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Rechts- und
Verfassungsgeschichte I
Römisches Recht (Fortsetzung)
/ Rechtsaufzeichnungen in Früh- und
Hochmittelalter
Wiederholungsfragen
• Was versteht man unter dem Begriff
„nachgeformtes Rechtsgeschäft“?
– Gestaltung und Entwicklung neuer
Rechtsformen unter Rückgriff auf bereits
vorhandene rechtliche Institutionen
– Beispiel: Manzipation
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Wiederholungsfragen
• Nennen Sie die drei „Säulen“ der
Verfassung der römischen Republik und
erläutern Sie ihr gegenseitiges Verhältnis.
– Volksversammlung, Magistratur, Senat
– Mischverfassung aus demokratischen,
monarchischen und aristokratischen Elementen
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Wiederholungsfragen
• Was ist die „Idee“ des augusteischen
Prinzipats?
– Vereinigung der drei „Säulen“ auf einer Person
(Princeps)
– De facto-Monarchie bei äußerer Form der
Republik
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Äußere Rahmenbedingungen
• Die Regierungszeit Justinians (527-565)
– Außenpolitik: Wiedereroberung von
Nordafrika und Italien
– Kirchenpolitik: Einigung zur Reichskirche
(Cäsaropapismus)
• Das Reformprojekt des Kaisers
– Erste Auflage des Codex Iustinianus
– Einsetzung der Digestenkommission
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Digesten (Pandekten)
• Mitglieder der Digestenkommission
(Kompilatoren)
– Vorsitz des quaestor sacri palatii
(Justizminister) Tribonian
– Kaiserliche Verwaltungsbeamte
– Anwälte der hauptstädtischen Gerichte
– Rechtslehrer (antecessores)
• Theophilus und Kratinos aus Konstantinopel
• Dorotheus und Anatolius aus Berytos
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Digesten (Pandekten)
• Gegenstand und Hergang der Kompilation
– Auswahl und Neuordnung klassischer
Juristenschriften
• 200 Werke (2.000 libri, 3.000.000 Zeilen)
• Angabe der Herkunft durch Inskription
• Systematische Neuordnung in 50 Büchern, unterteilt
in einzelne tituli
• Zitierweise: D. 12, 2, 3 pr. (Ulp. 22 ed.)
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Digesten (Pandekten)
– Anpassung an das Recht des 6. Jhdts.: Interpolationen
• „Mechanische“ Interpolationen: Ersetzung nicht mehr gebräuchlicher Begriffe (z.B. traditio für mancipatio)
• Sachliche Texteingriffe
– Theorien zur Bewältigung der Arbeit• Bluhmesche Massentheorie (Fragmentabfolge)
– Teilung in drei Unterkommissionen
– Bearbeitung der Juristenschriften in Sabinusmasse, Ediktsmasse und Papinianmasse
– Weitere Fragmente in Appendixmasse
• Praedigesten-Theorie
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Digesten (Pandekten)
• Publikation und Inkrafttreten
(15./30. Dezember 533)
• Überlieferung
– Codex Florentinus Digestorum (6. Jhdt.)
– Vulgarhandschriften (11.-13. Jhdt.)
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Weitere Teile der Kodifikation
• Institutionen
– Amtliches Anfängerlehrbuch mit Gesetzeskraft
– Publikation am 21. November 533, Inkrafttreten am
30. Dezember 533
– Gliederung in vier Bücher, unterteilt in Titel
• Codex repetitae praelectionis
– „Neuauflage“ des Codex Iustinianus
– Inkrafttreten am 16. November 534
– Gliederung in 12 Bücher, unterteilt in Titel,
Konstitutionen in chronologischer Reihenfolge
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Corpus Iuris Civilis
• „Corpus Iuris Civilis“
– Gesetzgebung von Justinian als Gesamtheit
konzipiert
– Bezeichnung als CIC erst seit 1583 durch
Gesamtausgabe von Dionysius Gothofredus
• Novellen und Rechtsunterricht
– Gesetzgebung nach 533
– Turiner Institutionenglosse, Authenticum und
Epitome Iuliani
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Byzantinisches Recht
• Kommentierungsverbot Justinians– Sanktionierung als Fälschung
– Ausnahmen (kata poda, paratitla, indices und paragraphai)
• Übersetzungen ins Griechische und Kommentierungen– Scholien (zu Digesten und Codex)
– Katenen („Kettenkommentare“)
• Basiliken
• Hexabiblos
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„[…] Goethe fing an über Guizot zu reden. 'Ich gehe in seinen Vorlesungen
fort', sagte er, 'und sie halten sich trefflich. Die diesjährigen gehen etwa bis
ins achte Jahrhundert. Er besitzt einen Tiefblick und Durchblick, wie er mir
bei keinem Geschichtsschreiber größer vorgekommen. [...] Auch das
römische Recht, als ein fortlebendes, das, gleich einer untertauchenden
Ente, sich zwar von Zeit zu Zeit verbirgt, aber nie ganz verloren geht, und
immer einmal wieder lebendig hervortritt, sehen wir sehr gut behandelt, bei
welcher Gelegenheit denn auch unserm trefflichen Savigny volle
Anerkennung zuteil wird. […]“
J.P. Eckermann, Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens
(1836); Gespräch vom 6. April 1829
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Germanisches Recht der Frühzeit
• Methodische Probleme
– Schriftliche Aufzeichnungen erst ab der
fränkischen Zeit (5. Jahrhundert)
– Rekonstruktionsversuche
• Quellen
– Archäologie
– Die „Germania” des Tacitus
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Rechtsquellen des Frühmittelalters
• Leges (Stammesrechte)
• Leges Romanae (Römisches Vulgarrecht)
• Kapitularien der Karolinger
• Formularsammlungen (Formulae,
Kautelarjurispridenz)
• Kirchliche Kanonessammlungen
• Mahn- und Streitschriften
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Frühmittelalterliche Leges
• Codex Euricianus (Lex Visigothorum),
475 n. Chr.
• Lex Salica, ca. 500 n. Chr.
• Lex Burgundionum (Lex Gundobada),
ca. 500 n. Chr.
• Lex Ribuaria, zw. 613 und 625 n. Chr.
• Leges Langobardorum: Edictum Rothari,
643 n. Chr.
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Frühmittelalterliche Leges
• Lex Alamannorum, 725 n. Chr.
• Lex Baiuvariorum, 742 n. Chr.
• Lex Saxonum, ca. 800 n. Chr.
• Lex Thuringorum (Lex Angliorum et
Werinorum), ca. 800 n. Chr.
• Lex Frisionum, ca. 800 n. Chr.
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Römisches Vulgarrecht
• Edictum Theodorici, um 460 n. Chr.
• Lex Romana Visigothorum, 506 n. Chr.
(Breviarium Alarici)
• Lex Romana Burgundionum, um 510 n.
Chr.
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Wesensmerkmale der Leges
• Zweck der Rechtsaufzeichnungen
• Sprache und Schriftlichkeit
– Volkssprachliche Rechtsbegriffe (Malbergische Glossen)
– Ausgleich zwischen lateinischem Text und mündlich überlieferten Rechtsvorstellungen (Rechtsgewohnheiten)
• Personalitätsprinzip
• Kompositionensystem im Strafrecht
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Wesensmerkmale der Leges
• Gerichtsverfahren und Beweis
– Keine Differenzierung von Straf- und Zivilrecht
– Bindung an das Gesetz (?)
– Rationale Beweismittel (Urkunden, Zeugen, Folter, Eid)
– Irrationale Beweismittel (Gottesurteil, Ordal)• Kesselfang, Eisenprobe, Wasserprobe
• Bahrprobe, Kreuzprobe
• Zweikampf
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Karolingische Kapitularien
• Das fränkische Reich Karls des Großen
– Vereinigung der anderen Germanenreiche bis 800
– Wichtigste Quelle:
Vita Caroli Magni des Einhard
• Reichsreform Karls des Großen
– Verwaltung, Recht, Wirtschaft, Kultur, Kirche
– Organisation des Hofs
– Ständige Gerichte
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Karolingische Kapitularien
• Form und Überlieferung der
Kapitulargesetzgebung
– In Kapitel eingeteilte Satzungen
– Keine amtliche Sammlung
– Ergänzung der Stammesrechte
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Sachsenspiegel
• Verfasser: Eike von Repgow
– * um 1180, † nach 1233
– Edelfreier oder Dienstmann, jedenfalls Lehensnehmer
– Spiegel wohl diktiert, vielleicht zunächst lateinisch,
später (nieder)deutsch
• Überlieferung und Verbreitung
– Ca. 480 Handschriften, davon vier Bildhandschriften
(Dresden, Heidelberg, Oldenburg, Wolfenbüttel)
– Rezeption in den Niederlanden, im Baltikum, in Polen
und Siebenbürgen
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Sachsenspiegel
• Inhalt: Landrecht und Lehensrecht
– Grundlage
• Ungeschriebenes Gewohnheitsrecht
• Einzelne geschriebene Satzungen (Landfrieden)
– Straf- und Privatrecht
– Lehenspyramide und Heerschildordnung
• Bearbeitungen
(Glosse des Johann von Buch, nach 1325)
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Tochterquellen
• Deutschenspiegel
– Übersetzung ins Oberdeutsche
– Geringfügige Bearbeitung
• Schwabenspiegel
– Ergänzung mit Kaiserchronik
• Frankenspiegel
– Selbständiger gefasst
– Berücksichtigung auch lokaler Quellen
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Weitere Rechtsaufzeichnungen
• Konstitutionen von Melfi Friedrichs II.
– Umfassender Kodifikationsversuch
– Berücksichtigung u.a. des CIC
• Oberbayerisches Landrecht Ludwigs des
Bayern
– „Musterstadrecht“ für München
– Verbreitung in Süddeutschland
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Strafrecht des Mittelalters
• Fortwirken des Privatstrafrechts der
germanischen und fränkischen Zeit
– Kompositionensystem
– Kirchenasyl als Einschränkung privater
Strafverfolgung
• Peinliches Strafrecht
• Handhafte Tat und Gerüfte
– Tötungsrecht bei handhafter Tat
– Gerüfte und Schreimannen
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Gottes- und Landfrieden
• Fehde und Fehdeunwesen– Formvorschriften der (ritterlichen) Fehde
– Missbrauch (Fehdeunwesen)
• Gottesfrieden– Bewegung der Mönchsorden seit dem 10.
Jahrhundert
– Kirchenstrafen (Exkommunikation) als Sanktion
• Landfrieden– Vertragliche Satzungen im Rahmen von
Lehensverhältnissen
– Bindung innerhalb der Lehenspyramide
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Inquisition und Folter
• Vom Handhaft- zum Leumundverfahren
• Geständnis als sicherstes Beweismittel
• Folter:
Ersatz freien Willens durch äußere Gewalt
– „Gütige Frage“
– territio verbalis (Zeigen der Instrumente)
– territio realis (tatsächliche Gewaltanwendung)
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Wiederholungsfragen
• Erläutern Sie das sog. Personalitätsprinzip
unter Verwendung eines quellenbezogenen
Beispiels.
• Was ist ein „Lehen“ und inwiefern ist es
bedeutsam für die Gesellschaftsordnung des
Hochmittelalters?
• Warum wird der Sachsenspiegel als
„Rechtsbuch“ bezeichnet?
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