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Quartiersversorgung als diakonisches Geschäftsmodell in der Altenpflege – Praxisbeispiel Johanneswerk im Stadtteil Evangelisches Johannesstift – Altenhilfe Fachforum Quartierskonzepte – Eine Antwort auf die zukünftigen Herausforderungen der Altenhilfe 22. Oktober 2013, St. Martinshof Hannover

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Quartiersversorgung als diakonisches Geschäftsmodell in der Altenpflege – Praxisbeispiel

Johanneswerk im Stadtteil

Evangelisches Johannesstift – Altenhilfe

Fachforum Quartierskonzepte – Eine Antwort auf die zukünftigen Herausforderungen der Altenhilfe

22. Oktober 2013, St. Martinshof Hannover

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Die Sozialarchitektur muss beginnen, auf diese Fakten zu reagieren und unter diesen veränderten Rahmenbedingungen Antworten anbieten.

These 1: Mehr vom Gleichen geht nicht!

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Vorführender
Präsentationsnotizen
Für eine wachsende Zahl Pflegebedürftiger steht eine schrumpfende Zahl von professionell bzw. familiar Pflegenden zur Verfügung.
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Wenn die strukturellen Rahmenbedingungen der häuslichen und quartiersbezogenen Versorgung nicht ausgebaut werden, treibt dies eine steigende Anzahl pflegebedürftiger alter Menschen in die stationäre Versorgung, die dort von weniger Personal versorgt werden müssen, als dies heute der Fall ist.

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Effektivitäts- und Effizienzsteigerungen auf der Grundlage von Erkenntnissen im Pflegewesen und eine Optimierung der Leistungsgesetze sind notwendig und richtig.

Sie werden jedoch einen Anstieg notwendiger finanzieller Ressourcen nicht verhindern.

uschi dreiucker / pixelio .de

gerd altmann / pixelio .de

These 1: Mehr vom Gleichen geht nicht!

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Alternativen zur heutigen Heimversorgung müssen

Anzulegender Maßstab ist, in welcher Qualität die bestehenden Leistungen der heutigen stationären Versorgung durch alternative ambulante Versorgungssettings vorhalten werden auch für Menschen mit Demenz und bei der Versorgung von Menschen in ihren letzten Lebensmonaten und -tagen.

FachlichWirtschaftlichEthisch

vertretbar seinund den Bedürfnissen hilfs- und pflegebedürftiger alter Menschen entsprechen.

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These 1: Mehr vom Gleichen geht nicht!

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Vorführender
Präsentationsnotizen
In der stationären Altenpflege wurde nie zu vor so viel gestorben wie heute: Die meisten Bewohner leiden unter einer Demenzerkrankung. Der über die letzten Jahre angestiegene Anteil von Menschen mit Demenz beträgt heute ca. 60 % der Bewohner Zwischen 1994 und 2010 sank die durchschnittliche Verweildauer um 5,5 Monate und liegt im Ev. Johanneswerk heute bei 2,4 Jahren. Verweildauer im Ev. Johanneswerk im Jahr 2010: Frauen verbleiben 36 Monate Männer verbleiben 18 Monate 20 % aller Bewohner versterben in den ersten vier Wochen 30% aller Bewohner versterben in den ersten zwölf Wochen 47,5 % aller Bewohner versterben in den ersten zwölf Monaten Nach drei Jahren sind mehr als zwei Drittel der Bewohner verstorben Quelle: Schönberg & de Vries; Mortalität und Verweildauer in der stationären Altenpflege; 2011
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Gruppenwohnen für hilfs- und pflege-bedürftige Menschen

barrierefreie Wohnungen Wohnungsgesellschaft

Räume für Angehörige/Verhinderungspflege

ServicebüroNachtbereitschaft

Kirchen Vereine Initiativen

ambulantes Intensivteam im Hintergrund

weitereWohnungen

Ambulanter Dienstleister

Kaufleutearbeiten kundennah und transparent

VersicherungenPflegekasseKrankenkasseSozialamt

Handwerker Dienstleister Geschäfteweitere

Wohnungen5

These 2: Versorgungssicherheit entsteht im Wohnquartier in der eigenen Häuslichkeit

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Der ambulante Dienstleister hat ein Vorschlagsrecht bei der Vermietung einiger Wohnungen.− Dadurch wohnt immer ein Mindestanteil von Mietern mit sehr

hohem Hilfebedarf im Haus, die tatsächlich Dienstleistungen abrufen (aber auch nicht zu viele, damit kein „Pflegeheimcharakter“ entsteht).

− Notwendig ist ein Mindestanteil an Dienstleistungen (und die Abrechnung der Dienstleistung), damit Bereitschaftsdienste eine 24-Stunden-Präsenz gewährleistet ist

Die Entscheidungsfreiheit der Mieter bei der Wahl eines Dienstes bleibt jedoch unberührt!

Die Entwicklung der am Gemeinwesen orientierten Moderation dieser entstehenden Versorgungsgemeinschaft führt zur Aktivierung nachbarschaftlicher Solidaritäten

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These 2: Versorgungssicherheit entsteht im Wohnquartier in der eigenen Häuslichkeit

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Bültenhaus, Dinxperlo-SuderwickEntstehung / LageDas 2008 erbaute Bültenhaus liegt genau auf der Landesgrenze zwischen den Niederlanden und Deutschland in Dinxperlo-Suderwick bei Bocholt. Besonderheit: Die niederländischen und deutschen Versorgungseinheiten sind durch eine Brücke verbunden.

Projektgröße12 Mietwohnungen mit ein bis zwei Zimmern, neun Wohneinheiten in Wohngemeinschaft, Servicestützpunkt des Ev. Johanneswerks, Begegnungszentrum „Die Taverne“, Gemeinschaftsräume

These 2: Versorgungssicherheit entsteht im Wohnquartier in der eigenen Häuslichkeit

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Vorführender
Präsentationsnotizen
Projektpartner Ev. Johanneswerk, Careaz Dr. Jenny, Dinxperlo/NL, Vrijwillige Intensive Thuiszorg, Ruurlo/NL,Stadt Bocholt, Kreis Borken. Direkt an der deutsch-niederländischen Grenze in Bocholt-Suderwick liegt das Anfang 2009 eröffnete Bültenhaus. Es ist europaweit eines der ersten Pflege- und Wohnprojekte, in dem zwei Länder kooperieren. Die Besonderheit des Gebäudekomplexes: Die niederländischen und deutschen Versorgungseinheiten sind mit einer Brücke verbunden.��Der Lebensmittelpunkt der Wohngemeinschaft befindet sich in der Brücke – direkt über der Staatsgrenze zwischen Suderwick und Dinxperlo. Die Taverne bietet Ihnen die Möglichkeiten zur deutsch-niederländischen Begegnung mit Bewohnern und Besuchern. Darüber hinaus finden regelmäßig Veranstaltungen und Freizeitaktivitäten statt.
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Entstehung / Lage

In dem Wohnviertel Lerchenstraße in Herford sind im Jahr 2008 zwei bestehende Wohnhäuser komplett umgebaut worden. Dabei entstanden barrierefreie Wohnungen, die durch Laubengänge mit einem in der Mitte liegenden Nachbarschaftszentrum verbunden sind.

Projektgrößevier barrierefreie Gemeinschaftswohnungen, vier barrierearme Wohnungen und kleinere Wohnungen, ein Gästezimmer, Servicestützpunkt des Ev. Johanneswerks, Wohncafé im Nachbarschaftszentrum

Nachbarschaft Lerchenstraße, Herford

These 2: Versorgungssicherheit entsteht im Wohnquartier in der eigenen Häuslichkeit

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Vorführender
Präsentationsnotizen
Projektpartner Ev. Johanneswerk, Wohn- und Wirtschafts-Service Herford GmbH, Stadt Herford, Kreis Herford. Das Wohnprojekt Lerchenstraße liegt direkt gegenüber des Klinikums Herford. Die angrenzenden Straßenzüge der Lerchenstraße und der Amselstraße sind komplett saniert und bieten mit innovativer Farbgestaltung der Außenfassaden ein modernes Ambiente. Supermarkt, Post, Friseur und ein Kiosk befinden sich in unmittelbarer Nähe. Eine gute Busverbindung bringt Sie in die etwa zwei Kilometer entfernte Herforder Innenstadt.
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Konzept: Wohnen im Alter in Steinheim

1. Säule:Stationäre Pflegeeinrichtungmit 48 spezialisierten Pflegeplätzen Hausgemeinschaftskonzept

2. Säule:QNV mit 30 barrierefreienWohnungen 24 stündige Versorgungssicherheit für

- hilfs- und pflegebedürftigealte Menschen

- Menschen mit Behinderungen Wohncafé als Nachbarschaftstreff Ambulante Versorgung im Quartier

3. Säule:Eine Gemeinwesenarbeiterin koordiniert das Quartier und das Netzwerk. Die Bürgerstiftung sichert dauerhaft die Gemeinwesenarbeit im Projekt und Wohnumfeld und sichert hier die Personalkosten

Gemeinde

finanziert

Ortsbezogener Sozialfond

Spenden Ev.JohanneswerkGemeinde

Gemeinwesenarbeiter/inService-Zentrum

9 These 2: Versorgungssicherheit entsteht im Wohnquartier in der eigenen Häuslichkeit

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Ziele des Netzwerks: quartiersnahe und generationenüber-greifende

Wohn- und Versorgungsformen bereits realisierte Good-Practice-Modelle zu

allgemeingültigen und den individuellen Bedürfnissen Rechnung tragenden Angeboten zu machen

www.netzwerk-song.de

Umsetzung erfolgt durch: Ermittlung des sozialen und ökonomischen

Mehrwerts von Wohnprojekten der Quartiersnahen Versorgung

Bewertung der damit verbundenen Änderungs-prozesse in den Trägerorganisationen

Ableitung von Veränderungen für einen neuen gesetzlichen Rahmen

These 3: SONG bedeutet, einen neuen sozialöko-nomischen Mehrwert zu produzieren

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Signifikant geringere Werte bei Krankheits- und Pflegeindikatoren

Kostenvorteile

Deutliche Unterschiede im Engagement der Bewohner für ihre Nachbarn.

Positive Abweichungenin allen Fragen bezüglich des sozialen Lebens

Stärkere Nutzung von Angeboten

* Das Netzwerk Song hat eine Studie zur Sozialökonomischen Mehrwertanalyse ausgewählter Wohnprojekte der Netzwerkpartner in Auftrag gegeben und federführend vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (Prof. P. Westerheide) und CSI (Dr. V. Then) in 2008 abgeschlossen.

Moderierte Wohnprojekte der quartiersnahen Versorgung schaffen

positive volkswirtschaftliche

Effekte

günstigere Indikatoren in den Bereichen

Gesundheit und Pflege der Bewohner

eine größere Zufriedenheit mit

Lebens- und Wohnbedingungen

eine hohe soziale Vernetzung der

Gemeinwesenarbeit

Studie zur Sozialökonomischen Mehrwertanalyse*

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11 These 3: SONG bedeutet, einen neuen sozialöko-nomischen Mehrwert zu produzieren

Vorführender
Präsentationsnotizen
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Ziele der Quartiersnahen Versorgung im Netzwerk Song

Nachbarschaftliche Solidaritäten entfalten eine Hebelwirkung, die staatliche Hilfen später oder reduzierter beanspruchen.

Pflegerische Versorgung vollzieht sich im Wohnquartier und sichert das Leben in der eigenen Häuslichkeit auch in der Sterbephase und für MmD. (absolute und relative Versorgungssicherheit)

Die Wohlfahrtsproduktion vollzieht sich ein einem Mix (Wellfare-mix), der Staat, Wohlfahrtsträger, Nachbarschaft, Angehörige und Pflegebedürftige und sonstige Dienstleister in veränderte Rollen und neuen Funktionen vorsieht.

Die QNV vollzieht sich auf der Grundlage von Geschäftsmodellen, die ethisch, fachlich und wirtschaftlich die Versorgungssicherheit im Wohnquartier absichert.

QNV ist eine von mehreren notwendigen Antworten auf die gesellschaftlichen (Versorgungs-) Herausforderungen des demografischen Wandels.

12 These 3: SONG bedeutet, einen neuen sozialöko-nomischen Mehrwert zu produzieren

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Die Sozialwirtschaft steht vor der Herausforderung, einen neuen gesellschaftlichen Mehrwert für neue gesellschaftliche Rahmenbedingungen der pflegerischen Versorgung pflegebedürftiger alter Menschen zu entwickeln.

Die Übernahme herkömmlicher Formen sozialstaatlicher Aufgaben durch Sozialunternehmenist vor dem Hintergrund des demografischen Wandels weder gesellschaftlich, noch wirtschaftlich, noch wohlfahrtsstaatlich

hinreichend zukunftsfähig.

über 65 Jahre

0 bis 20 JahreQuelle: Statistisches Bundesamt, Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung

0 200 400 600 80005101520253035404550556065707580859095

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2005 2050

1871 2050

These 4: Die deutsche Wohlfahrtspflege ist prädestiniert, nachbarschaftlichen Solidaritäten zu fördern & eine Renaissance subsidiarischer Strukturen zu forcieren

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Vorführender
Präsentationsnotizen
Vor dem Hintergrund der aus dem demografischen Wandel ableitbaren sozialen Probleme reduziert sich der bestehende gesellschaftliche Mehrwert der Sozialwirtschaft. Bislang konnte dieser aus Strategien abgeleitet werden, die auf die Kompensation von Formen gesellschaftlicher Benachteiligungen und den Umgang mit spezifischen Lebensrisiken im Auftrag des Staates entstanden. Die Übernahme dieser herkömmlichen Formen sozialstaatlicher Aufgaben durch Sozialunternehmen ist nicht für alle Handlungsbereiche der Wohlfahrtspflege zukünftig hinreichend und bedarf insbesondere im Handlungsbereich der pflegerischen Versorgung einer neuen Positionierung. Ausgangsthese: Die Sozialwirtschaft steht vor der Herausforderung, einen neuen gesellschaftlichen Mehrwert für neue gesellschaftliche Rahmenbedingungen der pflegerischen Versorgung pflegebedürftiger alter Menschen zu entwickeln. Die Frage ist dabei nicht, ob die Sozialwirtschaft diesen neuen Mehrwert entwickelt, sondern wann Sie mit dieser neuen Mehrwertproduktion beginnt. Hierfür bedarf es eines Begründungszusammenhangs und einer neuen Konzeption, die neben den anderen gesellschaftlichen Akteuren (Betroffene, Angehörige, Nachbarschaft, Ehrenamtliche, Mitarbeiter der Sozialstationen) auch die Wohlfahrtspflege in neuen und veränderten Rollen der Übernahme subsidiarischer Verantwortung vorsieht. Dies bedeutet die Entwicklung eines neuen und veränderten Pflegearrangements auf der Grundlage eines veränderten Welfare-Mixes, d. h. in einer neuen geteilten Verantwortung zwischen den gesellschaftlichen Akteuren, zur Sicherung des Verbleibs in der eigenen Wohnung (jenseits stationärer Strukturen). Ziel ist der Aufbau eines Unterstützungsnetzwerkes durch das informelle Pflegepotenzial (nichtberufliche Helfer) und das formelle Pflegepotenzial, das ein alternatives und ergänzendes Pflegearrangement zur stationären Versorgung darstellt. Im Folgenden soll ein thesenartiger Begründungszusammenhang hergestellt werden, der die Quartiersnahe Versorgung des Ev. Johanneswerkes als ein System darstellt, in dem in geteilter Verantwortung zwischen Dienstleistern, moderierten Interessens­gemeinschaften bzw. Auftraggebergemeinschaften Möglichkeiten entwickelt werden, eine der stationären Versorgungsqualität entsprechende Qualität im ambulanten Regelsystem des Wohnquartiers zu organisieren. In eben diesen Merkmalen und den darin liegenden Entwicklungs­aufgaben, realisiert sich der neue Mehrwert der Sozialwirtschaft. [1] �[1] Der hier vorliegende Text ist als Versuch zu verstehen, die durch den demographischen Wandel veränderten Rahmenbedingungen auf das ambulante Regelsystem und die quartiersnahe Versorgung zu beziehen. Selbstverständlich lassen sich auch auf die Einrichtungen der stationären Versorgung der Altenpflege Veränderungen beziehen. Diese sind jedoch nicht Gegenstand des vorliegenden Textes.
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Über die Kategorien der „Selbstbestimmung“ und „Autonomie“ überträgt der Staat zunehmend Verantwortung auf den Bürger.

Hierbei entstehenden Leistungslücken, die nicht einseitig durch die zunehmende Hilfsbereitschaft sozialwirtschaftlich organisierter Ehrenamtlichkeit kompensiert werden dürfen und können.

Es bedarf einer neuen Hinwendung zur Zivilgesellschaft und zum Bürgerschaftlichen Engagement.

Entlastung staatlicher Sicherungs-systeme

SelbstbestimmungAutonomie

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These 4: Die deutsche Wohlfahrtspflege ist prädestiniert, nachbarschaftlichen Solidaritäten zu fördern & eine Renaissance subsidiarischer Strukturen zu forcieren

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Vorführender
Präsentationsnotizen
These 1: Über die Kategorien der „Selbstbestimmung“ und „Autonomie“ überträgt der Staat zunehmend Verantwortung auf den Bürger. Hierbei entstehenden Leistungslücken, die nicht einseitig durch die zunehmende Hilfsbereitschaft sozialwirtschaftlich organisierter Ehrenamtlichkeit kompensiert werden dürfen und können. Es bedarf einer neuen Hinwendung zur Zivilgesellschaft und zum Bürgerschaftlichen Engagement. In der Diskussion um die Zivilgesellschaft ist die Politik vornehmlich an der Dienstleistungsfunktion der Zivilgesellschaft interessiert, in der Hoffnung auf eine Entlastung der staatlichen Sicherungssysteme durch eine vermehrte Übernahme von Verantwortung durch die Bürger bei der Erbringung ehemals wohlfahrtsstaatlicher Leistungen. Die staatliche Forderung nach mehr Eigenbeteiligung des Bürgers darf jedoch nicht einseitig durch das endliche Potenzial des Ehrenamtes bedient werden. Es bedarf weitergehender Konzepte des bürgerschaftlichen Engagements mit partizipativen Elementen: „Die entscheidende Frage ist, ob unter dem Label Zivilgesellschaft ein neoliberaler Minimalstaat mit Risikoabwälzung angesprochen wird, oder ob die Zivilgesellschaft tatsächlich als Gesellschaft angesprochen ist, um die zunehmenden Begrenztheiten einer rein staatlichen Erbringung von Wohlfahrt zu überwinden.“[1] Nur durch die letztere Variante kommt es zur Überwindung von negativen Begleiterscheinungen der bisherigen Erbringung staatlicher Wohlfahrt, die sich in Formen der administrativen Daseinsvorsorge äußert und als Nebenwirkung auch Merkmale der Entmündigung, Unselbständigkeit, Initiativlosigkeit, Entsolidarisierung u. a. m. hervorbringt. �[1]Fehren, O.; Wer organisiert das Gemeinwesen? Zivilstaatliche Perspektiven Sozialer Arbeit als intermediärer Instanz; 2008
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aktivierendesGegenüber

Überwindung von negativen Begleiterscheinungen bisheriger Erbringung staatlicher Wohlfahrt: E n t m ü n d i g u n g

I n i t i a t i v l o s i g k e i tE n t s o l i d a r i s i e r u n g

u n d a n d e r e s m e h r

Formen administrativer DaseinsvorsorgeFormen der Über- und Unterversorgung

„Im Spannungsfeld von Markt, Staat und Familie wird Bürgergesellschaft überall dort sichtbar, wo sich freiwillige Zusammenschlüsse bilden, wo Teilhabe- und Mitgestaltungsmöglichkeiten genutzt werden und Bürgerinnen und Bürger Gemeinwohlverantwortung übernehmen.“

Deutscher Bundestag; Bericht der Enquete Kommission „Zukunft des Bürgerschaftlichen Engagments“; Berlin; 2002; S. 6

These 4: Die deutsche Wohlfahrtspflege ist prädestiniert, nachbarschaftlichen Solidaritäten zu fördern & eine Renaissance subsidiarischer Strukturen zu forcieren

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Vorführender
Präsentationsnotizen
These 2: Neue Verantwortung für die Gesellschaft und das Gemeinwohl entsteht nur durch die Ermächtigung des Bürgers durch den Staat, der ihm als „aktivierendes Gegenüber“ begegnet und ihn in der Rolle des Gestalters seiner Lebenswelt belässt. Die Quartiersnahe Versorgung will einen Beitrag zur Ermächtigung des Bürgers leisten, da diese den Bürger – auch oder gerade wenn er hilfs- und pflegbedürftig ist – als selbständigen Gestalter seiner lebensweltlichen Zusammenhänge im Wohnquartier vorsieht. Hierbei wird ein Sozialstaat als „aktivierendes Gegenüber“ definiert, der Rahmen für den Verbleib auch hilfs- und pflegebedürftiger alter Menschen im Wohnquartier schafft und im Netzwerk von Angehörigen, Nachbarn und ergänzenden Dienstleistern die selbstbestimmten Lebensverhältnisse sichert. Eben dieser Vorgabe entsprechen auch die Ergebnisse der Enquete-Kommission „Bürgerschaftliches Engagement“ mit ihrem Leitbild der Bürgerschaft als „ein Gemeinwesen, in dem sich die Bürger nach demokratischen Regeln selbst organisieren und auf die Geschicke des Gemeinwesens einwirken können. Im Spannungsfeld von Markt, Staat und Familie wird Bürgerschaft überall dort sichtbar, wo sich freiwillige Zusammenschlüsse bilden.“[1] Das Bürgerschaftliche Engagement entsteht durch aktive Teilhabe und die damit einhergehende politische Einflussnahme auf die Gestaltung der lebensweltlichen Kontexte im Wohnquartier bzw. der Gesellschaft. Damit entsteht der unabdingbare Zusammenhang von Bürgerschaftlichen Engagement und dem zivilgesellschaftlichen Gegenüber. Die Politik bekommt ein zivilgesellschaftliches Gegenüber bei der Gestaltung der gesellschaftlichen Lebenswelten: „Die Zivilgesellschaft setzt sich aus jenen mehr oder weniger spontan entstandenen Vereinigungen, Organisationen und Bewegungen zusammen, welche die Resonanz, die die gesellschaftlichen Problemlagen in den privaten Lebensbereichen finden, aufnehmen, kondensieren und lautverstärkend an die politische Öffentlichkeit weiterleiten.“[2] Benachteiligungen, die durch Hilfs- und Pflegebedürftigkeit entstehen, können vor diesem Hintergrund auch als gesellschaftliche Problemlage des privaten Lebensbereichs eine Resonanz im Wohnquartier und der Nachbarschaft finden und sich damit zivilgesellschaftlich organisieren. �[1]Deutscher Bundestag; Bericht der Enquete Kommission „Zukunft des Bürgerschaftlichen Engagments“; Berlin; 2002; S. 6 [2]Habermas, J.; Faktizität und Geltung – Beiträge zur Diskurstheorie des Rechts und des demokratischen Rechtsstaats; Frankfurt; 1998; S. 443
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Umsetzung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs Konsequente Durchsetzung des Rehabilitationsan-

spruches als Leistungsanspruch innerhalb des SGB XI Unterstützung der Kommunen beim Aufbau einer

pflegevermeidenden Infrastruktur – Absicherung von Gemeinwesenarbeit zur Förderung von Pflege-Mix-Netzwerken im Quartier durch die Pflegeversicherung

Effizienterer Mitteleinsatz durch Reduzierung von Mehrfachzuständigkeiten, Abstimmungs- und Kontrollaufwand

Änderung des Bauplanungsrechtes: Einführung einer verbindlichen Verträglichkeitsprüfung für die Errichtung neuer Pflegeheime

Kurzfristige Maßnahmen

These 5: Es bedarf eines radikalen Richtungswechsels im Pflegesektor, da mehr vom Gleichen nicht geht.

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Mittelfristige Maßnahmen

Die ökonomische Wucht des demografischen Wandels ist nur durch eine auf ökonomische Leistungsfähigkeit orientierte Grundsatzreform der unterschiedlichsten und teilweise widersprüchlichen sozialen Sicherungsansätze zu bewältigen.

Die ineffizienten Abgrenzungsprobleme zwischen den Sektoren und Sicherungssystemen müssen beseitigt und die Gestaltungsmöglichkeiten auf kommunaler Ebene gestärkt und gebündelt werden.

Die Pflegelandschaft muss vor Ort gestaltbar sein, da dort der demografische Wandel und das soziale Zusammenleben stattfinden.

These 5: Es bedarf eines radikalen Richtungswechsels im Pflegesektor, da mehr vom Gleichen nicht geht.

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Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

Nicht weil die Dinge schwierig sind, wagen wir sie nicht;

sondern weil wir sie nicht wagen, sind sie schwierig.

Lucius Annaeus Seneca