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PVD – Eine Erfolgsgeschichte mit Zukunft PVD – A success story with a future K. Bobzin, N. Bagcivan, P. Immich, C. Pinero, N. Goebbels, A. Kra ¨ mer PVD-Schichten (PVD: Physical Vapour Deposition) in Schicht- dickenbereichen von wenigen Nanometern bis einigen Mikrome- tern sind aus den Ingenieurwissenschaften nicht mehr wegzuden- ken. PVD-Schichten begegnen uns u ¨berall im ta ¨glichen Leben, als Datenspeicher auf CDs/DVDs, als Wa ¨rmeda ¨mmung auf Auto- und Architekturglas, als Diffusionsbarriere bei Lebensmittel- verpackungen oder als dekorative Schichten fu ¨r Schmuck, Arma- turen und Accessoires. In den letzten 3 Jahrzehnten haben sich PVD-Schichten in einer Vielzahl von technischen Anwendungen zum Verschleißschutz und zur Reibminderung etablieren ko ¨nnen. Neben der eigentlichen Schichtentwicklung, zuna ¨chst fu ¨r Werkzeuge spa ¨ter auch fu ¨r Bau- teile, wurden in der Vergangenheit zahlreiche Erfahrungen zur me- thodischen Produktentwicklung gesammelt. Die Oberfla ¨che als modernes Konstruktionselement steht dabei noch ganz am Anfang des Mo ¨glichen. Die bisher erreichbare Leistungsfa ¨higkeit beschich- teter Bauteile kann noch erheblich gesteigert werden, wenn das tri- bologische System bestehend aus Schicht-, Substratwerkstoff und Zwischenstoff, wie z. B. Schmiermittel, unter Beru ¨ cksichtigung der Mikro- und Makrogeometrie fu ¨ r eine spezielle Anwendung optimal ausgelegt werden. Exemplarisch wird an einem Anwendungsbeispiel aus dem Son- derforschungsbereich (SFB) 442 „umweltvertra ¨gliche Tribosy- steme“ der RWTH Aachen die Umsetzung von Ergebnissen aus der Grundlagenforschung bis hin zur industriellen Anwendung vor- gestellt und an der industriellen PVD-Marktentwicklung gespie- gelt. In diesem Beispiel wird die Entwicklungsmethodik der Ober- fla ¨chentechnik in der Prozesskette von der Fertigung bis zum Ein- satztest des neuen Produktes dargestellt. Schlu ¨sselworte: PVD (Physical Vapour Deposition), Oberfla ¨che, Bauteilbeschichtung, Verschleißschutz, Reibminderung, PVD coatings in the range of a few nanometers up to some mi- crons have become state of the art in engineering technology. PVD coatings can be found anywhere in our everday lives. They are used in data storage mediums such as CDs or DVDs. Car or architectural glasses are improved by thermal insulation coatings. A diffusion barrier is achieved via PVD coatings at food packaging. For dec- orative aspects sham jewelery and accessoires are coated as well as fittings. In the last three decades PVD coatings have been established in a variety of technical applications acquiring wear protection and/or friction reduction. First, coatings for tools have been developed, later on for components as well. So, in the past lots of experiences have been made not only in coating development, but likewise in methodical product design. By contrast, the surface has not yet been regarded as construction element. Here the knowledge is just at the beginning. The achieved performance of coated components can be improved drastically if the tribological system consisting of coat- ing, substrate and intermediate material is designed for one single application with regard to the macro- and micro geometry. An exemplary application derived from the collaborative re- search center (SFB 442) “Environmentally friendly tribosystems” at the RWTH Aachen university is discussed. Results of fundamen- tal research and their way into industrial applications are presented. The research development is reflected with regard to the develop- ment of the industrial PVD market. Regarding a process chain for the exemplary application the development method of surface tech- nology is explained beginning with the production up to field test- ing of a new product. Keywords: PVD (Physical Vapour Deposition), surface, compo- nent coating, wear protection, friction reduction 1 Plasma-Du ¨ nnschichttechnologie Der Ursprung der Du ¨ nnschichttechnologie liegt in Deutsch- land. Zu Beginn des letzten Jahrhunderts wurden vorwiegend in der Optik Oberfla ¨chen bedampft. Allerdings findet man die erste Serienproduktion 1930 in der Elektronik bei der Herstel- lung von Kohlenstoffwidersta ¨nden, die aufgedampft wurden [1]. Bis in die 1960er Jahre verbreitete sich die Du ¨nnschicht- technologie vorwiegend im optischen Bereich. Die sprung- hafte Entwicklung der Mikroelektronik fu ¨hrte dann zu einem versta ¨rkten Einsatz der Du ¨nnschichttechnologie in der Elek- tronik. Die Weiterentwicklung der Beschichtungsprozesse er- mo ¨glichte, dass 1980 die ersten PVD-Verschleißschutzschich- ten fu ¨r Zerspanwerkzeuge auf den Markt kamen. Seit dem breiten sich PVD-Schichten erstaunlich rasant in allen verar- beitenden Bereichen des Maschinenbaus aus. Vor allem die Nutzung von gepulsten Plasmen ero ¨ffnet hier immer neue, sehr faszinierende Mo ¨glichkeiten [2, 3]. Die letzte große Marktstudie zur Du ¨ nnschichttechnologie wurde 1993 vom VDI im Auftrag des BMBF durchgefu ¨hrt [1], 13 Jahre nach Markteinfu ¨hrung der PVD-Schichten im Maschinenbau. Mittlerweile ist bekannt, dass in diesem Fall alle positiven Prognosen von damals noch deutlich u ¨ber- troffen wurden. Die Verteilung der Marktanteile fu ¨ r die Du ¨nn- schichtanlagentechnik auf USA, Su ¨dost-Asien, Europa und getrennt davon Deutschland zeigt, dass vor allem in den Be- reichen Optik und Oberfla ¨chenschutz Deutschland eine fu ¨h- rende Marktposition inneha ¨lt. Mit PVD-Prozessen werden durch das Abscheiden von Ionen, Atomen oder Moleku ¨len aus der Gas- oder Dampf- phase Schutzschichten auf Werkzeugen und Bauteilen in Schichtdicken von ca. 1 lm bis 6 lm synthetisiert. Diese PVD-Prozesse laufen als Batchprozesse im Hochvakuum bei Temperaturen zwischen ca. 140 C und 600 C ab. Damit liegen die Beschichtungstemperaturen unterhalb der Anlas- stemperaturen vieler metallischer Grundwerkstoffe, so dass ein Ha ¨rteverlust oder Verzug der Bauteile wa ¨hrend der Be- schichtung ausgeschlossen werden kann. Die fu ¨r die chemi- schen Verbindungen erforderlichen Ausgangsmaterialien (z. B. Metalle, Keramiken) werden nach unterschiedlichen physikalischen Prinzipien verdampft (thermisch) oder zer- sta ¨ubt (Impulsaustausch) und auf den Bauteilen wieder kon- Mat.-wiss. u. Werkstofftech. 2008, 39, No. 1 DOI: 10.1002/mawe.200700252 F 2008 WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim 5

PVD – Eine Erfolgsgeschichte mit Zukunft

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PVD – Eine Erfolgsgeschichte mit ZukunftPVD – A success story with a future

K. Bobzin, N. Bagcivan, P. Immich, C. Pinero,N. Goebbels, A. Kramer

PVD-Schichten (PVD: Physical Vapour Deposition) in Schicht-dickenbereichen von wenigen Nanometern bis einigen Mikrome-tern sind aus den Ingenieurwissenschaften nicht mehr wegzuden-ken. PVD-Schichten begegnen uns uberall im taglichen Leben,als Datenspeicher auf CDs/DVDs, als Warmedammung aufAuto- und Architekturglas, als Diffusionsbarriere bei Lebensmittel-verpackungen oder als dekorative Schichten fur Schmuck, Arma-turen und Accessoires.

In den letzten 3 Jahrzehnten haben sich PVD-Schichten in einerVielzahl von technischen Anwendungen zum Verschleißschutz undzur Reibminderung etablieren konnen. Neben der eigentlichenSchichtentwicklung, zunachst fur Werkzeuge spater auch fur Bau-teile, wurden in der Vergangenheit zahlreiche Erfahrungen zur me-thodischen Produktentwicklung gesammelt. Die Oberflache alsmodernes Konstruktionselement steht dabei noch ganz am Anfangdes Moglichen. Die bisher erreichbare Leistungsfahigkeit beschich-teter Bauteile kann noch erheblich gesteigert werden, wenn das tri-bologische System bestehend aus Schicht-, Substratwerkstoff undZwischenstoff, wie z. B. Schmiermittel, unter Berucksichtigung derMikro- und Makrogeometrie fur eine spezielle Anwendung optimalausgelegt werden.

Exemplarisch wird an einem Anwendungsbeispiel aus dem Son-derforschungsbereich (SFB) 442 „umweltvertragliche Tribosy-steme“ der RWTH Aachen die Umsetzung von Ergebnissen ausder Grundlagenforschung bis hin zur industriellen Anwendung vor-gestellt und an der industriellen PVD-Marktentwicklung gespie-gelt. In diesem Beispiel wird die Entwicklungsmethodik der Ober-flachentechnik in der Prozesskette von der Fertigung bis zum Ein-satztest des neuen Produktes dargestellt.

Schlusselworte: PVD (Physical Vapour Deposition), Oberflache,Bauteilbeschichtung, Verschleißschutz, Reibminderung,

PVD coatings in the range of a few nanometers up to some mi-crons have become state of the art in engineering technology. PVDcoatings can be found anywhere in our everday lives. They are usedin data storage mediums such as CDs or DVDs. Car or architecturalglasses are improved by thermal insulation coatings. A diffusionbarrier is achieved via PVD coatings at food packaging. For dec-orative aspects sham jewelery and accessoires are coated as well asfittings.

In the last three decades PVD coatings have been established in avariety of technical applications acquiring wear protection and/orfriction reduction. First, coatings for tools have been developed,later on for components as well. So, in the past lots of experienceshave been made not only in coating development, but likewise inmethodical product design. By contrast, the surface has not yet beenregarded as construction element. Here the knowledge is just at thebeginning. The achieved performance of coated components can beimproved drastically if the tribological system consisting of coat-ing, substrate and intermediate material is designed for one singleapplication with regard to the macro- and micro geometry.

An exemplary application derived from the collaborative re-search center (SFB 442) “Environmentally friendly tribosystems”at the RWTH Aachen university is discussed. Results of fundamen-tal research and their way into industrial applications are presented.The research development is reflected with regard to the develop-ment of the industrial PVD market. Regarding a process chain forthe exemplary application the development method of surface tech-nology is explained beginning with the production up to field test-ing of a new product.

Keywords: PVD (Physical Vapour Deposition), surface, compo-nent coating, wear protection, friction reduction

1 Plasma-Dunnschichttechnologie

Der Ursprung der Dunnschichttechnologie liegt in Deutsch-land. Zu Beginn des letzten Jahrhunderts wurden vorwiegendin der Optik Oberflachen bedampft. Allerdings findet man dieerste Serienproduktion 1930 in der Elektronik bei der Herstel-lung von Kohlenstoffwiderstanden, die aufgedampft wurden[1]. Bis in die 1960er Jahre verbreitete sich die Dunnschicht-technologie vorwiegend im optischen Bereich. Die sprung-hafte Entwicklung der Mikroelektronik fuhrte dann zu einemverstarkten Einsatz der Dunnschichttechnologie in der Elek-tronik. Die Weiterentwicklung der Beschichtungsprozesse er-moglichte, dass 1980 die ersten PVD-Verschleißschutzschich-ten fur Zerspanwerkzeuge auf den Markt kamen. Seit dembreiten sich PVD-Schichten erstaunlich rasant in allen verar-beitenden Bereichen des Maschinenbaus aus. Vor allem dieNutzung von gepulsten Plasmen eroffnet hier immer neue,sehr faszinierende Moglichkeiten [2, 3].

Die letzte große Marktstudie zur Dunnschichttechnologiewurde 1993 vom VDI im Auftrag des BMBF durchgefuhrt[1], 13 Jahre nach Markteinfuhrung der PVD-Schichten im

Maschinenbau. Mittlerweile ist bekannt, dass in diesemFall alle positiven Prognosen von damals noch deutlich uber-troffen wurden. Die Verteilung der Marktanteile fur die Dunn-schichtanlagentechnik auf USA, Sudost-Asien, Europa undgetrennt davon Deutschland zeigt, dass vor allem in den Be-reichen Optik und Oberflachenschutz Deutschland eine fuh-rende Marktposition innehalt.

Mit PVD-Prozessen werden durch das Abscheiden vonIonen, Atomen oder Molekulen aus der Gas- oder Dampf-phase Schutzschichten auf Werkzeugen und Bauteilen inSchichtdicken von ca. 1 lm bis 6 lm synthetisiert. DiesePVD-Prozesse laufen als Batchprozesse im Hochvakuumbei Temperaturen zwischen ca. 140 �C und 600 �C ab. Damitliegen die Beschichtungstemperaturen unterhalb der Anlas-stemperaturen vieler metallischer Grundwerkstoffe, so dassein Harteverlust oder Verzug der Bauteile wahrend der Be-schichtung ausgeschlossen werden kann. Die fur die chemi-schen Verbindungen erforderlichen Ausgangsmaterialien(z. B. Metalle, Keramiken) werden nach unterschiedlichenphysikalischen Prinzipien verdampft (thermisch) oder zer-staubt (Impulsaustausch) und auf den Bauteilen wieder kon-

Mat.-wiss. u. Werkstofftech. 2008, 39, No. 1 DOI: 10.1002/mawe.200700252

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densiert (Bild 1). Weitere Komponenten des Schichtwerk-stoffs konnen durch Reaktivgase zugefuhrt werden. Je nachVerdampfungsart des Beschichtungsmaterials unterscheidetman die Verfahrensgruppen thermisches Aufdampfen, Katho-denzerstauben (Sputtern) und Ionenplattieren.

2 Anwendungsbeispiel „Axialkolben-maschine“

Axialkolbenmaschinen werden als hydraulische Verdran-gereinheiten in Werkzeug- und Produktionsmaschinen einge-setzt. Man findet sie genauso in Nutz- und Kraftfahrzeugenwie auch in Land- und Baumaschinen. Der wesentliche Vorteilvon Axialkolbenmaschinen gegenuber anderen Regelsyste-men ist vor allem die hohe Kraftdichte, also hohe Leistungbei vergleichsweise kleinem Bauraum und damit geringemGewicht. Im Vergleich zu elektrischen Reglern zeichnen siesich durch eine bessere Regelbarkeit bei hohen Kraften unddynamische Agilitat aus [4].

2.1 Systemanalyse fur die Schichtentwicklung

Grund fur den Einsatz von PVD-Schichten ist fur den Her-steller von Axialkolbenmaschinen (Bild 2) die Steigerung derLeistungsdichte, um auch weiterhin konkurrenzfahig zu blei-ben, d.h. hohere Drucke und hohere Drehzahlen. Gleichzeitiggilt es, den Wirkungsgrad zu verbessern, indem man die Rei-bung reduziert. Verschleißschutz ist wichtig, um auch dauer-

haft keine Leckageverluste zu erleiden. Vor allem bei Land-und Baumaschinen ist es wichtig, die Empfindlichkeit gegenVerschmutzung zu reduzieren. Hinzu kommen zunehmendeUmweltauflagen. Umweltgefahrdene Fluide, wie z.B. additi-vierte Hydraulikflussigkeiten auf Mineralolbasis mussen er-setzt werden, genauso wie bisher verwendete bleihaltigeBuntmetalle als Kolbenbuchsen. Buntmetalle beeinflussenaußerdem das Alterungsverhalten der Druckflussigkeiten ne-gativ. Als Werkstoff wird der Vergutungsstahl 42CrMo4+QTverwendet, als Schmierstoff soll ein biologisch schnell abbau-barer, synthetischer Ester eingesetzt werden. Auf umweltge-fahrdende Additive soll verzichtet werden. Deren Oberfla-chenfunktionen wie Verschleißschutz, Korrosionsschutz,Reibminderung und Reduktion katalytischer Prozesse, diedie Olalterung begunstigen, soll durch geeignete Schichtsy-steme substituiert werden.

Bei der Fertigung der bereits verguteten Pumpenbauteilefindet eine ganze Reihe verschiedener Zerspanoperationenstatt, wie Drehen, Frasen, Bohren und Schleifen. Die spanendeFertigung liefert beschichtbare Oberflachen. Grate, Kuhl-schmierstoffruckstande und Schleifpartikel mussen sicher ent-fernt werden. Auch der Substratwerkstoff ist beschichtbar. An-lasstemperaturen von 200 �C sind fur PVD-Prozesse als unkri-tisch zu sehen. Wahrend Lagerung und Transport durfen keinesiliconhaltigen Korrosionsschutzmittel verwendet werden.

Da eine Innenbeschichtung deutlich aufwendiger ist alseine Außenbeschichtung, wird zukunftig bei Verzicht aufdie Bronzebuchse nicht die Kolbentrommel sondern der Kol-ben beschichtet. Die Paarung Stahlkolben/Bronzebuchse wirdersetzt durch beschichtete Kolben in der Stahltrommel. DieKonstruktion ermoglicht eine problemlose Beschichtungder Kolben, des Steuerspiegels und der Schragscheibe. Eskann also jeweils ein Tribopartner beschichtet werden. DieBeschichtung beider Tribopartner hat sich in verschiedenenFallen als nicht notwendig erwiesen.

Bei der Wirkungsgradberechnung fur die Axialkolbenma-schine fließt der Kontakt Kolben/Kolbentrommel zu 70 %ein. Fur die Leistungssteigerung ist das der entscheidendeKontakt. Die Funktion ist in erster Linie Reibminderungund dann Verschleißschutz. Alle Tribokontakte sind Flachen-kontakte, es liegt Mischreibung vor, die Belastungen liegenbei Betriebsdrucken von 400 –450 bar und Drehzahlen von3.050 U/min bei ca. 100 N/mm2.

Bei der Auswahl des Beschichtungsverfahrens ist ge-wunscht, eine konturgetreue Beschichtung zu erzeugen, sodass keine Nachbearbeitung erforderlich ist. Nach der Be-schichtung soll auch eine weitere Warmebehandlung vermie-den werden. Die Qualitat der Axialkolbenmaschine ist letzt-endlich von der Prazision der bewegten Teile abhangig, dahersind sehr enge Toleranzen bei der Beschichtung gefordert. Alldiese Forderungen werden durch PVD-Beschichtungen erfullt.

Bild 1. Verfahrensprinzip der PVD-Prozesse, schema-tisch

Figure 1. Productal principle of PVD-processes, sche-matic

Bild 2. Tribosysteme in einer Axialkolbenmaschine und ihr Ein-fluss auf den Wirkungsgrad g [Zeichnung: Bosch Rexroth Group]

Figure 2. Tribological systems in an axial piston machine and theirinfluence on the efficiency factor g [graph: Bosch Rexroth Group]

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2.2. Bauteilfertigung – spanendeHartbearbeitung

Steuerspiegel, Kolben und Kolbengehause einer Axialkol-benmaschine werden aus 42CrMo4+QT spanend gefertigt.Der 42CrMo4 hat mit 0,42 Atom-% einen relativ hohen Koh-lenstoffgehalt, das Chrom (1%) dient einerseits zur Steige-rung der Zugfestigkeit Rm und andererseits als Karbidbildner.Molybdan verbessert die Streckfestigkeit Re, verhindert dieAnlasssprodigkeit und ist ebenfalls ein Karbidbildner. Nachdem Verguten liegt ein harter Werkstoff (HRC 53 –61) mit ho-her Festigkeit (Rm = 900 – 1.200 N/mm2; Re = 650 –900 N/mm2) vor. Das hat eine Menge Vorteile fur hoch belastete Bau-teile, bedeutet aber auch, dass dieser Werkstoff schwer zer-spanbar ist. Durch den hohen Anteil harter Karbide belastetder Werkstoff das Werkzeug vor allem abrasiv.

Alleine bei einem der Marktfuhrer, der Bosch RexrothGroup, werden jedes Jahr ca. 430.000 Axialkolbenmaschinenhergestellt. Jede Axialkolbenmaschine enthalt je nach Bau-große ca. 6 –12 Kolben, das heißt jeden Tag werden10.000 –15.000 Kolben hergestellt. Durch Verbesserung derZerspanprozesse bei Einsatz PVD-beschichteter Werkzeugekonnen bereits bei der Fertigung eine Menge Kosten einge-spart werden. Den großten Effekt erzielt man dabei durch Stei-gerung der Zerspanparameter (Schnittvolumen, Schneidge-schwindigkeit). Mit 20 % Steigerung der Zerspanparameterkonnen bereits 15 % der Fertigungskosten gesenkt werden [5].

2.3 Werkzeugbeschichtung

Erste CVD-Beschichtungen fur Werkzeuge wurden Endeder 70er Jahre angeboten. 1980 fuhrte Guhring mit TiN dieerste PVD-Schicht am Markt ein. Die entscheidenden Vorteileder PVD-Technologie waren: deutlich niedrigere Abscheide-temperaturen, die Moglichkeit auch metastabile Schichtsy-steme synthetisieren zu konnen und durch den Abscheidepro-zess einstellbare Druckeigenspannungen in der Schicht. Mitt-lerweile werden 80 % aller Hartmetallwerkzeuge beschichteteingesetzt (CVD und PVD). Anfangs bediente man sich beider Schichtentwicklung einer sehr einfachen Formel: „Je har-ter die Schicht, desto besser der Verschleißschutz“. Man kon-zentrierte sich also vorwiegend auf Hartstoffsysteme.

Eine erste Orientierung hinsichtlich der Eigenschaften vonHartstoffen zeigt Bild 3. Bei Hartstoffen unterscheidet man

drei Arten der chemischen Bindung, die im Wesentlichenfur das Werkstoffverhalten verantwortlich sind. Das sind me-tallische Bindungen, kovalente Bindungen und ionische oderheteropolare Bindungen. Bis auf den Diamant weisen alleHartstoffe eine Kombination dieser Bindungsarten auf. Jenachdem welche Bindungsart uberwiegt, spricht man von me-tallischen, kovalenten oder ionischen Hartstoffen.

Vorrangiges Ziel einer Werkzeugbeschichtung ist die guteHaftung an das Substrat. Das wird am besten durch metalli-sche Bindungen erreicht, die uber die hochsten Adhasions-krafte verfugen. Der Schichtwerkstoff sollte moglichst hartsein, um einen guten Verschleißschutz zu garantieren, also ko-valente Bindungen besitzen. An der Schichtoberflache ist einemaximale chemische Stabilitat gewunscht, die eine Wechsel-wirkung mit der Umgebung verhindert, das wird vor allem mitheteropolaren Bindungen erreicht. Die erste erfolgreicheSchicht war TiN. Das ist nicht nur auf die attraktive goldeneFarbe zuruckzufuhren, sondern vor allem auf die Lage vonTiN im Bindungsdreieck. Die mittige Position vereint alle ge-wunschten Eigenschaften am besten. Eine weitere Verbesse-rung brachte dann TiAlN, das etwas harter ist und eine bessereOxidationsstabilitat aufweist.

Nach wie vor wird der PVD-Werkzeugmarkt von den klas-sischen Schichtsystemen TiN (41%), TiCN (24 %) und TiAlN(27%) dominiert [6]. Seit Mitte der 1990er Jahre beobachtetman eine deutliche Zunahme an kombinierten Systemen wieMultilayern aus TiN/TiAlN oder hart-weich-Kombinationenwie TiAlN + WC/C, da man mittlerweile erkannt hatte,dass Harte allein nicht ausreicht.

Durch den Verschleißschutz von Hartstoffschichten konnendie Standzeiten der Werkzeuge gesteigert werden, die Pro-zesse werden zunehmend schneller, das Zerspanvolumenkann gesteigert werden und der Einsatz von Kuhlschmierstof-fen kann durch beschichtete Werkzeuge reduziert werden.Durch die Reduktion der Kuhlschmierstoffe (KSS) mussendie Schichten auch zunehmend starker gute Reibeigenschaf-ten aufweisen, um die fehlende Schmierwirkung zu kompen-sieren. Weniger KSS bedeutet gleichzeitig auch hohere Tem-peraturen im Zerspanprozess (> 600 �C), dem die Schichtenstandhalten mussen. Seit 2001 werden daher verstarkt nano-strukturierte PVD-Schichten wie die Nanocomposite auf Ba-sis von TiSiN, TiAlN, TiAlSiN und TiAlBN mit hohen Al-Ge-halten am Markt angeboten. Der Trend zu hoch warmfestenund oxidationsbestandigen Schichtwerkstoffe halt weiteran. Im Focus stehen heute Systeme wie CrAlN, CrAlSiN

Bild 3. Einteilung der Hartstoffe entsprechend ihrerchemischen Bindungen [7]

Figure 3. Classification of the hard material accordingto their chemical bonds [7]

Mat.-wiss. u. Werkstofftech. 2008, 39, No. 1 PVD – Eine Erfolgsgeschichte mit Zukunft 7

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und PVD-Al2O3. Einfache Monolayer werden zunehmendvon komplexen Schichtarchitekturen abgelost (Bild 4). Vor al-lem die Entwicklung nanostrukturierter Schichten (z. B. nano-kristalline Oxide, Nanolaminate oder Nanocomposite) bieteteine Verbesserung der mechanischen, thermischen und physi-kalischen Schichteigenschaften [8], die sich mit den klassi-schen Methoden der Werkstoffkunde nicht mehr erklaren las-sen und noch lange nicht ihr volles Entwicklungspotentialausgeschopft haben.

Fur die Hartbearbeitung von 42CrMo4+QT erwiesen sichvor allem Multilayer aus Al2O3 + TiAlN und Nanocompositeaus TiAlN, TiAlSiN als erfolgreich. Beide Strukturen bietenden entscheidenden Vorteil, dass die Schichtharte und gleich-zeitig die Festigkeit gesteigert werden kann. Risswachstumwird durch die Grenzflachen innerhalb der Schicht unterbun-den, die Schichten wachsen deutlich glatter auf und das fein-kornige Gefuge erlaubt die Abscheidung dickerer Schichten.Durchbruch bei der Synthese kristalliner Oxide wie auch hochAl-haltiger Ti-Basis-Schichten brachte der Einsatz gepulsterLeistungsversorgungen bei den hier eingesetzten MSIP-Pro-zessen.

2.3.1 Schichtentwicklung: Multilayer TiAlN+Al2O3

Mit steigender Lagenzahl nimmt das kolumnare Schicht-wachstum bei PVD-Schichten ab. Die Schichten werden zu-nehmend kompakter und glatter. Eigenspannungen werdenabgebaut, da mit jeder Lage das Kornwachstum neu einsetzt.Die Funktion der Al2O3-Diffusionsbarriere lasst sich durchden Multilayeraufbau langer erhalten. Das Ergebnis derSchichtentwicklung war letztendlich ein Multilayer aus 40Lagen mit sehr glatter Oberflache. Verglichen mit der Refe-renz TiAlN konnte die Harte um 60 % gesteigert werden,gleichzeitig steigt das E-Modul lediglich um 1 % an. DiesesSchichtsystem wurde innerhalb des SFB 442 am WZL (Werk-zeugmaschinenlabor) der RWTH in Zerspanversuchen gete-stet und zeigte eine Verbesserung Standzeit um > 30 % gegen-uber der Referenz TiAlN [9].

2.3.2 Schichtentwicklung: Nanocomposite TiAlN, TiAlSiN

Die sehr gute Oxidationsbestandigkeit von nanokristallinenWerkstoffen ist auf die hohe Anzahl von Atomen an der Korn-

oberflache zuruckzufuhren. Die damit verbundene hohe Ober-flachenenergie verhindert zunachst ein Kornwachstum. DieNanokristalle sind so klein (< 10 nm), dass sie nicht plastischverformt werden konnen. Bei rein nanokristallinen Werkstof-fen beobachtet man ein verstarktes Korngrenzgleiten, was zueinem superplastischen Verhalten fuhrt. Bei den Nanocompo-sites wird das Korngrenzgleiten durch die amorphe Matrixverhindert. Die extrem großen Grenzflachen in einem solchenNanocomposite fuhren zu einem extrem starken Zusammen-halt. Dadurch erreicht man Hartesteigerung bis zum 1,5– 2 fa-chen der ublichen Hartewert von Werkstoffen gleicher Zu-sammensetzung. Es wird von super- bis ultraharten Werkstof-fen mit Harten uber 4.000 HV berichtet [10]. Gleichzeitigsteigt auch die Festigkeit. Letztendlich sorgt die regellose An-ordnung der Nanokristalle fur ein quasi-isotropes Werkstoff-verhalten. Die typische Bruchstruktur von Nanocomposite istsehr glatt und deutlich zu unterscheiden von amorphen odergrobkristallinen Strukturen.

Neben der Hartbearbeitung von 42CrMo4+QT zeigen dieseNanocomposite im SFB 442 auch bei der Inconel-Bearbeitungsehr gute Ergebnisse [11]. Mit beiden Schichtsystemen, denMultilayern und den Nanocomposites, konnen die Bauteilefur eine Axialkolbenmaschine gefertigt werden.

2.4 Bauteilbeschichtung

Der Durchbruch fur die Dunnschichttechnologie bei Bau-teilen Mitte der 90er Jahre geht einher mit der Entwicklungmoderner Dieselmotoren. Treibende Kraft fur diese Entwick-lungen waren zunehmend scharfere EU-Umweltauflagen undAbgasverordnungen. Um die spezifischen Leistungen zu er-hohen, laufen moderne Motoren bei extremen Einspritz-und Zunddrucken (>2.000 bar). Dadurch wird neben einer ho-hen Leistungsdichte, eine niedrigere Schadstoffemission undein geringerer Kraftstoffverbrauch erreicht. Durch die Redu-zierung des Schwefelgehaltes im Dieselkraftstoff (1995: <500 ppm; 2002: < 50 ppm) verliert man entscheidendeSchmierwirkungen im System [12]. Die extremen Einsatzbe-dingungen bei modernen Dieselmotoren erforderten neueWerkstoffkonzepte. Erste Pilotanwendung einer PVD-Schichtbei der Robert Bosch GmbH waren die Pumpenflugel einerFlugelzellenpumpe fur die Dieseleinspritzung 1994/95, zeit-gleich brachte Oerlicon Balzers Coating AG ihre WC/C-Schicht heraus. Die erste erfolgreiche Großserienfertigung

Bild 4. Schichtarchitekturen zur Leistungssteigerungvon PVD-Schichten

Figure 4. Coating design for performance improve-ment of PVD coatings

8 K. Bobzin, N. Bagcivan, P. Immich, C. Pinero, N. Goebbels, A. Kramer Mat.-wiss. u. Werkstofftech. 2008, 39, No. 1

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bei Bauteilen fur die PVD-Technologie war das Gleitlager furden Kipphebel der Pumpe-Duse-Einheit fur Dieselmotoren.2001 wurden bereits 3,5 Mio. Sets mit Kohlenstoffsystemenbeschichtet. Insgesamt werden mittlerweile an modernen Die-selpumpen 70 % der Bauteile beschichtet. Der PVD-Bauteil-markt hat sich extrem schnell ausgeweitet (Bild 5) und er-reicht heute ein fast vergleichbares Volumen wie die PVD-Werkzeugbeschichtung, wobei der gesamte Bauteilmarkt anbeschichtbaren Produkten um ein Vielfaches großer ist.Nach wie vor wird davon ausgegangen, dass nicht mal10 % des vorhandenen Potentials ausgeschopft wird.

Uber 60 % der Bauteilbeschichtungen wird heute von Koh-lenstoffschichten abgedeckt, die in einer kaum durchschauba-ren Vielfalt am Markt angeboten werden. Hergestellt werdendiese Schichten in PVD- und Plasma-CVD-Prozessen undwerden haufig unter dem Begriff DLC-Schichten (DiamondLike Carbon) angeboten. Neben Kohlenstoff (a-C, ta-C) ent-halten DLC-Schichten teilweise Wasserstoff (a-C:H) und/oderMetalle (a-C:H:Me, a-C:Me) wie Wolfram oder Chrom, teil-weise auch weitere Dotierungen. Eine Einteilung der Kohlen-stoffschichten wurde 2005 als VDI-Richtlinie (VDI 2840) her-ausgebracht.

Anfangliche Schwierigkeiten mit der Schichthaftung undzu hohen Abscheidetemperaturen wurden mittlerweile durchdie Weiterentwicklung der Plasmaprozesse behoben. AusSicht der Industrie ist zu sagen [14]: „In den nachsten 10 Jah-ren werden sich die Bauteilbelastungen in jeglichen Maschi-nen und Anlagen weiter erhohen. Beschichtungsysteme wer-den weiter optimiert. Heutige Systeme wie CrN, a C:H:Meund DLC haben noch nicht ihr volles Entwicklungspotenzialerreicht. Diese Beschichtungen werden fur bestimmte An-wendungen weiterentwickelt. Daneben werden neue Be-schichtungssysteme auf den Markt kommen. Mit einer Erho-hung des Volumens beschichteter Bauteile werden auch die

Kosten der Beschichtung verringert.“ Die Beschichtungsbran-che geht heute von einer weiteren Umsatzsteigerung auf ca.550 Mio. Q bis 2010 aus, wobei der gesamte asiatische Marktkaum abgeschatzt werden kann.

2.4.1 Schichtentwicklung: Gradiertes ZrCg

Die Idee fur eine gradierte Zirkonkarbidschicht, die zurGruppe der a-C:H:Zr gehort, entstand aus theoretischen Werk-stoffuberlegungen [15]. Entscheidend war, dass das SystemZr-C nur uber eine Hartstoffphase verfugt (Bild 6). Steigertman im Beschichtungsprozess bei der Abscheidung kontinu-ierlich den Kohlenstoffgehalt uber den Reaktivgasfluß(C2H2), durchlauft man das Phasendiagramm von linksnach rechts. Ausgehend von reinem, metallischem Zirkoniumerreicht man ein Hartemaximum im stochiometrischen Gebietder Hartstoffphase ZrC und endet mit einer wasserstoffhalti-gen Kohlenstoffschicht. Bekannte atmospharische Einflusse,vor allem durch Luftfeuchtigkeit, auf das Reibverhalten vona-C:H-Schichten konnen durch Dotierungen mit Titan in derSchichtoberflache reduziert werden.

Dieses Konzept gradierter Metall-Kohlenstoff-Schichtenlasst sich mit Refraktarmetallen realisieren, deren Phasendia-gramme mit Kohlenstoff nur eine stochiometrische Hartstoff-phase besitzen, da sonst mehrere Hartemaxima auftreten. InFrage kommen Hafnium, Zirkonium und Titan. Zirkoniumhat sich hinsichtlich Korrosionsschutz, Prozessstabilitat,Sputterraten und Targetkosten als am besten geeignet heraus-gestellt. Da Chrom, Tantal, Vanadium und Wolfram mehrere,unterschiedliche Karbide bilden, die zum Teil sehr sprodesind, kann dieses Schichtkonzept mit diesen Metallen nichtumgesetzt werden. ZrCg wurde in den letzten Jahren imSFB 442 entwickelt und auf unterschiedlichen Maschinenele-menten (Zahnrader, Axiallagern, Spindellagern, Axialkolben-maschine) untersucht. Abscheidetemperaturen von ca. 160 �Cerlauben die Beschichtung temperaturempfindlicher Hoch-prazisionsbauteile wie Hochgeschwindigkeitsspindellagernaus 100Cr6.

Durch das metallische Zirkonium wird eine sehr gute Haf-tung zum Substrat erreicht. Ein ublicher Haftungstest bei derSchichtentwicklung ist der Rockwell-C-Test. Bei unzurei-chender Schichthaftung entstehen am Rand des EindrucksRisse oder sogar großflachige Abplatzungen. ZrCg weistdie beste Haftklasse 1 auf (Bild 7). Es gibt weder Rissenoch Abplatzungen. Die Schicht ist ausreichend duktil, sodass sie der Verformung des Grundwerkstoffes ohne Schadensehr gut folgen kann. Die Hartstoffphase Zirkonkarbid (ZrC:HUniv. � 25 GPa, bei 10 mN Pruflast) liefert einen hervorra-genden Verschleißschutz und die Kohlenstoffdecklage bietetoptimale Reibeigenschaften, mit Reibwerten von l < 0,1 imTrockenlauf gegen 100Cr6 bei 20 N Pruflast [15, 16].

Bild 5. Marktentwicklung Bauteilbeschichtung fur die Automobil-industrie, Quelle: IonBond AG, 2006 [13]

Figure 5. Market development of component coatings for automo-tive industry, source IonBond AG, 2006 [13]

Bild 6. Gradiertes Schichtkonzept ZrCg

Figure 6. Graded coating concept ZrCg

Mat.-wiss. u. Werkstofftech. 2008, 39, No. 1 PVD – Eine Erfolgsgeschichte mit Zukunft 9

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2.4.2 Wechselwirkung ZrCg zum Schmierstoff

Die Zusammensetzung vieler Schmierstoffe und ihre Addi-tivierung wurde in den letzten Jahrzehnten fur Stahloberfla-chen ausgelegt. Andert man die chemische Zusammensetzungder Oberflache mussen auch die Wechselwirkungen zumSchmierstoff uberdacht werden. Im SFB 442 konnte gezeigtwerden, dass chemische Reaktionen vor allem phosphat- undsulfathaltiger Additive auf den untersuchten PVD-Schichtennicht mehr stattfinden [17]. Damit kann auf diese haufig toxi-schen Additive verzichtet werden. Das Benetzungsverhaltenkann gezielt uber die Chemie der Schmierstoffe, aber auchdurch Dotierungen in der Schichtoberflache eingestellt wer-den. Fur die hydraulische Verdrangereinheit wurden daher in-nerhalb des SFB 442 am ITMC (Lehr- und ForschungsgebietTechnische Chemie, RWTH Aachen) biologisch schnell ab-baubare niedrigviskose Hydraulikole ausgehend vom Olsau-remethylester (Hydroxyisobutoxystearinsauremethylester,HISM) entwickelt. Die polaren Enden der Olmolekule fuhrenzu einer guten Benetzung der beschichteten Oberflachen. Eineausreichende Stabilitat der Schmierstoffe verhindert die Bil-dung von Carbonsauren durch Hydrolyse, die unbeschichteteStahloberflachen aber auch Dichtungen angreifen wurden.

2.5 Tribologische Prufung

Neu entwickelte Schichten werden nicht direkt auf teurenBauteilen in langwierigen Feldversuchen getestet, sondern zu-nachst in Modelltests untersucht. Zu allen tribologischen Kon-takten gibt es Modelltests mit unterschiedlichen Abstraktions-graden, die man bei der Entwicklung neuer Produkte durch-lauft (Bild 8).

2.5.1 Kategorie V: Versuche mit bauteilahnliche Proben

Fur die Axialkolbenmaschine werden im SFB 442 am IFAS(Institut fur Fluidtechnische Antriebe und Getriebe, RWTHAachen) erste Versuche am Rotationstribometer nach Sie-bel/Kehl durchgefuhrt. Dabei rotieren zwei flache Scheibenaufeinander. Oberer und unterer Ring sind unterschiedlichgroß. Die Flachen des unteren und oberen Ringes uberlappensich etwa zur Halfte. Drucke, Temperaturen, Drehgeschwin-digkeiten und Laufzeiten konnen eingestellt werden, so dassein Vergleich zum spateren Einsatz in der Axialkolbenmaschi-ne gegeben ist. Um zu schnelleren Ergebnissen zu gelangen,werden bei solchen Modelltest die Angriffsbedingungen hau-fig verscharft.

Mit diesem Versuch wird am IFAS das Verschleißverhaltenuntersucht. Nach den Versuchen werden Oberflachenschriebeangefertigt, an denen der planimetrische Verschleiß bestimmtwerden kann. Die uberlappende Flache, die im Stirnreibver-such keinen Kontakt zum Gegenkorper hatte, dient dabei alsReferenz. Der ZrCg-beschichtete Grundkorper zeigt im We-sentlichen nur eine Glattung der Rauheitspitzen in einer Tiefevon < 200 nm. Dadurch steigt der Traganteil der Oberflacheauf uber 70 %. Auch am unbeschichteten Gegenkorper wirdein Einlaufverschleiß durch die hartere Schicht beobachtet.Nach etwa 4 h kommt der Einlaufverschleiß (< 2 lm) am un-beschichteten Gegenkorper zum Erliegen. Die Oberflache desGegenkorpers ist dann so glatt, dass ein Traganteil von nahezu100% ermittelt wurde.

Im gleichen Modelltest wird auch der Reibwert bestimmt.Die Kollegen vom IFAS ermittelten fur verschieden ZrCg-Schichten sehr gute Reibwerte im geschmierten Zustandvon l < 0,01, die sich sehr schnell einstellen und alle unterdenen, der konventionellen Paarung Stahl/Bronze liegen.

2.5.2 Kategorie IV: Versuch am verkleinerten Aggregat

Nach diesen sehr guten Ergebnissen werden erste Kolbenbeschichtet und am Einkolbenprufstand des IFAS eingesetzt,der das Belastungskollektiv eines Kolbens in der Axialkolben-maschine abbildet. Nach dem Einsatz erkennt man an den Kol-benenden unerwunschten Verschleiß. Die Schadensanalyse er-gab, dass durch die Konstruktion und den Kolbenantrieb uberdie Schragscheibe genau an den Kolbenkanten eine maximaleBelastung auftritt. Es kommt zu einer Verkippung des Kolbens,gleichzeitig dreht sich der Kolben um seine eigene Achse.

Bei der konventionellen Paarung Kolben/Bronzebuchsewird ein Einschleißen der weichen Bronzebuchse in Kauf ge-nommen. Bei einer reinen Stahltrommel ohne Bronzebuchsefindet ein vergleichbares Einschleißen nicht statt. Als Losungbieten sich verschiedene konstruktive Anpassungen an. Mankann die Kolben kurzer auslegen, dadurch wird die Pressungbei gleichem Kippwinkel reduziert. Die zweite Moglichkeit

Bild 7. li.: REM-Aufnahme der Bruchstruktur ZrCg„re.: LM-Aufnahme nach Rockwell-C-Eindrucktest (F= 1.470 N) ZrCg auf 42CrMo4+QT nach VDI-Richtlinie3198, Haftklasse 1

Figure 7. l.: SEM taking of a fracture structure of ZrCg,r: LM-taking after Rockwell C indentation test (F1.470N); ZrCg on 42 CrMo4+QT according VDI guideline 3198, adhesion group 1

Bild 8. Tribologische Prufkategorien nach DIN 50 322

Figure 8. Categories of tribological testings according DIN 50322

10 K. Bobzin, N. Bagcivan, P. Immich, C. Pinero, N. Goebbels, A. Kramer Mat.-wiss. u. Werkstofftech. 2008, 39, No. 1

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besteht in einer Geometrieanderung von Trommel oder Kol-ben. Fertigungstechnisch ist die Anderung der Kolbengeome-trie der gunstigere Weg (Bild 9). Die Schichtdicken werdenabschließend auf den balligen Kolben fur optimale Kontakt-bedingungen angepasst.

2.5.3 Kategorie III: Aggregatversuch unterPrufstandsbedingungen

Mit erfolgreichen Schichtsystemen werden Bauteile be-schichtet und am IFAS in einem Pumpenprufstand getestet.Neben der Olalterung kann hier auch gezielt die Empfindlich-keit gegenuber Verschmutzungen getestet werden. Im Aggre-gatversuch werden erstmals das Zusammenspiel aller tribolo-gischer Kontakte untersucht. Das Schichtsystem ZrCg bietetdabei eine Vielzahl von Variationsmoglichkeiten, hinsichtlichSchichtdicke, Dotierungen und Verlauf der Gradierung. Furjedes Tribosystem wird entsprechend des Belastungskollek-tivs das Schichtsystem optimiert.

2.5.4 Kategorie II: Prufstandsversuche in der Industrie

Mittlerweile sind die Arbeiten im SFB 442 soweit fortge-schritten, dass weiterfuhrende Untersuchungen an Prufstands-versuchen und in Feldtests bei Partnern in der Industrie durch-gefuhrt werden konnen. Die Ergebnisse aus dem SFB 442 las-sen sich auch auf andere hydraulische Verdrangereinheitenubertragen, so dass neben der Axialkolbenmaschine fur An-triebe in der Nutzfahrzeughydraulik auch Radialkolbenpum-pen fur die Steuerung und Regelung der Fahrdynamik undFlugelzellenpumpen fur die Servolenkung in PKW in Pruf-standsversuchen mit Industriepartnern erforscht und entwi-ckelt werden. Die Weiterentwicklung der Beschichtungspro-zesse fur eine spatere okonomische Großserienbeschichtungerfolgt in Kooperation mit der Beschichtungsindustrie. Eben-falls entscheidend fur den spateren Einsatz ist die Anpassungder Druckubertragungsmedien an die neuen Werkstoffoberfla-chen durch die Schmierstoffindustrie. Die interdisziplinareZusammenarbeit der Industriepartner garantiert dann eineganzheitlich Betrachtung des Tribosystems (Konstruktion,Werkstoffe, Druckflussigkeiten) zur optimalen Auslegungdes Tribokontaktes.

3 Zusammenfassung

PVD-Schichten werden seit 27 Jahren in der Zerspanungund seit 10 Jahren auf Bauteilen zum Verschleißschutz undzur Reibminderung industriell eingesetzt. Seitdem wachstdie PVD-Beschichtungsbranche mit durchschnittlichenWachstumszahlen von ca. 20 %. Steigende Anforderungenan Werkzeuge, Bauteile und Systeme konnen haufig nur durchneue Werkstofflosungen erfullt werden. Die Oberflachentech-nik bietet dabei die Moglichkeit Oberflachen- und Volumen-eigenschaften getrennt voneinander zu optimieren. Mit zuneh-mender Verbreitung von Schichten steigt auch das Verstandnisfur Schichten als moderne Konstruktionselemente. Am Bei-spiel einer Axialkolbenmaschine wurden die Moglichkeitender PVD-Technologie bei der Herstellung von Hochleistungs-bauteilen aufgezeigt. Sowohl durch die Werkzeugbeschich-tung fur die spanenden Fertigung der Bauteile als auch durchdie anschließende Bauteilbeschichtung konnen PVD-Schich-ten Ressourcen und Umwelt schonen. Der erfolgreichreicheEinsatz der Schicht hangt dabei letztendlich von der System-betrachtung ab. Neben der Konstruktion mussen alle Werk-stoffe, Zwischenstoffe und Umgebungsmedien wie auchdas Belastungskollektiv bei der Entwicklung neuer beschich-teter Produkte mit einbezogen werden.

4 Danksagung

Die Autoren bedanken sich fur die finanzielle Unterstut-zung durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG)im Rahmen des Sonderforschungsbereiches 442 „Umweltver-tragliche Tribosysteme durch geeignete Werkstoffverbundeund Zwischenstoffe am Beispiel der Werkzeugmaschine“und bei den Projektpartnern des IFAS: Institut fur Fluidtech-nische Antriebe und Steuerungen, WZL: Werkzeugmaschi-nenlabor Lehrstuhl fur Technologie der Fertigungsverfahrenund ITMC: Lehr- und Forschungsgebiet Technische Chemieder RWTH Aachen.

5 Literatur

1. H. Mehlich, H. Reinhardt, H. Wolff, et al., Programmevalua-tion Dunnschichttechnologie, Hrsg.: VDI-TechnologiezentrumPhysikalische Technologien, Dusseldorf 1993.

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Gstoehl O., vorgestellt auf der Int. Conf. on Metallurgical Coa-tings and Thin Films ICMCTF’07, San Diego, USA, 23.-27.April, 2007.

6. J. H. Wijngaard, A. Schutze, Vakuum in Forschung und Praxis,2003, 15/4, 194.

7. H. Holleck, V. Schier, Surf. Coat. Tech., 1995, 76–77, 328.8. R. Hauert, J. Patscheider, Adv. Eng. Mat., 2000, 2/5, 247.9. E. Lugscheider, Th. Hornig, St. Kienitz, F. Klocke, T. Krieg,

vorgestellt auf 15th Int. Plansee Seminar, Plansee HoldingAG, Reutte, 2001, 2, 766.

10. S. Zhang, D. Sun, Y. Fu, H. Du, Surf. Coat. Tech., 2003, 167,113.

11. Bobzin K., Lugscheider E., Nickel R., Immich Ph., Bolz S.,Klocke F., Gerschwiler K., vorgestellt auf der 10th Int.

Bild 9. Konstruktive Veranderung der Kolben/Trommel-Geome-trie fur ein schichtgerechtes Design

Figure 9. Constructive modifications of piston/drum geometry fora coating suitable design

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Conf. on Plasma Surface Engineering, PSE’2006, 10.-15. Sep-tember, Garmisch-Partenkirchen 2006.

12. C. E. Rodrıguez, Th. Lampe, vorgestellt auf dem EFDS-Work-shop „Moderne Oberflachentechnologien im Automobilbau“,15. Mai, Zwickau 2003.

13. G. van der Kolk, Expected developments of PVD and PACVDcoatings for components,.

14. van der Kolk, Ch. Strondl, R. Tietema, vorgestellt auf demEFDS-Workshop „Moderne Oberflachentechnologien im Au-tomobilbau“, 15. Mai, Zwickau 2003.

15. E. Lugscheider, O. Knotek, K. Bobzin, M. Maes, vorgestellt aufdem MRS Fall Meeting, Boston, USA, 02.-06. Dezember, Bos-ton 2002 Materials Research Society Symposium Proceedings,2003, 750.

16. K. Bobzin, E. Lugscheider, M. Maes, A. Kramer, vorgestelltauf der 2nd Int. Conf. On Tribology in Manufacturing Proces-ses 2004, Nyborg, Denmark, 16.-18. Juni, 2004.

17. Veroffentlichungen zum SFB 442, s. a. www.sfb442.rwth-aa-chen.de.

Korrespondenzautor: A. Kramer, Institut fur Oberflachentechnik,RWTH Aachen, Augustinerbach 4 – 22, 52062 Aachen, mail to:[email protected]

Eingegangen in endgultiger Form: 6. November 2007 T 252

12 K. Bobzin, N. Bagcivan, P. Immich, C. Pinero, N. Goebbels, A. Kramer Mat.-wiss. u. Werkstofftech. 2008, 39, No. 1