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55 REFORMATIONSTAG, ALLERHEILIGEN/ALLERSEELEN UND HALLOWEEN RELIGIONSUNTERRICHT KONFESSIONELL-KOOPERATIV AUS DER PRAXIS FÜR DIE PRAXIS M1 Halloween Der Name Halloween ist Englisch und stammt von „All-Hallows-Even“. Damit ist der Abend am 31. Oktober vor dem Feiertag „All Hallows“, Allerheiligen am 1. November, gemeint. Das Fest Halloween kommt aus Irland. Vor mehr als 1600 Jahren lebten dort die Kelten. Sie waren noch keine Christen. Sie feierten im Herbst ein Fest. Es war das Fest am Ende der letzten Ernte vor Beginn des Winters. In der Nacht vom 31. Oktober auf den 1. November verabschiedeten die Dru- iden, die keltischen Priester, den Sommer und feierten die Herrschaft des Todesfürsten, der immer im Winter regiert. Im keltischen Kalender war dieser Tag der Jahreswechsel. Die Kelten glaubten, dass dieser Übergang vom Sommer zum Winter für die Toten ein besonders günstiger Augenblick ist, sich wieder unter die Lebenden zu mischen. Sie glaubten, dass die Toten sich für ein Jahr lang den Körper eines Lebenden suchen. Deshalb opferten die Menschen den Toten, um zu verhindern, dass die Toten den eigenen Körper auswählten. Herumspukende Seelen sollten beruhigt werden. Dazu opferten sie ihnen „soul cakes“, das heißt übersetzt „Seelenkuchen“. Das ist vielleicht der Ursprung des Brauchs, „Süßes oder Saures“ an Haustüren zu fordern, an dem heute die Kinder so viel Spaß haben. Dieses Fest wurde noch Jahrhunderte weiter gefeiert, auch als in Irland die Menschen längst Chris- ten waren. Als es vor etwa 180 Jahren große Hungersnöte in Europa gab, flüchteten viele Iren nach Amerika. Dort feierten sie ihre Feste wie in ihrer alten Heimat. So kam Halloween nach Amerika. Mit der Zeit wurde das Fest immer größer. Früher feierten vor allem Erwachsene Halloween-Partys. Dazu verkleideten sie sich. Später wurde es zu einem Fest (auch) für die Kinder. Es gab nicht nur Verkleidungen, sondern auch Dekorationen in den Geschäften und Häusern. Auch heute schmücken sehr viele Leute ihre Hauser innen und außen mit Kürbis-Laternen, Mons- ter-Fratzen und künstlichen Spinnenweben. Dabei dekorieren sie zum Teil viel mehr als an Weih- nachten und sie feiern große Partys. Auch in Deutschland wird Halloween immer häufiger gefeiert. Viele Kinder gehen dann in Geschäfte und zu Häusern und bitten um Süßes oder Saures. In Anlehnung an: Marquard, Reiner [Hg.]: Halloween, Informationen, Anregungen und Materialien für Schule und Gemeinde, Stuttgart: Calwer Verlag, 2005, Seite 7

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REFORMATIONSTAG, ALLERHEILIGEN/ALLERSEELEN UND HALLOWEEN

RELIGIONSUNTERRICHT KONFESSIONELL-KOOPERATIV AUS DER PRAXIS FÜR DIE PRAXIS

M1Halloween

Der Name Halloween ist Englisch und stammt von „All-Hallows-Even“. Damit ist der Abend am 31. Oktober vor dem Feiertag „All Hallows“, Allerheiligen am 1. November, gemeint.

Das Fest Halloween kommt aus Irland. Vor mehr als 1600 Jahren lebten dort die Kelten. Sie waren noch keine Christen. Sie feierten im Herbst ein Fest. Es war das Fest am Ende der letzten Ernte vor Beginn des Winters. In der Nacht vom 31. Oktober auf den 1. November verabschiedeten die Dru-iden, die keltischen Priester, den Sommer und feierten die Herrschaft des Todesfürsten, der immer im Winter regiert. Im keltischen Kalender war dieser Tag der Jahreswechsel.

Die Kelten glaubten, dass dieser Übergang vom Sommer zum Winter für die Toten ein besonders günstiger Augenblick ist, sich wieder unter die Lebenden zu mischen. Sie glaubten, dass die Toten sich für ein Jahr lang den Körper eines Lebenden suchen. Deshalb opferten die Menschen den Toten, um zu verhindern, dass die Toten den eigenen Körper auswählten. Herumspukende Seelen sollten beruhigt werden. Dazu opferten sie ihnen „soul cakes“, das heißt übersetzt „Seelenkuchen“. Das ist vielleicht der Ursprung des Brauchs, „Süßes oder Saures“ an Haustüren zu fordern, an dem heute die Kinder so viel Spaß haben.

Dieses Fest wurde noch Jahrhunderte weiter gefeiert, auch als in Irland die Menschen längst Chris-ten waren. Als es vor etwa 180 Jahren große Hungersnöte in Europa gab, flüchteten viele Iren nach Amerika. Dort feierten sie ihre Feste wie in ihrer alten Heimat. So kam Halloween nach Amerika. Mit der Zeit wurde das Fest immer größer. Früher feierten vor allem Erwachsene Halloween-Partys. Dazu verkleideten sie sich. Später wurde es zu einem Fest (auch) für die Kinder. Es gab nicht nur Verkleidungen, sondern auch Dekorationen in den Geschäften und Häusern.

Auch heute schmücken sehr viele Leute ihre Hauser innen und außen mit Kürbis-Laternen, Mons-ter-Fratzen und künstlichen Spinnenweben. Dabei dekorieren sie zum Teil viel mehr als an Weih-nachten und sie feiern große Partys. Auch in Deutschland wird Halloween immer häufiger gefeiert. Viele Kinder gehen dann in Geschäfte und zu Häusern und bitten um Süßes oder Saures.

In Anlehnung an: Marquard, Reiner [Hg.]: Halloween, Informationen, Anregungen und Materialien für Schule und Gemeinde, Stuttgart: Calwer Verlag, 2005, Seite 7

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AUS DER PRAXIS FÜR DIE PRAXIS RELIGIONSUNTERRICHT KONFESSIONELL-KOOPERATIV

M2Jack O´Lantern am Halloweenabend

Bild: ©Basil Wolfrhine (CC BY-SA 3.0) – wikimedia.de

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M3Reformationstag (31. Oktober)

In der Zeit, in der Martin Luther lebte, hatten die Menschen große Ängste. Sie hatten Angst, dass Gott sie nach ihrem Tod für ihre Fehler bestrafen würde. Sie glaubten, sie würden dann in die Höl-le kommen. Sie wollten daher alles tun, damit sie Gott gefallen. Daher glaubten sie auch alles, was ihnen die Kirche sagte. Die Kirche sagte zum Beispiel, dass Gott ihnen die Zeit im Fegefeuer kürzen würde, wenn sie Ablassbriefe der Kirche kaufen würden. Aus Angst vor der Zeit nach ih-rem Tod machten die Menschen dies.

Am 31. Oktober 1517 gab Martin Luther seine „95 Thesen“ heraus. In diesen Thesen hatte Luther seine Gedanken zur Kirche aufgeschrie-ben. Er wollte sie verändern. Es waren zum Bei-spiel kritische Gedanken über den Verkauf von Ablassbriefen, über die Vergebung der Sünden durch Gott oder die Liebe von Gott.

Luther schickte seine Thesen auch an einige Verantwortliche in der Kirche. Er wollte mit ihnen darü-ber diskutieren. Schon vor der Herausgabe seiner Thesen hatte Luther den Erzbischof Albrecht von Mainz aufgefordert, die Ablasspraxis in seinem Gebiet zu ändern.

Es wird erzählt, dass Martin Luther diese Thesen auch an der Tür der Schlosskirche in Wittenberg angebracht hat. Es ist allerdings nicht sicher, dass er dies tatsächlich gemacht hat.

Außer Martin Luther gab es noch andere Reformatoren wie auch Ulrich Zwingli und Johannes Cal-vin. Auch sie wollten die Kirche verändern – reformieren. Sie alle forderten, dass die Kirche sich an die Bibel halten müsste. Das sollte die Grundlage für die Kirche sein. Die Kirche müsste sich immer verändern, erneuern. Doch sie setzten sich mit ihren Forderungen in der Kirche nicht durch. So kam es zu einer Trennung. Es entstanden die evangelischen Kirchen. Sie werden auch protestantischen Kirchen genannt.

Am Anfang wurde der Reformationstag in den evangelischen Kirchengemeinden an ganz unter-schiedlichen Tagen im Jahr gefeiert. Oft war es an dem Tag, an dem die jeweilige Region oder die betreffende Stadt evangelisch geworden war. Erst ungefähr 200 Jahre später setzte sich nach und nach der 31. Oktober als gemeinsamer Gedenktag zur Reformation durch. Heute ist dieser Tag in Deutschland in einigen Bundesländern sogar ein gesetzlicher Feiertag.

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AUS DER PRAXIS FÜR DIE PRAXIS RELIGIONSUNTERRICHT KONFESSIONELL-KOOPERATIV

M4Allerheiligen (1. November)

Allerheiligen wird vor allem von katholischen Christen gefeiert. Das Fest hat viel mit dem Fest Allerseelen zu tun, das am 2. November gefeiert wird. Beide Feiertage haben etwas mit dem Tod zu tun. Es ist ein Fest für die Heiligen, die bereits gestorben sind. Dass die Heiligen, die Toten und das Leben nach dem Tod zusammenhängen, wird bei beiden Festen sehr deutlich.

Bei den ersten Christen wurden alle Männer, Frauen und Kinder, die zur christlichen Gemein-de gehörten, Heilige genannt. Davon berichten viele Stellen im Neuen Testament der Bibel.

Im 2. Jahrhundert begann die Verehrung von be-sonderen Heiligen. Es fanden Abendmahlsfeiern an den Gräbern von berühmten Märtyrern statt. Märtyrer waren zunächst Zeugen von Christus. Später waren es Christen, die getötet wurden, weil sie Christen waren. Sie wurden als Vorbilder verehrt.

Durch „Märtyrerakten“, die von Gemeinde zu Gemeinde weitergegeben wurden, verbreiteten sich die Gedächtnisfeiern auch außerhalb der Begräbnisorte. Man versammelte sich nicht mehr an den Gräbern, sondern an Reliquien und Bildern. In den Kirchen wurden Kapellen und besondere Altäre gebaut. Dann wurden nicht mehr nur Märtyrer als Heilige verehrt, sondern auch andere besondere Menschen von der ersten Christenheit. Im 9. Jahrhundert legte Papst Gregor IV. ein Fest für alle diese Heiligen fest. Es sollte am 1. November stattfinden.

Langsam veränderte sich das Verhältnis der Menschen zu ihren Heiligen. Das Leben von den Heili-gen wurde nicht mehr hauptsächlich zum Nachahmen gesehen. Die Menschen hatten immer mehr den Wunsch, die Heiligen als Fürsprecher und Helfer anzusehen.

Im Mittelalter nahm die Zahl von den Heiligenfesten sehr zu. Für jede Lebenssituation, für alle Be-rufsgruppen, für jede Art von Katastrophen gab es besondere Heilige. Durch die Reformation wurde ihre Bedeutung wieder verringert. Auch in der katholischen Kirche wurde die Zahl der Heiligenfeste verringert. 1969 wurde festgelegt: „Die Heiligen dürfen verehrt“ und „zu unserem Nutzen angerufen werden“.

Heute ist Allerheiligen das Fest, an dem auch an die vorbildlichen Menschen gedacht wird, die nicht offiziell zum Kreis der Heiligen gehören. Wie bei den ersten Christen sehen sich die getauften Gläu-bigen selbst als Heilige, als Kinder Gottes. So ist Allerheiligen das „Familienfest“ der Katholiken. Sie denken an diesem Tag an alle Christen in der Welt. Dies geschieht bei den evangelischen Christen an Pfingsten.

An Allerheiligen ehren die Katholiken die Heiligen. Sie schmücken ihre Bildnisse, berühren und küssen sie, opfern Geld und Kerzen und nehmen manchmal kleine Heiligenbilder mit nach Hause.

In Anlehnung an: Getrud Wagemann, Feste der Religionen – Begegnung der Kulturen, München 2002, S. 90-94

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M5Allerseelen (2. November)

In der Zeit, in der Martin Luther lebte, hatten die Allerseelen ist in der katholischen Kirche der Feiertag, an dem die Menschen an alle Ver-storbenen und auch an den eigenen Tod den-ken. Früher wurde an diesem Tag besonders für die „armen Seelen“ im Fegefeuer gebetet. Die Menschen glaubten, dass die Seelen von gestorbenen Menschen eine bestimmte Zeit im Fegefeuer verbringen müssen, bevor sie in den Himmel kommen.

Wahrscheinlich fand diese Gedächtnisfeier für alle Verstorbenen ursprünglich am 1. November statt. Im 9. Jahrhundert wurde das Fest Allerhei-ligen auf den 1. November gelegt und schließlich Allerseelen auf den 2. November verschoben.

Für den Feiertag Allerseelen werden die Gräber gepflegt und mit grünen Zweigen, Kränzen und frischen Blumen geschmückt. Es werden Lich-ter daraufgestellt. Sie erhellen den ernsten Ort. Sie erinnern an das Wort von Christus: „Ich bin das Licht der Welt“ (Johannes 8, 12) und an die Auferstehung aller Toten. In vielen Gemeinden fei-ern die Gläubigen mit ihrem Priester in der Kapelle auf dem Friedhof eine Totenmesse. Anschlie-ßend ziehen sie in einer Lichterprozession die Wege entlang und stellen die brennenden, kleinen Lampen auf die Gräber. Der Priester besprengt die Gräber mit Weihwasser und segnet sie.

Die Lichter auf den Gräbern erinnern auch an den alten Volksglauben, dass in diesen dunklen Tagen die Seelen der Verstorbenen auf die Erde zurückkehren. Sie sollen dort umherwandern und mit Hilfe der Lichter wieder den Weg in ihre Gräber zurückfinden. Früher brachten die An-gehörigen ihnen auch Speisen und Getränke zu den Gräbern. Aus dem gleichen Grund war es in manchen Orten üblich, für die Toten des vergangenen Jahres einen Platz am Esstisch einen Platz mitzudecken.

In vielen Gemeinden versammeln sich die Gläubigen mit ihrem Priester in der Kapelle des Fried-hofs, um eine Totenmesse zu feiern. Anschließend ziehen sie in einer Lichterprozession die Wege entlang und stellen die brennenden, kleinen Lampen auf die Gräber. Der Priester besprengt die Grabstatten mit Weihwasser und segnet sie.

Die evangelischen Christen denken am letzten Sonntag im Kirchenjahr, dem Ewigkeitssonntag oder Totensonntag, an die Gestorbenen.

In Anlehnung an: Getrud Wagemann, Feste der Religionen – Begegnung der Kulturen, München 2002, S. 90-94

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AUS DER PRAXIS FÜR DIE PRAXIS RELIGIONSUNTERRICHT KONFESSIONELL-KOOPERATIV

M6Urnenhain zu Allerseelen

Bild: ©Juergen Moestl (CC BY-SA 3.0) – wikimedia.de

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M7Unfallkreuz am Straßenrand

Arbeitsanregungen und Fragen:

� Beschreibe, wie diese Hinterbliebenen ihrer Verstorbenen gedenken! Würdest du es genauso tun?

� Warum stellen Angehörige und Freunde Kreuze und Blumenschmuck an Unfallstellen auf?

� Sammelt „In Memoriam“-Anzeigen und besprecht, was ihr davon haltet!

� Wie wird in deinem Umfeld an die Verstorbenen gedacht?

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AUS DER PRAXIS FÜR DIE PRAXIS RELIGIONSUNTERRICHT KONFESSIONELL-KOOPERATIV

M8Mexikanisches Totenfest

Der Día de los Muertos (Tag der Toten) ist einer der wichtigsten mexikanischen Feiertage, an dem in Mexiko traditionell der Verstorbenen gedacht wird. Die Vorbereitungszeit für die Feierlichkeiten beginnt Mitte Oktober, gefeiert wird in den Tagen vom 31. Oktober bis Allerseelen (2. November). Dabei wird der Día de los Muertos je nach Region auf verschiedene Weise gefeiert.

Das Brauchtum zum Tag der Toten wurde 2003 von der UNESCO zum Meisterwerk des mündlichen und immateriellen Erbes der Menschheit ernannt und 2008 offiziell in die Repräsentative Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit übernommen. Die Feierlichkeiten in ihrer traditionellen Form gelten als bedroht, da sie nach und nach von dem eher kommerziell ausgerichteten Hallo-ween-Brauch aus Nordamerika überformt werden.

� Stellt euch vor, ihr seid in Mexiko geboren – Was gefällt euch, wie dort Allerseelen gefeiert wird? Was würdet ihr anders machen?

Bild: ©Eneas de Troya (CC BY-SA 2.0) – wikimedia.de

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M9Heiligenverehrung – Nikolauskapelle im Aachner Dom

Bild: ©CaS2000 (CC BY-SA 3.0) – wikimedia.de

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AUS DER PRAXIS FÜR DIE PRAXIS RELIGIONSUNTERRICHT KONFESSIONELL-KOOPERATIV

M10Heilige und ihre Verehrung

In fast allen Religionen werden Menschen als Heilige verehrt. Dabei handelt es sich um Perso-nen, die mit ihrem Einsatz für den Glauben zum Vorbild geworden sind.

In der Zeit der Entstehung der christlichen Kir-che wurden zunächst alle, die sich zu Christus bekannten, „Heilige“ genannt. Das ist auch ge-meint, wenn wir im Glaubensbekenntnis von der „Gemeinschaft der Heiligen“ sprechen. Später bezeichnete man vor allem diejenigen als Hei-lige, die wie die Jünger Jesu in der direkten Nachfolge Christi standen.

In den Zeiten der Christenverfolgung wurden die Märtyrer besonders hervorgehoben, die durch große Leiden bis zum gewaltsamen Tod Zeug-nis für ihren Glauben abgelegt hatten. Schon die Apostelgeschichte berichtet über die Steinigung des Stephanus. Für Märtyrer wurden besondere Gräber errichtet und ihr Todestag als Gedenk-tag gefeiert. Häufig baute man später über die Grabstätten dieser Heiligen Kirchen, wie z.B. den Petersdom in Rom an der Stelle, an der der Heilige Petrus begraben sein soll.

Auch über den Tod hinaus wurde den Heiligen helfende Kraft in vielerlei Nöten zugesprochen: der Heilige Sebastian sollte bei Pest helfen, der Heilige Antonius beim Wiederfinden von Verlo-renem und der Heilige Nikolaus bei Gefahr auf Reisen und auf hoher See.

So wurden die Grab- und Gedenkstätten bald Ziel von Wahlfahrten und Pilgerreisen. Und mit der Zeit entwickelte sich an solchen Orten ein re-ges Geschäftsleben. Im 9. und 10. Jahrhundert nahm die Zahl der verehrten Heiligen so stark zu, dass die Kirche klare Kriterien für eine Heilig-sprechung formulieren musste, die auch heute noch Geltung haben: Der Verstorbene muss in seiner gottgefälligen Lebensführung ein Vorbild für die Gläubigen sein und muss zu Lebzeiten oder nach seinem Tod Wunder gewirkt haben.

Heiligenlegenden erzählen vom Leben und Wir-ken dieser vorbildlichen Männer und Frauen. Und schon im Mittelalter wurden die zahlreichen Gedenktage in Heiligenkalendern aufgeführt. Oft erhielten neugeborene Kinder den Namen des Heiligen, der an ihrem Geburts- oder Tauftag im Heiligenkalender steht. Berühmtes Beispiel ist Martin Luther. Er wurde einen Tag nach seiner Geburt, am 11. November 1483 am Namenstag des Heiligen Martins von Tours auf dessen Na-men getauft.

Heilige werde, wie auch Maria, als Vorbild ver-ehrt und um Schutz und Hilfe angerufen, nicht aber angebetet. In der Zeit der Reformation sahen Luther, Calvin und Zwingli die Heiligen-verehrung sehr kritisch. Nach der römisch-ka-tholischen Lehre haben Jesus Christus und die Heiligen durch ihr vorbildliches Leben einen „Gnadenschatz“ angesammelt, den die Kirche verwaltet und an reuige Sünder weitergeben kann. Dies steht im Widerspruch zu der refor-matorischen Überzeugung, dass Jesus Chris-tus allein der Mittler zwischen Gott und Mensch sein kann.

Aber auch in der katholischen Kirche gab es immer wieder kritische Stimmen zur Bedeu-tung und zur Verehrung der Heiligen. So wurden zum Beispiel mit der neuen Grundordnung des Kirchenjahres (1969) die Zahl der Heiligenfeste reduziert und es sind seitdem nur die Heilige zu-gelassen, die historisch bezeugt sind.

Personen, an deren Vorbild die Menschen sich orientieren können, gibt es aber auch in der evangelischen Kirche. Neben Martin Luther ge-hören zu ihnen Dietrich Bonhoeffer und Martin Luther King. Über Konfessionsgrenzen hinweg finden „Volksheilige“ wie Sankt Martin, Sankt Nikolaus, der Heilige Franziskus und die Heilige Elisabeth sowie Mutter Theresa die Anerken-nung als Vorbild.

Arbeitsanregungen und Fragen: � Sammelt, was euch zu dem Wort „Heilige“ einfällt und clustert eure Gedanken! � Klärt, was Heilige sind und wie eine Person für heilig erklärt wird. � Diskutiert, inwiefern es „evangelische Heilige“ gibt.

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M11Die Seelenwaage – Das Jüngste Gericht, Triptychon,

Mitteltafel von Hans Memling

Arbeitsanregungen: � Schau dir das Bild in Ruhe an – welche Gefühle löst es bei dir aus? Schreibe sie auf!

� Male/zeichne dein Bild vom Himmel bzw. von der Hölle!

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Jüngstes Gericht, Triptychon von Hans MemlingM12

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M13Die Hölle – Das Jüngste Gericht, Triptychon,

Ausschnitt Seitentafel, von Hans Memling

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AUS DER PRAXIS FÜR DIE PRAXIS RELIGIONSUNTERRICHT KONFESSIONELL-KOOPERATIV

M14Höllenangst und Seelenpein

Allgegenwärtigkeit des Todes

Der Tod war im Mittelalter öffentlicher und alltäglicher Bestandteil des Lebens. Er wurde weitaus weniger tabuisiert als in unserer heutigen Gesellschaft. Er war ständiger Begleiter der Menschen, die immer wieder aufs Neue mit dem Tod konfrontiert waren und sich ständig auf den Tod vor-bereiteten.

Totentanzdarstellungen an Kirchhofmauern, in Kreuzgängen oder in der Buchmalerei zeigen, dass der Tod allgegenwärtig war. „Mitten im Leben sind wir vom Tod umgeben“ („Media via in morte sumus“, Notker von St. Gallen, 9. Jahrhundert) war die durch solche Darstellungen transportierte Botschaft. Vertreter aller Stände, jeden Alters und Geschlechts tanzten mit halbverwesten Toten-gestalten oder mit dem Tod. Der Tod konfrontierte den Menschen mit einer spezifischen Kritik an seiner Lebensführung. Der Betrachter sollte zum Nachdenken über seine Unzulänglichkeit und Endlichkeit bewegt werden. Jeder sollte den Tod vor Augen haben, an sein Seelenheil denken und umkehren.

Höllenangst und Seelenheil

Eine Pilgerreise, einmal im Leben zu einer heiligen Stätte oder einem Wallfahrtsort unternommen, spiegelte die Vorstellung der Menschen im Mittelalter wieder, sich auf einer Reise zu befinden, bei der das diesseitige irdische Leben nur Übergangs- und Durchgangsstadium in ein besseres Leben im Jenseits war. Taten der Buße und gute Werke bereiteten dabei auf das Leben im Jenseits vor.

Trotz der Erwartung einer besseren Welt im Jenseits fürchtete man die Zeit der Buße im Fegefeuer und hatte Angst, in der Hölle zu „schmoren“ und auf ewig verdammt zu sein. Diese Strafe ließ sich umgehen, indem man sich im Diesseits nichts zuschulden kommen ließ bzw. seine Schuld bereute und büßte. Reichtum und Armut galten als von Gott gegeben. Besitzende taten Gutes, indem sie Bedürftige z.B. mit Nahrungsmitteln versorgten. Bettler sahen darin einen Ausdruck von Gottes Fürsorge. Die Kirche gab den Reichen zu verstehen, dass Almosen sie vor der Verdamm-nis erretten konnten. Die Reichen hofften, sich damit das ewige Leben erkaufen zu können.

Der Eintritt in ein Kloster bot die größtmögliche Garantie auf ein positives Leben im Jenseits. Ohne persönlichen Besitz, allein um Gott zu dienen, betete man, las religiöse Schriften und ver-diente seinen Unterhalt mit eigener Hände Arbeit. Eine Aufgabe der Klöster bestand in der Versor-gung von Bedürftigen. Dabei spielten Spitäler als Fürsorgeeinrichtungen im Mittelalter eine kaum zu unterschätzende Rolle. Sie dienten als Anlaufstation für Pilger und Kranke, Alte und Waisen. Meist von Klöstern verwaltet, finanzierten sich die Spitäler aus Spenden, Schenkungen, Stiftun-gen, Pfründen und Testamentszuwendungen.

Quelle: https://www.planet-schule.de/wissenspool/die-stadt-im-spaeten-mittelalter/inhalt/hintergrund/hoellenangst-und-

seelenheil.html, Zugriff am 25.06.2018

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Ablasshandel und Luthers 95 Thesen

Als Martin Luther den Ablass kennenlernte, gab es ihn schon mehrere hundert Jahre. Er spielte im religiösen Leben eine wich-tige Rolle. Er ermöglichte dem einzelnen Gläubigen durch gute Werke (Gebete, Spenden, Pilgerreisen) seine Sünden zu büßen und wiedergutzumachen.

Man glaubte im Mittelalter, dass Jesus Christus und die Heiligen einen „Gnaden-schatz“ hinterlassen haben, den die Kirche verwaltet. Von diesem Schatz konnte der Sünder einen Teil erwerben. Es wurden ihm dadurch zeitliche Sündenstrafen und Fegefeuer erlassen, nicht jedoch die Sün-den selbst vergeben.

Dieser ursprüngliche Sinn des Ablasses war den meisten Menschen nicht klar. Sie sahen in den Ablassbriefen eine Art „Ver-sicherungsschein für das ewige Leben“. Sie dachten, durch den Kauf eines solchen Briefes sei auch ein Nachlass von Sünden-schuld und ewigen Strafen verbunden.

Zu Luthers Zeit wurde der Ablass immer mehr zu einem Geschäft. Kirchliche Würdenträger lie-ßen von den Ablassgeldern teure Gebäude errichten und führten ein Leben in Luxus. So wurde beispielsweise Erzbischof Albrecht von Mainz vom Papst für acht Jahre die Verwaltung des Ablasses übertragen, mit dem der Petersdom in Rom neu gebaut werden sollte. Einen Teil des eingenommenen Geldes durfte der Erzbischof selbst behalten.

Arbeitsanregungen und Fragen:

� Lies den Text „Ablasshandel und Luthers 95 Thesen“. Markiere einzelne Wörter und erkläre, was sie bedeuten (Hilfekärtchen beim Lehrer).

� Schreibe mit deinen Worten auf, was Ablass bedeutet!

� Entwickle ein Schaubild zum Ablass!

� Überlegt euch ein Rollenspiel zwischen Ablassprediger und verschiedenen Leuten (Bauer, Adliger) (Einstieg vorgegeben: Rolle der Ablassprediger)!

� Entwickelt ein Verkaufsgespräch von Tetzel!

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AUS DER PRAXIS FÜR DIE PRAXIS RELIGIONSUNTERRICHT KONFESSIONELL-KOOPERATIV

M16Aus den 95 Thesen Martin Luthers

1. Als unser Herr und Meister Jesus Christus sagte: „Tut Buße, denn das Himmelreich ist nahe herbeigekommen“, wollte er, dass das ganze Leben der Glaubenden Buße sei.

5. Der Papst will und kann nicht irgendwelche Strafen erlassen, außer denen, die er nach dem eigenen oder nach dem Urteil von Kirchenrechtssätzen auferlegt hat.

21. Es irren daher diejenigen Ablassprediger, die da sagen, dass ein Mensch durch Ablässe des Papstes von jeder Strafe gelöst und errettet wird.

27. Lug und Trug predigen diejenigen, die sagen, die Seele erhebe sich aus dem Fegfeuer, sobald die Münze klingelnd in den Kasten fällt.

32. In Ewigkeit werden mit ihren Lehrern jene verdammt werden, die glauben, sich durch Ablassbriefe ihres Heils versichert zu haben.

36. Jeder wahrhaft reumütige Christ erlangt vollkommenen Erlass von Strafe und Schuld; der ihm auch ohne Ablassbriefe zukommt.

37. Jeder wahre Christ, lebend oder tot, hat, ihm von Gott geschenkt, teil an allen Gütern Christi und der Kirche, auch ohne Ablassbriefe.

43. Man muss die Christen lehren: Wer einem Armen gibt oder einem Bedürftigen leiht, handelt besser, als wenn er Ablässe kaufte.

50. Man muss die Christen lehren: Wenn der Papst das Geldeintreiben der Ablassprediger kennte, wäre es ihm lieber, dass die Basilika des Heiligen Petrus in Schutt und Asche sinkt als dass sie erbaut wird aus Haut, Fleisch und Knochen seiner Schafe.

62. Der wahre Schatz der Kirche ist das heilige Evangelium der Herrlichkeit und Gnade Gottes.

67. Die Ablässe, die die Prediger als „allergrößte Gnaden“ ausschreien, sind im Hinblick auf die Gewinnsteigerung tatsächlich als solche zu verstehen.

68. Doch in Wahrheit sind sie die allerkleinsten, gemessen an der Gnade Gottes und seiner Barmherzigkeit im Kreuz.

94. Man muss die Christen ermutigen, darauf bedacht zu sein, dass sie ihrem Haupt Christus durch Leiden, Tod und Hölle nachfolgen.

95. Und so dürfen sie darauf vertrauen, eher durch viele Trübsale hindurch in den Himmel einzugehen als durch die Sicherheit eines Friedens.

Arbeitsanregungen und Fragen: � Welche These überrascht dich? Welches ist die wichtigste These? � Was setzt Luther der Ablasspredigt entgegen? Wodurch erfährt der Christ Vergebung? � Trotz aller Kritik nimmt Luther den Papst in Schutz – wo ist das erkennbar? � Luther unterscheidet zwei Arten von Ablass – welcher kann durch den Kauf

eines Ablassbriefes erlangt werden?

Quelle: https://www.ekd.de/95-Thesen-10864.htm

Auszug aus der neuen Übersetzung der lateinischen Lutherschrift „Disputation zur Klärung der Kraft der Ablässe“ (kurz: „95 The-sen“) von Johannes Schilling und Reinhard Schwarz aus: Lateinisch-Deutsche Studienausgabe (hrgs. von Wilfried Härle, Johannes Schilling und Günther Wartenberg unter Mitarbeit von Michael Beyer), Band 2: Christusglaube und Rechtfertigung, hrsg. von Jo-hannes Schilling, Leipzig 2006, S. 1-15. Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung der Evangelische Verlagsanstalt.

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REFORMATIONSTAG, ALLERHEILIGEN/ALLERSEELEN UND HALLOWEEN

RELIGIONSUNTERRICHT KONFESSIONELL-KOOPERATIV AUS DER PRAXIS FÜR DIE PRAXIS

Gott neu entdecken

„Die Liebe Gottes findet das für sie Liebenswerte nicht vor, sondern schafft es.“ (Martin Luther)

Römer 3, 28: „So halten wir nun dafür, dass der Mensch gerecht wird ohne des Gesetzes Werke, allein durch den Glauben.“

Rechtfertigung

Wer bin ich? Eine sehr grundsätzliche Frage. Und eine, der man sich stellen muss. Wer bin ich? Was bin ich? Woher komme ich? Wohin gehe ich? Was gibt meinem Leben Sinn und Halt? Viele Menschen kennen die Erfahrung, dass sie selbst nicht genügen. Was sie auch tun, es reicht nicht. Dann bleibt sie offen und bedrängt mich, die Frage, wer ich bin.

Auch Martin Luther hat sich diese Frage gestellt. Bei ihm lautete sie: „Wie bekomme ich einen gnädigen Gott?“ Luther rang intensiv mit der Bibel und mit einem Bild, das er von sich selbst und von Gott hatte und das ihn in die Verzweiflung trieb. Er meinte nämlich, dass Gott ihn an seinen Taten misst und er Gott nie genügen kann. Bis er erkannte, wer er war. Nämlich ein Mensch, der sich nicht selbst erlösen kann. Kein Mensch kann das. Menschen sind in ihrer gesamten Existenz darauf angewiesen, dass Gott ihnen im Ersten und im Letzten die Hand reicht und sie in dieser Hand bewahrt. Menschen scheitern immer wieder daran, alles selbst machen zu wollen. Menschen werden von anderen Menschen geliebt — aber nicht bedingungs-los. Luther entdeckte: Aber es gibt einen, der bedingungslos liebt: Gott. Das hat Gott in Jesus Christus gezeigt. Das erste und letzte Wort über unser Leben hat Gott, der das Leben und die Menschen liebt. Und im Glauben an Gott hören wir einen großen Zuspruch: „Der Gerechte wird aus Glauben leben“ (Romer 1, 17; Habakuk 2, 4).

Luther wurde durch diese Erkenntnis befreit. Er fühlte sich wie neugeboren und meinte, ihm sei das Tor zur Freiheit aufgestoßen worden. Er fühle sich, so schrieb er einmal, als sei er „[...] durch geöffnete Tore in das Paradies selbst eingetreten.“ Er konnte sogar den Tod bejahen, weil der nicht das letzte Wort hat. Und er konnte auch dazu stehen, als Mensch immer wieder Fehler zu machen und an sich selbst, an anderen und vor Gott schuldig zu werden.

Wenn jemand an sich selber zweifelt oder gar zu verzweifeln droht, dann hilft es oft, wenn an-dere Menschen sagen oder zeigen: Du bist liebenswert — trotz deiner Schwächen, Fehler und Mangel. Das kann man sich nämlich nicht immer selber sagen. Und wenn Gott dies sagt? Was kann es Schöneres, Befreienderes geben als die Liebe Gottes zu uns Menschen! Gott neu ent-decken heißt deshalb auch: verstehen, dass Gott mich zuerst entdeckt hat.

Quelle: Gott neu entdecken. 12 Thesen zur Reformation. Kirchenleitung der EKHN (Hg.), S. 7

Link zu „Das größte Geschenk: Gottes Gnade“ aus evangelisch.de: https://www.evangelisch.de/videos/143598/08-05-2017/reformationsbotschafter-groesstes-geschenk-gottes-gnade-reformation

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REFORMATIONSTAG, ALLERHEILIGEN/ALLERSEELEN UND HALLOWEEN REFORMATIONSTAG, ALLERHEILIGEN/ALLERSEELEN UND HALLOWEEN

AUS DER PRAXIS FÜR DIE PRAXIS RELIGIONSUNTERRICHT KONFESSIONELL-KOOPERATIV

M18Die Gnade Gottes

(337) Wie werden wir erlöst?

Kein Mensch kann sich selbst erlösen. Christen glauben, dass sie von Gott erlöst werden, der dazu seinen Sohn Jesus Christus in die Welt geschickt hat. Erlösung bedeutet für uns, dass wir durch den Heiligen Geist von der Macht der Sünde befreit sind und aus der Todeszone heraus wieder zu einem Leben ohne Ende, einem Leben im Angesicht Gottes, gefunden haben.

[1987—1995, 2017—20201]

Paulus stellt fest: „Alle haben gesündigt und die Herrlichkeit Gottes verloren.“ (Rom 3,23) Die Sünde kann vor Gott, der durch und durch Gerechtigkeit und Gute ist, kein Sein haben. Wenn die Sünde nur für das Nichts würdig ist, was ist dann mit dem Sünder? In seiner Liebe hat Gott einen Weg gefunden, auf dem er die Sünde vernichtet, den Sünder aber rettet. Er macht ihn wieder „richtig“ — sprich: gerecht. Deshalb heißt Erlösung von alters her auch Rechtfertigung. Gerecht werden wir nicht aus eigener Kraft. Weder kann ein Mensch sich selbst die Sünde verzeihen, noch kann er sich selbst dem Tod entreißen. Dazu muss Gott an uns handeln, und zwar aus Barmherzigkeit, nicht etwa, weil wir es uns verdienen könnten. Gott schenkt uns in der Taufe „die Gerechtigkeit Gottes aus dem Glauben an Jesus Christus“ (Rom 3,22). Durch den Heiligen Geist, der in unsere Herzen ausgegossen ist, werden wir hineingenommen in das Sterben und Auferstehen Christi — wir sterben für die Sünde und werden zu neuem Leben in Gott geboren. Glaube, Hoffnung und Liebe ergreifen uns von Gott her und machen uns fähig, im Licht zu leben und dem Willen Gottes zu entsprechen.

(338) Was ist Gnade?

Unter Gnade verstehen wir die freie, liebevolle Zuwendung Gottes zu uns, seine helfende Güte, die Lebenskraft, die von ihm kommt. Durch Kreuz und Auferstehung wendet sich uns Gott ganz zu und teilt sich uns in der Gnade mit. Gnade ist alles, was Gott uns schenkt, ohne dass wir es im Geringsten verdienen.

[1996—1998, 2005, 2021]

„Gnade“, sagt Papst Benedikt XVI., „ist Angeschautsein von Gott, unser Berührtwerden von seiner Liebe.“ Gnade ist keine Sache, sondern die Selbstmitteilung Gottes an den Menschen. Gott gibt nie weniger als sich selbst. In der Gnade sind wir in Gott.

(339) Was macht die Gnade Gottes mit uns?

Die Gnade Gottes nimmt uns in das innere Leben des dreifaltigen Gottes hinein, in den Aus-tausch der Liebe zwischen Vater, Sohn und Heiligem Geist. Sie macht uns fähig, in der Liebe Gottes zu Leben und aus dieser Liebe heraus zu handeln.

[1999—2000, 2003—2004, 2023—20241]

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REFORMATIONSTAG, ALLERHEILIGEN/ALLERSEELEN UND HALLOWEEN

RELIGIONSUNTERRICHT KONFESSIONELL-KOOPERATIV AUS DER PRAXIS FÜR DIE PRAXIS

Die Gnade ist von oben in uns eingesenkt und aus innerweltlichen Ursachen heraus nicht zu erklären (übernatürliche Gnade). Sie macht uns — vor allem durch die Taufe — zu Kindern Gottes und Erben des Himmels (heiligmachende oder vergöttlichende Gnade). Sie schenkt uns eine bleibende innere Neigung zum Guten (habituelle Gnade). Die Gnade hilft uns, alles zu er-kennen, zu wollen und zu tun, was uns zum Guten, zu Gott und in den Himmel führt (helfende Gnade). Gnade ereignet sich in besonderer Weise in den Sakramenten, die nach dem Willen unseres Erlösers die herausgehobenen Orte der Begegnung mit Gott sind (sakramentale Gna-de). Gnade zeigt sich auch in besonderen Gnadengaben, die einzelnen Christen geschenkt sind (Charismen) oder in besonderen Kräften, die dem Stand der Ehe, dem Ordensstand und dem Geistlichen Stand verheißen sind (Standesgnade).

(341) Kann man sich durch gute Werke den Himmel verdienen?

Nein. Kein Mensch kann sich den Himmel bloß aus eigener Kraft erarbeiten. Dass wir erlöst sind, ist reine Gnade Gottes, die dennoch die freie Mitwirkung des Menschen fordert.

[2006—2011, 2025—20271]

Sosehr es die Gnade und der Glaube sind, durch die wir gerettet werden, so sehr soll sich doch an unseren guten Werken die Liebe zeigen, die Gottes Handeln an uns hervorbringt.

(342) Sollen wir alle „Heilige“ werden?

Ja. Der Sinn unseres Lebens ist es, uns in Liebe mit Gott zu vereinen, ganz Gottes Wünschen zu entsprechen. Wir sollen Gott erlauben, „sein Leben in uns zu leben“ (Mutter Teresa). Das bedeutet „heilig“ sein.

[2012—2016, 2028—20291]

Jeder Mensch stellt sich die Frage: Wer bin ich, und wozu bin ich da, wie komme ich zu mir selbst? Der Glaube antwortet: Erst in der Heiligkeit wird der Mensch das, wozu Gott ihn schuf. Erst in der Heiligkeit findet der Mensch zur wirklichen Harmonie mit sich selbst und seinem Schöpfer. Heilig-keit ist aber keine selbstgemachte Perfektion, sondern Vereinigung mit der menschgewordenen Liebe, die Christus ist. Wer so neues Leben gewinnt, der findet sich und wird heilig.

Aus: YOUCAT. Deutsch, Jugendkatechismus der Katholischen Kirche, 12., aktualis. Ausgabe 2015, YOUCAT-Foundation gGmbH, Königstein/Ts.

In [ ] Verweis auf die entsprechenden Antworten im Katechismus der Katholischen Kirche von 1997

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