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b Zuletzt im Frühjahr gerieten Schimmelpilzgifte durch mehr als 2000 Tonnen Aflatoxin-kontami-nierten Futtermais aus Serbien in den Blick der Öffentlichkeit. Die EU hat in den letzten Jahren neue Grenzwerte für Mykotoxine festge-setzt; sie sind Ausdruck dafür, dass Politik und Öffentlichkeit Schim-melpilzgifte zunehmend als Le-bensmittelkontaminanten wahr-nehmen.3–6) Europaweit existieren Grenzwerte für elf Mykotoxine in verschiedenen Lebensmitteln, eini-ge weitere, zum Beispiel für Ergot -alkaloide und die T-Toxine, sind derzeit in der Diskussion (Tabelle).
Parallel zur Grenzwertsetzung entwickln Forschungseinrichtun-gen, private Laboratorien sowie Überwachungsämter weltweit neue Analysenverfahren zur Bestim-mung von Mykotoxinen in Lebens- und Futtermitteln. So hat die EU-Komission das Europäische Komi-tee für Normung (CEN) damit be-auftragt, vier Analysenverfahren (die Mandate Food M/520 und Feed M/521–523) zu entwickeln
und zu validieren, um sie als euro-päische Norm zu etablieren.
Zu einer leistungsfähigen Analy-tik gehören neben Kalibrier- und Messfähigkeit Maßnahmen zur Qualitätssicherung. Einen wesent-lichen Beitrag leisten hierbei zerti-fizierte Referenzmaterialien, ZRM, deren regelmäßiger Einsatz in der ISO 17025 für akkreditierte Prüfla-boratorien Pflicht ist.
Schimmelpilzgifte: Bedeutung, Vorkommen, Toxikologie
b Mit mehr als 500 bisher be-kannten Verbindungen sind Myko-toxine eine chemisch sehr hetero-gene Gruppe natürlich vorkom-mender Gifte, die durch Schimmel-pilze gebildet werden und in Le-bens- und Futtermitteln auftreten können. Seit Jahrhunderten wer-den Mykotoxine mit Vergiftungen durch den Verzehr verdorbener Le-bensmittel in Verbindung gebracht. Mykotoxine sind beispielsweise Krebs erregend, schädigen das Im-munsystem oder verursachen Fehl-
bildungen bei Embryonen. Sie tre-ten weltweit auf und sind daher auch ein ökonomisches Problem: Nach Schätzungen der Food and Agricultural Organization sind weltweit etwa ein Viertel aller Nah-rungsmittel mit Mykotoxinen kon-taminiert,1) wodurch etwa eine Mil-liarde Tonnen an Agrarprodukten vernichtet werden muss.
Zu den wichtigsten Mykotoxin-bildenden Schimmelpilzen gehören Spezies der Gattungen Aspergillus, Penicillium und Fusarium. Unter gemäßigten Klimabedingungen sind Fusarium-Spezies vorherr-schend, die insbesondere auf Ge-treide und Getreideprodukten eine Menge unterschiedlicher Toxine produzieren. Zu den wichtigsten Fusarium-Toxinen gehören Tricho-thecene von Typ A (z. B. T-2 Toxin) und Typ B (z. B. Deoxynivalenol), die vorrangig auf den Verdauungs-trakt wirken und das Immunsys-tem beeinträchtigen, sowie das estrogen wirkende Zearalenon (Ab-bildung 1).2)
Rückführbarkeit, Homogenität, Haltbarkeit
b Das Sortiment an ZRM für die Mykotoxinanalytik ist momentan begrenzt, daher entwickelt die BAM Bundesanstalt für Materialfor-schung und Prüfung neue. Zu den aktuellen und abgeschlossenen ZRM-Projekten zählen solche Mykotoxin-Matrix-Kombinationen,
Matthias Koch, Robert Köppen
In den letzten Jahren hat die Europäische Union neue Grenzwerte für Schimmelpilzgifte in Lebensmitteln
festgelegt, weitere werden diskutiert. Parallel dazu sind neue Referenzmaterialien erforderlich.
Qualitätssicherung für Mykotoxin-analytik: Referenzmaterialien
BAnalytikV
O
OH H
HO
O
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O
OH OH
OH
Zearalenon (ZEN) Deoxynivalenol (DON)
i-BuOCO
H OAc
OH
OAc
T-2 Toxin
Abb. 1. Chemische Strukturen der gängigsten Fusarium-Mykotoxine.
Nachrichten aus der Chemie| 61 | September 2013 | www.gdch.de/nachrichten
920
für die EU-Grenzwerte bereits exis-tieren: Ochratoxin A in Kaffee (ERM-BD475) und Wein (ERM-BD476), Fusarium-Toxine in Wei-zen (ERM-BC600), Zearalenon in Maiskeimöl (ERM-BC715). Dazu kommen solche, für die Grenzwer-te in der Diskussion sind: T-2/HT-2 Toxin in Haferflocken (ERM-BC720) sowie Ergot alkaloide in Roggenmehl.
Ein ZRM ist ein Referenzmate-rial mit einem Zertifikat, das Un-sicherheit und Vertrauensniveau für mindestens einen Merkmals-wert angibt. Diese Werte sind mit einem Analysenverfahren ermit-telt, mit dem ihre Rückführbar-keit auf die entsprechende SI-Ein-heit erfolgt.7) ZRM können eine Schlüsselrolle bei Verfahrensvali-dierungen sowie Eignungstests übernehmen und eignen sich da-zu, die Genauigkeit von Analy-senverfahren im eigenen Labor zu bewerten.8) Darüber hinaus die-nen sie zur Messunsicherheitsab-schätzung oder zur Kalibrierung von Messinstrumenten. Diese un-terschiedlichen Anwendungsbe-reiche setzen voraus, dass Homo-genität und Stabilität der ZRM so-wie ihre Merkmalswerte und de-ren Messunsicherheit umfassend und zuverlässig charakterisiert sind.
Grundlegende Richtlinien für Herstellung und Zertifizierung von RM stehen in den ISO-Guides 34 und 35,9,10) die auch bei den euro-päischen Referenzmaterialien (ERM) gelten.11) Abbildung 2 (S. 922) zeigt den Prozess zur Ent-wicklung eines Mykotoxin-ZRM.
Um ZRM an reale Proben anzu-passen, wird bei der Herstellung auf möglichst natürlich belastete Matrices zurückgegriffen. Die Ana-lytgehalte von ZRM sollen im Be-reich aktueller Grenzwerte liegen (Tabelle), was z. B. durch Vermi-schen unterschiedlich konatmi-nierte Materialien einer Grundma-trix erreichbar ist. Das konfektio-nierte Referenzmaterial wird an-schließend einer Homogenitätsstu-die unterzogen. Ziel dabei ist, die Ununterscheidbarkeit der einzel-
nen Einheiten einer ZRM-Charge mit der einfaktoriellen Varianzana-lyse (analysis of variance, Anova) nachzuweisen.
Bei organischen Analyten be-stimmen hauptsächlich tempera-tur- und zeitabhängige Abbaupro-zesse die Stabilität des Referenzma-terials. Um diese zu untersuchen, wird das Referenzmaterial einer be-schleunigten Alterung unterzogen, bei der Temperatur und Lagerungs-zeit variieren. Ein Arrhenius-Mo-dell liefert kinetische Daten wie Re-aktionsgeschwindigkeitskonstan-ten und Aktivierungsenergien. Mit ihnen lässt sich die Haltbarkeit des ZRM abschätzen.
Nach der Freigabe sind ZRM im Webshop der BAM verfügbar (www.webshop.bam.de). Insbeson-dere das Institute for Reference Ma-
terials and Measurements (IRMM) der EU im belgischen Geel hat eine Reihe weiterer Mykotoxin-ZRM für die Lebensmittelanalytik entwi-ckelt (Tabelle).
Im Rahmen des post-certifi-cation monitorings kontrolliert der jeweiliger Hersteller jährlich das ZRM. Hauptsächlich zwei Verfah-ren dienen dazu, die Merkmalswer-
Mykotoxin-Grenzwerte für Lebensmittel in der EU sowie verfügbare Zertifizierte Referenzmaterialien (ZRM). aBabynahrung; bim Zertifizierungsprozess; cgemeinsam von BAM und dem Bundesinstitut für Risikobewertung,
BfR, entwickeltes ZRM „Ergotalkaloide in Roggenmehl“ (Quelle: Comar – Internationale Datenbank für ZRM –
www.comar.bam.de)
VV Zurzeit existieren in der EU Grenzwerte für elf
Mykotoxine in unterschiedlichen Lebensmitteln,
weitere sind in der Diskussion.
VV Ein Instrument für die Qualitätssicherung in der
Mykotoxinanalytik sind zertifizierte Referenzma-
terialien (ZRM).
VV ZRM eignen sich dazu, Analysenverfahren zu
validieren und deren Genauigkeit abzuschätzen.
b QUERGELESEN
Mykotoxin Abkürzung Lebensmittel Grenzwerte
[μg � kg–1]
ZRM
Aflatoxine B1 Nüsse, Trockenfrüchte,
Getreide, Mais, Gewürze
(0,1)a, 2–8 BCR262R
BCR263R
BCR264
BCR375
BCR385R
BCR401
BCR401R
ERM-BE375
ERM-BE376
� (B1/2, G1/2) 4–15
M1 Milch (0,025)a, 0,05 ERM-BD282
ERM-BD283
ERM-BD2834
Ochratoxin A OTA Getreide, Kaffee, getrocknete Weintrauben, Wein, Wein-
basierte Getränke, Traubensaft,
Gewürze, Süßholz/Lakritz
(0,5)a, 2–80 BCR471
ERM-BD475
ERM-BD476
Trichothecene DON Getreide, Mais, Pasta (200)a, 500–1750 BCR377
BCR396
ERM-BC600c
T-2 / HT-2 in Diskussion in Diskussion ERM-BC720b
Zearalenon ZEN Getreide, Mais, Maiskeimöl (20)a, 50–400 ERM-BC600
ERM-BC715b
ERM-BC716
ERM-BC717
Fumonisine � (FB1/2) Mais (200)a, 800–4000 –
Patulin PAT Wein-basierte Getränke, Traubensaft, Apfelprodukte
(10)a, 25–50 –
Ergotalkaloide EA in Diskussion in Diskussion BAM-BfR-ZRMb,c
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921Analytik BBlickpunktV
te zu zertifizieren: hausinterne Zer-tifizierungen mit einem besonders qualifizierten Messverfahren (z. B. einem Primärverfahren) oder exter-ne Ringversuche, an denen sich entsprechend qualifizierte und er-fahrene Laboratorien beteiligen. Zu jedem zertifizierten Merkmalswert gehört eine kombinierte Messunsi-cherheit (u), die neben der Restin-homogenität des Materials die Streuung der Messdaten aus einem Ringversuch, die Reinheit der Kali-brierstandards sowie einen Beitrag zur Rückführbarkeit berücksich-tigt. Die erweiterte Messunsicher-heit (U) wird üblicherweise durch Anwendung eines Erweiterungs-faktors (k = 2) auf einem Vertrau-ensniveau von etwa 95 % angege-ben.12)
Fazit und Ausblick
b ZRM sind ein wichtiges Instru-ment der Qualitätssicherung bei Überwachung von Mykotoxin-Grenzwerten in Lebensmitteln. Aufgrund der weltweiten Handels-wege und der steigenden Ansprü-che an Lebensmittelsicherheit und Verbraucherschutz wird ihre Be-deutung wachsen. Bei der Entwick-lung von Referenzmaterialien für Mykotoxine liegt spezieller Fokus auf maskierten Mykotoxinen, ins-besondere auf natürlichen Zucker- und Sulfat-Konjugaten, die maß-geblich zur Gesamtbelastung bei-tragen können [siehe diese Nachr. S. 916].
Literatur
1) W. Mücke, Ch. Lemmen, Schimmelpilze.
Vorkommen, Gesundheitsgefahren,
Schutzmaßnahmen. Ecomed-Verlag,
Landsberg am Lech, 2004.
2) R. Köppen, M. Koch, D. Siegel, S. Merkel, R.
Maul, I. Nehls, Appl. Microbiol. Biotech-
nol. 2010, 86, 1595–1612.
3) European Regulation No 123/2005:
Amending Regulation (EC) No 466/2001
as regards ochratoxin A, 2005.
4) European Regulation No 1881/2006:
Maximum levels for certain contami-
nants in foodstuffs, 2006.
5) European Regulation No 1126/2007:
Amending Regulation (EC) No 1881/
2006 setting maximum levels for cer-
tain contaminants in foodstuffs as re-
gards Fusarium toxins in maize and
maize products, 2007.
6) European regulation No 105/2010:
Amending Regulation (EC) No 1881/2006
setting maximum levels for certain con-
taminants in foodstuffs as regards och-
ratoxin A, 2010.
7) ISO-Guide 30: Terms and definitions
used in connection with reference ma-
terials, 1992.
8) H. Emons, T. P. J. Linsinger, B. M. Gawlik,
Trends Anal. Chem. 2004, 23, 442–449.
9) ISO-Guide 34: General requirements for
the competence of reference materials
producers, 2000.
10) ISO-Guide 35: Reference materials –
General and statistical principles for
certification, 2006.
11) www.erm-crm.org.
12) ISO/IEC Guide 98–3:2008 – Uncertainty
of measurement – Part 3: Guide to the
expression of uncertainty in measure-
ment, GUM, 1995.
Matthias Koch, Jahrgang 1968, promovierte
im Jahr 1999 an der Humboldt-Universität
Berlin in analytischer Chemie. Seitdem ist er
wissenschaftlicher Mitarbeiter an der BAM
Bundesanstalt für Materialforschung und Prü-
fung und leitet seit 2013 den Fachbereich Le-
bensmittelanalytik [email protected]
Robert Köppen, Jahrgang 1978, promovierte
2008 an der Humboldt-Universität Berlin in ana-
lytischer Chemie. Als wissenschaftlicher Mitar-
beiter der BAM befasst er sich seitdem mit Ver-
fahrensentwicklung in der Lebensmittelanalytik.
Abb. 2. Herstellung und Zertifizierung eines Referenzmaterials nach dem Prozess für Europäische Referenz -
materialien ERM.
Beschaffung desKandidatenmaterials
Präparationz. B. Trocknung, Mahlung,
Siebung, Homogenisierung,Konfektionierung
Homogenitätstest- Analyse von Stichproben- Auswertung mittels ANOVA
Stabilitätstest(Isochrone) Kurz- und
Langzeit- Stabilitätsstudie
Datenauswertung- statistische Berechnungen- Messunsicherheitsbudget- Lagerfähigkeit des ZRM
Entwurf vonZertifizierungsreport
und Zertifikat
Freigabe
Zertifizierungsanalysen- externer Ringversuch- hausinterne Analysen
- Lagerung und Verkauf- Stabilitätsmonitoring
Review durch:���������� ������������- ERM®-Technisches Komitee
Planung- Festlegung von Analyt und
Matrix- Zielgehalte/Unsicherheiten- Antrag beim BAM-���� ������������
- Antrag bei ERM®
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922 BBlickpunktV Analytik
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