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REISELUST MIT REISESCHUTZ – Typhus und Hepatitis A im Fokus CME zertifizierte Fortbildung 4 Punkte Autoren: Dr. Markus Frühwein und Prof. Dr. med. Dr. phil. Martin Haditsch

REISELUST MIT REISESCHUTZ · 2020-05-05 · 1 Erreger des Typhus sind Bakterien der Gruppe Salmonella (S.) enterica Serovar Typhi, welche zur Familie der Enterobac- teriaceae gehören

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REISELUST MIT REISESCHUTZ – Typhus und Hepatitis A im Fokus

CMEzertifizierte Fortbildung

4 Punkte

Autoren: Dr. Markus Frühwein und Prof. Dr. med. Dr. phil. Martin Haditsch

1

Erreger des Typhus sind Bakterien der Gruppe Salmonella (S.) enterica Serovar Typhi, welche zur Familie der Enterobac-teriaceae gehören. Es handelt sich um

gramnegative, bewegliche, begeißelte, fakultativ anaerobe Bakterien (Abbildung 1) [RKI 2019a].

1.

REISELUST MIT REISESCHUTZ – Typhus und Hepatitis A im Fokus

Dr. Markus Frühwein | Prof. Dr. med. Dr. phil. Martin Haditsch

EinleitungFernreisen erfordern eine gewissenhafte Vorbereitung – auch wenn es um die Gesund-heit und die Prävention von Erkrankungen geht. Wichtig ist es, vor der Reise genug Zeit für relevante Impfungen einzuplanen, da Fernreisen häufig mit einem erhöhten Infek-tionsrisiko verbunden sind. Für Touristen, die in Länder mit schlechtem hygienischem Standard reisen wollen oder fernab des komfortablen Resort-Urlaubs Land und Leute als Individualreisende erkunden, wird u. a. empfohlen, sich gegen Typhus und Hepa-titis A impfen zu lassen. Die Erreger der beiden Erkrankungen werden hauptsächlich fäkal-oral übertragen und weisen ein ähnliches geografisches Verbreitungsmuster auf. Sie kommen weltweit vor, jedoch insbesondere in den Endemiegebieten in Asien und Afrika. Beide Erreger haben eine vergleichsweise niedrige minimale Infektionsdo-sis, sodass eine Infektion auch bei vorsichtigem Hygiene- bzw. Essverhalten erfolgen kann. Impfungen können vor einer Infektion mit Typhus bzw. Hepatitis A schützen. In vielen Ländern besteht ein Risiko für beide Erkrankungen. In bestimmten Situationen ist es daher empfehlenswert, sich sowohl gegen Typhus als auch Hepatitis A impfen zu lassen. Zur Prävention dieser beiden Infektionskrankheiten stehen sowohl monovalente als auch Kombinationsimpfstoffe zur Verfügung. Diese zertifizierte Fortbildung gibt einen Überblick über die beiden Erkrankungen, deren Auswirkungen und die Möglichkeiten der Prävention sowie die aktuellen Impfempfehlungen in Deutschland.

Typhus

2.1. Erreger und Transmission

2.

Abbildung 1: Typhus wird durch die Bakterien Salmonella enterica Typhi ausgelöst.

2

Das einzige bekannte Reservoir für S. Ty-phi ist der Mensch. Die Transmission findet über den fäkal-oralen Weg statt und erfolgt hauptsächlich durch die Aufnahme von verunreinigtem Wasser und Lebensmitteln (z. B. Schalentiere aus abwasserverseuch-ten Gebieten), die durch Ausscheidungen kontaminiert wurden (Abbildung 2).

Insbesondere in Ländern mit schlechten hygienischen Bedingungen und keiner geeigneten Abwasserbehandlung besteht ein erhöhtes Risiko. Eine direkte fäkal-orale Übertragung ist möglich, erfolgt jedoch nur selten. Die Inkubationszeit für Typhus beträgt in der Regel 8 – 14 Tage. Dies bedeutet, dass

der Krankheitsbeginn unter Umständen also noch in die Urlaubszeit fallen kann. Die Dauer der Infektiosität kann noch mehrere Wochen nach Abklingen der Symptome bestehen. Etwa 2 – 5 % der Infizierten schei-den dauerhaft Erreger aus (permanent carriers/Dauerausscheider) und können so eine Infektionsquelle für die Mitmenschen darstellen [RKI 2019a]. Der bekannteste Fall ist der von der Köchin Mary Mallon („Typhoid-Mary“), die den Typhus-Erreger in sich trug, ohne selbst zu erkranken. Zum Beginn des 20. Jahrhunderts infizierte sie als Dauerausscheiderin 53 Menschen, von denen drei starben [Soper 1939].

FingerPflanzen Fliegen

Rohes oder Mund einergesunden Person

Wasser

Stuhl und Urinvon Überträgern

Abbildung 2: Fäkal-orale Übertragung ist die Hauptursache für die Ansteckung mit Typhus und Hepatitis A [Rack et al. 2005, RKI 2019a, RKI 2019b]

2.2. Vorkommen und Epidemiologie

Typhus-Erreger sind weltweit verbreitet, je-doch sind insbesondere in Ländern mit unzureichenden hygienischen Bedingungen besonders hohe Erkrankungszahlen sowie wiederholte Ausbrüche und Epidemien zu verzeichnen. Zwar haben die Menschen vor Ort durch die rasche Urbanisierung mittler-weile besseren Zugang zu sauberem Trink-wasser und einer sanitären Infrastruktur als noch vor ein paar Jahren, dennoch mangelt es jedoch nach wie vor an dessen Qualität [Obaro et al. 2017]. Die Mehrheit der Fälle trat 2017 in Südasien und Subsahara-Afrika auf [GBD 2019]. Ein permanent hohes Ri-siko besteht in Pakistan, Indien und Nepal

[Chatham-Stephens et al. 2019, Tanmoy et al. 2018]. Eine Übersicht der weltweiten Ver-breitung von Typhus und Paratyphus im Jahr 2017 findet sich in Abbildung 3. Aufgrund der hohen Infektiosität der Erreger ist es jedoch eine Überlegung wert, das Infektionsrisiko nicht (nur) an den gemeldeten und/oder in Studien belegten Fallzahlen festzumachen. Zusätzlich sollte sich dies aufgrund eines grundsätzlich erheblichen Streupotenzials (auch) an den vor Ort gegebenen sanitä-ren Verhältnissen orientieren (neuerliche Ausbrüche = sprunghafter Anstieg der Endemizität bei desolaten Verhältnissen jederzeit möglich).

gekochtes Essen

3

Im Jahr 2017 kam es weltweit zu ca. 10,9 Millionen Erkrankungsfällen und fast 117.000 Todesfällen, die auf Typhus zurückzufüh-ren sind [GBD 2019]. Typhus-Erkrankungen sind die häufigste Ursache für enterisches Fieber und damit verantwortlich für eine erhebliche globale Krankheitslast. Aufgrund der zum Teil unspezifischen Symptome, schlechten Verfügbarkeit und Anwendung der richtigen Diagnostik und suboptimalen Surveillance-Systemen wird die Krankheitslast in Endemiegebieten vermutlich erheblich unterschätzt. Auf diesen Ebenen besteht daher dringender Handlungsbedarf [Obaro et al. 2017]. In Deutschland konnte die Zahl der Typhus-Erkrankungen hingegen seit 1951 durch eine erhebliche Verbesserung der hygienischen Bedingungen stark vermindert werden. Während es im Jahr 1951 noch zu 10,6 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner kam, betrug die Inzidenz im Jahr 2018 bzw. 2019 nur noch 0,07 bzw. 0,1 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner [RKI 2019c, SurvStat 2020]. Entsprechend der Meldepflicht gemäß Infek-tionsschutzgesetz (IfSG) wurden im Jahr 2018 bzw. 2019 58 bzw. 86 Typhus-Erkrankungen übermittelt. Die überwiegende Anzahl der In-

fektionen wurden im Ausland von ungeimpf-ten Personen erworben. Die drei häufigsten Infektionsländer im Jahr 2018 waren Indien, Pakistan und Nepal. Diese Daten zeigen, dass Typhus für Menschen in Deutschland hauptsächlich eine Reiseerkrankung ist. Insbesondere Asien ist mit einem erhöhten Typhus-Risiko für Urlauber assoziiert. So entfie-len 79 % der deutschen Fälle auf asiatische Infektionsländer [RKI 2019c]. Dies ist auch durch andere Studiendaten belegt. Laut Geo-Sentinel rangierte enterisches Fieber (invasive Salmonellosen durch S. Typhi und S. Paratyphi) zwischen 1997 und 2007 an erster Stelle der bei Reisenden registrierten impf-präventablen Infektionskrankheiten [Boggild et al. 2010]. Aktuellere Daten zeigen, dass Typhus in Südasien die zweit- und in anderen endemischen Ländern die siebt- bzw. acht-häufigste impfpräventable Infektionskrank-heit bei Reisenden darstellt (Abbildung 4, Seite 4) [Steffen et al. 2015, Steffen 2018]. Die WHO empfiehlt zur Prävention und Ein-dämmung der Neuinfektionen den groß-flächigen Einsatz von Typhus-Impfstoffen in den entsprechenden Endemiegebieten [WHO 2019b].

Keine Daten vorhanden

Sehr geringes Risiko

Geringes Risiko

Mittleres Risiko

Erhöhtes Risiko

Hohes Risiko

Sehr hohes Risiko

Abbildung 3: Weltweite Verbreitung von Typhus und Paratyphus im Jahr 2017*; modifiziert nach [GBD 2019].*Diese Daten aus dem Jahr 2017 zeigen für Südamerika im Vergleich zu vorherigen Jahren ein geringes Risiko. Ob dies

jahresspezifisch ist oder ob die Risikoreduzierung anhält, müssen die nächsten Jahre zeigen. Deutsche Daten zeigen

allerdings, dass Mexiko eines der häufigsten Infektionsländer für Reisende im Jahr 2017 war [RKI 2018]. Das Auswär-

tige Amt empfiehlt bei Reisen nach Südamerika derzeit weiterhin die Impfung gegen Typhus [Auswärtiges Amt 2020].

4

2.3. Symptomatik

Bei Typhus handelt sich um eine Krankheit, deren Symptomatik von unterschiedlichen Schweregraden geprägt ist. Im Prodromal-stadium kommt es zu eher allgemeinen Beschwerden wie Kopfschmerzen, Glie-derschmerzen und eventuell zu subfebrilen Temperaturen. Schwere Verläufe sind ge-kennzeichnet durch einen Fieberanstieg mit Temperaturen von 39 – 41 °C in Verbindung mit Kopfschmerzen, Abdominalbeschwer-den, Unwohlsein und Gliederschmerzen. Unbehandelt können die hohen Tempera-turen um 40 °C bis zu drei Wochen anhalten. Häufig tritt zunächst eine Verstopfung auf, die später in erbsbreiartige Durchfälle über-gehen kann. Während Erwachsene eher von Verstopfungen betroffen sind, leiden jüngere Kinder häufiger unter Diarrhö. Weitere Anzei-chen sind eine belegte Zunge (grau-weißer Belag in der Mitte), eine relative Bradykardie (nicht obligat) und hellrote, bis zu ca. 10 mm große (durchschnittlicher Durchmesser von

2 – 4 mm), nichtjuckende Hauteffloreszenzen (Roseolen), die bei 5 – 30 % der Patienten mit Typhus auftreten und insbesondere bei dunkelhäutigen Menschen leicht übersehen werden können [Parry et al. 2002, RKI 2019a].

Komplikationen treten bei ca. 10 – 15 % der Patienten auf. Hiervon sind insbesondere unbehandelte Infizierte betroffen, deren Erkrankung zwei Wochen oder länger anhält. Es wurden verschiedene Komplikationen beschrieben, von denen gastrointestinale Blutungen, Darmperforationen mit Peritonitis und Enzephalitis die wichtigsten sind. Aber auch andere Komplikationen wie nekroti-sierende Cholezystitis, thromboembolische Ereignisse, Osteomyelitis, Endokarditis oder Meningitis sind möglich. Bei Kindern unter einem Jahr verläuft die Erkrankung schwerer und es treten häufiger Komplikationen auf [Parry et al. 2002, RKI 2019a].

Abbildung 4: Schätzung der Inzidenz impfpräventabler Infektionskrankheiten bei Reisen westlicher Urlauber in tropische und subtropische Regionen (Inzidenz/Monat Reise); modifiziert nach [Steffen 2018].

100 %

10 % = 1/10

1 % = 1/100

0,1 % = 1/1.000

0,01 % = 1/10.000

0,001 % = 1/100.000

0,0001 % = 1/1000.000

< 1/10 Millionen

INFLUENZA

BISS EINES TIERES – TOLLWUTRISIKO

LATENTE TUBERKULOSEINFEKTION

TYPHUS (SÜDASIEN)

HEPATITIS A

HEPATITIS BMASERN ODER PERTUSSIS

TYPHUS (AFRIKA, SÜDAMERIKA) AKTIVE TUBERKULOSE

TYPHUS (KARIBIK, ZENTRALAMERIKA)

JAPANISCHE ENZEPHALITIS

TOLLWUT, TÖDLICHMENINGOKOKKEN-ERKRANKUNGEN, CHOLERA, DIPHTHERIE, GELBFIEBER BEI NICHT-IMMUNEN (EXPONIERT?)

FRÜHSOMMERMENINGOENZEPHALITIS (LÄNDLICHES BALTIKUM)

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Gesundheit [WHO 2019a]. Daher empfiehlt die WHO neben hygienischen Verbesse-rungsmaßnahmen die Typhus-Impfung, um die endemische Typhus-Situation wie auch Typhus-Ausbrüche zu kontrollieren [WHO 2018b, WHO 2019b]. Auch für Reisende kön-nen die resistenten Typhus-Erreger gefährlich

werden. 2019 wurden erstmals in Deutsch-land zwei Erkrankungen durch äußerst arz-neimittelresistente Erreger nach Aufenthalt in Pakistan registriert [RKI 2019d]. Entsprechend wichtig sind präventive Maßnahmen und eine zeitgerechte Impfung.

2.4. Therapie

Die Grundbehandlung von Typhus ist eine Antibiotika-Therapie. Insbesondere bei einem Einsatz im frühen Erkrankungsstadium ist diese Therapie sehr erfolgreich. Besonders geeignet sind/waren eine Behandlung mit dem Gyrasehemmer Ciprofloxacin (nur für Erwachsene) oder mit einem Breitspek-trum-Cephalosporin wie z. B. Ceftriaxon [RKI 2019a]; zunehmende Resistenzen erschweren jedoch eine kalkulierte Therapie [Karkey et al. 2018]. Aufgrund der zunehmenden Resistenzentwicklung wird eine Testung der Erregerisolate auf Antibiotika-Sensitivität em-pfohlen. Die initiale Therapie sollte daher eine mögliche Resistenz (je nach Herkunft) miteinkalkulieren und bei Bedarf nach Vor-liegen des Antibiogramms angepasst wer-den ("down-staging"). Neben den oben genannten Substanzen können Cotrimoxazol und Amoxicillin zur Therapie von Typhus ein-gesetzt werden. In tropischen Ländern kommt noch das Antibiotikum Chloramphenicol zur Anwendung, welches in Deutschland wegen möglicher schwerer Nebenwirkungen nicht mehr eingesetzt wird [RKI 2019a].

Aufgrund zunehmender Resistenzentwick-lung in den Endemiegebieten hat die Gefahr eines Versagens der Antibiotika-Therapie zugenommen. Eine aktuelle Meta-Analyse zeigt, dass sich die Situation zwischen 1990 und 2018 für alle Antibiotika verschlechtert hat [Browne et al. 2020]. Neben mehrfach-re-sistenten (MDR) Erregern (resistent gegen Erstlinien-Antibiotika) wurden in einigen Ge-bieten inzwischen auch äußerst arzneimittel-resistente (XDR) S. Typhi-Erreger identifiziert, die eine Resistenz gegen alle empfohlenen Antibiotika außer Azithromycin aufweisen (s. Tabelle 1 zur Klassifikation der Typhus-Fälle nach Erregerresistenz) [WHO 2018b]. So sind äußerst arzneimittelresistente S. Typhi- Erreger seit November 2016 permanent Auslöser für Typhus-Ausbrüche in Pakistan [Klemm et al. 2018]. Auch in Bangladesch wurden zwei neue, äußerst arzneimittelresistente Typhus-Erreger gefunden [Tanmoy et al. 2018]. Der weitgehende Wirkverlust von an-timikrobiellen Arzneimitteln ist für die Welt-gesundheitsorganisation (WHO) eine der zehn größten Bedrohungen für die globale

Klassifikation Definition

Nicht-resistentVerursacht durch S. Typhi-Erreger, die auf Antibiotika der Erstlinie* und

Cephalosporine der dritten Generation ansprechen, mit oder ohne Resistenz gegenüber Therapien der Zweitlinie**

Mehrfach-resistent (MDR) Verursacht durch S. Typhi-Erreger, die resistent gegenüber Erstlinien-Antibio-tika* sind, mit oder ohne Resistenz gegenüber Therapien der Zweitlinie**

Äußerst arzneimittelresistent (XDR) Verursacht durch S. Typhi-Erreger, die resistent gegenüber allen empfohle-nen Antibiotika sind***

*Chloramphenicol, Ampicillin, Trimethoprim-Sulfamethoxazol; **Fluorchinolone; ***Erst- und Zweitlinien-Antibiotika und

Cephalosporine der dritten Generation

Tabelle 1: Klassifikation von Typhus nach Arzneimittelresistenz der Erreger; modifiziert nach [WHO 2018b].

WHO-Zitat:„Die hohe Krankheitslast durch Typhus ist in vielen Teilen der Welt weiter anhaltend. Zusätzlich gibt es einen starken Anstieg im Aufkommen von Antibiotika-resistenten S. Typhi-Stämmen. […]Die Prävention von Typhus durch Impfung und andere Maßnahmen hat das Potenzial, die Nutzung von Antibiotika zu reduzieren und die Entstehung Antibiotika-resistenter S. Typhi-Stämme zu begrenzen“ [WHO 2019b].

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2.5. Präventive Maßnahmen

Typhus-Erreger werden in den meisten Fäl-len über das Trinkwasser oder auch über die Nahrung übertragen. Daher sollte in Risikogebieten nur sicheres Wasser (kein Leitungswasser) getrunken bzw. verwendet werden. Auf Eiswürfel in Getränken, die oft aus Leitungswasser hergestellt werden, sollte verzichtet werden. Fleisch, Meeresfrüchte, Obst und Gemüse sollten nur geschält oder gekocht verzehrt werden, gemäß dem Grundsatz: „Schäle es, brate es, ko-che es oder vergiss es!“ („Peel it, cook it, boil it or forget it!“). Eine gute Hygiene bei der Zubereitung von Speisen ist ebenfalls wichtig. Allerdings halten sich etwa 80 % der Reisenden nicht an diese Empfehlungen [Rack et al. 2005].

Vor Reisen in Endemiegebiete empfiehlt sich eine Impfung gegen Typhus. Studien aus Endemiegebieten zeigen, dass eine Impfung gegen Typhus mit einer Wirksamkeit von 50 – 77 % einhergeht [Acharya et al. 1987, Klugman et al. 1987, Milligan et al. 2018]. Bisher gibt es jedoch nur wenige Studien, die die Wirksamkeit der Typhus-Impfung bei Reisenden untersucht haben. Einer ameri-kanischen Studie zufolge weist die Impfung bei Reisenden eine Wirksamkeit von bis zu 80 % auf [Mahon et al. 2014], allerdings scheint die Wirksamkeit der Impfung im Laufe der Zeit nachzulassen [Wagner et al. 2015]. Für die Impfung können verschie-dene Typhus-Impfstoffe (monovalente und Kombinationsimpfstoffe) eingesetzt werden.

2.5.1. Typhus-Impfstoffe

Dem deutschen Markt stehen derzeit zwei mo-novalente Typhus-Impfstoffe zur Verfügung:

• Ein parenteral (intramuskulär oder sub-kutan) zu verabreichender Impfstoff aus hochgereinigtem Vi-Antigen (gereinigtes Vi-Kapselpolysaccharid von S. Typhi). Dieser Impfstoff erfordert eine einmalige Gabe und ist zugelassen bei Erwach-senen, Jugendlichen und Kindern ab einem Alter von zwei Jahren. Die Impfung sollte mindestens zwei Wochen vor einem möglichen Infektionsrisiko mit S. Typhi erfolgen und bietet einen Impfschutz für bis zu drei Jahre.

• Ein oraler Lebendimpfstoff; hier werden insgesamt drei magensaftresistente Kap-seln im Abstand von jeweils zwei Tagen eingenommen. Der Impfstoff ist zugelas-sen für Erwachsene und Kindern ab fünf Jahren und der komplette Impfzyklus sollte mindestens eine Woche vor der Reise in ein Endemiegebiet abgeschlossen sein, d. h. mit der Impfung sollte mindestens zehn Tage vor Reisebeginn angefangen werden. Eine Wiederholungsimpfung im Abstand von drei Jahren wird empfohlen [Fachinfo-Service 2020].

Neben den monovalenten Typhus-Impfstof-fen steht ein Hepatitis-A-Typhus-Kombina-tionsimpfstoff zur Verfügung (s. Kapitel 4). Eine detaillierte Übersicht, welche Impfstoffe für welche Altersgruppen indiziert sind, und die jeweiligen Impfschemata finden sich am Ende von Kapitel 4 (Tabelle 2).

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Hepatitis A

3.1. Erreger und Infektionsweg

Hepatitis A wird durch das Hepatitis-A-Virus (HAV) verursacht (Abbildung 5), welches zur Familie der Picornaviridae gehört.

Es handelt sich um ein einzelsträngiges RNA-Virus mit ausgeprägter Umweltstabilität, hoher Thermostabilität und hoher Desinfek-tionsmittelresistenz. Aufgrund ihrer starken Widerstandsfähigkeit können die Viren sehr gut außerhalb des Körpers, z. B. in Wasser und auf Nahrungsmitteln, überleben. Der Mensch ist der Hauptwirt und das epidemiologisch einzig relevante Reservoir des HAV [RKI 2019b].

Die Transmission erfolgt fäkal-oral über zwei Hauptinfektionswege:

• über direkten Kontakt mit Infizierten (Schmierinfektion), z. B. im Kindergarten oder im gemeinsamen Haushalt, oder durch Sexualkontakte, vor allem bei Män-nern, die Sex mit Männern haben (MSM),

• durch kontaminierte Lebensmittel (z. B. Muscheln), Trink- oder Badewasser sowie Gebrauchsgegenstände [RKI 2019b].

Durch normalen Kontakt im Alltag wird das Virus meist nicht übertragen. Die Inkubations-zeit der Hepatitis A beträgt in der Regel 25 – 30 Tage, sodass die Erkrankung in vielen Fällen ein typisches „Reisemitbringsel“ darstellt. Erkrankte Personen sind ein bis zwei Wochen vor und bis zu einer Woche nach Auftreten von Ikterus (Gelbsucht) oder Transaminasen-erhöhung ansteckend. Infizierte Personen können daher die Krankheit verbreiten, bevor sie selbst erkranken [RKI 2019b].

3.2. Vorkommen und Epidemiologie

Der Erreger ist weltweit verbreitet und stellt sowohl bei Fern- als auch Nahzielen (z. B. Mittelmeer oder Osteuropa) ein Infektions-risiko dar (Abbildung 6, Seite 8).

In hyperendemischen (meist tropischen) Ländern machen nahezu alle Menschen die Infektion bereits als Kleinkind durch (ca. 90 % bis zum Alter von zehn Jahren), d. h. in einem Alter, wo die meisten HAV-Infek-tionen asymptomatisch bzw. subklinisch/anikterisch verlaufen. Nach einer durchge-machten Infektion besteht ein lebenslanger Schutz, weshalb manifeste Erkrankungen in diesen Ländern eher selten sind [Ja-cobsen, Wiersma 2010, Jacobsen 2018]. In industriell entwickelten Ländern mit hohem Hygienestandard kam es in den letzten

Jahrzehnten zu einem starken Rückgang der Erkrankung, was dazu geführt hat, dass nicht nur Kinder und Jugendliche, sondern auch zunehmend Erwachsene keine natür-liche Immunität aufweisen und daher bei Reisen in Risikogebiete stark gefährdet sind [RKI 2019b]. Hepatitis A ist die dritthäufigste impfpräventable Infektionskrankheit bei Reisenden (Abbildung 4, Seite 4) [Steffen 2018]. Hepatitis-A-Infektionen bedingen bei Erwachsenen wochen- bis monatelangen Krankenstand, der Schweregrad nimmt mit dem Alter zu. Sehr schwere Verläufe sind allerdings selten, die Zahl der Todesfälle durch Hepatitis A wird weltweit auf ca. 11.000 geschätzt und macht damit ca. 0,8 % der Todesfälle durch Virushepatitis aus [WHO 2017].

3.

Abbildung 5: Hepatitis-A-Viren.

8

Für Deutschland wurden im Jahr 2018 1.043 und im Jahr 2019 873 Fälle von Hepatitis-A-Er-krankungen übermittelt. Die bundesweite Inzidenz betrug damit 1,3 bzw. 1,05 Erkran-kungen pro 100.000 Einwohner [RKI 2019c, SurvStat 2020]. Die höchste altersspezifische Inzidenz trat bei Männern im Alter von 20 – 29 Jahren auf. 2018 gab es zwei größere lebens-mittelbedingte Ausbrüche. Vehikel waren Datteln aus Marokko und importierte Tiefküh-

lerdbeeren. Etwa ein Drittel der Erkrankungen waren reisebedingt. Die Länder, in denen sich Deutsche auf Reisen 2018 am häufigs-ten infizierten, waren Marokko, Ägypten und Spanien. Die Mehrzahl (92 %) der an Hepatitis A erkrankten Patienten war ungeimpft. Bei sechs Patienten kam es trotz vollständiger und zeitgerechter Impfung zu einem möglichen Impfdurchbruch [RKI 2019c]

3.3. Symptomatik

Bei Kindern bis ca. sechs Jahren ist der Verlauf einer Hepatitis-A-Erkrankung häufig mild und asymptomatisch und lediglich 10 % der Infi-zierten entwickeln einen Ikterus [WHO 2019c]. Mit steigendem Alter steigt jedoch das Risiko für fulminante und potenziell lebensbedroh-liche Verläufe. In der Prodromalphase treten zunächst unspezifische gastrointestinale Symptome wie Übelkeit, Erbrechen und ab-dominale Schmerzen sowie ein allgemeines Krankheitsgefühl (Fatigue, Myalgie) auf, gelegentlich begleitet von Fieber. Mehr als 70 % der älteren Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen zeigen im weiteren Verlauf akute Symptome einer Hepatitis A mit Ikterus (ikterische Phase). Die Gelbfärbung der Haut und Skleren wird von einer Dunkelfärbung des Urins und hellen Stühlen begleitet. Die Leber ist vergrößert, was sich durch abdomi-nale Schmerzen bemerkbar macht, und es

kommt zu Leberwerterhöhungen. Bei etwa einem Viertel der Patienten kommt es zusätz-lich zu einer Vergrößerung der Milz. Häufig besteht Hautjucken, gelegentlich können auch flüchtige scarlatiniforme Exantheme auftreten [RKI 2019b, WHO 2013].

Bei Kindern heilt die Erkrankung nach ca. zwei bis vier Wochen aus, bei Jugendlichen und Erwachsenen kann die Genesung län-ger und in seltenen Fällen sogar einige Monate dauern [RKI 2019b]. Chronische Verläufe sind bei einer Hepatitis A jedoch nicht bekannt. Nach überstandener Erkran-kung besteht eine lebenslange Immunität, jedoch kann es in 3 – 20 % der Fälle bis zu drei Wochen nach der Erkrankung zu einem Wiederauftreten der Symptome in meist milderer Form kommen (Relapse) [Glikson et al. 1992]. Nur selten treten fulminante Hepa-

Abbildung 6: Weltweite Verbreitung von Hepatitis A; modifiziert nach [Jacobsen, Wiersma 2010].

Sehr geringes Risiko

Geringes Risiko

Mittleres Risiko

Hohes Risiko

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titis-A-Verläufe auf (0,01 – 0,1 % der Patienten), die dann meist letal verlaufen. Hier sind in erster Linie Personen ab einem Alter von 40

Jahren und insbesondere Vorerkrankte (z. B. Patienten mit chronischer Hepatitis B oder C) betroffen [RKI 2019b].

3.4. Therapie

Es existiert keine spezifische Therapie gegen Hepatitis A. Symptomatische Maßnahmen umfassen Bettruhe und die Behandlung der Allgemeinsymptome. Hierzu gehören der Ausgleich des Flüssigkeits- sowie Ener-gie- und Elektrolytverlusts, welcher durch

Diarrhö und Erbrechen bedingt wird, sowie die Behandlung von Übelkeit und Juckreiz. Auf Medikamente, die über die Leber ab-gebaut werden (z. B. Paracetamol), sollte verzichtet werden und auch eine absolute Alkoholkarenz ist wichtig [RKI 2019b].

3.5. Präventive Maßnahmen

Wie bei Typhus gilt auch für Hepatitis-A-Ri-sikogebiete, dass nur sicheres Wasser getrunken/verwendet und Obst, Fleisch und Gemüse nur geschält oder gekocht verzehrt werden sollte. Bezüglich des Ri-sikos einer sexuellen Übertragung bietet Kondomgebrauch keinen sicheren Schutz. Eine Impfung ist der bestmögliche Schutz

vor Hepatitis A. Mit einer Impfung kann in-nerhalb von 14 Tagen ein Impfschutz erzielt werden. Da die Inkubationszeit mindestens zwei Wochen beträgt, lohnt sich eine Imp-fung daher auch noch kurz vor Reiseantritt oder bei Verdacht auf eine Ansteckung. Es stehen sowohl monovalente als auch Kombinationsimpfstoffe zur Verfügung.

3.5.1. Hepatitis-A-ImpfstoffeIn Europa sind drei unterschiedliche mono-valente Hepatitis-A-Impfstoffe zugelassen, von diesen sind drei für Erwachsene und zwei für Kinder indiziert. Bei den Impfstoffen handelt es sich um HAV-Totimpfstoffe, die intramuskulär verabreicht werden (un-ter Umständen auch subkutane Gabe möglich).

Die Standardimpfung besteht aus zwei Impfdosen: bereits nach der ersten Impfung wird ein schnell einsetzender Impfschutz erreicht. Nach sechs bis zwölf bzw. 18 oder 36 Monaten (je nach Impfstoff) sollte eine zweite Impfdosis gegeben werden, um einen Langzeitschutz von mindestens zehn Jahren zu erreichen (ein Impfschutz bis zu 40 Jahre ist möglich [Jelinek 2018]). Zwei der Impfstoffe werden in jeweils zwei For-

mulierungen angeboten: für Kinder und Jugendliche ab dem ersten Lebensjahr so-wie für Erwachsene (je nach Impfstoff ab 15 oder 18 Jahren) in doppelter Dosierung und ein Impfstoff ab einem Alter von 16 Jahren. Etwa 99 % der Geimpften entwickeln nach 30 Tagen schützende Antikörper [Fachinfo- Service 2020] und Studiendaten zeigen, dass sich die Immunantwort einen Monat nach der ersten Dosisgabe nicht zwischen jüngeren (20 – 30 Jahre) und älteren Erwach-senen (≥ 40 Jahre) unterscheidet [Van Der Meeren et al. 2015]. Neben monovalenten Hepatitis-A-Impfstoffen stehen derzeit in Deutschland zwei Kombinationsimpfstoffe zur Verfügung (einer gegen Hepatitis A und Typhus und einer gegen Hepatitis A und B [letzterer in einer Kinder- und einer Erwachsenenformulierung]; s. Kapitel 4).

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Kombinationsimpfstoffe

4.1. Hepatitis-A-Typhus-Kombinationsimpfstoff

Mehr als 90 Länder weisen für Typhus und Hepatitis A ein überschneidendes Infektions-risiko auf (Abbildung 7).

Zudem ist mit der fäkal-oralen Übertragung die hauptsächliche Art der Ansteckung die-selbe. Entsprechend profitieren viele Rei-sende von einer Kombinationsimpfung, da ein Impfschutz gegenüber zwei Erkrankun-gen mit überschneidender geografischer Verteilung besteht. Darüber hinaus ist eine Kombinationsimpfung zeitsparend und be-deutet weniger Injektionen für den Patien-ten. Der Kombinationsimpfstoff weist dabei gegenüber den jeweiligen monovalenten Typhus- und Hepatitis-A-Impfstoffen eine ver-gleichbare Sicherheit und Immunogenität auf [Overbosch et al. 2005].

Derzeit ist auf dem deutschen Markt ein He-patitis-A-Typhus-Kombinationsimpfstoff verfüg-bar. Es ist ein inaktivierter Hepatitis-A-Adsor-bat- und Typhus-Polysaccharid-Impfstoff, der

intramuskulär verabreicht wird (unter Umstän-den auch subkutan) und zur gleichzeitigen aktiven Immunisierung gegen Typhus und He-patitis A ab dem vollendeten 16. Lebensjahr indiziert ist. Ein Impfschutz wird bereits nach einer Impfdosis erreicht; zum Aufbau eines Langzeitschutzes vor Infektionen mit dem HAV wird die Verabreichung einer zweiten Dosis eines inaktivierten Hepatitis-A-Impfstoffs emp-fohlen. Hier kann entweder ein monovalenter Hepatitis-A-Impfstoff zum Einsatz kommen (innerhalb von 36 Monaten und bevorzugt innerhalb von sechs bis zwölf Monaten nach der ersten Impfung) oder zeitgleich mit der nächsten Typhus-Impfung die erneute Verab-reichung des Kombinationsimpfstoffes (drei Jahre nach der ersten Impfung) erfolgen. Personen, bei denen danach erneut die Gefahr einer Typhus-Infektion besteht, sollten nach Ablauf von drei Jahren im Anlassfall mit einem der genannten Typhus-Impfstoffe geimpft werden [Fachinfo-Service 2020].

4.2. Hepatitis-A/Hepatitis-B-Kombinationsimpfstoff

Neben dem Kombinationsimpfstoff gegen Hepatitis A und Typhus gibt es auch einen Hepatitis-A/Hepatitis-B-Kombinationsimpf-stoff. Hepatitis B ist eine der häufigsten Infek-

tionskrankheiten weltweit. Die Prävalenz ist in der westpazifischen Region und in Afrika am höchsten [Schweitzer et al. 2015]. Das Hepatitis-B-Virus wird durch bereits kleinste

4.

Abbildung 7: Überschneidendes Risiko von Typhus (und Paratyphus) und Hepatitis A; modifiziert nach [GBD 2019, Jacobsen, Wiersma 2010].

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Mengen Blut sowie durch andere Körper-flüssigkeiten von Infizierten auf gesunde Menschen übertragen. Bei den Neuinfek-tionen ist von einem hohen Anteil sexueller Übertragungen auszugehen [RKI 2016a]. Eine gezielte Prophylaxe der Hepatitis B ist nur durch die aktive Immunisierung effektiv möglich. Hierfür stehen verschiedene Impf-stoffe zur Verfügung, u. a. ein Kombinations-impfstoff gegen Hepatitis A und B. Dessen Verabreichung sollte intramuskulär erfolgen (unter Umständen auch subkutan möglich). Wie bei zwei der monovalenten Impfstoffe wird der Kombinationsimpfstoff ebenfalls in zwei Formulierungen angeboten: für Kinder und Jugendliche ab dem ersten Lebensjahr sowie für Erwachsene (ab dem vollendeten 16. Lebensjahr) in jeweils doppelter Dosie-rung. Die Standard-Grundimmunisierung besteht aus drei Impfdosen, wobei die erste Dosis am Termin der Wahl, die zweite Dosis einen Monat später und die dritte Impfung sechs Monate nach der ersten Dosis ver-abreicht wird. Dieser Kombinationsimpfstoff weist im Vergleich zu den monovalenten Hepatitis-A-Impfstoffen einen um die Hälfte reduzierten Antigen-Gehalt auf, weshalb drei

Impfdosen benötigt werden. Für Erwachsene ist in Ausnahmefällen, in denen eine Reise vor Ablauf eines Monats nach Beginn der Grund-immunisierung angetreten wird, und somit nicht genügend Zeit zur Vervollständigung des Standardimpfplans zur Verfügung steht, ist ein Schnell-Impfschema (Tag 0, 7, 21) möglich. Bei Anwendung dieses Schemas wird eine vierte Dosis zwölf Monate nach der ersten Dosis empfohlen [Fachinfo-Service 2020]. Bezüglich der Dauer des Impfschutzes kann von den monovalenten Impfstoffen auf den Kombinationsimpfstoff geschlossen werden.

Eine detaillierte Übersicht, welche Impfstoffe für welche Altersgruppen indiziert sind, und die jeweiligen Impfschemata finden sich in Tabelle 2. Grundsätzlich gilt für alle Impfun-gen, dass die Mindestabstände eingehalten werden müssen, längere Impfabstände je-doch kein Problem darstellen. In der Regel muss auch bei einer für viele Jahre unterbro-chenen Grundimmunisierung die Impfserie nicht neu begonnen werden. Hier gilt die Empfehlung der Ständigen Impfkommission (STIKO): „Jede Impfung zählt“ [RKI 2016b].

Tabelle 2: Übersicht der verschiedenen in Deutschland verfügbaren Impfstoffe gegen Typhus und Hepatitis A.

Impfstoff Zugelassenes Alter Impfdosis Impfschema

Monovalente Impfstoffe

Monovalenter Typhus-Impfstoff (parenteral; Typhim Vi) Ab 2 Jahren 0,5 ml Einmalige Gabe*

Monovalenter Typhus-Impfstoff (oral; Typhoral L Kapseln)

Ab dem vollendeten 5. Lebensjahr Eine Kapsel Einnahme von jeweils 1 Kapsel: Tag 0, 2 und 4*

Monovalenter Hepatitis-A-Impfstoff für Jugendliche/Erwachsene (Avaxim 160U)

Ab einem Alter von 16 Jahren 0,5 ml Verabreichung von 2 Dosen in einem Abstand von 6 – 12 Monaten

(auch bis zu 36 Monate später möglich)

Monovalenter Hepatitis-A-Impfstoff für Jugendliche/Erwachsene (Havrix 1440)

Ab dem vollendeten 15. Lebensjahr 1,0 ml Verabreichung von 2 Dosen in einem Abstand von 6 – 12 Monaten

Monovalenter Hepatitis-A-Impfstoff für Kinder (Havrix 720 Kinder)

Ab dem vollendeten 1. Lebensjahr 0,5 ml Verabreichung von 2 Dosen in einem Abstand von 6 – 12 Monaten

Monovalenter Hepatitis-A-Impfstoff für Erwachsene (VAQTA)

Ab einem Alter von 18 Jahren 1,0 ml Verabreichung von 2 Dosen in einem Abstand von 6 – 18 Monaten

Monovalenter Hepatitis-A-Impfstoff für Kinder (VAQTA Kinder)

Ab dem vollendeten 1. Lebensjahr 0,5 ml Verabreichung von 2 Dosen in einem Abstand von 6 – 18 Monaten

Kombinationsimpfstoffe

Typhus-Vi-Polysaccharid-Impfstoff (ViATIM) Ab 16 Jahren 1,0 ml

Impfschutz bereits nach 1. Dosis; zum Aufbau eines Lang-zeitschutzes vor HAV-Infektionen wird die Gabe einer 2. Dosis

empfohlen: • Monovalenter Hepatitis-A-Impfstoff innerhalb von 36 Monaten

oder • Erneute Gabe des Kombinationsimpfstoffes in einem Abstand

von 36 Monaten

Hepatitis-A(inaktiviert)- und Hepatitis-B-(rDNA)(HAB)-Impfstoff (adsorbiert) für

Erwachsene (Twinrix Erwachsene)Ab dem vollendeten

16. Lebensjahr 1,0 ml3 Impfdosen: 1. Dosis am Termin der Wahl, die 2. Dosis 1 Monat

später und die 3. Dosis 6 Monate nach der 1. DosisSchnell-Impfschema: Tag 0, 7 und 21; 4. Dosis nach 12 Monaten

Hepatitis-A(inaktiviert)- und Hepati-tis-B(rDNA)(HAB)-Impfstoff (adsorbiert) für

Kinder/Jugendliche (Twinrix Kinder)Ab dem vollendeten 1.

Lebensjahr 0,5 ml 3 Impfdosen: 1. Dosis am Termin der Wahl, die 2. Dosis 1 Monat später und die 3. Dosis 6 Monate nach der 1. Dosis

*Bei anhaltendem Risiko durch entsprechende Reisetätigkeit Wiederimpfung nach drei Jahren

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STIKO-Empfehlungen

Einen Überblick über die STIKO-Empfehlungen für Typhus- und Hepatitis-A-Impfungen gibt Tabelle 3.

Fazit Bei Reisen in Länder mit schlechten hygie-nischen Bedingungen besteht ein erhöhtes Risiko, an Typhus und/oder Hepatitis A zu erkranken. Beide Erkrankungen werden vor allem durch verunreinigtes Wasser und kontaminierte Lebensmittel übertragen. Zu-sammen mit präventiven Maßnahmen vor Ort (sicheres Trinkwasser, kein Verzehr von rohen Lebensmitteln) können Impfungen vor den Erkrankungen schützen. Damit der Urlaub nicht durch Erkrankungen getrübt wird und der Reisende nicht zu einer Gefahr für sich selbst und seine Mitmenschen wird, sollte zusammen mit der Reiseplanung auch immer an den Impfschutz gedacht werden. Insbesondere Rucksacktouristen und Indi-vidualreisende sind meist einem höheren

Infektionsrisiko ausgesetzt als Pauschalur-lauber. Allerdings wurden auch große He-patitis-A-Ausbrüche unter Reisenden bei Hotelgästen registriert [Frank et al. 2005, Sane et al. 2015]. Aufgrund des in vielen Ländern überschneidenden Risikos von Typhus und Hepatitis A profitieren Reisende je nach Reiseland (insbesondere südasia-tische und afrikanische Länder) von einer Kombinationsimpfung gegen Typhus und Hepatitis A. Diese ist mit weniger Injektionen verbunden und daher zeit- und kosten-sparend. Insbesondere auch in Hinblick auf die zunehmende Antibiotikaresistenz von S. Typhi ist eine Prävention die beste Maßnahme, um das Risiko von potenziell gefährlichen Erkrankungen zu vermindern.

5.

6.

Tabelle 3: Empfehlungen der Ständigen Impfkommission zu Impfungen gegen Typhus und Hepatitis A; modifiziert nach [RKI 2019e].

Kategorie Typhus Hepatitis A

Impfungen aufgrund von Reisen

Bei Reisen in Endemie-gebiete mit Aufenthalt

unter schlechten hygie-nischen Bedingungen.

Reisende in Regionen mit hoher Hepatitis-A-Inzidenz.

Indikationsimpfung -

• Personen mit einem Sexualverhalten mit erhöhtem Expositionsrisiko; z. B. Männer, die Sex mit Männern

haben.

• Personen mit häufiger Übertragung von Blutbe-standteilen, z. B. intravenös Drogenkonsumierende,

Hämophile, oder mit Krankheiten der Leber/mit Leberbeteiligung.

• BewohnerInnen von psychiatrischen Einrichtungen oder vergleichbaren Fürsorgeeinrichtungen für Men-

schen mit Verhaltensstörung oder Zerebralschädigung.

Berufliches Risiko -

• Gesundheitsdienst (inkl. Sanitäts- und Rettungs-dienst, Küche, Labor, technischer und Reinigungs-dienst, psychiatrische und Fürsorgeeinrichtungen).

• Personen mit Abwasserkontakt, z. B. in Kanalisations-einrichtungen und Klärwerken Beschäftigte.

• Tätigkeit (inkl. Küche und Reinigung) in Kinderta-gesstätten, Kinderheimen, Behindertenwerkstätten,

Asylbewerberheimen u. a.

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