Raya Dunayevskaya - Erich Fromm als sozialistischer Humanist

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  • 8/9/2019 Raya Dunayevskaya - Erich Fromm als sozialistischer Humanist

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  • 8/9/2019 Raya Dunayevskaya - Erich Fromm als sozialistischer Humanist

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    Publikation der Internationalen Erich-Fromm-Gesellschaft e.V.Publication of the International Erich Fromm Society

    Copyright beim Autor / by the author

    Seite2 von 3Dunayevskaya, R., 1987

    Erich Fromm als sozialistischer Humanist

    nach es zu abstrakt sei und den Humanismus desMarxismus nicht konkret diskutiere, so kann ich

    kein Argument entgegensetzen ... Was den In-halt der Punkte betrifft, die Sie ber die konkreteNatur des Humanismus von Marx machen, sostimme ich natrlich vllig mit Ihnen berein.Auch darber, was Sie ber die Rolle der Psy-choanalytiker und den Standpunkt Daniel Bellsschreiben.1

    Unser Briefwechsel wurde zwei Jahrzehntelang fortgefhrt. Er gab mir auch seltene Einbli-cke in das gesamte Gebiet der berhmten Frank-furter Schule, von der er schlielich eine der be-rhmtesten Persnlichkeiten war, diejenige, diealle mit der Integration der Psychoanalyse inden Marxismus beeinflusste. Die langwierige,nicht nachlassende scharfe Debatte mit HerbertMarcuse in den pages of Dissent ber 1955 und1956 war nicht das Hauptproblem. Er nahm zu-viel Rcksicht auf Herbert Marcuses BuchVer- nunft und Revolution als einem grundlegenden

    Werk. Nein, was seinen Zorn am meisten erreg-te, war die Dualitt des Abwendens von Adornound Horkheimer vom Marxismus einerseits, unddie Attraktivitt, die er fr die Neue Linke hat-te. In einem Brief an mich vom 25. November1976 fasste er dies so zusammen:

    Ich bekomme nicht wenige Anfragen vonverschiedenen Leuten, die die Geschichte derFrankfurter Schule studieren. Es ist wirklich einelustige Geschichte; Horkheimer wird jetzt alsSchpfer der Kritischen Theorie bezeichnet, undman schreibt ber die Kritische Theorie, alswenn sie ein neues, von Horkheimer entdecktesKonzept wre. Soweit ich wei, ist die ganze Sa-che ein Witz, weil Horkheimer Angst davor hat-te, von der Marxschen Theorie zu sprechen. Erbenutzte allgemein die Aesopische Sprache undsprach von der Kritischen Theorie, um nichtMarxsche Theorie zu sagen. Ich glaube, dass diesalles ist, was hinter dieser Entdeckung der Kriti-schen Theorie durch Horkheimer und Adornosteckt.

    Im Gegensatz zu der Bewegung weg von

    1 In einem anderen Brief schrieb Fromm: Meine Be-ziehungen zu Commentary sind nicht gut. Vor Jah-ren wies Herr Podhoretz etwas zurck, was ich ge-schrieben hatte, weil es der Meinung der Mehrheitder amerikanischen Juden widersprach. Ich schriebihm einen scharfen Brief ber sein Freiheitskonzept.

    Marx, die er in der Frankfurter Schule wahr-nahm, versuchte er selber, den marxistischen

    Humanismus auf jede mgliche Weise auf alleGebiete zu verbreiten, sein eigenes eingeschlos-sen - die Psychoanalyse. Man beachte seinen

    Versuch, mich - die ich in keiner Weise etwas mitPsychoanalyse zu tun hatte - dazu zu berreden,etwas fr eine psychoanalytische Zeitschrift zuschreiben.

    Dieser Vorschlag kam, nachdem ich ihm dieGeschichte von Susan E. Blow - einer Hegeliane-rin und eine der ersten Erzieherinnen - mitgeteilthatte, die Patient von Dr. James Jackson Putnamwar, einem amerikanischen Pionier FreudscherPsychoanalyse. Sie weckte Putnams Interesse anHegelianischer Philosophie in so hohem Mae,dass er seinerseits versuchte, Freud daran zu in-teressieren. Freud jedoch war so sehr dagegen,Philosophie in die Psychoanalyse einzufgen,dass er jeden Versuch kritisierte, die Psychoana-lyse anders als er in den Dienst einer besonde-ren philosophischen Weltanschauung zu stel-len.2

    Folgendes schrieb mir Dr. Fromm: Was Siemir ber Dr. Putnam schrieben, - der durch seinePatientin Interesse an Hegelianischer Dialektikbekam, wusste ich nicht und halte es fr von be-

    trchtlichem historischen Interesse, und FreudsReaktion auf Putnams philosophische Anmer-kungen ist auch eine interessante historischeFunote zu Freud und der Geschichte der psy-choanalytischen Bewegung. Mchten Sie nichtetwas darber schreiben und es irgendwo verf-fentlichen? Ich habe keine Beziehungen zu psy-choanalytischen Zeitschriften auer zuContem- porary Psychoanalysis , die in New York heraus-gegeben wird. Ich bin sicher, dass sie sich freuenwrden, etwas zu dieser historischen Tatsache zuverffentlichen, und es sollte gleichzeitig in derspanischen psychoanalytischen ZeitschriftRevista verffentlicht werden, deren Direktor ich formalnoch bin. Wenn Sie bereit wren, dies zu tun,wrde ich mich freuen, es selbst der New Yorkerund der spanischen Zeitschrift zuzusenden. Ichwerde auch Freuds Briefe durchsehen, um dieBemerkung zu suchen, mit der er sich zu Put-

    2 Haie, Nathan G. (Hg), James Jackson Putnam and

    Psychoanalysis (Harvard University Press, Cam-bridge, Mass., 1971), S. 43.

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    Publikation der Internationalen Erich-Fromm-Gesellschaft e.V.Publication of the International Erich Fromm Society

    Copyright beim Autor / by the author

    Seite3 von 3Dunayevskaya, R., 1987

    Erich Fromm als sozialistischer Humanist

    nams Brief uert, oder wissen Sie, wem Freuddiese Bemerkung ber Putnam schrieb?

    Fromms Augen waren immer auf die Zu-kunft und eine neue klassenlose Gesellschaft auf wirklich humanen Grundlagen gerichtet. Amwenigsten bekannt von seinen multidimensiona-len Interessen war die Beziehung Mann/Frauund keineswegs nur psychologisch gesehen. Eswar eher das Bedrfnis nach vllig neuenmenschlichen Beziehungen im Marxschen Sinne:Eine globale Vision in die Zukunft bedeuteteauch einen Blick zurck in die Vergangenheit.Deshalb waren ihm die Studien von Bachofenber matriarchalische Gesellschaften sehr sympa-thisch, nicht weil er an die Existenz matriarchali-scher Gesellschaft glaubte, sondern weil es einemeine Vision einer alternativen Gesellschaft zu die-ser patriarchalischen entfremdeten Klassengesell-schaft ermglicht, in der wir leben. Als er dasPatriarchat mit Klassenherrschaft in Verbindungbrachte, hatte er den hervorragenden Begriff da-fr erfunden: patricentric-acquisitive.

    Weit von der Erkenntnis entfernt, dass ver-gangene Dinge nur eine Frage der Erinnerungseien, wird dadurch die Einheit von Mann undFrau deutlich: der Mensch als Gesamtheit, dernicht nur quantitativ messbar ist, sondern etwas

    Dialektisches, das Bewegung zeigt, eine Bewe-gung nach vorn. Dies betonte Fromm, als er beider Grndung eines internationalen Forums frseinen Sozialistischen Humanismus hervorhob,

    dass der Humanismus nicht nur eine Idee war,sondern eine Bewegung gegen die vorherr-

    schenden Zustnde, ein flchtiger Blick in dieZukunft. Hren Sie, was er mir schrieb, als ervon den drei Teilen hrte, die ich in meinemletzten Werk Rosa Luxemburg, Womens Libera- tion, and Marxs Philosophy of Revolution er-zhlt hatte:

    Ich glaube, dass die mnnlichen Sozialde-mokraten nie Rosa Luxemburg verstehen konn-ten, noch konnte sie den Einfluss erlangen, frden sie das Potential hatte, weil sie eine Frauwar; und die Mnner konnten keine wahrenRevolutionre werden, weil sie sich nicht vonihrer mnnlichen, patriarchalen und folglichdominierenden Charakterstruktur emanzipierten.Schlielich ist die ursprngliche Ausbeutung dieder Frau durch den Mann, und es gibt keine so-ziale Befreiung, solange es keine Revolution imKrieg der Geschlechter gibt, die zu vlligerGleichheit fhrt ... Leider habe ich niemandenkennen gelernt, der sie noch persnlich kennengelernt hat. Was fr ein schlimmer Bruch zwi-schen den Generationen.

    Dieser Brief wurde am 26. Oktober 1977geschrieben. Lassen wir nicht noch einenschlimmen Bruch zwischen den Generationen

    geschehen. Um die Zukunft vorzubereiten, mussman die revolutionre Vergangenheit kennen.Fromm als Sozialistischen Humanisten kennen zulernen, ist ein guter Anfang.