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KAPITEL Rehabilitation Rehabilitation von sensomotorischen Störungen Entwicklungsstufe: S2k Stand: September 2012 PDF Dow nload Gültig bis: 3 Jahre ab Erscheinen dieser Leitlinienversion AWMF-Registernummer: 030/123 COI-Erklärung Federführend Prof. Dr. Gereon Nelles, Köln [email protected] Was gibt es Neues? Beim Schlaganfall haben klinische Rückbildungszeichen wie eine aktive Streckung der Hand und Finger oder Abduktion im Schultergelenk der paretischen Extremität einen prognostischen Wert. Die Therapie mit forciertem Gebrauch („forced use") ist das wissenschaftlich am besten untersuchte Verfahren der motorischen Rehabilitation. Die Therapie ist der konventionellen Physiotherapie in Bezug auf die Rückbildung motorischer Ausfälle überlegen. Patienten, die nach einem Schlaganfall früh mobilisiert werden, erreichen früher eine unabhängige Gehfähigkeit und haben bessere funktionsmotorische Fähigkeiten. Bei gehfähigen hemiparetischen Patienten verbessert ein Laufbandtraining die Gehgeschwindigkeit und Ausdauer. Ein früher Einsatz von Hilfsmitteln wie Stock oder Sprunggelenksorthesen ist sinnvoll. Die wichtigsten Empfehlungen auf einen Blick Für die Wiederherstellung sensomotorischer Störungen und Wiedereingliederung der Betroffenen ist ein differenziertes Assessment der funktionellen Fähigkeiten zum Erstellen alltags- und berufsrelevanter Therapieziele erforderlich. Der forcierte Gebrauch („constraint-induced movement therapy") ist bei Schlaganfallpatienten, die eine motorische Teilfunktion des paretischen Armes aufweisen, wirksam und konventionellen Physiotherapieverfahren überlegen und soll – ggf. in modifizierter Form (z. B. wenige Stunden am Tag Restriktion) – angeboten werden, wenn dies indiziert und organisatorisch umsetzbar ist. Bei hochgradigen Paresen wird das aktive Üben selektiver einfacher Bewegungen empfohlen. Eine nachweislich wirksame Form ist das Arm-Basis-Training, insbesondere wenn früh nach dem Schlaganfall eine Verbesserung der willentlichen Bewegungsfähigkeit in den einzelnen Abschnitten des Armes erreicht werden soll. Bei mittelgradigen bis leichten Paresen wird das aktive Üben komplexerer Handbewegungen empfohlen. Diese Bewegungen können in Abhängigkeit von den Rehabilitationszielen aufgabenspezifisch und/oder alltagsbezogen sein. Als Organisationsform der Behandlung sollte ein mehrwöchiges Zirkeltraining ausreichender Intensität (z. B. 3 Stunden pro Woche für mehrere Wochen) bedacht werden. Eine nachweislich wirksame Form ist auch das Arm-Fähigkeits-Training, insbesondere wenn bei Schlaganfallpatienten mit leichter Parese die Feinmotorik und Geschicklichkeit verbessert werden sollen. Eine zur üblichen Therapie zusätzliche Spiegeltherapie kann bei Schlaganfallpatienten mit Armparese durchgeführt werden, wenn eine Verbesserung der motorischen Funktionen insbesondere bei distaler Plegie oder wenn eine Schmerzreduktion bei komplexem regionalem Schmerzsyndrom (CRPS) angestrebt wird. Akupunktur ist in der Rehabilitation nach Schlaganfall unwirksam. Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie 1

Rehabilitation von sensomotorischen Störungen - dgn.org · Für bereits selbständig gehfähige Patienten eignet sich das Laufbandtraining, um Ganggeschwindigkeit und Ausdauer zu

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KAPITELRehabilitation

Rehabilitation von sensomotorischen

Störungen

Entwicklungsstufe: S2k

Stand: September 2012

PDF Dow nload

Gültig bis: 3 Jahre ab Erscheinen dieser Leitlinienversion

AWMF-Registernummer: 030/123

COI-Erklärung

Federführend

Prof. Dr. Gereon Nelles, Köln

[email protected]

Was gibt es Neues?

Beim Schlaganfall haben klinische Rückbildungszeichen wie eine aktive Streckung der Hand und Finger oder

Abduktion im Schultergelenk der paretischen Extremität einen prognostischen Wert.

Die Therapie mit forciertem Gebrauch („forced use") ist das wissenschaftlich am besten untersuchte Verfahren

der motorischen Rehabilitation. Die Therapie ist der konventionellen Physiotherapie in Bezug auf die Rückbildung

motorischer Ausfälle überlegen.

Patienten, die nach einem Schlaganfall früh mobilisiert werden, erreichen früher eine unabhängige Gehfähigkeit

und haben bessere funktionsmotorische Fähigkeiten.

Bei gehfähigen hemiparetischen Patienten verbessert ein Laufbandtraining die Gehgeschwindigkeit und

Ausdauer.

Ein früher Einsatz von Hilfsmitteln wie Stock oder Sprunggelenksorthesen ist sinnvoll.

Die wichtigsten Empfehlungen auf einen Blick

Für die Wiederherstellung sensomotorischer Störungen und Wiedereingliederung der Betroffenen ist ein

differenziertes Assessment der funktionellen Fähigkeiten zum Erstellen alltags- und berufsrelevanter

Therapieziele erforderlich.

Der forcierte Gebrauch („constraint-induced movement therapy") ist bei Schlaganfallpatienten, die eine motorische

Teilfunktion des paretischen Armes aufweisen, wirksam und konventionellen Physiotherapieverfahren überlegen

und soll – ggf. in modifizierter Form (z. B. wenige Stunden am Tag Restriktion) – angeboten werden, wenn dies

indiziert und organisatorisch umsetzbar ist. Bei hochgradigen Paresen wird das aktive Üben selektiver einfacher

Bewegungen empfohlen. Eine nachweislich wirksame Form ist das Arm-Basis-Training, insbesondere wenn früh

nach dem Schlaganfall eine Verbesserung der willentlichen Bewegungsfähigkeit in den einzelnen Abschnitten

des Armes erreicht werden soll. Bei mittelgradigen bis leichten Paresen wird das aktive Üben komplexerer

Handbewegungen empfohlen. Diese Bewegungen können in Abhängigkeit von den Rehabilitationszielen

aufgabenspezifisch und/oder alltagsbezogen sein. Als Organisationsform der Behandlung sollte ein

mehrwöchiges Zirkeltraining ausreichender Intensität (z. B. 3 Stunden pro Woche für mehrere Wochen) bedacht

werden. Eine nachweislich wirksame Form ist auch das Arm-Fähigkeits-Training, insbesondere wenn bei

Schlaganfallpatienten mit leichter Parese die Feinmotorik und Geschicklichkeit verbessert werden sollen.

Eine zur üblichen Therapie zusätzliche Spiegeltherapie kann bei Schlaganfallpatienten mit Armparese

durchgeführt werden, wenn eine Verbesserung der motorischen Funktionen insbesondere bei distaler Plegie

oder wenn eine Schmerzreduktion bei komplexem regionalem Schmerzsyndrom (CRPS) angestrebt wird.

Akupunktur ist in der Rehabilitation nach Schlaganfall unwirksam.

Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie

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Für bereits selbständig gehfähige Patienten eignet sich das Laufbandtraining, um Ganggeschwindigkeit undAusdauer zu steigern, ist jedoch einem „aufgabenorientierten" Üben gleicher Intensität nicht überlegen.Gehtraining mit einem elektromechanischen Gangtrainer ist für nicht gehfähige hemiparetische Patienten einerkonventionellen Behandlung bezüglich der Verbesserung der Gehfähigkeit überlegen. Bei gehfähigen Patientenist eine Verbesserung des Gangmusters durch robotergestützte Systeme nicht belegt. Maßnahmen zurVerbesserung der Gehfähigkeit sollten durch ergotherapeutisches Verkehrstraining ergänzt werden, um Mobilitätim außerhäuslichen Alltag zu gewährleisten.Bei Zielen in Bezug auf die Verbesserung von Aktivitäten des täglichen Lebens („activities of daily living", ADL) sollden Patienten zusätzlich zu motorischem Training auch ADL-bezogene Ergotherapie angeboten werden.Aus der derzeitigen Datenlage ist trotz einiger positiver Berichte eine spezifische Pharmakotherapie in derRehabilitation sensomotorischer Störungen für den breiten klinischen Einsatz nach wie vor nicht zu empfehlen.Kardiorespiratorisches Training nach Schlaganfall verbessert die Gehfunktion. Ein zusätzliches Krafttraining beiSchlaganfallpatienten verbessert die Kraftentfaltung in paretischen Muskeln und die Alltagsaktivität.Widerstandstraining verbessert die Kraft, die Ganggeschwindigkeit und das funktionelle Outcome ohneVerstärkung der Spastik.

Definition und Klassifikation

Begriffsdefinition

Rehabilitation bezeichnet hier die Wiederherstellung von sensomotorischen Störungen und der gesellschaftlichenTeilhabe.

Klassifikation

Sensomotorische Störungen gehören zu den häufigen Folgen einer Hirnschädigung, z. B. beim Schlaganfall. DieHemiparese nach Schlaganfall ist bei Erwachsenen die häufigste Ursache für eine Behinderung. Diese Leitliniebehandelt deswegen vorrangig sensomotorische Störungen nach Schlaganfall.

Plastizität im sensomotorischen System

Unter „Plastizität“ im neurowissenschaftlichen Sinne versteht man die Fähigkeit des Zentralnervensystems (ZNS) zurAnpassung an veränderte Umgebungsbedingungen. Für die Rehabilitation bedeutsam sind 2 unterschiedlicheFormen der Neuroplastizität: die Anpassungsvorgänge nach Erkrankungen oder Verletzungen, also die sog.läsionsinduzierte Plastizität, und die durch Therapien und Training hervorgerufene trainingsinduzierte Plastizität(Krakauer 2006).

Der Mehrgebrauch einer Extremität oder bestimmter Muskelgruppen führt zu einer Vergrößerung der kortikalenRepräsentation und ist in der Regel auch mit einer Funktionsverbesserung assoziiert (Sterr 2004). Umgekehrt kannauch der verminderte Gebrauch zu einer Abnahme der Repräsentation im Gehirn führen. Nach einer Hirnschädigunggreifen läsionsinduzierte sowie trainingsinduzierte Plastizität ineinander. Auf kortikaler und subkortikaler Ebenekönnen zahlreiche Reorganisationsvorgänge beobachtet werden. Der Untergang von Nervenzellen führt zu einerZunahme der Exzitabilität in der Umgebung der Läsion, bei großen Läsionen auch in homologen Arealen derkontralateralen, nicht geschädigten Hemisphäre. Auf zellulärer Ebene sind tierexperimentell ebenfalls vielfältige,Plastizität vermittelnde Mechanismen bekannt.

Aktive Bewegungen der paretischen Hand in der Frühphase nach Schlaganfall führen zu ausgedehnten Aktivierungenauch nicht primär-motorischer Areale. Der weitere Verlauf korreliert mit der klinischen Entwicklung: Patienten mit guterklinischer Besserung zeigten eine Reduktion (= Normalisierung) der Aktivierungen, bei Patienten mit geringer oderfehlender Besserung bleiben die verstärkten Aktivierungen bestehen. Eine bilaterale Aktivierung dessensomotorischen Kortex korreliert mit einer schlechteren Rückbildung der Symptomatik (Ward u. Frackowiak 2006).

Auch im chronischen Stadium der Erkrankung gibt es eine trainingsinduzierte Plastizität, deren Ausmaß mit derklinischen Verbesserung korreliert (Liepert et al. 2006). Durch TMS können auch „virtuelle Läsionen“ gesetzt werden:Die Magnetimpulse interferieren für kurze Zeit mit der physiologischen Hirnaktivität. Mit dieser Technik konnte bei guterholten Schlaganfallpatienten gezeigt werden, dass der dorsale prämotorische Kortex, der primäre motorische Kortexund der superiore parietale Kortex in der nicht geschädigten Hemisphäre für komplexe motorische Funktionen derehemals paretischen Hand bedeutsam waren. Es existieren auch Hinweise dafür, dass die kontraläsionelleHemisphäre einen ungünstigen, hemmenden Einfluss auf die betroffene Hemisphäre ausüben kann und eineSuppression dieser kontraläsionellen Hemmung, z. B. durch niedrigfrequente repetitive TMS, oder eine Stimulation derbetroffenen Hemisphäre durch hochfrequente TMS motorische Funktionen verbessern kann (Nowak et al. 2009).

Rückbildung von sensomotorischen Ausfällen

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Motorische und sensible Funktionsstörungen, insbesondere Hemiparesen, sind die häufigsten neurologischenAusfälle nach ZNS-Schädigungen. Sie kommen bei über 80 % aller Patienten mit Schlaganfällen und Schädel-Hirn-Verletzungen vor. Über 50 % aller Schlaganfallpatienten haben residuale Paresen, insbesondere von Arm und Hand.Beim Erwachsenen ist ein Schlaganfall mit Hemiparese deswegen auch die häufigste Ursache für die Entstehungeiner Behinderung. Etwa ein Drittel aller Schlaganfallpatienten bleibt im täglichen Leben auf fremde Hilfe angewiesen,20 % brauchen Hilfe bei der Fortbewegung und 70 % bleiben in ihrer Berufs- oder Erwerbsfähigkeit eingeschränkt.

Die meisten Patienten mit sensomotorischen Störungen zeigen in den Wochen und Monaten nach einer akutenErkrankung eine Besserung der neurologischen Ausfälle. Diese Rückbildung ist sehr variabel, aber nur selten wirdeine vollständige funktionelle Restitution erreicht. Der Umfang der Rückbildung hängt von vielen Faktoren ab. Größeund Lokalisation der Hirnschädigung sind aber im Hinblick auf die Funktionsrestitution die wichtigsten Prädiktoren.Beim Schlaganfall haben klinische Rückbildungszeichen wie eine aktive Streckung der Hand und Finger oderAbduktion im Schultergelenk der paretischen Extremität einen prognostischen Wert (Stinear 2010). Auch diediffusionsgewichtete MR-Bildgebung kann zur Einschätzung des Rückbildungspotenzials beitragen. Die bestenRückbildungschancen haben Patienten mit kleinen lakunären Infarkten. Patienten mit rein motorischen Ausfällen(„pure motor hemiparesis“), intakter Propriozeption und guter kognitiver Funktion haben häufig guteBesserungschancen, auch wenn in der Akutphase des Schlaganfalls eine schwere Hemiparese besteht.Prognostisch ungünstig hingegen sind begleitende neurologische Ausfälle, vor allem Tiefensensibilitätsstörungen,Aphasien und Neglect. Rezidivierende depressive Episoden sind wichtige Komplikationen im Verlauf nachSchlaganfall und können die funktionelle Rückbildung negativ beeinflussen. Der größte Teil der Rückbildung vonneurologischen Ausfällen wird innerhalb der ersten 8–12 Wochen nach einer Schädigung beobachtet. Danach wirddie Rückbildungskurve flacher. Gut belegt ist dieser asymptotisch abnehmende Umfang der Funktionsrückbildung vorallem für die Rückbildung von motorischen Ausfällen nach Schlaganfall. Bei schweren Erkrankungen kann derRückbildungsverlauf jedoch individuell sehr verschieden sein. Häufig zeigen diese Patienten erst nach mehrerenMonaten funktionelle Verbesserungen.

Die Rückbildungsfähigkeit von sensiblen Störungen ist weniger gut untersucht. Sensible Störungen können einbreites Spektrum von sehr geringen bis zu schweren funktionellen Beeinträchtigungen hervorrufen. InsbesondereStörungen der Tiefensensibilität haben oft erheblichen Auswirkungen auf die motorische Funktionsfähigkeit. Zwischenmotorischen und sensiblen Störungen besteht in Bezug auf den funktionellen Einsatz einer Extremität eine engewechselseitige Beziehung.

Assessment in der Rehabilitation sensomotorischer Störungen

Eingebettet in die Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF) sollRehabilitation die Funktionsfähigkeit bzw. die Defizite in der Funktionsfähigkeit eines Menschen erfassen undverbessern. Die rehabilitationsspezifische Diagnostik zielt darauf, die Folgen von Erkrankungen und Symptomen zumessen und im Verlauf zu dokumentieren. Sie bildet die Grundlage beim Erstellen alltagsrelevanter und ggf.berufsrelevanter Therapieziele sowie bei der Wahl und – falls erforderlich – Anpassung geeigneter therapeutischerMethoden. Dabei steht nicht nur die Schädigung im Mittelpunkt, sondern es soll auch der Einfluss vonpersonenbezogenen (Alter, Geschlecht, Lebensstil, Ausbildung, Beruf etc.) und Umweltfaktoren (materielle, soziale,politische, mentale Umgebung) berücksichtigt werden. „Behinderung“ kann sich demnach aus der negativenWechselwirkung zwischen der Gesundheitsstörung sowie Umweltfaktoren und personenbezogenen Faktorenergeben.

Basierend auf der klinisch-neurologischen Untersuchung mit Beurteilung der funktionellen Fähigkeiten werdenrelevante, d.h. behindernde Funktionsstörungen identifiziert, die hinsichtlich ihrer Auswirkungen innerhalb der imAllgemeinen komplexen Gesamtbehinderung gewichtet werden. Anschließend wird der Grad der Störungenstandardisiert mit geeigneten Assessment-Skalen quantifiziert. Ausgehend vom Konzept der InternationalenKlassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF) der WHO (2005) werden folgendeAssessment-Instrumente inhaltlich gruppiert. Mit einem Stern (*) sind jeweils diejenigen Assessmentsgekennzeichnet, die besonders empfohlen werden (detaillierte Beschreibung der Skalen z. B. bei Masur et al. 2000):

A: Befunderhebung: ICF-Strukturebene

Muskellänge:

passiver Bewegungsumfang („passive range of motion", pROM)

B: Befunderhebung: ICF-Funktionsebene

Parese:

Kraftmessung (BMRC-Testung, Dynamometer)*Kontraktions- und DekontraktionsgeschwindigkeitDauer der Kraftentwicklung („motor impersistence")

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Spastik:

Ashworth-Skalamodifizierte Ashworth-Skala*Tardieu-SkalaPendel-Test (nach Wartenberg)

Posturale Kontrolle:

Trunk-Control-Test (nur Rumpfkontrolle)Bohannon-Gleichgewichts-Test (posturale Kontrolle im Stehen)Functional-Reach-Test (Maß der Körpervorlage)Berg Balance Scale (BBS) (posturale Kontrolle bei Bewegungsübergängen vom Aufstehen bis Gehen)Posturografie (apparative Erfassung des Schwankungsradius des Schwerelots)

Motorische Funktionstest (alle Kategorien motorischer Leistungen):

Motricity Index* und Trunk-Control-Test*Motor Club Assessment (MCA)Motor Function Assessment Scale (MFAS)Fugl-Meyer Assessment Scale*Motor Assessment Scale (MAS)

Allgemeiner Funktionstest (alle Kategorien neurologischer Funktionsstörungen):

National Institutes of Health Stroke Scale

C: Befunderhebung: ICF-Ebene: Aktivität und Partizipation

Globale Alltagsfähigkeit:

Barthel-Index (BI) oder Früreha-Barthel-Index (FBI)Assessment of Motor and Process Skills (AMPS)Functional Independence Measure (FIM-Skala)Canadian Occupational Performance Measure (COPM)

Befunderhebung spezifisch: posturale Kontrolle:

Trunk-Control-Test (nur Rumpfkontrolle)Bohannon-Gleichgewichts-Test (posturale Kontrolle im Stehen)Functional-Reach-Test (Maß der Körpervorlage)Berg Balance Scale (BBS) (posturale Kontrolle bei Bewegungsübergängen vom Aufstehen bis Gehen)Posturografie (apparative Erfassung des Schwankungsradius des Schwerelots)

Befunderhebung spezifisch: Lokomotion:

Functional Ambulation Categories (FAC)10-Meter-Test/basale Gangzyklusparameter6-Minuten-Test/maximal mögliche GehstreckeRivermead-Mobility-Index (Fragebogen zur Mobilität)apparative Ganganalyse (Gangparameter)Timed-Up and Go-Test (Zeitdauer Aufstehen, Gehen, Umdrehen, Hinsetzen)

Befunderhebung spezifisch: Greif- und Manipulationsfähigkeit:

Fugl-Meyer-Test: ArmsectionAction Research Arm Test (ARAT)Frenchay-Arm-TestBox-and-Block-TestWolf-Motor-Function-TestJebsen-Taylor-HandfunktionstestMotor Activity Log (MAL)

Befunderhebung spezifisch: Behinderung und Lebensqualität:

EQ-5D (EuroQuol: health-related quality of life)SF-36

Ein Beispiel für die Befunderhebung in der Rehabilitation von sensomotorischen Störungen bei Schlaganfallpatienten

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zeigt ▶ Tab. 88.1.

Für eine möglichst umfassende Wiederherstellung und Wiedereingliederung sind eine differenzierte Diagnostik undein differenziertes Assessment der funktionellen Fähigkeiten erforderlich. Zusätzlich ermöglichen diese AssessmentsAussagen über die Effektivität und Effizienz von Therapieansätzen sowie ein Qualitätsmanagement. Bei der Auswahldieser Assessments sollte möglichst auf die international publizierten und evaluierten Skalen zurückgegriffen werden,deren Gütekriterien (Test-Retest-Reliabilität, Interrater-Reliabilität, Validität) gewährleistet sind. Einige Verfahren, z. B.der Barthel-Index, bilden Fortschritte in späteren Rehabilitationsstadien wegen des bekannten Deckeneffektesallerdings nur unzureichend ab.

Prinzipien neurologischer Rehabilitationsmethoden

In Deutschland wurden lange Zeit bei neurologisch bedingten motorischen Beeinträchtigungen überwiegendsogenannte neurophysiologische Behandlungskonzepte (Bobath, propriozeptive neuromuskuläre Fazilitation)eingesetzt. Kerngedanke der neurophysiologischen Konzepte ist es, durch einen therapeutisch gesetzten Input einerwünschtes Bewegungsmuster zu fördern. Eine Überlegenheit dieser Vorgehensweise hat sich wissenschaftlichnicht bestätigt (van Peppen et al. 2009).

Vor dem Hintergrund dieser Studien sowie den Erkenntnissen zur neuronalen Plastizität und zum motorischen Lernenhat sich das therapeutische Vorgehen in jüngerer Zeit gewandelt. Zentrales Kernelement eines modernenTherapieansatzes ist das aktive, repetitive Üben einer zu erlernenden Fähigkeit (Aktivität) oder einer Bewegung. DieserTherapieansatz wird beim Üben isolierter Bewegungen als „isoliertes sensomotorisches Üben“, beim Üben vonAktivitäten als „aufgabenorientiertes“ Vorgehen bezeichnet. Unterschiedliche Formen des Übens wie Üben unterrhythmisch-akustischer Stimulation, bilaterales Üben und auch die Anwendung von Bewegungsvorstellung undBewegungsbeobachtung werden ebenfalls darunter subsumiert. Synonyme für einen modernen Therapieansatz sinddie Begriffe „Task-orientiertes Vorgehen“ und „Motor-Relearning“-Konzept. Schlagwortartig wird diese moderneVorgehensweise auch als „Hands-off“-Konzeption bezeichnet, da im Zentrum nicht mehr die Fazilitation einesBewegungsablaufs durch die Hände des Therapeuten, sondern die zielorientierte Aktivität oder die Bewegung desPatienten steht.

Beübt werden auf der Grundlage des individuellen Befundes die beeinträchtigten Bewegungen und die motorischenAktivitäten der Kategorien posturale Kontrolle, Lokomotion sowie Greifen und Manipulation. Die Befunderhebungerfolgt vor dem Hintergrund der ICF und umfasst sowohl die Funktions- und Strukturebene als auch die Ebene Aktivitätund Partizipation des Patienten (siehe Assessment-Verfahren). Das Wiedererlangen motorischer Fähigkeiten nachzentralen Läsionen wird als motorischer Lernprozess verstanden. Deshalb werden beim Üben sowohl dietherapeutische Instruktion als auch das Feedback beachtet.

Rehabilitation der oberen Extremität

Zeitpunkt, Intensität und Dauer der Behandlung

Insbesondere für die frühe Phase nach einem Schlaganfall in den ersten Wochen und Monaten wurde gezeigt, dass

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eine spezifische Armrehabilitation die Erholung der Armaktivitäten beschleunigt (Kwakkel et al. 1999). DieRehabilitation der Armmotorik sollte sofort nach einem Schlaganfall beginnen, soweit der klinische Zustand desPatienten dies erlaubt. 30 Minuten werktägliche zusätzliche spezifische Armrehabilitation soll erfolgen, wenn eineBeschleunigung der Wiederherstellung der Armmotorik erreicht werden soll. Die Effekte einer Intensivierung derArmrehabilitation wurden in Studien mit einer Behandlungsdauer von 4–20 Wochen dokumentiert.

Auch in späteren Krankheitsphasen wurden verschiedentlich Therapieeffekte abgesichert. In der chronischen Phase(mehr als ein Jahr nach Schlaganfall) waren sowohl kürzere intensivere als auch längere weniger intensiveBehandlungsformen wirksam. Die Wirksamkeit einer kontinuierlichen Behandlung ist jedoch nicht untersucht undsollte nur erfolgen, wenn folgende Bedingungen erfüllt sind: Zum einen sollten funktionelle Defizite bestehen,andererseits sollen während der Therapie auch funktionelle Verbesserungen dokumentierbar sein (bzw. funktionelleVerschlechterungen nach deren Absetzen).

Traditionelle Behandlungsmethoden

Eine überlegene Wirksamkeit einer der länger bekannten therapeutischen Methoden wie z. B. der Bobath-Behandlungoder der propriozeptiven neuromuskulären Fazilitation (PNF) gegenüber einer anderen Schule lässt sich für dieArmrehabilitation aus der beurteilten Literatur nicht ableiten. Gegenüber anderen spezifischen Therapieformen, wiesie weiter unten ausgeführt werden, waren sie entweder vergleichbar wirksam oder unterlegen (van Vliet et al. 2005).Eine differenzielle Empfehlung für eine bestimmte Behandlungsmethode kann daher nicht gegeben werden.

Spezifische neuere Therapieansätze

In der Armrehabilitation können sehr unterschiedliche therapeutische Ansätze gewählt werden. Es gibt verschiedeneTherapieformen, wie in der Ergo- oder Physiotherapie der betroffene Arm aktiv beübt werden kann. Ob und welchedieser therapeutischen Vorgehensweisen sich in klinischen Studien als wirksam erwiesen haben und welcheEmpfehlungen deshalb gegeben werden, soll in den nachfolgenden Abschnitten näher beschrieben werden. Es istdurchaus so, dass sich verschiedene wirksame Therapieverfahren nicht gegenseitig ausschließen, sondern z. B. inAbhängigkeit von der Schwere der Beeinträchtigungen in verschiedenen Phasen der Therapie eingesetzt werdenkönnen. Auch ist es durchaus denkbar, dass je nach Möglichkeiten der Therapie diese alternativ oder auch paralleleingesetzt werden.

„Constraint-induced movement therapy“ (CIMT, Bewegungsinduktionstherapie)

Die Bewegungsinduktionstherapie geht von der Beobachtung aus, dass es einen „gelernten Nichtgebrauch“ desgelähmten Armes gibt. Wenn Patienten nach einem Schlaganfall anfänglich eine schwerere Lähmung haben, könnensie den Arm im Alltag nicht einsetzen. Der Patient „lernt“, die Alltagsaufgaben mit dem nicht betroffenen Armauszuführen, da dies für ihn leichter geht und zu weniger Misserfolg bei Bewegungsaufgaben führt. Nach der weiterenErholung des vormals stärker gelähmten Armes könnte dieser zwar (zumindest teilweise) wieder eingesetzt werden;da der Patient aber verlernt hat, den gelähmten Arm mit einzusetzen oder bei dessen Einsatz Misserfolge erlebt, wirdder Gebrauch des gelähmten Armes vermieden. Diese Beobachtung hat zu der Bezeichnung „erlernter Nichtgebrauch“geführt. Das „Verlernen“ kann jedoch wieder rückgängig gemacht werden. Wird der gesunde Arm z. B. mit einemspeziellen Handschuh während einiger Stunden oder fast den ganzen Tag immobilisiert, wird der Einsatz desbetroffenen Armes erzwungen. Für den betroffenen Arm wird dadurch ein deutliches Mehr an Bewegungen „induziert“(hervorgerufen). So entsteht eine Alltagssituation, in der der betroffene Arm massiv trainiert und eingesetzt wird.Dadurch kann das erlernte Verhalten des Nichtgebrauchs wieder rückgängig gemacht werden. Dies konnte in vielenStudien nachgewiesen werden.

Für die Bewegungsinduktionstherapie oder auch Therapie des forcierten Gebrauches („forced use“) ist dieWirksamkeit sehr gut belegt, wenn Patienten zumindest eine teilweise erhaltene Handfunktion haben und gleichzeitigden Arm im Alltag nicht sehr stark einsetzen (Sirtori et al. 2009). Das trifft sowohl früh nach einem Schlaganfall alsauch in der späten Phase (nach mehr als einem Jahr nach dem Schlaganfall) zu (Wolf et al. 2006). Sowohl dieursprüngliche Form der Therapie (6 Stunden aktive Therapie pro Tag mit einem Therapeuten und zusätzlichImmobilisierung des betroffenen Armes für 90 % der Wachzeit) als auch eine modifizierte weniger intensive Form (z. B.mit 2 Stunden Therapie pro Tag und 5–6-stündiger Immobilisation des nicht betroffenen Armes) können dieArmfunktionen und den Gebrauch des Armes im Alltag fördern. Die intensive Form wird typischerweise für 2 Wochendurchgeführt, die weniger intensive Form für bis zu 10 Wochen. Diese modifizierte, weniger intensive Form ist leichterumsetzbar und kann parallel zu anderen Therapieangeboten durchgeführt werden. Berücksichtigt werden solltenjedoch Sicherheitsaspekte (ein genügendes Gleichgewicht muss vorhanden sein). Wenn eineBewegungsinduktionstherapie angeboten werden kann und der Patient die Voraussetzungen erfüllt, dann soll dieseBehandlungsmethode angewendet werden.

Bilaterales Training

Unter bilateralem Training versteht man, dass mit beiden Armen (bilateral) insbesondere gleichzeitig symmetrischeBewegungen bei der Therapie ausgeführt werden. Eine Überlegenheit gegenüber anderen Therapieformen fand sichin einer gemeinsamen Bewertung 18 randomisierter kontrollierter Studien nicht (Coupar et al. 2010). Eine auf

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Funktions- oder Aktivitätsverbesserung zielende Armrehabilitation soll aktives Trainieren beinhalten, das auch mitbilateralen Übungen gestaltet werden kann.

Schädigungsorientiertes Training („impairment oriented training“)

Ziel der Armrehabilitation nach Schlaganfall ist es, die Armaktivität im Alltag wieder zu fördern. Armaktivitäten sindfunktionelle Bewegungen, wie z. B. gezieltes Greifen, Benutzen von Werkzeugen und Haushaltsgegenständen oderSchreiben. Eine Schädigung beschreibt, warum der Arm im Alltag nicht mehr so gut einsetzbar ist, also z. B. eineLähmung oder eine Gefühlsstörung. Das schädigungsorientierte Training möchte die Ursachen fürAlltagsbehinderungen des Armes gezielt beheben und die ursprüngliche Funktion des Armes wiederherstellen. Dasschädigungsorientierte Training bietet 2 Therapieverfahren: das Arm-Fähigkeits-Training (AFT) für Patienten mitleichter Lähmung (Parese) und das Arm-Basis-Training (ABT) für Patienten mit schwerer Parese.

Arm-Basis-Training: Beim Arm-Basis-Training für Patienten mit schweren Lähmungen werden alleBewegungsmöglichkeiten des Armes (Bewegungen in der Schulter, im Ellenbogen, im Handgelenk und in denFingern) einzeln und systematisch wiederholend beübt. Damit soll die Bewegungsfähigkeit in den einzelnenAbschnitten des Armes wiederhergestellt werden.

Arm-Fähigkeits-Training: Das Arm-Fähigkeits-Training für Patienten mit leichter Armparese möchte die verschiedenenArmfähigkeiten, wie die gezielte Bewegung des Armes, die Fähigkeit, die Hand ruhig halten zu können, dieGeschicklichkeit mit den Fingern etc., durch Training verbessern und damit die Geschicklichkeit im Alltag fördern.Verschiedene Formen von „Geschicklichkeit“ werden hier also gezielt verbessert.

Arm-Basis-Training und Arm-Fähigkeits-Training haben sich als wirksam bzw. wirksamer im Vergleich zu traditionellerErgo- bzw. Physiotherapie erwiesen (Platz et al. 2009).

Aufgabenorientiertes Training

Beim aufgabenspezifischen Training werden Bewegungsaufgaben, die im Alltag auch vorkommen, geübt, mit demZiel, die funktionellen Fähigkeiten zu verbessern. Eine Idee beim aufgabenorientierten Training ist es, dass durch dieÜbungssituation mit Objekten, die mit dem Alltag Ähnlichkeiten hat, das Gehirn besonders stimuliert wird. DasBesondere ist hier, dass in der Therapiesituation immer ein Bezug zu Alltagssituationen und -objekten genutzt wird. Ineiner systematischen Übersichtsarbeit (Cochrane Review) und Metaanalyse über 8 randomisierten, kontrolliertenStudien wurde jedoch gefunden, dass ein aufgabenspezifisches Training keinen sicher nachweislichen Effekt auf dieWiederherstellung der Arm- oder Handfunktion hat (French et al. 2010). Das aufgabenorientierte Training ist dahereine Therapieoption. Eine differenzielle Empfehlung kann jedoch nicht gegeben werden.

Spiegeltherapie

Eine andere Form, Hirnareale anzuregen, die für die Bewegung des gelähmten Armes zuständig sind, ist diesogenannte Spiegeltherapie. Der Patient sitzt an einem Tisch. Er legt beide Arme rechts und links von einem Spiegelauf den Tisch. Die Spiegelfläche ist dem gesunden Arm zugewandt. Der Patient kann also Bewegungen mit dergesunden Hand im Spiegel sehen. Dabei entsteht der Eindruck, die Bewegungen würden mit der kranken Handausgeführt.

Wenn Spiegeltherapie täglich für eine halbe Stunde über mehrere Wochen durchgeführt wird, kann dies die Erholungdes betroffenen Armes insbesondere bei distaler Plegie fördern (Dohle et al. 2009) und Schmerzen im Rahmen eineskomplexen regionalen Schmerzsyndroms (CRPS) mindern (Cacchio et al. 2009). Eine zur üblichen Therapiezusätzliche Spiegeltherapie sollte bei Schlaganfallpatienten durchgeführt werden, wenn eine Verbesserung dermotorischen Funktionen oder eine Schmerzreduktion (CPRS) angestrebt wird.

Mentales Training (Vorstellung von Bewegungen)

Ähnlich wie bei der Spiegeltherapie, bei der der Patient scheinbar die gelähmte Hand sich bewegen sieht (imSpiegel), gibt es auch die Möglichkeit, dass wir uns die Bewegung des gelähmten Armes vor unserem geistigen Augevorstellen. Beispielsweise können Patienten sich vorstellen, wie sie den gelähmten Arm bei Alltagsverrichtungenbenutzen. Auch das kann die motorische Erholung fördern (Page et al. 2005).

Zusätzlich zur sonstigen motorischen Therapie sollte ein über mehrere Wochen durchgeführtes tägliches mentalesTraining für 10–30 Minuten mit vorgestelltem Gebrauch des betroffenen Armes im Alltag bei Patienten mit vorhandenerRestfunktion der Hand erwogen werden, wenn eine Verbesserung der Armfunktion angestrebt wird.

Teilhabe-orientierte Rehabilitation

Die Rehabilitation von sensomotorischen Störungen soll zur optimalen Reintegration in häusliches, soziales undberufliches Leben beitragen (SGB IX). Die Teilhabe an diesen Lebensbereichen wird nicht allein durch die motorische

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Leistungsfähigkeit beeinflusst, denn Körperfunktionen und -Strukturen, Aktivitäten und Partizipation, Umweltfaktorenund personenbezogene Faktoren stehen in dynamischer Wechselwirkung. Deshalb sind in der motorischenRehabilitation folgende Empfehlungen zu berücksichtigen:

Assessment und Evaluation: Die Patienten sollten direkt bei der Durchführung von Alltagsaktivitäten beobachtet unddaraus Rückschlüsse gezogen werden, welche motorischen und mentalen Fertigkeiten im Alltag besondersbeeinträchtigt sind. Das individuelle Übungsprogramm sollte dann gezielt auf diese Fertigkeiten zugeschnittenwerden, etwa mithilfe des AMPS (Assessment of Motor and Process Skills) (George 2006).

Zielsetzung: Therapieziele sollten nicht nur auf Funktions- und Aktivitätenebene beschrieben werden, sondern immerauch auf Teilhabe-Ebene in Form konkreter Alltagsanforderungen, die der Patient in seiner Umwelt (zuhause)bewältigen muss. Geeignet für eine interdisziplinäre Zielformulierung auf allen Ebenen ist die ICF (WHO 2005). DieAlltagsziele sollten gemeinsam mit den Patienten vereinbart werden und aus deren Sicht bedeutsam sein. Sie solltendie Bedingungen zuhause berücksichtigen und regelmäßig selbst evaluiert werden. Zur Formulierung und Evaluationvon Alltagszielen ist beispielsweise das COPM (Canadian Occupational Performance Measure) geeignet.

Therapiemethoden: Bei Zielen in Bezug auf die Verbesserung von Aktivitäten des täglichen Lebens („activities of dailyliving“, ADL) soll den Patienten zusätzlich zu motorischen Trainings auch ADL-bezogene Ergotherapie angebotenwerden (Steultjens et al. 2003, Legg et al. 2007). Allerdings ist noch weitere Forschung in Bezug auf die Frage nötig,welche Maßnahmen und Strategien bei welcher Symptomatik am effektivsten sind. Ergo- und Physiotherapeutensollten bei Menschen mit Schlaganfall in gleichen Anteilen zum Einsatz kommen, eng zusammenarbeiten und ihreTherapiemaßnahmen auf Alltagsziele ausrichten. Dies erbrachte in einer aktuellen randomisiert kontrollierten Studiesignifikant bessere Fortschritte unter anderem beim Gehen und beim Positionswechsel als die (funktionsorientierte)Physiotherapie alleine (Landi et al. 2006). Zur Verbesserung der Mobilität im außerhäuslichen Alltag istergotherapeutisches Verkehrstraining zu empfehlen. Nur ein Teil der Patienten, die gehfähig sind, verlassen auchtatsächlich das Haus bzw. können auch komplexe Alltagsaktivitäten wie Einkaufen selbständig meistern. Einebesondere Hemmschwelle für die außerhäusliche Mobilität scheinen zudem Schwierigkeiten bei der Benutzungöffentlicher Verkehrsmittel zu sein (Logan et al. 2004a, Lord et al. 2004). Das Verkehrstraining kann die Mobilität außerHaus wirksam und dauerhaft verbessern, wenn es mehrere Therapieeinheiten umfasst (Logan et al. 2004b). GroßeÄhnlichkeit zum ergotherapeutischen Verkehrstraining hat die interdisziplinäre alltagsorientierte Therapie (AOT), derenWirksamkeit allerdings bisher erst in einer kleinen Studie ohne Kontrollgruppe demonstriert wurde (Götze et al. 2005).

Einbezug von Angehörigen: Angehörige von Patienten, bei denen zu erwarten ist, dass sie nach dem Klinikaufenthaltzuhause auf Hilfe angewiesen bleiben, sollten in mehreren Therapieeinheiten intensiv geschult werden(Unterstützung der Patienten bei Transfers, beim Gehen und bei weiteren Aktivitäten des täglichen Lebens). Dies hatsignifikante Auswirkungen auf die Lebensqualität von Patienten und ihren Angehörigen sowie auf die Folgekosten beider häuslichen Versorgung von Schlaganfallpatienten (Kalra et al. 2004, Patel et al. 2004).

Rehabilitation der Gehfähigkeit

Gehfähige Patienten

Die folgenden Trainings- und Behandlungsmaßnahmen sind überlegen wirksam (van Peppen et al. 2007) undwerden für die Rehabilitation bereits gehfähiger Patienten (d.h. gehfähig zumindest mit Stand-by) empfohlen:

hohe Trainingsintensitätaufgabenspezifisches Training, d.h., die wieder zu erlernende motorische Aufgabe muss wiederholt geübt werden(z. B. Üben des Gehens auf ebenem Boden; Üben des Aufstehens vom Sitz zum Stand)kontextspezifisches Training (Üben des Gehens außerhalb von Therapieräumen)Training der Standstabilität auf Kraftmessplattenfunktionelles Krafttraining paretischer MuskelnLaufbandtraining (mit und ohne Gewichtsentlastung)

Die positive Wirkung eines funktionellen Krafttrainings wurde auch in einem Review von Pak u. Patten (2008) bestätigt.Hervorgehoben wurde bei dieser Studie insbesondere, dass Widerstandstraining zu einer Verbesserung derGanggeschwindigkeit führt, ohne dass es zu einer Steigerung der Spastik kommt.

Zur weiteren Förderung der Gangrehabilitation ist ein früher Einsatz von Hilfsmitteln wie Stock oderSprunggelenksorthesen sinnvoll, denn sie verbessern die Gleichgewichtsleistung und vermindern dadurch dieSturzhäufigkeit der Patienten (Cakar et al. 2010). Der Einsatz von Sprunggelenksorthesen ist auch im chronischenStadium sinnvoll und wird von den Patienten gut toleriert (Hung et al. 2011).

Zwischen Sprunggelenksorthesen und funktioneller Elektrostimulation des N. peronaeus zeigten sich beiaußerhäuslich gehfähigen Patienten in den funktionellen Parametern (Ganggeschwindigkeit, Schrittzahl) keineUnterschiede. Hingegen waren die Patienten bezüglich Anstrengung, Gangstabilität, Gangqualität, Komfort undäußerer Erscheinung mit der Elektrostimulation zufriedener (van Swigchem et al. 2011) als mit Orthesen.

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Nicht gehfähige Patienten

Diese Patienten sollten möglichst früh mobilisiert werden und das Bett verlassen. In einer kontrollierten Phase-II-Studie erreichten nicht gehfähige Schlaganfallpatienten, die innerhalb von 24 Stunden mobilisiert wurden, doppelt soschnell wieder eine unabhängige Gehfähigkeit wie konventionell behandelte Patienten (Cumming et al. 2011).

Zudem gilt das aufgabenspezifische repetitive Konzept auch im Fall des nicht gehfähigen Patienten. DieLaufbandtherapie (mit/ohne Gewichtsentlastung) zeigte sich im mittel- und langfristigen Verlauf im Vergleich zumÜben des Gehens auf dem Boden in Bezug auf Ganggeschwindigkeit, Ausdauer oder außerhäusliche Gehfähigkeitals nicht überlegen (Moseley et al. 2005, Franceschini et al. 2009). Der Arbeitseinsatz für die Therapeuten, um dieparetischen Füße zu setzen oder das Gewicht zu verlagern, ist limitierend. Gangmaschinen, sei es nach demExoskeleton- oder Endeffektorprinzip, sind daher eine Alternative, um den Arbeitseinsatz der Therapeuten zureduzieren. Für die Gesamtheit der in Studien untersuchten Geräte kamen Metaanalysen (Mehrholz et al. 2007, Hesseet al. 2008) zum Ergebnis, dass der Einsatz eines elektromechanischen Gangtrainers in Kombination mitPhysiotherapie einer alleinigen Physiotherapie hinsichtlich der Wiederherstellung der Gehfähigkeit gehunfähigerPatienten in der Akutphase überlegen war. Diese Aussage bezog sich auf alle in Studien untersuchten Geräte, ein„Head-to-Head“-Vergleich der verschiedene Geräte erfolgte bis dato nicht. Mithilfe der Geräte können die Patientenaufgrund der geringeren Belastung für die Therapeuten eine höhere Anzahl (mehrere Hundert) an Gangzyklen in einerEinheit üben, sodass die Anzahl der Repetitionen des Gangzyklus zur Wiederherstellung der Gehfähigkeitentscheidend ist (Freivogel et al. 2009). Für bereits gehfähige Patienten erweisen sich die Geräte dagegen als nichtüberlegen (Hidler et al. 2009).

Pharmakotherapie in der motorischen Rehabilitation

Die dynamischen Prozesse, die an den Plastizitätsvorgängen während der motorischen Funktionserholung beteiligtsind und verschiedene Neurotransmittersysteme einbeziehen, können vor allem über involvierte Rezeptorenmedikamentös beeinflusst werden. Die am besten untersuchten Formen der synaptischen Plastizität sind dieLangzeit-Potenzierung (LTP) und Langzeit-Depression (LTD), die entweder eine Stärkung oder Schwächungerregender oder auch hemmender Synapsen bewirken. Am Motorkortex entsteht LTP vor allem durch assoziierte,konvergierende Impulse. Da LTP sehr wahrscheinlich motorisches Lernen beeinflusst, sind vor allem LTPmodulierende Bedingungen von besonderem Interesse. Viele der bekannten zerebralen Transmittersysteme könnentatsächlich LTP beeinflussen. Tierexperimentelle Erkenntnisse der pharmakologischen Beeinflussung derfunktionellen Reorganisation konnten bisher allerdings nur teilweise in Untersuchungen an gesunden Probanden undin ganz wenigen Studien an Patienten mit Schlaganfall reproduziert werden. Um den günstigen Einfluss einesPharmakons auf die motorische Funktionserholung tatsächlich zu erzielen, muss insbesondere im Hinblick auf diegeforderte Assoziation oder Konvergenz von Reizen eine ausreichende motorische Aktivität, z. B. intensive Physio- undErgotherapie, stattfinden.

Amphetamine

Im Tiermodell kann durch Gabe von Amphetaminen eine motorische Funktionserholung induziert werden. Auch inersten kleineren klinischen Studien gab es vielversprechende Ergebnisse. In größeren Untersuchungen mitadäquater Patientenzahl konnten diese Ergebnisse nur teilweise reproduziert werden. In einer aktualisiertensystematischen Cochrane-Übersichtsarbeit wurden 10 Studien eingeschlossen, mit unterschiedlichen Ergebnissen(Martinsson et al. 2007). Immerhin zeigte sich mit Amphetaminen in 6 Studien eine Wirksamkeit auf motorischeFunktion und Sprache. Wesentliche Einschränkung des Einsatzes dieser Substanzen sind jedoch potenziell schwereNebenwirkungen durch Erhöhung des Blutdrucks und der Pulsrate, sodass insgesamt ein breiter klinischer Einsatznicht zu empfehlen ist.

Fluoxetin, L-Dopa

Eine Alternative zur Anwendung von Amphetaminpräparaten ist möglicherweise die Gabe von Fluoxetin oder von L-Dopa. Mit Fluoxetin konnten in offenen Studien und Fallserien bei Schlaganfallpatienten im chronischen StadiumVerbesserungen gezeigt werden. In einer multizentrischen, doppelt verblindeten Studie an 118 Patienten kam es in derGruppe mit Einnahme von Fluoxetin verglichen mit Placebo in den ersten 3 Monaten neben einer signifikantenBesserung der Funktion der oberen Extremität auch zu einer Vorbeugung der Depression (Chollet et al. 2011). Obdiese Effekte über längere Zeit anhalten oder nach Absetzen der Medikation erhalten bleiben, ist unbekannt. In einerkleineren placebokontrollierten Doppelblindstudie an 53 Patienten erreichten Patienten, die 3 Wochen mit 100 mg/d L-Dopa behandelten wurden, verbesserte Gehfähigkeit und eine bessere motorische Kompetenz des paretischenArmes (Scheidtmann et al. 2001). In nachfolgenden Studien konnte dieser Effekt jedoch nicht bestätigt werden. Eineallgemeine Empfehlung kann aufgrund dieser Daten noch nicht ausgesprochen werden. Weitere Studien zudopaminergen und serotoninergen Substanzen erscheinen sinnvoll, insbesondere weil deren Verträglichkeit besserist als bei Amphetaminen. Geringe Effekte vornehmlich in Studien an Patienten mit Schlaganfall im chronischenStadium konnten mit Substanzen wie Citalopram und Reboxetin nachgewiesen werden. Cholinerg wirksamenSubstanzen (z. B. Donezepil) wird ebenfalls das Potenzial zur positiven Beeinflussung von Regenerationsprozessen

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zugeschrieben; hierzu gibt es jedoch nur einzelne Fallberichte.

Weitere mögliche Implikationen aus Tierversuchen für die Pharmakotherapie

Mit Substanzen, von denen tierexperimentell bekannt ist, dass sie Plastizitätsvorgänge hemmen, wurden ausplausiblen Gründen keine Studien an Patienten durchgeführt. Dennoch können der Literatur zufolge folgendeFaustregeln vorgeschlagen werden:

Benzodiazepine, Phenytoin und Barbiturate sind zu vermeiden, als neutral werden hier z. B. Carbamazepin,Valproinsäure und Vigabatrin eingestuft.Bei der Auswahl antihypertensiver Substanzen sollte, soweit vertretbar, auf α1- und α2-Rezeptoragonisten

verzichtet werden (z. B. Clonidin, Prazosin und Phenoxybenzamin), zu bevorzugen sind stattdessenBetarezeptorenblocker.Neuroleptika sind ungünstig und sollten soweit wie möglich vermieden werden, wobei es bezüglich desplastizitätshemmenden Potenzials der neueren atypischen Neuroleptika wenig Daten gibt.Als Antidepressiva sollten statt anticholinerg wirksamer Substanzen wie Trizyklika, die zusätzlich eine deliriogenePotenz besitzen, eher Serotonin-Wiederaufnahmehemmer eingesetzt werden.

Akupunktur

Akupunktur wurde immer wieder als zusätzliches therapeutisches Verfahren in der motorischen Rehabilitation diskutiert.Es besteht derzeit allerdings kein ausreichender Nachweis für eine Wirksamkeit von Akupunktur in der motorischenSchlaganfallrehabilitation. Eine Metaanalyse der bis 1999 publizierten Studien berichtete, dass 6 Studien einen positivenEffekt gezeigt hatten, 3 Studien – darunter die 2 methodisch besten – hingegen keinen Effekt nachweisen konnten (Parket al. 2001). Auch eine umfangreiche aktuelle schwedische Studie konnte keine Akupunktur-assoziiertenFunktionsbesserungen feststellen (Johansson et al. 2001). Zu dem gleichen negativen Ergebnis kommt auch dieMetaanalyse der Cochrane-Arbeitsgruppe (Wu et al. 2006).

Sport- und Bewegungstherapie in der Rehabilitation von sensomotorischen

Störungen

Bewegungstherapie umfasst Verfahren, die körperliche Bewegung als Intervention einsetzen (Sport- undBewegungstherapie, Physiotherapie/Krankengymnastik, Elemente der Ergotherapie) mit dem Ziel, im Sinne der ICF diephysische Belastbarkeit und Leistungsfähigkeit wiederherzustellen oder zu verbessern (Funktionen), zu körperlich aktivenLebensstilen hinzuführen sowie zur Beibehaltung und Wiederaufnahme von Berufstätigkeit, Alltagsaktivitäten undsozialen Aktivitäten beizutragen (Aktivitäten, Teilhabe) (Arbeitsgruppe Bewegungstherapie 2009). Als integralerindikationsunabhängiger Therapiebestandteil umfasst sie ein Volumen von fast 60 % aller Therapiemaßnahmen in derstationären Rehabilitation (Brüggemann u. Sewöster 2010).

Herz-Kreislauf-Training nach Schlaganfall

Es existiert derzeit ausreichend Evidenz, dass kardiorespiratorisches Training nach Schlaganfall die Gehfunktionverbessern kann. Ein aktualisiertes Cochrane Review, das 24 Studien mit insgesamt 1147 Patienten einschloss,zeigte, dass kardiorespiratorisches Training signifikant die Gehfähigkeit, die Gehstrecke und die Gehgeschwindigkeitvon Patienten nach Schlaganfall verbessern kann (Saunders et al. 2009). Langzeittrainingseffekte sind derzeit ebensowie die Wirkung auf Überleben und Verbesserung von Alltagsaktivitäten jedoch noch nicht abschätzbar.

Krafttraining nach Schlaganfall

Es existiert derzeit moderate Evidenz, dass Krafttraining nach Schlaganfall die Kraft- und Alltagsfunktionen ohneSteigerung der Spastik verbessern kann. Dies konnte in einem systematischen Review gezeigt werden, das 15Studien mit insgesamt 779 Patienten einschloss (Ada et al. 2006). Langzeittrainingseffekte sowie Effekteunterschiedlicher Krafttrainingsarten sind derzeit noch nicht abschätzbar.

Herz-Kreislauf-Training bei Multipler Sklerose

Aufgrund der geringen Anzahl von Studien und vorherrschender methodischer Mängel liegt noch keine Metaanalyse zuKraft- oder Ausdauertraining bei MS vor. In Übersichtsarbeiten (Rietberg et al. 2004, Dalgas et al. 2007, Asano et al.2009) werden durchgängig positive Wirkungen eines Ausdauertrainings auf aerobe Kapazität (VO2max) gezeigt, in

einigen Studien auch auf Lungenfunktion, Fatigue, Lebensqualität, Depression und Mobilität. Die Trainingsparametersind meist unzureichend beschrieben, Dosis-Wirkungs-Analysen liegen nicht vor. Daher kann keine optimale Dosisempfohlen, sondern nur versucht werden, bisher wirksame Interventionen zu charakterisieren. Dies trifft auch aufStudien zum Krafttraining bei MS zu. Bei Patienten mit EDSS ≤ 6,5 hat sich ein Ausdauertraining bei einer Intensität von50–70 % der VO2max (60–80 % der maximalen Herzfrequenz) und 10–40 Minuten Dauer bei einer Trainingshäufigkeit

von 2–3 Einheiten pro Woche über mindestens 8 Wochen als wirksam erwiesen.

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Krafttraining bei Multipler Sklerose

In Übersichtsarbeiten (s.o.) werden durchgängig positive Effekte von Kräftigungstraining auf die Muskelkraft der oberenund unteren Extremitäten beschrieben; einige, aber nicht alle Studien zeigen zusätzlich Wirkung auf die Mobilität undFatigue. Bei Patienten mit EDSS ≤ 6,5 hat sich ein Krafttraining mit 8–15 Wiederholungen bei 1–3 Sätzen, moderaterIntensität (Borg RPE 11–14) und 2–3 Trainingseinheiten pro Woche als wirksam erwiesen.

Versorgungskoordination

Die Versorgungskoordination wird ausführlich in der S1-Leitlinie „Multiprofessionelle neurologische Rehabilitation“behandelt.

Redaktionskomitee

Prof. Dr. Christian Dettmers, Kliniken Schmieder, Eichhornstraße 68, KonstanzGabriele Eckhardt, ZVK, Zentralverband der Physiotherapeuten, HaanSusanna Freivogel, Physiotherapie, NeuhausenSabine George, Deutscher Verband der Ergotherapeuten e.V., Karlsbad-IttersbachProf. Dr. Stefan Hesse, Medical Park Berlin, Charité – Universitätsmedizin BerlinProf. Dr. Horst Hummelsheim, Neurologisches Rehabilitationszentrum LeipzigProf. Dr. Eberhard Koenig Schön Klinik Bad AiblingProf. Dr. Joachim Liepert, Kliniken Schmieder AllensbachProf. Dr. Jan Merholz, Klinik Bararia GmbH KreischaProf. Dr. René Müri, Abteilung für Kognitive und Restorative Neurologie, Universitätsklinik für Neurologie, InselspitalBernProf. Dr. Gereon Nelles, Neurologie, St.-Elisabeth-Krankenhaus KölnProf. Dr. Klaus Pfeifer, Institut für Sportwissenschaft und Sport, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-NürnbergProf. Dr. Thomas Platz, BDH-Klinik Greifswald GmbH, Ernst-Moritz-Arndt Universität GreifswaldDr. Caroline Renner, Neurologisches Rehabilitationszentrum LeipzigSybille Roschka, BDH-Klinik Greifswald, Ernst-Moritz-Arndt Universität GreifswaldDr. Simon Steib, Institut für Sportwissenschaft und Sport, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-NürnbergDr. Alexander Tallner, Institut für Sportwissenschaft und Sport, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-NürnbergProf. Dr. Bernhard Voller, Universitätsklinik für Neurologie, Wien

Federführend: Prof. Dr. Gereon Nelles, Werthmannstraße 1c, 50935 KölnE-Mail: [email protected]

Entwicklungsstufe der Leitlinie: S2k

Finanzierung

Eine Finanzierung durch Dritte erfolgte nicht.

Methodik der Leitlinienentwicklung

Beteiligte Fachgesellschaften: Deutsche Gesellschaft für Neurologie, Deutsche Gesellschaft für NeurologischeRehabilitation, Zentralverband der Physiotherapeuten, Deutscher Verband der Ergotherapeuten. DieKonsensusbildung erfolgte in einem Delphiverfahren zur S2k-Leitlinie. Alle Autoren haben schriftlich jeder Empfehlungeinzeln schriftlich zugestimmt.

Literatur

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Aus: Hans-Christoph Diener, Christian Weimar (Hrsg.)Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der NeurologieHerausgegeben von der Kommission "Leitlinien" der Deutschen Gesellschaft fürNeurologieThieme Verlag, Stuttgart, September 2012

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