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GBPress- Gregorian Biblical Press
Regimen Christianum. Weg und Ergebnisse des Gewaltenverhältnisses undGewaltenverständnisses (8. bis 14. Jahrhundert) by Wilhelm KölmelReview by: F. KempfArchivum Historiae Pontificiae, Vol. 9 (1971), pp. 430-439Published by: GBPress- Gregorian Biblical PressStable URL: http://www.jstor.org/stable/23563766 .
Accessed: 14/06/2014 19:22
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430 RECENSIONES
gustae, reges; Officiales, cives; Civitates; Dioeceses, provinciae etc. Ein
MiBgriff ist es hier freilich, « Hàretiker » einer eigenen Personengruppe zuzuweisen : eine « Ketzerliste » lafit sich schon wegen der Verschiedenheit
der Glaubensiiberzeugung nicht eindeutig festlegen; vor allem aber ist es
unmoglich, diese Grappe von den anderen genannten Personengrappen reinlich zu scheiden; da sie in alle diese iibergreift, miifiten stândig Wie
derholungen aufscheinen, wenn sie nicht im Verzeichnis gewalttatig un
terschlagen wâren; doch muB zur Ehre des Herausgebers gesagt werden, dafi diese Indices von anderer Hand angefertigt wurden. Das Inhaltsver
zeichnis zum ganzen Band, die « Tabula », befìndet sich leider nicht am
SchluU des Bandes, wo man es am liebsten suchen môchte, Und eben
sowenig ganz zu Anfang des Werks, sondern ziemlich ungliicklich ver
borgen zwischen Einleitung und Text, p. XXXIX); diese ungeschickte
Anordnung mochte es mit sich gebracht haben, da β auf ihm die Einlei
tung (praefatio) mit ihrer Unterteilung weggelassen wurde. Selbstver
stândlich hatte dieses Inhaltsverzeichnis noch betrâchtlich vervollkommnet
werden kônnen durch einlafiliche Angaben uber die Abfolge der einzelnen
in den Konzilssitzungen vorgelesenen Dokumente, damit der Leser so
eine Ubersicht hat und nicht aufs Lesen der einzelnen Seiteniiberschriften
angewiesen ist ; der Reichtum des Werks wâre dadurch viel eindracksvoller
dem Leser zum BewuBtsein gebracht worden.
Das grofiartige Werk der A.C.O. bleibt bei den bisher erstellten Kon
zilstexten nicht stehen, sondern wird, wie der Herausgeber in seinem
Vorwort versichert, im Sinne des Plans von Eduard Schwartz weiterge fiihrt bis zum Vili, allgemeinen Konzil, dem IV. Konzil von Konstanti
nopel (869-870). In diesen Pian ist auch grofiziigigerweise die Lateran
Synode vom J. 649 einbezogen, die zwar nicht zu den okumenischen Kon
zilien zàhlt, aber in sehr enger Verbindung mit dem III. Konzil von
K'pel steht durch die Behandlung des Monotheletenstreits. Das Erscheinen dieser Textausgabe des Lateranense v. 649 ist schon in Reichweite; der
gegenwartige Augenblick jedoch gebietet jedem Freund der A.C.O.-Aus
gabe, sich iiber den eben veroffentlichten Textband zu freuen und dem
Herausgeber Dank zu sagen, dafi er durch seine miihevolle Arbeit einen sichereren Zugang zur Kenntnis des II. Konzils von Konstantinopel ver
schafft hat.
A. SCHONMETZER S. I. A. SCHONMETZER S. I.
Wilhelm Kolmel, Regimen Christianum. Weg und Ergebnisse des Gewaltenverhàltnisses und Gewaltenverstàndnisses (8. bis 14. Jahrhundert). Berlin, Walter de Gruyter u. Co., 1970,
pp. XII-661.
Die Studie handelt von dem Verhâltnis zwischen geistlicher und welt
licher Gewalt, wie es das christliche Mittelalter ausgeprâgt und in seinen
Spannungen ausgetragen hat, liegt jedoch in ihrem Schwerpunkt auf dem erbitterten Streitgesprach, gefûhrt von der Wende des 13. bis zur Mitte des 14. Jhs. zwischen Publizisten hierokratischer und nationalstaatlicher
oder imperialer Einstellung. Es geht um eine historische Untersuchung, doch hofft ihr Veri., auf diesem Weg etwas zu der Diskussion beizutragen, die unsre heutige sakularisierte Gesellschaft iiber das Problem Kirche und Staat fiihrt. Mit der konstantinischen Wende gingen christliche Glau
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W. KOLMEL, REGIMES!" CHRISTIANUM 431
bensgemeinschaft und Staat, Heils- und Naturordnung einen lOOOjâhrigen Bund ein und lieBen das regimen christianum erstehen. Der Vf. zieht das Wort regimen anderen Ausdriicken (wie regnum, imperium, potestas, dominium) vor, weil es nicht blofi tatige Inhaberschaft herrschaftlicher
Gewalt besagt, sondern auch die der mittelalterlichen Herrschaft so we
sentliche lenkende Funktion betont, und zwar mit einem Bezug zum
regere, also zu monarchischer Fiihrung. Das Werk besteht aus drei Teilen. In Teil I wird die Entfaltung des
Gewaltenverhâltnisses und -verstandnisses vom 9.-13. Jahrhundert geschil dert, Teil II bringt die Kontroverse der Publizisten um 1300 bis Mitte 14. Ih., in Teil III wird versucht, im Riickblick auf die erzielten Ergeb nisse die Bedeutung des mittelalterlichen regimen christianum fur die
Entfaltung des Gewaltenverstândnisses herauszustellen. Eine erschôpfende Wiedergabe der weit ausgefàcherten Studie ist im Rahmen dieser Be
sprechung ebenso wenig moglich wie kritische Stellungnahmen zu ali
jenen Fragen, iiber die man anders denken kann.
Der Vf. beginnt mit einer begrifflichen Umschreibung des regimen christianum, indem er die Gegensatzpaare: terrenum - coeleste, huma num - divinum, carnalia - spiritualia, gladius materialis - spiritualis, potestas directa - indirecta in temporalibus, Monismus - Dualismus er klart. Es folgt eine Skizzierung von Herrschaft und Staat im Mittel
alter, des Zusammenspiels von personalen und transpersonalen Faktoren, das den Weg vom Personenstaatsverband zum Flâchenstaat bestimmte, der Reduktion der Kònigsgewalt auf allgemeine Lenkung des Volkes, auf
Fiihren des Treuverbandes, bewaffneten Schutz, zwingenden Rechtsspmch, Gebot und Verbot in der Banngewalt, auf Rechte also, die der Vf. im
Symbol des gladius materialis zusammengefafit sehen mochte. Eine sol
che Gewalt bedurfte der Légitimation sowohl von weltlicher wie von
kirchlicher Seite. Wesentlich fiir das mittelalterliche regimen christianum
war seine Offenheit zur Ûbernatur, seine Einfiigung in die sakrale Lebens
ordnung des populus christianus. Ein neues Kapitel ist dem komplexen Gebilde des Imperiums und seiner bis zum Ende des 13. Jhs. verfolgten Problematik gewidmet.
Nach diesen grundlegenden Klarungen nimmt der Vf. Imperium und
Regnum als regimen christianum in den Blick. Es kommt ihm vor allem
darauf an zu zeigen, wie die Kònigsgewalt zu einem ministerium intra
ecclesiam wurde, allerdinge einer ecclesia, die noch nicht als hierarchisch
verfafite Amtsanstalt dem Regnum gegeniiberstand, sondern corpus
Christi, universitas fidelium bedeutete. So fornite sich das Verhàltnis der
Gewalten aus in einer dynamisch offenen Kirche und in der sakralen
Gesellschaft des populus christianus. Diese Entwicklung sieht der Vf. we
sentlich gefôrdert durch die Kaiserkrônung Karls d. Gr. Im aufkommen
den westlichen Imperium gewann die polare Spannung zwischen Freiheit
der Kirche und Selbstândigkeit des Regnums eine Dichte, die sich einmal
dramatisch entladen muBte. Nach Karl d.Gr. zeichnen sich die Linien
des regimen christianum deutlicher ab. Die Einheit des Reiches wird
gesehen in der Einheit der Kirche, eine Identifizierung jedoch vermieden.
Da die persona regalis in die Kirche einbezogen ist, iibt sie eine Herr
schaft intra ecclesiam iiber den populus christianus aus, ohne dafi sie
dadurch zu einem Organ der Kirche wird. Mit Rechi lehnt der Vf. Ar
quillière's These von einer Absorption des naturrechtlichen Staates durch
die iustitia Christiana und von der weltlichen Gewalt als eines «prolon
gement nécessaire de l'autorité ecclésiastique » ab. Wenn er aufierdem
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432 RECENSIONES
gegen meine Charakterisierung der damaligen ecclesia universalis als
einer iibergreifenden, beide Rechtsbereiche umfafienden Einheit und gegen Ladner's Définition vom Staat als « function of the Church » polemisiert, so diirfte es sich um einen unerheblichen Wortstreit handeln. Der Vf.
und ich stimmen durchaus iiberein in der Ansicht, dafi es damais noch
nicht die hochmittelalterliche Trennung in zwei offentlich-rechtliche Spha ren gab, sondern blofi die Scheidung von Regnum und Sacerdotium als
zwei Funktionstragern einer Gemeinschaft, gleichsam als zwei Stânden, die demselben religios-politischen Ziel zu dienen hatten.
Anschliefiend schildert der Vf. das regimen christianum vom 10. bis 13. Jh. Zunachst arbeitet er an Hand der Krônungsordines den sakralen und kirchlichen Charakter der potestas terrena heraus und wendet sich dann dem christlichen Herrscheramt vor und nach dem Investiturstreit
zu, also dem Ûbergang von der friihmitelalterlichen Zwei-Einigkeit der Gewalten zu einem neuen Verhàltnis, bestimmt dadurch dafi einerseits das Kònigsamt entsakralisiert und auf die saecularia verwiesen, ander seits auf die spiritualia hingeordnet und so von der hierarchischen Kirche
fiir den Dienst in der Kirche angefordert wurde. In der Schilderung dieses Vorgangs hâtte der Vf. etwas stârker im Sinne von Kantorowicz's « The Kings Two Bodies » den Wandel vom « Christ-centered » zum « Law
centered kingship » betonen kônnen. Gewifi beanspruchte ζ. B. Barbarossa
noch ein Christusvikariat, aber er griindete es nicht so sehr auf die
Weihe denn auf die Wahl durch die Fiirsten, die ihm seine gottesun mittelbare Gewalt iibertrage. Das ist nicht mehr das sakramentale Chri
stusvikariat des Friihmittelalters, sondern ein irgendwie sakularisiertes
Vikariat, verstanden als Herrschaft durch gottliches Recht, mehr dem
Vater im Himmel nachgebildet als dem Sohn auf dem Aitar, ein Vika
riat, das einen neuen Bezug zu Gerechtigkeit und Gesetz anbahnte. Im
Bereich der staatlichen Entwicklung gehôrte ihm umso mehr die Zukunft
als seit der Mitte des 12. Jhs. zôgernd, endgiiltig seit Innocenz III. das
Christusvikariat vom Papsttum so exklusiv beansprucht wurde, dafi ihm
gegenuber ein zweites, dem Kaiser zustehendes Christusvikariat sich
nicht hâtte behaupten konnen. Umso stârker baute das « Law-centered
kingship » nun den ihm eigenen Rechtsbereich aus und trug so dazu
bei, dafi im 12.-13. Jh. die societas Christiana mehr und mehr den Cha
rakter einer Sakralgesellschaft verlor. Dieses Faktum spielt bei der Beur
teilung der hierokratischen Théorie eine gewichtige Rolle. Der Vf. mochte
ihr den Vorzug der klareren Fragestellung und der stârkeren Tradition
zusprechen (S. 134), es ist jedoch die Frage, inwieweit die Tradition
damais noch galt und ob der logische Zwang des Systems nicht den
Blick auf die Wirklichkeit verstellte.
Vom Ausbau der zwei Rechtsbereiche handelt der Vf. im folgenden
Kapitel « Fiirstliche und geistliche Hôchstgewalt », springt in einem neuen
Kapitel in die friihmittelalterliche Zeit zuriick, um dort gewisse Grund
lagen der potestas papae in temporalibus aufzuzeigen, kommt sodann
auf das kirchliche Verhàltnis zur Temporalgewalt im Zuge der Kirchen reform zu sprechen und beschliefit Teil I mit einer langen Abhandlung iiber die Entfaltung der hierokratischen These bis zur Mitte des 13. Jhs.
Zunâchst umreifit er die theologische und kanonistische Argumen tation und betoni dabei zu Recht, da β die hierokratische Theorie ver
schiedene Ansâtze habe, insbesondere einen soteriologischen und ekkle
siologischen und einen juridisch-hierarchischen Ansatz. Der erstere finde
sich schon bei Honorius Augustodunensis und vor allem bei Hugo von
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W. K0LMEL, REGIMEN CHRISTIANUM 433
St. Viktor, aber in einer Form, die nicht unbedingt zu einem Hierokra
tismus hâtte fiihren miissen. Eine spezifisch hierokratische Doktrin — so
diirfte auch der Vf. denken — bildeten erst Dekretisten des 12. Jhs. her
aus, indem sie das augustinistisch geprâgte Einheitsstreben der societas
Christiana in juristische Termini iibersetzten und so die weltliche Gewalt
môglichst dem Papsttum unterzuordnen suchten, allerdings im Gegen satz zu einer anderen einfluBreichen Dekretistengruppe, die die Gottes
unmittelbarkeit der weltlichen Gewalt verteidigte. Da es dem Vf. auf
die Entfaltung der hierokratischen These ankommt, interessiert er sich
nicht sehr fiir die Argumente der Gegenpartei. Und doch hatte durch
sie die Problematik der hierokratischen Position an Profil gewonnen. Ging es doch schon um ein beachtliches Streitgespràch iiber die Eigenstandig keit der weltlichen Gewalt, dessen Ernst der Vf. unterbewerten diirfte.
Das Argument: ante erat imperium quam papatus, also die Ableitung des staufischen Imperiums aus dem heidnisch-rômischen Imperium, war
nicht nur historisch (so der Vf.), sondern auch prinzipiell gemeint. Die
Verteidiger der gottesunmittelbaren Kaisergewalt versuchten damit das
Imperium, ja die weltliche Herrschaft iiberhaupt, auf eine von der Kir
che unabhângige Rechtsbasis zu stellen, eine Absicht, die besonders deut
lich ihren Ausdruck findet in der Formulierung einer Glosse: ante enim
a iure gentium regia dignitas in multis claruit. Dem Argument fehlte die
volle Durchschlagskraft, weil die naturrechtliche Begriindung des Staates,
die erst Thomas v. A. liefern solite, noch ausstand, sodaB der hierokra
tische Einwand von der nur faktischen, an sich rechtlosen Herrschaft
der heidnischen Kaiser (mit dem Verweis auf die eigene Zeit: nec enim
hodie infidèles habent principes) den dualistisch eingestellten Kanonisten
zu einer ernsten Schwierigkeit wurde und schliefilich einen ihrer Ver
treter, Laurentius Hispanus, veranlafite, das Argument fallen zu lassen.
An dieser meiner Laurentius-Deutung mu β ich trotz des Einspruchs des
Vfs. (S. 245 An. 496) festhalten (die angeschnittene Glossen-Schwierigkeit
war mir bekannt und ist in meinem Buch « Papsttum und Kaisertum
bei Innocenz III. » S. 243, A. 31 gelôst worden). Und wenn laut Alanus
die Kanonisten dariiber streiten, ob Konstitutionen weltlicher Herrscher,
die kirchlichen Kanones, aber nicht dem gôttlichen Recht zuwiderlaufen,
vor dem wetlichen Forum giiltig seien oder nicht, dann tritt wiederum
der prinzipielle Streit um die Eigenstandigkeit der weltlichen Gewalt
heraus. Sodann sucht der Vf. den Sinn der Zweischwerter-Lehre zu klaren.
Mit Recht verhâlt er sich kritisch gegeniiber den Thesen Stickler's: er
bejaht die verdienstvolle Scheidung in einen kirchlichen und in einen
koniglich-weltlichen gladius materialis, lehnt aber Sticklers Versuch ab,
die hierokratische Deutung des Kaiserschwertes auf eine Konfusion der
beiden soeben genannten Schwerterbegriffe zuriickzufiihren. Tatsâchlich
lâBt sich die hierokratische Doktrin nur von der Problematik her be
greifen, die die religiôs-politische Eînheit der mittelalterlichen Welt und
die konkrete Zeitlage des 12.-13. Jhs. geschaffen haben. Eine Fehldeutung
diirfte allerdings vorliegen, wenn der Vf. in der Lehre Bernhards von
Clairvaux den ad nutum sacerdotis zu ziehenden gladius materialis prin
zipiell dem iussus imperatoris unterstellt sieht. Kennt er denn nur die
Stelle in De consideratione und nicht auch die auf den Kreuzzug bezo
gene Briefstelle, wo natiirlich vom Kaiser nichts verlautet?
Fiir die hierokratische Lehre der Kanonisten werden als Merkmale
herausgestellt: die Ausrichtung des Problems auf das regimen christia
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434 RECENSIONES
num und nicht auf die sàkulare Herrschaft als solche, die Unterschei
dungen zwischen auctoritas papae (potestas) und administratio per im
peratorem (executio potestatis), zwischen potestas papae in temporalibus habitu und nicht effectu, die vermittelnde Funktion des Papstes in der
(notwendigen) Ûbergabe des Schwertes an den Kaiser, die freilich zu
einer solchen Uberordnung fiihrt, daB der Papst einen Kaiser notfalls
absetzen darf. Ailes in allem eine Theorie, die die Gewalten quoad func tiones trennt, also im Bereich der executio die Eigenstandigkeit des Tem
poralen wahrt und dem Papst bloB eine Verfiigungsgewalt hoherer Ord
nung mit begrenzten Interventionsrechten zuspricht. Die hohere Verfu
gungsgewalt des Papstes beruht auf seinem Primat, also auf einer Stel
lung im Raum der Kirche, die ihn zum index ordinarius omnium homi
num erhebt.
In den folgenden Ausfiihrungen iiber die Aussagen der Pâpste, in besondere Innocenz' III. und IV., diirfte die Gesamtlinie richtig gezeich net sein. Im Gegensatz zu Innocenz IV. kann man bei Innocenz III. noch nicht von einer hierokratischen Position sprechen — dafiir ist sie zu eindeutig rechtsdualistisch bestimmt —, wohl aber von dem Bestre
ben, Kirche und Welt so weit wie môglich unter dem Papst als dem vicarius Christi regis et sacerdotis zusammenzufassen. Da der Vf. mit der Innocenz-Deutung meines Buches im Grande iibereinstimmt, mochte ich seine Einspriiche gegen einige meiner Textinterpretationen nicht un ter die kritische Lupe nehmen, wohl aber soli seine Abwertung der Christianitasidee nicht unwidersprochen bleiben; ich werde unten auf sie zuriickkommen. Innocenz IV. unterscheidet sich von seinem gleichnami gen Vorganger durch eine undifferenziertere Anwendung der pâpstlichen
Vollgewalt auf den weltlichen Bereich. Als vicarius Christi ist der Papst iiber die natura humana gesetzt, aber bloB virtuell; aktuell einzugreifen vermag er nur in bestimmten Fàllen. Innocenz IV. erkennt also eine
spezifische Eigenstandigkeit des Temporalen an, er betoni den subsidia
ren, im Kern nicht sakularen Charakter der pâpstlichen potestas in
temporalibus, ubernimmt aber auf der anderen Seite nicht die von In nocenz III. vollzogene Distinktion zwischen der plenitudo potestatis ec
clesiasticae und der latitudo potestatis terrenae, sondern spricht auch hinsichtlich der pâpstlichen Temporalgewalt von der plenitudo potestatis. Hier stelli sich das Problem, dem der Vf. nun entschieden nachgeht: ist in der hierokràtischen Theorie die Temporalgewalt des Papstes geistli cher oder weltlicher Natur?
Die Antwort wird schon in Teil II, der der Kontroverse iiber das Gewaltenverhâltnis um 1300 bis zur Mitte des 14. Jhs. gewidmet ist, erar beitet und endgiiltig in Teil III gegeben. Teil II bringt teils eingehende Analysen teils mehr zusammenfassende Darlegungen der einschlâgigen Schriften, erst der hierokratisch, dann der regal oder imperiai einge stellten. Mit Vorzug untersucht sind im hierokratischen Schrifttum die Determinatio compendiosa de iurisdictione imperii, Aegidius Romanus, Jakob von Viterbo und Bonifaz Vili., im kiirzer abgehandelten Schrift tum der regal oder imperiai Denkenden liegen die Hauptakzente auf Jo hannes Quidort, Engelbert von Admont, Dante, Marsilius von Padua, Ock ham und auf den Manifesten Ludwigs des Baiern. Aufs Ganze gesehen, interessiert sich der Vf. mehr fiir die hierokratische Theorie, und zwar in ihrer vollendeten, nicht nur kanonistisch, sondern auch philosophisch theologisch bestimmten Fassung. Er fragt dabei vor allem, ob sie den Geist der gelasianischen Zweigewalten-Lehre verletzt und ob die von
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W. KÔLMEL, REGIMEN CHRISTIANUM 435
ihr geforderte sog. potestas directa papae in temporalibus die kirchliche Gewalt ihres geistlichen Charakters beraubt, also verweltlicht habe, und
gelangt zu der Ûberzeugung, selbst bei den extremsten Hierokraten bleibe
die Temporalgewalt des Papstes immer geistlicher Natur, bedeute also
keine formai weltliche potestas. Âus dem Beweisgang des Vfs. seien nur
seine Ausfiihrangen iiber Aegidius Romanus herausgegriffen. Aegidius Romanus begriindet den Staat, im Gegensatz zu manchen
anderen hierokratisch Denkenden seiner Zeit, nicht von der Natur des
Menschen her, er stelli ihn in die erbsiindliche Ordnung hinein und
richtet ihn so aus auf die Heilsgerechtigkeit, die allein imstande ist, menschliches Sein und Tun gerecht zu machen. Es gibt fur ihn zwar
eine naturale, positiv-rechtliche iustitia initiata, sie nutzt jedoch nichts, wenn sie nicht im Prozefi der iibernatiirlichen Wiedergeburt zur iustitia
perfecta erhoben wird. Da die Kirche dieses Werk der Heiligung und
des Gerecht-Machens vollzieht, erstreckt sich ihre Macht auch auf die
Temporalien. Es steht ihr iiber sie ein plenum et universale dominium
zu, und zwar sowohl ein dominium iurisdictionale et potestativum wie
utile et fructiferum. Um Aegidius richtig zu verstehen, m ufi man freilich
auf seine Unterscheidung zwischen einer iurisdictio (super temporalia)
primaria et superior und immediata et executoria achten. Die konkreten
jurisdiktionellen Eingriffe des Papstes in die Temporalien vollziehen sich
im Bereich der iurisdictio immediata et executoria und sind nur fall
weise erlaubt, (casualiter, certis causis inspectis), aber das Rechi zu
diesen Eingriffen beruht auf der immer geltenden, zur papstlichen Voll
gewalt gehorigen iurisdictio primaria, die daher Aegidius mit den Attri
buten regularis und directa genauer kennzeichnet. Wegen dieser extremen
Ausrichtung der Temporalien auf eine mit dem Papsttum identischen
Spitze nennt der Vf. das System des Aegidius « soliustistisch », betoni
jedoch mit allem Nachdruck, dafi selbst es dem Papsttum keineswegs eine eigentlich weltliche Gewalt zuschreibe. Die iurisdictio primaria be
finde sich auf einer anderen Seinsebene als die potestas terrena; we
sentlich geistlicher Natur, sei sie als Weisungsgewalt zu deuten, die kraft
ihres spiritualen Wesens den Temporalien vorgeordnet sei, sie zu lenken
und zugleich zu vervollkommen habe. Wenn sie Aegidius eine potestas directa nenne, so denke er lediglieli an eine direkte Hinordnung des
Zeitlichen auf das Geistliche, nicht aber an eine weltliche Gewalt um
des Weltlichen willen, die den Papst zum weltlichen Souverân mache.
Die direkte Gewalt bedeute daher bei Aegidius zugleich auch indirekte
Gewalt; sie meine im Grande dasselbe, was spâter Bellarmin, Suarez
und andere, wenn auch in einer verschiedenen spekulativen, gedanklich klareren Form, als potestas indirecta erarbeitet hatten. Vergleiche man
den Denkstil des Aegidius mit der apodiktischen Aussageweise der hie
rokratisch eingestellten Kanonisten, so verscharfe seine Doktrin zwar die
hierokratische Position des Papsttums zum « Soliustismus », sie mildere
sie aber auch durch ein vertieftes theologisches Verstandnis und nehme
die Zuge einer « ekklesiarchen » Doktrin an. Die ekklesiarche Pragung
in den einschlâgigen Schriften aufzuweisen, ist ein Hauptanliegen der
in Teil II vorgelegten Analysen. Der Vf. verfolgt es auch noch in Teil III insofern, als er dort unter
anderem die hierokratisch-ekklesiarche Doktrin in das eigentliche Thema
seines Werkes, nâmlich in das rechte Verstandnis des mittelalterlichen
regimen christianum, einzuordnen sucht. Seiner Ansicht nach geht es bei
der sog. potestas directa in temporalibus um eine spiritual-temporale
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436 RECENSIONES
Vollgewalt des Papstes, wobei spiritual das Subjekt, material das Ma
terialobjekt bedeute. Die hierokratisch-ekklesiarche Doktrin entsprâche dem mittelalterlichen Einheitsstreben mit ihrer autoritativen Aufgipfe
lung im regimen ecclesiae et mundi, sie ziehe die historischen und ge danklich logischerx Folgenmgen aus der Tatsache, da β die Heilslegitimitat des weltlichen Herschers in der Kirche verankert gewesen sei. Die Herr scherweihe und die christologische Begriindung der Kônigsgewalt hâtten
eben auf die Kirche gewiesen. Sakralitât habe zugleich Ekklesialitat be
deutet. Ein Christusvikariat aufierhalb der Kirche sei undenkbar gewe sen, und eine hierarchisch verfafite Kirche habe nur ein einziges Haupt haben kônnen. Allerdings habe die Einordnung des christlichen Herr
schers und seines Amtes in die Kirche vorausgesetzt, dafi man die welt
liche Gewalt als eine personal bestimmte Herrschaftsfunktion auffafite.
Sobald die weltliche Gewalt institutionalisiert und mit Souverânitât aus
gestattet worden sei, sei das hierokratische System ins Wanken geraten. Dafi seine Vertreter die zum Staat drângende Entwicklung nicht genug
beriicksichtigt haben, rechnet ihnen der Vf. als Versaumnis an, doch
meint er, diese Schwierigkeit habe sich im 13.-14. Jh. nicht deutlich genug
geaufiert. Die hierokratische Lôsung fasse, wenn auch in ihrer Weise, die ganze mittelalterliche Entwicklung des regimen christianum zusam
men. « Nachdem einmal die Akte von 751 und 800 — zugleich stellvertre
tend fiir die ganze kirchliche Herrscherpromotion — vom Papst selbst
gesetzt sind, dann liegt es — von geistlicher Sei te jedenfalls — in einer
unvermeidbaren historischen Konsequenz, dafi irgendwann einmal das
formuliert wird, was in der Bulle Unam Sanctam dann auch tatsâchlich
erscheint » (S. 622). Allerdings sieht der Vf. die hierokratische Doktrin keineswegs als
die kirchliche Lôsung schleehthin an. Der mittelalterlichen Welt sei im
mer auch eine dualistische Grundkomponente eigen gewesen, die natiir
lich das Autonomiestreben der weltlichen Gewalt begiinstigt habe. Das
Temporale in seinem eigenen Wesen freizustellen, sei ein inneres Anliegen des christlichen Mittelalters gewesen, weil man sich immer des Anders
seins der potestas temporalis, seiner Mundaneitat, bewufit gewesen sei.
Was Barbarossa und andere christliche Fursten, was dualistisch einge stellte Kanonisten, was Thomas v. A. und andere Scholastiker mit ihrer
naturrechtlichen Begriindung des Staates ailes an Ideen entwickelt hat
ten, um die weltliche Gewalt gegeniiber der kirchlichen besser abzugren
zen, gehôre genau so wie die hierokratische Konzeption zur mittelalter
lichen Auffassung des regimen christianum und kônne nicht als in die
Neuzeit weisende, gegen den Geist des Mittelalters gerichtete Sâkulari
sierungsbewegung betrachtet werden.
Der Vf. hat sich die Untersuchung des mittelalterlichen regimen chri
stianum nicht leicht gemacht. Man denke nur an den weit gespannten, von Pippin und Karl d. Gr. bis zu Ludwig dem Baiern reichenden Zeit
raum, der bisweilen sogar durch Exkursionen in die Neuzeit verlassen
wird, so bei der Analyse des Aegidius-Systems durch eine ziemlich breite
Darlegung der potestas-indirecta-Lehre Bellarmins und seiner Zeitgenos sen (S. 340-347) oder in Teil III durch Heranziehen neuester Stròmungen: des Integralismus (S. 605-607) und des Sâkularismus (S. 620-625). An sich eine historische Studie, ist das Werk doch stark darauf angelegt, fiir das mittelalterliche regimen christianum tragende Begriffe zu erarbeiten. So erklâren sich die vielen — allzu vielen, — aus dem Latein herge nommenen Fachausdriicke wie Sakralitât, Ekklesialitat, Mundaneitat, so
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W. KOLMEL, REGIMEN CHRISTIANUM 437
liustistische, ekklesiale, populistische, deszendistische Doktrin, konditiv naturale und restaurativ-instaurative Temporalitat und so fort. Es wird weiterhin verstàndlich, daB der Vf. in seinem Bestreben, die Grundele mente herauszuheben, immer wieder die Analyse der Sachverhalte und
Ideen durch Reflexionen unterbricht. Die dadurch bedingten ermiidenden
Wiederholungen nàhme der Leser des Werkes mehr oder minder bereit
willig auf sich, wenn ihm auf diesem Wege das Wesen des mittelalter
lichen regimen christianum allseitig dargelegt wiirde. Gerade dies diirfte
jedoch dem Vf. nicht ganz gelungen sein. Ein Hauptmangel liegt wohl in dem spekulativen Versuch, die Posi
tion des christlichen Herrschers von der Karolingerzeit an bis ins 14. Jh.
mit Begriffen wie Sakralitât - Ekklesialitât - princeps in ecclesia zu be
stimmen, ohne ihrem Wandel im Lauf der Zeit geniigend Rechnung zu
tragen. Gewib kennt auch der Vf. die entscheidende Wende vom Friih- zum
Hochmittelalter, zieht jedoch daraus, vor allem in seiner Wertung der
spàteren hierokratischen Theorie, nicht energisch genug die Konsequen
zen, die die historische Situation des 13.-14. Jh. erfordert. Je entschie
dener die hochmittelalterliche Christenheit zwei Rechtsbereiche ausbildete, einen spezifisch kirchlichen und einen weltlich-staatlichen, desto weniger formte sie eine « Sakralgesellschaft », und desto schwieriger wurde es, das Herrscheramt im Sinne des Friihmittelalters vorwiegend personal und
funktional zu verstehen trnd es im Bereich der Kirche, jetzt aber einer
hierarchisch verfabten und im Papst gipfelnden Kirche zu integrieren. Nicht so sehr um den princeps in ecclesia ging es jetzt, als um den
princeps in christianitate. Schon Innocenz III. spiirte es und richtete sich
darnach. Als ζ. B. Philipp II. August von Frankreich die pàpstliche Inter
vention zugunsten Johanns ohne Land mit der Begriindung zuriickwies,
Johann sei aufgrund des Lehnsrechts seiner franzosischen Lehen entsetzt
worden und das Lehnsrecht ginge den HI. Stuhl nichts an, stellte Inno
cenz zwar unter Anerkennung eines autonomen Lehnsrechts sein Inter
ventionsrecht ratione peccati in der Dekretale Novit heraus, gab aber seine
Intervention zugunsten Johanns stillschweigend auf. Er tat es, weil er
um die Problematik seiner Fiihrerstellung im Raum der Christianitas
wufite. Wer die Aufgaben verstehen will, die das Papsttum im 12.-13. Jh.
gegeniiber der christlichen Welt zu meistern hatte, wird nicht daran her
umkommen, sich mit dem damais gegebenen Problem der Christianitas
zu beschàftigen. Der Vf. ist allerdings anderer Ansicht, er meint, mit dem Begriff
princeps in ecclesia auskommen zu kônnen, und wendet sich wiederholt
gegen die Christianitas-Deutung, die ich in dem Buch « Papsttum trnd
Kaisertum bei Innocenz III. » vorgelegt habe. Er hatte gut getan, meine
spàtere Studie « Das Problem der Christianitas im 12. und 13. Jh. » (Hist.
Jahrb. 79 [1960] 104-123) nicht nur im Literaturverzeichnis zu zitieren,
sondera auch zu verwerten. Denn dort diirften seine Schwierigkeiten be
hoben worden sein. Sicherlich war die Christianitas jener Zeit identisch
mit der Kirche, und der Papst stand ihr vor als Haupt der Kirche, aber
Kirche ist hier zu verstehen als universitas fidelium, als populus christia
nus, der die ihm gemàfien Ziele mit geistlichen wie mit zeitlichen Mit
teln anstrebte und daher seinem Fiihrer, dem Papste, iiber die kirchlichen,
letztlich auf Christus zuriickzufiihrenden Primatialrechte hinaus bestimm
te weltlich-politischen Kompetenzen zubilligte. Diese Kompetenzen — das
will gut beachtet sein — ergaben sich nicht direkt aus dem Wesen der
Kirche, sondern aus der Bereitschaft des populus christianus, sie dem
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438 RECENSIONES
Papsttum fiir die geistlich-politische Fiihrung einzurâumen. Sie beruhten
also auf dem Bezug zwischen Papsttum als Fiihrer und populus christia
nus als Gefolgschaft, und dieser Bezug wandelte sich mit der Zeit in
dem Mafie, als der populus christianus sich dem pâpstlichen Fiihrangs
anspruch hinsichtlich des weltlichen, mehr und mehr den christlichen
Fiirsten zufallenden Bereiches versagte. Auf das Papsttum des 12.-13. Jhs.
kam je langer desto dringlicher das Problem der Christianitas zu. Wurde
es von ihm und seinen Helfern gemeistert? Die Frage ist fur Innocenz III. wohl noch mit Ja zu beantworten.
Er sicherte zwar die von ihm beanspruchten Interventionsrechte durch
richtungweisende Dekretalen ab, nahm sie jedoch mit grofiter Vorsicht
wahr, immer bedacht, bei Konfliktsfâllen in einem lebendigen Geprâch mit den Gegnern zu bleiben und jeweils zu priifen, ob und inwieweit
zumindest der Grofiteil des populus christianus ihm im konkreten Fall
zu folgen bereit war. Sein elastisches, auf lebendigen Kontakt mit dem
populus christianus abgestelltes Verhalten haben die verantwortlichen
Mânner der Kirche bald aufgegeben, umso begieriger aber die von ihm
herausgearbeiteten Normen aufgegriffen und so stark unter dem Stich
wort der plenitudo potestatis des Papstes systematisiert, dafi die darin
enhaltenen Rechtsanspriiche iiber den urspriinglichen Sinn hinaus gestei
gert wurden. Die hierokratische Theorie, zunachst eine Werk von Kano
nisten, wurde sodann von Seite der Theologen mit spekulativen Argu menten unterbaut und vollendet, und zwar zu einer Zeit, da sich das
Souveranitatsstreben der christlichen Fiirsten unaufhaltsam entfaltete.
Die Doktrin zeigt daher um 1300 eine erschreckende Diskrepanz zwischen
Idee und Wirklichkeit. Es ging um die Flucht in eine Scheinwelt, die
im Grande nicht mehr zu verantworten war. Die gedankliche Konse
quenz, die ihr der Vf. mit Recht zuschreibt, war allzu teuer erkauft.
Der Versuch, die mittelalterliche Welt unter der plenitudo potestatis des
vicarius Christi zur Einheit zusammenzuschliefien, beruhte auf einem spe kulativen Fehlansatz. Liefien sich doch die zeitbedingten Interventions
anspriiche im weltlichen Bereich nicht einfachhin aus der kirchlichen
Primatsgewalt des Paptes ableiten. Und die Tradìtionselemente, die der
Vf. anfiihrt, hatten ihre Geltung verloren. Es iiberrascht daher nicht, dafi sie die Hierokraten zum Teil falsch auslegten, so etwa, wenn sie die
Antwort des Papstes Zacharias von 751 in eine Absetzungssentenz des
Papstes und die Kaiserkronung Karls d. Gr. in einen Translationsakt
papstlicher Machtfulle umdeuteten. Der Bogen, den der Vf. fiir die hiero
kratische Theorie von 751 und 800 bis zu Bonifaz Vili, spannen môchte,
zerbricht an den historischen Gegebenheiten. Vor allem aber hatte das
Einschwenken in die hierokratische Richtung, die das Papsttum mit In
nocenz IV. vollzog, einen ganz wesentlichen Schaden zur Folge. Das Papst tum verlor nunmehr zusehends den Kontakt nicht blofi mit den politi
schen, sondern auch mit den religiòsen Stròmungen des populus chri
stianus und wurde daher seiner eigentlichen Aufgabe fiir lange Zeit weit
gehend entfremdet. Die tiefen theologischen Gedanken, die der Vf. mit
vollem Recht bei Aegidius Romanus und anderen grofien Publizisten hie
rokratischer Pragung heraushebt, fiihrten keineswegs zu einer religiòsen und seelsorgerischen Belebung oder Vertiefung der pâpstlichen Regie
rungspraxis. Wiederum wird eine bedenkliche Diskrepanz zwischen Idee
und Wirklichkeit sichtbar.
Was hier kritisch bemerkt wurde, beriihrt nicht das Hauptanliegen des Vfs. Kam es ihm doch vor allem darauf an, das Zussammen- und
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W. kôlmel, REGIMEN christianum 439
Gegenspiel von dualistischen und von monistischen Elementen im regimen christianum des Mittelalters zu zeigen, auch und gerade am Beispiel der
hierokratischen Theorie, die selbst in ihren extremsten Vertretern es nicht
wagte, bestimmte von der Eigenstândigkeit des Sâkularen gezogene Gren
zen zu Uberschreiten. Kein Hierokrat verstieg sich dazu, dem Papsttum eine eigentlich sâkulare Weltherrschaft zuzuschreiben. Die potestas directa
in temporalibus bedurfte der Riickfiihrung auf die geistliche Gewalt; kein
Hierokrat konnte sich dieser Notwendigkeit entziehen. Selbst die hiero
kratische Theorie ist in ihrer Substanz christlich geblieben und nimmt
daher im mittelalterlichen Verstàndnis des regimen christianum trotz
ihrer erstarrten und einseitigen, im Grunde weltfremden Form einen legi timen Platz ein. Die Problematik des regimen christianum nach vielen
Seiten hin dargelegt 'zu haben, dafiir gebiihrt dem Vf. Anerkennung und
Dank. F. Kempf S. I. F. Kempf S. i.
Gerhart Β. Ladner, Die Papstbildnisse des Altertums und des
Mittelalters, Bd. II (Monumenti di Antichità Cristiana, pub blicati dal Pont. Istituto di Archeologia Cristiana, II serie
voi. 4). Città del Vaticano, Pont. Istituto di Archeologia Cri
stiana, 1970, Text: pp. 1-367; Tafeln: I-LXXXIII.
Habent fata sua libelli. Zwischen Band I der Papstbildnisse, erschie
nen 1941 und reichend von den Anfàngen bis zu Kalixt II., und dem
hier zu besprechenden Band II liegt eine Zeitspanne von 29 Jahren.
Der Verf., 1938 zum Verlassen seiner ôsterreichischen Heimat gezwungen,
hatte sich jenseits des Ozeans eine neue Existenz aufbauen und daher
das so gliicklich eingeleitete monumentale Werk liegen lassen miissen.
Umso gliicklicher diirfen wir uns schâtzen, dafi er das groBe Thema wiedei
aufgegrifîen hat und es bis zu Martin V. durchfiihren will. Der jetzt
herausgekommene Band II setzt mit Innocenz II. eiii und endet mit Bene
dikt XI., umfafit also die Jahre 1130-1304.
Wie bereits in Bd. I, ist auch hier der Forschungsgegenstand auf die
zeitgenossischen und gleichortigen Bildnisse eingegrenzt, also auf jene,
die zu Lebzeiten oder kurz nach dem Tod des betreffenden Papstes und
in dem ihn umgebenden Bereich, jedenfalls nicht in welter ortlicher Ent
fernung, angefertigt worden sind. Fiir jeden Pontifikat werden samtliche
heute bekannten, im Originai oder in Kopie erhaltenen Bildnisse vor
gelegt, ganz gleich, ob sie als Miniaturen, Tafel- oder Wandgemalde, Mo
saiken, Statuen, in Siegeln, auf Tuchgeweben oder sonstwie auf uns
gekommen sind; auch verloren gegangene Bildnisse finden Erwahnung.
Fiir den hier zu besprechenden Band hat der Vf., wenn ich richtig ge
zahlt habe, 84 Bildnisse zusammengetragen. Ihr Aussagewert ist natiirlich
nicht immer der gleiche. So diirfte er ζ. B. bei nicht wenigen Miniaturen
relativ gering zu veranschlagen sein. Der Vf. hat daher gut getan, Papst
bildnisse in Miniaturen kanonistischer Handschriften gânzlich aus der
Betrachtung auszuschlieBen. Die von ihm besprochenen Stiicke hat er
mit wenigen Ausnahmen selbst gesehen, zu einem guten Teil vor 1939,
sodaB er fiir bestimmte Werke, die dem zweiten Weltkrieg zum Opfer ge
fallen sind, eigene wertvolle Angaben liefern kann. Die Analysen werden
durch vorziigliche Bildbeigaben veranschaulicht, teils im Text, teils auf
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