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Referentinnen: Ulrike Bürger, Maren Schulte, Sandra Müller und Heide Oesterle
Seminar: Kognitionspsychologie meets Ethnologie
Leiter: Prof. Dr. J. Funke und Prof. Dr. J. Wassmann
Gedächtnis
ÜBERSICHT
• Grundlegende Gedächtnistheorien
• Skripte / Konnektionismus
• Kulturelles Gedächtnis, Assmann
• Kulturelles Gedächtnis an Beispielen
Teil 1
Grundlegende Gedächtnistheorien
(Heide Oesterle)
Allgemeine Einleitung
Gedächtnisrelevante anatomische Strukturen
Im Gegensatz beispielsweise zur Sprache gibt es kein umschriebenes
Gedächtniszentrum im Gehirn. Trotzdem kann man verschiedene
anatomische Strukturen unterscheiden, die speziell dem Erinnerungsvermögen
zuzuordnen sind.
Einleitung
Einleitung
Wie stellen wir uns das Gedächtnis vor?
• Meist Räumliche Vorstellung von Gedächtnis
• Plato: Vogelhaus, Wissensfragmente flattern herum, müssen erst wieder eingefangen werden
• William James (1842-1910): Haus das nach Erinnerungen durchsucht werden muß
Erinnerung
Erinnerung
Erinnerung
Einleitung
Der Mensch erklärt das Gedächtnis immer mit den neuesten technischen
Errungenschaften, mit denen er gerade befasst ist.
Einleitung
•Freud verglich es, zu Beginn des Industriezeitalters, mit einer Dampfmaschine, aus der das Unbewußte von Zeit zu Zeit Dampf ablassen muß, um weiter störungsfrei zu funktionieren.
•So wurde das Gedächtnis im 17. Jahrhundert mit einer Linse (die die Gedanken bündelt) und einem Spiegel (der die Gedanken als Erinnerungen reflektiert), verglichen.
Einleitung
Heute:
Vergleich mit
COMPUTER
Kurzzeitgedächtnis
=Arbeitsspeicher
Langzeitgedächtnis
=Festplatte
Einleitung
In folgenden psychologischen Theorien kann unterschieden werden zwischen
Gedächtnisprozessen und
Gedächtnistrukuren•Gedächtnisspeicher
•Gedächtnisarten
Einleitung
GEDÄCHTNISPROZESSEWelche Aktivitäten finden im
Gedächtnissystem statt?
Drei hauptsächliche Gedächtnisprozesse können unterschieden werden:
• Encoding/Enkodieren (Einspeichern)• Storage/ Speicherung (Aufbewahren)• Retrieval/Abruf
GEDÄCHTNISSTRUKTURWie ist das Gedächtnissystem
organisiert?
Das Modell derGEDÄCHTNISSPEICHER
Die 3 Gedächtnisspeicher
Die meisten Gedächtnistheorien beschreiben das Gedächtnis anhand des Mehrspeichermodells (vgl. Attkinson u. Shiffrin, 1968)
Sensorisches Gedächtnis
Kurzzeit-gedächtnis Langzeit-
gedächtnis
Sensorisches Gedächtnis
Kurzzeit-gedächtnis Langzeit-
gedächtnis
Sensorisches Gedächtnis
• Psychologen gehen davon aus, dass man für jede Sinneseinheit ein sensorisches Gedächtnis hat. D. h. Reize werden unbewusst, nachdem sie beendet sind für eine kurze Zeit erhalten.
• Schwerpunkt der Forschung lag dabei bisher auf dem visuellen und dem auditiven Bereich, da im Alltag am wichtigsten.
Ikonisches Gedächtnis
• Bezeichnet das sensorische Gedächtnis im visuellen Bereich.
• Große Informationsmengen für sehr kurze Zeit speicherbar.
• Eine visuelle Erinnerung („icon“) bleibt ca. ½ Sekunde lang bestehen.
Versuche von Sperling (1960, 1963)
C
X
M
A
J
L
T
K
E
F
N
G
Buchstabenreihen kurz dargeboten
Ergebnis:
Versuchspersonen können im Durchschnitt 4 bis 5 Buchstaben reproduzieren.
C X M A Hoher Ton
J L T K Mittlerer Ton
E F N G Tiefer Ton
Gleicher Versuch, jedoch:
Tonsignal bestimmt welche Reihe reproduziert werden soll
Ergebnis:
Nahezu fehlerfreie Reproduktion der jeweils gewünschten Zeile. Je später jedoch Tonsignal desto schlechtere Reproduktion
Das bedeutet:
Alle dargebotenen Informationen sind ins ikonische Gedächtnis gelangt, können nur nicht reproduziert werden - hohe Speicherkapazität
Sehr kurzlebig - Informationen verblassen sehr schnell wieder
Echoisches Gedächtnis
• Bezeichnet das sensorische Gedächtnis im auditivem Bereich ( Bsp. Frage bei Zeitung lesen)
• Vergleichbar mit ikonischem Gedächtnis, speichert mehr als normalerweise berichtet werden kann
• Kurzlebig – Erinnerung wird leicht durch neue Informationen verdrängt
Sensorisches Gedächtnis
Kurzzeit-gedächtnis Langzeit-
gedächtnis
Das Kurzzeitgedächtnis (KZG)
• Bezieht sich nur auf das zeitweilige Speichern von Informationen, die man bewußt oder explizit erinnert.
• Bsp. Telefonnummer
Kapazität des KZG‘s
• Äußerst begrenzt – sehr nützlich, da dadurch die riesige Informationsmenge, die auf uns einströmt gefiltert wird
A H J T Z R W Q P U
3 8 6 5 5 4 7 3 2 0
George Miller (1956) stellte fest, das die menschliche Gedächtnisleistung für Reihen zufällig angeordneter bedeutungstragender Items (egal ob
Zahlen, Buchstaben, Wörter o.ä.) auf 7 plus/minus 2 begrenzt ist
Dabei werden jedoch Hilfsmittel benutzt (echoisches Gedächtnis etc. ), könnte man diese eliminieren wäre die reine Kapazität des KZG`s ca. 2-4 Einheiten (Crowder, 1976)
Die Magische Zahl 7
D G KH L RV Y J
Verbesserung des Enkodierens im KZG durch:
Wiederholen (z.B. Telefonnummer im Kopf vor sich hersagen)
Chunking (Zusammensetzung von Einzelteile zu bedeutungstragenden Einheiten 1980, statt 1,9,8,0)
1914191819391945
als Einzelteile niemals merkbar -
als Daten deutscher Kriege jedoch einfach !
Dies sind Mnemotechniken, derer sich auch sogenannte „Gedächtniskünstler“ bedienen.
KZG als Arbeitsgedächtnis
• KZG kommt nicht nur Rolle bei expliziter Einprägung neuer Erinnerungen, sondern auch vor allem beim Abrufen bereits vorhandener Erinnerungen zu
• Abruf aus KZG erfolgt sehr schnell• Zwischenstation für Info‘s, die in LZG hinein
und wieder hinaus wollen • AG beinhaltet Betonung auf Prozeß nicht auf
Ort, Informationen werden dort bearbeitet, neu durchdacht und strukturiert
Sensorisches Gedächtnis
Kurzzeit-gedächtnis Langzeit-
gedächtnis
Das Langzeitgedächtnis
(LZG)
• Unbegrenzte Kapazität, Früheste Erinnerung? • LZG macht das Gesamtwissen einer Person aus • Speicher für alle Erfahrungen, Infos, Emotionen,
Fertigkeiten, Wörter, Begriffsklassen, Regeln und Urteile, die man sich aus sensorischem und Kurzzeitgedächtnis angeeignet hat.
PROZESSEdes Abrufens und Enkodierens
Abrufhilfen= Reize, die zur Verfügung stehen, wenn wir
nach bestimmten Erinnerungen suchen (z.B. Prüfungsfragen)
Abrufprozesse: Freie Reproduktion, Information muß
rekonstruiert werden Wiedererkennen, sehr viel einfacher
Beispiel: Vokabeln (Tok Pisin)
Nambis – Strand
Kakaruk – Huhn
Kumu – Gemüse
Huhn - ?
Nambis - ?
Gemüse - ?
Huhn – Kakaruk
Pikinini – Kind
Gemüse – Kumu
„Kontextschock“ (Bsp.Verkäuferin auf Grillparty)
Abrufen von Info‘s leichter wenn Kontext des Enkodierens und Abrufens übereinstimmen(Bsp.)
Primacy und Recency Effekt
Mnemotechniken
o Elaboriertes Wiederholen, Ausschmückung einer Information bei erstem Einprägen, Info wird reichhaltiger, gewinnt an Assoziationszusammenhang
o Beispiele:• Mentales Bild einer Szene machen• Loci Methode (mentaler Spaziergang)• Akrostische Methode (Geh Du Alter Esel ,...
Eselsbrücke für Kreuztonarten) • Akronyme ( HOMES, nordamerikan. Seen, Lake
Huron, Ontario, Michigan, Erie, Superior)
Metagedächtnis - Wir wissen was wir wissen auch wenn wir es gerade nicht wissen
Rekonstruktive Erinnerung - Habe ich gestern um 9:45 geatmet?
Gab es letztes Jahr den 15. Januar?
Verzerrungen- Wir wissen im großen und ganzen was passiert ist, jedoch oft verzerrte nicht realitätsgetreue Erinnerung aufgrund von späteren Ereignissen, Reaktionen auf Vorfall, Vorerfahrungen, Vermischung mit ähnlichen Ereignissen aus unserem oder dem Leben anderer bzw. Filmen, Erzählungen etc.
Typisch beim Nacherzählen von Märchen:
Nivellieren : Geschichte vereinfachen
Akzentuieren: bestimmte Details hervorheben und überbetonen
Assimilieren: Einzelheiten so verändern, daß sie besser zu Vorerfahrungen bzw. Wissen oder kulturellem Hintergrund der Person passen.
GEDÄCHTNISARTEN
Wie sind Erinnerungen im LZG abgespeichert?
Das implizite versus das explizite
Gedächtnis • Implizit: Bsp. Hase im WohnzimmerVersuche von Tulving et al. (1982), - 1. Schritt Wortlisten auswendig lernen relativ
ungebräuchliche, mehrsilbige Wörter ( z.B. EISSTOCKSCHIESSEN)
- 2. _I _ST_ _K_C__IE__EN Effekt auch Priming-Effekt genannt(engl. to prime = vorbereiten) • Explizit: Bsp. Jedes einzelne Wohnzimmermöbel
aufzählen (Was fehlt?)
IMPLIZIT EXPLIZIT
Prozedural Deklarativ
episodisch semantisch
PROZEDURALES Gedächtnis
• Fertigkeiten, wie tut man Dinge?
• Implizit vorhanden, schwer explizit abrufbar (Bsp.)
DEKLARATIVES Gedächtnis
• Bezieht sich auf alle Erinnerungen an Fakten und Ereignisse
Unterteilung nach Tulving (1972) in:
• Episodisches Gedächtnis
• Semantisches Gedächtnis
Episodisches Gedächtnis
•Persönliche Ereignisse
Ausflug ins Weltall Erster Schultag
Familienausflug
Erstes Date
Jugenderinnerungen
Der Tanzkurspartner oder auch...
die „Tanzkurs“ –Partner...
• Alle Informationen in bestimmtem Kontext angeeignet und deshalb zunächst als episodische Erinnerungen vorhanden.
• Jedoch: Informationsklassen, auf die man in vielen unterschiedlichen Kontexten stößt
Semantisches Gedächtnis
•Kategorische Erinnerungen, Bedeutungen von Wörtern und Begriffen, Formeln, Fakten
Satz des Pythagoras
Paris = Hauptstadt von Frankreich
Tadsch Mahal = in Indien, Agra
D G KH L RV Y J
Übersicht
Teil 2
Skripte
(Maren Schulte)
Skripte
1. Was ist ein Skript? Wie und warum benutzen wir Skripte?
2. Kulturelle Dimension
3. Beispiel Restaurant Skript
4. Skriptarten
5. Skriptanwendung
6. Störungen in Skripten
Skripte
John went to Bill‘s birthday party.
Bill opened his presents.
John ate the cake and left.
Skripte
John was walking on the street.
He thought of cabbages.
He picked up a shoe horn.
Was ist ein Skript?
• Struktur, die angemessene Ereignissequenzen in einem bestimmten Kontext beschreibt
• Vorbestimmte, stereotype Handlungssequenz, die gut bekannte Situationen definiert
• Mit jedem Skript werden verschiedene Rollen assoziiert
Wie benutzen wir Skripte?
• Skripte werden erlernt: wir müssen oft an einer Situation teilnehmen
• Wir erkennen, dass eine standardisierte
Ereignisfolge erwähnt wurde
• Wir füllen die Handlungslücken zwischen zwei scheinbar nicht zusammenhängenden Ereignissen automatisch auf
Warum benutzen wir Skripte?
• Um an Situationen, die wir schon oft erlebt haben teilzuhaben und sie zu interpretieren
• Häufig erlebte Situationen müssen weniger verarbeitet werden
• Wir können langweilige Details weglassen
Kulturelle Dimension
• Skripte enthalten stilisierte Verhaltensmuster und –regeln
• Sie beinhalten stereotype Details, die kulturelle Einigkeit aufweisen
• Wenn wir uns auf DAS Restaurant Skript beziehen, gilt es nur für uns, denn in anderen Ländern läuft ein Restaurantbesuch anders ab
Skripte sind also Kulturspezifisch und Kontextabhängig
Beispiel Restaurant Skript
John went to a restaurant.
He asked the waitress for coq au vin.
He paid the check and left.
Beispiel Restaurant Skript
• Jedes Skript enthält Maincons (Main conceptualization): Haupthandlungen, die gebraucht werden, um Ereignisse zu verknüpfen
hier: Bestellung des Essens
Beispiel Restaurant Skript
• Innerhalb von Skripten kann es verschiedene Tracks (Spuren, Wege) geben
• Die Abläufe unterscheiden sich jeweils voneinander; man braucht für jeden Track spezielles Wissen
Beispiel Restaurant Skript
RestaurantSkript
Fancy restauranttrack
Fast food restaurant track
Cafeteriatrack
Skriptarten
1. Situational Scripts
2. Personal Scripts
3. Instrumental Scripts
Skriptarten
1. Situational Scripts:• Situation ist spezifiziert• Verschiedene Personen haben ineinander
verwobene Rollen, denen sie folgen • Personen teilen Verständnis darüber, was
passieren soll• Niemand muss sich bemühen, die Handlungen
des anderen zu entschlüsseln• Z.B. Restaurant, Bus
Skriptarten
2. Personal Scripts: • Nicht so stilisiert wie Situational Scripts• Teilnehmer sind sich ihrer Teilnahme nicht
unbedingt bewusst• Existiert nur im Kopf des Haupthandelnden• Es wird meist ein Ziel verfolgt• Kann Ritual sein (Gebet) oder emotionale
Reaktion auf etwas (der Betrogene)• Z.B. Schmeichler, Guter Samariter, Spion
Skriptarten
3. Instrumental Scripts:• Ähneln in Struktur Situational Scripts:
beschreiben vorgeschriebene Handlungssequenz• Keine Variabilität möglich, Reihenfolge der
Ereignisse ist starr• Nur ein Teilnehmer• Es treten keine unerwarteten Ereignisse auf• Z.B. Zigarette anzünden, Auto starten
Skriptanwendung
• Um zu definieren wann ein Skript angewendet wird, werden Script Headers benötigt
• Für das Restaurant Skript sind es z.B. Konzepte die zu tun haben mit Hunger, Restaurants im Kontext eines Plans, Essen zu bekommen
Skriptanwendung
1. Precondition Header (PH)
2. Instrumental Header (IH)
3. Locale Header (LH)
4. Internal Conceptualization Header (ICH)
Skriptanwendung
1. Precondition Header (PH):
• Auf der Basis der wesentlichen Skript-Voraussetzung wird die Skriptreferenz ausgelöst
• Z.B. John was hungry für Resaturant Skript
Skriptanwendung
2. Instrumental Header (IH):
• Inputs, die sich auf 2 oder mehrere Kontexte beziehen
• Einer wird als instrumentelles Mittel für die anderen gesehen
• Z.B. John took the subway to the restaurant
Skriptanwendung
3. Locale Header (LH):• Viele Situationen haben einen charakteristischen
Ort an dem sie stattfinden• Wenn man weiß, dass der Handelnde an einem
solchen Ort ist, werden Erwartungen über das Auftreten dieses Skripts verstärkt
• Z.B. John went to the Soccer Field
Skriptanwendung
4. Internal Conceptualization Header (ICH):
• Jegliche Konzeptualisierung oder Rolle eines Skripts kann in einem Text auftauchen, ob das jeweilige Skript dazu aufgerufen wird oder nicht
• Z.B. John went out with a waitress
Skriptanwendung
Fleeting vs. Non-fleeting Scripts
• Fleeting Scripts:
John took a bus to New York.
In New York he went to a museum.
Then he took a train home.
3 Skripte sind enthalten: Bus, Museum, Zug
Skriptanwendung
• Non-Fleeting Scripts:John went to a restaurant. He ordered chicken. He left a large tip.
2 Zeilen von einem Skript müssen auftreten: Header und eine weitere
Störungen in Skripten
John went to a restaurant.
He ordered a veal scallopini.
The weather was rather poor.
Störungen in Skripten
1. Distractions
2. Interferences
Störungen in Skripten
John was eating in a restaurant.
Suddenly a thief tried to run off with several coats.
The manager tackled the thief.
The police came and arrested the man.
John paid the check and left.
Störungen in Skripten
1. Distractions
Zustände oder Handlungen, die neue Ziele für den Handelnden mit sich bringen, die ihn zeitweise oder dauerhaft aus dem Skript bringen
Störungen in Skripten
2. Interferences
Zustände oder Handlungen, die normalen Fortlauf eines Skripts verhindern
Störungen in Skripten
Inteferences
Obstacles Errors
Prescriptions Loops
Störungen in Skripten
• Obstacle – Prescription - Success:
John went to a restaurant. He sat down. He discovered he didn‘t have his magnifying glass. He asked the waitress to read him the menue. She agreed.
Störungen in Skripten
Inteferences
Obstacles Errors
Prescriptions Loops
Störungen in Skripten
• Error – Loop – Success:
John went to a restaurant. He ordered chicken. The waitress told him that there was no chicken left. John had to order something else and decided to go for beef. He thought it was very delicious.
Abschließend
• Skripte sind kulturspezifisch
• Wir erlernen Skripte, wenn wir oft genug an bestimmten Situationen teilnehmen
• Skripte erlauben eine schnellere Verarbeitung von Informationen
• Sie sind ein wichtiger Bestandteil des Verständnisses
Teil 3 Schema Theorie und
KonnektionismusWie lassen sich kognitive
Prozesse modellhaft darstellen?
(Maren Schulte)
Schematheorie
• Informationsverarbeitung wird durch erlernte oder verinnerlichte geistige Strukturen herbeigeführt, die zusammenhängende Stücke unseres Wissens organisieren
• Schemata sind Sammlungen von Elementen, die zusammenarbeiten, um Informationen zu einem bestimmten Zeitpunkt zu verarbeiten
Schematheorie
• Viele Schemata sind kulturelle Schemata, weil man sie mit Menschen teilt, die die gleichen Erfahrungen gemacht haben
auch kulturelle Modelle genannt
• Rekonstruieren Erinnerungen an Vergangenheit, bestimmen Bedeutungen von jetzigen Erfahrungen, geben uns Erwartungen für die Zukunft
Frage
• Wie lassen sich solche kognitiven Prozesse des Menschen modellhaft darstellen?
Symbolorientierter Ansatz
• Symbole als kognitive Grundeinheiten• Konzepte werden durch Symbolreihen
repräsentiert, die eine syntaktische Struktur besitzen
• Informationsverarbeitung erfolgt seriell• Systeme werden mit expliziten Regeln
programmiert
Konnektionismus
• Inspiration: natürliche Nervensysteme
• Neuron (Nervenzelle)
• Dendriten (Informationsaufnahme)
• Axon (Informationsweiterleitung)
• Synapse (Verbindungsglied)
• Erregung und Hemmung
Konnektionismus
Netzwerkmodelle:• Bestehen aus Units: funktionell identisch
arbeitende Einheiten• Units sind in Schichten angeordnet: Input, Output,
Zwischenschicht• Units werden durch externe Reize oder durch
andere Units aktiviert, aktivieren andere und/oder repräsentieren Teil des Outputs
Konnektionismus
• Verarbeitungsprinzip: Übertragung von Signalen• Signalübertragung erfolgt über spezielle
Verbindungsglieder (connections) mit Gewichten (weights)
• Weights (Zahlen) zeigen die Zusammenarbeit zwischen Units an (positiv, negativ, groß, klein)
• Weights werden durch wiederholte Aussetzung von Beispielen, die gelernt werden sollen, verändert
Konnektionismus
• Netzwerke verarbeiten Informationen holistisch: ein Ereignis aktiviert alle Units, die auf Merkmale diese Ereignisses reagieren, diese Units aktivieren dann alle anderen mit denen sie durch vergangene
Assoziationen verbunden sind
Konnektionismus
• Aktivitätsmuster zwischen den Units stellen das „Wissen“ des Systems da
Besonderheiten:• Parallelität der Verarbeitung• Netzwerke werden nicht programmiert,
sondern die Informationen aus Beispielen werden eigenständig erlernt
Schemata & Konnektionismus
• Nach konnenktionistischen Modellen sind Schemata keine Sets von Sätzen, sondern Muster von Interaktionen zwischen stark verbundenen Units
• Schemata werden gelernt, wenn wiederholt an ihnen teilgenommen wird
• Schemata sind sehr kontextsensitiv, weil sie aus ganzen miteinander verknüpften Netzwerken bestehen
• Schemata sind gut gelernt, aber flexibel adaptiv und nicht starr wiederholbar
Konnektionismus & Ethnologie
Positiv:
• Helfen uns herauszufinden, was in unserem Wissen und unseren Bedeutungen stabil, was veränderbar ist
• Geben umfassenden Rahmen zum Verstehen von wichtigen Eigenschaften alltäglicher menschlicher Kognition
Konnektionismus & Ethnologie
Negativ:• Art und Weise wie kulturelles Wissen
weitergegeben wird ist zu stark vereinfacht• Modelle sind auf überwachtes Lernen angewiesen,
denn Modelle werden trainiert • Lernen von expliziten Regeln wird vernachlässigt• Emotionen und Motivationen werden außer Acht
gelassen
Teil 4
Kulturelles Gedächtnis am Beispiel der Aborigines
(Ulrike Bürger)
Erwerb sozialen Wissens am Beispiel der
Fragestellungen:Wie wird traditionelles Wissen
weitergegeben?
Inwiefern werden bei der
Weitergabe von Wissen
verschiedene Gedächtnisarten
aktiviert?
Zwei Aspekte kognitiver Anthropologie
„Inside out“
• Die Projektion der eigenen Gefühle und Gedanken in öffentlich zugängliche, greifbare Formen
„from the mind into the world“
„Outside in“
• Die Art und Weise, wie kulturelle Texte und Praktiken als Erfahrungen internalisiert werden
„from social world into mind“
„Two birth of culture“
Inside out Outside in
• Murngin leben im Nordosten Australiens
• Jeder Clan hat eigene Identität• Patrilokale Gruppe• Clans besitzen diverse Totem
Mythen
• Murngin besitzen viele Mythen, z.B. die Wawilak Ursprungsmytheist mit wichtigem Ritual der männlichen Initiation verbunden
• Mythe ist nur älteren Männern bekannt• Fundamentales Wissen ist in der Mythe
enthalten formt soziale Struktur und Religion• Ursprung der kulturellen Modelle liegt in Mythe
begründet, sowie Schemata für die Aneignung von Wissen
„second birth“- Erwerb sozialen Wissens durch Rituale
• Initiationsrituale der Murngin Männer
-Mythe wird in ritueller Form vermittelt-Von älteren Männern durchgeführt-Zeremonien sind komplex, bestehend aus Liedern und Tänzen-Initiationsrituale bestimmen den konventionellen Lebenslauf der Murngin Männer
Rituelle Transformation
Transformation des Bewußtseins
• 1. Transformation
-Schlüsselmomente werden aus der Mythe genommen, „gefroren“ („momentarily freezing“) und in ritualisierter From häufig wiederholt- Episodisches Gedächtnis wird angeregtEreignisse werden abstrakt und verallgemeinert in Archetypen (Urbilder)-Erzählung wird schematisiert und in ein grundlegendes Set an Mustern übertragen werden an das prozedurale Gedächtnis weitergegeben („grounded“)
2.Transformation
-Die Erzählung wird dekonstruiert in separaten, symbolischen Einheiten, welche Ereignisse, Handlungen, Objekte und Orte als sprachliche Symbole (z.B. Schlange) beinhaltenDiese bilden den Mythisch-Ritualen Code (Symbolsprache), der im semantischen Gedächtnis gespeichert wird
• Der zu Initiierende interpretiert etwas in die Zeremonien und transformiert die Metaphern in Bedeutungen
• Der zu Initiierende macht ein persönliche Erfahrung während der Rituale
• Ein fundamentales Schema wird allmählich zum Wissen des Initiierten
Erkenntnisse des Initiierten
• Verstehen von einer grundlegenden Mythenerzählung
• Verstehen der eigenen Lebensabschnitte
• Verstehen der Welt, in der er lebt und seiner Beziehung dazu
From Outside to Inside knowledge
Teil 5
Kulturelles Gedächtnis Assmann
Mageo (Sandra Müller/Ulrike Bürger )
Mnemosyne
Das Kulturelle Gedächtnis
• Jan Assmann 1997
Erinnerungskultur
• Gesellschaften imaginieren Selbstbilder und kontinuieren über die Generationenfolge hinweg eine Identität, indem sie auf ganz verschiedene Weise eine Kultur der Erinnerung ausbilden.
Zentrale Fragen:
• Wie erinnern sich Gesellschaften?
• Wie imaginieren sich Gesellschaften,
indem sie sich erinnern?
Maurice Halbwachs: „mémoire collective“
• „Es gibt kein mögliches Gedächtnis außerhalb derjenigen Bezugsrahmen, derer sich die in einer Gesellschaft lebenden Menschen bedienen, um ihre Erinnerungen zu fixieren und wiederzufinden.“
• => Subjekt von Gedächtnis bleibt immer der einzelne Mensch, aber in Abhängigkeit von den ‚Rahmen‘, die seine Erinnerung organisieren
Begriff des ‚kulturellen Gedächtnisses‘ bezieht sich auf eine der Außendimensionen
des menschlichen Gedächtnisses
• Das mimetische Gedächtnis
• Das Gedächtnis der Dinge
• Das kommunikative Gedächtnis
• Das kulturelle Gedächtnis
Erinnerungsfiguren
• Erinnerung verfährt konkret
• Ideen müssen versinnlicht werden, bevor sie als Erinnerungsfiguren Einlass ins Gedächtnis finden können
Erinnerungsfiguren weisen 3 Merkmale auf:
• Konkreter Bezug auf Zeit und Raum
• Konkreter Bezug auf eine Gruppe
• Rekonstruktivität
Kollektive Erinnerung verfährt bimodal:
• Biographische Erinnerung:
• ‚recent past‘
• Fundierende Erinnerung
• Usprünge
‚The Floating Gap‘ ( Jan Vansina 1985)
‚The Floating Gap‘ als typisches Phänomen schriftloser Geschichtserinnerung
• Meint die sich mit der Generationenfolge fortbewegende Grenze zwischen
Ursprungszeit und
jüngster Vergangenheit,
den zwei Ebenen historischen Bewußtseins bei mündlicher Überlieferung
Formen kollektiver Erinnerung
• Das kommunikative Gedächtnis
• Das kulturelle Gedächtnis
Formen kollektiver Erinnerung
Kommunikatives GedächtnisModus der biograph.Erinn.
Kulturelles Gedächtnis
Modus der fundier. Erinn.
Inhalt Geschichtserfahrungen im Rahmen indiv. Biographien
Mythische Urgeschichte, Ereignisse in einer absoluten Vergangenheit
Form Informell, wenig geformt, naturwüchsig, entstehend durch Interaktion, Alltag
Gestiftet, hoher Grad an Geformtheit, zeremonielle Kommunikation, Fest
MedienLebendige Erinnerung in organischen Gedächtnissen, Erfahrungen und Hörensagen
Feste Objektivationen, traditionelle symbolische Kodierung/Inszenierung in Wort, Bild, Tanz usw.
Zeitstruktur 80-100 Jahre, mit der Gegenwart mitwandernder Zeithorizont von 3-4 Generationen
Absolute Vergangenheit einer mythischen Urzeit
Träger Unspezifisch, Zeitzeugen einer Erinnerungsgemeinschaft
Spezialisierte Traditionsträger
Quelle: Assmann, Jan 1997. Das Kulturelle Gedächtnis. München: Beck. S. 56.
Ritus und Fest als primäre Organisationsformen des kulturellen
Gedächtnisses• Das identitätssichernde Wissen hat ohne die
Möglichkeit schriftlicher Speicherung keinen anderen Ort als das menschliche Gedächtnis
• Um seine normativen und formativen Impulse zur Geltung zu bringen, bedarf es 3 Funktionen:
1. Speicherung in poetischer Form
2. Abrufung durch rituelle Inszenierung
3. Mitteilung durch kollektive Partizipation
Feste und Riten sorgen durch ihre regelmäßige Wiederkehr für die Vermittlung und Weitergabe des identitätssichernden Wissens und damit für
die Reproduktion der kulturellen Identität;
rituelle Wiederholung sichert die Kohärenz der Gruppe in Raum und Zeit
Erinnerungslandschaften: ‚Mnemotope‘
• Ursprünglichstes Medium jeder Mnemotechnik ist die Verräumlichung
• Erinnerungskultur arbeitet mit Zeichensetzungen im natürlichen Raum: ganze Landschaften können als Medium des kulturellen Gedächtnisses in den Rang eines Zeichens erhoben werden
• => Semiotisierung von Landschaften
Holocaust Mahnmal Berlin 2005
Optionen des kulturellen Gedächtnisses: ‚heiße‘ und ‚kalte‘ Erinnerung
• Nach Cl. Lévi-Strauss lediglich idealtypische Pole des Zivilisationsprozesses von kalten zu heißen Gesellschaften
• Nach Assmann: Kälte und Hitze als gedächtnispolitische Strategien, die jederzeit gegeben sind; auch Vorkommen beider Elemente innerhalb einer Kultur
Quietive und Inzentive des Geschichtsbewußtseins und der Erinnerung im Kontext der Unterscheidung
zwischen ‚kalt‘ und ‚heiß‘:
• Quietive im Dienst der kalten Option: Einfrieren des Wandels; erinnerter Sinn liegt im Wiederkehrenden, Kontinuität
• Inzentive im Dienst der heißen Option: Erinnerungswürdigkeit des Besonderen, der Veränderung, aber auch der Verschlimmerung
Kulturelles Gedächtnis
Aspekte kultureller Erinnerung
Politische Erinnerung
Identität
Charakterisierung kultureller Erinnerungen
• Kulturelle Erinnerungen sind so veränderlich, wie die sozialen Dynamiken aus denen sie hervorgehen
• kulturelle Erinnerungen sind „multivocal“ (Vieldeutig)
• Austausch zwischen sozialen und persönlichen Erinnerungen
Zwei Aspekte des kulturellen Gedächtnis
• Intragruppale Erinnerung
• Intergruppale Erinnerung
Intragruppale Erinnerung
Intragruppale Erinnerung
• Intragruppale Erinnerungen können als Vokabular von Geschichten verstanden werden, die einer bestimmten Gruppe allgemein bekannt sind (Privatsprache)
• Erinnerungen werden Bedeutungen zugeordnet, die kulturellen Sinn erschaffen
• Intragruppale Erinnerungen werden durch „memory technologies“ ausgedrückt
Intertextualität
• Texte, die wir rezipieren und die wir selber produzieren, sind oft eingewoben in ein Netz anderer Texte, auf die sie sich beziehen und von denen sie nehmen bzw. gebendadurch entsteht private intertextuale Sprache
• Intertexte können als die Ressource des intragruppalen Erinnerns angesehen werden
Das kulturelle Selbst
• Die private intertextuelle Sprache und die elliptischen Bezüge intragpruppaler Erinnerungen liefern einen Verhandlungsort für das kulturelle Selbst
Fokus
• Der Fokus liegt auf dem Kontrast zwischen einer bedeutsam erachteten kulturellen Vergangenheit und ihrer Veränderung in der Gegenwart
• Intragruppale Erinnerungen liefern eine Grammatik, die es ermöglicht, historische Ereignisse in einen historischen Diskurs zu transformieren, so daß es für die Zeitgenossen einen Sinn ergibt
• Intragruppale Erinnerung scheint exklusiv zu sein, de facto werden jedoch fremde Erfahrungen integriert
Persönliche Erinnerungen• Aufgrund der intertextuellen Natur intragruppaler
Erinnerungen werden kollektive und persönliche Erfahrungen nebeneinander gestellt
• Affektiver Gehalt:• Differenz zwischen dem was wir schätzen und dem was wir leben; symbolisiert die persönliche Erfahrung des Verlustes • Geht das Gefühl des unmittelbaren Verlustes in eine distanzierte Erinnerung über, so kann man von Nostalgie sprechen• Wertschätzen vergangener Zeiten und den darin erkannten Bedeutungen
Kognition• Intragruppale Erinnerungen sind blind gegenüber
der nahen Vergangenheit • Auslassungen ähneln einer Amnesie:
• Holographisches Erinnern:
Kein Vergessen zeitweise Löschung
- Überlagerung von teilweise sehr ähnlichen Erinnerungsbildern potentielle Verbindungen werden erkannt- Etablierung von Schemata- Prozeß der mimetischen Unvollständigkeit: Erinnerungen werden als annähernde Kopien erkannt, wobei vielfältige Interpretationsmöglichkeiten zulässig sind
Intergruppale Erinnerung
Intergruppale Erinnerung• Suche nach einer Ursprungserzählungen, die
eindeutig die Tatsache betreffen, wer zuerst kam Ringen um soziale Ordnung
Charakteristika:- Betonung großartiger Fortschritte; Heroen, etc.- Chroniken, die von Autoritäten (und allen, die nach Autorität streben) nacherzählt werden- Wiederkehrende Figuren und Themen konstituieren ein Glossar, in dessen Licht die Geschichten gelesen werden- Erinnerungen werden selektiert missklingende Elemente werden unterdrückt
Politische Erinnerungen
• Intergruppale Erinnerungen sind an eine größere Audienz gerichtetfür Außenseiter evident
• Mit intergruppalen Ursprungserzählungen wird versucht die soziale Ordnung zu definieren bzw. zu legitimieren
• etablierte Systeme vermeiden neue Interpretationen intergruppaler Erinnerungen
Vergessen und Wissen • Intergruppale Erinnerungen basieren auf dem
Prozeß kollektiven Vergessens• Die Ursprünge, auf welche intergruppale
Erinnerungen basieren, sind de facto Zeiten eines historischen Bruch /Geschichten des Anfang
• Prozeß der mimetischen Aneignung: Geschichten, Bräuche und Werte der kulturell „Anderen“ werden als unterentwickelte Versionen eigener kultureller Schemata assimiliert
Identität
• Zu den Aspekten des kulturellen Erinnerungsvermögens korrelieren zwei Formen kultureller Identität:
• Intragruppale Erinnerung expansive Identität
• Intergruppale Erinnerung kontrastive Identität
-Das Spektrum menschlicher Entwicklungsmöglichkeiten wird erweitert
-Vielseitige Stimmen werden versöhnt
-Stärkung der kulturellen Identität durch Betonung von Gegensätzen -Identität fungiert als Schutzmantel
Was lässt sich mit einem solchen Modell erklären?
• „No memory is innocent“• Eingliederung fremder Elemente in das
intragruppale Weltverständnis• Konstruktion des kulturellen Selbst/ des kulturellen
Anderen• Erinnerung als politische Ressource
(Machtlegitimation durch Verwendung von Erinnerungsmodellen)
• Identität• kulturelle Amnesie und historisches Bewußtsein
ENDE