8
Qualitätsstandards und Prüfverfahren für Partikelfilter zur Nachrüstung von Nutzfahrzeugen Zur Prüfung von Partikelfiltern für die Nachrüstung von Dieselmotoren müssen neue Wege beschritten werden. Unter Berücksichtigung der gesundheitlichen Wirkungen der Partikel sowie der physikalischen und chemischen Eigen- schaften von Partikelfiltern ergibt sich als optimale Lösung die Prüfung der Komponente selbst, getrennt von der Anwendung. Das gewährleistet höchste Effizienz bei geringstem Aufwand und gestattet, Worst-case-Situationen und die Bildung von Sekundäremissionen mit zu berücksichtigen. Mit der Schweizerischen Norm SNR 277 205, die das VERT-Prüfprotokoll festschreibt, wurde ein erster Schritt in dieser Richtung unternommen, wie der gemeinschaftliche Beitrag von TTM, AFHB, Matter Engineering, AirConsult, EMPA und Tecmot zeigt. 1 Einleitung Die Minderung der Emission von Fest- stoffpartikeln aus Verbrennungsmotoren gilt als vorrangiges Ziel zur Bekämpfung der Luftverschmutzung [1] zumal auch der Treibhauseffekt dieser Partikel jenen des motorischen CO 2 bedeutend über- steigt [2]. Verbesserungen bei Neufahrzeu- gen reichen nicht aus, um rasch Wirkung zu erzielen, Nachrüstung wird zwingend und ist möglich [3]. Nachrüstung aber ist mit einer Vielzahl von Problemen kon- frontiert, mit Motoren aller Leistungen von 10 bis 3000 kW, unterschiedlichsten Konstruktionen, Alters- und Laufzeitun- terschieden, verschiedenen Emissionsni- veaus, unterschiedlichen Applikations- profilen, Flotten- und Infrastrukturen. Um einen großen Minderungseffekt bei geringen Kosten und hohe Zuverlässig- keit zu gewährleisten, sind neue Betrach- tungsweisen für Prüfung und Zulassung erforderlich. Die Lösung ergibt sich durch Berück- sichtigung der Grundeigenschaften von Filtermedien: Filtration von Feinparti- keln hängt im Wesentlichen von der Grö- ße der Partikel und von der Raumge- schwindigkeit und kaum von den Eigen- schaften des jeweiligen Motors ab. Partikel- filter können also bezüglich ihrer physi- kalischen und chemischen Eigenschaften unabhängig vom Motor und unabhängig von der Anwendung geprüft werden. Dieses Konzept erlaubt eine gründliche Untersuchung von größenabhängiger Abscheidung, Alterung, Sekundäremis- sion und Worst-case-Verhalten. Filtersys- teme, die diesen Test erfolgreich ab- solviert haben, erbringen in jeder Nach- rüstung ähnlich gute Ergebnisse. Dieser Weg zur Filterprüfung wurde mit dem VERT-Projekt bereits 1998 vollzogen und hat sich seitdem in der Breite der Nach- rüstung bewährt [4]. 60 VERT-geprüfte Filtersysteme werden bereits in Low-emis- sion-Zonen in Europa, Nord- und Süd- amerika eingesetzt. Bild 1: Abscheidung von Feinpartikeln in Nase, Bronchien und Alveolen (Quelle: Helmholz-Institut, München) ENTWICKLUNG MTZ 01I2009 Jahrgang 70 72 Messen und Prüfen

Qualitätsstandards und Prüfverfahren für Partikelfilter zur Nachrüstung von Nutzfahrzeugen

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Qualitätsstandards und Prüfverfahren für Partikelfilter zur Nachrüstung von Nutzfahrzeugen

Qualitätsstandards und

Prüfverfahren für Partikelfilter

zur Nachrüstung von Nutzfahrzeugen

Zur Prüfung von Partikelfiltern für die Nachrüstung von Dieselmotoren müssen neue Wege beschritten werden. Unter Berücksichtigung der gesundheitlichen Wirkungen der Partikel sowie der physikalischen und chemischen Eigen-schaften von Partikelfiltern ergibt sich als optimale Lösung die Prüfung der Komponente selbst, getrennt von der Anwendung. Das gewährleistet höchste Effizienz bei geringstem Aufwand und gestattet, Worst-case-Situationen und die Bildung von Sekundäremissionen mit zu berücksichtigen. Mit der Schweizerischen Norm SNR 277 205, die das VERT-Prüfprotokoll festschreibt, wurde ein erster Schritt in dieser Richtung unternommen, wie der gemeinschaftliche Beitrag von TTM, AFHB, Matter Engineering, AirConsult, EMPA und Tecmot zeigt.

1 Einleitung

Die Minderung der Emission von Fest-stoffpartikeln aus Verbrennungsmotoren gilt als vorrangiges Ziel zur Bekämpfung der Luftverschmutzung [1] zumal auch der Treibhauseffekt dieser Partikel jenen des motorischen CO2 bedeutend über-steigt [2]. Verbesserungen bei Neufahrzeu-gen reichen nicht aus, um rasch Wirkung zu erzielen, Nachrüstung wird zwingend und ist möglich [3]. Nachrüstung aber ist mit einer Vielzahl von Problemen kon-frontiert, mit Motoren aller Leistungen von 10 bis 3000 kW, unterschiedlichsten Konstruktionen, Alters- und Laufzeitun-terschieden, verschiedenen Emissionsni-veaus, unterschiedlichen Applikations-profilen, Flotten- und Infrastrukturen. Um einen großen Minderungseffekt bei geringen Kosten und hohe Zuverlässig-keit zu gewährleisten, sind neue Betrach-tungsweisen für Prüfung und Zulassung erforderlich.

Die Lösung ergibt sich durch Berück-sichtigung der Grundeigenschaften von Filtermedien: Filtration von Feinparti-keln hängt im Wesentlichen von der Grö-ße der Partikel und von der Raumge-schwindigkeit und kaum von den Eigen-schaften des jeweiligen Motors ab. Partikel-filter können also bezüglich ihrer physi-kalischen und chemischen Eigenschaften

unabhängig vom Motor und unabhängig von der Anwendung geprüft werden. Dieses Konzept erlaubt eine gründliche Untersuchung von größenabhängiger Abscheidung, Alterung, Sekundäremis-sion und Worst-case-Verhalten. Filtersys-teme, die diesen Test erfolgreich ab-solviert haben, erbringen in jeder Nach-

rüstung ähnlich gute Ergebnisse. Dieser Weg zur Filterprüfung wurde mit dem VERT-Projekt bereits 1998 vollzogen und hat sich seitdem in der Breite der Nach-rüstung bewährt [4]. 60 VERT-geprüfte Filtersysteme werden bereits in Low-emis-sion-Zonen in Europa, Nord- und Süd-amerika eingesetzt.

Bild 1: Abscheidung von Feinpartikeln in Nase, Bronchien und Alveolen (Quelle: Helmholz-Institut, München)

ENTWICKLUNG

MTZ 01I2009 Jahrgang 7072

Messen und Prüfen

Page 2: Qualitätsstandards und Prüfverfahren für Partikelfilter zur Nachrüstung von Nutzfahrzeugen

2 Zielsetzung

Die Arbeitsmedizin hat seit mehr als 100 Jahren die Wirkungen ultrafeiner Partikel erforscht und bereits 1959 in der Johannesburger Konvention festgeschrie-ben [5]. Schädlich für den Organismus sind somit vor allem die über die Lunge eingetragenen Partikel. Bild

1 zeigt, dass größere Partikel, also die immer da gewe-senen natürlichen Partikel in den äußeren Atemwe-gen abgeschieden und dort nach kürzester Zeit über den Mukus/ Zilien-Effekt ausgetragen werden. Parti-kel < 1 μm aber, die „neuen“ humanogenen Partikel, erreichen die feinen Verästelungen der Lunge, wo die-ser Abreinigungsmechanismus nicht mehr existiert. Sie können von dort fast ungehindert über hauch-dünne Membranen auf dem Weg des Gasaustauschs in die Blutbahn eintreten, gelangen so in den Orga-nismus und durchbrechen sogar Bluthirnschranke und Plazentaschranke [1, 7].

Daraus ergibt sich, dass die Beurteilung von Maß-nahmen zur Minderung der Partikelemissionen die Partikelgröße berücksichtigen muss. Neben der Grö-ße spielen die Morphologie der Partikel und ihre Löslichkeit eine entscheidende Rolle. Partikel, die sich in wässriger Umgebung rasch auflösen, wirken auf den Organismus entsprechend verdünnt. Unlös-liche Partikel aber behalten ihre Wirkung, können also ihre Wirkung chronisch verstärken. Die Mor-phologie ist vor allem dann wichtig, wenn auf der Oberfläche weitere toxische Stoffe angelagert und so in den Organismus getragen werden („trojan horse-effect“ ). Ruß gilt als unlöslich und als angela-gerte Stoffe werden vor allem polyzyklisch-aroma-tische Kohlenwasserstoffe beobachtet. Beide Stoff-kategorien sind als krebserzeugend eingestuft, es existieren somit keine Schwellenwerte und die An-wendung des bestverfügbaren technischen Standes wird gesetzlich verlangt. Damit ergibt sich die mess-technische Forderung flüchtig/fest zu unterschei-den und die Existenz von Begleitsubstanzen zu über-prüfen, um eine nach technisch vernünftigen Krite-rien maximale Gesamt-Effizienz anzustreben.

3 Charakterisierung der Partikelemissionen von Nutzfahrzeugmotoren

Dieselmotoren zeigen bezüglich der Emission von Feststoffpartikeln („Feststoff“ definiert nach PMP [9]), eine verblüffende Einheitlichkeit, Bild 2. Die Dar-stellung vermittelt den Eindruck, dass man es mit Partikeln unterschiedlicher Größe zu tun hat, was jedoch eigentlich nicht stimmt. Rußpartikel werden als nahezu gleichgroße „Primär-Partikel“ gebildet [10], Dichte etwa 2,4 g/cm3, BET-Oberfläche 150 bis 200 m2/g. Was messtechnisch als größere Partikel wahrgenommen wird, sind Agglomerate dieser Pri-märpartikel.

Die Autoren

Dipl.-Ing. Andreas C. R. Mayer ist Leiter des VERT-

Projektes, Koordinator

Filterprüfung für das

BAFU sowie Inhaber

der TTM Beratung für

Abgastechnik und

Druckwellenmaschi-

nen in Niederrohrdorf

(Schweiz).

Prof Dr.-Ing. Jan Czerwinski ist Professor für

Thermodynamik und

Verbrennungsmotoren

der Berner Fachhoch-

schule in Biel sowie

Direktor der Abgas-

prüfstelle AFHB in Ni-

dau (Schweiz).

Dr. Physik Markus Kasper ist Geschäftsführer der

Matter Engineering AG

in Wohlen (Schweiz).

Dr. Physik Gerhard Leutert war Bereichsleiter Luf-

teinhaltung und NIS im

Schweizerischen Bun-

desamt für Umwelt

BAFU sowie Berater

für Luftreinhaltung in

Bern (Schweiz).

Dr. Chemiker Norbert Heeb ist zuständig für Ab-

gaskatalyse und Um-

welttechnologien am

Laboratorium für ana-

lytische Chemie der

EMPA in Dübendorf

(Schweiz).

Dr. Chemikerin Andrea Ulrich ist Teamleiterin Plasma-

massenspektrometrie,

Metallanalytik, Abteilung

Analytische Chemie bei

der EMPA Eidgenös-

sische Materialprüfungs-

und Forschungsanstalt in

Dübendorf (Schweiz).

Dipl.-Ing. Francois Jaussi ist Geschäftsführer der

Beratungsgesellschaft

für Verbrennungsmo-

toren und Abgastech-

nik Tecmot in Fribourg

(Schweiz).

MTZ 01I2009 Jahrgang 70 73

Page 3: Qualitätsstandards und Prüfverfahren für Partikelfilter zur Nachrüstung von Nutzfahrzeugen

Nach dem Austritt in die Atmosphäre findet dank Verdünnung kaum weitere Agglomeration statt. Dass man trotzdem zuweilen Schwarzrauch sieht, erklärt sich

daraus, dass in der Abgasanlage Partikel temporär abgelagert werden, dort wach-sen und später wieder freigesetzt wer-den – das sogenannte „Store&release“-

Verhalten, wie es bei offenen Filtersyste-men ausgeprägt auftritt [11]. Treten bi-modale Verteilungen von Feststoffparti-keln auf, Bild 3, so handelt es sich in der Regel um winzige Cluster von Metalloxi-den aus den Schmieröl-Packages oder um renukleierte Abriebpartikel [13].

4 Physikalische Eigenschaften von Ruß-Partikelfiltern

Die klassische Bauart des Partikelfilters ist der keramische Zellenfilter, bei dem das Abgas durch die porösen Wände wech-selweise verschlossener Zellen strömt. Dieses Konzept bietet eine große Filter-fläche im kleinen Bauvolumen – Durch-strömung der Wände bei Geschwindig-keiten von einigen cm/s; Porengröße op-timal bei 10 μm. Alternative Bauarten ge-stalten die Filtermembran aus kerami-schen oder metallischen Fasern oder me-tallischen Pulvern, die zu porösen Struk-turen gesintert werden. Fasertiefenfilter, elektrische Filterkonzepte oder strömungs-dynamische Konzepte haben sich bisher nicht durchsetzen können.

Zur Abscheidung von Partikeln im ge-gebenen Größenbereich sind Sperreffek-te unwirksam. Es bleiben Impaktion und Diffusion, um Partikel aus der Strömung an die Oberfläche der Filterstruktur zu bringen, wo sie dank van der Waals’schen Kräften sehr fest gebunden werden. Bild 4 aus [6] zeigt die Wirkungen von Impak-tion und Diffusion in Abhängigkeit der Durchströmungsgeschwindigkeit und der Partikelgröße: im Größenbereich > 200 nm wird die Abscheidung vor allem durch Impaktion dominiert, wäh-rend darunter die Wirkung der Diffusion zunimmt. Impaktion entsteht durch Trägheit, Diffusion hängt von allem von der Beweglichkeit ab. Da die Diffusions-geschwindigkeit eines 100-nm-Partikels nur bei etwa 30 μm/s liegt, kann ein Par-tikel beim Durchströmen der Poren le-diglich etwa 1 μm näher zur Wand rü-cken. Dies weist auf die Bedeutung ge-ringer Durchströmungsgeschwindigkeit und feinporiger Strukturen hin. Kanal-

Bild 3: Bi-modale Verteilung bei Verwendung eines metallorganischen Kraftstoff-Additivs. Partikel-Anzahlcharakteristik vor und nach Filter

Bild 2: Partikelkonzentration im unverdünnten Abgas an Nfz- und Pkw-Motoren, für drei schwere Nfz nach [16] (oben) und für vier Pkw nach [15] (unten)

ENTWICKLUNG

MTZ 01I2009 Jahrgang 7074

Messen und Prüfen

Page 4: Qualitätsstandards und Prüfverfahren für Partikelfilter zur Nachrüstung von Nutzfahrzeugen

artige Strukturen sogenannter Partikel-oxidations-Katalysatoren können natur-gemäß keine hohe Abscheide-Effizienz erreichen. Wie fein die Poren aber auch sein mögen, die Filterstruktur muss erst eine leichte Rußbelegung erfahren, be-vor der Abscheidegrad hohe Werte er-reicht. Bei guten Filtern ist dies nach wenigen Minuten der Fall. Filtermedien mit größeren Poren brauchen dafür sehr viel länger, Bild 5.

Wenn die Bildung des Filterkuchens überhaupt nicht stattfindet, also keine eigentlich membranartige Trennung zu-stande kommt, sondern nur Ruß in der Tiefe des Filtermediums abgeschieden wird, so bilden sich dort allmählich gro-ße Agglomerate, die durch steigenden Strömungswiderstand von ihrer Haftung getrennt werden können. Tiefenfilter zeigen daher mit zunehmender Beladung einen abnehmenden Abscheidegrad, während Filterkuchen bildende Wand-stromfilter einen zunehmenden Abschei-degrad aufweisen [14]. Daraus ergibt sich, dass Filter prinzipbedingt nie ein zeitlich konstantes Verhalten aufweisen. Abschei-degrad und Druckverlust ändern sich während der Beladung, das heißt das Ver-halten des belegten und des unbelegten Filters können sich sehr stark unterschei-den und diese Eigenschaft muss über-prüft werden. Kommt es zu Speicher- und Abblasevorgängen, wie dies typischerwei-se bei Teilstromfiltern und sogenannt of-fenen Filtern beobachtet wird, so liegen stochastische Verhältnisse vor, die gar nicht beherrschbar sind. Die Abscheide-charakteristik von Rußfiltern in Abhän-gigkeit der Partikelgröße kann völlig un-terschiedliche Trends zeigen, wie dies in

Bild 6 an vier Beispielen gegenübergestellt ist. Als Penetration wird dabei das Ver-hältnis der Anzahl der durchtretenden Partikel zur Anzahl der zuströmenden Partikel bezeichnet. Penetration ist somit 1-Abscheidegrad.

5 Chemische Eigenschaften von Filterstrukturen

Filtermedien müssen funktionsbedingt oberflächenreiche Strukturen sein, die Gelegenheit zu Bindung und Einlage-rung großer Mengen von Ruß (10 g/l Fil-tervolumen) bieten. Kommen kataly-tische Wirkungen durch Beschichtungen oder eingelagerte Additive hinzu, so ent-steht ein chemischer Reaktor, der die gas-förmigen Edukte des Motors verändern, auch neue Stoffe synthetisieren kann.

Die Befürchtung, dass die an Partikel gebundenen PAH durch Stickoxide ni-triert werden können und dadurch die hoch mutagenen Nitro-PAHs entstehen, hat sich nicht bestätigt [17] Bei Verwen-dung von Kupfer, sei es als Beschichtung oder als Additiv, wurde jedoch eine in-tensive Bildung von Dioxinen und Fu-ranen beobachtet, die bei geringen Chlor-konzentrationen im Kraftstoff (10 ppm) zu einer Steigerung dieser toxischen Stof-fe um drei bis vier Größenordnungen geführt hat [18].

Diese Beobachtungen weisen darauf hin, dass Filter als potenzielle chemische Reaktoren bezüglich der Bildung schäd-licher Reaktionsprodukte überprüft wer-den, wie dies von der Emissionsgesetzge-bung in manchen Ländern bereits vorge-schrieben wird [19]. Zu solchen Sekun-däremissionen sind auch Stoffe zu rech-

Bild 4: Wirkung von Impaktion und Diffusion in Abhängigkeit der Partikelgröße und Schlepp-Geschwindigkeit nach Hinds [6]

Bild 5: Aufbau des Abscheidegrades in Abhängigkeit von Rußbelegung und der Porengröße (Quelle: Haus der Technik)

MTZ 01I2009 Jahrgang 70 75

Page 5: Qualitätsstandards und Prüfverfahren für Partikelfilter zur Nachrüstung von Nutzfahrzeugen

nen, die zwecks Beschleunigung des Rußabbrandes gezielt im System erzeugt werden, wie NO2.

6 Vorgänge während der Regeneration der Filter

Als Regeneration wird der kontinuierli-che oder diskontinuierliche, passiv oder aktiv ausgelöste Abbrand des eingelager-ten Rußes bezeichnet [20]. Für die emis-sionsorientierte Prüfung von Filtersyste-men ist es wichtig zu wissen, ob während der Regeneration Vorgänge ablaufen, die zu einer Erhöhung der Emission von Schadstoffen führen. Es müssen also mög-lichst realistische Regenerationen durch-geführt werden, während derer die wich-tigsten Schadstoffkomponenten dyna-misch zu erfassen sind. Bezüglich der gesetzlich emittierten Schadstoffe be-steht für diesen Fall eine europäische Richtlinie [21].

7 Metalloxidpartikel aus Asche und Abrieb

Metalloxidpartikel werden von allen Mo-toren, nicht nur von Dieselmotoren, frei-gesetzt. Sie sind klein, weitgehend unlös-lich und werden als wesentlich toxischer eingestuft als Rußpartikel von Dieselmo-toren, weil sie eine höhere Oberflächen-

Reaktivität aufweisen [22]. Metalloxiden ist somit eine Bedeutung zuzumessen, die sich bisher in der Gesetzgebung nicht niedergeschlagen hat. Um sicherzustel-len, dass diese Schadstoffe die Atmosphä-re tatsächlich nicht erreichen, besteht bei der Filterprüfung die Notwendigkeit, eine größenspezifische Metall-Spuren-analytik einzusetzen.

8 Kraftstoffverbrauch

Falls der Gegendruck des Partikelfilters den Druckverlust des Schalldämpfers, den er ersetzt, überschreitet, so wird die er-höhte Ausschiebearbeit zu einer Minde-rung der Leistung und zu einer Erhöhung des Brennstoffverbrauches führen. Bei Nutzfahrzeugen wird dieser Verlust un-terhalb von 2 % bleiben, wenn der Filter nach der VERT-Regel so ausgelegt ist, dass der Gegendruck 200 mbar nie übersteigt [4]. Da der Einfluss des eingesparten Rußes auf die Erderwärmung wesentlich größer ist als der von CO2 [2], spielt die ge-ringe CO2-Erhöhung infolge des Filterwi-derstandes eine untergeordnete Rolle.

9 Zielkonflikte

Dem Ziel der Minimierung der Partikel-emissionen stehen praktische Anforde-rungen gegenüber wie Raumbedarf, Ge-

gendruck, Systemkomplexität, Wartungs-aufwand, Investitions- und Betriebskos-ten. Zur Verminderung der Baugröße bietet sich beispielsweise an, die Poren-durchmesser zu vergrößern. Der Filter kann dann bei gleichem Druckverlust mit höherer Raumgeschwindigkeit be-trieben werden, er wird deutlich kleiner und kostengünstiger. Impaktionsvorgän-ge werden somit unterstützt, also größe-re Partikel vermehrt abgeschieden, die Abscheidung kleiner Partikel aber wird geringer, die Abscheidecharakteristik kippt. Eine derartige Schwachstelle des Filters wird bei der Prüfung nur dann entdeckt, wenn der Abscheidegrad grö-ßenspezifisch analysiert wird.

10 Ungeeignete Prüfkonzepte

Prüfkonzepte, die die Bewertung eines Partikelfilters auf Basis der Messgröße „Particulate Matter“ = PM vornehmen, also der stoffunspezifischen Gesamtmas-se, können zu groben Fehlern führen. Da PM nicht nur Feststoffe, sondern auch Kondensate enthält, insbesondere Schwe-felverbindungen, die ihrerseits sehr viel Wasser binden können, ist es möglich, dass mit Partikelfilter eine PM-Masse er-mittelt wird, die größer ist als die ohne Filter ermittelte PM-Masse [23].

Ungeeignet sind auch Verfahren, die zwar die Feststoffmasse der Messung zu-grunde legen, jedoch keine größenklas-sierende Aussage machen können.

Die Anwendung dynamischen Mess-zyklen wird nicht empfohlen, weil sie nur mit großem messtechnischem Auf-wand Aussagen über die Größenvertei-lung erlaubt und weil andererseits Filter-theorie und Erfahrung zeigen, dass die Abscheidung in hocheffizienten Filter-medien in dynamischen und stationären Fahrzyklen in gleichem Maß erfolgt. Für Teilstromfilter und sogenannt offene Fil-ter, in deren Strukturen wesentlich hö-here Geschwindigkeiten herrschen, gilt diese Aussage nicht.

Prüfkonzepte, die der eigentlichen Prüfung eine Konditionierung vorschal-ten, sind irreführend, da sie den Einfluss der Filterbeladung auf das Abscheidever-halten, der in der Realität eine große Rol-le spielt, nicht zu zeigen vermögen und keine Hinweise auf Store&release-Vorgän-ge liefern. Offene Systeme oder Teilstrom-

Bild 6: Penetrations-Charakteristik bei zwei Wandstromfiltern mit Porengröße 10 μm und 20 μm und bei einem offenen Filter (PMS) im regenerierten und beladenen Zustand [16]

ENTWICKLUNG

MTZ 01I2009 Jahrgang 7076

Messen und Prüfen

Page 6: Qualitätsstandards und Prüfverfahren für Partikelfilter zur Nachrüstung von Nutzfahrzeugen

filter werden bei der Konditionierung ge-reinigt und somit viel zu gut beurteilt. Grundsätzlich gut geeignet sind klassie-rende Prüfkonzepte, wie sie bereits heute bei Motor-Luftfiltern, bei Ölfiltern und bei Kabinenfiltern angewendet werden [24].

11 Das Prüfkonzept der SNR 277 205

1993 sahen sich die für die Luftqualität am Arbeitsplatz zuständigen Behörden der Schweiz (SUVA), Österreichs (AUVA) und Deutschlands (Tiefbau-BG) einer schwierigen Situation gegenüber: auf Grund der WHO-Entscheidung 1987 wa-ren Grenzwerte für Dieselruß in der Atem-luft als EC+OC > 200 μg/m3 festgesetzt wor-den. Abschätzungen zeigten, dass diese Grenzwerte zum Beispiel in Tunnelbau-stellen ohne hoch wirksame Abgasnachbe-handlungsmaßnahmen nicht erreichbar sind. Zusätzlich verlangte die Arbeitsmedi-zin, dass die Minderungsmaßnahmen sich auf schwerlösliche Partikel im Alveo-len- gän gi gen Größenbereich konzentrie-ren mus s ten und dass Sekundäremissi-onen aus zuschließen seien. Mit diesen Vorgaben wur de das VERT-Prüfverfahren erarbeitet, das 1998 festgeschrieben wur-de. Nach zehn Jahren erfolgreicher An-wendung wurde das Verfahren schließlich in eine schweizerische Norm SNR 277 205 [20, 25] gefasst. Es handelt es sich um ein mehrstufiges Verfahren mit einer Filtra-

tionsprüfung VFT1, einer Prüfung der Sekundär emissionen VSET, einer Felder-probung über 2000 Betriebsstunden VFT2

und einer daran anschließenden Prüf-standskontrolle des felderprobten Filters, VFT3, Bild 7. Die Filtrationsprüfung erfolgt

Bild 7: VERT- Eignungstest und Feld kon t rolle

MTZ 01I2009 Jahrgang 70 77

Page 7: Qualitätsstandards und Prüfverfahren für Partikelfilter zur Nachrüstung von Nutzfahrzeugen

stationär, in vier Messpunkte nach ISO 8178, bei Nenndrehzahl und bei der Dreh-zahl des höchsten Drehmomentes, jeweils bei Volllast und bei halber Last. Wesent-lich ist, dass der Betriebspunkt bei höchs-tem Durchsatz und maximaler Abgastem-peraturen dem Auslegepunkt des Filtersys-tems mit maximaler Raumgeschwindig-keit entspricht. In jedem Betriebspunkt

wird die Konzentration von Feststoffparti-keln in mindestens acht logarithmisch äquidistant gestuften Größenklassen zwi-schen 20 und 300 nm ermittelt, wobei als „Feststoff“ die Definition nach PMP [9] gilt, also Probenbeheizung bei 300 °C.

Die Vermessung der Filtrationseigen-schaften wird sowohl mit dem Filter im Anlieferzustand durchgeführt als auch

nach Rußbeladung am Motor und nach Regeneration. Die Messung wird ergänzt durch einen Temperaturschnitt zur Er-mittlung der NO2-Bildungs-Charakteris-tik sowie durch einen Test nach der Me-thode der freien Beschleunigung, wobei der Abscheidegrad über die Messung der Partikelanzahl transient erfasst wird.

Aus Vergleichsgründen wird auch die Partikelmasse PM nach der klassischen Methode erfasst sowie bei arbeitsplatz-orientierter Messung auch der Elemen-tarkohlenstoffgehalt EC nach [27]. Ergän-zend werden die Messverfahren PAS und DC eingesetzt [28], die über die Fuchs-Oberfläche ebenfalls präzise Aussagen zum Feinpartikelinhalt des Abgases ma-chen und transientfähig sind. PAS, DC und die größenspezifische Partikel-Ana-lytik SMPS kommen in aller Regel zu sehr gut korrelierenden Ergebnissen be-züglich des Abscheidegrades. Die Beur-teilung nach EC zeigt meist bis zu 1 % schlechtere Werte, was sich aus dem be-kannten Systemfehler dieses Verfahrens erklären lässt. Die aus PM ermittelten Ab-scheidegrade streuen dagegen stark und korrelieren nicht, sie werden bei der Be-wertung nicht berücksichtigt.

VFT1 enthält weiter den sogenannten Regenerationstest, der durchgeführt wird, um das Risiko der Entstehung von Schad-stoffemissionen während der Regenerati-on zu überprüfen, Bild 8. Zu diesem Zweck wird bei maximalem Durchsatz ein Dreh-moment-Stufentest in mehreren Stufen über den Balance-Punkt hinaus durchge-führt, um auch das Verhalten während Phasen mit hoher Regenerationsgeschwin-digkeit zu überprüfen.

Für die Erfassung der Sekundäremissio-nen wird der gesamte ISO 8178 C1-Zyklus ohne Unterbrechung durchgefahren, um während 200 Minuten Sammelzeit genü-gend Probemenge für die Analyse nach toxischen Spurenstoffen zu sammeln. Die Probe wird unverdünnt aus dem Abgas entnommen, die Probenmenge dem Ab-gasstrom nachgeregelt. Das Abgas strömt in eine gläserne Sammel-Apparatur, die einen Kühler, einen Kondensatabscheider, einen Filter und eine zweistufige Absor-ber-Einheit (XAD 2) enthält [18], Bild 9.

Die Probe wird mindestens bezüglich des Gehalts an PAH, Nitro-PAH, Dioxinen und Furanen analysiert, wenn Verdacht auf die Bildung anderer Stoffe besteht, kann die Analyse weiter vertieft werden

Bild 8: Regenerationszyklus

Bild 9: Probenahme für Sekundärkomponenten

Bild 10: Ergebnisse der Partikelfilterprüfung nach VERT, Abscheidegrade auf Basis Partikelzahl nach Abschluss des 2000-Bh-Dauerlaufs

ENTWICKLUNG

MTZ 01I2009 Jahrgang 7078

Messen und Prüfen

Page 8: Qualitätsstandards und Prüfverfahren für Partikelfilter zur Nachrüstung von Nutzfahrzeugen

[19, 17]. Diese Untersuchung der Sekundär-emissionen zeigt nicht nur negative Ef-fekte auf, sondern hat auch sehr viele In-formationen darüber gebracht, dass in den Partikelfiltern nicht nur Feststoffpartikel abgeschieden werden, sondern dass auch polyzyklische aromatische Kohlenwasser-stoffe mit hohem kanzerogenen Potenzial bis zu 95 % reduziert werden.

Im Felddauerlauf VFT2 über 2000 Be-triebsstunden werden Filtergegendru-ckes und Temperatur vor Filter ständig aufgezeichnet. Die wesentliche Aussage während dieses Tests liefert die Analyse dieser Logger-Daten. Damit kann gezeigt werden, ob das getestete Regenerations-system zuverlässig funktioniert. Der ab-schließende Test VFT3 folgt im Wesent-lichen dem Protokoll des VFT1.

12 Richtwerte für die Bewertung moderner Partikelfilter

Die Richtwerte für die Beurteilung mo-derner Filter sind am technischen Stand festzumachen, Bild 10. Es zeigt sich, dass viele Filter Werte erreichen, die 99,9 % überschreiten, obschon die derzeit gül-tige Vorschrift [4] nur 97 % verlangt. Al-lerdings erreichen bei weitem nicht alle Filter dieses Niveau, und solche, die nur 95 % erreichen, weisen in der Regel schon deutliche „Store&release“-Anzei-chen auf.

Literaturhinweise[1] Wichmann, H.E. et al.: Gesundheitliche

Wirkungen von Feinstaub. ecomed 2002.

ISBN 3-609-16105-1

[2] Jacobson, M. Z.: Control of fossil-fuel particulate

black carbon and organic matter. In: Journal of

Geophysical Research. 2002, April

[3] Mayer,A.; et al.: Reliability of DPF-Systems.

SAE 2004-01-0076. 2004, March

[4] BAFU/Suva-Filterliste: www.umwelt-schweiz.

ch/0607-d

[5] Orenstein, A. J.: Proceedings of the Pneumo-

coniosis Conference, Johannesburg, 1959.

[6] Hinds, W. C.: Aerosol Technology. John

Wiley&Sons 1982. ISBN 0-471-08726-2

[7] Oberdörster: Extrapulmonary effects of inhaled

nanosized particles. 9. ETH-conference, 2005

[8] Air quality guidelines for Europe; WHO Regional

Office for Europe, 1987 (European Series, No. 23).

[9] Kasper, M.: The number concentration of non-

volatile particles. SAE 2004-01-0960

[10] Siegmann, K.: Soot Formation in Flames.

In: J. Aerosol Scie 31, Suppl. 1

[11] Andrews, G. E. et al.: Particulate Mass Accumulati-

on and Release. SAE 2000-01-0508. University of

Leeds, Ford Research

[12] Czerwinski, J.: Messtechnische Untersuchung

offener Partikelminderungssysteme. Im

Auftrag des UBA Umweltbundesamtes,

www.umweltbundesamt.de/verkehr/

techemissmm/technik/pms.htm

[13] Israël, G.W. et al.: Analyse der Herkunft und

Zusammensetzung der Schwebstaubimmission.

VDI Fortschritt-Berichte, Umwelttechnik Nr. 92

[14] Mayer, A. et al.: Gestrickte Strukturen aus Endlos-

fasern für die Abgasreinigung, Teil 1. In: MTZ 56

(1995)

[15] van Basshuysen, R.; Schäfer, F.: Lexikon Motoren-

technik. Wiesbaden Vieweg. ISBN 3-528-03903-5

[16] Mayer, A. et al.: Nanoparticle-Emission of EURO 4

and EURO 5 HDV. SAE 2007-01-1112

[17] Heeb, N.V. et al.: Secondary Effects of Catalytic

Diesel Particulate Filters. In: Environ Sci. Technol.

2008, 42, 3773-3779

[18] Heeb, N.V. et al.: Secondary Effects of Catalytic

Diesel Particulate Filters: Copper-Induced Formati-

on of PCDD/Fs. In: Environ Sci Technol. 2007, 41,

5789-5794

[19] Section 2002 of the US Clean Air 6/2002 (a)(4)(A)

[20] Mayer, A. et al.: Particle Filter Retrofit for all Diesel

Engines. expert. ISBN 978-3-8169-2850-8

[21] Uniform Provisions concerning the Approval of

Vehicles; E/ECE/324, Rev. 1/Add 82/Rev. 2/Amend

1, 3. May 2002

[22] Risom, L. et al.: Oxidative stress-induced DNA

damage by particulate air pollution. In: Mutation

Research 592 (2005) 119-137, www.sciencedirect.

com

[23] Mayer, A. et al.: Particle Filter Properties after

2000 hrs Real World Operation. SAE 2008-01-0332

[24] EN 1822 classification of HEPA and ULPA filters;

VDI 3677, Filternde Abscheider, ISO 5011:

Inlet air cleaning, ISO/TS 11155-1: Road vehicle –

Air filters; ISO/TS 13353: Diesel fuel and petrol

filters – Initial efficiency by particle counting

[25] Swiss National Standard SNR 277 205 – Testing

particle filter systems for combustion engines;

http://www.snv.ch

[26] ECE-R24

[27] VDI-2465

[28] Kasper, M: Characterization of Nanoparticle Size

and Composition; SAE 2000-01-1998

Download des Beitrags unter

www.MTZ-online.de

Read the English e-magazine.Order your test issue now: [email protected]

Ventilhauben-module

?Diese und weitere Produkte und Dienstleistungen von Spezial-Anbietern finden Sie direkt unter

www.BranchenIndex.deDie B2B-Suchmaschine für Industrie und Wirtschaft!

MTZ 01I2009 Jahrgang 70 79