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Resilienz - Entwicklung und Wachstum trotz belastender Lebensbedingungen Katharina Purtscher Abteilung für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie Landesnervenklinik Sigmund Freud Graz

Resilienz: Entwicklung und Wachstum trotz belastender ... · Zentrale Komponente: Kohärenzgefühl (Sense of coherence,

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  • Resilienz - Entwicklung und Wachstum trotz belastender

    Lebensbedingungen

    Katharina Purtscher

    Abteilung fr Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie

    Landesnervenklinik Sigmund Freud Graz

  • Gliederung

    1. Begriffsklrung

    1. Resilienz

    2. Salutogenese

    3. Schutz- und Risikofaktoren

    4. Post-traumatic growth (Wachstum)

    2. Konzepte

    3. Anwendung in der Praxis

  • Resilienz (resilire = lat. zurckspringen, abprallen)

    = Psychische Widerstandsfhigkeit

    Fhigkeit, Krisen durch persnliche und soziale Ressourcen zu meistern und als Anlass fr Entwicklung zu nutzen.

  • Resilienz - Forschung

    Einfhrung des Begriffs in den 50er Jahren in die Psychologie (J. Block)

    Pionierstudie zur Resilienz ber die Kinder der Insel Kauai (E. Werner, 1971)

    Einfluss kultureller Faktoren auf die Resilienz (G. Elder)

  • Resilienz bei Kindern

    Kinder, die trotz Bedingungen wie Armut oder Flchtlingssituationen in der Kindheit im Erwachsenenalter eine

    qualifizierte Berufsttigkeit ausben, nicht mit dem Gesetz in Konflikt kommen und psychisch unauffllig sind.

    (E. Werner)

  • Resilienz

    Eigenschaften von Personen,

    die ihre psychische Gesundheit unter Bedingungen aufrecht erhalten, unter denen die meisten Menschen zerbrochen wren.

    (E. Werner, 1992)

  • Resilienz

    Psychologische Widerstandsfhigkeit, trotz biologischen, psychologischen und psychosozialen Entwicklungsrisiken, internale und externale Ressourcen erfolgreich zu nutzen, um Entwicklungsaufgaben zu bewltigen

    (Egeland, Carlson, Sroufe, 1993)

  • Resilienz (Masten et al. 1990)

    Der Prozess und die Fhigkeit trotz herausfordernder oder gar belastender Bedingungen eine erfolgreiche Anpassung zu bewirken.

    Resiliente Menschen haben eine innere Fhigkeit, die immer wieder dafr sorgt, dass sie nicht aufgeben.

  • Resilienz zwei elementare Definitionskriterien (Wustmann, 2004, Zander 2008)

    1) Schwierige Lebensumstnde, die eine signifikante Bedrohung fr die kindliche Entwicklung darstellen (hoher Risikostatus, akute Stresssituation, traumatisches Erlebnis)

    2) Eine erfolgreiche Bewltigung dieser belastenden Lebensumstnde

  • Resilienz als positives Gegenstck zur Vulnerabilitt (Masten 2001)

    Positive Entwicklung trotz hohem Risikostatus (chronische Armut, elterliche Psychopathologie, sehr junge Elternschaft)

    Konstantes Kompetenzverhalten unter Stressbedingungen (elterliche Trennung und Scheidung, Wiederheirat eines Elternteils)

    Schnelle Erholung von traumatischen Erlebnissen (Tod eines Elternteils, Gewalterfahrungen, Naturkatastrophen oder Kriegs- und Terrorerlebnisse)

  • Einflussfaktoren

    Herkunftsfamilie der Betroffenen

    Kultur

    Schulische Sozialisation

    Intelligenz

    Emotionale Intelligenz

    Aktive Einstellung zu Problemen

    Kontrollberzeugungen

  • Die Rolle der Familie

    Bildungsstand der Eltern

    Berufsttigkeit der Eltern

    Geschwisterzahl

    Zwei Eltern

    Freundliche einfhlsame Untersttzung der Eltern

    Eltern nehmen Anteil am Leben ihrer Kinder

  • Entwicklung und Frderung von Resilienz

    Durch Eltern, ltere Geschwister

    Emotionale Bindung zwischen Eltern und Kindern

    Eltern, die aktiv den Kontakt zu Gleichgesinnten suchen (Vermeidung von Isolation)

    Groeltern

    Schulische Frderprogramme (Big-Brothers, Big-Sisters-Programm)

    Foster grand parent-Programm

    Mglichkeit zur bernahme von Verantwortung in der Schule oder anderen Gruppen

  • Resilienz von Gruppen

    Starker innerer Zusammenhalt

    Eher kollektivistisch als individuell orientiert

    Starke Wertehaltungen (shared values)

  • Resilienz Verlauf/Prozess

    Phase der Revolte

    Phase des Traumas und der Herausforderung

    Verweigerungshaltung gegenber Mitleid des Umfelds

    Humor

    Kreative Phasen (Schreiben, Zeichnen)

  • Salutogenese

    Wie entsteht Gesundheit und wie wird sie bewahrt ? Welche Faktoren untersttzen und frdern Gesundheit?

    Aktive Anpassung an die jeweiligen (sich ndernden) Umweltbedingungen und konstruktive Bewltigung von belastenden Ereignissen/Einflssen (A.Antonovsky, 1923-1994)

    Ressourcenorientierung, Gesundheitsschutz, Prvention psychischer Erkrankungen

  • Salutogenese II

    Zentrale Komponente: Kohrenzgefhl (Sense of coherence, SOC)

    Konstruktiv-optimistische Grundorientierung dem Leben gegenber

    Generalisiertes und berdauerndes Gefhl des Vertrauens, dass die innere und uere Umwelt vorhersagbar ist

    Ein hohes Ma an Kohrenz schirmt gegen stressbedingte Gesundheitsstrungen ab und befhigt Menschen bei schwierigen Herausforderungen uere und innere Ressourcen zu mobilisieren

  • Kohrenzgefhl

    Verstndlichkeit und Verstehbarkeit (comprehensibility)

    Steuerbarkeit und Fhigkeit zur Bewltigung (manageability)

    Bedeutsamkeit und Sinnhaftigkeit (meaningfullness)

  • Personelle Schutzfaktoren

    Status in der Familie

    Positives, eher zurckhaltendes Temperament

    Aktives Bewltigungsverhalten schon im Kleinkindalter

    Suchen neue Erfahrungen und zeigen wenig Furcht

  • Soziale Schutzfaktoren

    Sichere emotionale Untersttzung (trotz chronischer Armut, Familienzerrttung oder psychischer Krankheit in der Familie)

    innerhalb des sozialen Nahraums Person bernimmt die Funktion von

    Ersatzeltern

    Identifikationsmodell oder Coach

  • Post-traumatic Growth

    Mehr Mitgefhl und Empathie fr andere

    Zunehmende emotionale Reife

    Mehr Wertschtzung fr persnliche Beziehungen und das Leben

    Vertieftes Verstndnis fr den Lebenssinn

    Erhhtes Selbstwertgefhl

    Akzeptieren der eigenen Verletzlichkeit und negativer Erfahrungen

    Positive Vernderung der Prioritten

  • Empirische Befunde der Resilienzforschung

    Drei Forschungsgenerationen

    Entwicklung von sogenannten Risikokindern (Werner& Smith 1977, 1982); Suche nach isolierbaren Schutz- und Risikofaktoren

    Risikospezifische Kontextabhngigkeit von Resilienz (zweite Forschungsgeneration), Konzept des unverwundbaren Kindes (Anthony, 1987; Raucht 1997, 2000; Lsel& Bender, 1999)

    Resilienzspezifische Rolle der Schule (Rutter, 1979), Frderung der Selbstwertentwicklung, der sozialen Integration sowie der Leistungserfolge.

    Systemisch orientierte Betrachtung von Risikosituationen (dritte Forschungsgeneration) Risiko und Resilienz sind systemische Phnomene, die nicht auerhalb des Systems verstanden werden knnen. Mannheimer Risikokinderstudie (Laucht, 2000)

    Bielefelder Invulnerabilittsstudie (Lsel& Bender, 1999)

  • Konsequenzen fr die Beratung und Therapie

    Beidugiges Sehen in Diagnostik und Therapie

    Wahrnehmen des ganzen Menschen mit seinen Fhigkeiten und Kompetenzen und mit seinen Schwierigkeiten und Begrenzungen

    Fragen nach Ausnahmen (Steve de Shazer)

    Persnlichkeit verstehen als Summe von Eigenschaften, die vernderbar sind

  • Gefahren des Resilienzkonzepts?

    Resilienz ist nicht nur von der Strke der Risiko- oder Schutzfaktoren abhngig

    Resilienz ist risikospezifisch und kontextabhngig

    Resilienz ist das Ergebnis des Zusammenspiels von Person und Umwelt, ist kein lineares Phnomen

  • Gefahren

    Dominierende Vorstellung der medizinischen oder technischen Machbarkeit

    Verringerung der personellen Ressourcen fr die Versorgung

    Gefhl von Ohnmacht, Verlust der Sinnhaftigkeit

    Negative Zukunftsaussichten

  • Indikatoren fr eine erfolgreiche Bewltigung

    Keine psychischen und psychosozialen Strungen oder Verhaltensprobleme

    Analog zu den altersspezifischen Entwicklungsaufgaben werden altersadquate Fhigkeiten erworben und/oder erhalten

  • Zusammenfassung Resilienz und Strategien der Lebensbewltigung

    Keine stabile Immunitt gegenber negativen Ereignissen

    Kann zeitlich und situativ variieren

    Ist keine einheitliche und per se vorhandene Persnlichkeitseigenschaft, sondern entwickelt sich in konkreten Lebenssituationen

    Kann nicht einmal erworben und lebenslang erhalten werden, sondern stellt eine variable Gre dar

    Nach wiederholten Schicksalsschlgen kann eine steigende Verwundbarkeit entstehen

  • Resilienz-Faktoren

    Begnstigende Eigenschaften des Kindes

    Schtzende Faktoren in der Familie

    Schtzende Faktoren in der Gemeinde

    Schtzende Prozesse (Verbindungen zwischen protektiven Faktoren des Kindes und seiner Umwelt)

    (Werner, 2007a)

  • Aspekte der Resilienz bei Helfern

    Am Leid anderer nicht zerbrechen

    Im beruflichem Handeln auch zu fhlen

    Sinn fr Humor bewahren

    Eigene Emotionen ausdrcken knnen, ohne selbst handlungsunfhig zu sein

    Eigene Grenzen wahrnehmen

    In Krisen selbst Hilfe annehmen knnen

    Sich nicht fr alles verantwortlich fhlen (Meulen, 2002)