1
44 Es mu13 nicht immer Kaviar sein In dicscni Ratscl wird nach dem dcutschen Natnen cines Tiercs gcsucht (Fragc l), den Sic alle licnncn und niit dem wohl dic mcistcn ctwas Ucsondercs vcrbin- den. Dicscr Namc bezcichnet jcdoch ctwa cin halbcs Dutzcnd Artcn aus zwci nahc vcrwaiidtcn Gattungcn, deren vollstandige wisscnschaftliclic Namcn nur wcnige Lcscr keniicn diirftcn: Sie wurdcn vorwicgend aus Sprachcn sibirischcr Viillier cntlchnt und sind fur uns zuin Teil Zungenbrc- chcr. 1,asscn wir cs also beim deutschcn Namcn! l>as Katsclticr war fruhcr in Mittclcuropa haufig, ist hicr hcutc jcdoch praktisch ausgerot- tct. Es gehtirt cincr Klassc an, die mit iibcr 20.000 Artcn wcit ver- hrcitct ist und Artcn van acht Millinictcrn bis fast zchn Metcr lingc umfallt; ihr Lcbensaltcr rcicht von wcnigcn Monaten bis iibcr hundcrt Jahrc. Einigc ihrcr typischcn Merkrnalc sind auf dicscr Scitc abgebildet: Abbildung a mag Sie an cinen Astqucrschnitt mit scinen Wachs- tunisringcn crinncrn; die konzeii- trischcn ICrcisc kennzcichnen jcdoch kollagcnhaltigc Gebildc dcs Coriums, dic zur Altersbc- stiminung hcrangczogen wcrden. Im Fallc unsercs Ratselticrs ent- hiillcn sic sogar noch mehr uber dcsscn abwcchslungsrcichc IA- bcnsgcschichtc. Abbildung b zcigt cine Pignicnt- zcllc, die an dcr oft schr buntcn iind wechschidcn Farbung der 'ricrc bctciligt ist. Wcnn die Pig- incntc ubcr die verzweigtc Zclle vertcilt sind (wie hier abgcbildet), kommt es zur Dunkelfarbung, wenn sic dagcgcn dicht zusam- menrucken, wird das Tier blafl. Auf Abbildung c sehen Sie eine wcitcre Struktur, dic mit fort- schreitendcm Alter Zuwachsringe bildet. Sic besteht im wescntli- chcn aus Calciumcarbonat. Dic dicken, dunklen Ringe sind durch Ternpcraturschocks zu- stande gckommen, denen man die Ticrc in jungcm Alter ausgesetzt hat, bevor man sic ins Freiland entlicfl. Durch unterschicdliclie Tcmperaturrcgimcs kann man so eine individucllc Markicrung vornchmen und beini Wiederfang nach Jahren etwas iiber ihr Wachstum und ihre Wanderwcgc sagcn. Das Intcresse dcs Menschcn an dcr Lebensgcschichtc dieser Ticre ist grofl uiid hat im wesentlichen zwci Griindc: Profit und Apyctit. Es gibt curopaischc Lander, die aus dcr Zucht dcs Ratsclticrs und seinein Vcrkauf cin Riesengc- schaft geinacht habcn. An erstcr Stelle stcht eines, das nur ctwa so viclc Einwohncr beherbcrgt wic dcr Groflraum Berlin, abcr sic- benhundert Aufzuchtstatioiien fur das Ratscltier bcsitzt. In manchcn Landern der Sudhemi- sphare - wo unser Ratseltier von Natur aus nicht vorkommt - hat man diese Erfolgsgcschichte kopiert. In Alaska jedoch ist das verboten. Man darf zwar in ,,non-profit organizations" das Ratsclticr - hicr handelt cs sich uin cine andcrc Gattung als in Europa - zur Fortpflanzung bringcn, aber die Jugendstadien miissen in dic freie Wildbahn entlasscn werden. L a k man sich in den USA cin Gcschaft cntgehen? Nicht ganz: Die Ratseltiere vcrfiigen ubcr eincn unbandigen Wandertrieb, und sic durchbrechcn dabei die viellcicht am schwierigsten zu iibcrwindendc Barriere zwischen zwci Lebensraumen, abcr sie kommcn letztlich gcschlechtsreif zuriick zuin nahczu eiskalten Ort ihrer ,,Geburt", und zwar so punktlich, datl schon ein Abwei- chen uin cin bis zwci Wochen dic seltenc Ausnahmc ist. Dicsc kraftezehrcnde Wandcrung (im Namcn der europaischen Gat- tung anklingcnd) kann sie bis vierzig Prozent ihrer Korpcrmas- sc kosten und mit kiirycrlicheii Umkonstruktioncn verbundcn sein (was im Namen der sibi- risch-alaskanischcn Gattung zum Ausdruck kommt). Wcnn unsere Ratseltierc sich dann ihrcr Kinderstube nahcrn, erwarten sie die ,,Nicht-Profit- Macher", dicsmal mit diversen Geratcn, urn ihncn den Garaus zu machcn. Oft kommen die Tiere in solchen Mcngen, dafl man nur dire Eicr verwendct, die man auch bci uns kaufen kann. Sie wcrden Kaviar genannt, und dic Vorsilbc ,,Keta-" ist einer dcr obcn erwahntcn, aus dcm Sibiri- schen stammendcn Namen, wcnngleich der einfachste. Ab und zu wcrden auch Tiere fur die Wissenschaft vcrwendct, und dann zcigt moglichcrweise die Analyse der in c dargcstcllten Struktur ctwas mehr iiber ihrc Lebensgcschichtc (Frage 2: Was ist auf Abbildung c abgcbildet?). Volker Storch, Heidelberg Biologie in unxwr Zeit / 28. Jahrg. 1998 / Nr. I

Rätsel

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Rätsel

44

Es mu13 nicht immer Kaviar sein

I n dicscni Ratscl wird nach dem dcutschen Natnen cines Tiercs gcsucht (Fragc l), den Sic alle licnncn und ni i t dem wohl dic mcistcn ctwas Ucsondercs vcrbin- den. Dicscr Namc bezcichnet jcdoch ctwa cin halbcs Dutzcnd Artcn aus zwci nahc vcrwaiidtcn Gattungcn, deren vollstandige wisscnschaftliclic Namcn nur wcnige Lcscr keniicn diirftcn: Sie wurdcn vorwicgend aus Sprachcn sibirischcr Viillier cntlchnt und sind fur uns zuin Teil Zungenbrc- chcr. 1,asscn wir cs also beim deutschcn Namcn!

l>as Katsclticr war fruhcr in Mittclcuropa haufig, ist hicr hcutc jcdoch praktisch ausgerot- tct. Es gehtirt cincr Klassc an, die mit iibcr 20.000 Artcn wcit ver- hrcitct ist und Artcn van acht Millinictcrn bis fast zchn Metcr l i n g c umfallt; ihr Lcbensaltcr rcicht von wcnigcn Monaten bis iibcr hundcrt Jahrc.

Einigc ihrcr typischcn Merkrnalc sind auf dicscr Scitc abgebildet:

Abbildung a mag Sie an cinen Astqucrschnitt mit scinen Wachs- tunisringcn crinncrn; die konzeii- trischcn ICrcisc kennzcichnen jcdoch kollagcnhaltigc Gebildc dcs Coriums, dic zur Altersbc- stiminung hcrangczogen wcrden. I m Fallc unsercs Ratselticrs ent- hiillcn sic sogar noch mehr uber dcsscn abwcchslungsrcichc I A - bcnsgcschichtc.

Abbildung b zcigt cine Pignicnt- zcllc, d i e an dcr oft schr buntcn iind wechschidcn Farbung der 'ricrc bctciligt ist. Wcnn die Pig- incntc ubcr die verzweigtc Zclle

vertcilt sind (wie hier abgcbildet), kommt es zur Dunkelfarbung, wenn sic dagcgcn dicht zusam- menrucken, wird das Tier blafl.

Auf Abbildung c sehen Sie eine wcitcre Struktur, dic mit fort- schreitendcm Alter Zuwachsringe bildet. Sic besteht im wescntli- chcn aus Calciumcarbonat. Dic dicken, dunklen Ringe sind durch Ternpcraturschocks zu- stande gckommen, denen man die Ticrc in jungcm Alter ausgesetzt hat, bevor man sic ins Freiland entlicfl. Durch unterschicdliclie

Tcmperaturrcgimcs kann man so eine individucllc Markicrung vornchmen und beini Wiederfang nach Jahren etwas iiber ihr Wachstum und ihre Wanderwcgc sagcn.

Das Intcresse dcs Menschcn an dcr Lebensgcschichtc dieser Ticre ist grofl uiid hat im wesentlichen zwci Griindc: Profit und Apyctit. Es gibt curopaischc Lander, die aus dcr Zucht dcs Ratsclticrs und seinein Vcrkauf cin Riesengc- schaft geinacht habcn. An erstcr Stelle stcht eines, das nur ctwa s o viclc Einwohncr beherbcrgt wic dcr Groflraum Berlin, abcr sic- benhundert Aufzuchtstatioiien fur das Ratscltier bcsitzt. In manchcn Landern der Sudhemi- sphare - wo unser Ratseltier von Natur aus nicht vorkommt - hat man diese Erfolgsgcschichte kopiert. In Alaska jedoch ist das verboten. Man darf zwar in ,,non-profit organizations" das Ratsclticr - hicr handelt cs sich uin cine andcrc Gattung als in Europa - zur Fortpflanzung bringcn, aber die Jugendstadien

miissen in dic freie Wildbahn entlasscn werden.

L a k man sich in den USA cin Gcschaft cntgehen? Nicht ganz: Die Ratseltiere vcrfiigen ubcr eincn unbandigen Wandertrieb, und sic durchbrechcn dabei die viellcicht am schwierigsten zu iibcrwindendc Barriere zwischen zwci Lebensraumen, abcr sie kommcn letztlich gcschlechtsreif zuriick zuin nahczu eiskalten Ort ihrer ,,Geburt", und zwar so punktlich, datl schon ein Abwei- chen uin cin bis zwci Wochen dic seltenc Ausnahmc ist. Dicsc kraftezehrcnde Wandcrung (im Namcn der europaischen Gat-

tung anklingcnd) kann sie bis vierzig Prozent ihrer Korpcrmas- sc kosten und mit kiirycrlicheii Umkonstruktioncn verbundcn sein (was im Namen der sibi- risch-alaskanischcn Gattung zum Ausdruck kommt).

Wcnn unsere Ratseltierc sich dann ihrcr Kinderstube nahcrn, erwarten sie die ,,Nicht-Profit- Macher", dicsmal mit diversen Geratcn, urn ihncn den Garaus zu machcn. Oft kommen die Tiere in solchen Mcngen, dafl man nur dire Eicr verwendct, die man auch bci uns kaufen kann. Sie wcrden Kaviar genannt, und dic Vorsilbc ,,Keta-" ist einer dcr obcn erwahntcn, aus dcm Sibiri- schen stammendcn Namen, wcnngleich der einfachste. Ab und zu wcrden auch Tiere fur die Wissenschaft vcrwendct, und dann zcigt moglichcrweise die Analyse der in c dargcstcllten Struktur ctwas mehr iiber ihrc Lebensgcschichtc (Frage 2: Was ist auf Abbildung c abgcbildet?).

Volker Storch, Heidelberg

Biologie in unxwr Zeit / 28. Jahrg. 1998 / Nr. I