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Z. Anal. Chem. 254, 177--183 (1971) by Springer-Verlag 1971 177 Raman-Spektroskopie und Molekiilstruktur III. Ermittlung charakteristischer Frequenzen vielatomiger Molekiile mit Computer-Hilfe* ]~. SCI-IRADER und E. STEmNn~** Institut fiir Spektrochemie und angewandte Spektroskopie, Dortmund Eingegangen am 14. Oktober 1970 Raman Spectroscopy and Molecular Structure. III. Selection o/Characteristic Bands o/Polyatomie Molecules by Means o] a Computer. Digitized Raman and infrared spectra of 70 steroids are used for the calculation of summarized spectra of all substances with the same structural details. In these spectra bands with low standard deviation are characteristic for the structural detail if they are absent in the other groups of spectra. They can be used for the elucidation of unknown structures. Zusammen[assung. Aus digitalisierten Raman- und Infrarotspekten von 70 Steroiden warden die Summen- spektren der Substanzen mit iibereinstimmenden Strukturmerkmalen berechnet. In diesen Spektren sind Banden geringer Standardabweiehung dann charakteristisch ftir ein Strukturmerkmal, wenn sie bei anderen Struktarmerkmalen fehlen. Sic sind dann ftir die Strukturaufklgrung yon Substanzen unbekannter Struktur geeignet. 1. Einleitung Steroide besitzen linienreiche Schwingungsspektren; Cholesterin, C~H460 , sollte z.B. wegen seiner n ~ 74 Atome 3n--6 = 226 Normalschwingungen zcigen. Da die Steroidmolekfile keine Symmetrieelemente besitzen, sollten alle Schwingungen sowohl im Ra- man- als auch im Infrarotspektrum auftreten. Trotz- dem erwartet man von beiden Spektren ein komple- mentgres Bild: starke Infrarotbanden sollten den Schwingungen der polaren Substituenten, starke Raman-Banden sol]ten Sehwingungenunpolarer Mehr- faehbindungen und Gleichtaktschwingungen des Ger/ists zuzuordnen scin [5, 21]. Wir haben die Infrarot- und Raman-Spektren yon 70 Steroiden aufgenommen, um zu pr/ifen, welehe Aussagen fiber die Struktur die gemeinsame Analyse der Raman- und Infrarotspektren liefert. Die Ergeb- nisse dieser Untersuchung -- charakteristische Ban- den und ein Auswerteschema -- sind bereits pub]i- ziert [21--13], hier soll gezeigt werden, wie wir zu diesen Ergebnissen gelangten. Charakteristisehe Banden warden bisher empirisch darch Vergleieh der Spektren yon Substanzen mit iibereinstimmenden Merkmalen gefunden [4]. Da die * Teil II: Ann. Chem. 735, 15 (1970). ** Neue Anschrift: IDC, 6000 Frankfurt a.M., Hamburger Allee 26--28. 12 Z. Anal. Chem., Bd. 254: Spektren der Steroide sehr linienreich sind, wollten wit die Suche nach eharakteristischen Banden mit Computer-I-Iflfe durchfiihren. Neben der Arbeits- erleiehterung erhofften wit gleiehzeitig ein objek- tiveres Ergebnis. Wit bildeten die Summenspektren aller Steroide mit iibereinstimmenden Strukturmerkmalen und die Standardabweichung der ermittelten Intensitgts- werte. Eine ffir tin Merkmal charakteristische Bands sollte nut in dem Summenspektrum dieses Merkmals mit geringer Standardabweiehung auftreten. Unser Verfahren beruht zum Teil auf Erfahrungen, die Bergmann und Rolle bei der Suche naeh charakteri- stisehen Frequenzen yon Olefinen gewonnen haben [2,83. 2. Maschinelle Auswertung der Inirarot- und Raman-Spektren yon Steroiden StrukturmerkmMe, deren eh~rakteristische Banden gesueht werden sollten, sind die Art, der Ort und die rgumliche Anordnung yon Substituenten, die Lage yon CC-Doppelbindungen und die Verkniipfung der Ringe A nnd B. Wit haben eine Liste yon 42 Struk- tarmerkmMen zusammengestellt; dabei haben wit die Merkmale konjugierter Systeme zusammen- gefal~t, da sie aueh spektroskopisch Ms Einheit auf- zufassen sind. F/Jr jede Verbindung wurden eine lau-

Raman-Spektroskopie und Molekülstruktur

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Z. Anal. Chem. 254, 177--183 (1971) �9 by Springer-Verlag 1971

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Raman-Spektroskopie und Molekiilstruktur

III. Ermittlung charakteristischer Frequenzen vielatomiger Molekiile mit Computer-Hilfe*

]~. SCI-IRADER und E. STEmNn~**

Institut fiir Spektrochemie und angewandte Spektroskopie, Dortmund

Eingegangen am 14. Oktober 1970

Raman Spectroscopy and Molecular Structure. I I I . Selection o/Characteristic Bands o/Polyatomie Molecules by Means o] a Computer. Digitized Raman and infrared spectra of 70 steroids are used for the calculation of summarized spectra of all substances with the same structural details. In these spectra bands with low standard deviation are characteristic for the structural detail if they are absent in the other groups of spectra. They can be used for the elucidation of unknown structures.

Zusammen[assung. Aus digitalisierten Raman- und Infrarotspekten von 70 Steroiden warden die Summen- spektren der Substanzen mit iibereinstimmenden Strukturmerkmalen berechnet. In diesen Spektren sind Banden geringer Standardabweiehung dann charakteristisch ftir ein Strukturmerkmal, wenn sie bei anderen Struktarmerkmalen fehlen. Sic sind dann ftir die Strukturaufklgrung yon Substanzen unbekannter Struktur geeignet.

1. Einleitung

Steroide besitzen linienreiche Schwingungsspektren; Cholesterin, C~H460 , sollte z.B. wegen seiner n ~ 74 Atome 3 n - - 6 = 226 Normalschwingungen zcigen. Da die Steroidmolekfile keine Symmetrieelemente besitzen, sollten alle Schwingungen sowohl im Ra- man- als auch im Infrarotspektrum auftreten. Trotz- dem erwartet man von beiden Spektren ein komple- mentgres Bild: starke Infrarotbanden sollten den Schwingungen der polaren Substituenten, starke Raman-Banden sol]ten Sehwingungenunpolarer Mehr- faehbindungen und Gleichtaktschwingungen des Ger/ists zuzuordnen scin [5, 21]. Wir haben die Infrarot- und Raman-Spektren yon 70 Steroiden aufgenommen, um zu pr/ifen, welehe Aussagen fiber die Struktur die gemeinsame Analyse der Raman- und Infrarotspektren liefert. Die Ergeb- nisse dieser Untersuchung -- charakteristische Ban- den und ein Auswerteschema -- sind bereits pub]i- ziert [21--13], hier soll gezeigt werden, wie wir zu diesen Ergebnissen gelangten.

Charakteristisehe Banden warden bisher empirisch darch Vergleieh der Spektren yon Substanzen mit iibereinstimmenden Merkmalen gefunden [4]. Da die

* Teil II: Ann. Chem. 735, 15 (1970). ** Neue Anschrift: IDC, 6000 Frankfurt a.M., Hamburger

Allee 26--28.

12 Z. Anal. Chem., Bd. 254:

Spektren der Steroide sehr linienreich sind, wollten wit die Suche nach eharakteristischen Banden mit Computer-I-Iflfe durchfiihren. Neben der Arbeits- erleiehterung erhofften wit gleiehzeitig ein objek- tiveres Ergebnis.

Wit bildeten die Summenspektren aller Steroide mit iibereinstimmenden Strukturmerkmalen und die Standardabweichung der ermittelten Intensitgts- werte. Eine ffir tin Merkmal charakteristische Bands sollte nut in dem Summenspektrum dieses Merkmals mit geringer Standardabweiehung auftreten. Unser Verfahren beruht zum Teil auf Erfahrungen, die Bergmann und Rolle bei der Suche naeh charakteri- stisehen Frequenzen yon Olefinen gewonnen haben [2,83.

2. Maschinelle Auswertung der Inirarot- und Raman-Spektren yon Steroiden

StrukturmerkmMe, deren eh~rakteristische Banden gesueht werden sollten, sind die Art, der Ort und die rgumliche Anordnung yon Substituenten, die Lage yon CC-Doppelbindungen und die Verkniipfung der Ringe A nnd B. Wit haben eine Liste yon 42 Struk- tarmerkmMen zusammengestellt; dabei haben wit die Merkmale konjugierter Systeme zusammen- gefal~t, da sie aueh spektroskopisch Ms Einheit auf- zufassen sind. F/Jr jede Verbindung wurden eine lau-

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fende Nummer und die zutreffenden Struktur- merkmalsnummern in eine Masehinenloehkarte ge- stanzt.

Da Steroide in fiir die Spektroskopie geeigneten linienarmen L6sungsmitteln (CC14, CS2) oft sehwer lSslieh sind, werteten wir die Spektren der kristalli- nen Substanzen aus. Wegen der h/tufigen Uber- ]appung benaehbarter Banden haben wir auf die Auswertung der integralen Intensit/tten verziehtet. Im folgenden ist die I~aman-Intensit/tt als Anzeige des Raman-Spektrometers bei der Registrierung einer Bandenspitze proportional, und die Infrarotintensi- t/tt als dem maximalen Extinktionskoeffizienten pro- portional definiert. Da die Messung absoluter Inten- sit/tten in den Spektren yon Kristallpulvern sehr problematisch ist [2, 3], bezogen wit die Intensit/tten auf einen inneren Standard der Substanz.

A]s inneren Standard w/thlten wir die st/trkste Bande im Raman- und Infrarotspektrum im Bereieh der Deformationsschwingungen der Methyl- und Methylengruiopen bei 1440--1460em -1. Die Stan- dardintensit/tt betr/tgt 10 Einheiten. Die Anzahl der Methyl- und Methylengruppen ist bei den einzelnen Steroiden zwar versehieden, eine Korrektur der Standardintensit/tt war jedoeh in Anbetraeht der yon uns gew/thlten groben Intensits unn6tig.

Die Spektren wurden in 10 cm-* breite Absehnitte zerlegt, die gr513te Intensit/tt in einem Bereich k (entspreehend einer Wellenzahl yon ]c �9 l0 em -1) wird als Intensit/tt dieses Bereiehes versehlfisselt.

Um sowohl die starken als aueh die schwaehen Banden genfigend zu berfieksiehtigen, wurden die gemessenen Intensit/~ten in eine logarithmische Skala naeh den fo]genden Formeln umgereehnet:

i0 ~ IRA = 5 log #U~0 (1)

10 e,v I,R = 5 log - - (2)

E1450

InA bzw. Ixn sind die relativen Raman- bzw. Infrarotintensit/tten in logarithmischer Skala, 05~ und qblaso sind die gemessenen relativen Intensit/tten im Bereich k bzw. 1450 cm -1, e und e,450 sind die Extink- tionskoeffizienten im Bereich ]c bzw. 1450 cm -~.

Der g%rt IRA bzw. IIR wird auf die n/tchste ganze Zahl auf- bzw. abgerundet und in Masehinenloeh- karten gestanzt. Im Computer werden sie in relative Intensit/ttseinheiten zuriickverwandelt (Tabelle). Dar- aus werden die Summenspektren der Substanzen mit tibereinstimmenden Strukturmerkmalen sowie ihre relative Standardabweichung bestimmt.

Der Megfehler der Frequenzen im I~aman- Spektrum liegt bei 2--3 cm -1. Wenn eine Bande bei verschie- denen Substanzen mit konstanter Lage in der N/the einer Bereiehsgrenze -- also z.B. bei 1009 cm -1 (It z 100) -- liegt, so kann sie wegen des Megfehlers im Bereich 1000--1009 oder 1010--1019 cm -1, also /c = 100 oder 10l auftreten. Eine Bande nahe einer Bereichsgrenze w/tre dann seheinbar weniger signi- fikant als eine aus der Mitte eines Bereiches.

Wit haben daher die Banden mit Itfife eines yon Rolle u. Bergmann angegebenen Verfahrens [1,8] ffir die Bereehnung des mittleren Spektrums kfinstlich verbreitert, also jeweils bei der Auswertung eines Wellenzahlbereiehs die Intensit/tt der benaehbarten Bereiehe berfieksiehtigt. Liegt eine Bande im /~-ten Bereieh, wird deshalb ffir sie eine Gaug-Kurve yon 25era-* Wendepunktsbreite angenommen, deren Maximum auf der Grenze zwisehen den Bereichen/~ und ~--1 liegt. ]3ei Normierung der F1/tche unter der Kurve auf 1 ergeben sich die F1/tehenanteile in den einzelnen Wellenzahlenbereichen als Bewertungs- faktoren :

Wellenzahlenbereich Bewertungsfaktor

k--3* 0,048 k--2 0,160 /c-- 1 0,292 /~ 0,292 ]c+l 0,160 k+2 * 0,048

Summe: 1,00O

* Die Intensit~ten der Bereiche k@2 und ]c--3 wurden im endgiiltigen Programm nicht beriickslchtigt, da sie keinen nennenswerten Einflul~ ausiiben.

Tabelle. Intensitdtsskala

Gemessene relative Intensi~Lt ~ 1 ___ 1,58 _ 2,51 _< 3,98 _< 6,3 ~ 10 _< 15,8 _ 25,1 ___ 39,8 > 39,8

Verschliisselter Weft 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9

Zur Reehnung be- nu~zte Intensit~t 1 1,6 2,5 4 6,3 10 16 25 40 63

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B. Schr~der ur~d E. Steigner: Raman-Spektroskopie und Molekfilstruktur. I I I 179

Die schlieBlich vom Computer ausgewerteten Intensi tgten ffir einen Wellenzahlenbereich ergaben sich zu

I~ = 0,292 (I~ -k I~-1) + 0,160 (I~_9. + I~+1) (3) + 0,048 (G+~ + G-a ) .

Das Summenspektrum eines Strukturmerkmals wird dadurch bestimmt, dai~ in jedem We]lenzahl- bereich nach Formel (4) derMittelwert derIntensi tgten aller N Spektren dieser Merksmalsklasse gebildet wird :

2r (4)

Gleichzeitig wurde die relative Standardabweichung der Intensit/~t vom Mittelwert nach Formel (4) be- s t immt :

1 Z ( i~ - - I~) 2 _ (5)

i~ N -- 1

Wit bezeiehnen eine Bande als ,,typiseh", wenn die Standardabweiehung naeh Formel (5) kleiner als 200/0 ist.

Eine typisehe Bande ist erst dann ffir ein Merkmal eharakteristisch, wenn sie nur bei Substanzen dieses Merkmals mit kleiner Standardabweichung auftritt . Zum Beispiel ist die Bande bei 1450 em -1 typiseh, sie ist jedoeh nieht charakteristisch ffir ein bestimmtes Merkmal, da sie in allen Steroidspektren auftritt .

Ffir groBe relative Standardabweiehungen k6nnen versehiedene Grfinde verantwortlich sein:

a) Die Bande ist nur bei einigen Substanzen vor- handen.

b) Die Bande t r i t t zwar immer an der gleiehen Stelle des Spektrums auf, j edoeh mit sehr unterschied- licher Intensitgt.

c) Die Lage der Bande variiert innerhalb eines gr6Beren Bereichs.

In allen diesen Fgllen sind die Banden nieht charakteristiseh ffir das untersuchte Merkmal.

Das yon uns angewandte Computerprogramm ist in [12] enthaltenL

3. E r g e b n i s s e

Wir haben als Ergebnis unserer Untersuchung 126 Infrarot- und Raman-Summenspektren erhalten, die zu den einzelnen Strukturmerkmalen und hgufigen Kombinat ion geh6ren. Einige der vom Computer ermittelten Spektren verschiedener Gerfistmerkmale werden hier diskutiert, dabei werden auch Sehwierig-

1 Wir versenden diese Arbei t auf W u n s c h gern an In te r - essenten.

12"

keiten bei der Anwendung des Verfahrens gezeigt. Zum Vergleich sind auBerdem die l~aman-Spektren einiger typischer Substanzen aufgeftihrt. Weitere Beispiele sind bereits publiziert [11--13].

3.1. 5or und 5fl-Steroide

Die Abb. l a und b zeigen die Summen-l~aman- spektren der 5~- und 5/~-Steroide, die sieh nur durch die Verkniipfung der Ringe A und B des Gerfists unterscheiden. 5~-Steroide haben das Ringsystem des trans-Dekalins, 5fi-Steroide das des cis-Dekalins.

Die stgrkste Bande des Summen-Raman-Spek- trums der untersuchten 5er und 5fi-Steroide ist die Bande bei 1450 cm -1, die den Deformationsschwin- gungen der Methyl- und Methylengruppen entspricht. Die relativ geringe Intensi tgt der Banden zwischen 800 und 1300 cm -1 ist typiseh ffir Steroide, die keine Konjugation einer oder mehrerer Doppelbindungen im l~ingsystem mit einer Ketongruppe an einem 6-Ring zeigen.

In dem Summenspektrum der 5fl-Steroide (Abb. lb) zeigt sich eine starke Bande bei 500 cm -1, die im Spektrum der 5~-Steroide (Abb. la) fehlt. Ihre relative Standardabweichung ist gering; sie ist also charakteristisch f/it die cis-Verknfipfung der l~inge A und B.

In den Abb. 2 a und b sind die Raman-Spektren von 2 Acetoxysteroiden dargestellt, die sich nur durch die Anordnung der beiden Ringe A und B unterscheiden. Tatsgch]ich ist nur im Raman-Spekt rum der 5fi-Ver- bindung eine intensive Bande bei 500 cm -1 zu finden.

Man hat damit offensichtlich die M6glichkeit, mi t Hflfe des l~aman-Spektrums 5 ~ - u n d 5fi-Steroide zu unterscheiden. Die Aussage stfitzt sich allerdings nur auf eine kleine Anzahl ausgewerteter Spektren, 13 Substanzen mit 5cr standen 8 mit 5fi-Struktur gegenfiber.

3.2. A ~-20-on-Steroide

Abb. 3 b zeigt das Raman- Spektrum eines Steroids mit einer isolierten Doppelbindung und einer isolierten Ketongruppe. Beide Strukturmerkmale k6nnen im Raman-Spekt rum nebeneinander naehgewiesen wet- den: vC~C: 1669 cm-1; vC=O: 1692 cm -1.

Dagegen verdeckt im hier nicht gezeigten Infrarot- spektrum die starke C = O-Bande die schwache C ~ C- Valenzschwingungsbande.

Das yore Computer berechnete Summen-Raman- Spektrum der A S-20-on-Verbindungen (Abb. 3 a) zeigt ira Doppelbindungsbereich nur eine Bande mit Maxi-

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180 Z. Anal. Chem., Band 254, Heft 3 (1971)

4 / 3000 2800 1800 1600 I x O0 1200 1000 800 600 400

Wel lenzahl (cm-l)

h .,~ ~ I

200 0

J 3000

& 2800 1800 1600 1L, O0 1200 1000 800 600 400 200 0

Wel/enzahl (cm-l)

b Abb. l a und b. Bereehnetes Summen-Raman-Spektrum der Steroide mit (a) 5~-(Ring A-B tr~ns)- und (b) 5/3-(Ring A-B eis)-Struktur. Summe aus a 13, b 8 Spektren (s. Text). Die Zahlenwerte an der Ordinatenskala sind die naeh Formeln 1 bis 4 berechneten relativen Intensit~ten, die Abszissenskala definiert den Nullpunkt der Ordinatenaehse

Abb.2~ und b. R~man-Spektrum yon a 3fl-Aeetoxy-5cr b 3fl-Acetoxy-5/3-androstan-17-on

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B. Schrader und E. Steigner: Raman-Spektroskopie und Molekiilstruktur. I I I 181

,,~ \_, J/ 3000 2800 1800

CH3 C=O

1600 14 O0 1200 1000 800 600 400 200 Wellenzahl (cm -I)

Abb. 3. u Berechnetes Summen-Raman-Spektrum yon 8 Steroiden mit dem Strukturmerkmal As-20-on; b R~man-Spektrum yon 16a-, 17c~-Epoxy-AS-pregnen-3/~-ol-20-on

l ~ I~ /

3000 2800 1800 1600 1400 1200 1000 Wellenzahl (cm -1)

8OO 600 400 200

\2 0

Abb. 4. a Berechnetes Summen-Raman-Spektrum von 6 Steroiden mit dem Strukturmerkmal A~,4-3-on; b Raman-Spektrum O 1 4 v n A , -Pregnadien-3,20-dion

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mum bei 1670 em-L Dies zeigt einen Naeh~eil unseres Auswerteverfahrens: alle Banden werden auf eine Wendepunktsgruppe yon 25 cm -1 aufgebl~ht. Damit besitzt das Verfahren ein geringeres Aufl6sungs- verm6gen als die Apparatm-, mit der die Spektren auf- genommen wurden. Bei direkter digitaler Aufnahme der Spektren k6nnte dieser Nachteil vermieden werden.

Die Deformationsschwingung der Methyl- und Methylengruppen verursacht die stgrkste Bande des Spektrums (Abb. 3b), die fibrigen Banden im Bereich unter 1400 cm -1 sind schwgcher. Wie im vorher diskutierten Fall ist dies ein Hinweis darauf, dab keine Konjugation mit einer C:O-Gruppe in 3-Stel- lung vorliegt.

3.3. A1,4-3-on-Steroide

Auf den ersten Bliek fs auf, dab die meisten Banden in dem berechneten Spektrum der A1,4-3-on-Verbin- dungen (Abb.4a) intensiver sind als die Bande bei 1450 cm -1. Im Gegensatz zu den vorher besprochenen Beispielen ist also die Deformationsschwingung der Methyl- und Methylengruppen nicht mehr die st/~rk- ste Bande im Spektrum.

Herausragende Banden im Summen-Spektrum der A1,4-3-on-Verbindungen sind die charakteristischen Banden bei 1660 und 1610 cm -1, bei denen es sich um Schwingungen des gesamten konjugierten Systems handelt. Besonders wichtig ist jedoch die Bande bei 1110cm -1, die ebenfalls charakteristiseh ist ffir Al,a-3-on-Verbindungen. Sie ist nut in den Spektren dieser Verbindungen so intensiv. Dies gilt auch ffir die benachbarte Bande bei 1165 cm -1, ihre Lage und Intensiti~t ist bei allen untersuchten Verbindungen praktisch gleich.

Einzelne dieser Banden treten gelegentlich auch bei anderen Verbindungsklassen auf. Allgemein ist die Zuordnung der Banden oberhalb 1600 em -1 dutch Vergleich mit den eharakteristischen Bandengrupper~ im Infrarot- und Raman-Spektrum m6glieh [11]. Dar- fiber hinaus wird diese Zuordnung abgesiehert, wenn alle charakteristischen Banden des betreffenden Merkmals aueh unterhalb i400 cm -1 vorhanden sind

[13]. In unserem Beispiel (Abb.4b) ist die Bande bei

1653 cm -1 um den Faktor 16 intensiver als die Bande bei 1450 em-1; um den Faktor 2--3 intensiver sind aueh die Banden bei 1595, 1610, 1165 und 1110 cm -1.

Wie im vorigen Beispiel wird ein Bandenpaar (bei 1595 und 1610 cm -1) in dem Summen-Spektrum nieht aufgel6st. Aus Abb. 4b kann man erkennen, dab

die Bande bei 1653 cm -1 wesent]ich intensiver ist als die beiden anderen Banden, beim Computer- Spektrum (Abb.4a) sieht man jedoch 2 fast gleich starke Banden. Dies ist auf unsere Intensit~tsskala zurfickzufiihren, da allen sehr starken Banden (Intensit/~t > 39,8) die gleiche Intensit/~t zugeordnet (s. Tabelle) wird.

4. Experimentelles

P~einigung und Prgparation der Prohen wurde in [11] be- schrieben. Die Aufnahme der hier abgebildeten Raman- Spektren erfolgte mit dem Raman-Spektrometer DORA [10], zur Aufnahme wurden jeweils 20 mg Kristallpulver benStigt, die Anregung erfolgte mit der Strahlung 2 = 5145 ~ des Argon-Ionen-Lasers, Modell 52, der Fa. Coherent ~adiation (Palo Alto, USA).

5. Ausbliek

Das angegebene Verfahren erscheint allgemein geeignet zu sein, u m b e i bandenreiehen Spektren zur Strukturaufkl~rung geeignete ganden zu finden. Es kann noch verbessert werden, indem We]lenzahl- und Intensit~tsbereich feiner aufgeteilt werden. Dazu w/~re eine digitale ~bertragung der Spektren yore Spektrometer in den Computer angebracht. In einer weiteren Arbeit soll gepriift werden, ob ,,lernende Computer-Programme" [5] besser als das vorliegende Verfahren zur Strukturaufkl/irung komplizierter Substanzen mit Hilfe der Infrarot- und Raman- Spektroskopie geeignet sind. SehlieBlich bleibt zu hoffen, dab mit gflfe einer I~ormalkoordinaten- berechnung die Zuordnung der beobachteten Banden zu charakteristischen Schwingungen yon MolektiL modellen ermittelt werden kann [7, 9].

Wir danken I-Ierrn Dipl.-Phys. It. Barentzen f/ir die Auf- stellung des Computerprogramms sowie Frl. G. Pannek und Frau E. yon Bfihlow ffir die Hilfe bei der Verschlfisselung uud Aufbereitung der Daten. -- Der Deutschen Forschungs- gemeinsehaft und dem Landesamt fiir ~'orschung, Nord- rhein-Westfalen, danken wir fiir Sachbeihilfen.

Literatur

1. Bergm~nn, G., l~olle, G. : In Vorbereitung. 2. Brandmiiller, J., Moser, H.: Einfiihrung in die Raman-

spektroskopie. Darmstadt: Steinkopff 1962. 3. Briigel, W.: Einfiihrung in die Ultrarotspektroskopie.

Darmstadt: Steinkopff 1969. 4. Colthup, N. B.: J. Opt. Soc. Am. 40, 397 (1950). 5. Jones, 1~. N., Krueger, P.I., Noaek, K., Elliot, J. J.,

~ipley, R.A., Nonnenmacher, G. A.A., Di Gorgio, J. B. : Proc. X. Coll. Spectrosc. Internat. WashingtonD.C. 1963.

6. Jurs, P. C., u. Mitarb.: Anal. Chem. 41, 21, 690, 695, 1945 (1969).

Page 7: Raman-Spektroskopie und Molekülstruktur

B. Sehrader und E. Steigner: Raman-Spektroskopie und Molekiilstruktur. I I I 183

7. Nonnenmaeher, G. : Dissertation, Freiburg 1961. 8. Rolle, G.: Dissertation, Clausthal 1966. 9. Schmid, E.W., Brandmiiller, J., Nonnenmacher, G. :

Z. Elektroehem. 24, 940 (1960). 10. Sehrader, B.: Chem.-Ing.-Techn. 17, 1008 (1967). 11. -- Steigner, E.: Liebigs Ann. 785, 6 (1970).

12. Steigner, E.: Dissertation, Miinster 1969. 13. -- Schrader, B.: Liebigs Ann. 735, 15 (1970).

Priv.-Doz. Dr. B. Schrader Institut ffir Spektrochemie BRD-4600 Dortmund, Postfach 778 Deutschland

Z. Anal. Chem. 254, 183--185 (1971) �9 by Springer-Verlag 1971

Trennung yon Selen und Tellur mit Hilfe von Bismuthiol II

RUDOLF BOCK und URSVLA SPALEK geb. SCHMIDT

Institut ffir Anorganische Chemie und Kernchemie der Johannes Gutenberg-Universitgt Mainz

Eingegangen am 12. Oktober 1970

Separation o/Selenium and Tellurium by Means o/Bismuthiol II. Tel lur ium(IV) can be separa ted from sele- n ium(IV) b y ex t rac t ing the Bismuth io l I I complex wi th chloroform a t p H 4 .5- -4 .7 of the aqueous solution. The add i t i on of the organic reagen t mus t be made af ter ad jus t ing the pH.

Zusammen/assung. Tellur(IV) 1/s sich von Selen(IV) dureh Aussehi i t te ln der Bismuth io l I I - V c r b i n d u n g mi t Chloroform t rennen. Der p H - W e r t der AusgangslSsung mug zwischen p H 4,5 und 4,7 liegen, die geagenszugabe d a f t erst naeh der p I t -E ins t e l l ung erfolgen.

I. Einle i tung

Wie berei ts b e k a n n t [1], k a n n m a n Tel lur(IV) in schwach sauren L6sungen mi t Bismuth io l I I um- setzen und den gebi lde ten K o m p l e x mi t verschiede- hen organischen L6sungsmi t te ln , wie Benzol oder CHCla, ausschi i t te ln . Die Vcrb indung ist gegen Zer- se tzung insofern re la t iv best~ndig, als sie zwar in sauren L6sungen gebi lde t und bei p H - W e r t e n <~ 5 ausgeschf i t te l t wird, aus der organischen Phase abe t erst bei p H - W e r t e n > 8 - - 9 wieder en t fe rn t werden kann. Dieses Verha l t en wird benutz t , u m fiber- sch/issiges Reagens yon der Te l lu rverb indung abzu- t r ennen [5].

Bei der en t sprechenden Se lenverb indung wurde eine /~hnliche Arbe i t svorschr i f t angegeben [4]. Es sollte nun die Vertef lung der Se lenverb indung genauer un te r such t und fes tgeste l l t werden, ob mi t Hilfe des Bismuth io l I I eine Trennung yon Selen und Tel lur m6glich ist.

If. Versuchsdurehfiihrung Die Versuche wurden mit aktivierten Selen- und Tellur- pr~paraten durchgefiihrt. Das Tellur wurde in verdfinntem K6nigswasser gelSst, zweimal mit Salzss abgeraucht und

dann mit verd. Salzs/s aufgenommen. ,81j entfernte man nach Zugabe yon KJO a mit Chloroform [3]. Naeh dem Auf- ffillen enthielten 100 ml LSsung 19,0 mg Te(IV) und 10 ml konz. HC1.

Selen 15ste man in ItN03 (1:1), dampfte zur Troekne, nahm mit 10 ml konz. HC1 auf und verdfinnte mit Wasser auf 100 ml. Die LSsung enthielt 20 mg Se(IV)/100 ml.

Bismuthiol I I wurde zu 10 mg/ml in Wasser gelSst. Die LSsung ist im Dunkeln etwa 10-- 14 Tage haltbar, danach wird sie triibe, und es f~llt Sehwefel aus.

Die AusgangslSsungen ffir die Yerteilungsversuche wurden durch Zusammengeben yon Selen- bzw. TellurlSsung, 1 ml 1 M Citronens~ure, l ml (NH~)2S04-L5sung (mit 0,5g Ammoniumsulfat) und 1 ml Bismuthiol ILLSsung herge- stellt. Man lieg 30 sec zur Bildung des Komplexes stehen, setzte zur pH-Einstellung verd. HC1 oder 2tit a zu und fiillte mit Wasser auf 10 ml auf (fiber eine etwas andere Arbeits- weise s. u.). 2gach Zugabe yon 10 ml an organisehem L5- sungsmittel wurde 2 rain gesehfittelt, der pH-Wert der Was- serschieht bestimmt und die Aktivitis von je 5 ml beider Phasen gemessen. Die erhaltenen Verteilungskoeffizienten cr

IOO wurden naeh P 1 + ~ in die prozentuale Verteilung P

umgereehnet.

III. Yerteilung des Reagens

Bismuth io l I I 1/igt sich aus schwach sauren LSsungen ebenfal ls mi t organischen L6sungsmi t te ]n ausschfit-