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98 Nationalatlas Bundesrepublik Deutschland – Bevölkerung Regionale Unterschiede der Lebenserwartung Paul Gans, Thomas Kistemann und Jürgen Schweikart Die Bedeutung einzelner Todesursachen für die Gesamtmortalität hat in Deutschland im 20. Jh. tiefgreifende Veränderungen erfahren. Der epide- miologische Übergang (OMRAN 1971) wurde insbesondere geprägt vom Rück- gang infektiöser Krankheiten und der Bedeutungszunahme degenerativer Krankheiten als Todesursache innerhalb weniger Jahrzehnte. In den letzten Jahr- zehnten des 20. Jhs. setzte sich dieser Wandel sehr langsam fort . 1997 ver- ursachten Infektionskrankheiten nur noch 0,9% aller Todesfälle ( Beitrag Dangendorf/Fuchs/Kistemann, S. 102), während 48,5% mit Krankheiten des Kreislaufsystems und 24,7% mit bösarti- gen Neubildungen in Zusammenhang standen. Die prozentualen Änderungen hinsichtlich der meisten anderen To- desursachengruppen waren zu vernach- lässigen. Lediglich der Anteil der psy- chischen Krankheiten und Krankheiten des Nervensystems hat sich von 1970 bis 1997 verdoppelt, wobei die alten Länder eine Übersterblichkeit aufwei- sen (GRÄB 1994). Die Bedeutung der Todesursachen- gruppen weist markante geschlechts- und altersspezifische Unterschiede auf. Beispielsweise starben Männer im Ver- gleich zu Frauen im Jahr 1995 etwa 2½- mal häufiger an Erkrankungen der At- mungsorgane (STBA 1998). 1995 wur- den bei den 15- bis 24-Jährigen 54,6% der weiblichen und sogar 71,8% der männlichen Sterbefälle durch äußere Ursachen (Unfälle, Verletzungen, Ver- giftungen) bedingt. Bei den 35- bis 64- jährigen Frauen und den 45- bis 64-jäh- rigen Männern sind bösartige Neubil- dungen die wichtigste Todesursache. Bei den über 65-Jährigen sind Kreislauf- krankheiten die Haupttodesursache. Regionale Unterschiede der Herz- Kreislauf-Mortalität haben große Be- deutung für die räumliche Differenzie- rung der Gesamtmortalität. Im Jahr 1989 betrug der Unterschied der Le- benserwartung von Frauen zwischen der Bundesrepublik und der DDR 2,7 Jahre. Davon gehen allein 2,1 Jahre auf die Mortalität an Herz-Kreislauf-Erkran- kungen zurück. Bei Männern waren es 1,5 von 2,4 Jahren. Diese Unterschiede bestanden auch noch 1996 und schwä- chen sich nur langsam ab : Die höchsten standardisierten Herz-Kreis- lauf-Mortalitätsraten verzeichneten die neuen Länder, die niedrigsten der Süd- westen sowie Hamburg und Bremen. Entwicklung der Sterblichkeit Die höhere Mortalität in den neuen im Vergleich zu den alten Ländern bildete sich erst seit Mitte der 1970er Jahre heraus . Vor 1976 war in der DDR die Lebenserwartung der Männer etwas höher, die der Frauen etwas nied- riger als in der Bundesrepublik. Am aus- geprägtesten war das West-Ost-Gefälle der Lebenserwartung für die weibliche Bevölkerung 1987 mit 2,9 Jahren, für männliche Personen 1992 mit 3,3 Jah- ren. Seitdem verringerten sich die Un- terschiede kontinuierlich (GRÜNHEID U. ROLOFF 2000) und betrugen 1997 für die Frauen nur noch 1,2, für die Männer 2,3 Jahre. 1997 erreichte die mittlere Le- benserwartung in den alten Ländern bei Frauen 80,5 und bei Männern 74,4 Jah- re, in den neuen Ländern lagen die Werte bei 79,5 und 72,4. Der Unterschied der Lebenserwartung von Mädchen und Jungen bei ihrer Ge- burt entwickelte sich in Ost- und West- deutschland gegenläufig: Während er im Westen über viele Jahre langsam bis auf 6,1 Jahre 1997 abnahm, vergrößerte er sich im Osten bis 1994 auf 7,4 Jahre und betrug auch 1997 noch 7,1 Jahre. Hierbei fällt insbesondere eine sprung- hafte Zunahme des Abstands um 1,1 Jahre im Zeitraum von 1989 bis 1992 auf. Es lässt sich eine gewisse Tendenz feststellen, dass bei geringerer Lebenser- wartung die geschlechtsspezifischen Unterschiede eher größer sind (SOMMER 1998) . Der Rückgang der Säuglingssterblich- keit hatte einen wichtigen Anteil an der sinkenden Mortalität. 1996 erreich- te sie einen Stand von 4,6 gestorbenen Säuglingen auf 1000 Lebendgeborene in den alten bzw. 4,8 in den neuen Län- dern. Auf diesem sehr niedrigen Niveau ist für die Zukunft nur noch eine gerin- ge Abnahme zu erwarten. Ein Anstieg der Lebenserwartung beruht in Zukunft im Wesentlichen auf einer sich fortset- zenden Minderung der Sterblichkeit bei älteren Menschen. Erklärung regionaler Mortali- tätsunterschiede Die großräumigen Unterschiede der Sterblichkeit sind auf eine Reihe von Faktorengruppen zurückzuführen (dazu HOWE 1986): Verfügbarkeit, Inanspruchnahme und Qualität medizinischer Leistungen ha- ben als Faktorenbündel einen eher un- tergeordneten Einfluss (SIEGRIST U. MÖL- LER-LEIMKÜHLER 1998; WILLICH u. a. 1999), werden jedoch zur Erklärung der unterschiedlichen Herz-Kreislauf-Morta- lität im Jahr 1989 in der Bundesrepublik und der DDR genannt (CHRUSCZ 1992). Der Faktor Lebensstil steht für ge- sundheitsrelevante Lebensweisen wie Ernährung, Nikotin- und Alkoholkon- sum, Gewichtskontrolle und körperli- che Bewegung, Drogen- und Medika- mentenabhängigkeit sowie riskante und schädigende Verhaltens- und Einstel-

Regionale Unterschiede der Lebenserwartung · 99 Regionale Unterschiede der Lebenserwartung Die Sterblichkeit (Mortalität) ergibt sich aus dem Verhält- nis der in einer bestimmten

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98Nationalatlas Bundesrepublik Deutschland – Bevölkerung

Regionale Unterschiede der LebenserwartungPaul Gans, Thomas Kistemann und Jürgen Schweikart

Die Bedeutung einzelner Todesursachenfür die � Gesamtmortalität hat inDeutschland im 20. Jh. tiefgreifendeVeränderungen erfahren. Der � epide-miologische Übergang (OMRAN 1971)wurde insbesondere geprägt vom Rück-gang infektiöser Krankheiten und derBedeutungszunahme degenerativerKrankheiten als Todesursache innerhalbweniger Jahrzehnte. In den letzten Jahr-

zehnten des 20. Jhs. setzte sich dieserWandel sehr langsam fort �. 1997 ver-ursachten Infektionskrankheiten nurnoch 0,9% aller Todesfälle (�� BeitragDangendorf/Fuchs/Kistemann, S. 102),während 48,5% mit Krankheiten desKreislaufsystems und 24,7% mit bösarti-gen Neubildungen in Zusammenhangstanden. Die prozentualen Änderungenhinsichtlich der meisten anderen To-desursachengruppen waren zu vernach-lässigen. Lediglich der Anteil der psy-chischen Krankheiten und Krankheitendes Nervensystems hat sich von 1970bis 1997 verdoppelt, wobei die altenLänder eine Übersterblichkeit aufwei-sen (GRÄB 1994).

Die Bedeutung der Todesursachen-gruppen weist markante geschlechts-und altersspezifische Unterschiede auf.Beispielsweise starben Männer im Ver-gleich zu Frauen im Jahr 1995 etwa 2½-mal häufiger an Erkrankungen der At-mungsorgane (STBA 1998). 1995 wur-den bei den 15- bis 24-Jährigen 54,6%der weiblichen und sogar 71,8% dermännlichen Sterbefälle durch äußereUrsachen (Unfälle, Verletzungen, Ver-giftungen) bedingt. Bei den 35- bis 64-jährigen Frauen und den 45- bis 64-jäh-rigen Männern sind bösartige Neubil-dungen die wichtigste Todesursache.Bei den über 65-Jährigen sind Kreislauf-krankheiten die Haupttodesursache.

Regionale Unterschiede der Herz-Kreislauf-Mortalität haben große Be-deutung für die räumliche Differenzie-rung der Gesamtmortalität. Im Jahr1989 betrug der Unterschied der Le-benserwartung von Frauen zwischen derBundesrepublik und der DDR 2,7 Jahre.Davon gehen allein 2,1 Jahre auf dieMortalität an Herz-Kreislauf-Erkran-kungen zurück. Bei Männern waren es1,5 von 2,4 Jahren. Diese Unterschiedebestanden auch noch 1996 und schwä-chen sich nur langsam ab �: Diehöchsten standardisierten Herz-Kreis-lauf-Mortalitätsraten verzeichneten dieneuen Länder, die niedrigsten der Süd-westen sowie Hamburg und Bremen.

Entwicklung der SterblichkeitDie höhere Mortalität in den neuen imVergleich zu den alten Ländern � �bildete sich erst seit Mitte der 1970erJahre heraus �. Vor 1976 war in derDDR die Lebenserwartung der Männeretwas höher, die der Frauen etwas nied-riger als in der Bundesrepublik. Am aus-geprägtesten war das West-Ost-Gefälleder Lebenserwartung für die weiblicheBevölkerung 1987 mit 2,9 Jahren, fürmännliche Personen 1992 mit 3,3 Jah-ren. Seitdem verringerten sich die Un-terschiede kontinuierlich (GRÜNHEID U.ROLOFF 2000) und betrugen 1997 für dieFrauen nur noch 1,2, für die Männer 2,3

Jahre. 1997 erreichte die mittlere Le-benserwartung in den alten Ländern beiFrauen 80,5 und bei Männern 74,4 Jah-re, in den neuen Ländern lagen dieWerte bei 79,5 und 72,4.

Der Unterschied der Lebenserwartungvon Mädchen und Jungen bei ihrer Ge-burt entwickelte sich in Ost- und West-deutschland gegenläufig: Während erim Westen über viele Jahre langsam bisauf 6,1 Jahre 1997 abnahm, vergrößerteer sich im Osten bis 1994 auf 7,4 Jahreund betrug auch 1997 noch 7,1 Jahre.Hierbei fällt insbesondere eine sprung-hafte Zunahme des Abstands um 1,1Jahre im Zeitraum von 1989 bis 1992auf. Es lässt sich eine gewisse Tendenzfeststellen, dass bei geringerer Lebenser-wartung die geschlechtsspezifischenUnterschiede eher größer sind (SOMMER

1998) � �.Der Rückgang der Säuglingssterblich-

keit hatte einen wichtigen Anteil ander sinkenden Mortalität. 1996 erreich-te sie einen Stand von 4,6 gestorbenenSäuglingen auf 1000 Lebendgeborene inden alten bzw. 4,8 in den neuen Län-dern. Auf diesem sehr niedrigen Niveauist für die Zukunft nur noch eine gerin-ge Abnahme zu erwarten. Ein Anstiegder Lebenserwartung beruht in Zukunftim Wesentlichen auf einer sich fortset-zenden Minderung der Sterblichkeit beiälteren Menschen.

Erklärung regionaler Mortali-tätsunterschiedeDie großräumigen Unterschiede derSterblichkeit sind auf eine Reihe vonFaktorengruppen zurückzuführen (dazuHOWE 1986):

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Der Faktor Lebensstil steht für ge-sundheitsrelevante Lebensweisen wieErnährung, Nikotin- und Alkoholkon-sum, Gewichtskontrolle und körperli-che Bewegung, Drogen- und Medika-mentenabhängigkeit sowie riskante undschädigende Verhaltens- und Einstel-

Page 2: Regionale Unterschiede der Lebenserwartung · 99 Regionale Unterschiede der Lebenserwartung Die Sterblichkeit (Mortalität) ergibt sich aus dem Verhält- nis der in einer bestimmten

99Regionale Unterschiede der Lebenserwartung

Die Sterblichkeit (Mortalität) ergibt sich aus dem Verhält-nis der in einer bestimmten Zeitspanne Gestorbenen zurEinwohnerzahl. Das einfachste Maß ist die rohe Sterbezif-fer, welche die Zahl der Todesfälle auf 1000 der durch-schnittlichen Bevölkerungszahl (i.d.R. zur Jahresmitte) be-zieht. In Regionen mit einem überproportionalen Anteil älte-rer Menschen ist die Zahl der Sterbefälle auf 1000 Einwoh-ner aufgrund der Altersstruktur der Bevölkerung höher alsin Gebieten mit mehr jungen Menschen.

Daher ist für räumliche und zeitliche Vergleiche eine Alters-standardisierung vorzunehmen. Hierzu werden die alters-spezifischen Sterberaten der zu vergleichenden Bevölkerun-gen mit der Altersstruktur einer Standardbevölkerung ge-wichtet (direkte Altersstandardisierung). Alternativ gibt diemittlere Lebenserwartung die wahrscheinliche Zahl derJahre an, die ein Neugeborener gemäß der zum Betrach-tungszeitpunkt vorliegenden Sterblichkeitsverhältnisse le-ben wird.

Das Modell des epidemiologischen Übergangs beschreibtden Zusammenhang zwischen Krankheitspanorama und To-desursachenspektrum sowie demographischen, sozialen,wirtschaftlichen und ökologischen Lebensbedingungen.Dabei werden drei bis vier Phasen (Seuchen und Hunger,Rückgang von Seuchen und Hunger, degenerative Krank-heiten, verspätet einsetzende degenerative Krankheiten)und drei Übergangsformen (westlich, beschleunigt, verzö-gert) unterschieden.

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lungsmuster (SIEGRIST 1998). In denneuen Ländern fiel z.B. der vor demBeitritt hohe Alkohol- und Fettkonsumbei unzureichendem Verzehr von fri-schem Obst und Gemüse ins Gewicht(CHRUSCZ 1992).

Ein weiteres Faktorenbündel umfasstdie gesamte äußere Lebensumwelt.Zweifellos wird das Krankheitsgesche-hen durch anthropogene, zivilisations-und technikbedingte Umweltbelastun-gen entscheidend mitgeprägt. DieseFaktoren lassen sich aber oft nicht bele-gen, da sie unterhalb der Nachweisgren-ze epidemiologischer Methoden liegen(EIS 1998).

In den neuen Ländern ist zudem einenger Zusammenhang zwischen der Le-benserwartung und der Siedlungsstruk-tur nachweisbar �. Einwohner in Ver-dichtungsräumen können dort von ei-ner höheren Lebenserwartung ausgehenals die Bevölkerung in ländlich gepräg-ten Gebieten (NOWOSSADECK 1994). Inden alten Ländern ist der beschriebeneZusammenhang weniger ausgeprägt. DieLebenserwartung ist in den Agglomera-

tionen etwas höher als in ländlichenGebieten und am höchsten in den ver-städterten Regionen. Für die Erklärungdieser Unterschiede spielen selektiveMigrationsprozesse eine wichtige Rolle(KEMPER U.THIEME 1992). Gebiete mitunterdurchschnittlicher Sterblichkeitverzeichnen in allen Teilen Deutsch-lands seit 1980 eher Binnenwande-rungsgewinne als -verluste. Für den süd-deutschen Raum wurde dies besondersherausgestellt (NEUBAUER U. SONNEN-HOLZNER-ROCHE 1986). Mobile Personensind im Allgemeinen besser ausgebildetund einkommensstärker. Sozioökonomi-scher und beruflicher Status stehen je-doch in einem engen positiven Zusam-menhang zu gesundheitsförderndem Le-bensstil, Gesundheit und höherer Le-benserwartung (SIEGRIST U. MÖLLER-LEIMKÜHLER 1998).

Zukünftige Sterblichkeitsent-wicklungAussagen zur zukünftigen Sterblich-keitsentwicklung sind schwierig zu tref-fen, da in hohem Maße individuelle

Verhaltensweisen einfließen. Die fort-bestehenden regionalen Unterschiedesowie die z.T. beträchtlich geringere Le-benserwartung der Gesamtbevölkerungin Deutschland (77 J.) im Vergleich zuJapan (81 J.), der Schweiz (80 J.) oderSchweden (79 J.) (2000) weisen jedochauf ein Potenzial zur weiteren Verringe-rung der Sterblichkeit hin. Der präven-tiven Unterstützung gesundheitsför-dernder Lebensstile wird dabei eine zen-trale Bedeutung zukommen.

Zunehmend wird auch diskutiert, wiehoch die „Lebenserwartung bei guterGesundheit“ noch steigen kann. FürDeutschland deutet sich an, dass sichLebenserwartung und beschwerdefreieLebenserwartung weitgehend parallelentwickeln werden (BRÜCKNER 1997).�