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Reisemedizinisch wichtige Würmer Reisemedizinisch wichtige Würmer Univ.-Doz. Dr. Ursula Hollenstein Facharzt für Innere Medizin, Reisemedizinisches Zentrum Wien Der Begriff des Parasiten umfasst die unter- schiedlichsten Lebewesen, von mikros- kopischen Einzellern bis zu Läusen und Flöhen, die meisten Menschen verbinden jedoch vor allem Würmer mit dieser Be- zeichnung. Sie sind durch ihre Größe mit freiem Auge sichtbar und die Vorstellung, ein lebendes Tier zu beherbergen, löst bei den meisten Betroffenen Unbehagen und Ekel aus. In unseren Breiten sind aus klimatischen Gründen nur wenige men- schenpathogene Würmer verbreitet und auch diese sind aus sozioökonomischen und hygienischen Gründen selten gewor- den. Dafür ranken sich um tropische Wurm- erkrankungen gerade bei Reisenden viele Gerüchte und die Wahrnehmung des Gefahrenpotentials ist völlig ver- schoben. Im Folgenden soll versucht werden, die wenigen, reisemedizinisch relevanten Wurmerkrankungen kurz zu beschreiben. Würmer werden nach ihrer Gestalt in drei Gruppen eingeteilt: Saugwürmer (Egel) - großer Leberegel (Fasciola) - chinesischer Leberegel (Clonorchis) - Katzenleberegel (Opisthorchis) - Lungenwurm (Paragonimus) - Riesendarmegel (Fasciolopsis) - Schistosomen Bandwürmer - Schweine- und Rinderbandwurm (Taenia solium und saginata) - Fischbandwurm (Diphyllobotrium) - Zwergbandwurm (Hymenolepsis) - Hunde- und Fuchsbandwurm (Echi- nococcus alveolaris und granulosus) Rundwürmer - Spulwurm (Ascaris) - Madenwurm (Enterobius) - Trichinen (Trichinella) - Hakenwürmer (Ancylostoma und Necator) - Filarien (Wuchereria, Brughia, Loa loa, Onchocerca, Dracunculus) Diese (meist) flachen, blattförmigen Wür- mer werden von wenigen Millimetern bis einige Zentimeter groß. Die Namens- gebung bezieht sich auf Saugapparate am Vorderende der Würmer, mit denen sie sich an der Darmschleimhaut (Darmwür- mer) oder an der Gefäßwand (Schistoso- men) festhalten. Die Lebenszyklen dieser Gruppe sind komplex. Darmwürmer (Leberegel, Darm- egel, Lungenwurm) benötigen zwei Zwi- schenwirte während ihrer Entwicklung. Sie können daher nur dort vorkommen, wo die Umgebungsbedingungen ein Nebeneinander von bestimmten Wasser- schnecken (1. Zwischenwirt), passenden Karpfenarten oder Süßwasserkrabben (2. Zwischenwirt) und Endwirt (Mensch oder andere große Säugetierarten) zulassen. Der Mensch infiziert sich durch den Ge- nuss von Wasserpflanzen – in Europa ge- legentlich Brunnenkresse, in Asien Was- serkastanie, Lotuswurzel, Wasserspinat – oder rohem Fisch. Zur Diagnose führt der Nachweis von Wurmeiern im Stuhl oder im Gallen- sekret, für Fasciola und Clonorchis gibt es auch serologische Tests. Nicht selten handelt es sich um Zufallsbefunde bei Saugwürmer unklaren Ultraschallbefunden oder un- spezifischen Beschwerden. Therapiert wird mit Praziquantel 3x25 mg/kg über 2 Tage. Schistosomen (auch Bilharzien genannt) benötigen nur einen Zwischenwirt – Wasserschnecken – und sind nicht zuletzt dadurch ungleich häufiger. Noch vor eini- gen Jahren wurde die Zahl infizierter Menschen weltweit auf 200 Millionen geschätzt. In großen Teilen Asiens und Südamerikas haben erfolgreiche Kontroll- programme die Krankheit massiv zurück- gedrängt. Im subsaharischen Afrika aber steigen die Infektionszahlen sogar an. Zudem bringen neue Bewässerungspro- jekte und Migration die Erkrankung in bisher nicht betroffene Regionen. Im Gegensatz zu den anderen Saugwür- mern sind Schistosomen auch für Touris- ten eine reale Gefahr. Viele Gewässer Afrikas sind mit Schistosomenlarven (Zer- karien) verseucht. Das hält jedoch selbst wider besseren Wissens die wenigsten Reisenden von einem erfrischenden Bad ab. Die Ansteckung erfolgt ausschließlich im Süßwasser, in Seen, Bewässerungs- kanälen und langsam fließenden Flüssen. Einer der bekanntesten verseuchten Seen ist der Malawisee, in dessen Gewässern regelmäßig Infektionen von Touristen er- worben werden. Die etwa 0,5 mm kleinen Zerkarien sind in der Lage, sich durch die menschliche Haut zu bohren und wandern dann lang- sam an ihren Bestimmungsort, wo sie sich zu erwachsenen Würmern entwickeln. In dieser Wanderphase reagiert das menschliche Immunsystem auf die frem-

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Reisemedizinisch wichtige WürmerReisemedizinisch wichtige WürmerUniv.-Doz. Dr. Ursula Hollenstein

Facharzt für Innere Medizin, Reisemedizinisches Zentrum Wien

Der Begriff des Parasiten umfasst die unter -schiedlichsten Lebewesen, von mikros -kopischen Einzellern bis zu Läusen undFlöhen, die meisten Menschen verbindenjedoch vor allem Würmer mit dieser Be-zeichnung. Sie sind durch ihre Größe mitfreiem Auge sichtbar und die Vorstellung,ein lebendes Tier zu beherbergen, löst beiden meisten Betroffenen Unbehagen undEkel aus. In unseren Breiten sind aus klimatischen Gründen nur wenige men-schenpathogene Würmer verbreitet undauch diese sind aus sozioökonomischenund hygienischen Gründen selten gewor-den. Dafür ranken sich um tropische Wurm-erkrankungen gerade bei Reisenden viele Gerüchte und die Wahrnehmungdes Gefahrenpotentials ist völlig ver -schoben.

Im Folgenden soll versucht werden, diewenigen, reisemedizinisch relevantenWurm erkrankungen kurz zu beschreiben.

Würmer werden nach ihrer Gestalt in dreiGruppen eingeteilt:

• Saugwürmer (Egel)- großer Leberegel (Fasciola)- chinesischer Leberegel (Clonorchis)- Katzenleberegel (Opisthorchis)- Lungenwurm (Paragonimus)- Riesendarmegel (Fasciolopsis)- Schistosomen

• Bandwürmer- Schweine- und Rinderbandwurm

(Taenia solium und saginata)- Fischbandwurm (Diphyllobotrium)- Zwergbandwurm (Hymenolepsis)- Hunde- und Fuchsbandwurm (Echi-

nococcus alveolaris und granulosus)

• Rundwürmer- Spulwurm (Ascaris)- Madenwurm (Enterobius)- Trichinen (Trichinella)- Hakenwürmer

(Ancylostoma und Necator)- Filarien (Wuchereria, Brughia,

Loa loa, Onchocerca, Dracunculus)

Diese (meist) flachen, blattförmigen Wür-mer werden von wenigen Millimetern biseinige Zentimeter groß. Die Namens -gebung bezieht sich auf Saugapparateam Vorderende der Würmer, mit denen siesich an der Darmschleimhaut (Darmwür-mer) oder an der Gefäßwand (Schistoso-men) festhalten.

Die Lebenszyklen dieser Gruppe sindkomplex. Darmwürmer (Leberegel, Darm -egel, Lungenwurm) benötigen zwei Zwi-schenwirte während ihrer Entwicklung.Sie können daher nur dort vorkommen,wo die Umgebungsbedingungen ein Nebeneinander von bestimmten Wasser-schnecken (1. Zwischenwirt), passendenKarpfenarten oder Süßwasserkrabben (2.Zwischenwirt) und Endwirt (Mensch oderandere große Säugetierarten) zulassen.Der Mensch infiziert sich durch den Ge-nuss von Wasserpflanzen – in Europa ge-legentlich Brunnenkresse, in Asien Was-serkastanie, Lotuswurzel, Wasserspinat –oder rohem Fisch.

Zur Diagnose führt der Nachweis vonWurmeiern im Stuhl oder im Gallen -sekret, für Fasciola und Clonorchis gibtes auch serologische Tests. Nicht seltenhandelt es sich um Zufallsbefunde bei

Saugwürmer

unklaren Ultraschallbefunden oder un-spezi fischen Beschwerden. Therapiertwird mit Praziquantel 3x25 mg/kg über2 Tage.

Schistosomen (auch Bilharzien genannt)benötigen nur einen Zwischenwirt –Wasserschnecken – und sind nicht zuletztdadurch ungleich häufiger. Noch vor eini-gen Jahren wurde die Zahl infizierterMenschen weltweit auf 200 Millionengeschätzt. In großen Teilen Asiens undSüdamerikas haben erfolgreiche Kontroll-programme die Krankheit massiv zurück-gedrängt. Im subsaharischen Afrika abersteigen die Infektionszahlen sogar an. Zudem bringen neue Bewässerungspro-jekte und Migration die Erkrankung inbisher nicht betroffene Regionen.

Im Gegensatz zu den anderen Saugwür-mern sind Schistosomen auch für Touris -ten eine reale Gefahr. Viele Gewässer Afrikas sind mit Schistosomenlarven (Zer-karien) verseucht. Das hält jedoch selbstwider besseren Wissens die wenigstenReisenden von einem erfrischenden Badab. Die Ansteckung erfolgt ausschließlichim Süßwasser, in Seen, Bewässerungs-kanälen und langsam fließenden Flüssen.Einer der bekanntesten verseuchten Seenist der Malawisee, in dessen Gewässernregelmäßig Infektionen von Touristen er-worben werden.

Die etwa 0,5 mm kleinen Zerkarien sindin der Lage, sich durch die menschlicheHaut zu bohren und wandern dann lang-sam an ihren Bestimmungsort, wo sie sichzu erwachsenen Würmern entwickeln. In dieser Wanderphase reagiert dasmenschliche Immunsystem auf die frem-

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den Antigene. Es kann zu akuten Symp -tomen wie Fieber, Hautausschlägen undHusten kommen, die nach einigen Tagenwieder abklingen.

Der Symptomkomplex wird Katayama -Fieber genannt und ist von einer ausge-prägten Eosinophilie gekennzeichnet.

Die erwachsenen Würmer leben in trau-ter Zweisamkeit in Blutgefäßen nahe desDarmes oder der Harnblase. Das Weib-chen liegt dabei in einer Längsfurche desMännchens und wird von ihm umhüllt,was den Schistosomen den romantischenBeinamen Pärchenegel eingetragen hat.

diese Entzündungsreaktionen zu schwerenOrganschäden in Darm, Leber und Harn-blase mit einem hohen Krebsrisiko.

Für den Touristen, der ja meist höchstensein Pärchen mit nach Hause bringt, stel-len diese Spätschäden praktisch keineGefahr dar.

Bei Reisenden sehen wir gelegentlich dasKatayama-Syndrom als akute Erkran-kung. In einigen publizierten Einzelfällenhaben mit dem Blutstrom verschleppteEier das zentrale Nervensystem erreichtund Lähmungen hervorgerufen.

Die Diagnose der akuten Form (Katay -ama) erfolgt ausschließlich klinisch, da indieser Phase noch keine Eier ausgeschie-den werden und auch Antikörperreaktio-nen noch nicht verlässlich positiv sind.

Der Symptomkomplex zusammen mitanamnestischer Exposition und einermassiven Eosinophilie ist zwar recht ein-deutig, wird aber häufig erst retrospektivzugeordnet. Die Therapie dieser selbst -limitierten Phase der Erkrankung richtetsich nach dem Schweregrad und kannvon nicht-steroidalen Entzündungshem-mern bis zu Steroiden reichen.

Da Praziquantel zwar hervorragend gegen adulte Würmer aber nur schlechtgegen Frühformen wirkt, ist bis heute um-stritten, ob im Fall einer Katayama-Reak-tion bereits mit Steroiden und Praziquan-tel oder nur mit Steroiden behandelt wer-den soll. In jedem Fall muss etwa drei Monate später eine (erneute) Behand-lung mit Praziquantel erfolgen, um dieadulten Würmer abzutöten.

Die etablierte Infestation lässt sich ent-weder über den Nachweis der Eier (imStuhl bei Schistosoma mansoni, im Harnbei Schistosoma haematobium) oderüber eine Antikörperbestimmung nach-weisen.

Die Antikörper sind sehr sensitiv und da-mit die Methode der Wahl zum Nachweiseiner möglichen Infestation bei Reisen-den. Durch ihre lange Persistenz sind sieaber nur sehr bedingt zur Verlaufskon -trolle und gar nicht zur Diagnostik in Endemiegebieten zu verwenden.

Die Therapie besteht in einer eintägigenGabe von Praziquantel (S. mansoni:2x20 mg/kg, S. haematobium: 1x40mg/kg, S. japonicum und mekongii: 3x25mg/kg).

In dieser Gruppe finden wir die größtenWurmarten, die über 10 m Länge auf-weisen können. Ist der Mensch bei Rin-der- und Schweinebandwurm der End-wirt, das heißt er beherbergt das er-wachsene Tier, macht die Erkrankungkaum Symptome. Der Wurm ernährt sichvom Nahrungsbrei im Darm, nascht alsolediglich etwas mit. Nur bei vermehrtemBefall können, bei der Größe nicht ver-wunderlich, Bauchschmerzen entstehen.Die Erkrankung wird meist vom Betroffe-nen selbst entdeckt, da im natürlichenVerlauf nicht mikroskopisch kleine Eierausgeschieden werden, sondern ganzeWurmsegmente (gefüllt mit Eiern), die etwa einen Zentimeter groß sind und sichzum Schrecken der Betroffenen auchnoch bewegen.

Die Therapie besteht in einer Einmaldosisvon Praziquantel 10-20 mg/kg.

Gefährlich, potenziell sogar lebensge-fährlich ist es, Zwischenwirt zu sein. ImZwischenwirt entwickeln sich aus dem Ei,das peroral aufgenommen wird, Larven -so genannte Finnen - die sich vor allem inder Muskulatur absiedeln. Dies würde üb-licherweise im Rind (Rinderbandwurm)oder Schwein (Schweinebandwurm) geschehen. Im natürlichen Zyklus isst derMensch (oder ein anderes Raubtier) die-

Bandwürmer

Schistosomenpärchen: das größere, dickere Männ-chen umhüllt das Weibchen

Die Symptome der chronischen Schisto-somiasis entstehen nicht durch die erwachsenen Würmer selbst, sonderndurch die Eier, die in großer Zahl gelegtwerden. Im Entwicklungszyklus desWurms sollten diese Eier in den Darmoder die Harnblase dringen, und dann mitStuhl oder Harn ausgeschieden werden.Dabei müssen sie die Gefäßwand, Binde-gewebe und die Darm- oder Blasenwanddurchdringen! Häufig bleiben sie aufihrem Weg im Gewebe stecken oder wer-den mit dem Blutstrom abgetragen, wo-durch sie vor allem im Gefäßfilter der Leber enden. Sie sterben nach einigen Tagen ab und führen als Fremdkörper zuheftigen Entzündungsreaktionen des Ge-webes. Da sich die Menschen in den betroffenen Regionen immer wieder infi-zieren, und damit über lange Zeit meist vie-le Pärchen beherbergen, summieren sich

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ses mit Finnen durchsetzte Fleisch, und esentwickelt sich daraus im Darm der erwachsene Wurm.

überdies mit zystendurchsetzten Leberngefüttert werden – paradiesische Zustän-de aus Sicht des Echinokokkus.

Die Diagnose der Zystizerkose erfolgt meistüber bildgebende Verfahren bei neurolo-gisch symptomatischen Patienten. Eine Be-stätigung mittels Serologie ist möglich. Bisvor wenigen Jahren bestand die einzigeTherapieoption in der Entfernung chirur-gisch erreichbarer Zysten. Heute werdennur solitäre raumfordernde Zysten oder spi-nal bzw. intraventrikulär gelegene operiert.Die medikamentöse Therapie erfolgt mitPraziquantel 50 mg/kg (in 3 Tagesdosen)über 14 Tage. Eventuell müssen mehrereTherapiezyklen durchgeführt werden, wo-bei der Therapieerfolg jeweils frühestensnach drei Monaten beurteilt werden kann.

Für Echinococcus granulosus und multi-locularis gibt es sensitive Antikörper-nachweise, die als Suchtests wie auch zurAbklärung unklarer Raumforderungen inLeber oder Lunge zum Einsatz kommen.

Solitäre Zysten bei E. granulosus werdenent weder medikamentös therapiert (Alben-dazol 2x400 mg über 4 Wochen, 2-3 Zyklenmit jeweils 14 Tagen Pause dazwischen),unter medikamentösem Begleitschutz ope-riert oder in manchen Zentren auch mitPunktion, Aspiration des Zysteninhalts undInstillation von Alkohol saniert.

E.-multilocularis-Zysten sind großteils beiDiagnosestellung bereits nicht mehr radi-kal operabel. Für viele dieser Patientenbietet sich lediglich eine lebenslange Sup-pressionstherapie mit Albendazol an.

Die Entwicklung der Rundwürmer benötigtkeinen Zwischenwirt. Darm-Rundwürmererwirbt man auf einfachem Weg durch Auf-nahme der Eier als Verunreinigung vonNahrungsmitteln (vor allem ungenügendgewaschenes Obst, Salat und Gemüse)

Rundwürmer

oder über die eigenen Finger, die durchStürzen, Stolpern oder Abstützen Boden-kontakt hatten und die später unwillkürlichden Weg zum Mund finden. Letzteres ist vorallem bei Kindern an der Tagesordnung.

Die auch bei uns heimischen Spulwürmer(Ascaris) und Madenwürmer (Enterobius)sind üblicherweise harmlos. Nur bei massivem Befall mit vielen Spulwürmernkönnen Darmsymptome wie Bauch-schmerzen und Blähungen auftreten, beiKindern ist sogar ein Darmverschlussmöglich. In der Regel bemerkt der un-freiwillige Wirt einen Ascaris-Befall erst,wenn der 25-40 cm lange Wurm am En-de seines Lebens abgeht und im Stuhl er-scheint, was üblicherweise pa nische Re-aktionen verursacht, meist aber bereitsdas Ende des Problems darstellt.

Für Freunde albtraumhafter Phantasiensei noch die ausgeprägte Wanderfreu-digkeit der Ascariden erwähnt, die siezeitweilig auch außerhalb ihres ange-stammten Sitzes führt. In einigen Fällenwurde ein Hochhusten des Wurms oderein Austreten aus Mund oder Nase be-schrieben.

Auch der Madenwurm – im älterenSprachgebrauch Aftermade genannt –verursacht kaum Symptome.

Der nur wenige Millimeter lange, faden-förmig dünne Wurm lebt in der Umge-bung des Blinddarms. Nachts wandertdas Weibchen zum Anus um dort Tausen-de von Eiern abzulegen. Dieser Vorgangverursacht starken Juckreiz, der Betroffe-ne kratzt sich, die Finger wandern zumMund und der Kreislauf schließt sich.

Die Behandlung erfolgt mit Mebendazol.Für Ascaris werden 2x100 mg über 3 Ta-ge, für Oxyuren 100 mg einmalig ver-wendet. Auf Grund der hohen Reinfek -tionsrate bei Oxyuren sollte die Therapienach 2-4 Wochen wiederholt werden.

Turkanfrau mit großer Hundebandwurmzyste der Leber

Beim Schweinebandwurm sowie beimHunde- und Fuchsbandwurm kann auchder Mensch Fehl-Zwischenwirt sein, indemer nicht die Finnen, sondern die Eier auf-nimmt – Zystizerkose bzw. Echinokokkose.Die Finnen, die sich in verschiedensten Organen, auch dem Gehirn, ablagern, sindunter Umständen lebensbedrohlich, da siekontinuierlich wachsen und riesige Zystenbilden können.

Rinder- und Schweinebandwurm sind inEuropa durch eine gut funktionierendeFleischbeschau fast ausgestorben.

In nicht-muslimischen Entwicklungslän-dern aber stellt der Befall des Gehirns mitSchweinebandwurmlarven die häufigsteUrsache für epileptische Anfälle dar! Patienten mit Hunde- und Fuchsband-wurmzysten sehen wir auch in Europa.Die dramatischsten Erkrankungszahlenfinden sich jedoch bei Völkern in Nord -kenia (Turkana) und im Süden des Sudan(bis zu 10 % der Menschen tragen Zys -ten!). Brauchtum und Rituale bedingeneinen engen Kontakt zu Hunden, die

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Trichinen kommen heute vor allem in länd-lichen Gegenden vor, in denen durch Haus-schlachtungen die Fleischbeschau umgan-gen wird. Hauptansteckungsquelle für denMenschen sind ungenügend gegartesSchweinefleisch und Würste oder Schin-ken. Der Lebenszyklus der Trichinen ist sim-pel. Die im Muskelfleisch abgekapseltenLarven werden nach Verzehr im Dünndarmfrei, wachsen in wenigen Stunden zum er-wachsenen Wurm heran und paaren sich.

Die lebend geborenen Larven verlassenden Darm und erreichen über den Blut -strom bevorzugt die Muskulatur, wo siesich abkapseln und darauf warten, dass ihrWirt verzehrt wird, um den Kreislauf fort-zusetzen. Insofern ist der Mensch eine un-glückliche Wahl des Parasiten, da Men-schen nur selten gefressen werden.

Einige Tage nach dem Festschmaus leidetder Infizierte an Muskelschmerzen,Schwellungen der betroffenen Extremitä-ten, Fieber und allergischen Hautaus-schlägen. Falls einige Larven auch in an-dere Gewebe geschwemmt wurden, sindauch schwerwiegenden Symptome wieGehirnentzündungen möglich.Die Behandlung erfolgt mit 2x400 mg Albendazol über 6 Tage.

Hakenwürmer sind die einzige tropischeWurmerkrankung, die tatsächlich mit einiger Regelmäßigkeit bei Touristen be-obachtet werden kann. Allerdings nichtder eigentliche Hakenwurmbefall, beidem der erwachsene Wurm an der Darm-wand Blut saugt und bei schwerem BefallAnämie verursachen kann – ein vor allembei afrikanischen Kindern häufiges be-drohliches Symptom.

Touristen begegnen vor allem tierspezifi-schen Hakenwürmern, nämlich denenvon Hunden und Katzen. Von Hakenwür-mern befallene Vierbeiner treiben sich zuAusscheidungszwecken auch an sonstmakellosen Sandstränden herum.

Filarien sind nicht im Darm sondern imGewebe hausende Würmer und werden(mit einer Ausnahme) über stechende In-sekten auf den Menschen übertragen. Dieverschiedenen Krankheitsbilder liefernMaterial für Horrorfilme.

Die lymphatische Filariasis (Wuchereria,Brughia) verursacht durch Zerstörung derLymphgefäße Lymphstaus, die zu teilwei-se grotesken Verformungen der betroffe-nen Körperteile führen. Da diese Bilderdie Folgen langjähriger wiederholter Infektionen sind, kommen sie bei Reisen-den praktisch nicht vor.Behandlung: 6 mg/kg Diethylcarbamazin(DEC) für 12 Tage

Entzündliche „Fährte“ einer Hakenwurmlarve -Larva migrans. Die Larve befindet sich immer schonetwas weiter als die sichtbaren Spuren, daherführen heroische Maßnahmen wie Verbrennen,Ver ätzen oder Vereisen nicht zum Ziel.

Elephantiasis, Lymphstau durch chronische Infek -tion mit Gewebsfilarien

Die aus den mit dem Kot ausgeschiede-nen Eiern schlüpfende Larve bohrt sich ak-tiv in die Haut des nächsten Wirts, ist al-lerdings leider nicht in der Lage, mensch-liche und tierische Haut zu unterscheiden.

Beim Menschen ist sie nicht in der Lage,die tieferen Hautschichten zu durchdrin-gen und wandert einige Zeit in der Sub-cutis bevor sie abstirbt. Es kommt nicht zurEntwicklung zum adulten Wurm. Die Lar-ve selbst ist nur etwa 1/2 mm groß, sicht-bar ist lediglich die Entzündung, die sie aufihrer Wanderung hinterlässt und die star-ken Juckreiz verursacht.

Die Erkrankung ist nicht unbedingt behandlungsbedürftig, da selbstlimitiert.Der starke Juckreiz und nicht selten auchder Ekel der Betroffenen vor der Vorstel-lung eines „Wurms“ in der Haut lassenjedoch meist ein Abwarten nicht zu.

Die Therapie besteht in der Gabe von2x100 mg Mebendazol über 3 Tage odereiner Einmalgabe von Ivermectin 0,150 –0,200 mg/kg Körpergewicht (außerhalbder Indikation).

Loa loa allerdings, der afrikanische Au-genwurm, hat auch schon Touristen zuTode erschreckt. Nach Infektion durchden Stich einer Bremsenart entwickelnsich im Unterhautfettgewebe die er-wachsenen Würmer, die ständig wan-dern. Dabei können sie flüchtige Schwel-lungen erzeugen. Sie werden meist nurzufällig entdeckt, wenn sie knapp unterder Hautoberfläche sichtbar werden oderunter der Bindehaut des Auges durch-wandern und eine unangenehme Über -raschung beim morgendlichen Blick inden Spiegel verursachen.Behandlung mit Diethylcarbamazin: ein-schleichend auf 6 mg/kg für 21 Tage, alsAlternative bietet sich Albendazol: 200mg/Tag für 21 Tage an.Die Flussblindheit, verursacht durch dieAuswirkungen der Infektion mit Oncho-cerca volvulus, wird von der Kriebelmücke

Loa loa auf ihrer Wanderschaft durchs Auge (Ge-schwindigkeit ca. 1 cm/Stunde) - anschaulicherGrund für den Beinamen afrikanischer Augenwurm

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übertragen. Die erwachsenen Würmer(die Weibchen werden bis über einen hal-ben Meter lang, die Männchen nur 2-3cm) leben zusammengerollt in subkuta-nen Knoten. Die Symptome werden vonder Nachkommenschaft erzeugt, den sogenannten Mikrofilarien. Sie finden sichin der Haut und führen zu schweren Ver-änderungen der Hautstruktur, Pigment-störungen und Juckreiz. Gefürchtet ist dieErkrankung wegen der Auswirkungen derMikrofilarien aufs Auge. Über ständigeEntzündungen und Vernarbungen führtdie Erkrankung zur Blindheit und ist fürdie Entvölkerung ganzer Landstriche inAfrika verantwortlich. Die idealen Brut-möglichkeiten für die Kriebelmücke fin-den sich vor allem entlang von Flüssen,im von Trockenheit geplagten Westafrikaoft die einzigen lebenswerten Siedlungs-gebiete der Menschen.Therapie mit einer Einmaldosis von 150µg/kg Ivermectin.

Der Drachenwurm (Medinawurm, Dra-cunculus) ist für seinen Lebenszyklus nichtauf Insekten als Überträger angewiesen.

Große Kampagnen zur Ausrottung der Erkrankung, die mit sehr simplen wie billi-gen Maßnahmen möglich wäre, haben im

letzten Jahrzehnt die Erkrankungszahlenmassiv verringert. Doch immer wieder auf-flackernde Krisenherde in Afrika, die solcheKampagnen oft für Jahrzehnte zum Erlie-gen bringen, haben die völlige Ausrottungbisher verhindert. Die Krankheit existiertheute praktisch nur mehr in der SahelzoneWestafrikas und betrifft nie Reisende.

Die Infektion erfolgt durch Trinken vonWasser, in dem winzige Krebse (1/2 mmgroß) die Larven des Wurms enthalten. Esgenügt daher, Trinkwasser durch ein fei-nes Sieb oder Tuch zu gießen, um es in-fektionsfrei zu machen. Im Gewebeaußerhalb des Darms reifen die Larven zuerwachsenen Würmern heran. Nach derPaarung stirbt das kleine Männchen ab,das bis zu 8 Meter (!) lange, fadendünne

Weibchen wandert ins Unterhautgewebemeist der Beine, wo es eine schmerzhaf-te Blase erzeugt. Bei Kontakt mit Wasser(beim Wasserholen, Waschen oder beimVersuch die brennenden Schmerzen mitWasser zu kühlen) durchbricht das Weib-chen die Haut und entlässt Tausende mikroskopischer Larven ins Wasser. Dieschmerzhafte Wunde besteht Tage bisWochen. Oft kommen Komplikationenwie bakterielle Infektionen oder eine Be-teiligung von Gelenken hinzu, die verhin-dern, dass Betroffene arbeiten oder dasHaus verlassen können. So ist die üb -licherweise nicht lebensbedrohliche Er-krankung eine sozioökonomische Katas -trophe für Subsistenzgemeinschaften. Esgibt keine etablierte Therapie.

Im Artikel erwähnte Substanzen:Albendazol – Eskazole® 400 mg TablettenMebendazol – Pantelmin® 100 mg TablettenPraziquantel – Biltrizide® 600 mg Tabletten – derzeit in Österreich nicht im HandelIvermectin – Mectizan®, Stromectol®

– in Österreich nicht erhältlichDEC (Diethylcarbamazin) – Hetrazan® – in Österreich nicht erhältlich

�� Fallbeispiel 1Sinusrhythmus, 65/min, Linkstyp, periphere und zentrale Niedervoltage, Q in III und aVF, Q in V2 und V3,

ST-Hebung (monophasisch) in V1 bis V4, ST-Hebung in V5 aus der hochgezogenen S-Zacke

Beurteilung: Vorderwandinfarkt im Stadium I-II (mit Verdacht auf Perikarditis im Randbereich),

Hinterwandnarbe mit Niedervoltage

�� Fallbeispiel 2Sinusrhythmus, 89/min, Linkstyp, ST-Hebung (monophasisch) in II, III und aVF und ST-Senkung in I und aVL

Beurteilung: diaphragmaler Myokardinfarkt im Stadium I mit Spiegelbildern

�� Fallbeispiel 3Sinusrhythmus, 80/min, Steiltyp, zentrale Niedervoltage, ST-Hebung (monophasisch) in II, III und a VF,

ST-Senkung in I, aVL und V1 – V6

Beurteilung: diaphragmaler Myokardinfarkt im Stadium I mit ausgedehnten Spiegelbildern

�� Fallbeispiel 4Sinusrhythmus, 69/min, SIQ III-Typ, PQ-Verlängerung = AV-Block I. Grades,

QRS-Verbreiterung wie bei komplettem Rechtsschenkelblock

Auflösung der EKG-Diskussion von Seite 10/11

Weibchen des Medinawurms beim Austreten aus dervon ihm verursachten Wunde. die traditionelle Me-thode der Entfernung besteht im Aufwickeln desWurms auf ein kleines Holzstäbchen, das jeden Tagetwas weiter gedreht werden kann. Würde man zuabrupt anziehen, reißt der Wurm und führt zu schwe-ren Entzündungen.

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