1
181 Ratselfreunde vor! Stadtbekannt, doch meist verkannt Als omnivor oder ,allesfressend" wird unser Ratseltier eingestuft, denn es nimmt pflanzliche und tierische Nahrung zu sich, ver- schmaht auch Bakterien nicht und ist koprophag, friat also sogar seinen eigenen Kot. Zwar nimmt es mit seinern Mund in der Tat alles auf - bis zu 10 % seines Gewichts pro Tag - aber es gibt auch fast alles wieder ab. Sein Darmrohr ist von einer durchge- henden Cuticula ausgekleidet, Resorption kann hier kaurn statt- die Fahigkeit dieses Tieres, Schwermetalle zu akkumulieren, ist einzigartig irn Tierreich. In bestimmten Zellen der Mittel- darmdriisen lagert es Kupfer, das fur die Synthese des respiratori- schen Pigrnentes Hamocyanin benotigt wird, aber auch zurn Beispiel Blei und Zink ab - bis zu mehreren Prozent, wenn man es auf das Trockengewicht bezieht. All das schaffen die Tiere aber nur, wenn sie in ihrer Jugend vom Abb. 2. Transmissionselektronenmikroskopische Aufnahme des Se- kundarfilters (SF). Die Pfeile zeigen die Richtung der FiItration an. mit den Beuteltieren gemeinsam, dai3 die Jungen irn Marsupium von der Subsranz der Mutter leben: Diese hat an ihrer Bauch- seite sogenanne Cotyledonen entwickelt, aus denen Korper- fliissigkeit abgegeben wird. Also im weitesten Sinne doch ein Sau- getier? Das ratselhafte Tier ist ubiquitar, kommt also ,iiberall" vor, unter verrnoderndem Holz, unter Stei- nen, unter Laub und ist sogar in unsere Keller vorgedrungen. Vor allern nachts sieht man die Tiere auch augerhalb ihrer Verstecke, denn zu gering dad die Luft- feuchte nicht sein. Ihre Vorfahren sind wasserlebende Krebse. Abb. 1. Rasterelektronenmikroskopische Aufnahme des Magenbo- dens unseres Ratseltieres. PF Primarfilter. Durch diese paarig an- gelegten Strukturen wird Flussigkeit geleitet (Doppelpfeile), die hinten wieder austritt (einfacher Pfeil). finden. Aus der vielfaltigen Nah- rung - beipielsweise Holz, BIat- tern, Bakterien, Leichenteilen oder anderem - wird in seinem nur etwa 1 mm langen, aber unglaublich kornplizierten Magen mit Hilfc von Verdauungssaft Flussigkeit abgepregt und durch doppelte Filtersysteme in die Mitteldarmdrusen geleitet, wo sie resorbiert wird. Die ersten Filter (Primarfilter) sind schon fein (Abbildung I), die nachgeschalte- ten Sekundarfilter (Abbildung 2) sind die feinsten, die aus dem Tierreich bekannt sind. Sie halten Partikel von einem Durchmesser yon 40 bis 50 nm zuruck - das ist Mikrofiltration aus dem Grenz- bereich zur Ultrafiltration. Dane- ben enthalc der Magen ein breites Spektrum von Borsten, die den Nahrungstransport gewahrlei- sten, und auch Kaustrukturen (Abbildung 3). Nicht nur die Mikrofiltrationslei- stungen sind rekordtrachtig, auch Kot der Eltern gefressen haben, denn sonst konnen sie besrimmte Glykoproteine nicht herstellen Auflosung und werden nie erwachsen. In ihrern langen Hinterdarm kulti- vieren sie coryneforme Bakterien, die essentielle Aminosauren synthetisieren und in Anpassung an den Standort gegeniiber Schwermetallen mehr oder weni- ger resistent sind. Bevor die Jungen sich die Faeces der Alten als Nahrungsquelle erschlieflen konnen, werden sie von der Mutter in einer Brutta- sche, dem Marsupiurn, gehaltcn. In diese Bruttasche hatte die Mutter schon die befruchteten Eier abgelegt. ,,Marsupialia" sind in der zoologischen Systematik Beutelriere wie Kanguruh, Koala und Beutelwolf, die ja bckannt- lich zu den Saueerieren eehoren Volker Storch, Heidelberg In Heft 3 suchten wir die Kleine Brennessel (Urtica rtrens). Wir haben dreirnal das Buch ,Horizonte der Biologie", herausgegeben von Peter Sitte, verlost. Gewonnen haben: Thomas BatiniC, 35039 Marburg, Uwe Feddersen, 20359 Hamburg, Uta Fuchs, 5541 1 Bingen. Die Redaktion gratuliert den Gewinnern! Die Losung des aktuellen Ratsels senden Sie bitte bis zurn 15. Sep- tember an Iris Lasch, Redaktion BIUZ, Handschuhsheirner Land- str. 37,69121 Heidelberg. Der Rechrsweg ist ausgeschlos- sen. Verlost wird dreimal das Buch ,,Extremophile. Mikroorganis- men in ausgefallenen Lebensrau- men", herausgegeben von Klaus Hausrnann und Bruno I? Kremer. " " und ihre Jungen cine gewisse Zeit irn Beutel (Marsupium) saugcn. Dazu gehort sic nicht, dennoch haben sie und ihre Verwandtcn Abb. 3. Rasterelektronenmikroskopische Aufnahme d.es Magenbo- dens im Bereich der Kau- oder Zerkleinerungsstrukturen (2). Das Sternchen kennzeichnet einen Nahrungsbrocken bzw, ein Schmutzteilchen. Biologie in gnserer Zcit / 24: Jahrg. 1994 / Nr. 4

Rätsel

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Rätsel

181

Ratselfreunde vor!

Stadtbekannt, doch meist verkannt Als omnivor oder ,allesfressend" wird unser Ratseltier eingestuft, denn es nimmt pflanzliche und tierische Nahrung zu sich, ver- schmaht auch Bakterien nicht und ist koprophag, friat also sogar seinen eigenen Kot. Zwar nimmt es mit seinern Mund in der Tat alles auf - bis zu 10 % seines Gewichts pro Tag - aber es gibt auch fast alles wieder ab. Sein Darmrohr ist von einer durchge- henden Cuticula ausgekleidet, Resorption kann hier kaurn statt-

die Fahigkeit dieses Tieres, Schwermetalle zu akkumulieren, ist einzigartig irn Tierreich. In bestimmten Zellen der Mittel- darmdriisen lagert es Kupfer, das fur die Synthese des respiratori- schen Pigrnentes Hamocyanin benotigt wird, aber auch zurn Beispiel Blei und Zink ab - bis zu mehreren Prozent, wenn man es auf das Trockengewicht bezieht.

All das schaffen die Tiere aber nur, wenn sie in ihrer Jugend vom Abb. 2. Transmissionselektronenmikroskopische Aufnahme des Se-

kundarfilters (SF). Die Pfeile zeigen die Richtung der FiItration an.

mit den Beuteltieren gemeinsam, dai3 die Jungen irn Marsupium von der Subsranz der Mutter leben: Diese hat an ihrer Bauch- seite sogenanne Cotyledonen entwickelt, aus denen Korper- fliissigkeit abgegeben wird. Also im weitesten Sinne doch ein Sau- getier?

Das ratselhafte Tier ist ubiquitar, kommt also ,iiberall" vor, unter verrnoderndem Holz, unter Stei- nen, unter Laub und ist sogar in unsere Keller vorgedrungen. Vor allern nachts sieht man die Tiere auch augerhalb ihrer Verstecke, denn zu gering d a d die Luft- feuchte nicht sein. Ihre Vorfahren sind wasserlebende Krebse.

Abb. 1. Rasterelektronenmikroskopische Aufnahme des Magenbo- dens unseres Ratseltieres. P F Primarfilter. Durch diese paarig an- gelegten Strukturen wird Flussigkeit geleitet (Doppelpfeile), die hinten wieder austritt (einfacher Pfeil).

finden. Aus der vielfaltigen Nah- rung - beipielsweise Holz, BIat- tern, Bakterien, Leichenteilen oder anderem - wird in seinem nur etwa 1 mm langen, aber unglaublich kornplizierten Magen mit Hilfc von Verdauungssaft Flussigkeit abgepregt und durch doppelte Filtersysteme in die Mitteldarmdrusen geleitet, wo sie resorbiert wird. Die ersten Filter (Primarfilter) sind schon fein (Abbildung I), die nachgeschalte- ten Sekundarfilter (Abbildung 2) sind die feinsten, die aus dem Tierreich bekannt sind. Sie halten Partikel von einem Durchmesser yon 40 bis 50 nm zuruck - das ist Mikrofiltration aus dem Grenz- bereich zur Ultrafiltration. Dane- ben enthalc der Magen ein breites Spektrum von Borsten, die den Nahrungstransport gewahrlei- sten, und auch Kaustrukturen (Abbildung 3).

Nicht nur die Mikrofiltrationslei- stungen sind rekordtrachtig, auch

Kot der Eltern gefressen haben, denn sonst konnen sie besrimmte Glykoproteine nicht herstellen Auflosung und werden nie erwachsen. In ihrern langen Hinterdarm kulti- vieren sie coryneforme Bakterien, die essentielle Aminosauren synthetisieren und in Anpassung an den Standort gegeniiber Schwermetallen mehr oder weni- ger resistent sind.

Bevor die Jungen sich die Faeces der Alten als Nahrungsquelle erschlieflen konnen, werden sie von der Mutter in einer Brutta- sche, dem Marsupiurn, gehaltcn. In diese Bruttasche hatte die Mutter schon die befruchteten Eier abgelegt. ,,Marsupialia" sind in der zoologischen Systematik Beutelriere wie Kanguruh, Koala und Beutelwolf, die ja bckannt- lich zu den Saueerieren eehoren

Volker Storch, Heidelberg

In Heft 3 suchten wir die Kleine Brennessel (Urtica rtrens).

Wir haben dreirnal das Buch ,Horizonte der Biologie", herausgegeben von Peter Sitte, verlost.

Gewonnen haben:

Thomas BatiniC, 35039 Marburg, Uwe Feddersen, 20359 Hamburg, Uta Fuchs, 5541 1 Bingen.

Die Redaktion gratuliert den Gewinnern!

Die Losung des aktuellen Ratsels senden Sie bitte bis zurn 15. Sep- tember an Iris Lasch, Redaktion BIUZ, Handschuhsheirner Land- str. 37,69121 Heidelberg. Der Rechrsweg ist ausgeschlos- sen.

Verlost wird dreimal das Buch ,,Extremophile. Mikroorganis- men in ausgefallenen Lebensrau- men", herausgegeben von Klaus Hausrnann und Bruno I? Kremer.

" " und ihre Jungen cine gewisse Zeit irn Beutel (Marsupium) saugcn. Dazu gehort sic nicht, dennoch haben sie und ihre Verwandtcn

Abb. 3. Rasterelektronenmikroskopische Aufnahme d.es Magenbo- dens im Bereich der Kau- oder Zerkleinerungsstrukturen (2). Das Sternchen kennzeichnet einen Nahrungsbrocken bzw, ein Schmutzteilchen.

Biologie in gnserer Zcit / 24: Jahrg. 1994 / Nr. 4