nicht möglich gewesen.

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Schrägkabelbrücke Panama

PlanungsablaufWegen des extremen Zeitdrucks und der Größe der Aufgabe musste in kürzester Zeit ein großes Planungsteam mobili-siert werden. Dies bestand nach wenigen Wochen aus einem großen Team in der Hauptniederlassung in Stuttgart sowie angegliederten Gruppen bei befreundeten Büros in Deutsch-land und Argentinien. Insbesondere in Argentinien waren zeitweise Ingenieure aus drei Büros für LAP tätig. Da alle Unterlagen für die Baustelle in spanischer Sprache abzulie-fern waren, lag die teilweise Auslagerung der Planungsar-beiten in ein entsprechendes Land nahe.

In den allerersten Planungsschritten musste man mit ver-einfachten Ansätzen und effektiven Hilfsmitteln zu zuver-lässigen Ergebnissen im Sinne einer Vorplanung kommen. Da in Panama alle Baumaterialien importiert wurden, kam der frühzeitigen Bestellung von Stahl, Bewehrung und Spann-stahl große Bedeutung zu, d. h. fast gleichzeitig mit dem Planungsbeginn waren die Angaben zur Materialbestellung zu liefern. Damit war es in den ersten Wochen von größ-ter Bedeutung, sich nur auf die Untersuchung der wirklich dominanten Einflüsse zu beschränken und mit vereinfach-ten Systemen zu arbeiten. Für die Vordimensionierung des Schalwagens und des Überbaus in Querrichtung kam ins-besondere das Programm Friedrich + Lochner zum Einsatz. Erst in den weiteren Stufen der Bearbeitung konnte mit den großen spezialisierten Brückenbauprogrammen operiert werden und die Schnittkraftermittlung und Sicherheits-nachweise mit allen Feinheiten durchgeführt werden. Eine langjährige Erfahrung mit Schrägkabelbrücken ist für diese Vorgehensweise selbstverständlich die Grundvoraussetzung. In weiten Bereichen waren die seismischen Beanspruchun-gen maßgebend für die Unterbauten. Die zu berücksichti-gende Grundbeschleunigung war ao = 0,33 x g.

SchlussbemerkungNur durch den außergewöhnlicher Einsatz aller Beteiligten, die trotz unterschiedlichsten Funktionen sich immer den gemeinsamen Ziel verpflichtet sahen, das Unmögliche noch zu erreichen, konnte in einer Rekordbau- und Planungszeit ein großartiges Bauwerk in einer fesselnden Landschaft errichtet werden. Ein Bauwerk gebaut für die Menschen in Panama City, welches die Trennung des Landes durch den Kanal überwindet.

BeteiligteBauherr: Ministerio de Obras Públicas, PanamaEntwurf: T.Y.Lin, San FranciscoAusführungsplanung: Leonhardt, Andrä und Partner, Stuttgart, Federführend, unterstützt durch: Techint TEPGE, Buenos Aires COPIGA, Buenos Aires Ingea, Buenos Aires Brandolini + Seitz, UlmGeotechn. Beratung: Smoltzcyk und Partner, StuttgartWindkanalversuche: RWTH AachenPrüfung und Bauüberwachung: COWI, KopenhagenBauausführung: Bilfinger und Berger, WiesbadenKabel: FreysinnetVorbauwagen: URSALager: Schreiber MetallbauFahrbahnübergänge: Maurer und SöhneGeländer: VR Safety Rail

Leonhardt, Andrä und Partner Beratende Ingenieure VBI, GmbH Lenzhalde 1670192 Stuttgart www.lap-consult.com