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EBERH ARD FNER I RR T U M Z EIGT IM ALPHA BET ME THODE VERLAGSHAUS J. FRANK | BERLIN Edition Belletristik | Quartheft 47

Q47 // Eberhard Häfner // Irrtum zeigt im Alphabet Methode // Gedichte

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E b E r ha r d h ä f n E r Ir r t um zE Igt Ima l p h ab E t m Et h o d E

VerlagShauS J. FraNk | BerlINEdition Belletristik | Quartheft 47

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Irrtum zEIgt Im alphabEt mEthodEeberhArd häfner

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einwegschneise r 9

Wo waren wir stehngeblieben

Durch induktion die mir soufflierten sätze

teils im suff, teils in Böllernächten

kryptische Fetzen, das Zischen der schlangen

hintereinander standen die Analphabeten

vorgelesen, was geschrieben, das ist geschrieben

keine seele gerettet durch Funk oder Flüche

mit der Mailbox gesprochen, nachgefragt

wo die Unschuld geblieben, wer sie genommen

den versiegelten Ring, verlassen

die Liebe, liebe Grüße

zweimal zwei silben, wieder

Tassen zerschmissen, aus dem Kaffeesatz

die neusten nachrichten

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einwegschneise r 15

Von oben sieht es anders aus

Aus den Traufen schadenfroh

die Überhangmandate von der Eisfassade

lang und spitz, aus Würgegriff erlöst

stalaktiten, subglazial

sie tropfen ökologisch ins system

von der Landluft inspiriert

blättern wir im hundertjährigen Kalender

ade Marie, zur Lichtmess einen Abschiedskuss

unsre liebe Wasserfrau, mir nix, dir nix

in der Patsche festgefroren

homogen verpackt, wenn wir lachen

schüttelt uns der Frost, Marie, die Decke ist zu kurz

der Milchschorf juckt, schneeflocken

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einwegschneise r 19

unscharf die Impulse

Mit kleiner Körnung auf der weichen scheibe

der stahlspirale einen Drall anschleifen

fingerlang die Eisenspäne abgedreht

Lockenwicklertränen, ringelblaues Taubenherz

nach dem chinesischen Kalender Kriegerwitwenkinder

spielen schlange, wie oben, auch unten?

die Tabula smaragda

Druck der selektion, kosmische Faktoren

mit grober Körnung sterne schleifen

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hart gegen die zeilen gelesen r 61

Kamen zum Küssen zu spät in die gänge

Wo das Knochengebilde die Mundöffnung stützt

fühlen die Kaumuskeln sich ganz zu Hause eoder Kellner das Essbesteck bringt

poliertes Pfahlwurzelholz, die heimische Kiefer eunter fuchsroter Rinde, japanisches Gartenidyll ezwei stabheuschrecken in serviette ezwischen die stäbchen wünschte der Langfinger

sich einen schrillkantigen Löffel, gesegneten Hunger eheiße Fischaugen auf einer sonnenölsuppe

der Basmati nahm Reißaus ejenseits der Gewässer in der Unterwelt geangelt

das Vergessen aus unserem Redefluss

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land unter

schräger Essigmond, ein gekentertes Boot

mit ihren Haaren webte die Meerjungfrau

das Garn für die schleppnetze

luxuriös saniert die steilküste

alter Bunker zum Zweisternehotel, wir sahen

neben der sinkenden sonne den schiffsuntergang

schelfeisfassetten mit salzwasserschliff

in den Rettungsringen erstrahlten

die hochkarätigen Brillianten

sahen die abnehmende sichel

ganz langsam verschwinden, abschmieren

das Öl, im Wasser die streifen wie in einem schlechten Film

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hart gegen die zeilen gelesen r 63

Aus der ehrenwerten familie der heringe. der Kandidat auf einem Walplakat

ich hörte sardische Tenores, spürte

stimmlippen schwingen, die schädelresonanz

am unteren Rand, hundert seemeilen westlich von Rom

Milchkannen schwenken, sardinen erschrecken

siesta, Atemzüge vom Meer

Kopfstimmen den Mittagsschlaf störten

es lärmten die seeschwalben

sie trugen Langstreckenlieder zu den Fischgründen

ich wäre im Konservenöl ertrunken

aber ein Kätzchen mit seezunge mich gerettet

es saugte ins Büchsenblech ein Leck

schnurrte in mittlerer Lage, ein Mezzosopran

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hart gegen die zeilen gelesen r 67

hier färbt der alte zauber neu den ersten mai

Blühende Rabatten, Frühling

auf der Heldenbrust, beiderseits der Rockaufschläge

dekorierter Feiertag in Blech

die Modenschau der Veteranen

aus der Kleiderkammer abgestaubt

die Ausgangsuniformen der Reservegeneräle

ade, zum Abschied leise

schweigt das tote Holz, klaftertief die Grube

mit soldatenerde, stillgestanden stielgestalten

ihr symbol ein Eisenhut

kumulative Effekte, narzisstische neurosen

potenzierte nelken, unverblümt

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hart gegen die zeilen gelesen r 73

unter todgeweihten ist der Kranke König

Wir weinten den Rapsfeldern kein Öl hinterher

rituell die Milch vom Fleisch getrennt

ein irrationaler Himmel im Garten des Großwesirs

subjektives ideal

in einer Wald- und Wiesenapotheke

weich die Knie durch die Vorstellung von Welt

Heilkräuter ersaufen im Teebeutel und wir

stellten die Musik lauter

gerädert zeigte uns ein Pfau sein Gefieder

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82

manchmal ist der bauch ein rummelplatz

im Hintergrund ein störgeräusch

Bauch hört mit, wenn Atmosphäre aufgeheizt

klingt verzerrt der Kommentar

über Erderwärmung um zwei Grad

schwitzwasser steht mir auf die stirn geschrieben

an den Modulen der Antenne kurze Wellen

ein Gewitter naht, die Katze würgt

erbricht das Gras, halluziniert

während die schwalben aus tiefen Mundspalten

das Brausen intonieren, im Kuhstall den Urin

die Melkmaschine, Meeresrauschen

Geräusche gestalten sich beliebig

manchmal ist der Bauch dein Feind und auch

dein Freund hört mit, mon cher

sprach die Handauflegerin und ging

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einwegschneise r 83

Suchen nähe zu objekten

Gehen bei neckar über den Rhein

und bei Fulda über die Weser

auf Brücken können wir flüssiger denken

das Wasser trennen vom stoff

Brücken an spaghettiträgern

wenn wir schwimmen in Tomatensoße oder

durch die Oder, bekommen vom Fotografieren

schwere neurosen, wo der strom die Verbraucher wechselt

setzen wir auf Gleichschaltung

einen Loreleyfelsen in der Elbe

wir schöpfen Hoffnung, mit hohler Hand

trinken vom Flusswasser, bilden uns ab, reden uns ein

identisch mit digitalen Momentaufnahmen

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84

rundreise

Wir kamen von sansibar zurück über Polen

erkannten am san die Morpheme, schottisch, irisch

Loch shin, shannon, die rhönfränkische sinn

das schengener Abkommen

Polen war spitze, wir aßen viel Kuchen

mit einem schuss sahne, gaben uns geschlagen

nach dem salut noch eine salve

lateinischer Gruß

wir sangen zum Abschied das Deutschlandlied

bewegten stumm den Fußballermund

Flüsse und Völker verbindend

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einwegschneise r 85

mit Sinti und roma mittag gegessen

in langen sätzen, war tierisch erschrocken

Volltreffer, wenn ich schreibe

kein Jäger, aber ein spurenleser

querfeldein aus der Ackerfurche in die Grube

den salzstreuer vergessen, schade

Hasenpfeffer ade, weiß getupftes Heck

wie von der Erde verschluckt

meinen Bonbon zu Ende gelutscht

Grubenlampe an der stirn, als der Meister

haste, was kannste, auch ich kannte

mal eine Frau Lampe mit flüchtigem Blick

meine Lehrerin sagte, schreibe

in kurzen sätzen, ein Hase, du weißt schon

isst keine igel, nur Zigeuner

aber das ist verboten, bitte streichen

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nektarinen der ambrosiamaschine r 89

hier dolly, der himmel voll Schäfchen

Wir riechen eine Körperschaft

des öffentlichen Rechts im Treppenhaus

bedingt Jehovas Boten mit der heiligen schrift

Pawlowscher Hund schlägt an, es klopft

wir sind konditioniert zu öffnen

läuft wie geschmiert, die bedingten Reflexe

nuscheln ins schmuckkästchen, hier Dolly

hallo – können nicht sprechen

der Pawlowsche Hund hört bedingt mit

unbedingt stimuliert sind wir allergisch

fremdenfeindlich reagiert unser immunsystem

auf Bakterien, Viren und Filz

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102

Schattenspiel

Über mir, soweit der sommer reicht

das vereiste Triebwerkgas

streifen, in hellblauer Ewigkeit

ein Himmel für Lerchen, den Kolbenhub fürchten

es nähern sich Rotoren

ich zerlege die Minute in sechzig schrecksekunden

gestanden auf Kronkorken, eingetreten

in den schatten, den ich als sonnenuhr geworfen

geriffelter Rand, Metallglatzen

von den Flaschen getrennt und erdbestattet

sehe die Trinkeraugen mit den Wimpern

auch das Glas beschatten

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gegenläufig mit der brise segeln r 103

hunde

Zwischen satteldach und nanoland

Orion, der Jäger im sternbild

in Winternächten über der Äquatorzone

Appetit auf Aachener Printen

zur Messe trinken wir im Dom

auf die Krönung, zu seinem Gedächtnis

Carolus magnus, der große Hund, selig gesprochen

sein kleiner Bruder, ebenfalls

ein Hundesohn, hungrig angesichts der Printen

denn es weihnachtet schon

erdgeschichtlich uns beide gefolgt

als abtrünnige Wölfe, als Duckmäuser

so fern, ja sofern sie domestiziert