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von Heft 3/2011 Fraktion DIE LINKE im Sächsischen Landtag Dokumente und Standpunkte Schwerpunktthema: Landkreis Bautzen / Wokrjes Budyšin Womit schlagen sich Sachsens Kommunen herum? Weshalb gibt es in Lauta rote Erde? Wie wird man garantiert nicht unsterblich? Was geschah im Kamenzer Herrental? Warum können immer weniger Kinder sorbisch lernen? Wo schrumpfen die Einwohnerzahlen und warum? Wer schickt Behörden über’s Land? Was wird aus dem Sorbischen National Ensemble?

pvl – parlament von links, Ausgabe 03/2011

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Magazin der Fraktion DIE LINKE im Sächsischen Landtag

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Heft 3/2011

Fraktion DIE LINKEim Sächsischen LandtagDokumente und Standpunkte

Schwerpunktthema:

Landkreis Bautzen / Wokrjes Budyšin

Womit schlagen sich Sachsens Kommunen herum?

Weshalb gibt es in Lauta rote Erde? Wie wird man garantiert nicht unsterblich?

Was geschah im Kamenzer Herrental?

Warum können immer weniger

Kinder sorbisch lernen?

Wo schrumpfen die Einwohnerzahlen

und warum?

Wer schickt Behörden über’s Land?

Was wird aus dem Sorbischen National Ensemble?

2 pvl Heft 3/2011

Bernhard-von-Lindenau-Platz 101067 DresdenTelefon: 0351/493 5800Telefax: 0351/493 5460E-Mail: [email protected]://www.linksfraktion-sachsen.de

Parlament von links (pvl) ist das Magazin der Fraktion DIE LINKE im Sächsischen Landtag. Pvl erscheint vier Mal im Jahr und ist kostenlos. Abo unter:

Editorial, Impressum } S. 2

Begegnen und bewegen – für Sachsen! } S. 3

Parlamentarische LINKE Initiativen } S. 3

Taler, Taler, du musst wandern } S. 4

Ist das Kultur oder kann das weg? } S. 5

Liebe Leserin, lieber Leser,

herzlich willkommen zur dritten 2011er Ausgabe des pvl (parlament von links), welches wir zu füllen diesmal vor allem im Landkreis Bautzen unterwegs gewesen sind.

Warum gerade dort? Weil es der flächenmäßig größte Landkreis Sachsens ist? Weil hier die Sorben zuhause sind und sich der Kreis damit von fast allen anderen Landkreisen unterscheidet? Weil die Land-schaft zwischen Spreetal und Sohland von flach bis bergig reicht und die Gegend mal ganz gut besiedelt und mal „Entleerungsraum“ ist? Von allem etwas! Und: Weil Kamenz Anfang September zum größten Volksfest im Freistaat einlädt und auch wir, die Landtagsfraktion DIE LINKE, uns gut gelaunt unters Feiervolk mischen werden!

Apropos mischen – „bunt“ gemischt sind auch die Themen dieses Heftes, mit denen wir nicht nur den Nerv der sympathischen Ostsachsen zu treffen hoffen. Das reicht von merkwürdigen Behörden-Umzugs-plänen der Staatsregierung über Sorgen um sorbisches Kulturgut bis hin zu erschütternden Geschichten um Kamenzer Vergangenheit. Zu lesen ist darüber hinaus von Gefahren, die in gefluteten Tagebau-Restlöchern lauern können und von einer ebenso dubiosen wie gefähr-lichen „Unsterblichkeit“.

Neugierig geworden? Dann wünschen wir eine angenehme Lektüre und vor allem einen entspannten „Tag der Sachsen“!

Ihre pvl-Redaktion

Leben im „Entleerungsraum“ } S. 6

Linke Power zwischen Hoywoy & Cunewalde } S. 7

Laut(er)aer Geschichte(n) & Warum Rot nicht nur die Farbe der Liebe ist } S. 8

Dem Vergessen entrissen } S. 10

Die Wallfahrt des Michel Caron } S. 11

Ist das Kultur oder kann das weg? } Seite 5Laut(er)aer Geschichte(n) } Seite 8

Wie wird man unsterblich? } S. 12

Sorbische Schulen – Fall für die „Rote Liste“? } S. 13

Wenn einer eine Reise tut … } S. 14

Serbska Strona / Sorbische Seite } S. 15

Kreuzworträtsel } S. 16

ImprESSum:

V.i.S.d.p.: Marcel Braumannredaktion: Elke FahrLayout: Carola MüllerDruck: DruckHaus Dresden GmbHAuflage: 157.500 Stück (3. Quartal 2011)

Die mit Namen oder Initialen gekennzeichneten Beiträge geben die Meinung des Autors, jedoch nicht unbedingt die Ansicht des Herausgebers wieder. Nachdruck nur mit Quellenangabe. Für Nachdruck signierter Beiträge ist die Genehmi-gung des Verfassers erforderlich.

Diese Publikation dient der Information und darf in einem Wahlkampf nicht zur Parteienwerbung eingesetzt werden.

Bildnachweis: Titel: efa; © ingo anstötz / PIXE-LIO; Frank-Peter Funke © www.fotolia.de; Seite 2, unten links: Horst Lachnit-Förster; Seite 2, unten Mitte: Sorbisches National-Ensemble GmbH Baut-zen; Seite 2, unten rechts: efa; Seite 3, 4: efa; Seite 5: Sorbisches National-Ensemble GmbH Bautzen; Seite 6, oben: Marion Junge; Seite 6, unten: efa; Sei-te 7: efa; Seite 8, links: Jana Pinka; Seite 8, 9, Mitte und Seite 9: Horst Lachnit-Förster; Seite 10, 11: efa; Seite 12: © olga meier-sander/ PIXELIO; Seite 13: Monkey Business © Fotolia.de; Seite 14, 15: efa; Seite 16, Cartoon: Harm Bengen/toonpool.com.

pvl verpasst? Alle Ausgaben zum Download unter www.linksfraktion-sachsen.de

Titel: Impressionen aus dem Landkreis Bautzen mit Ansichten aus Kamenz, Bautzen, Lauta und der Königsbrücker Heide sowie „Kami“, dem Maskottchen des 20. Tages der Sachsen in Kamenz.

Dem Vergessen entrissen } Seite 10

INHALTSVErzEIcHNIS

Wer sich nach allen Seiten verneigt,stößt überall

mit dem Hintern an.Chinesisches Sprichwort

3pvl Heft 3/2011

Der Kreis Bautzen, in dem der „Tag der Sachsen“ 2011 in Kamenz stattfindet – ist so groß wie das Saarland. Ob es sinnvoll war, Landkreise auf Bundesland-Größe auf-zublähen, sei dahingestellt – wir haben alle parlamentarischen und juristischen Mög-lichkeiten ausgeschöpft, um bürgernähere Verwaltungsstrukturen zu erhalten. Bis heute ist die Staatsregierung den Beweis schuldig geblieben, dass die längeren Wege, die Bürgern und ehrenamtlichen Kreisräten zugemutet werden, wenigstens irgendeinen Steuergeldeinspareffekt haben.

Das Gleiche bahnt sich nun mit dem regie-rungsamtlichen Werbebanner „Staats-modernisierung“ an, hinter dem sich ein geplanter Behörden-Umzugszirkus ohne-gleichen verbirgt. Einzig garantierte Folge ist der Wegfall von Polizei-, Gerichts- und

Behörden-Standorten, was zu weniger Sicherheit und noch mehr Bürgerferne füh-ren würde. Doch dazu ist das letzte Wort noch längst nicht gesprochen, die bislang uneinsichtigen Regierenden erwartet ein „heißer Herbst“ des Protestes und Wider-spruchs, in dem die unmittelbar betroffe-nen Mitarbeiter/innen sowie die Bürger/innen gemeinsame Sache machen sollten.

Der „Tag der Sachsen“ ist eine gute Gele-genheit, Land und Leute und eine schöne Stadt kennenzulernen, in der im Übrigen ein linker Bürgermeister im Amt ist. Das Fest zeigt vor allem auch das bewundernswerte ehrenamtliche Engagement der Menschen in einem Gebiet, in dem von der Regierung prozentual weniger für Soziales ausgegeben wird als in jedem anderen Bundesland. In keinem zweiten Land in Deutschland sind

so viele arbeitende Menschen auf zusätz-liche Hilfe durch Hartz IV angewiesen, weil ihr Lohn zu niedrig ist. Ausnahmslos niedrig sind Sachsens Investitionen in den Kranken-hausbau – und das obwohl hierzulande die deutschlandweit älteste Bevölkerung lebt.

Doch nicht nur beim Sozialen hat Sachsen großen Nachholbedarf, auch die Demokra-tie ist verbesserungsbedürftig. Deshalb sagen wir: Wenn Verkleinerung des Land-tags, dann gleichzeitig Herabsenkung der Hürden für Volksentscheide!

Die diesjährige Herbstklausur unserer Landtagsfraktion findet übrigens in Baut-zen statt – also im Herzen der Oberlausitz. Am Kreissitz des Nachbarlandkreises, in Görlitz, gibt’s zur Zeit die Sächsische Lan-desausstellung zur „via regia“, die dem Thema „Bewegung und Begegnung“ gewid-met ist. Dies ist mit unserem Motto kom-patibel: Begegnung mit den Bürgern, um gemeinsam etwas für ein sozialeres Sach-sen zu bewegen – dazu lade ich Sie herz-lich ein!

mdL Dr. André Hahn Fraktions-vorsitzender

Begegnen und bewegen – für Sachsen!

Zwischen mai und Juli 2011 hat die Frak-tion DIE LINKE zwei Gesetzentwürfe, vier sog. Große Anfragen, einen Entschließungsantrag und 24 Anträge in den parlamentarischen Geschäftsgang eingebracht.

Die Gesetzentwürfe zielen auf

» die Bestellung hauptamtlicher Migrations-beauftragter (Drs 5/5934)

» die Anpassung der Wegstreckenentschädi-gungen für Dienstreisen (Drs 5/6150)

Beide Gesetzentwürfe wurden in 1. Lesung zum Juni-Plenum eingebracht.

Die Großen Anfragen an die Staatsregierung beinhalten folgende Themen:

» Sicherung und Fortentwicklung des sächsischen Kleingartenwesens bis 2020 (Drs 5/5759)

» Weiterbildung in Sachsen (Drs 5/5856)

» ambulante und stationäre ärztliche Versorgung in Sachsen (Drs 5/5858)

» Tierhaltung und Tierschutz in der landwirt-schaftlichen Nutztierhaltung (Drs 5/6292)

In einem Antrag (Sammeldrucksache Drs 5/6148) forderten wir eine Regierungser-klärung zur rückhaltlosen Aufklärung der flächen deckenden Ausspähung von Telefon-verbindungen im Zuge der Proteste gegen die Naziaufmärsche am 19. Februar 2011 in Dresden und die unverzügliche Löschung der dabei rechtswidrig erhobenen Daten. Schwarz-Gelb lehnte unseren Antrag ab.

Noch zu entscheiden ist u.a. über folgende Anträge:

» Antrag zur Abwendung des drohenden Pflegenotstandes (Drs 5/5860) Hier fordern wir von der Staatsregierung einen Pflege report bis Mitte 2012, eine präzisierte Prognose und einen Pflegebedarfsplan für Sachsen sowie den Entwurf für ein umfassen-des Landespflegegesetz.

» Antrag zur Errichtung einer Stiftung „Sächsi-sche Industriekultur“ (Drs 5/6231) Die Staatsregierung soll unverzüglich einen Gesetzentwurf vorlegen, damit das Sächsi-sche Industrie museum als ein Kompetenzzen-trum für Industriekultur weiter betrieben und unterhalten werden kann und der Öffentlich-keit historische Sachzeugnisse des Industria-lisierungsprozesses erhalten bleiben.

» Antrag zur bedarfsgerechten Sicherung der Kosten für Unterkunft und Heizung für Hartz-IV- Betroffene (Drs 5/6304)Hier steht der Freistaat in der Pflicht, eine landesrechtliche Regelung zu erarbeiten, die eine über kommunales Satzungsrecht gestal-tete Unterschreitung des Existenzminimums ausschließt und die Übernahme der tatsäch-lichen Kosten der Unterkunft für die Betroffe-nen garantiert.

Drs = Drucksachennummer

Alle Drucksachen sind unter www.linksfraktion-sachsen.de unter „Dokumente“ abrufbar.

Parlamentarische LINKE Initiativen (Auswahl)

4 pvl Heft 3/2011

Ob die Behördenumzüge, die das Gesetz zur sog. Staatsmodernisierung nach sich ziehen, tatsächlich zu Einsparungen führen, wird man wohl nie erfahren. Eine solide Vorab-Kosten-Nutzen-Analyse dafür gibt es jeden-falls nicht. Die Fraktion DIE LINKE hatte im Rahmen der Landtagssitzung im Juni beantragt, dass der Landesrechnungshof als unabhängige und fachlich kompetente Behörde ein Gutachten über die geplante Neuordnung von Verwaltungsstandorten erstellt, aus dem sich mögliche Finanzvor-teile hätten ableiten lassen. Der Antrag wurde von der schwarz-gelben Parlaments-mehrheit abgelehnt. Vielleicht haben sich CDU und FDP aber auch nur daran gestört, dass unser Antrag die Staatsregierung auch aufforderte, auf den Begriff „Staatsmoder-nisierung“ zu verzichten, da dieser für die schlecht geplante Neuordnung von Verwal-tungsstandorten nun wirklich nicht taugt.

Die Notwendigkeit der langfristigen Anpassung staatlicher Strukturen an die prognostizierte Bevöl-kerungsentwicklung stellt niemand infrage. Was aber gerade in Sachsen zu hinterfragen ist, ist die Art und Weise mit der die Staatsregierung an den Bedürfnissen und den Betroffenen vorbei Strukturveränderungen vornimmt. In einem unangemessenen und diskussions-freien Prozess; ohne Einbindung des Lan-desparlaments und der betroffenen Mitar-beiter/innen und Kommunalpolitiker/innen versucht die Staatsregierung, ihr Stand-ortkonzept durchzusetzen. Völlig unbeein-druckt von den massiven Widerständen und Einwänden der betroffenen Mitarbeiter/innen der Justiz, des Rechnungshofes, der Sächsischen Aufbaubank, der Stadtverwal-tung Bautzen und der Rechtsanwaltskammer Sachsen – um nur einige zu nennen.

Dass der Sächsischen Landesregierung die Einwände der Fachinstitutionen egal sind, bewies Wirtschaftminister Morlok (FDP) schon am 30. März dieses Jahres, als er dem Personalrat des Straßenbauamtes Chemnitz Folgendes schrieb: „Die von Ihnen angespro-chene Möglichkeit, die Standortkonzeption noch einmal zu überdenken, sehe ich nach dem Kabinettsbeschluss nicht“. Bemerkenswert ist, dass zu diesem Zeitpunkt der Entwurf des Gesetzes zur Staatsmoderni-sierung noch nicht einmal öffentlich gemacht worden war. Weder hatte es eine Anhö-rung gegeben, noch waren die Betroffenen umfassend informiert oder das Parlament in die Entscheidungsfindung einbezogen worden. Dennoch stand Ende März offen-bar bereits fest, dass es keine Änderungen am Beschluss des Kabinetts geben werde.

Bislang hatten sich Standort und Struktur von Verwaltungsbezirken danach zu rich-ten, wie schnell die Bürger/innen die Ver-waltung erreichen konnten. Sicher sind auf-grund der heutigen Voraussetzungen von Mobilität und technischem Fortschritt bei der Informations- und Kommunikationstech-nik andere Anforderungen an staatliche Ver-waltungsorganisation zu stellen. Grundsätz-lich aber dürfen bei einer Umstrukturierung der staatlichen Verwaltung die Bedürfnisse, Möglichkeiten und Anforderungen der Men-schen nicht aus den Augen verloren werden. Die Umstrukturierung, wie sie Sachsen jetzt bevorsteht, folgt jedoch ausschließlich fiska-

lischen und demografischen Faktoren.

Die Fraktion DIE LINKE fordert, beim Überplanen

von Verwaltungsstruk-turen alle betroffenen Bereiche einzubeziehen.

Ausgangspunkt aller Über-legungen sollten die Gemeinden sein.

Ein Aspekt, den die CDU/FDP-Koalition offenbar ignoriert. An der Funktional- und Verwaltungsreform sowie an der geplanten Polizeireform zeigt sich, wie problematisch das von der Staatsregierung beschlossene „Behördenmonopoly“ tatsächlich ist. Ohne zuvor eine belastbare Aufgabenkritik und Analyse durchgeführt zu haben, wird sugge-riert, dass es ohne diesen Behördenumbau keine Einsparungen geben könne. Das aber ist bspw. bei der geplanten Zusammenle-gung der Landgerichte in Bautzen und Görlitz zu einem gemeinsamen Landgericht mit Sitz in Görlitz überhaupt nicht belegt. Sowohl die Anwaltskammer Sachsen als auch der Baut-zener AnwaltsVerein halten die Zusammen-legung für höchst bedenklich und sehen kei-nerlei finanziellen Nutzen für den Freistaat.

Taler, Taler, du musst wandernübrigens…… sind von den Staatsplänen zur Umstruk-

turierung in Sachsen auch der Landesrechnungshof (LRH) und die Sächsische Aufbaubank (SAB) betrof-fen. Der LRH soll von Leipzig nach Döbeln umziehen, die SAB von Dres-den nach Leipzig. Im Landkreis Baut-zen sind u. a. auch der Standort des Polizeireviers Bischofswerda, das Finanzamt und die Staatsanwaltschaft-Außenstelle in Hoyerswerda betroffen.

… liegt gegen die Verlegung der SAB eine Massenpetition vor, die der Landtags-Petitionsausschuss im September beraten will.

… hat der Stadtrat Bautzen sich mit einer Stellungnahme nach Dresden gewandt, um gegen den Verlust des Hauptsitzes des Landgerichts und der Staatsanwaltschaft zu protestieren.

… sammeln DIE LINKEN im Kreis Bautzen zurzeit Petitions-Unter-schriften gegen die geplanten Umstrukturierungen im Landkreis.

Tipp: LINKER Blog zum „Behördenmonopoly“:

http://sachsenziehtum.wordpress.com

mdL rico Gebhardt Sprecher für Innenpolitik

5pvl Heft 3/2011

auch keinerlei Inflationsausgleich erhält. Gegen diesen drohenden Abriss sorbischer Kultur wehrten sich die Betroffenen zum Glück entschlossen, politisch von den Links-fraktionen in Sachsen – namentlich MdL Heiko Kosel – und in Brandenburg sowie der Bundestagsfraktion der LINKEN auf vielfältige Weise unterstützt. Der Protest endete mit einem Teilerfolg, weil die ursprünglich beab-sichtigten Stellenkürzungen am Ende fast halbiert werden mussten. Die Auswirkungen auf das SNE sind natürlich trotzdem nicht zu übersehen. – In diesem Jahr wird es insge-samt nur noch 100 bis 150 Auftritte geben, anstatt wie bisher rd. 250. Die Gastspiele – und damit die Botschafterfunktion für die Kultur der Sorben außerhalb ihres Siedlungs-gebietes – werden drastisch reduziert, das Ensemble konzentriert sich stärker auf seine Heimatregion. Im Mai 2010 wurde die Inten-danten- und Geschäftsführerstelle mit einer Sorbin neu besetzt, die seither erste neue Akzente zu setzen vermochte, z. B. mit den gut besuchten Konzerten für Familien, über die vor allem Kinder für Musik instrumente begeistert werden sollen.

In Bautzen befinden sich neben dem SNE mit dem Deutsch-Sorbischen Volkstheater und dem Domowina-Verlag weitere Einrichtun-gen, die zweifellos zu den wichtigsten kultu-rellen Institutionen der zweisprachigen Lau-sitz zählen und im Gebiet des Kulturraums Oberlausitz-Niederschlesien eine Schlüssel-funktion inne haben. Die Reihe der interes-santen und bedeutenden Kulturstätten ließe sich beliebig fortsetzen, wenn man sich den flächenmäßig größten Landkreis Sachsens genauer anschaut und beispielsweise in die Lessingstadt Kamenz blickt. Das große kul-turpolitische Engagement der Kulturschaf-fenden vor Ort wird aber nicht nur in vielen großen und kleinen Kultureinrichtungen –

Die Bewahrung und Förderung der Kultur in den Regionen – darunter aufgrund ihrer eige-nen Sprache mit einem besonderen Stellen-wert die sorbische Kultur – ist für die Frak-tion DIE LINKE im Sächsischen Landtag nicht nur eine Forderung in ihrem Wahlprogramm, sondern seit vielen Jahren wirkliche Herzens-angelegenheit. Leider haben sich die Rah-menbedingungen für dieses wichtige Anlie-gen LINKER Kulturpolitik im Freistaat in den letzten Jahren zunehmend verschlechtert. Das liegt vor allem daran, weil die schwarz-gelbe Koalition die Kultur in Sachsen entge-gen aller vollmundigen Bekundungen immer mehr als fünftes Rad am Wagen betrachtet und deshalb den prozentualen Anteil der Kul-turausgaben am Landeshaushalt kontinu-ierlich senkt. Um diesen Sparkurs – der in Wirklichkeit natürlich ein Abbau- und Kür-zungsprogramm ist – weiter fortzusetzen, scheut das zuständige Ministerium inzwi-schen auch vor spektakulären Einschnitten nicht zurück, wie die unlängst beschlossene Auflösung des Orchesters der Landesbühnen Sachsen mit Wirkung vom 31. Juli 2012 nach-drücklich beweist.

Was diese fatale Weichenstellung der kultu-rellen Entwicklung in Sachsen mit dem Land-kreis Bautzen zu tun hat, wird beim Blick auf die jüngsten Entwicklungen im Bereich der sorbischen Kultur schnell klar. Anfang 2010 wurden die Zuschüsse für das Sorbische National-Ensemble (SNE) massiv gekürzt und damit drohte die Streichung von ca. 40 der bislang 107 Stellen und faktisch die Abwick-lung des Orchesters. Der finanzielle Druck für diese Entscheidung war wiederum dadurch erzeugt worden, dass die „Stiftung für das Sorbische Volk“ seit Jahren u. a. auch von der Sächsischen Landes- und der Bundesregie-rung nicht mit den notwendigen finanziellen Mitteln ausgestattet wird und darüber hinaus

von B wie Bibliotheken bis T wie Tiergärten – sichtbar, sondern auch vom hohen Reflexi-onsniveau der entsprechenden Debatten. Keiner der fünf sächsischen Kulturräume außerhalb der Metropolen kann wohl der-zeit einen inhaltlich so ausgereiften Entwurf von „Kulturpolitischen Leitlinien“ vorwei-sen wie der Kulturraum Oberlausitz-Nieder-schlesien, der in diesem Jahr voraussichtlich 10,5 Mio. Euro aus Mitteln des Kulturraum-gesetzes erhalten wird. Damit dürfte der Etat im Verhältnis zu 2010 allerdings signifi-kant sinken, denn mit der Zwangskommuna-lisierung der Landesbühnen Sachsen werden von den ursprünglich 86,7 Mio. Euro über drei Mio. Euro zweckentfremdet für eine vor-malige Landeseinrichtung eingesetzt und anteilmäßig den insgesamt acht Kulturräu-men entzogen. Insofern liest sich das neue Lausitz-Konzept der brandenburgischen und sächsischen CDU unter der Überschrift „Die Lausitz: Zukunftsregion für Sachsen und Bran-denburg“ unter kulturpolitischer Perspektive zwar recht gefällig, zumal dem Erhalt und der Förderung der Kultur und regionaler Traditio-nen sowie der Pflege der sorbischen Sprache formal ein hoher Stellenwert beigemessen wird. Aber dass es sich hierbei um nicht mehr als um ein schwarzes Lippenbekenntnis han-delt, ist nach den jüngsten Kürzungsorgien im Kulturbereich sehr zu befürchten.

Spielszene aus „Das Geheimnis der Schwarzen Mühle“ (Krabat) / SNE

Slawische Tänze – „Durch die Zeiten“ / SNE

mdL Dr. Volker Külow Sprecher für Kulturpolitik

Ist das KULTUR oder kann das weg?

6 pvl Heft 3/2011

mdL Enrico Stange Sprecher für Landesentwicklung und Infrastruktur

Ein Mittwoch im August, die Sonne lässt die schmale Straße flirren. Eine freundliche ältere Dame ist auf dem Weg zum Nach-mittagsplausch mit ihrer Freundin. Sie geht einen recht einsamen Weg inmitten der wenige Häuser zählenden Dorfsiedlung. Am Wegsaum die Grundstücke derer, die längst woanders leben. Weggezogen, weil es keine Arbeit gibt, weil die Schule für die Kinder erst nach einer Bus-Stunde zu erreichen war und weil der Wochenendeinkauf nur im Super-markt der 20 Kilometer entfernten Stadt zu erledigen war. Den letzten Laden im Dorf hatte die ältere Dame noch gekannt. Lange her. Bei ihrer alten Freundin röchelt sich der-weil das Wasser vom Hausbrunnen durch die Kaffeemaschine. Der Brunnen ist noch ziemlich neu, sie hatte ihn erst kürzlich vom lange Ersparten bauen lassen.

Surreal? Mitnichten. Möchte man Land-schaftsbilder wie diese heute noch für übertrieben halten, sind sie dennoch nicht unwahrscheinlich. Gerade in Sach-sen. Sieht man sich die Bevölkerungsent-wicklung im Landkreis Bautzen genauer

an, ist nicht nur der allgemeine Rückgang der Bevölkerungszahlen augenfällig. Von 1990 (389.200 Einwohner / EW) bis 2009 (325.000 EW) hat der Landkreis nach der 5. Regionalisierten Bevölkerungsprognose knapp 64.000 Einwohner verloren! Dabei sind sicherlich gebietsmäßig ungleichmä-ßige Verteilungen zu berücksichtigen. So hat Hoyerswerda von 1981 (71.000 EW) bis 2009 (38.000 EW) knapp 43.000 Einwoh-ner verloren, im Wesentlichen nach 1990. Unberücksichtigt bleibt, dass die Stadt, die Ende des zweiten Weltkriegs noch knapp 6.000 Menschen zählte und durch den Braunkohleabbau und angrenzende Indus-trien ihren Aufschwung nahm, ihre Fläche durch massive Eingemeindungen seit der Wende vergrößerte. Ganz klar jedoch geht der Löwenanteil des Bevölkerungsverlustes des Landkreises auf das Konto des Struk-turwandels im Braunkohlenbergbau sowie der damit verbundenen Deindustrialisie-rung. Tatsächliche kompensiert wurde das nie, die Niedriglohnstrategie in Industrie, Handwerk und im Dienstleistungsbereich tat ihr Übriges. Und die weitere demogra-fische Entwicklung zeichnet ein stabiles Bild des Bevölkerungsrückgangs über 2025 hinaus. Die Folge: Nicht nur in der Hoyers-werdaer Neustadt sind bereits ganze Wohn-quartiere verschwunden. Auch Bautzen, die Kreisstadt, die durch großzügige Förderung heute so schön wie wohl nie in ihrer mehr als tausendjährigen Geschichte ist, ist z.B. mit dem Gebiet Gesundbrunnen betrof-fen. Ganz zu schweigen von Kleinstsied-lungen und Landgemeinden im Norden des Landkreises.

Diese als Schrumpfungsprozesse umschrie-benen Vorgänge sind mit massiven Ein-schnitten in das Versorgungs- und Dienst-leistungsgeflecht verbunden, das wir als die Kernbereiche der Daseinsvorsorge

verstehen: Ärzte- und Krankenhausversor-gung, Kindergärten und Schulen, Ausbil-dungsstätten, der öffentliche Nahverkehr, Wasser, Abwasser und Energie – um nur einige zu nennen. Sind beispielsweise ein-gangs der neunziger Jahre große Abwas-seraufbereitungsanlagen konzipiert und gefördert worden, stehen heute die Bürge-rinnen und Bürger vor der Situation, stetig steigende Kosten aufgrund der mittlerweile erheblich überdimensionierten Anlagen tra-gen zu müssen. Immer lauter wird der Ruf nach dezentralen Lösungen, Anschluss-zwang wird abgelehnt und ist zunehmend verhasst. Beredtes Beispiel sind die Aus-einandersetzungen um den AZV Am Klos-terwasser, der wohl auch den Ministerprä-sidenten in Panschwitz-Kuckau mit Wasser versorgt.

Beim öffentlichen Nahverkehr werden künftig auch aufgrund der falschen Wei-chenstellungen der sächsischen Staats-regierung mehr und mehr Schienenver-kehrsleistungen auf den zwei verbliebenen Schienenadern dem Rotstift zum Opfer fal-len und durch zunehmend weniger flächen-deckende Busverbindungen ersetzt. Es ist klar, dass unterm Diktat der Wirtschaftlich-keit insbesondere jene vom ÖPNV abge-hängt werden, die in kleinen Dörfern, abge-legenen Kleinstsiedlungen oder jenseits des Stadtrandes zentraler Orte leben.

Dennoch, der grundgesetzliche Anspruch auf die Sicherung gleichwertiger Lebens-verhältnisse besteht auch für die Bürgerin-nen und Bürger im Landkreis Bautzen. Im Zentrum der Landesentwicklungspolitik wie auch der regionalen Entwicklungsplanun-gen muss stets die Sicherung der Kernbe-reiche der Daseinsvorsorge stehen. Daran müssen sich Planungen und politische Kon-zepte für die wirtschaftliche Entwicklung, die Verkehrsentwicklung etc. orientieren. Dass dabei entgegen den Politikempfehlun-gen des Dresdner Ifo-Institutes aus der Stu-die „Wirtschaftliche Entwicklung Sachsens im Ländervergleich“ die grundsätzliche Ver-nachlässigung kleinteiliger Infrastrukturen im ländlichen Raum nicht im Sinne einer solchen vergleichbaren und gleichwerti-gen Entwicklung ist, liegt auf der Hand. DIE LINKE wird bei der Fortschreibung des Landesentwicklungsplanes die Daseinsvor-sorge in den Mittelpunkt der eigenen Kon-zepte und parlamentarischen Initiativen stellen. Auch für den Landkreis Bautzen.

Keiner mehr da. Aufgegebenes Haus in der Lausitz.

Leben im „Entleerungsraum“: Gestern. Heute? Morgen!

7pvl Heft 3/2011

LINKE Power zwischen Hoywoy & Cunewalde

Der Landkreis Bautzen (obersorbisch: Budyšin) ist im Osten Sachsens zu finden und grenzt nördlich an Brandenburg. Der flächenmäßig größte Kreis des Freistaats ist Mitglied der Euroregion Neiße, größere Städte sind u.a. Bautzen, Hoyerswerda, Radeberg und Kamenz – die Gastgeberstadt des 20. Tages der Sachsen. 2009 wurde der Landkreis mit dem Bundestitel „Ort der Vielfalt“ geehrt, was auch auf die in weiten Teilen gepflegte Zweisprachigkeit – Deutsch und Sorbisch – und das reiche kulturelle Leben in der Region zurückzuführen ist. Hier, im Landkreis Bautzen sind auch die Landtagsabgeordneten der LINKEN Marion Junge und Heiko Kosel zu Hause. Für Pvl beantworteten sie drei Fragen:

1. Was schätzt Du an Deinem Heimatkreis besonders?

2. Wo siehst Du die Schwachstellen im Landkreis Bautzen und wie sollte/könnte ihnen begegnet werden?

3. Wo und wie bist Du im Kreis politisch und gesellschaftlich aktiv, wie mischst Du mit und Dich ein?

mdL-BürgerbürosDIE LINKE im Landkreis Bautzen

Bürgerbüro Kamenz (MdL Marion Junge)Grüne Straße 1, 01917 Kamenz

+49 (0)3578 / 78 73 39 +49 (0)3578 / 78 73 46 [email protected] [email protected]

Bürgerbüro Bautzen (MdL Heiko Kosel)Große Brüdergasse 1, 02625 Bautzen

+49 (0)3591 / 49 09 75 [email protected]

Europakontaktbüro Bautzen(MdL H. Kosel & MdEP Dr. C. Ernst)Seminarstraße 5, 02625 Bautzen

+ 49 (0)3591 / 27 05 61 [email protected]

Bürgerbüro panschwitz-Kuckau (MdL Heiko Kosel)Cišinskistraße 901920 Panschwitz-Kuckau

+49 (0)35796 88853 [email protected]

mdL Heiko Kosel:

1. Der Reiz der Landschaft, die sich vom bergigen Oberland bis zum Heide- und Teichland erstreckt, zieht mich immer wieder in den Bann. Die Leute mit ihrem sprichwörtlichen „Lausitzer Granitschädel“, die anzupacken verstehen, sind mir äußerst sympathisch, und die kulturelle Vielfalt, ein Ergebnis deutsch-slawischer kultureller Wechselseitigkeit, begeistert mich immer aufs Neue. Auch die Geschichtsträchtig-keit meines Heimatkreises ist eine ganz herausragende.

2. Sorge macht mir die unausgewoge-nen Infrastruktur und die großen sozialen Unterschiede. Da ich im Norden des Krei-ses „auf dem tiefsten Land“ wohne, weiß ich, was das alles zusammen im Alltag für die Menschen bedeutet. Das Süd-Nord-Gefälle ist außerdem augenfällig. Der Land-kreis bräuchte auf lange Sicht ein komple-xes regionales Entwicklungsprogramm, das auch die Nähe und Partnerschaft zu Tsche-chien und Polen mit einbezieht.

3. Sehr gern mische ich mich dort ein, wo es um Minderheiten- und Europafragen oder soziale Probleme geht. Ich plädiere und wirke energisch dafür, Bautzen und den gesamten Landkreis zu einem wirklich europäisch – sprich mittelosteuropäischen Drehkreuz zu entwickeln. Vor allem im sor-bischen Bereich spüre ich wachsende Reso-nanz, anderswo auch allgemeine Akzeptanz. Dementsprechend bin ich in verschiedenen Gremien, Vereinen und Fördergesellschaf-ten aktiv. Das reicht z.B. vom Stiftungsrat der Stiftung für das Sorbische Volk und dem Vorsitz der Domowina-Schiedskommission über den Beirat der JVA Bautzen, den För-derverein der Mittelschule Malschwitz oder des Pfefferkuchenmuseums Weißenberg bis hin zum Beirat der Wirtschaftsvereini-gung BVMW oder zur Fördermitgliedschaft des Behindertenverbandes Bischofswerda.

mdL marion Junge:

1. Der Landkreis Bautzen hat eine Vielfalt an Kultur, Landschaft und Tradition zu bieten. Besonders spannend finde ich die wechsel-volle Geschichte der Oberlausitz mit ihren Bräuchen und ihrer Lebensweise. Die sorbi-sche Sprache und Kultur ist überall erlebbar. Historie erleben und Natur genießen, dazu laden die sehr verschiedenen Regionen mei-nes Heimatkreises ein.

2. Die Mitsprache und Beteiligung der Bür-ger/innen im Landkreis ist mangelhaft. Viele wichtige Entscheidungen werden in nicht-öffentlichen Ausschusssitzungen beschlos-sen. So z.B. haben die Mittelkürzungen im Bereich der Kinder- und Jugendarbeit auch durch den Landkreis erhebliche Auswirkun-gen auf die Handlungsmöglichkeiten in den Sozialräumen. Seit 2011 wurde von neun auf vier Sozialräume reduziert. Von einst 44 sind jetzt nur noch 20 Vollzeitstellen bewilligt, obwohl Aufgaben und Einzugsgebiet größer wurden. Der Landkreis ist deshalb gut bera-ten, wenn er seine soziale Verantwortung gerade in der Kinder- und Jugendarbeit stärker wahrnimmt. Die diesjährigen Steuermehrein-nahmen wären hier besonders gut investiert!

3. Ich bin seit 1990 Stadträtin in Kamenz und seit acht Jahren Fraktionsvorsitzende der LIN-KEN. Ich engagiere mich besonders für eine sozial gerechte und bürgernahe Kommunal-politik. Kommunen stärken und mehr Bürger-beteiligung ermöglichen, das ist für mich ein wichtiges Anliegen. Seit 2005 bin ich auch stellvertretende Oberbürgermeisterin im Ehrenamt und arbeite seit vier Jahren im Orts-vorstand DIE LINKE in Kamenz mit. Als kommu-nalpolitische Sprecherin meiner Landtagsfrak-tion setze ich mich vor allem für die Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung ein. Dies schließt eine starke Bürgerbeteiligung ein. Neben meiner Mitgliedschaft in verschiede-nen Vereinen engagiere ich mich auch im Kamenzer Bündnis für Toleranz und Humanität.

8 pvl Heft 3/2011

Aluminiumgewinnungs­technologie und Neben prozesse

Technologisch wurde zur Gewinnung von Aluminium hauptsächlich das so genannte Bayer-Verfahren angewandt. Hierbei wird nach Brechung und Mahlung der Bauxit mit Natronlauge unter erhöhten Temperatur- und Druckbedingungen gelöst. Aus der ent-stehenden Natriumaluminat-Lösung wird Aluminiumhydroxid ausgefällt, welches wie-derum in Drehrohröfen zu Aluminiumoxid (Tonerde) gebrannt wird. Das Wertmetall Aluminium wird schlussendlich durch eine Schmelzflusselektrolyse gewonnen.

Da im Bauxit neben Aluminium eine reichliche Anzahl weiterer Elemente vorhanden sind, wurden außerdem als Wertelemente zum Beispiel Vanadium oder Gallium produziert. Daneben gab es aber auch eine Menge an Abfallstoffen. Hierzu zählt Rotschlamm, ein Gemisch von Eisenoxid und –oxidhydroxiden. Die angewandte Technologie machte wei-tere Produktions- und Versorgungsanlagen nötig. So wurden von 1918 bis 1968 durch ein auf Braunkohlenbasis betriebenes Gas-generatorenwerk verschiedene Bereiche der Aluminiumfabrik mit Generatorgas beliefert.

Ökologisches Großprojekt Lautawerk

Insbesondere der Betrieb der Gasgenerato-renanlage auf Braunkohlenbrikettbasis hat, wie auch an weiteren sächsischen Stand-orten (aktuell: Sanierung des Gaswerks in Chemnitz) zu immensen Verunreini-gungen des Grundwassers und Bodens geführt. In Lauta betrifft das zum Bei-spiel die im Nordosten des Werks-geländes angelegten Teerteiche oder Abtauchstationen, in denen eine sog. Entspannung des Gases vor dessen Einsatz erfolgte; sowie die verfüll-ten Teerölbunker im Südwesten des Werksgeländes.

Die Schadstoffe – Phenole, Benzen-Toluen-Etylbenzen-Xylen, Mineralöl-kohlenwasserstoffe, Polyzyklische Aromatische Kohlenwasserstoffe und Cyanide – wurden bei Erkun-dungsuntersuchungen in hohen Kon-zentrationen ermittelt, so dass eine große Gefahr für die zu entwickelnde Lausitzer Seenlandschaft bestand. Folgerichtig wurde 1993 das Lau-tawerk zum Ökologischen Groß-projekt des Freistaa-tes Sachsen erklärt, um die Teerteiche zu sanieren. Insgesamt wurden bis 2007 zum Abschluss des Projekts

Lauta – das grüne Tor zum Lausitzer Seen-land, so sieht sich die Stadt nach einer inte-ressanten und wechselhaften Geschichte heute. Erstmalig 1374 urkundlich erwähnt, avancierte Lauta im 20. Jahrhundert zu einer der größten Industrieansiedlungen in der Lausitz. Leider steht diese Entwicklung in einem unrühmlichen Zusammenhang mit den von Deutschland begonnenen zwei Weltkriegen. Schon bald nach Beginn des I. Weltkrieges wuchs der Bedarf an Metal-len infolge der expandierenden Rüstungs-industrie stark an. Vor allem fehlte es an Kupfer, das bis dahin das „Rüstungsmetall Nr. 1“ war. Bis auf das Mansfeldgebiet hatte Deutschland aber keine weiteren Kupfer-vorkommen. Dadurch gewann Aluminium immer mehr an Bedeutung, da es in den meisten Fällen einen vollwertigen Ersatz für Kupfer darstellte. Der für die Produktion von Aluminium notwendige Bauxit wurde durch die Kriegsrohstoffabteilung in reichem Maße aus Istrien (Jugoslawien), Dalmatien (Jugos-lawien) und Ungarn eingeführt.

Da die Verhüttungsprozesse immense Ener-giemengen benötigen, wurde von Gene-ralfeldmarschall v. Hindenburg (Chef der obersten Heeresleitung in Deutschland) ent-schieden, dass die Vereinigten Aluminium-Werke AG in unmittelbarer Nähe der Braun-kohlengrube „Erika“ die Aluminiumhütte, das „Lautawerk“, errichten soll. Am 15. Oktober 1918 wurde die Fabrik in Betrieb genom-men und schon 48 Stunden darauf das erste Metall produziert. Anfangs rechnete man mit ca. 6.000 Arbeitskräften, bald schon wuchs die Zahl auf 12.000 an. Darunter viele Kriegsgefangene, Zwangsverpflichtete und Internierte, für die eigens zum Lautawerk Baracken- und Wohnsiedlungen errichtet wurden, da das Dorf Lauta nicht unmittel-bar an den Betrieb grenzte. So war das einst beschauliche Heidedorf quasi über Nacht zur Industriestadt geworden.

Nach einer Stagnationsphase nach Ende des I. Weltkrieges bis zur Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 avancierte das Lautawerk in den 40iger Jahren sowohl von der Produktionsvielfalt (Kalksandsteine, Kris-tallsoda, Gasreinigungsmasse usw.) als auch von der Kapazität her zum größten Alumini-umwerk Europas. Im Rahmen von Repara-tionsleistungen im Jahre 1945 wurde die fast ausschließlich für die Rüstung arbeitende Aluminiumindustrie in der damaligen sowjeti-schen Besatzungszone demontiert und in die Sowjetunion gebracht. Trotzdem erging die Entscheidung zum Wiederaufbau des Werkes am selben Standort, sodass 1964 in Lauta wieder Aluminium produziert wurde. Auf-grund der politischen und wirtschaft lichen Entwicklung in Deutschland und dem Verfall des Aluminiumpreises auf dem Weltmarkt wurden die Produktionsanlagen 1990 – dann jedoch endgültig – stillgelegt.

Laut(er)aer Geschichte(n) & Warum Rot nicht nur die Farbe der Liebe ist

Lautas weithin sichtbares Wahrzeichen: Der historische Wasserturm des früheren Lautawerkes.

Gelände des Lautawerks – 1994

9pvl Heft 3/2011

230.000 Tonnen Teer sowie Bauschutt und verseuchter Boden entsorgt.

Nur durch die erfolgreiche Bewältigung dieser Standortsanierung ist es gelun-gen, das ehemalige Werksgelände wieder einer Nachnutzung zuzuführen. So haben sich heute hier kleine und mittelständische Unternehmen, wie die Baustoff GmbH Lauta angesiedelt. Aber auch eine große Müllver-brennungsanlage, die nicht unumstritten ist und mit deren Bau und Betrieb sich DIE LINKE seit langem befasst. Aktuell haben wir unter der Drucksachennummer 5/4111 einen Antrag im parlamentarischen Geschäfts-gang, über den wir die Staatsregierung auf-fordern, schnellstmöglich Maßnahmen gegen die drohende Abfallgebührensteigerungen für die Bürgerinnen und Bürger im Gebiet des Regionalen Abfallverbandes Oberlausitz- Niederschlesien (RAVON) zu ergreifen. Auch die Kreistage in Bautzen und Görlitz werden sich mit der Problematik auseinandersetzen müssen bzw. tun dies bereits.

Offene Umweltprobleme

Obwohl die Standortsanierung in Lauta gut vorangekommen ist, gibt es noch Rück-stände der Aluminiumproduktion, die umweltproblematisch sind. Hierzu gehören die erwähnten Rotschlämme. Von 1917/18 bis 1972 wurde der Rotschlamm auf dem Schienenweg auf die etwa zwei Kilome-ter vom Werk entfernte Rotschlammhalde gefahren. Anfangs wurden dieser sehr gut vermarktet. Die in den 20er Jahren gegrün-dete Luxmasse GmbH vertrieb zunächst einen Teil des auf Halde verkippten Lautaer Rotschlammes für die Reinigung des in Gas-anstalten erzeugten Gases von Schwefelbei-mengungen (Lautamasse). Außerdem wurde diese Masse in Ziegeleien als Zusatz in der Klinkerproduktion eingesetzt. Der größte Teil der anfallenden Masse verblieb aber auf Halde. Die Sanierung dieses Bereiches soll 2012 abgeschlossen sein.

Ab 1972 wurde der Rotschlamm in das Braunkohletagebau-Restloch des ehema-ligen Braunkohlewerkes „Heide“ (sog. Rot-schlamm-Restloch, Baufeld V) verspült, wo heute noch ca. 2,5 Mio. Tonnen liegen. Das Restloch Heide V befindet sich ca. drei Kilometer vom Lautawerk entfernt auf Tei-

len der Gemarkungen Lauta, Leippe und Hosena, sodass dessen Süd-

böschung und der Trenndamm zum benachbarten Restloch

Heide VI Teil der Landes-grenze zwischen Sach-sen und Brandenburg sind.

Das Umweltproblem an diesem Standort

besteht darin, dass die

im Restloch Heide V lie-genden Rotschlamm-sedimente als auch das Freiwasser (freies Wasser, bspw. in einem See) hohe alkalische pH-Werte, beträcht-liche Salzlasten und hohe Metallgehalte (u.a. Aluminium und Arsen) aufweisen. Bei einem Dammbruch würden sich das alkali-sche, schwermetallrei-che Wasser sowie Teile des Sedimentes des Restloches Heide V in das Restloch Heide VI ergießen.

Bisher gingen Gutach-ter davon aus, dass bei einem Wasserspiegel, der infolge des Grund-wasserwiederanstie-ges bis 128 Meter Nor-malhöhennull ansteigen könnte, der Trenndamm zum benachbarten Rest-loch Heide VI keinen Schaden nimmt, resp. standsicher ist. Ich habe der Staatsregie-rung dazu zwei Kleine Anfragen (Drs 5/4509, Drs 5/5757) gestellt, deren Antworten darauf schließen lassen, dass diese Aussage nicht mehr haltbar ist. Berechnungen eines Böschungssachver-ständigen ergaben, dass eine Absenkung des Wasserspiegels im Restloch Heide V keine signifikante Zunahme der Standsi-cherheit des Trenndammes erbringe und Setzungsfließgefahr bestünde. Ähnliches geschah im Oktober 2010 im ungarischen Kolontar, wo nach einem Dammbruch eine giftige rote Schlammflut mehrere Dörfer überschwemmte. Trotzdem empfiehlt der Sachverständige eine Absenkung des Was-serspiegels, um kurzfristig durch einen Aus-gleich der benachbarten Restlöcher den hydraulischen Druck auf den Trenndamm zu verringern und die entstehende Welle bei einem Dammbruch so klein wie möglich zu halten. Auch um große Schäden an den Böschungen des Restloches Heide VI zu ver-meiden. Deshalb muss der Damm schnellst-möglich saniert werden!

Aus meiner Sicht sollte die Sanierung des Restlochs Heide V damit allerdings nicht beendet sein. An anderen sächsischen Standorten, die Rückstände einer Rohstoff-aufbereitung aufweisen, wurden immense Sanierungsarbeiten durchgeführt, damit keine Gefahr mehr von ihnen ausgeht. Warum man gerade hier derart zögert, erschließt sich mir nicht. Auch anderen Experten geht

mdL Dr.Jana pinka Sprecherin für Unwelt- und Technologiepolitik

es offenbar ähnlich. So äußert Senftenbergs Oberbürgermeister Andreas Fredrich am 4. März in der Lausitzer Rundschau, dass er nicht zulassen werde, dass Wasser aus dem sächsischen Bauxitschlammloch in den tie-fer gelegenen Restsee nach Brandenburg abgepumpt werde. Er befürchtet zudem, dass im Falle eines Dammbruchs eine Rot-schlamm-Lawine in einem Grabensystem in Richtung Hosena fließt und dort zu Boden- und Grundwasserschäden führt. Ein Antrag auf wasserrechtliche Genehmigung zur Über-leitung des Wassers aus dem Rotschlamm-Restloch wurde zwischenzeitlich wegen Ein-reichung nicht geeigneter Unterlagen durch den Restloch-Eigentümer nicht zur Prüfung zugelassen. Ich bin gespannt, wie dieser Krimi ausgeht und ob sich die Länderbehör-den endlich intensiver einschalten werden. Denn eines sollte langsam auch dem Letz-ten dämmern: Es ist Gefahr im Verzug!

Laut(er)aer Geschichte(n) & Warum Rot nicht nur die Farbe der Liebe ist

Lautas Ortsteil Torno (oben) und Rotschlammhalden (vorn links: saniert, Mitte rechts: in Arbeit)

Lautas weithin sichtbares Wahrzeichen: Der historische Wasserturm des früheren Lautawerkes.

10 pvl Heft 3/2011

Dem Vergessen entrissenWie ein mahnender Finger weist der mäch-tige Schornstein der früheren Textilfabrik in der „Herrental“ genannten grünen Senke in Kamenz gen Himmel. Schwer trägt der nebenstehende, behutsam restaurierte Mau-errest an den Tafeln mit 182 Namen. Alle männlich, kein Deutscher darunter, fast alle jung gestorben. Zu jung.

In den Kriegsjahren 1944/45 hatte die SS die stillgelegte Tuchfabrik als Außenlager des KZ Groß-Rosen (in Niederschlesien, heute Polen) missbraucht. Bis zu 1.000 Häftlinge aus 21 Ländern waren hier untergebracht, um für den Rüstungsbetrieb der Daimler-Benz AG Zwangsarbeit zu leisten. Mindestens 182 kamen dabei um. Sie starben an Hunger und Erschöpfung oder wurden ermordet und in der hauseigenen Kesselanlage verbrannt.

Am 7. Juli 2011 wurde die Gedenkstätte für die Gemarterten aus dem Kamenzer Herrental in einer bewegenden Zeremonie der Öffentlich-keit übergeben. Der Weg bis dahin war lang. Zwar war schon 1952 eine Gedenktafel an der Fabrikruine angebracht und das Herrental in „Tal der Widerstandskämpfer“ umbenannt worden – mehr aber geschah nicht. Nur das Industriegelände verfiel zusehends.

Nach der Wende bekam das Tal seinen alten Namen zurück und es schien, als würde sprichwörtlich „Gras über die Sache wachsen.“ Dem stemmten sich enga-gierte Kamenzer entgegen, recherchierten zum Herrental und organisierten Veran-staltungen. Stationen auf dem Weg wider das Vergessen waren u. a. die Veranstal-tung „Ein Tag im Herrental“ (2003) mit der Präsentation des Forschungsprojek-tes zur Geschichte des KZ-Außenlagers; die Gründung der „Initiative zur Bewah-rung des Gedenkens an die Opfer faschis-tischer Gewaltherrschaft in Kamenz“; die Gedenkveranstaltung zum 60. Jahrestag der Auflösung des KZ-Außenlagers und die Einweihung des Gedenksteins für den Anti-faschisten Richard Liebelt (2005) sowie das Setzen zweier Stolpersteine zum Gedenken an ermordete jüdische Mitbürger (2008).

Neben Aktivisten wie Dr. Hermann Schierz, Dr. Walter Strnad und Prof. Dr. Matthias Herrmann war es vor allem auch Wolf-gang Teichert, dem der Aufbau einer wür-digen Gedenkstätte im Herrental Herzens-sache war und der 2008 den Vorsitz des Fördervereins „Gedenkstätte KZ-Außen-lager Kamenz-Herrental“ übernahm: „Für mich ist Antifaschismus Lebenshaltung. Schon in meiner Jugendzeit war ich mit der Geschichte Buchenwalds konfrontiert, spä-ter waren Fahrten dorthin selbstverständ-lich. Nur hier vor Ort – da war nichts, das musste sich ändern!“, so der 79-Jährige.

Schon 1990 hatte der Kamenzer Stadtrat den Renaturierungsbeschluss für das Her-rental gefasst. 20 Jahre sollte es bis zu sei-ner Umsetzung dauern. 2010/11 wurde das Tal mithilfe von Fördermitteln der Euro-päischen Union, des Landes und der Stadt revitalisiert und der Gedenkort geschaffen. „Ich bin unendlich dankbar, dass unsere Idee von der Gedenkstätte auf fruchtba-ren Boden fiel und wir so viele Mitstreiter gewinnen konnten“, so Wolfgang Teichert,

denn das heutige Herrental hat wahr-lich viele Väter und Mütter ! Neben dem Förderverein, den Kirchen und der Stadt brachten sich Gewerbetrei-bende, Unterneh-men und zahlrei-che Bürger in das Projekt ein. Die Gedenktafeln wur-den über Spenden finanziert und der Förderverein konnte zahl reiche Privat-personen, Einrich-tungen, Unterneh-men, Vereine und

Schulklassen dafür gewinnen, eine geis-tig-finanzielle Namenspatenschaft über einen oder mehrere der in Kamenz zu Tode gekommenen KZ-Häftlinge zu übernehmen.

Respekt und Hochachtung zollt Wolfgang Teichert vor allem dem Kamenzer Stadt-oberhaupt Roland Dantz, der das Projekt Gedenkstätte von Anfang an unterstützt hat und es nach einem Besuch Michel Carons (s. nebenstehender Beitrag) de facto sogar zur „Chefsache“ machte. „Roland Dantz hat 2007 den schlechten Zustand des Geden-kortes nicht nur zur Kenntnis genommen, sondern dem Gast aus Frankreich auch ver-sprochen, dass er bald an einen Ort zurück-kehren könne, der seines Vaters und der andere Kamenzer KZ-Opfer gerecht werden würde“, so Teichert.

(v.li.) Alphonsius Saey, Überlebender des KZ-Außenlagers Kamenz-Herrental, und der Kamenzer Oberbürgermeister Roland Dantz

Wolfgang Teichert, einer der „Väter“ der Gedenkstätte im Kamenzer Herrental

Am 7. Juli war es soweit. Neben Michel Caron nahm mit Alphonsius Saey ein Überlebender der KZ-Außenstelle Kamenz an der Gedenk-stättenweihe teil. Der Belgier gehörte 1945 zu den Häftlinge vom KZ Flossenbürg, die in Kamenz interniert waren, um in der Flug-zeugmotorenproduktion zu schuften. Der schmächtige 21-Jährige war der SS ausgelie-fert – zur Vernichtung durch Arbeit. Gemein-sam mit seiner Familie legte der heute 87-Jährige einen Kranz am Mahnmal nieder. Für die Landtagsfraktion DIE LINKE hatte das Marion Junge übernommen: „Mit der würde-vollen Einweihung der Gedenkstätte begin-nen wir, die hier in Kamenz Umgekomme-nen dem Vergessen zu entreißen. 66 Jahre mussten sie darauf warten. Als Mitglied des Fördervereins, als Stadträtin und als Kamen-zerin bin ich stolz, dass diese Gedenkstätte durch bürgerschaftliches Engagement mög-lich wurde. Jetzt gilt es, diesen Ort zu schüt-zen und mit Leben zu erfüllen. Damit die Verbrechen des Nationalsozialismus nie in Vergessenheit geraten.“ efa

11pvl Heft 3/2011

Die Wallfahrt des Michel Caron

Michel Caron ist ein freundlicher Mann. Im hellen Anzug, auf dem Kopf ein luftiger Som-merhut, spaziert der 76-Jährige unter azur-blauem Himmel durch das sattgrüne Kamenz. Das charmante Französisch des feingliedrigen Herrn streichelt deutsches Gehör, bis zwei Worte das Idyll zerbrechen: „Klaus Barbie“. Michel Caron spricht vom „Schlächter von Lyon“, vom verschollenen Vater, seiner Suche nach ihm und einer Odyssee die im Kamenzer Herrental ihr Ende fand.

Am 18. Dezember 1943 verschwand Michel Caron (30) aus dem Leben seines damals achtjährigen Sohnes Michel. Sechs Jahr-zehnte sollte sich diese Lücke nicht schlie-ßen. Dann brach der Sohn auf, den Spu-ren des Vaters zu folgen, dessen Leben am 26. Februar 1945 in Kamenz ein gewaltsa-mes Ende fand: „60 Jahre wurde über den Vater nicht gesprochen. Ich wusste nur, dass er im KZ war. Erst 2004 haben wir erfahren, dass er hier gestorben ist. Deshalb reisten mein Sohn und ich an seinem 65. Todestag erstmals nach Kamenz. Übrigens: Mein Vater, mein ältester Sohn und ich, wir tragen alle densel-ben Vornamen: Michel.“

In seinen Recherchen erfährt Michel Caron, dass sein Vater während der deutschen Besetzung Frankreichs im Widerstand war und in der Region um Lyon mithalf, die Landung der Alliierten vorzuberei-ten. Ende 1943 geriet er in die Fänge der Gestapo unter Führung Barbies, kam ins Lyoner Gefängnis Montluc, danach ins Lager Compiegne-Royallieu bei Paris. Es folgten Inter-nierungen in Polen und Deutschland.

Nachdem Michel Caron den genauen Weg seines Vaters rekonstruiert hatte, fasst er einen Entschluss: Er wollte diesen Weg selbst gehen. Im Jahr 2007 machte er sich auf die ca. 5.000 Kilometer lange Reise. Sta-tionen der schmerzvollen Suche waren nach Montluc und Compiegne-Royallieu die Kon-zentrationslager in Buchenwald und Flossen-bürg - und schließlich Kamenz. Es war der 27. April 1944, als Carons Vater mit 100 ande-ren Häftlingen in einen Viehwagen gepfercht und nach Birkenau gebracht wurde. Zuvor waren alle mit einer Nummer tätowiert wor-den. Michel Caron hieß ab jetzt „185.225“. Nach Birkenau folgte Buchenwald, hier wurde der 31-Jährige erneut tätowiert: Num-mer 53.804. Die dritte Nummer bekam er im bayerischen KZ Flossenbürg, es war die 9.540, erweitert um den Zusatz „M.S“, was für „Meerschaum“ und somit für „besonders gefährlich“ stand. Und schließlich Kamenz. Hier wurde Michel Caron am 26. Februar 1945 durch eine Phenol-Spritze umgebracht und in der Lagerheizung verbrannt.

Als Michel Caron jun. den Spuren seines Vaters folgend 2007 im damals noch unge-ordneten Grün des Herrentals stand, steckte er etwas Erde in seine Tasche. „Ich habe die mit der Asche meines Vaters vermischte Erde zuhause auf das Grab meiner Mutter gestreut. Ich bin froh, dass ich beide nach 65 Jahren der Trennung symbolisch für die Ewigkeit wieder vereinen konnte.“

Auf seiner langen schmerzvollen „Reise zum Vater“ habe er eine gewisse innere Ruhe gefunden, sagt Michel Caron: „Während mei-ner Wallfahrt habe ich starke Gefühle durch-lebt: Die Spuren meines Vaters nach mehr als 60 Jahren unerträglicher Abwesenheit zu finden, an jedem Ort, den er passiert hat, die unvorstellbaren Leiden nachzufühlen, die er ertragen musste, und den Ort zu finden, wo sein geschundener Körper endlich Ruhe gefunden hat.“

Überall, wo Michel Caron während seiner Reise Station machte, wurde er herzlich auf-genommen, was ihn ermutigte, seine Suche fortzusetzen. Schließlich in Kamenz ange-langt, hat ihn die wohlwollende Aufmerk-samkeit sehr berührt: „Menschen, die heute meine Freunde sind, wie Oberbürgermeis-ter Roland Dantz, Wolfgang Teichert oder Dr. Hermann Drumm haben es mir warm ums Herz werden lassen. Mit der Gedenk-stätte im Herrental haben meine Familie und ich endlich einen Ort der Andacht gefunden. Dadurch werden das Opfer und das tragische Ende unserer Toten unvergessen bleiben.“

Im Rahmen der Festveranstaltung zur Über-gabe der Kamenzer Gedenkstätte des KZ-Außenlagers dankte Michel Caron allen, die an Realisierung des Gedenkortes beteiligt waren und appellierte vor allem an die Jugend: „Es seid ihr, die jungen Leute von heute, wel-che die Fackel der Erinnerung übernehmen müssen, damit das Martyrium dieser Männer niemals in Vergessenheit gerät. Wir setzen unser Vertrauen in euch. (…) Heute müssen

uns die Wiederauferstehung und die Aktivitäten extremis-tischer Parteien alarmieren. Wir müssen wachsam sein und gemeinsam diese nega-tiven, rassistischen und men-schenfeindlichen Ideologien bekämpfen, die in der Vergan-genheit so viel Schmerz verur-sacht haben.“

Als Jacqueline Caron (70) dem Flüsschen an der Gedenk-stätte zur Erinnerung an die Toten bunte Blütenblätter übergibt, wird sie von tiefer Trauer übermannt. Ihr Mann legt daraufhin beruhigend und schützend den Arm um sie. Michel Caron ist ein freund - licher Mann. efa

Michel Caron *1913 † 1945Michel Caron *1935

Jacqueline und Michel Caron legen einen Kranz zum Gedenken an den in Kamenz ermordeten Vater und Schwiegervater nieder.

12 pvl Heft 3/2011

Ich will nicht verhehlen, dass ich mich in theologischen Dingen nicht sonderlich auskenne und eher in weltlichen Angele-genheiten „zu Hause“ bin. Wenn also von „Unsterblichen“ die Rede ist, dann denke ich nicht an Selige oder gar Heilige, son-dern vielmehr an Gruppen von Neonazis, die u. a. Anfang Mai in Bautzen und Mitte Juli im vogtländischen Rodewisch ihren vermeintlich „gro-ßen Auftritt“ hatten.

„Gespenstisch war das“, erklärte ein Augenzeuge, der zufällig die Bautzner Aktion der „Unsterb-lichen“ mitbekom-men hatte. Kurz vor Mitternacht zum 1. Mai begann der braune Spuk. Rund 400 Neonazis zogen, vermummt mit wei-ßen Gesichtsmas-ken, durch die Stadt, um „auf das Schand-werk der Demo-kraten aufmerksam zu machen“. Und das klang dann so: „All die skandalösen, lächerlichen, pein - lichen und unsinnigen Taten der Demokraten, die wir alle tagtäg-lich erfahren und erahnen, ist eines gemein: Sie führen in ihrer Gesamtheit zum Tod des deutschen Volkes.“ Gespenstisch, in der Tat, gerade so, als seien Untote der braunen Vergangenheit zurückgekehrt.

Das schon tags drauf bei Youtube einge-stellte Video der Aktion wurde inzwischen mehr als 20.000 Mal aufgerufen. Unterdes-sen haben ähnliche „Gespenstereien“, bei denen sich die Akteure mit weißen Masken tarnen, in einer Reihe weiterer Städte statt-gefunden. Eine höchst lebendige Wirkung der „Untoten“ also.

War es ein Zufall, dass die „Unsterblichen“ ausgerechnet in Bautzen ihren Premieren-auftritt zelebrierten? Ich denke, nein. Ohne Mitwirkung lokal verankerter und ortskundi-ger Neonazis wäre der Marsch nicht möglich gewesen. Sie geben die Hinweise, wo am günstigsten gefilmt werden kann. Sie skiz-zieren die sichersten Fluchtrouten, falls die Polizei endlich – wie meist viel zu spät und mit zu wenig Leuten - eintrifft. Dabei hätte Bautzen gewarnt sein können, schließlich waren zahlreiche frustrierte Neonazis nach ihrer Blockierung am 13. Februar in Dresden ausgerechnet durch Bautzen gezogen.

Ob der hier in vergangenen Jahren aktive „Sturm 24“ überhaupt noch besteht, ist ungewiss. Sicher dagegen ist, dass sich der Schwerpunkt der Neonaziszene zunehmend nach Ostsachsen verlagert und dass es eine enge Zusammenarbeit über die Landesgren-zen hinweg mit dem Netzwerk der „Spree-lichter“ in Südbrandenburg gibt.

Aktionen, wie der gespenstische Marsch in der Nacht zum 1. Mai wirken nach. Aber auch Ereignisse wie die NPD-Unterschriften-sammlung gegen das geplante Flüchtlings-heim in Kamenz hinterlassen ein ungutes Gefühl. Zwar blieb ihre Aktion ohne Erfolg, dennoch brachten die Braunen in kurzer Zeit mehr als die notwendigen Unterschriften zusammen. Die NPD ist in der Lessingstadt ebenso wie im gesamten Kreis Bautzen fest verankert. Es stellt keinen Tabubruch mehr da, sich hinter eine ihrer Aktionen zu stellen.

Im Gegensatz zu den „Unsterblichen“ sucht die NPD das Licht der Öffentlichkeit und versteckt sich nicht hinter Masken. Ihre Funktionäre sind vor Ort bekannt. Was weni-ger bekannt ist, sind die engen Verbindun-gen der Neonazi-Partei zu den Netzwerken der Kameradschaften wie den „Unsterbli-chen“. Das nämlich könnte dem Bestreben entgegenstehen, als „ganz normale Partei“ anerkannt zu werden. Die NPD braucht die Zustimmung der Bürger, die jedoch vor Ille-galität und Militanz zurückschrecken. Die Brandstifter sind angewiesen auf jene, die als Biedermänner auftreten.

Nehmen wir z.B. Jörg T. aus Oßling. Kaum einer wird es bemerken, wenn er in der

extrem rechten Zeitung „Junge Freiheit“ via Leserbrief die Mär von Tieffliegerangrif-fen auf Menschen in Dresden aufwärmt. Manche mögen sogar zustimmend nicken, wenn er in einem Leserbrief in der „Sächsi-schen Zeitung“ den Abdruck des Interviews mit einem Neonaziführer verteidigt. Er hat nie für die NPD oder eine andere Partei der

extremen Rechten kandidiert. Aber seit kurzem wissen wir – auch dank flei-ßiger Hacker –, dass er die NPD finan-ziell unterstützt. Leute wie ihn gibt es überall. Noch ist es ihnen peinlich, mit der NPD in Ver-bindung gebracht zu werden. Noch.

Dem ehemal i -gen CDU-Bundes-tagsabgeordneten Henry Nitzsche – ebenfalls aus Oßling – ist es hingegen keines-wegs peinlich, dass seine Wählerge-meinschaft „Arbeit, Familie, Vaterland“ nach dem Motto des mit den Nazis

kollaborierenden Vichy-Regimes in Frank-reich benannt wurde, das die Parole „Frei-heit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ ersetzen sollte. Ihm ist es auch nicht peinlich, dass dieser Slogan Leitspruch eines NPD-Bun-desparteitags war. Nitzsche ist jetzt Vorsit-zender des Bündnisses „Pro Sachsen“. Mit im Boot: die DSU (mit Ex-NPD-Funktionä-ren), die Freiheitliche Partei Deutschlands (unter Vorsitz eines Ex-DVU-Funktionärs), die Sächsische Volkspartei (unter Vorsitz eines Ex-NPD-Landtagsabgeordneten) und andere. Da wächst zusammen, was zusam-men gehört. Unsterblich wird Henry Nitz-sche damit wohl nicht, aus der Masse der gewöhnlich Sterblichen herausragen aber schon. Und – so wird er sich sagen – viel-leicht klappt’s ja so doch noch mit einem Platz im Landtag.

Wie wird man unsterblich?

mdL Kerstin Köditz Sprecherin für antifaschistische Politik

13pvl Heft 3/2011

Sind sorbische Schulen vom Ausster-ben bedroht? Zurzeit gibt es vier sorbi-sche Mittelschulen in Sachsen. Es waren mal sechs, zwei wurden bereits geschlos-sen. An einer sorbischen Mittelschule ler-nen die Schülerinnen und Schüler nach den Vorgaben der sächsischen Lehrpläne und erreichen so einen ganz normalen Abschluss. Die Besonderheit ist jedoch, dass die Unterrichtsfächer teilweise in sorbischer Sprache oder bilingual unter-richtet werden. Es handelt sich also um eine zweisprachige Schule, und natür-lich gibt es neben dem Unterrichtsfach „Deutsch“ auch das Unterrichtsfach „Sor-bisch“, das formal als zusätzliche Fremd-sprache behandelt wird, obwohl es für viele Schülerinnen und Schüler Mutter-sprache ist.

Landesverfassung schützt sorbische Schulen

Sorbische Schulen kommen nicht von ungefähr, sie sind ein Gebot der Sächsi-schen Verfassung. Wir können in Artikel 6, Absatz 1 unserer Landesverfassung nachlesen: „Die im Land lebenden Bürger sorbischer Volkszugehörigkeit sind gleichberechtigter Teil des Staats-volkes. Das Land gewährleistet und schützt das Recht auf Bewahrung der Identität der Sorben sowie auf Pflege und Entwicklung ihrer angestammten Sprache, Kultur und Überlieferung, ins-besondere durch Schulen, vorschuli-sche und kulturelle Einrichtungen.“ So weit der Verfassungstext – und s.o.: Es gibt noch vier Mittelschulen. Noch.

Normalerweise steckt die Verfassung den Rahmen ab, Gesetze präzisieren die Rechtsordnung. Im Sächsischen Sorben-gesetz aber finden sich keine konkreteren Aussagen zu Schulen. Und die Paragra-phen des allgemeinen Sächsischen Schul-gesetzes haben sich in der Praxis als nicht ausreichend für den Schutz der sorbischen Mittelschulen erwiesen. Der Abgeordnete Heiko Kosel (DIE LINKE) stellte im Vorjahr eine Kleine Anfrage an die Regierung und wollte u.a. wissen, wie viele Schülerin-nen und Schüler nach dem Besuch einer sorbischen Grundschule an eine Schule ohne Sorbisch-Unterricht wechselten. Die Antwort: 42 von 154. Also knapp 30 Pro-zent! Natürlich hat diese Abwanderung etwas mit den Bedingungen, zum Beispiel mit der Länge des Schulwegs, zu tun. Nie-mand kann bestreiten, dass Schülerinnen und Schülern längere Schulwege drohen, wenn ihre sorbische Mittelschule im Ort oder Nachbarort dichtgemacht wird. Es sei denn, sie entscheiden sich für eine Schule, in der ausschließlich Deutsch gesprochen wird. Mit dieser Entwicklung wandelt sich die gestellte Frage, ob sorbische Schulen de facto vom Aussterben bedroht sind, zur warnenden Feststellung.

Staatsregierung schiebt Verantwortung an Eltern und Kommunen ab

Die Staatsregierung stellt zwar fest, dass die zweisprachige schulische Bildung einen wertvollen Beitrag für die Perspek-tive der sorbischen Sprache und Kultur

leistet, die entscheidende Grundlage für den Fortbestand der sorbischen Sprache jedoch ihre Weitergabe in der Familie sei. Bis hierher mag ich dem kaum widerspre-chen, der regierungsseitigen Schlussfol-gerung, dass die institutionelle Förderung eher unwichtig sei, fehlt jedoch jede Logik. Selbstverständlich haben die Eltern bei der Erziehung ihrer Kinder eine hohe Verant-wortung und – im Bewusstsein dieser Ver-antwortung – auch ein hohes Maß an Ent-scheidungsfreiheit. Doch auch der Staat muss sich seiner Verantwortung stellen, die in diesem Falle darin besteht, Rahmen-bedingungen zu schaffen, die den Eltern die Entscheidungsfreiheit nicht entzieht, sondern diese gewährleistet!

Die Gemeinden Ralbitz-Rosenthal und Räckelwitz – beide noch Standorte sor-bischer Mittelschulen– schlossen nun unter Mitwirkung des Staatsministeriums für Kultus und unter Kenntnisnahme des Landkreises eine Vereinbarung, die diese Schulstandorte sichern soll. Die Grund-aussage der Vereinbarung ist, dass die Klassenstärken gemeinsam „abgestimmt“ werden. Das heißt, wenn genügend Anmel-dungen erfolgen, werden beide Standorte erhalten, wenn nicht, wird einer von bei-den geschlossen. Es mag ja sein, dass diese Vereinbarung beide Standorte rettet, obwohl eine rechtsverbindliche Verpflich-tung des Kultusministeriums nicht gege-ben ist. Es mag auch sein, dass die Schü-lerzahlen generell wieder zunehmen und somit die Anmeldungen mittelfristig jede kritische Grenze überschreiten. Aber kann man die Verantwortung für den Erhalt sor-bischer Schulen den Eltern in die Schuhe schieben? Wäre nicht eine klare Demon-stration politischen Willens, die noch bestehenden sorbischen Schulen zu erhal-ten, um der Verfassung zu entsprechen, eher angemessen gewesen?

Meine Fraktion und ich fordern von der Sächsischen Staatsregierung ein klares Bekenntnis zum Erhalt der bestehenden sorbischen Mittelschulen! Es geht nicht nur um den Erhalt der sorbischen Sprache, sondern um den Fortbestand der beson-deren Kultur einer bestimmten und beson-deren Region im Herzen Sachsens. Diese zu bewahren ist nicht nur für die Sorben wichtig, denn sie gehört zur kulturellen Identität des Freistaats und zum Reichtum Deutschlands.

mdL cornelia Falken Sprecherin für Bildungspolitik

Sorbische Schulen – Fall für die „Rote Liste“?

14 pvl Heft 3/2011

schwer es mittlerweile in der Kinder- und Jugendarbeit ist, mit den drastischen Kür-zungen zurecht zu kommen. Gelder für Sach-kosten gibt’s kaum noch, attraktive Projekt-arbeit ist kaum noch möglich.

Station Kamenz: Am Infostand am Rat-haus inmitten des Marktgetümmels fanden unsere Druckwerke regen Absatz und unsere Mitmach-Tafel großen Zuspruch. Unter den Bürgervorschlägen, Meinungen und Kritiken fanden sich u.a. Forderungen nach besserer Busanbindung, nach mehr Barrierefreiheit in den Kommunen, nach regelmäßigen Ein-wohnerversammlungen sowie nach der Ein-richtung einer sozialen Kontaktstelle. Vor-schläge, die Kamenz betreffen, haben wir dem Oberbürgermeister direkt übermittelt, für die anderen Vorschläge werden wir uns im Landtag bzw. Kreistag stark machen.

Arnsdorf: Wie alle Bürgermeister, mit denen wir gesprochen haben, forderte auch die Arnsdorfer Bürgermeisterin kommunale Selbstverwaltung ein. Sachsens Kommunen brauchen wieder mehr Handlungsmöglich-keiten und eine aufgabengerechte Finanz-ausstattung! Die Steuermehreinnahmen des Landes müssen direkt an die Kommunen und ohne staatliche Zweckbindung gegeben werden. Schließlich wissen die Verantwort-lichen vor Ort am besten, welche Aufgaben schnell gelöst werden müssen. Auch die Förderstrategie des Landes sollte zugunsten der Eigenverantwortung der Kommunen ver-ändert werden.“

Unsere Forderung nach einer besseren Finanzausstattung und mehr Eigenverant-wortung für die Kommunen fand im Rahmen meiner Sommertour breite Unterstützung. Die Stärke einer Kommune lässt sich aber auch an der Beteiligung ihrer Bürger/innen messen. Je stärker die Beteiligungsrechte in der Hauptsatzung verankert und umgesetzt werden, desto größer das Interesse und Engagement für die Kommunalpolitik. Bürge-ranträge, Bürgerversammlungen, Bürgerbe-fragungen, Bürgerbegehren und -entscheide sind wichtige Instrumente einer funktionie-renden Demokratie. Sie dürfen seitens der politisch Verantwortlichen nicht als Hinder-nis, sondern müssen als Chance begriffen werden. Für mich heißt es nun, die Tour aus-zuwerten und die erfahrenen Bedürfnisse der Kommunen in den Landtag zu tragen. mj/efa

… dann kann er was erzählen, behauptet eine Redewendung – und bestätigt die Kom-munalexpertin der Landtagsfraktion DIE LINKE, mdL marion Junge nach Abschluss ihrer „Kommunaltour 2011“. Anfang Juli hat die Politikerin den Süden des Landkreises Bautzen bereist, sich den Fragen der Bür-ger/innen und Kommunalverantwortlichen gestellt und deren Sorgen und Probleme notiert, um auf landespolitischer Ebene nach Lösungen zu suchen.

Themenschwerpunkt des Tour-Marathons mit 14 Terminen an sechs Orten in vier Tagen waren die Sicherung der Kommunal-finanzen, das Reizthema Gemeindezusam-menschlüsse, die bürgernahe Gestaltung von Ortschaftsverfassungen und Hauptsat-zungen, Möglichkeiten der Bürgerbeteili-gung sowie die Kinder- und Jugendarbeit im kommunalen Bereich. Ihre Eindrücke und Schlussfolgerungen hielt Marion Junge in ihrem Tourtagebuch (www.marion-junge.de) fest. Hier einige Auszüge daraus:

Station Königsbrücker Heide „Die Schön-heit und Vielgestaltigkeit der Landschaft ist erstaunlich. Die Königsbrücker Heide ist seit 20 Jahren Naturschutzgebiet. Aus dem eins-tigen Truppenübungsplatz entstand ein Para-dies für Tiere und Pflanzen. Der Mensch darf diese Landschaft nur eingeschränkt nutzen. Ein Teil der Bevölkerung ist unzufrieden mit der Arbeit der NSG-Verwaltung. Bürgerinte-ressen wurden bei der Gestaltung und Nut-zung des Naturschutzgebietes offenbar zu wenig berücksichtigt. Deshalb haben wir uns gemeinsam mit Fachleuten und Ver-tretern von Bürgerinitiativen vor Ort getrof-fen, um uns zu informieren und über mögli-che Veränderungen zu reden. Wir wollen im Herbst mit Vertretern der NSG-Verwaltung, des Dresdner Heidebogens sowie der Kreis- und Landesebene vor Ort ein Bürgerforum durchführen.

Stationen pulsnitz, Großröhrsdorf, Ohorn: In den zahlreichen Gesprächen wurde die Unzufriedenheit mit der jetzigen Landes- und Bundespolitik besonders spürbar. Her-ausragende kommunale Probleme waren: wenig Verständnis für freiwillige Gemeinde-zusammenschlüsse und Finanzsorgen im Jugendhaus Großröhrsdorf. Beim Besuch im Jugendhaus erfuhren wir hautnah, wie

Wenn einer eine Reise tut …

Das Jugendhaus Großröhrsdorf leidet unter den Finanzkürzungen der Landesregierung

NSG-Mitarbeiterin Cornelia Schlegel (re.) erläutert die Aufgaben und Veränderungen im Naturschutz-gebiet Königsbrücker Heide.

Vor dem Hintergrund der Kürzungspolitik der schwarz-gelben Landesregierung, die sich erheblich auf die Kommunen auswirkt, hatte die leidenschaftliche Kommunalpolitikerin das Ziel ihrer Sommertour unter das Motto: „Kommunen stärken und mehr Bürgerbetei-ligung ermöglichen!“ gestellt, denn „keine geschlossene Beratungsstelle, kein gestri-chener Arbeitsplatz, keine stillgelegte Bus- oder Bahnlinie, keine bedrohte Theatersparte darf unbeachtet bleiben!“

15pvl Heft 3/2011

Sorbisch für alle, die’ s wollenEs gibt viel Gutes, z.B. einen Wettbewerb „sprachenfreundliche Kommune – die sor-bische Sprache lebt“, oder das laut Sorben-gesetz bestehende Recht, sich auf Ämtern und vor Gericht der sorbischen Sprache zu bedienen. Und eine Europäische Charta der Regional- und Minderheitensprachen, die Maßnahmen zur Erhöhung der Präsenz dieser Sprachen, zu denen das Sorbische zählt, u. a. in den Medien, in der Kultur und im gesellschaftlichen Leben verlangt.

„Es gibt nichts Gutes. Außer man tut es.“ Der berühmte Satz von Erich Kästner ist nirgendwo wahrer als beim Umgang mit dem Sorbischen. Viele Sorben wür-den liebend gern in der Gemeindever-waltung ihr Anliegen in ihrer Mutterspra-che vorbringen; wenn dort aber niemand des Sorbischen auf entsprechendem Niveau mächtig ist, besteht die Gefahr von

Missverständnissen. Das schreckt ab. Und was nützt die vergleichsweise große Zahl sorbischer Rechtsanwälte, wenn Staats-anwaltschaften und Gerichte nicht zur sor-bischen Verhandlungsführung in der Lage sind? Unbefriedigend ist auch die Situation im Bildungswesen, wo einerseits sorbische Mittelschulen geschlossen wurden (Crost-witz, Panschwitz-Kuckau) und andererseits Kindern, die über das WITAJ-Projekt mit Sorbisch aufgewachsen sind, an weiter-führenden Schulen oftmals zu wenig oder gar kein Unterricht in sorbischer Sprache angeboten wird.

Ich wollte aus aktuellem Anlass wissen, wie es um die Rechte der sorbischen Kom-munalpolitiker steht, ihre Muttersprache zu benutzen. Die Antwort der Staatsre-gierung war eindeutig und entsprechend der Sächsischen Verfassung: Sorbische

Gemeinderäte dürfen auf allen offiziellen Beratungen sorbisch reden. Bessere Rah-menbedingungen für die Pflege und Ent-wicklung der sorbischen Sprache, Kultur und Identität tragen zu mehr sorbischem Selbstbewusstsein bei – und das ist und bleibt wichtiges Anliegen LINKER Politik auch im Landtag.

mdL Heiko Kosel Sprecher für Europa- und Minderheitenpolitik

Sorbische SeiteSerbska strona

„Europska charta regionalnych abo mjeńšinowych rěčow“ rěči cyle jasnje wo škitnych a spěchowanskich naprawach tutych rěčow. Naprawy měli so poćahować na kubłanje, wosebje na wuwučowanje rěče a w rěči, na wužiwanje mjeńšinowych rěčow na sudnistwach, w hamtach, w rozhłosu a nowinarstwje, w kulturnych zarjadnišćach a tež w hospodarskim a socialnym žiwjenju. Wysoke su to naroki, přemałe su zwjetša tomu wotpowědowace kroki.Serbska rěč ma we wšědnym žiwjenju porno husto dominowacej němskej rěči wobstać. Druhdy je tež ćišć ze serbskeje strony přesłaby, wšako maja Serbja swoje nazhonjenja.

Bě tuž samo trěbne, zo so frakcija LĚWICY w krajnym sejmje oficialnje wobhoni, što je stejišćo statneho knježerstwa k wužiwanju serbskeje rěče tež w komunalnych zastupnistwach. Wotmołwa je drje jasna, cyle po sakskej wustawje: Gmejn-scy zastupnicy serbskich gmej-now smědźa na oficialnym wuradźowanju serbować. Je drje tež zakonsce dowolene, zo so na sudnistwach dwurěčneje Łužicy na jednanjach serbšćina wužiwa, ale to je lědma praktikowane, dokelž so Serbja dorozumjens-kich ćežow boja a dokelž je sud-nistwo k serbskim jednanjam lědma kmane. Zakoń to přizwola, prakska to zwjetša njedowola. Na serbskorěčnych prawiznikach to

njezaleži, tych je cyła šwita. Stat pak ma tu nachwatać, hladajo na statnych rěčnikow a sudnikow.

Na kóždymžkuli zarjedźe swobodneho stata, wokrjesa abo komuny w serbsko-němskich kónčinach smědźa Serbja serbować. Rady bychu to činili, ale paruja husto serbskorěčneho zastojnika abo přistajeneho. Zo so na někotrych hamtach nětkole – kaž hižo w połstatych lětach – z tafličku abo značku na to pokazuje, zo je serbsku rěč wobknježacy sobudźěłaćer k rěčam, je jedna, byrnjež małuška kročel, zo by so serbska rěč w zjawnosći zaso šěršo a husćišo nałožować móhla.

Rěčne žiwjenje dorostłych budźe tajke, kajkež su so w dźěćatstwje zakłady połožili.

Z wobeju stronow widźane: Hdyž dorosćacy Serb dožiwja, zo ze swojej maćernej rěču po hamtach a zarjadach rěčnje kompe-tentnych sobudźěłaćerjow njenadeńdźe, potom so na to njezwuči, tam tež serbsce rěčeć. Na druhej stronje, hdyž je mjenje serbsku rěč w zjawnosći sej žadacych ludźi, změje hamt swoju (tunju) wurěč. Z połnym prawom tuž europska rěčna charta šulu a kubłanje w mjeńšinowej rěči na prěnje město staja. Hdyž pak so serbske šule – kaž je so ze srjedźnymaj šulomaj Chrósćicy a Pančicy-Kukow stało – zawrěja, nastanje rěčna škoda. Mjeztym mnohe lěta wuspěšnje přewjedźeny projekt WITAJ, w pěstowarnjach Hornjeje a Delnjeje Łužicy zawjedźeny, je pospyt k wožiwjenju serbskeje rěče. Dźěći wuknu serbsku rěč sej hrajkajo, chodźa potom rěčnje přihotowane do zakładneje šule. Njepokročuja-li šulu na gymnaziju, je z Witaj-projektom zahajene wuwučowanje serbšćiny husto na kóncu, jeli njeje srjedźneje šule ze serbskim pos-kitkom w bliskosći.

Serbska rěč je žiwa. Ale politika je wužadana: Wona ma ramikowe wuměnjenja tworić, kotrež zachowanje a dalše wuwiće identity, rěče a kultury mjeńšiny zaručeja. To je a wostawa zasadne žadanje Lěwicy.

Hajko Kozelzapósłanc Sakskeho krajneho sejma

rěčnik za europsku, měrowu a mjeńšinowu politiku

Serbsku rěč zjawnje a sprawnje spěchować

pvl Heft 3/2011

Auf dem Platz für den Adressaufkleber tritt Katze Lucy (Foto: S. Kunze) heute dem hin und wieder anzutreffenden Vorurteil ent-gegen, dass nur DIE LINKE dazu neige, immer alles schwarz zu sehen. Gehören Sie zu den LINKEN? Sehen Sie …

Waagerecht: 1. erster Vorname des

1729 in Kamenz geb. Dichters (Lessing),

9. Vorname des Sängers Jürgens, 10. alt-

nord.: Mythologie: Gattin des Gottes Loke

(Riesin), 12. sächs. Stadt im Erzgebirge,

deren Fußballmannschaft nach der Farbe

der Trikots „Veilchen“ genannt wird, 13. engl. Fürwort (sie), 15. beste Schul-/

Zeugnisnote, 18. Fell der Bärenrobbe,

19. Abk.: Nummer, 20. höchstes Gebirge

Griechenlands; griech. Mythologie: Sitz

der Götter, 21. Sprecher für Wirtschafts-

politik der Fraktion DIE LINKE im Sächs.

Landtag (Karl-Friedrich), 23. Kurzwort

einer Tierart, die am Ende der Karbon-

Zeit auch in Sachsen heimisch war und

heute in beeindruckender Modellform in

Kleinwelka bei Bautzen zu bestaunen ist,

26. chem. Zeichen: Krypton, 27. Gestalt

(Sklavin) in der Puccini-Oper „Turandot“,

30. Darmabschnitt, 31. in Sachsen nach

zwölf Schuljahren erreichbare Reifeprü-

fung (Kurzform), 32. zweitstärkste polit.

Kraft im Sächsischen Landtag (2 Wörter),

Senkrecht: 2. innerer Körperteil,

3. Gewicht der Verpackung, 4. Holzblas-

instrument, 5. Flüssigkeitszerstäuber,

7. Sprecher für Europa-, Friedens- und

Minderheitenpolitik der Fraktion DIE

LINKE im Sächs. Landtag; gebürtiger

Sorbe, hat sein Bürger- & Europakontakt-

Büro in Bautzen (Heiko), 8. Gastgeber-

stadt des 20. Tages der Sachsen im Jahr

2011, 11. obersorbischer Name für Baut-

zen, 14. Nachnahme des Vorsitzenden

der Fraktion DIE LINKE im Sächs. Land-

tag (Dr. André ...), 16. vorder asiat. Staat,

17. internat. Seenotruf, 18. dt. polit.

Partei, ist auch im Sächsischen Landtag

vertreten; 22. jordan. Stadt, 24. Sohn

Abrahams, Stammvater der Israeliten,

25. Grottenmolche, 27. Radio- und TV-

direkt, 28. Dnjeprzufluss (Ukraine), 29. Comic-Figur in Hegens Mosaik (Dig, …

und Digedag).