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Eloísa cartonera 2010 Resto del mundo Rest der Welt Antología bilingüe de dramaturgos argentinos y alemanes Zweisprachige Anthologie argentinischer und deutscher Autoren

Resto del Mundo

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Traduccion para el compilado Resto del Mundo, editado por Rafael Spregelburd y Carla Imbrogno y publicado por Eloisa Cartonera en 2010 con motivo de la Feria del Libro de Frankfurt.

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Eloísa cartonera 2010

Resto del mundoRest der Welt

Antología bilingüe de dramaturgos argentinos y alemanesZweisprachige Anthologie argentinischer und deutscher Autoren

Impresión y fabricación:Cooperativa Gráfica, Editorial y de Reciclado Eloísa [email protected]

Edición y diseño:Lucas Oliveira * Editorial Funesianawww.editorialfunesiana.blogspot.com

* Antología bilingüe de dramaturgos y escritores alemanes y argentinos, preparada en ocasión de la Feria del Libro de Frankfurt. Octubre 2010 |∙| Zweisprachige Anthologie argentinischer und deutscher Autoren, veröffentlicht im Rahmen des Ehrengastauftritts Argentiniens auf der Frankfurter Buchmesse. Oktober 2010 *

* Tapa hecha con cartón comprado a cartoneros en la vía pública. Cortado y pintado a mano e impreso en la Cartonería “No hay cuchillo sin rosas”. |∙| Herstellung aus Pappe, den Kartonsammlern abgekauft, per Hand verarbeitet, bemalt und in der Kartonagenfabrik “No hay cuchillo sin rosas” gedruckt wird. *

Este libro se ha realizado con el apoyo del Comité Organizador para la participación argentina en la Feria del Libro de Frankfurt (COFRA) del Ministerio de Relaciones Exteriores, Comercio Internacional y Culto de la República Argentina para celebrar el encuentro futbolís-tico entre el Combinado Argentino de Dramaturgos y la selección de

dramaturgos de la DFB. El partido amistoso entre argentinos y alemanes se realizó en el marco de actividades de “Argentina, País Invitado de Honor en la Feria del

Libro de Frankfurt 2010

Inhaltsverzeichnis

Rafael SpRegelbuRd

OctaviO tOmaS

William pROciuk

alejO mOguillanSky

WaShingtOn cucuRtO

aguStín mendilahaRzu

jOaquín bOnet

matíaS feldman

maximilianO tOmaS

lucaS OliveiRa

beRnaRdO cappa

maRianO tencOni blancO

albeRt OSteRmaieR

fRiedRich ani

andReaS meRkel

nORbeRt kROn

flORian WeRneR

klauS döRing

michael kRöcheRt

mORitz Rinke

jüRgen SchmiedeR

jan bRandt

chRiStOph nuSSbaumedeR

jöRg Schieke

autores página

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Silke KleemannInka MarterMichèle AdelhardtLuis RubyVerena ThissenAndreas LöhrerVerena ThissenLea KalinnaMascha Rohner

Jana BeckmannInka Marter

Carla ImbrognoJulia GiserMartina Fernández PolcuchEduardo Méndez GaaFlorencia MartinTomás BartolettiTomás BartolettiCarla ImbrognoAnalía FridmanSilvia C. CórdobaIlana MarxRafael Spregelburd

traductores

Autoren Seite Übersetzer

Índice

Argentina|∙|

Argentinien

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Nur wer sich auswechselt, bleibt sich treuÜber Günter Netzer, den genialen Fußballer und

FußballphilosophenvOn nORbeRt kROn

Es gibt dieses Bild von Günter Netzer, da steht er zwischen den Gästen seiner Diskothek und mimt, mit Augenaufschlag und Cocktail-Shaker in der Hand, den Jungplayboy. Rechts klammert sich Berti Vogts an die fast kinnhohe Theke, links blickt Wolfgang Overath verunsichert in die Runde. Netzer aber steht in der Mitte, umringt von jungen Frauen, und lässt – das Schwarzweiß des Fotos unterstreicht es – unter der hellstrahlenden Mähne stolz seine großen Augen aufleuchten.

Es war der Eröffnungsabend seines Clubs „Lovers Lane“, der in den frühen Siebzigern Stars und Sternchen von Franz Beckenbauer bis Ingrid Steeger nach Mönchengladbach zog. Netzer war zu einer neuen Spezies in der von deutscher Wertarbeit geprägten Bundesligawelt aufgestiegen: ein David Beckham, lange bevor dieser geboren wurde. Wenn man sich all die Fotos dazu denkt, bei denen man Netzer mit schnellen Autos sieht, an seinen Ferrari Dino GT gelehnt oder in seinen Jaguar E-Type steigend, so weiß man, was aus dem Gladbacher Jungen vierzig Jahre später auch hätte werden können: der Porfirio Rubirosa des Ruhrgebiets, der seine schlohweiße Mähne, mit Goldkette abgerundet, noch heute altersgebeugt an die Schultern wechselnder Starlets lehnt und sich, wer weiß, mit Fernsehwerbung für Pokerportale über Wasser halten muss.

Stattdessen wurde Günter Netzer die respektierteste Persönlichkeit, die die Medienrepublik in Sachen Fußball kennt. Wenn Günter Netzer im Fernsehen die Fußballweltmeisterschaft kommentiert, das Spiel der argentinischen oder der spanischen Mannschaft analysiert und seine Prognosen über die deutsche „Fohlenelf“ spricht, wird dies von Millionen Zuschauern zugleich als Orakelspruch für Fußballdeutschland aufgesaugt, als sei es das Wort des Altbundeskanzlers. Wie sonst nur beim 92-jährigen Helmut Schmidt hungert das Volk nach seinen einsilbig präzisen Analysen zur Lage der Nation, die kein anderer mit ähnlich trockenem Humor abgibt. Kaum zu glauben, der Jungplayboy

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aus dem Pott hat den Status eines Weltweisen in Sachen Fußball erlangt. Wie war das möglich?

Das Leben des Günter Theodor Netzer – man kann es heute im Netz besichtigen, auf Jugendfotos und YouTube – Clips, die die legendären Torszenen zeigen, natürlich auch jenes Jahrhunderttor, mit dem er 1973 nach seiner Selbsteinwechslung die Borussia Mönchengladbach zum Pokalsieg hämmerte. Es zeigt einen Torschuss, der genau deswegen unhaltbar in den Winkel einschlägt, weil ihm der Ball über den linken Spann rutscht – während die Frisur unverrückbar festsitzt. Weil auf all den Bildern eben diese medienwirksam leuchtende Mähne aufleuchtet, könnte man leichtfertig glauben, dass seine Bilderbuchkarriere vor allem das Ergebnis einer cleveren medialen Selbstinszenierung war, bei der er, der Spielfeldstratege, immer gekonnt Regie über sein äußeres Erscheinungsbild führte. Doch das würde etwas Wesentliches verkennen: dass Netzers Erfolg weniger auf Außendarstellung als auf einem grundsoliden Fundament beruht, einer tiefen inneren Lebenseinstellung. Wenn Netzer kürzlich sagte: „Es gab in meinem Leben nicht einen Morgen, an dem ich nicht in den Spiegel schauen konnte“, dann bezog sich das nicht auf seine wie in Stein gehauene, stets gutsitzende Frisur, sondern auf seine charakterliche Unverbiegbarkeit.

Und so bemerkt man, wenn man die Bilder von damals bis heute Revue passieren lässt, dass sein durchgehendes Hauptmerkmal auch gar nicht die berühmte Mähne ist. Was den kurzgeschorenen Neunzehnjährigen, der die Borussia mit Easy-Rider-Koteletten in die Bundesliga führte, mit dem Elder Statesman von heute verbindet: Sein wildes Blond wurde immer von jenem seitlichen Betonscheitel domestiziert, der dafür sorgte, dass seine „Matte“ auch bei den schnellsten Antritten nie die Bodenhaftung verlor und er selbst trotz hochfliegenden Engelshaars nie abhob: ein veritabler Helmut-Schmidt-Scheitel, der ihm bei allen Playboy-Posen immer die nötige Erdung mitsamt trockener Selbstironie verlieh. „Man wusste bei mir immer, wo ich dran war“, grinste er kürzlich – und machte genau diese authentische Unverstelltheit für seine Erfolge als Fernsehkommentator verantwortlich.

Eben dieses Bei-Sich-Bleiben verlieh Netzer zeit seines Lebens auch die Fähigkeit, instinktsicher zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort zu

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sein. Wo andere Weltfußballer diesen Instinkt oft nur in den Untiefen des 16-Meter-Raums besaßen und sich außerhalb des Fußballfeldes mit ebensolcher Zielsicherheit in den Abgründen des Starlebens verloren – ob sie nun in Übersee dem Alkoholismus verfielen oder großmäulig auf einem Trainerposten nach dem anderen scheiterten –, da besaß Netzer immer das Geschick, sich schlafwandlerisch dorthin zu bewegen, wo er die richtigen Mitspieler fand. Als Spielgestalter hätte er mit seinen Pässen niemals glänzen können, wenn Vogts und Wimmer den Raum hinter ihm nicht mit ihren Pferdelungen abgesichert hätten, und auch seine preisgekrönte Medienkarriere wäre undenkbar ohne das einzigartige Zusammentreffen mit dem Fernsehmoderator Gerhard Delling.

Genau dieser Instinkt, dieses Selbst-Vertrauen, führte dazu, dass er sich nicht nur im richtigen Moment in ein Spiel einzuwechseln wusste – sondern sich auch aus all den Spielen, die er spielte, wieder rechtzeitig auswechselte: ob als Profifußballer, als HSV-Manager oder als Lebemann. Auch die „Lovers Lane“, seine Discothek, gab er schon nach drei Jahren wieder auf – um zu Real Madrid zu gehen, wo er dann noch je zwei Meister- und Pokaltitel gewann.

„Ich finde, es ist genug. Ich finde mich genug“, hat er vor seinem letzten Fernsehauftritt als Fußballkommentator gesagt, „ich habe einfach nichts mehr zu sagen.“ Auch das ist gut gesagt, und man weiß, dass er mit seinem untrüglichen Instinkt immer auf einer neuen Spielposition des Lebens auftauchen wird und dabei die richtigen Mitspieler haben wird. Wir werden an seinen Lippen hängen und seine von trockener Lebensironie gesättigten Weisheiten aufsaugen, und sein Günter-Netzer-Scheitel wird bei seinem hochfliegenden Tun dafür sorgen, das Rechte vom Falschen zu scheiden.