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nr. 65 7 / 8 / 2001 zeitung für den studiofilm im arthouse alba arthouse commercio arthouse movie 1+2 arthouse nord-süd arthouse le paris arthouse piccadilly morgental riff raff uto e w s i e n o v m Studiofilm-Vorpremieren Arthouse Le Paris, Zürich Stadelhofen Täglich 12.15 Uhr, ausser Samstag / Sonntag Lunch Kino-Club, www.lunchkino.ch bridget jones’s diary bridget jones’s diary renée zellweger in audrey tautou in amélie de montmartre amélie de montmartre

renée zellweger in bridgetjones’sdiary · sondern Freundin von Sexgott» schreibt Bridget in ihr Tagebuch. Der «Sexgott» ist Hugh Grant alias Bridget-Boss Daniel und der ist

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nr. 65 • 7 / 8 / 2001 zeitung für den studiofilm im arthouse alba • arthouse commercio •

arthouse movie 1+2 • arthouse nord-süd • arthouse le paris • arthouse piccadilly • morgental • r i f f ra f f • uto

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Studiofilm-VorpremierenA r t h o u s e L e P a r i s , Z ü r i c h S t a d e l h o f e n T ä g l i c h 1 2 . 1 5 U h r , a u s s e r S a m s t a g / S o n n t a gL u n c h K i n o - C l u b , w w w . l u n c h k i n o . c h

bridget jones’s diarybridget jones’s diaryrenée zellweger in

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amélie de montmartreamélie de montmartre

0001_319165_MovieNews 9.7.2001 9:46 Uhr Seite 2 (3,1)

Luchino Visconti, Joseph Losey, Harold Pinter und Volker Schlöndorffhaben sich an «A la recherche du temps perdu» versucht, und immerwar klar: Verfilmbar ist Marcel Prousts Roman nicht. Doch nun hat sichRaoul Ruiz ans Werk gemacht – und man staunt: LE TEMPS RETROU-VE lässt zwar nicht Prousts Roman, aber doch dessen Geist und Uni-versum, das traumwandlerische Aufge-hen und Sich-Verlieren in den Gestal-ten und Geschichten der Zeit, wiederauferstehen. Zentrum ist Proust selber,der 1922 in seinem Zimmer in Parisden Tod nahen fühlt und seine letztenWorte diktiert. Mal wacht er, mal döster und ausgehend von Fotos, die er inden Händen hält, beginnen seine Ge-danken zu schweifen. Blenden zurück,springen vor, halten sich an Tatsachen,verlieren sich in Fiktionen. Da ist dergrosse Krieg. Die Aristokratie, in deren

le temps retrouvé

«Ich beschloss mein Leben in die Hand zu nehmen. Ein Tagebuch an-zufangen und alles Wichtige aufzuschreiben. Beschluss Nummer eins:Zehn Kilo abspecken. Beschluss Nummer zwei: Einen netten und sen-siblen Freund zulegen, mit ihm ausgehen, nicht länger von romanti-schen Liebschaften träumen»: Schnoddrig ist BRIDGET JONES’S DIARY.Ein aus dem Herzen der Single-Frauenvon heute geschöpftes, postfeminis-tisches Schlampenbuch, verfasst vonHelen Fielding und dank JungfilmerinSharon Maguire nun eine vergnüglicheFilm-Komödie. Da sitzt Renée Zellwe-ger, nach einer Fresskur einige Pfundeschwerer als gewöhnlich, im rotenPyjama in einer Londoner Wohnungund spielt den Blues. Mit verquengel-tem Gesicht, strubbeligem Haar, einerFlasche Wein: Zellweger als BridgetJones, das ist die Wucht. Diese Frau ist

auf dem besten Weg, Meg Ryan den Rang als Hollywoods weiblichemComedy-Star Nummer eins abzulaufen. «Bin nicht länger alte Jungfer,sondern Freundin von Sexgott» schreibt Bridget in ihr Tagebuch. Der«Sexgott» ist Hugh Grant alias Bridget-Boss Daniel und der ist einelender Frauenheld. Aber das muss Bridget erst schnallen. Bis dahin

trampelt sie in Fettnäpfchen. Wursteltsich mit Freunden und Partys durchden Alltag. Und ärgert sich über denvon Mama gewünschten und von ColinFirth gespielten Schwiegersohn in spe.Ein Leben als Bridget – das ist furcht-bar normal, und ganz normal verrückt.Und BRIDGET JONES’S DIARY ein Film,der mit Witz und Menschlichkeit aufsZuschauerherz zielt.

Regie: Sharon Maguire. Mit: Renée Zell-weger, Colin Firth, Hugh Grant. Verleih: UIP.

bridget jones’s diary

Kreisen Proust verkehrt, ist dekadent. Sie kümmert sich um nichts alsGeld und Skandale. Da ist Baron de Charlus, angeklagt der Homose-xualität. Da sind Odette und ihre Stieftochter Gilberte. Erstere hat ihreSchönheit schamlos eingesetzt, um zu erreichen, was sie wollte; zwei-tere trägt den Ruf einer «sterilen Rose». Und zwischen all diesen Figu-

ren und Begebenheiten geistert Proustals Beobachter, Randfigur, Erzähler: LETEMPS RETROUVE ist hervorragend ge-filmtes, stimmungsvolles, dichtes Kino.Ein prächtiger Film, dem mit MarcelloMazzarella in der Rolle Prousts, unddank Stars wie Catherine Deneuve,Emmanuelle Béart, John Malkovich undChiara Mastroianni der Ruf eines präch-tigen Epochenwerks vorauseilt.

Regie: Raoul Ruiz. Mit: Catherine Deneuve,Emmanuelle Béart. Verleih: J.M.H.

Amélie – wunderbar wunderliche Amélie! Kind mit blühender Phanta-sie. Verträumtes Mädchen, einsame junge Frau. Kellnerin in einemCafé im Montmartre – liebenswerte Kinoheldin, zum Leben erwecktvon Jean-Pierre Jeunet: AMÉLIE DE MONTMARTRE eben. Eines Tagesbeschliesst Amélie ins Leben einzugreifen, dem Schicksal der Men-schen um sich herum einen kleinenSchupf zu geben. Ihren verbittertenVater aus der Stube zu locken und demtyrannischen Gemüsehändler Mensch-lichkeit beizubringen. Dem Nachbarnmit der Glasknochen-Krankheit einenFreund, der Kollegin einen Verehrer zubesorgen. Und der trunksüchtigen Con-cierge versucht sie den Glauben an dieMenschen zurück zu schenken. Amélieagiert heimlich wie eine Fee: Ein Mär-chen für Erwachsene ist AMÉLIE DEMONTMARTRE. Ein Paris-Film, der zwi-

schen Sacré-Cœur, Jahrmarkt und Montmartre-Café den Alltag be-schwört und dabei mit einem Gartenzwerg, einem Album voller Auto-maten-Fotos und einem Bild von Renoir auf dem Regenbogen derPhantasie spazieren geht. Rufus, Dominique Pinon, Isabelle Nanty,Mathieu Kassovitz spielen mit – und Audrey Tautou, die als Amélie so

lausbübisch und weiblich wirkt wieAnna Karina und Jean Seberg in denfrühen Filmen von Jean-Luc Godard.AMÉLIE DE MONTMARTRE ist eine ver-schmitzte Verlieb-dich-Story. Ein Filmvoller Magie, der davon berichtet, wieschön das kleine Leben sein kann.Zumindest dann, wenn es von Jean-Pierre Jeunet erfunden wurde.

Regie: Jean-Pierre Jeunet. Mit: MathieuKassovitz, Audrey Tautou. Verleih: Film-coopi Zürich AG.

amélie de montmartre

0001_319165_MovieNews 9.7.2001 9:46 Uhr Seite 1 (1,1)

«Eigentlich bereitete ich mich seit meiner Ausreise aus Kuba im Jahre1962 auf IMPROPER CONDUCT vor», schreibt Kameramann NestorAlmedros in seiner 1991 erschienenen Autobiographie. Almedros wurde 1930 in Barcelona geboren. Er hat in Havanna studiert, wurdegross mit Filmen, die er für François Truffaut und Eric Rohmer foto-grafierte. Er drehte mit Martin Scorse-se, Robert Benton; kein Star, der unterAlmedros’ Kamera-Auge nicht zurbetörenden Schönheit wurde. Dochdann packte Almedros das Unbeha-gen. Er beschloss, der Ungerechtigkeit,mit welcher die Revolution in Kubaverraten wurde, entgegenzutreten.«Ich war auf dem Höhepunkt meinerKarriere angelangt. Ich hatte in denUSA den Oscar, in Frankreich den Césargewonnen. Doch in Miami landetenBoat-People aus Kuba. Die neuen Exi-

«Ich bin das Kind mit dem dreckigen Gesicht, das Kind, das wirklichnicht erwünscht war. Dieses Kind...»: Verführerisch sind die Texte desKubaners Reinaldo Arenas und von grosser Poesie ist denn auchBEFORE NIGHT FALLS, der neuste Film von «Basquiat»-Regisseur JulianSchnabel. Ein Künstler-Porträt, das dem Porträtierten, seinen Texten,Gedanken und Träumen in betörenderBildlichkeit nachforscht. Ausgangs-punkt ist die posthum veröffentlichteAutobiographie des 1990 in New Yorkverstorbenen Reinaldo Arenas. EinBuch, in dem sich Fiktion, Traum undErinnerung innig umarmen und zurliterarischen Darstellung eines vonArmut, Homosexualität – aber auchvon Lebensfreude, Sehnsucht nachFreiheit und Gerechtigkeitssinn gepräg-ten Lebens heranwachsen. Da ist Aren-as, geboren 1943 in Oriente, Cuba. Der

Kindheit in bukolischer Idylle folgt die Jugend im Revolutions-geschüt-telten Havanna: Es lebe die Revolution, es lebe die sexuelle Befreiung!Arenas veröffentlicht mit zwanzig seinen ersten Roman und die Weltliegt ihm zu Füssen: Javier Bardem, der Arenas spielt, glüht und erhältden Darstellerpreis von Venedig. Und BEFORE NIGHT FALLS feiert die

Lebenslust. Um in der Folge nicht weni-ger eindrücklich die schwierigen Jahre– Verfolgung, Haft, amerikanisches Exil– darzustellen. BEFORE NIGHT FALLShat den grossen Preis der Jury vonVenedig gewonnen. Er ist eindrücklichund provokativ. Und dringlich. Weil esnicht nur Reinaldo Arenas zu ent-decken gilt, sondern auch nachzuden-ken über Kuba und seine Exilanten.

Regie: Julian Schnabel. Mit: Javier Bardem,Olivier Martinez, Johnny Depp. Verleih:Xenix Filmdistribution.

before night falls

lanten waren nicht reich und gebildet, wie diejenigen der 60er Jahre,sondern arm. Es waren die Menschen, für welche die Revolutioneigentlich gemacht worden war.» 1984 begann Almedros zusammenmit Orlando Jiménez Leak IMPROPER CONDUCT zu realisieren. Er batBetroffene vor die Kamera, befragte Künstler und Kulturschaffende –

unter ihnen den Schriftsteller ReinaldoArenas (siehe: «Before Night Falls»)und Susan Sontag. Schockierendeskam da zur Sprache, vieles wollte nie-mand wahrhaben, als IMPROPER CON-DUCT uraufgeführt wurde. Inzwischenallerdings gilt Almedros Film als er-schütterndes Zeitdokument.

Regie: Nestor Almedros und OrlandoJiménez Leak. Mit: Reinaldo Arenas, SusanSontag, Luis Lazo. Verleih: Xenix Film-distribution.

improper conduct

Siebzehn Jahre nach seinem Tod giltFrançois Truffaut (1932 –1984) nochimmer als einer der bekanntesten undwichtigsten Regisseure Frankreichs.Sein Name steht zusammen mit den-jenigen von Claude Chabrol, Jean-LucGodard und Eric Rohmer als Synonymfür die Nouvelle Vague. Seinen erstengrossen Erfolg feierte Truffaut 1959 mit«Les 400 coups», in welchem er in derFigur des Antoine Doinels seine eigeneJugend aufarbeitete. Der von Jean-Pierre Léaud gespielte Antoine Doineltaucht in weiteren Filmen wieder aufund markiert eines der grossen Zentren in Truffauts Schaffen. TruffautsLeidenschaft indes galt den Frauen. Sie hatten für ihn etwas Magischesund er verstand es wie kein zweiter, egal welche Rolle er einer Schau-spielerin gab, deren innere Schönheit zum Blühen zu bringen. Also woll-te er sie alle haben und alle grossen Schauspielerinnen seiner Zeit dreh-

ten mit ihm: Jeanne Moreau in «Jules etJim» und «La mariée était en noir», Isa-belle Adjani in «L’histoire d’Adèle H.».Brigitte Fossey ist in «L’homme quiaimait les femmes» und Marie Manas-art in «Les deux anglaises et le conti-nent». Und Fanny Ardant, die grosseLiebe seines Lebens, die er 1981 heira-tete und die ihm ein Jahr später eineTochter gebar, in «Vivement dimanche»und «La femme d’à côté». TruffautsFilme haben etwas zeitlos Schönes ansich: Höchste Zeit also, sie diesenSommer wieder zu entdecken.

«La sirène du Mississippi», «Les 400 coups», «Jules et Jim», «La mariée étaiten noir», «Les deux anglaises et le continent», «L’histoire d’Adèle H.»,«L’homme qui aimait les femmes», «La femme d’à côté», «Vivement diman-che». Verleih: Filmcoopi Zürich AG. Retrospektive im Arthouse Movie.

François Truffaut

0001_319165_MovieNews 9.7.2001 9:46 Uhr Seite 1 (2,1)

Thomas ist 32 Jahre alt und besessen davon, seine Ruhe zu haben.THOMAS EST AMOUREUX erzählt von einem attraktiven jungen Mann,der völlig isoliert in seiner hermetisch abgeriegelten Wohnung lebtund mit der Aussenwelt ausschliesslich via Computer verkehrt.Thomas leidet unter Agoraphobie, dem Gegenteil von Platzangst: Ererträgt keine offenen Räume. Thomashat sich gut eingerichtet. Die Versiche-rung kümmert sich um sein Wohlerge-hen; Unterhaltung und virtuellen Sexliefert das Internet. Doch eines Tagesmeldet der Psychiater Thomas beieinem Web-Dating-Club an. Fortanmuss sich der junge Mann nicht mehrnur mit seiner Mutter am Bildtelefonherumschlagen, sondern auch mit deneigenwilligen jungen Frauen, die sei-nen Bildschirm stürmen. THOMAS ESTAMOUREUX erzählt die Geschichte

Der König tanzt. Und der König, das ist Louis XIV, le roi soleil.Sein grösster Verehrer ist Jean-Baptiste Lully, Hofkomponist und Tanz-lehrer. Mit LE ROI DANSE entführt Gérard Corbiau das Publikumerneut in die Welt der Leidenschaft und der Musik, wie schon mitseinem Kastraten-Drama «Farinelli». Wie dort steht auch in LE ROIDANSE ein genialer Musiker im Zen-trum, als Mensch mit Schwächen. Dieschwelgerisch-leichten KompositionenLullys gelten heute als Ausdruck desBarocks schlechthin. LE ROI DANSEzeigt Jean-Baptiste Lully im Wechsel-bad der Gefühle. Die Gunst desKönigs ist ihm alles und solange derKönig tanzt, schwebt sein Verehrer imsiebten Himmel. Als sich aber deralternde König immer mehr demTheater zuwendet, wird Lullys frühererFreund Molière zu seinem grossen

Konkurrenten. «Absolutismus goes Pop» schwärmt die Berliner «taz»:«Zu den rauschhaften Melodien des Komponisten Lully hat Corbiaueinen barocken Kostümfilm gezaubert». Die komplexe Rolle des Jean-Baptiste Lully spielt in LE ROI DANSE übrigens Boris Terral, der schonFarinelli seine magische, Ausstrahlung verlieh. Der Hof von Versailles

wird in LE ROI DANSE zum absolutis-tischen Mikrokosmos und das re-nommierte Kölner Orchester MusicaAntiqua unter der Leitung von Rein-hard Goebel liefert den betörendenSoundtrack dazu.

Regie: Gérard Corbiau. Mit: Benoît Magi-mel, Boris Terral, Tcheky Karyo. Verleih:J.M.H.

le roi danse

eines Aufbruchs. Denn obwohl Thomas sich mit allen virtuellen Hän-den und Füssen wehrt: Der Liebe entgeht er nicht. So ist Thomasdenn verliebt, aber unfähig, seine Wohnung zu verlassen. Zumindestglaubt er das. THOMAS EST AMOUREUX, erster Spielfilm des BelgiersPierre-Paul Renders, ist zukunftsweisendes Kino mit einem zeitlosen

Thema. Er verblüfft mit einer span-nenden, konsequent subjektiv er-zählten Geschichte. Und er wartet mitder atemberaubendsten Cyber-Sex-Sequenz auf, die bislang im Kino zusehen war.

Regie: Pierre-Paul Renders. Mit: BenoîtVerhaert, Aylin Yay, Magali Pinglaut. Ver-leih: Filmcoopi Zürich AG.

thomas est amoureux

Auf den ersten Blick sehen sie aus wie eine ganz normale Familie amStrand von Portugal. Doch schon bald wird klar: Hans, Clara und die15-jährige Jeanne sind auf der Flucht. Sie sind vor vielen Jahren unter-getaucht, leben unter falschen Namen und sind dauernd darauf be-dacht, nicht entdeckt zu werden. Sie werden verfolgt von den Schat-ten einer Vergangenheit, die für diemeisten Menschen längst vergessenist, Eltern und Tochter aber in atem-loser Spannung hält. DIE INNERESICHERHEIT erzählt die Geschichteeiner Familie, die keine sein darf. Miteiner Tochter, welche endlich lebenmöchte. Und Eltern, die jeder Zufalls-bekanntschaft misstrauen. Der renom-mierte deutsche Regisseur ChristianPetzold verzichtet in DIE INNERESICHERHEIT auf äusserliche Dramatikund konzentriert sich auf das innere

Drama seiner Figuren. In knappen Szenen, teilweise nur mit Blick- undWortwechseln, schildert er die Hoffnung auf eine unbedrohte Zukunft– und ihren Zusammenbruch. Mit nur wenigen Andeutungen setzt ereine weitere Geschichte in Gang. Es ist eine Liebesgeschichte. Und sieberührt schon deshalb, weil sie über ihre Anfänge, über ein bisschen

Traum und Sehnsucht kaum hinaus-kommt. DIE INNERE SICHERHEIT istein Meisterwerk der Aussparung undVerknappung. Er besticht durch diegenaue Beobachtung von Menschen ineiner Extremsituation und durch dasgrandiose Spiel der exzellenten Dar-steller: Barbara Auer, Richy Müller unddie Neuentdeckung Julia Hummer.

Regie: Christian Petzold. Mit: Barbara Auer,Richy Müller, Julia Hummer, Bilge Bingül.Verleih: Look Now!

die innere sicherheit

0001_319165_MovieNews 9.7.2001 9:46 Uhr Seite 1 (3,1)

«Zhang Baogen war ein Bursche vom Land...» wird im Theater gesun-gen. Zhang hatte Glück. Er gewann bei einer Lotterie ein 2-Zimmer-Appartement in der Stadt. Er liess die Familie, das Leben in Armuthinter sich und zog nach Shanghai: SCHÖNE NEUE WELT titelt ShiRunjius neuster Film und das muss kritisch verstanden werden. DennSCHÖNE NEUE WELT ist eine leicht sati-rische Ballade übers heutige China. EinFilm, der ähnlich wie «Shower» vomAufeinanderprall von Alt und Neu, vonTradition und Moderne, Stadt undLand, Arm und Reich – aber auch vonRealitäten und Träumen berichtet.Zhang Baogen – gespielt von Jiang Wu,der in «Shower» den Behinderten spiel-te – sieht seine Glücksvision platzenwie eine Seifenblase: Das gewonneneAppartement im heissesten In-QuartierShanghais wird erst in zwei Jahren fer-

schöne neue welt

Der Sommer 1977 in New York ist der SUMMER OF SAM. Der Serien-killer David Berkovitz, der sich selber «Son of Sam» nennt, verbreitetAngst und Schrecken. Aber es ist auch die Zeit von «Saturday NightFever» und die ersten Punks bevölkern die Stadt. Mit SUMMER OFSAM kehrt Spike Lee zurück zum packenden Zeit- und Milieuporträt,das ihn berühmt gemacht hat. UndSUMMER OF SAM zeigt einen gereiftenSpike Lee: Den Drive und die Wut von«Do the Right Thing» ergänzt er wun-derbar mit einem fast schon nostalgi-schen Humor. Der junge Italo-Ameri-kaner Vinny betrügt seine hübschediscoverrückte Frau mit allem, wasweiblich ist und zwei Beine hat. SeinFreund Ritchie verblüfft die Nachbar-schaft in der Bronx mit seinem nagel-neuen Punk-Outfit und alle schlagensich die heissen Nächte um die Ohren.

Aber es ist der SUMMER OF SAM und der Terror des Killers verun-sichert die Menschen. Als ausgerechnet der harmlose Ritchie mitseiner Igelfrisur ins Visier der Polizei gerät, beginnt es im Quartier zubrodeln. «Ein grosses, furioses und auch differenziertes New-York-Epos» sei Lee mit SUMMER OF SAM gelungen, meint die «Süd-

deutsche Zeitung». Und «Variety»erklärte anerkennend, mit SUMMER OFSAM sei Spike Lee Martin Scorsese sonahe gekommen wie nie zuvor.Schnell, bunt und heiss ist SUMMEROF SAM, ein Sommer-Thriller um Sex,Musik und Vorurteile.

Regie: Spike Lee. Mit: John Leguizamo,Mira Sorvino, Adrien Brody. Verleih: Colum-bus Film AG.

summer of sam

tig sein. Also gilt es sich durchzuschlagen: Zhang findet Unterschlupfbei einer entfernten Verwandten. Diese ist über sein plötzliches Auf-tauchen so verärgert wie über die Aussicht, unverhofft zu Geld zukommen, erfreut. Städtische Arroganz prallt gegen bäurische Gut-gläubigkeit; eine Frau, die durchs Leben in der Stadt Ehre und

Achtung längst verloren hat, ein Mann,der nichts schlimmer findet, als nichtfür sich selber sorgen zu können: InSCHÖNE NEUE WELT umarmen sichGegensätze. Und vereinen sich auf for-maler Ebene die Versatzstücke des tra-ditionellen chinesischen Theaters mitmodernem chinesischem Erzählkino zurbeherzten Gesellschaftssatire.

Regie: Shi Runjiu. Mit: Jiang Wu, Tao Hong,Wu Bai, Chen Ning. Verleih: trigon-film.

Vor und nach dem Kino: Panini, Insalata, Pasta al Forno, Antipasto Misto, Vino, Prosecco,Grappa,... e il miglor caffè della città. Dies alles und noch viel mehr direkt neben dem KinoMovie, in der Cinemabar Paparazzi. Da zieht mit cantautori italiani und alten Filmplakatenvon morgens bis Mitternacht ein Hauch Cinecittà durch Zürich. Und Filmzeitschriften ausaller Welt laden zur Reise ins Reich der Storys, Stars und Illusionen.

Nägel ihof 1 • 8001 Zürich

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THAT’S THE WAY IT IS – SPECIAL EDITION verfolgt in seinem erstenTeil Elvis bei den Proben. Elvis, ein Badetuch über der Schulter,manchmal sein verschmitztes Lächeln auf dem Gesicht lockt, dröhnt,rockt. Dann kommt die Tournee, Beginn in Las Vegas: «Elvis in Con-cert». «In the Ghetto», «Love Me Tender», «Are You Lonesome

Tonight»: Elvis bebt, rockt und rollt.Das Publikum zittert in Ekstase. ELVIS:THAT’S THE WAY IT IS – SPECIAL EDITI-ON ist ein Film-Ausflug in die Welt vorWoodstock. Ein einmaliges Zeitdoku-ment, das nicht nur jeder Elvis-Fan,sondern auch jeder Musik-Passio-nada gesehen und dank neu gefertig-tem Stereo-Digital-Sound auch gehörthaben muss.

Regie: Denis Sanders. Dokfilm mit: ElvisPresley, James Burton, Glen D. Hardin. Ver-leih: Stamm Film AG.

Marie und Jean gehen baden. Am wilden Strand, da wo es keineStrandwache, dafür Ruhe gibt: Ferien sind angesagt. Jean und Marie,fünfundzwanzig Jahre verheiratet, sind wie immer nach Landes gefah-ren. Die Protagonisten aus SOUS LE SABLE sind nicht verliebt wiefrüher, doch ihre Zweisamkeit ist geprägt von Vertrauen. Am Strandschmiert Jean Marie mit Sonnenmilchein, dann fällt sie in einen leichtenSchlaf: Kurze Erholung an einem hellenSommertag, der mit Schrecken endenwird. Als Marie erwacht, ist Jean ver-schwunden. Was Marie bleibt: Ein ver-lassenes Badetuch, die Erinnerung;Zweifel, Nicht-Verstehen, Einsamkeit.Er habe, meint François Ozon, alsNeunjähriger miterlebt, wie der Manneiner Holländerin beim Baden im Meerspurlos verschwunden sei. Er habe ge-sehen, wie die Frau mit der Strand-

wache gesprochen habe, wie Helikopter das Meer absuchten: DerMann sei verschwunden geblieben. Und er habe sich seit damalsgefragt, was nachher passiert sei. In SOUS LE SABLE gibts genau das:Ein Mann, der verschwindet. Eine kurze Episode mit Strandwache undPolizei. Und dann, den Rest eines betörenden Filmes lang, eine luzide

Charlotte Rampling als Marie, die sichverfolgt von zärtlichen Erinnerungenmit dem Verschwinden ihres Gattennicht abfinden kann. Spät erst kom-men die Tränen, kommt die Erlösung:SOUS LE SABLE ist ein aussergewöhn-lich-berührender Film. Der vor allemvon seiner grossartigen Hauptdarstel-lerin Charlotte Rampling lebt.

Regie: François Ozon. Mit: CharlotteRampling, Bruno Cremer, Jacques Nolot.Verleih: J.M.H.

sous le sable

Aus alt mach neu: Es ist derzeit nachgerade in, alte Filme, frischzurechtgemacht, neu ins Kino zu bringen. Selten allerdings ist einFilm-Facelifting derart erfolgreich wie bei ELVIS: THAT’S THE WAY IT IS– SPECIAL EDITION. Da wurde mit Fleiss und Feingefühl eine mit Un-nötigem überfrachtete Dok-Schwarte in eine packende Hommage anThe King verwandelt. Weniger ist mehr,lautete das Motto. In monatelangerSuche wurden alte Takes gesammeltund umgeschnitten. Auf dass der ausdem Jahre 1970 stammende Film vonDenis Sanders neu dreizehn Minutenkürzer, aber vier Elvis-Songs längerist. Im Gegensatz zur Originalfassungfokussiert die Special Edition voll aufElvis, der Anfang 70er Jahre heiss wieFeuer und kalt wie Eis auf die Bühnezurückkehrt. Als grossartiger Enter-tainer und genialer Musiker. ELVIS:

elvis – that’s the way it is

Als «Almodóvar Islands» hat man Baltasar Kormákur nach der Uraufführung von101 REYKJAVÍK am Filmfestival von Locarno gefeiert. Man lag damit gar nicht sofalsch: Die schräge Slacker-Komödie aus dem Norden Europas erinnert in einigeman die Filme des grossen enfant terrible des spanischen Kinos. Das ganz abgese-hen davon, dass Kormákur die Spanierin Victoria Abril die Flamenco-Tänzerin Lolaspielen lässt, welche erst eine brave Isländerin um den Finger wickelt und dannderen Sohn. Dies frei nach dem Motto «je höher im Norden, desto heisser dieNächte». «101 REYKJAVÍK», erklärt Kormákur, «ist ein freudianischer Alptraum, dersich in einem irren Universum abspielt, in einer Stadt, die unter dem Zeichen unge-zügelter Sexualität steht. Die verlassenen und eisigen Strassen kontrastieren mitden Bars, in denen sich die vergnügungssüchtigen Menschen auf den Füssenherumstehen. Dort finden wir auch unseren Mann...» Dieser Mann, gespielt vonHilmir Snær Gudnason, ist 28 Jahre alt, arbeitslos und lebt bei seiner Mutter. Er hatFreunde, verhängt die Weekends in Pubs, hat eine Fast-Beziehung. Sein Lebentropft vor sich hin. Bis die fesche Lola auftaucht und alles durcheinander gerät:101 REYKJAVÍK ist wunderbar irrwitzig. Und überzeugt mit einem süffigen Sound-track von «Blur»-Mann Damon Albarn und «Sugarcube»-Exmitglied Einar Ørn.

Regie: Baltasar Kormákur. Mit: Hilmir Snær Gudnason, Victoria Abril, Hanna MariaKarlsdóttir. Verleih: Xenix Filmdistribution.

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