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RECARO - Sitzen in Bewegung - Delius Klasing · Auf der Internationalen Automobil-Ausstellung in Frankfurt (IAA) wurde der fahrbare Prototyp am Stand von Veith-Pirelli vorgestellt

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Innenleben für Porsche & Co. Mit Autositzen begann die RECARO Erfolgsgeschichte.

HERZSTÜCK FÜRASPHALTIKONEN

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RECARO S I T Z E N I N B E W E G U N G

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I N H A L T

FOTO-ESSAY

RECARO IN BILDERNSitzen bedeutet nicht, regungslos zu verharren. RECARO bringt Menschen weltweit in Bewegung.

INTERVIEW

DIE SITZRIESENUlrich und Martin Putsch im Gespräch über Werte, Traditio­nen und das wichtigste Kapital eines Familienunternehmens.

GESCHICHTE

RÜCKBLICKDie einmalige Erfolgsgeschichte einer Marke zwischen Tradi­tion und Vision: RECARO im Wandel der Zeit.

KAPITEL 1

1963 – 1970Die Anfangsjahre: Aus REutter CAROsserie wird RECARO. Erste Erfolge und die Entwicklung zum Sitzspezialisten.

DOSSIER

SAFETYWer unterwegs ist, möchte sicher ankommen. Darum spielt das Thema Sicherheit bei RECARO eine so große Rolle.

KAPITEL 2

1971 – 1982Nach dem Verkauf an Keiper startet RECARO durch. Flug­zeugsitze ergänzen das Angebot, und ein Umzug steht an.

KAPITEL 3

1983 – 1997Aus zwei mach eins: Die Keiper RECARO GmbH entsteht. Fliegen wird immer wichtiger, Rennsportler vertrauen RECARO.

DOSSIER

DESIGNDie Kombination von Ergonomie, Funktion und Ästhetik heißt „Ingenious Design“. Ein Einblick in die Kreativ­Werkstatt.

KAPITEL 4

1998 – 2010Der erste Kindersitz kommt auf den Markt. Neue Hybrid­ und Leichtbauweisen sorgen für bahnbrechende Innovationen.

KAPITEL 5

2011 – 2016Die RECARO Group formiert sich neu, um auch in Zukunft erfolgreich zu sein. Brandneue Modelle setzen weiterhin Trends.

DOSSIER

HERITAGEDie Wurzeln von RECARO – eine nostalgische Zeitreise in die Jahre vor 1963.

BILDQUELLEN

DANKSAGUNG

4 166

246

296

14 226

22

88 338

374

375

26

112

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Im Inneren des Blau fällt der Blick auf das belebte Interieur. Patina überall. Die Knöpfe der Bauchgurte sind abgegriffen, tausendfach berührt. Das abgegriffene Metall schimmert wie Perlmutt. Das sorgsam dokumentierte Scheckheft setzt diesem 1,6-Liter-Vierzylinder die Krone auf. Handgegerbte Schaffelle schützen das braune Leder der RECARO Sitze. Im Baujahr 1964 waren dies die ersten Seriensitze unter dem neuen Firmen-namen: Zum 1. Dezember 1963 lieferte Reutter erstmalig als RECARO die Sitze für Porsche. Ein neuer Name am Knopf war der einzige Unterschied – die geschätzte Qualität blieb.

„Die Sitze sind ein wichtiger Teil meines Porsche. So wie mein Rückgrat ein wichtiger Teil von mir ist. Ohne sie wäre Blu nicht Blu“, resümiert Guy. Newmark schätzt die originalen Sitze und hat sie bisher nur einmal mit echtem Rosshaar aufpolstern müs-sen. Lange Fahrten forderten den Sitzen einiges ab. „Ich benutze Blu seit 1968 wirklich jeden Tag. Früher, als es noch kein Fax, geschweige denn E-Mails gab, musste ich manchmal nur für eine Vertragsunterschrift beim Kauf oder Verkauf eines Bootes hoch nach San Francisco fahren, nach Las Vegas oder noch weiter ins Landesinnere.“

Neben endlosen Berufsfahrten musste der Porsche dann und wann auch als Familienkutsche herhalten. „Auf den Sitzen fan-den früher regelmäßig sechs Kids unterwegs zum Baseballtrai-ning Platz. Fragen Sie mich nicht, wie wir das geschafft haben“, schmunzelt der Porsche-Fan.

Vor uns parkt das Pendant eines automobilen Logbuchs, das sich nur Berufskraftfahrer vorzustellen vermögen. Dabei wären sie sicher überrascht von der Form der Zugmaschine und der Größe des Motors. Der stolze Besitzer des 356 C Coupé hält es mit seinem Porsche ganz unprätentiös. Von Samthandschuhen keine Spur. Eher Gelochtes aus Leder.

alifornien, Sommer 1968. Pünktlich zum bestande-nen Highschool-Abschluss bekommt der junge Guy von seinem Vater die Schlüssel zum Objekt seiner Träume in die Hände gedrückt: einem Porsche 356.

Guy hatte den blauen Sportwagen seines Dads von Anfang an ins Herz geschlossen und verbrachte jede freie Minute auf dem Beifahrersitz. Das Geschenk war die stolze Belohnung für diesen so besonderen amerikanischen Lebensabschnitt seines Sohnes.

Heute, fast 50 Jahre später, kann sich Guy Newmark vor jeder Fahrt am Anblick des C Coupé erfreuen – fast so wie am ersten Tag: „Ich schaue den Wagen jetzt schon so lange an und habe mich daran immer noch nicht sattgesehen“, philosophiert der 70-jährige Skipper und Yachtbroker. Abseits des Wassers blickt er am liebsten über das Steuerrad seines luftgekühlten Vier- Zylinder-Boxers. Automobile spielten in der Familie schon immer eine wichtige Rolle, prägten sie. Und Porsche war somit die konsequente Schlussfolgerung. Denn wenn Old Newmark seinen 356 bewegte, war neben dem Fuß am Gas auch das Herz immer mit von der Partie.

BLU

„Dad liebte diesen 356 und war immer in Sorge, ob ich ihn auch wieder heil nach Hause bringe. Und das, obwohl er ihn selbst einmal fast gecrasht hat“, erzählt Guy. „Ich ließ meinen Vater von da an keine Sekunde mehr ans Steuer und chauffier-te ihn schlussendlich mit Blu überall dorthin, wo er wollte, wann immer er es wollte.“ Blu – sein Name für die blaue Ikone aus Zuffenhausen.

K

DER PORSCHE SEINES LEBENS

„I CH SCHAUE DEN PORSCHE

JETZ T SCHON SO L ANGE AN UND HABE M ICH IMMER NOCH N ICHT

DAR AN SAT TGESEHEN.

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Mosaik der Leidenschaften. Der zeitlose Daily Driver versüßt Guy den Weg zur 65­Meter­Yacht

„Serenade“. Teddy Oskie fühlt sich in der RECARO Landschaft am wohlsten.

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GUY NEWMARK I N B E W E G U N G

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Captain Newmark. Das Coupé gehört zu Guys Leben wie ein Boot zum Hafen.

Mehr, es ist sein Anker.

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Letzten Freitag Porsche aus Garage in San Pedro, Kalifornien, gestohlen. Bali Blue. Beige Interieur. Wappen auf Radkappen in Bronze. Für jede Hilfe dankbar, Guy. Telefon …“ Die Porsche-Community hält für einen Augenblick den Atem an. Doch dank ihr kommen die Diebe nicht weit. Nach einem verzweifelten Versuch, den Porsche kurzzuschließen, wollen sie ihn wegrollen, doch in der nächsten Senke lassen sie den 356 schließlich an Ort und Stelle zurück. Newmark hat ihn wieder.

Seitdem schaut er ihn noch lieber an und sich immer öfters auch nach ihm um. Es könnte jedes Mal das letzte Mal sein. „Egal, ob ich einen Ausflug mache oder hier runter zum Hafen fahre, wenn ich ihn geparkt habe, schaue ich mich immer noch einmal nach Blu um.“ Das muss Liebe sein.

Wer weiß, vielleicht knackt Guy Newmark jetzt in diesem Mo-ment die Zwei-Millionen-Kilometer-Marke. Er verrät jedoch, dass er das am liebsten auf der Rennstrecke seines Herzens ma-chen möchte: „See you at the Nordschleife!“

1,6 Millionen Kilometer lasten auf dem stählernen Buckel des Boxer-Motors. Federleicht scheint der Porsche sie genommen zu haben. Nur ein paar Beulen und eine kleine Rostblume, die Guy schon notiert hat. Größere Schäden sind dem deutsch-amerikanischen Duo fremd. „Bislang musste ich nur einmal die Kurbelwelle tauschen. Bei voller Fahrt verlor ich das Ding bei knapp 800 000 Kilometern“, erzählt Newmark.

Regelmäßig unterzieht er den Porsche alle 5000 Kilometer einem Ölwechsel und alle zehn Jahre einer kompletten Motor-Revision.

Newmark startet den Boxer, und ein Lächeln macht sich breit. „Nicht eine Schraube hat jemals einen schiefen Ton von sich ge-geben. Das ist Ingenieursqualität par excellence. Ich genieße wirklich jede Sekunde mit Blu“, erzählt Guy und schmiegt sich plötzlich etwas schutzsuchender in seinen Sitz. Ein Zwischenfall lässt ihn hadern. Dass Sekunden selbst einem Schnellreisenden wie Newmark manchmal wie Jahre vorkommen, verrät ein Ein-trag auf der amerikanischen Rennlist-Website, der sich wie ein Drama in vier Akten liest. Am 18. August 2013 loggt sich Guy Newmark auf www.rennlist.com ein und verfasst um 7:08 p. m. im dortigen Forum folgende Zeilen: „Gestohlen: 356 C Coupé.

„AUF DEN S ITZEN FANDEN FRÜHER

SECHS K IDS UNTERWEGS ZUM BASEBALLTR A IN ING PL ATZ . FR AGEN

S IE M ICH N ICHT, W IE W IR DAS GESCHAFF T HABEN.

Einstellungssache. Die Sitze für den Porsche 356

lieferte ab Dezember 1963 RECARO.

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GUY NEWMARK I N B E W E G U N G

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AUTONOVA FAM

m der Öffentlichkeit ihre Vision zukünftiger Mobi-lität zu präsentieren, gründeten die jungen Ulmer Designstudenten Michael Conrad und Pio Manzù sowie der Journalist Fritz B. Busch im November 1964 das „team autonova“.

Zusammen entwickelten sie mit dem „autonova fam“ einen stadttauglichen Familienwagen und waren damit der Zeit weit voraus – denn der fam war im Grunde nichts anderes als ein Urtyp der heute üblichen Vans. Um die Fahrzeugentwicklung stemmen zu können, sicherte sich das Team Unterstützung aus der Industrie: Das Chassis kam von der Dingolfinger Fir-ma Glas, die Innenausstattung von RECARO.

DIESES AUTO KÖNNENSIE NICHT KAUFEN!

DER AUTONOVA FAM ISTEIN EXPERIMENT.

Hier nutzte man das willkommene Projekt, um die Fähigkeiten im Bereich Autositze unter Beweis zu stellen. In nur viereinhalb Monaten entstand eine fahrbereite Automobilstudie, die sich mit ihrer konkreten Linie sachlich, konsequent und chromlos von modischen Spielereien absetzte.

Auf der Internationalen Automobil-Ausstellung in Frankfurt (IAA) wurde der fahrbare Prototyp am Stand von Veith-Pirelli vorgestellt. Nahezu alle Pressevertreter berichteten über die neue Sachlichkeit im Autodesign, und das Publikum war von dem neuartigen Fahrzeug-Konzept mit variabler Innenausstat-tung begeistert. Dennoch blieb es bei diesem Einzelstück.

U

E X P E R I M E N T

1965 Das „team autonova“: Manzù, Conrad und Busch.

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1965 Zukunftsvision: der „autonova fam“ mit variablem Innenraumkonzept.

1965 Das „team autonova“: Manzù, Conrad und Busch.

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1963 – 1970 K A P I T E L 1

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1965 Der „autonova fam“: Kleinwagen mit großem Innenraum.

AUTONOVA FAMTECHNISCHE DATEN

MOTOR: Vier­Zylinder­Viertaktmotor

FAHRGESTELL: Glas­Limousine 1304

HUBRAUM: 1281 cm3

LEISTUNG: 44 kW (60 PS)

GETRIEBE: vollsynchronisiertes Vierganggetriebe mit

elektrohydraulischer Schaltautomatik

HÖCHST -

GESCHWIN DIGKEIT: 140 km/h

WENDEKREIS: 8,4 m

LÄNGE: 3400 mm

BREITE: 1600 mm

HÖHE: 1600 mm

LEERGEWICHT: 750 kg

ZULÄSSIGES

GESAMTGEWICHT: 1150 kg

BEREIFUNG: Veith­Pirelli

INSTRUMENTE: VDO

SITZE/INNENRAUM: RECARO

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AUTONOVA GT

it dem Projekt „autonova“ wollte das Team zum Nachdenken anregen. Die Form richtete sich nach der Funktion, gleichzeitig sollte das Autofahren trotz aller Modernität immer noch Spaß machen.

Also schufen die Designer einen Sportwagen auf NSU-Basis. Die Karosserie entstand in Rekordzeit bei Sibona & Bassano in Turin. Trotz des beachtlich geringen Luftwiderstands, der eine Spitzengeschwindigkeit von 170 km/h ermöglichen sollte, war der sportliche Zweisitzer mit flacher Front und hohem Heck erstaunlich geräumig. Auch beim „autonova GT“ arbeiteten Michael Conrad, Pio Manzù und Fritz B. Busch wieder mit den Sitzspezialisten aus Stuttgart zusammen. Aus Sicht von RECARO genau zur richtigen Zeit, denn hier war man schon länger mit der Entwicklung eines neuen Sitzes beschäftigt. Die Entwürfe zum autonova GT wurden schließlich serienreif um-gesetzt und hatten zugleich auch Einfluss auf die Entwicklung der Sportsitze.

SPITZENGESCHWINDIGKEIT 170 KM/H

Keilförmige Sitze wie im GT waren bis dahin nicht üblich gewe-sen. Der Entwurf passte perfekt in einen Sportwagen. Am IAA-Stand von NSU wurde das fertige Fahrzeug 1965 präsentiert –das Medieninteresse war groß. Nur wenige Meter entfernt zeigte RECARO erstmals den parallel entwickelten Sportsitz. So hat-ten beide Projekte mehr gemeinsam, als man zunächst vermu-ten konnte. NSU plante zunächst einen erschwinglichen Sport-wagen unter dem Namen „NSU autonova GT“. Letztlich wurden jedoch weder der fam noch der GT in die Serie umgesetzt. Es mag an der mangelnden Investitionsbereitschaft der Hersteller gelegen haben, vielleicht waren aber auch die Konzepte jeweils ihrer Zeit zu weit voraus.

Der „RECARO Sportsitz“ wurde jedenfalls zur genau richtigen Zeit vorgestellt. Das Modell wurde in die Serie umgesetzt und ein phänomenaler Erfolg.

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D E R Z E I T V O R A U S

1965 Die Sitze entstanden parallel zum „Sportsitz“.

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1965 Designskizzen für den Innenraum mit keilförmigen Sitzen.

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NICHT NUR FÜR KURZE LANGSTRECKEN

s waren in erster Linie Besitzer sportlicher Fahrzeuge, die sich für den neuen Sitz entschieden – angesichts der Bezeichnung „Sportsitz“ eine naheliegende Ent-wicklung. Doch RECARO zielte nicht nur auf diese

Klientel ab, und so beschloss das Unternehmen 1968/69, das Produkt in „idealsitz“ umzubenennen. „Weil Sie ideal sitzen, werden Sie besser fahren“, so lautete der damalige Werbespruch. Ideales, also richtiges Sitzen ist seitdem untrennbar mit dem Markennamen RECARO verbunden.

Die idealsitz-Modelle ab 1969 hatten dabei stets zwei Dinge ge-meinsam: Zum einen war es der Anspruch, das Sitzen im Auto durch verbesserte ergonomische Eigenschaften und mehr Si-cherheit zu optimieren. Zum anderen zierte erstmals das neue RECARO Logo, das bis heute nur leicht angepasst wurde, den Sitz im Rücken des Fahrers.

DER SPORTSITZ HEISST JETZT IDEALSITZ

Kurz nach Einführung des neuen Namens wurde auf Basis des idealsitzes auch eine Lkw-Variante konstruiert, die jedoch nicht in Serie ging. Ein anderes Modell wurde hingegen bis zur Marktreife entwickelt: Für die sportbegeisterten Kunden nahm RECARO im Jahr 1969 den „idealsitz-S“ mit vorgezogenen Sei-tenlehnen ins Programm auf – eine Kombination des Rallye-Schalensitzes und des inzwischen bewährten idealsitzes.

Das Resultat war ein Sitz, der besonders dem sportlich Interes-sierten mehr Freude am Steuer bringen sollte. Die feste Polste-rung der körpergerechten Lehne unterstützte den Rücken bis zur Schulterpartie. Extrem vorgezogene Seitenteile gaben siche-ren Halt in jeder Fahrsituation, ohne beengend zu wirken. Der Sitz wurde erstmals mit doppelseitigen Liegesitzbeschlägen aus-gestattet. Die Lehne war vorklappbar, um den Einstieg zu den Fondplätzen bei zweitürigen Fahrzeugen zu optimieren. Das lange, an der Vorderkante weich gepolsterte Sitzkissen bildete eine ideale Auflage für die Oberschenkel.

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1 9 6 9 I D E A L S I T Z - S

1969 Der „idealsitz“ mit neuem Logo.

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1969 Im „idealsitz­S“ sind alle Vorzüge des „RECARO Rallye“ und des „RECARO idealsitz“ vereint.

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1969 Positionswechsel: der „idealsitz­S“ mit patentiertem Liegesitzbeschlag.

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Runder Tisch Die Designverantwortlichen der Geschäftsfelder tauschen sich aus.

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RECARO IST E INE MARKE IM STETEN WANDEL. AUCH DAS DES IGN DER

PRODUK TE UNTERL IEGT VER ÄNDERUNGEN. IM AUGUST 2015 TR AFEN S ICH D IE

VER ANT WORTL ICHEN DES IGNER ZU E INEM ROUND-TABLE-GESPR ÄCH IN DER

STUT TGARTER HOLD ING . WAS MACHT RECARO AUS, W IE ENTSTEHT HEUTE

„ INGEN IOUS DES IGN“ – ALSO DAS PERFEK TE ZUSAMMENSPIEL VON FUNK T ION ,

ERGONOMIE UND ÄSTHET IK –, UND FÜR WELCHE ZUKUNF TSTRENDS WERDEN

HEUTE SCHON ANT WORTEN GESUCHT?

CHRISTINE BAUER

Head of Industrial Design

RECARO Child Safety,

im Unternehmen seit 2014.

Das war früher schlicht notwendig, denn bei dem aufwändigen Arbeitsprozess konnten wir uns das nicht mehrmals leisten. Dies hatte auch zur Folge, dass leblose Perfektion gar nicht erst angestrebt wurde. Denn manchmal sind es eben die Brüche, die ein Produkt menschlich ma-chen. Heute müssen wir uns die Freiheit des Unperfekten erkämpfen.

OF — Präzise Technologien spielen heute eine große Rolle. Der nächste Schritt wird dabei si-cher der 3D-Druck sein, der wieder ganz andere Möglichkeiten eröffnet.

FB — Die Angst, Fehler zu machen, ist heute immer da. Man will vorab alles absichern. Und was rauskommt, ist natürlich eine Art Durch-schnittsprodukt. Bei uns ist das anders, und das hat ja immer auch den Erfolg von RECARO ausgemacht: dass wir eben keine Durchschnitts-produkte liefern.

OF — Darum geht es sicher. Wobei wir ja nicht einfach einen Sitz liefern – wir liefern Teilsyste-me, die anderswo integriert werden. Sie funkti-onieren aber trotzdem eigenständig. Es geht darum, ein Produkt menschengerecht zu ma-chen. Ich glaube, das ist die große Fähigkeit von RECARO, genau das zu können.

HARTMUT SCHÜRG (HS) — Wenn ich zu-rückschaue und mich an meine Anfänge bei RECARO vor etwa 20 Jahren erinnere, das waren ganz andere Bedingungen. Die hand-werklichen Möglichkeiten, die Umsetzungs-fähigkeiten heute sind viel größer.

FRANK BEERMANN (FB) — Beim Zeich-nen entstand mehr im Kopf. Ich musste mir ein möglichst genaues Bild machen. Und je genauer ich dabei war, desto eher konnte ich meine Ideen mit den Kollegen teilen. Heute drücke ich einen Knopf und sehe das Modell drei dimensional.

DJUNIANTO KO (DK) — Das fertige Produkt ist keine Überraschung mehr – das war früher sicher anders. Die Rechner heute modellieren das bis ins letzte Detail, Stoffe, Leder, Oberflä-chenmaterialien und Nähte inklusive.

OLIVER FORGATSCH (OF) — Dafür sind wir um einiges schneller. Und genau diese Arbeitsweise sind die Kunden ja gewohnt. Die verlangen Perfektion, und das sehr schnell.

HS — Wir müssen uns heute trotz des Zeit-drucks aber dazu zwingen, die Dinge erst mal komplett zu durchdenken, bevor wir anfangen.

DESIGN UND WIE ES ENTSTEHT – GESTERN, HEUTE, MORGEN

„DAS GLOBALE

IST GER ADE BEI UNS EX TREM

W ICHT IG .

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DESIGN D O S S I E R

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CHRISTINE BAUER (CB) — Das Globale ist gerade bei uns extrem wichtig. Wir müs-sen die unterschiedlichen Anforderungen der Märkte genau kennen, seien es die in den USA, in Japan, China oder eben Europa. Die Chinesen tragen ihre Kinder am Anfang haupt-sächlich, oft übernehmen die Großeltern die Erziehung. Jetzt sind chinesische Babys eher schwerer, und es wird keine Babyschale benutzt. Das ist ganz anders als bei uns. Wir müssen das alles am Ende in einem Produkt vereinen, das dann auch noch global gelauncht werden soll.

OF — Im Flugzeugmarkt ist Privacy ein Bei-spiel, an dem sich die Geister scheiden. Die ei-nen wollen das ganz offen haben, wollen diesen Kontakt zum Nachbarn; da geht es um das The-ma Kommunikation. In Asien oder im Mittle-ren Osten hingegen ist die Privatsphäre extrem wichtig. Wir müssen also eine Plattform anbie-ten, die modular aufgebaut ist, mit der ich im Zweifel alle Wünsche erfüllen kann.

FB — Es ist ohnehin so, dass Sie Ikonen nicht planen oder entwerfen können. Ein Wert für uns ist immer Ergonomie, egal ob beim Auto-, Kinder- oder Flugzeugsitz. Uns geht es darum, die Funktion, den Körper zu stützen, in eine Form zu bringen. Dabei sind wir zu einer bestimmten Formsprache gekommen. Wenn dann die Kunden später erkennen, dass sie das Beste bekommen haben, was es auf dem Markt gibt, dann entstehen Ikonen.

FB — Man denkt, zunächst ist so ein Sitz kein wahnsinnig interessantes Produkt. Die werden alle ganz ähnlich produziert. Die sind geschliffen und auf den Preis hin optimiert. Aber der Benutzer hat später mit zwei Dritteln seiner Körperfläche Kontakt zu diesem Pro-dukt. Und wenn das nicht stimmt, die Kontu-ren, die Formen, dann taugt das ganze Produkt nichts. RECARO ist einfach etwas Besonderes, nicht nur wegen des Namens. Wir haben den Anspruch, die Besten zu sein. Immer am Rande des technisch Machbaren. Und wirtschaftlich manchmal des so gerade noch Machbaren. Das macht es wieder interessant.

HS — Wir sind natürlich heute in viel größere Organisationen eingebunden als vor 20 Jahren. Wir sind global aufgestellt, und wir haben die Ansprüche der Kunden, die weltweit unter-schiedlich sein können. Die Frage ist, wie weit kann und darf man eigentlich dem aktuellen Bedarf des Markts gerecht werden? Um Trend-setter zu sein, muss ich über das hinausgehen, was der Markt heute fordert.

FB — Schon wenn wir die Anforderungen an ein neues Produkt definieren, muss das Design intensiv mit dem Kunden sprechen. Allerdings verbreitert die Globalisierung das Anforde-rungsprofil an ein Produkt enorm. Das heißt, wir müssen immer mehr Teile marktspezifisch entwickeln. Denn diesen Weltgeschmack, den Welteinheitsgeschmack, gibt es noch nicht.

HARTMUT SCHÜRG

Chief Brand & Design

Officer RECARO Holding,

im Unternehmen seit 1996.

„UNSER DES IGN

STEHT FÜR FUNK T ION ,

ERGONOMIE UND ÄSTHET IK .

DESIGN UND WIE ES ENTSTEHT240

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Gedanken werden sichtbar Scribbles dienen zur ersten Visualisierung neuer Ideen.

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Airbus A320 anzuschaffen, haben sie die Kapa-zität über unsere Slimline-Sitze erhöht. Das wa-ren 9000 Sitze zusätzlich in der Flotte; gleichzei-tig hatten die Passagiere mehr Platz.

CB — Beim Kindersitz ist das ähnlich: Wir müssen immer versuchen, Gewicht zu sparen. Wir haben ein neues Konzept, bei dem die Ba-byschale schon im Sitz integriert wird. Das Si-cherheitssystem befindet sich im Sitz. Wenn also die Mutter die Babyschale herausnimmt, hat sie ungefähr ein Kilo weniger zu tragen.

DK — Das ist wichtig für die Kaufentschei-dung. Immerhin musst du das Gewicht des Babys zusätzlich zu dem der Schale mit dir her-umtragen.

OF — Wenn ich weniger Flugzeuge kaufen muss, wenn das Auto leichter ist oder die Eltern weniger durch die Gegend schleppen müssen, das sind ja ganz besondere Kaufanreize.

FB — Wir beobachten, wie ein Nutzer mit dem Produkt umgeht, sehen, was gut ist und was schlecht, und beginnen dann, das Produkt nach der Funktion aufzubauen. Das ist der Unter-schied zur reinen Stilistik, wo es nur um das Aussehen geht. Industriedesign ist mehr. Wir versuchen, mit jedem Projekt das Sitzen neu zu erfinden. Das zwingt uns dazu, uns immer wie-der Gedanken zu machen: Was passiert eigent-lich beim Sitzen, wie passiert es, wo passiert es, und wie kann ich es verbessern, indem ich im-mer wieder diese ganze Evolutionskette durch-gehe? So komme ich zu den vielen kleinen Lösungen, die ein Produkt besonders machen.

HS — Unsere Marke ist bekannt. Die Gestalter der Automobilhersteller oder der Airlines kom-men mit uns nicht nur zu Lösungen. Wir lie-fern auch Geschichten. Über Geschichten wer-den Produkte für den Menschen greifbar. Dabei geht es mir nicht um Blabla, sondern um Inhal-te. Das war in unserer Historie schon immer so.

FB — Die wichtigen Geschichten erzählen im-mer unsere Produkte. Der besondere Charakter unserer Autositze beispielsweise ergibt sich dar-aus, dass wir meistens Schalensitze bauen. Das heißt, wir haben nicht diese Metallstruktur, wo wir pfundweise Schaum draufpacken müssen, um den darauf sitzenden Menschen von dieser scharfkantigen Metallstruktur abzuhalten, son-dern wir können schon die Stützstruktur ergo-nomisch formen und kommen dort mit sehr dünnen Schaumschichten aus.

OF — In jedem Auto und in jedem Flugzeug hast du ein Platzproblem. Unsere schlanken Sit-ze sind immer auf den menschlichen Körper ausgelegt. Das spart Volumen und Schaum, und ich habe immer die optimale Unterstützung.

FB — Wenn ich einen Sitz habe, der nicht so viel Platz benötigt, kann ich das Auto theore-tisch kürzer bauen. Unsere Bauweise spart bis zu 80 Millimeter an Raum ein.

HS — Für Aircraft Seating haben wir beim „BL3520“ die Slimline-Rückenlehne mit der hohen Literaturtasche weiterentwickelt. Das hat dazu geführt, dass die Lufthansa zwei Sitzreihen mehr in die A320 gebracht hat. Statt zwölf

DJUNIANTO KO

Head of Industrial Design

RECARO Holding, im

Unternehmen seit 2005.

„WIR MÜSSEN

DAR AUF ACHTEN, DASS W IR DEN

MENSCHEN IM M IT TELPUNK T

BEHALTEN.

242

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FRANK BEERMANN

Director Industrial Design

RECARO Automotive

Seating, im Unternehmen

seit 1987.

DK — In der frühen Phase eines Projekts erle-ben wir es ja oft, dass bestimmte Alternativen tagelang diskutiert werden. Sobald eine Skizze auf dem Tisch liegt, entwickelt jede Abteilung sehr schnell ein Verständnis, und die Diskussion bekommt ein Ziel. Vor der Skizze ist es oft sehr theoretisch.

HS — Dieses Handwerkliche, von der Skizze übers Modell, das ist ganz entscheidend für die Weiterentwicklung der Ideen und damit für den Erfolg.

DK — Das wird ja in Zukunft nicht weniger wichtig. Zumal wir zum Beispiel in einer altern-den Gesellschaft zum Teil ganz andere Anforde-rungen an unsere Produkte haben werden.

FB — Da geht es dann um die Zukunftsvisio-nen. Wir haben ja schon besprochen, dass der Designer sowieso immer weit vorausdenken muss.

OF — Das Thema Gewicht und Kosten wird sich gerade im Flugzeugbau noch weiter zuspit-zen, dort wird es auch um den Platz gehen. Das Flugaufkommen wird steigen. Das heißt, wir müssen mehr Menschen transportieren. Und wir müssen Lösungen finden, damit diese Men-schen trotzdem noch bequem sitzen.

HS — Das Thema Digitalisierung wird dazu führen, dass wir mehr Assistenzsysteme auch im Sitzen bekommen. Dann das Thema der Kom-munikation der einzelnen Elemente miteinan-der – das Internet der Dinge. Zum Beispiel über Sensoren in Textilien, die Nachrichten übermit-teln können und die Crew über den Gesund-

CB — Viele Dinge sind von außen gar nicht zu sehen. Wir fertigen unseren Tragegriff jetzt so, dass die Oberfläche rundherum komplett glatt ist. Das fällt dem Außenstehenden wahrschein-lich gar nicht auf. Aber das ist ein Qualitäts-merkmal.

OF — Der glatte Griff entsteht ja nicht zufällig. Uns ging es schon immer um ganzheitliches Entwickeln. Durch Kollegen, die eben nicht nur die Form schön machen, sondern die auch das technische Verständnis und das Verständnis vom Menschen haben, und das dann zusam-menbringen. Das war bei Reutter so. Und das war letztlich auch beim Herrn Resag so, als er und sein Team 1965 den Sportsitz gebaut haben. Die haben ja auch versucht, das Sitzen besser zu machen. Aber der war ja kein Designer, der war Ingenieur.

HS — Ingenious Design beginnt vorne, das ist ganz wichtig. Und Ingenious Design ist nicht exklusiv eine Sache der Designer. Ingenious De sign ist Unternehmensaufgabe. Unser De-sign steht für Funktion, Ergonomie und Ästhe-tik. Die Designer haben in diesem Prozess eine bestimmte Rolle, und die hat natürlich was vom Generalisten. Aber sie muss am Anfang wirken, ganz am Anfang. Die Konzeptphase einer Entwicklung beschreibt 90 Prozent des Erfolgs eines Produkts.

FB — Designer sind in diesem Prozess auch Interpreten. An uns werden Ideen herangetra-gen, sei es vom Polsterer oder einem Ingenieur. Wir müssen diese Ideen in Bilder umsetzen, und das wiederum beeinflusst die ganze weitere Entwicklung.

„D IE W ICHT IGEN GESCH ICHTEN

ER Z ÄHLEN IMMER UNSERE

PRODUK TE.

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Pionier Frank Beermann arbeitete bereits im Studium an Entwürfen für RECARO.

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DK — Und wir müssen darauf achten, dass wir immer den Menschen im Mittelpunkt behalten, das hat uns erfolgreich gemacht. Wenn die Air-lines mehr Plätze verkaufen wollen, muss der Gast trotzdem noch gut sitzen. Diesen beiden Ansprüchen müssen wir gerecht werden.

CB — Und ist dabei RECARO auch in Zukunft immer auf Sitze beschränkt?

FB — Sitzen. Da ist RECARO zu Hause. Aber RECARO hat früher mal Karosserien gebaut, wo der Name ja herkommt. Dann hat man sich auf die Sitze konzentriert, das war ja ein Wan-del, ein großer Wandel sogar. Warum sollte nicht wieder ein Wandel möglich sein auf ande-re Produkte, Geschäftsfelder?

HS — Erst einmal wollen wir auch in Zukunft die große Marke für das mobile Sitzen sein. Na-türlich sehen wir, dass wir Fähigkeiten haben, die man auch woanders einsetzen kann. Wir können über Ergonomie dem Körper Haltung geben und die Leistungsfähigkeit des Nutzers erhöhen. Wir können ihn in Extremsituationen schützen. Wir gestalten ästhetische Produkte, die eine hohe Anziehungskraft ausüben, und Funktionen, die das ästhetische Versprechen hochwertig und dauerhaft einlösen. Entschei-dend ist, dass die Marke nie verwässert werden darf. Wenn das gewährleistet ist, kann ich mir schon vorstellen, dass wir außerhalb des Sitzens relevante, glaubhafte Lösungen anbieten.

heitszustand eines Passagiers informieren. Oder die dem Autofahrer den Tipp geben, mal wieder einen Schluck Wasser zu trinken.

CB — Auch bei Child Safety ist gerade die Di-gitalisierung ein Trendthema, bei dem wir noch innovativer vorangehen müssen. Das beginnt ganz klein mit integrierten MP3-Playern und endet längst nicht bei Sensoren, die möglicher-weise Herzschlag und Atmung kontrollieren. Und auch wenn es im ersten Moment komisch klingen mag: Die alternde Gesellschaft ist ein Riesenthema für uns. Wir haben in China ge-lernt, dass dort vor allem die Großeltern die kleinen Kinder betreuen. Das bedeutet, dass die Handhabung unserer Systeme noch einfacher und intuitiver funktionieren muss. Ein dritter Aspekt sind sicher neue Werkstoffe, mit denen wir komplett atmungsaktive Kindersitze und Schalen bauen können, damit die Kinder nicht so sehr ins Schwitzen kommen.

FB — Im Automobilbereich haben wir ähnli-che Themen wie im Fluggastbereich: Gewichts-reduktion, Bauraumreduktion bei gleichzeitig immer mehr Funktionen. Dazu eine noch bes-sere Anpassung des Sitzes an den menschlichen Körper. Eine große Herausforderung wird si-cher das pilotierte Fahren. Beim autonomen Fahren habe ich nur noch Passagiere, da werden neue Aufgaben auf uns zukommen.

CB — Sicherlich werden unsere Produkte auch vielfältiger einsetzbar werden. Der Trend zur Urbanisierung wird sicher das Thema Carsha-ring weiter vorantreiben. Da muss mein Kin-dersitz natürlich in viele verschiedene Autos passen und immer perfekte Sicherheit bieten.

„UNSERE

SCHL ANKEN S ITZE S IND IMMER AUF

DEN MENSCH- L ICHEN KÖRPER

AUSGELEGT.

OLIVER FORGATSCH

Head of Ergonomics &

Design RECARO

Aircraft Seating, im

Unternehmen seit 2001.

DESIGN UND WIE ES ENTSTEHT 245

DESIGN D O S S I E R

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in

der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische

Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

1. Auflage

ISBN 978-3-667-10313-0

© Delius Klasing & Co. KG, Bielefeld

KONZEPT & GESAMTLEITUNG Frank Jung

KREATION Edwin Baaske, Wolfram Schäffer

REDAKTION Frank Jung, Lars Zwickies, Ole Zimmer, Bastian Fuhrmann

MITARBEIT Peggy Durweiler, Marzena Schneider

LEKTORAT Petra Schomburg

PROJEKTLEITUNG Angela Tegtmeier, Lars Zwickies

LAYOUT design hoch drei GmbH & Co. KG, Stuttgart: Ioannis Karanasios, Ute Orner, Mike Hofmaier

HERSTELLUNG: Axel Gerber, Jörn Heese

LITHOGRAFIE Mohn Media, Gütersloh

DRUCK Kunst- und Werbedruck, Bad Oeynhausen

Printed in Germany 2016

Alle Rechte vorbehalten! Ohne ausdrückliche Erlaubnis des Verlages darf das Werk weder kom-

plett noch teilweise reproduziert, übertragen oder kopiert werden, wie zum Beispiel manuell oder

mithilfe elektronischer und mechanischer Systeme inklusive Fotokopieren, Bandaufzeichnung

und Datenspeicherung.

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