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Reverse Auctions im Einkauf

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Reverse Auctions im Einkauf

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Reverse Auctions im Einkauf

Empirische Analyse von Anbieterreaktionen und deren Ursachen

Von der Fakultät für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften

der Universität Stuttgart zur Erlangung der Würde eines

Doktors der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften (Dr. rer. pol.)

genehmigte Abhandlung

Vorgelegt von Wolfgang Schnellbächer

aus Koblenz

Hauptberichter: Prof. Dr. Dr. h.c. Ulli Arnold

Mitberichter: Prof. Dr. Georg Herzwurm Eingereicht am: 06.07.2011 Tag der mündlichen Prüfung: 19.12.2012

Institut für Betriebswirtschaft der Universität Stuttgart 2011

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der

Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet

über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

1. Aufl. - Göttingen : Cuvillier, 2013

Zugl.: Stuttgart, Univ., Diss., 2011

978-3-95404-340-8

© CUVILLIER VERLAG, Göttingen 2013

Nonnenstieg 8, 37075 Göttingen

Telefon: 0551-54724-0

Telefax: 0551-54724-21

www.cuvillier.de

Alle Rechte vorbehalten. Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist

es nicht gestattet, das Buch oder Teile daraus auf fotomechanischem Weg

(Fotokopie, Mikrokopie) zu vervielfältigen.

1. Auflage, 2013

Gedruckt auf säurefreiem Papier

978-3-95404-340-8

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Meinen Eltern

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VII

Vorwort

Die vorliegende Arbeit entstand neben meiner Tätigkeit als akademischer Mitarbeiter am

Betriebswirtschaftlichen Institut der Universität Stuttgart. Sowohl die Betreuung der

Studenten dieses Instituts, als auch das wissenschaftliche Arbeiten haben mir große Freude

bereitet.

Die Anfertigung einer Dissertationsschrift ist ein jedoch nicht immer leichtes Unterfangen.

Allzu häufig droht man sich im Strudel nicht enden wollender Informationen zu verlieren.

Immer wieder entdeckt man neue Aspekte, die von der Ferne allesamt bedeutsam

erscheinen und allzu selten kommt man ohne Umwege zu einem Ziel und einer Erkenntnis.

Von besonderem Wert ist da ein erfahrener Doktorvater, der Wichtiges von Unwichtigem

zu trennen vermag. Der Gedanken ordnet, wertvolle Impulse gibt, jedoch die Freiheit lässt,

die Arbeit nach eigenen Vorstellungen zu Gestalten. Ich möchte mich bei Herrn Professor

Dr. Dr. h.c. Ulli Arnold für seine ausgezeichnete Dissertationsbetreuung bedanken. Trotz

einer bewundernswert vitalen Tätigkeit in einer Vielfalt wissenschaftlicher Projekte wurde

er nie müde, mich zu leiten und zu unterstützen.

Dank sei an dieser Stelle auch den Mitarbeitern am Lehrstuhl ausgesprochen. Philipp

Glaser-Gallion, der es als einer der wenigen Menschen auf der Erde vermag einen

sportlichen Ehrgeiz mit wahrer Freundschaft zu verbinden. Jürgen Lamparth, der mit seiner

Ruhe und Erfahrung stets für eine angenehme Atmosphäre am Lehrstuhl sorgte.

Unabhängig davon was die Zukunft bringt, werden die Jahre am Lehrstuhl als goldenes

Zeitalter in meine persönliche Geschichte eingehen.

Die Kraft all unseres Seins liegt in unserer Familie. Zu dieser gehört auch meine Freundin

Sabina Jakobi, der ich vor allen für die Unterstützung und die Freude während der letzten

Jahre danke. Gewidmet ist die Arbeit meinen Eltern Elisabeth und Manfred Schnellbächer.

Mit steter Liebe und Fürsorge haben sie alle meine Wege begleitet.

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IX

Inhaltsverzeichnis

Vorwort ............................................................................................................................. VII

Inhaltsverzeichnis ............................................................................................................... IX

Abbildungsverzeichnis ..................................................................................................... XII

Tabellenverzeichnis ......................................................................................................... XIV

Stichwortverzeichnis ....................................................................................................... XVI

Zusammenfassung .......................................................................................................... XVII

Abstract ............................................................................................................................ XIX

1 Problemstellung der Untersuchung ............................................................................ 1

1.1 Reverse Auctions als Erkenntnisobjekt ................................................................... 1

1.2 Zugrunde liegendes Forschungskonzept ................................................................. 3

2 Theoretische und begriffliche Grundlagen der Abhandlung ................................... 6

2.1 Darstellung elektronischer Beschaffungsauktionen ................................................ 6

2.1.1 Charakterisierung des Verhandlungsinstruments ............................................. 6 2.1.2 Vorstellung möglicher Auktionsparameter ...................................................... 8

2.2 Zugrunde liegende Theorien .................................................................................. 17

2.2.1 Market-Structure-Conduct-Performance-Paradigma ..................................... 17 2.2.2 Konzept der Voice-, Exit- und Loyality ......................................................... 20 2.2.3 Anreiz-Beitrags-Theorie................................................................................. 25 2.2.4 Produkt-Markt-Matrix .................................................................................... 28

3 Auktionsziele und Vorgehensweisen der beschaffenden Unternehmen ................ 32

3.1 Zielsetzungen der eRA-Einführung ....................................................................... 32

3.1.1 Vorstellung möglicher Zielsetzungen ............................................................ 32 3.1.2 Verknüpfung der Zielsetzungen mit Anreizsystemen für Einkäufer ............. 35

3.2 Auswahl und Entscheidungsprozesse zu eRAs ..................................................... 36

3.2.1 Auswahl der Beschaffungssituation ............................................................... 36 3.2.2 Auswahl der Auktionsdesigns und der Kommunikationsstrategie ................ 42 3.2.3 Verknüpfung der Beschaffungssituation mit der Auktionsstrategie .............. 53

3.3 ERA-Einbindung in den Beschaffungsprozess...................................................... 54

3.3.1 Initiatoren und Treiber der eRA-Einführung ................................................. 54 3.3.2 Darstellung des auktionsintegrierten Beschaffungsprozesses ........................ 59

4 Marktstrukturveränderungen und lieferantenseitige Wahrnehmung von eRAs 65

4.1 Marktstrukturveränderungen als determinierende Wahrnehmungsvariablen ........ 65

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Inhaltsverzeichnis

X

4.2 Darstellung der Marktstrukturverschiebungen durch eRAs .................................. 67

4.2.1 Senkung des Preisniveaus .............................................................................. 67 4.2.2 Erhöhung der Wettbewerberanzahl ................................................................ 70 4.2.3 Effizienzsteigerung des Vertriebsprozesses ................................................... 72 4.2.4 Verlust der relativen Markttransparenz .......................................................... 76

4.3 Auktionswahrnehmung der Zulieferer ................................................................... 80

4.3.1 Fairnesswahrnehmung des Beschaffungsinstruments .................................... 80 4.3.2 Fairnesswahrnehmung als determinierende Variable der Beziehungsqualität 84

5 Systematisierung der Zuliefererreaktionen auf eRAs ............................................ 88

5.1 Verhandlungsbezogene Gegenmaßnahmen ........................................................... 88

5.1.1 Darstellung verhandlungsbezogener Gegenmaßnahmen ............................... 88 5.1.2 Verknüpfung verhandlungsbezogener Gegenmaßnahmen mit der eRA-Wahrnehmung .............................................................................................................. 98

5.2 Kompensationsversuche finanzieller Einbußen ..................................................... 99

5.2.1 Darstellung der Kompensationsversuche finanzieller Einbußen ................... 99 5.2.2 Verknüpfung finanzieller Kompensationsversuche mit der eRA-Wahrnehmung ............................................................................................................ 102

5.3 Strategische Neuausrichtungen ............................................................................ 103

5.3.1 Darstellung strategischer Neuausrichtungen ................................................ 103 5.3.2 Verknüpfung strategischer Neuausrichtungen mit der eRA-Wahrnehmung 106

6 Methodische Grundlagen und Konzeption der empirischen Analyse ................. 108

6.1 Darstellung des Messverfahrens der Lieferantenwahrnehmung ......................... 108

6.1.1 Strukturgleichungsverfahren mithilfe von Partial Least Squares ................. 108 6.1.2 Gütebeurteilung von PLS-Modellen ............................................................ 112 6.1.3 Operationalisierung des Messmodells .......................................................... 116

6.2 Darstellung des Messverfahrens zur Wahrscheinlichkeit von Gegenreaktionen 124

6.2.1 Die logistische Regression ........................................................................... 124 6.2.2 Gütebeurteilung von logistischen Regressionsmodellen.............................. 126

6.3 Darstellung der Datenerhebung ........................................................................... 128

6.3.1 Form und Gestaltung der Erhebung ............................................................. 128 6.3.2 Zielgruppe der Befragung ............................................................................ 131

7 Empirische Überprüfung der Erklärungsmodelle ................................................ 134

7.1 Vorbereitende qualitative Analyse und Datengrundlage der Untersuchung ....... 134

7.1.1 Aufbau und Vorgehensweise der qualitativen Analyse ............................... 134 7.1.2 Ergebnisse der qualitativen Analyse ............................................................ 137 7.1.3 Datenerhebung und Charakteristika der Stichprobe..................................... 139

7.2 Ergebnisse zu den Determinanten der Auktionswahrnehmung ........................... 142

7.2.1 Prüfung des Messmodells ............................................................................ 142 7.2.2 Prüfung des Strukturmodells ........................................................................ 152

7.3 Ergebnisse zu Häufigkeiten und Determinanten der Gegenreaktionen ............... 157

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Inhaltsverzeichnis

XI

7.3.1 Auftreten und Ursachen verhandlungsbezogener Gegenmaßnahmen ......... 157 7.3.2 Auftreten und Ursachen finanzieller Kompensationsversuche .................... 163 7.3.3 Auftreten und Ursachen strategischer Neuausrichtungen ............................ 167

7.4 Direkte Implikationen für die Unternehmenspraxis ............................................ 171

7.4.1 Implikationen für beschaffende Unternehmen ............................................. 171 7.4.2 Implikationen für liefernde Unternehmen .................................................... 175

8 Zusammenfassende Betrachtung der Analyse ....................................................... 178

8.1 Wissenschaftliche Ergebnisse.............................................................................. 178

8.1.1 Inhaltliche Erkenntnisse ............................................................................... 178 8.1.2 Theoretische und methodische Konsequenzen aus der Vorgehensweise ..... 180 8.1.3 Limitationen der Arbeit und Möglichkeiten zukünftiger Forschung ........... 182

8.2 Implikationen für die Unternehmenspraxis ......................................................... 184

Literaturverzeichnis .......................................................................................................... XV

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XII

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Vorgehensweise der wissenschaftlichen Untersuchung .................................. 5 

Abbildung 2: Systematisierung verschiedener Verhandlungskonzepte ................................. 8 

Abbildung 3: Grundtypen von eRAs .................................................................................... 10 

Abbildung 4: Transparenzgrade in eRAs mit englischem Auktionsdesign ......................... 11 

Abbildung 5: Hierarchische Anordnung der Abnehmerbindung ......................................... 13 

Abbildung 6: Verfahren unterschiedlicher Angebotsbewertung .......................................... 15 

Abbildung 7: Unterschiedliche Gebotsbewertung in einer holländischen eRA ................... 15 

Abbildung 8: Parameter elektronischer Beschaffungsauktionen ......................................... 17 

Abbildung 9: Market-Structure-Conduct-Performance-Paradigma ..................................... 19 

Abbildung 10: Ableitung von Abwanderungs- und Widerspruchswahrscheinlichkeiten in

Abhängigkeit der Kostenverursachung ................................................................................ 23 

Abbildung 11: Entscheidungsprozess nach der Anreiz-Beitrags-Theorie ........................... 27 

Abbildung 12: Produkt-Markt-Matrix nach Ansoff ............................................................. 29 

Abbildung 13: Veränderung der TCO-Parameter im Zeitverlauf ........................................ 35 

Abbildung 14: Beispielhafte Matrixdarstellung von Beschaffungsobjektkriterien.............. 37 

Abbildung 15: Mechanismen zum Vertrauensaufbau .......................................................... 51 

Abbildung 16: Entscheidungsparameter einer elektronischen Beschaffungsauktion .......... 53 

Abbildung 17: Entscheidungssystem zur Auswahl des Auktionsdesigns ............................ 54 

Abbildung 18: Einbettung des Dienstleisters in den Auktionsprozess ................................ 56 

Abbildung 19: Dienstleistungskombinationen für elektronische Beschaffungsauktionen .. 58 

Abbildung 20: Systematisierung verschiedener Verhandlungsvarianten............................. 60 

Abbildung 21: Der auktionsintegrierte Beschaffungsprozess .............................................. 60 

Abbildung 22: Wahrnehmung und Einfluss auf die Geschäftsbeziehung als intervenierende

Variablenim MSCP-Paradigma ............................................................................................ 67 

Abbildung 23: Der Vertriebsprozess bei industriellen Ausschreibungen ............................ 74 

Abbildung 24: Determinanten lieferantenseitiger eRA-Wahrnehmung ............................... 87 

Abbildung 25: Zusammenhang zwischen Struktur- und Messmodell ............................... 110 

Abbildung 26: Klassifizierung teilnehmender Unternehmen anhand der Mitarbeiterzahl 140 

Abbildung 27: Klassifizierung der Probanden anhand ihrer Beschäftigungsdauer ........... 141 

Abbildung 28: Graphische Darstellung des Strukturmodells ............................................. 154 

Abbildung 29: Verhandlungsbezogene Gegenmaßnahmen in der Praxis .......................... 160 

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Abbildungsverzeichnis

XIII

Abbildung 30: Kompensationsversuche finanzieller Einbußen in der Praxis .................... 164 

Abbildung 31: Strategische Neuausrichtungen in der Praxis ............................................. 168 

Abbildung 32: Verknüpfung Kausalanalyse logistische Regression ................................. 182 

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XIV

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Vorteile externer Service Provider im Zeitverlauf .............................................. 59 

Tabelle 2: Empirische Ergebnisse zu Preisreduktionen durch eRAs ................................... 68 

Tabelle 3: Kriterien für die Wahrscheinlichkeit von Kollusionen ....................................... 95 

Tabelle 4: Kollusionsfördernde und kollusionshemmende Effekte durch eRAs ................. 97 

Tabelle 5: Verhandlungsbezogene Gegenmaßnahmen zu eRAs.......................................... 98 

Tabelle 6: Kompensationsversuche finanzieller Einbußen durch eRAs ............................ 102 

Tabelle 7: Strategische Neuausrichtungen aufgrund von eRAs ......................................... 106 

Tabelle 8: Zusammenstellung der Prüfkriterien für reflektive und formative Konstrukte 115 

Tabelle 9: Erfassung der Senkung des Preisniveaus .......................................................... 117 

Tabelle 10: Erfassung des Anstiegs der Wettbewerberanzahl ........................................... 118 

Tabelle 11: Operationalisierung der Kostensenkungen im Vertriebsprozess .................... 119 

Tabelle 12: Operationalisierung der absoluten MT-Erhöhung .......................................... 120 

Tabelle 13: Operationalisierung der Fairnesswahrnehmung von eRAs ............................. 122 

Tabelle 14: Operationalisierung des eRA-Einflusses auf die Geschäftsbeziehung ........... 123 

Tabelle 15: Gütemaße des Modellfits der logistischen Regression ................................... 128 

Tabelle 16: Verbesserte Operationalisierung des relativen Markttransparenzverlusts ...... 138 

Tabelle 17: Verhandlungsbezogene Gegenmaßnahmen zu eRAs ...................................... 139 

Tabelle 18: Einzelindikatorenbeurteilung: Effizienzsteigerung des Vertriebsprozesses ... 142 

Tabelle 19: Gütebeurteilung: Effizienzsteigerung des Vertriebsprozesses ........................ 143 

Tabelle 20: Einzelindikatorenbeurteilung: Erhöhung MT der beschaffenden Unternehmen

............................................................................................................................................ 143 

Tabelle 21: Gütebeurteilung: Erhöhung MT der beschaffenden Unternehmen ................. 144 

Tabelle 22: Einzelindikatorenbeurteilung: Erhöhung MT des eigenen Unternehmens ..... 145 

Tabelle 23: Gütebeurteilung: Erhöhung MT des eigenen Unternehmens .......................... 145 

Tabelle 24: Einzelindikatorenbeurteilung: Erhöhung MT der konkurrierenden Unternehmen

............................................................................................................................................ 146 

Tabelle 25: Gütebeurteilung: Erhöhung MT der konkurrierenden Unternehmen .............. 147 

Tabelle 26: Einzelindikatorenbeurteilung: Verlust der relativen MT ................................ 147 

Tabelle 27: Gütebeurteilung: Verlust der relativen MT ..................................................... 148 

Tabelle 28: Einzelindikatorenbeurteilung: Fairnesswahrnehmung von eRAs ................... 149 

Tabelle 29: Gütebeurteilung: Fairnesswahrnehmung von eRAs........................................ 150 

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Tabellenverzeichnis

XV

Tabelle 30: Einzelindikatorenbeurteilung: eRA-Einfluss auf die Geschäftsbeziehung ..... 151 

Tabelle 31: Gütebeurteilung: eRA-Einfluss auf die Geschäftsbeziehung .......................... 151 

Tabelle 32: t-Werte der formativen Messungen ................................................................. 152 

Tabelle 33: Hypothesenprüfung auf Strukturmodellebene ................................................ 153 

Tabelle 34: Darstellung des R2 und der Vorhersagevalidität auf Strukturmodellebene ..... 155 

Tabelle 35: Überprüfung der Multikollinearität auf Strukturmodellebene ........................ 156 

Tabelle 36: Regressionsanalytische Berechnung der Einflussgrößen der

Fairnesswahrnehmung des Beschaffungsinstruments eRA................................................ 157 

Tabelle 37: Häufigkeit von verhandlungsbezogenen Gegenmaßnahmen .......................... 158 

Tabelle 38: Modellfit: Fairnesswahrnehmung – verhandlungsbezogene Gegenmaßnahmen

............................................................................................................................................ 161 

Tabelle 39: Modellfit: Beziehungsqualität – verhandlungsbezogene Gegenmaßnahmen . 162 

Tabelle 40: Einfluss eRA-Wahrnehmung – verhandlungsbezogene Gegenmaßnahmen ... 162 

Tabelle 41: Häufigkeit von finanziellen Kompensationsversuchen ................................... 163 

Tabelle 42: Modellfit: Fairnesswahrnehmung –finanzielle Kompensationsversuche ....... 165 

Tabelle 43: Modellfit: Beziehungsqualität –finanzielle Kompensationsversuche ............. 166 

Tabelle 44: Einfluss eRA-Wahrnehmung – finanzielle Kompensationsversuche ............. 167 

Tabelle 45: Ergebnisse zur Durchführung strategischer Neuausrichtungen ...................... 167 

Tabelle 46: Modellfit: Fairnesswahrnehmung – strategische Neuausrichtungen .............. 169 

Tabelle 47: Modellfit: Beziehungsqualität – strategische Neuausrichtungen .................... 170 

Tabelle 48: Einfluss eRA-Wahrnehmung – strategische Neuausrichtungen ..................... 170 

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XVI

Stichwortverzeichnis

B-to-B Business-to-Business

B-to-C Business-to-Consumer

e-auction electronic auction

e-business electronic business

eRA electronic Reverse Auction

ISO International Organisation of Standardisation

MSCP Paradigma Marketstructure-Conduct-Performance Paradigma

PLS Partitial Least Squares

TCO Total Cost of Ownership

TCPF Total Cost of the Purchasing Function

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XVII

Zusammenfassung

Die electronic reverse auction (eRA) ist das meistdiskutierte Beschaffungsinstrument der

vergangenen Jahre. Einkäufer erhoffen sich von ihrem Einsatz vor allem signifikante

Preisreduktionen durch einen erhöhten und transparenten Wettbewerb. Die

wissenschaftliche Literatur behandelte primär Fragestellungen nach geeigneten

Beschaffungssituationen zur Anwendung des Verhandlungsinstruments und dem optimalen

Set-up von eRAs zur Erreichung der angestrebten Preisreduktionen. In jüngeren

Untersuchungen liegt der Fokus dagegen darauf, wie Lieferanten die Rückwärtsauktionen

wahrnehmen. Nahezu übereinstimmend wird festgestellt, dass diese eRAs als

opportunistisches und unfaires Verhandlungsinstrument wahrnehmen. Nicht erforscht ist,

ob diese negative Einstellung zu lieferantenseitigen Maßnahmen gegen die Auktionen führt,

welche Gefahren aus derartigen Reaktionen für Einkäufer entstehen und wie sie diesen

begegnen können. Die vorliegende Arbeit stellt sich diesen Fragen.

In einem ersten Schritt werden die Faktoren untersucht, die zu Gegenreaktionen auf eRAs

führen können. Dabei werden elektronische Beschaffungsauktionen als technische

Innovation verstanden, die zu einer Reihe von Veränderungen in der Marktstruktur für

Zulieferer führt. Zu diesen Veränderungen gehören sinkende Preisniveaus, eine Erhöhung

der Anzahl um einen Auftrag konkurrierender Wettbewerber, Effizienzsteigerungen des

Vertriebsprozesses der Zulieferer und ein relativer Markttransparenzverlust gegenüber

einkaufenden Unternehmen. Die Arbeit untersucht in einem Strukturgleichungsmodell, wie

sich die aufgedeckten Marktstrukturveränderungen auf die Fairnesswahrnehmung des

Beschaffungsinstruments unter Zulieferern und die von ihnen empfundene Qualität der

Geschäftsbeziehung auswirken. In einem nächsten Schritt identifiziert die Analyse drei

Reaktionsfelder auf eRAs und ordnet jedem ein Set an Gegenmaßnahmen zu. Das erste

Feld, „verhandlungsbezogene Gegenmaßnahmen“, umfasst unter anderem die

Gegenmaßnahmen der Nichtteilnahme an dem Verfahren, der kollusiven Absprachen oder

der Störungsversuche der Auktion. Beispielhafte Maßnahmen des zweiten Reaktionsfelds,

„Kompensationsversuche der finanziellen Einbußen“, sind Preiserhöhungen von

Zusatzleistungen, Senkungen der Qualitätsstandards oder die höherpreisige Abrechnung

zukünftiger Aufträge, die nicht über eRAs verhandelt werden. Das letzte Reaktionsfeld,

„strategische Neuausrichtungen“, enthält Maßnahmen wie ein Eintritt in Absatzmärkte, in

denen eRAs nicht angewandt werden, oder Modifikationen des eigenen Produktprogramms,

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Zusammenfassung

XVIII

die die Anwendung von eRAs erschweren sollen. Mithilfe einer logistischen

Regressionsanalyse wird untersucht, ob die Fairnesswahrnehmung des

Beschaffungsinstruments und der lieferantenseitig empfundene Einfluss von eRAs auf die

Qualität der Geschäftsbeziehung die Wahrscheinlichkeit von Gegenreaktionen

beeinflussen.

Die empirische Erhebung zur Ermittlung der vermuteten Zusammenhänge erreichte einen

Rücklauf von 248 Fragebögen von Zulieferern unterschiedlicher Branchen. Bei der

Auswertung des Strukturgleichungsmodells zeigte sich, dass die Fairnesswahrnehmung von

eRAs signifikant von der Erhöhung der um einen Auftrag konkurrierenden

Wettbewerberanzahl und von Preisreduktionen durch das Beschaffungsinstrument

bestimmt wird. Ein weiterer Einfluss geht von der relativen Markttransparenzverschiebung

zugunsten der Lieferanten durch eRAs aus. Nicht beeinflusst wird die

Fairnesswahrnehmung von einer möglichen Effizienzsteigerung des Vertriebsprozesses.

Des Weiteren deckte die Studie auf, dass die Fairnesswahrnehmung der Auktionen den

Versuch zur Einflussnahme auf das Verhandlungsinstrument signifikant determiniert. Die

Prüfung der Abhängigkeit der Gegenreaktionen auf eRAs von der Fairnesswahrnehmung

des Beschaffungsinstruments und dem Einfluss der Auktionen auf die Qualität der

Geschäftsbeziehung mit Hilfe der logistischen Regression führte zu folgenden Ergebnissen.

Während die beiden unabhängigen Variablen die Wahrscheinlichkeit von

verhandlungsbezogenen Gegenmaßnahmen deutlich erhöhen, wirken sie sich nicht auf

Kompensationsversuche der finanziellen Einbußen aus. Die Wahrscheinlichkeit

strategischer Neuausrichtungen wird den Ergebnissen zufolge zwar von dem Einfluss der

Auktionen auf die Qualität der Geschäftsbeziehung determiniert, jedoch nicht von der

Fairnesswahrnehmung des Beschaffungsinstruments. Auch innerhalb der Reaktionsfelder

ergab sich ein heterogenes Bild. Bei den „verhandlungsbezogenen Gegenmaßnahmen“ war

die Beschwerde über die Auktionsanwendung die mit Abstand beliebteste Option. Die

Einzelmaßnahmen innerhalb der „Kompensationsversuche der finanziellen Einbußen“

waren recht gleichmäßig verteilt. Bei den „strategischen Neuausrichtungen“ dominierten

Modifikationen des Produktprogramms.

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XIX

Abstract

Electronic reverse auctions (eRAs) are the most discussed purchasing instrument of recent

years. In using them, procurement managers expect significant price reductions through an

increased and more transparent competition. Until recently, scholarship primarily examined

which situations were most suitable to the use of eRAs and which eRA set-ups were most

likely to yield the desired price reductions. Recent publications shift focus from purchasing

to supplying companies and their perceptions of eRAs. Their findings indicate that most

suppliers consider eRAs to give buying companies an undue amount of leverage and object

to the use of this procurement tool. This study investigates how negative perceptions of

eRAs influence supplier behaviour

In a first step, the study examines the reasons for countermeasures to eRAs. To approach

this topic, the study views eRAs as a technical innovation leading to a variety of market-

structure changes for suppliers. These market-structure changes include decreasing price

levels, an increased number of competitors, a more efficient sales process and a market less

transparent to bidders than to buyers. The analysis uses a structural equation model to

examine how these market-structure changes affect the fairness perception of eRAs by

suppliers as well as the perceived quality of the business relationship. In a next step, three

reaction fields to eRAs are identified. Each of them contains a set of countermeasures. The

first reaction field, “negotiation related counteractions”, includes as countermeasures,

among others, the refusal to participate in eRAs, collusive bidding behaviour, and attempts

to disrupt the auction. Countermeasures pertaining to the second field, “attempts to

compensate financial losses”, include increased prices for additional services, lowered

quality standards, and higher prices in future purchases. Examples for countermeasures

within the last the reaction field, “strategic adjustments”, are entry into markets without

eRA negotiations and modifications to the product portfolio to impede future auctions.

Using a logistic regression analysis, the study examines how the likelihood of these

counteractions depends on the suppliers´ fairness perception of eRAs and on the impact that

these auctions have on the perceived quality of the business relationship.

The empirical survey to test the developed hypotheses resulted in 248 fully completed

responses from suppliers in diverse industries. The analysis of the structural equation model

shows that the fairness perception of eRAs by suppliers is strongly influenced by the

increased number of competitors as well as by decreasing price levels. Another significant

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Abstract

XX

influence on the fairness perception results from the shift of relative market transparency

from sellers to buyers. Improved efficiency in the sales process had no measureable effect

on the fairness perception of eRAs as procurement tools. The analysis also detected that

suppliers’ fairness perceptions of eRAs have a significant influence on the perceived

quality of the business relationship. The tests to ascertain whether or not the two

independent variables, i. e. fairness perceptions and perceived quality of business

relationships, determine the likelihood of countermeasures yielded diverging results. The

two independent variables significantly increase the likelihood of negotiation-related

counteractions. However, they do not influence the likelihood of attempts to compensate

for financial losses. The likelihood of strategic adaption is influenced by the eRAs’ impact

on the business relationships, but not by fairness perceptions. Suppliers often showed clear

preferences towards specific countermeasures within reaction fields. Thus, complaints to

the buying company about the use of eRAs were by far the most common measure within

the field of negotiation-related counteractions. Within the field of strategic adaption,

preference was given to modifications of the product portfolio to impede the use of eRAs.

No such preferences were found in the reaction field of compensation for financial losses.

There, the individual countermeasures were evenly distributed.

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1

1 Problemstellung der Untersuchung

1.1 Reverse Auctions als Erkenntnisobjekt

Der Ursprung elektronischer Beschaffungsauktionen lässt sich auf das Jahr 1994

zurückführen, als das Instrument von einem Mitarbeiter der Firma General Electric

entwickelt wurde.1 Ermöglicht wurde es durch die zunehmende elektronische Vernetzung

zwischen Unternehmen.2 Maßgeblicher Treiber der folgenden rasanten Ausbreitung dieser

electronic reverse auctions (eRAs) waren Erwartungen auf erzielbare Preisreduktionen.3

Heute setzen die meisten großen deutschen Firmen das Beschaffungsinstrument regelmäßig

ein. Zeitgleich mit den ersten praktischen Anwendungen erschienen die frühesten

wissenschaftlichen Beiträge zu den theoretischen Möglichkeiten von Rückwärtsauktionen.4

Seitdem entwickelten sich eRAs zu einem der am intensivsten diskutierten Themen der

akademischen Beschaffungsliteratur. Trotzdem befindet sich die Forschung zu diesem

Verhandlungsinstrument nach Ansicht einiger Autoren „noch immer in den

Kinderschuhen“5. Eine Tatsache, die in der meist einseitigen Ausrichtung bisheriger

Arbeiten begründet liegt. Wagner/Schwab (2004) systematisieren die bisherige Literatur in

drei Kategorien.6

- Beiträge, die sich mit der optimalen Beschaffungssituation für eine eRA

beschäftigen. Hierbei stehen meist markt- oder objektbezogene Kriterien im

Vordergrund.

- Beiträge, die das optimale Auktionsdesign zur Durchführung einer eRA fokussieren

(siehe dazu auch die Ausführungen in Kapitel 3.2.1).

- Beiträge, die Fragestellungen nach der optimalen Eingliederung der Auktion in den

Beschaffungsprozess zum Schwerpunkt haben. Primäre Zielsetzung dieser Analysen

sind Kosteneinsparungen über interne Effizienzverbesserungen und nicht über

Preisreduktionen.7

Seit der Untergliederung scheint sich der wissenschaftliche Fokus verschoben zu haben. So

untersuchten Carter/Kaufmann (2007) die Opportunismuswahrnehmungen unter

1 Vgl. Tully, 2000, S. 1. 2 Vgl. Lancioni, 2005, S. 113. 3 Vgl. Smeltzer/Carr, 2002, S. 47. 4 Vgl. Bertsekas/Castañon, 1992; Vgl. Bertsekas et al., 1993. 5 Arnold et al., 2005, S. 116. 6 Vgl. Wagner/Schwab, 2004. 7 Vgl. Arnold et al., 2005.

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Problemstellung der Untersuchung

2

Zulieferern durch eRAs und mögliche Effekte dieser Wahrnehmungen auf die „Supplier-

Performance“.8 Jap/Haruvy (2008) ermittelten den Zusammenhang zwischen schwachem

Bietverhalten während einer Beschaffungsauktion und dem Willen, in die

Geschäftsbeziehung mit dem Einkäufer zu investieren.9 Eine weitere vieldiskutierte Arbeit

war die von Caniėls/Raaij (2009), die der Fragestellung nachgingen, ob einzelne

Zulieferergruppen eRAs anders wahrnehmen als andere.10 In den vergangenen Jahren

überwiegen Erhebungen und Analysen, die die andere Marktseite, die Lieferanten und ihre

Sichtweise auf Beschaffungsauktionen, betrachten. Nicht zuletzt geht es dabei um die

Angst, Zulieferer könnten ihre Leistungsfähigkeit aufgrund von eRAs reduzieren und so

dem beschaffenden Unternehmen schaden. Zwei mögliche Ursachen werden dafür

vermutet: zum einen Missstimmungen, die auf Lieferantenseite durch das als

opportunistisch und vertrauensbrechend wahrgenommene Verhandlungsinstrument

hervorgerufen werden und beispielsweise zu absichtlichen Qualitätsreduktionen führen.11

Zum anderen eine durch die Preisreduktionen entstandene finanzielle Schwäche, die

Zulieferer zu Kosteneinsparungen zwingt. Schränken diese Kosteneinsparungen die

Leistungsfähigkeit bei der Erstellung der eingekauften Güter ein, ergeben sich negative

Konsequenzen für das beschaffende Unternehmen.12 Immer wieder warnen Autoren, die

erzielten Preisreduktionen könnten durch nachträglich entstehende Folgekosten

zunichtegemacht werden.13 Dieser Aspekt ist allerdings so bedeutsam, dass die Systematik

von Wagner/Schwab um eine vierte Kategorie „Lieferantenreaktionen/langfristige

Konsequenzen“ erweitert wird. Bestätigt sehen wir dieses Anliegen in der zunehmenden

Anzahl wissenschaftlicher Beiträge zu dem Themenfeld.14 Trotz der Relevanz der

Lieferantenwahrnehmung und der Gegenreaktionen auf Beschaffungsauktionen sind die

zentralen Fragestellungen dieses Forschungsgebiets noch immer unbeantwortet. So

existieren zwar Einzelvermutungen bezüglich möglicher Gegenreaktionen, jedoch noch

keine Auflistung oder gar Systematisierung, welche Reaktionsoptionen Anbieter überhaupt

auf elektronische Beschaffungsauktionen besitzen und nutzen. Auch ist unbekannt, ob die

lieferantenseitige Wahrnehmung von eRAs eine Rolle beim Auftreten von Gegenreaktionen

spielt. Ebenso wenig wissen wir, was wiederum die Determinanten dieser vieldiskutierten

8 Vgl. Carter/Kaufmann, 2007. 9 Vgl. Jap/Haruvy, 2008. 10 Vgl. Caniėls/Raaij, 2009. 11 Vgl. Carter/Kaufmann, 2007. 12 Vgl. Jap, 2000, S. 30. 13 Vgl. Carter/Kaufmann, 2007, S. 22; Vgl. Beall et al., 2003, S. 25. 14 Vgl. Carter/Kaufmann, 2007; Vgl. Jap/Haruvy, 2008; Vgl. Caniėls/Raaij, 2009.

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Problemstellung der Untersuchung

3

Lieferantenwahrnehmung sind und ob Einkäufer sie positiv beeinflussen können.

Aufbauend auf den beschriebenen Defiziten behandelt diese Arbeit folgende

Forschungsfragen:

- Was sind die Determinanten der lieferantenseitigen Wahrnehmung elektronischer

Beschaffungsauktionen (Forschungsfrage 1)?

- Welche Reaktionsoptionen haben Lieferanten auf eRAs und wie häufig werden

diese in der Praxis genutzt (Forschungsfrage 2)?

- Wie wirkt sich die lieferantenseitige Wahrnehmung elektronischer

Beschaffungsauktionen auf die Durchführung von Gegenreaktionen der Zulieferer

aus (Forschungsfrage 3)?

Bezüglich der praktischen Anwendbarkeit der Ergebnisse fokussiert die Analyse zwei

Zielgruppen. Zum einen sollten Einkäufer Gegenreaktionen auf ihre Auktionen antizipieren

und auf diese dann auch besser reagieren können. Auf der anderen Seite sollen aber auch

Lieferanten von einer klaren Systematisierung ihrer strategischen wie operativen

Reaktionsoptionen profitieren.

1.2 Zugrunde liegendes Forschungskonzept

Im folgenden Kapitel werden die definitorischen und theoretischen Grundlagen der Analyse

festgelegt. Schwerpunkt bei Ersterer ist eine genaue Darstellung des Begriffs „elektronische

Beschaffungsauktion“ und der unterschiedlichen Designs, mit denen das

Verhandlungsinstrument angewandt werden kann. Als theoretische Fundierung der Arbeit

werden das MSCP-Paradigma nach Bain und Manson, das Konzept der Exit-, Voice- und

Loyality von Hirschman, die Anreiz-Beitrags-Theorie nach Barnard sowie March/Simon

und die Produkt-Markt-Matrix von Ansoff erläutert. Der dritte Teil der Abhandlung stellt

die Anwendung von eRAs in der Praxis dar. Auf den Zielsetzungen der Einkaufsmanager

aufbauend wird erklärt, wie das Instrument ausgestaltet und in den Beschaffungsprozess

integriert wird. Diese Erkenntnisse führen zum vierten Kapitel

„Marktstrukturveränderungen und lieferantenseitige Wahrnehmung von eRAs“. Als zentral

werden eine Absenkung des Preisniveaus, ein effizienterer Vertriebsprozess, eine Erhöhung

der Wettbewerberanzahl und ein Verlust der relativen Markttransparenz identifiziert. Neben

dieser Systematisierung formuliert das Kapitel Hypothesen zur Verknüpfung der

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Problemstellung der Untersuchung

4

Marktstrukturveränderungen durch eRAs mit der Lieferantenwahrnehmung des

Beschaffungsinstruments und den Einfluss der Auktionen auf die Qualität der

Geschäftsbeziehung. Zudem werden bisherige Erkenntnisse zur Lieferantenwahrnehmung

von eRAs dargestellt. Dem MSCP-Paradigma folgend führen die durch

Beschaffungsauktionen verursachten Marktstrukturveränderungen zu Verhaltensan-

passungen auf Lieferantenseite. Dieser Transformationsschritt wird durch die

Lieferantenwahrnehmung als intervenierende Variable unter Anwendung der Theory-of-

Reasoned-Action sowie der Anreiz-Beitrags-Theorie weiter erhellt. Die konkreten

Gegenreaktionen werden in Kapitel fünf hergeleitet und systematisiert. Drei

Reaktionsfelder können abgegrenzt werden: direkte Gegenreaktionen während des

Verhandlungsprozesses, Kompensationsversuche der finanziellen Einbußen und

strategische Neuausrichtungen. Jedem Reaktionsfeld wird ein Set an konkreten

Reaktionsmechanismen zugeordnet. Neben der Systematisierung der Gegenreaktionen

wurde eine sachlogische Verknüpfung dieser mit den Marktstrukturänderungen, über die

verbindenden Elemente „Lieferantenwahrnehmung des Beschaffungsinstruments“ und

„Einfluss der Auktionen auf die Qualität der Geschäftsbeziehung“ hergestellt. Es wurden

Hypothesen aufgestellt, wonach die Maßnahmen in jedem Reaktionsfeld umso

wahrscheinlicher angewandt werden, je negativer die eRA-Wahrnehmung ist. Danach

werden in den Kapiteln sechs und sieben die aufgestellten Systematisierungen und

Wirkungshypothesen in der Praxis getestet. Zunächst wurden dazu die latenten Konstrukte

operationalisiert und ein Fragebogen entworfen, der zur Analyse der

Marktstrukturveränderungen in der Praxis, deren Wahrnehmung unter Lieferanten und die

Verknüpfung und Ausprägung mit Gegenreaktionen auf eRAs untersuchen sollte. Als

Zielgruppe wurden nach dem Schlüsselinformantenkonzept Vertriebsmitarbeiter, die bereits

aktiv bei eRAs mitgeboten haben, bestimmt. Als Analyseverfahren zur Aufdeckung der

Wirkungszusammenhänge zwischen den Marktstrukturveränderungen durch eRAs und der

Lieferantenwahrnehmung des Beschaffungsinstruments wurde ein Strukturgleichungs-

modell gewählt. Die Verknüpfung dieser Wahrnehmung mit Gegenreaktionen der

Zulieferer wurde mithilfe der logistischen Regression untersucht. Bevor der Fragebogen

versandt wurde, wurden seine Gestaltung, die Formulierung der Fragestellungen, aber auch

die generellen Inhalte, die Art und Anzahl der abgefragten Marktstrukturveränderungen und

Gegenreaktionen über Experteninterviews einem Praxistest auf ihre Vollständigkeit und

Genauigkeit unterzogen. Zur genaueren Darstellung der Vorgehensweise dient die folgende

Abbildung 1.

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Problemstellung der Untersuchung

5

Abbildung 1: Vorgehensweise der wissenschaftlichen Untersuchung

Das achte Kapitel stellt die abschließende Bewertung der Analyse dar.

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6

2 Theoretische und begriffliche Grundlagen der Abhandlung

2.1 Darstellung elektronischer Beschaffungsauktionen

2.1.1 Charakterisierung des Verhandlungsinstruments

Der Begriff „Auktion“ stammt von dem lateinischen Ausdruck „augere“, welcher dem

deutschen Wort „vermehren“ entspricht.15 Bei einer traditionellen Verkaufsauktion, wie

man sie beispielsweise aus einem Auktionshaus kennt, geben Bieter sukzessiv höhere

Gebote für ein zum Verkauf stehendes Gut ab.16 Derjenige mit dem höchsten Gebot erhält

das Auktionsobjekt.17 McAfee/McMillan fassen den Auktionsbegriff weiter, als „market

institution with an explicit set of rules determining resource allocation and prices on the

basis of bids from the market participants.“18 Milgrom definiert Auktionen ganz allgemein

als „mechanism to allocate resources among a group of bidders“19. Ziel ist eine effiziente

Ressourcenallokation.20 Auktionen brechen dazu aus dem System fixierter Abgabepreise

aus21 und bilden einen eigenen Preisbildungsmechanismus für eine fest definierte

Leistung.22 Dieser Preisbildungsmechanismus vollzieht sich in einer Marktveranstaltung23,

die auf von öffentlichen oder privaten Institutionen betriebenen Auktionsplattformen oder

Marktplätzen stattfindet.

Ausschreibungen können als abgewandelte Auktionsart (die sogenannte one bid sealed

auction) aufgefasst werden.24 Hier wird ebenfalls ein flexibler Preisbildungsmechanismus

zu einer effizienteren Ressourcenallokation angewandt. Nun werden jedoch möglichst

niedrige Angebote auf eine beschriebene Leistung eingeholt und das preislich günstigste

oder durch sonstige Kriterien am besten geeignete ausgewählt.25 Bei einer öffentlichen

Ausschreibung ist der Zuschlag bindend und die Vorgehensweise der Ausschreibung

zwingend durch das öffentliche Auftragsrecht fixiert.26 Anders stellt sich dies bei

15 Vgl. Reichwald et al., 2000, S. 542. 16 Vgl. Arnold et al., 2005, S. 116. 17 Vgl. Gampfer, 2003, S. 31 f. 18 McAfee/McMillan, 1987, S. 701. 19 Milgrom, 2004, S. 37. 20 Vgl. Arnold/Schnabel, 2007, S. 88. 21 Vgl. Diller, 2001, S. 1299. 22 Vgl. Klein, 1997, S. 3; Vgl. Skiera/Wiswede, 2001, S. 73 23 Vgl. Skiera/Wiswede, 2001, S. 73. 24 Vgl. Gampfer, 2003, S. 32; Vgl. Kräkel, 1992, S. 6. 25 Vgl. De/Mathew, 1999, S. 435; Vgl. Kempken, 1980, S. 9; Vgl. Kräkel, 1992, S. 107. 26 Vgl. Berz, 2007, S. 37.

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Theoretische und begriffliche Grundlagen der Abhandlung

7

Ausschreibungen von privaten Wirtschaftssubjekten dar. Hier können der ermittelte Preis

und auch der zum Zuge kommende Anbieter Teilbestandteil weiterer Verhandlungen und

Angebotsrunden sein.27 Darüber hinaus steht es einem privatwirtschaftlichen Unternehmen

frei, den gesamten Auftrag aufgrund unzureichender Angebote zurückzuziehen. Was die

Ausschreibung zu den klassischen Auktionen abgrenzt, ist ein Mangel an der dynamischen

Preisfindungskomponente.28 Gebote werden lediglich zu einem Zeitpunkt t = 0 abgegeben.

Integriert man eine solche dynamische Komponente, so versuchen die Wettbewerber, sich

in einem weitgehend fixierten zeitlichen Rahmen29 preislich zu unterbieten30,und es findet

eine dynamische Rückwärtsauktion oder reverse auction statt.31 Wie bei einer öffentlichen

oder privaten Ausschreibung signalisiert die beschaffende Seite einen spezifizierten Bedarf

und versucht, über das Verfahren einen möglichst effizienten32 Anbieter zu finden. Da die

Gebote meist elektronisch über das Internet33 oder über private Netzwerke34 abgegeben

werden, spricht man von electronic reverse auctions (eRAs).35 In der Literatur synonym

verwendete Begriffe zu eRA sind beispielsweise online reverse auction36, Internetauktion37,

Beschaffungsauktion38, Einkaufsauktion39 oder Onlineauktion40. Abbildung 2 stellt

elektronische Einkaufsauktionen in Abgrenzung zu anderen Verhandlungsmechanismen

dar.

27 Vgl. Berz, 2007, S. 38. 28 Vgl. Hirschsteiner, 2002, S. 380. 29 Auf das sogenannte weiche Ende, bei dem die Wettbewerber einen Einfluss auf die Auktionsdauer haben,

wird in Kapitel 2.1.2 eingegangen. 30 Vgl. Mueller/Windhaus, 2002, S. 132 f. 31 Vgl. Schwab, 2003, S. 38 ff.; Vgl. Mueller/Windhaus, 2002, S. 136 f.; Vgl. Jap, 2002, S. 507. 32 Die Effizienz wird hier über das Minimumprinzip definiert, es gilt also, den spezifizierten Bedarf möglichst

ressourcenschonend (über einen niedrigen Preis) zu beschaffen. 33 Vgl. Arnold/Schnabel, 2007, S. 88; Vgl. Van Weele/Lakemond, 2005, S. 294; Vgl. Beall et al., 2003, S. 7;

Vgl. Jap, 2003, S. 96; Vgl. Carter et al., 2004, S. 230; Vgl. Arnold et al., 2005, S. 116; Vgl. Daly/Nath, 2005, S. 157; Vgl. Smeltzer/Carr, 2002, S. 48.

34 Vgl. Emiliani, 2000, S. 177. 35 Vgl. Gampfer, 2003, S. 153. 36 Vgl. Emiliani/Stec, 2002. 37 Vgl. Schmidt et al., 1998, S. 450. 38 Vgl. Kaufmann, 2003a, S. 201. 39 Vgl. Engellandt, 2004, S. 51. 40 Vgl. Lüdtke, 2003, S. 2f.; Vgl. Wildemann, 2003, S. 218.

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Theoretische und begriffliche Grundlagen der Abhandlung

8

Abbildung 2: Systematisierung verschiedener Verhandlungskonzepte41

2.1.2 Vorstellung möglicher Auktionsparameter

Durch den Auktionator direkt beeinflussbare Parameter

Der Auktionstyp: Elektronische Beschaffungsauktionen lassen sich anhand der Sichtbarkeit

und der Anzahl der Gebote klassifizieren.42 Diese Systematisierung führt zu vier

Auktionsgrundtypen:43 die englische, die holländische, die verdeckte Erstpreis- und die

verdeckte Zweitpreisauktion.44

In der englischen Auktion können mehrere Gebote abgegeben werden, und diese sind für

alle Wettbewerber sichtbar.45 Im Gegensatz zu einer Verkaufsauktion, bei der von einem

niedrigen Startpreis ausgegangen wird, geht eine englische Beschaffungsauktion von einem

hohen Startpreis aus. Dieser wird dann durch die Gebote der potenziellen Lieferanten

sukzessive gesenkt.46 Die Auktion endet, wenn ein Lieferant ein Gebot abgegeben hat, das

nicht mehr von anderen unterboten wird.47 Dieser Fall kann auf drei verschiedene Arten

eintreten:

- Nach einer bestimmten, zuvor definierten Frist nach dem letzten Gebot wurden

keine Gebote mehr eingereicht;

- der durch den Abnehmer festgelegte Zeitrahmen der Auktion ist beendet;

41 Diller/Seyfarth, 2007, S. 12 in Anlehnung an Backhaus, 2010, S. 27 und Pinker et al., 2003, S. 1462. 42 Vgl. Kaufmann, 2003a. 43 Vgl. Jochen/Resch, 2007, S. 311. 44 Vgl. McAfee/McMillan, 1987, S. 701; Vgl. Klemperer, 1999, S. 229. 45 Vgl. Kaufmann/Carter, 2004, S. 18. 46 Vgl. McAfee/McMillan, 1987, S. 702; Vgl. Bulow/Klemperer, 1996, S. 180; Vgl. Diller/Seyfrath, 2007, S.

14; Vgl. Kaufmann, 2003a, S. 201; Vgl. Jochen/Resch, 2007, S. 311. 47 Vgl. Kaufmann, 2003a, S. 201; Vgl. Kumar/Chang, 2007, S. 78; Vgl. Beall et al., 2003, S. 22.

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Theoretische und begriffliche Grundlagen der Abhandlung

9

- ein durch den Einkäufer vorher festgelegtes Preisniveau wurde durch einen

Bieter unterschritten.48

Der Lieferant mit dem niedrigsten Gebot erhält den Beschaffungsauftrag zum Preis seines

Gebots.49 Bei der holländischen Auktion kann ein Bieter nur ein Gebot abgeben, und dieses

ist für alle Teilnehmer sichtbar.50 Mit Abgabe des einzigen Gebots endet die Auktion. Eine

holländische Beschaffungsauktion startet mit einem sehr niedrigen Preis. Dieser wird in

Zeit- und Preisintervallen gesteigert, bis der erste Lieferant bereit ist, den Auftrag zu dem

gegebenen Preis anzunehmen.51 Der Bieter erhält den Zuschlag der Auktion zum Preis

seines (einzigen) Gebots.52 Die verdeckte Erstpreisauktion entspricht einer herkömmlichen

Ausschreibung; ihr fehlt die dynamische Komponente. In eRA-bezogenen

Veröffentlichungen wird sie deshalb häufig nicht gesondert betrachtet.53 Jeder Teilnehmer

gibt ein einziges Gebot ab, das für die anderen vor Auktionsende nicht sichtbar ist. Der

Bieter mit dem geringsten Gebot erhält den Zuschlag zum Preis seines Gebots.54 Da auch

hier von jedem Teilnehmer lediglich ein Gebot abgegeben werden kann, ist eine spontane

Gebotsanpassung durch die unterlegenen Lieferanten nicht möglich.55 Bei der verdeckten

Zweitpreisauktion (nach ihrem Entdecker William Vickrey auch „Vickrey-Auktion“

genannt)56 sind ebenfalls die Gebote der anderen Wettbewerber nicht sichtbar und es kann

nur ein Gebot abgegeben werden. Auch dieser Auktionsvariante fehlt die dynamische

Komponente, und auch sie wird von vielen eRA-behandelnden Veröffentlichungen nicht

betrachtet.57 Der Lieferant mit dem niedrigsten Gebot erhält hier allerdings den Auftrag

zum Preis des zweitniedrigsten Gebots.58 Der Bieter wird damit in einem ersten Schritt

besser gestellt, da ihm im Vergleich zur verdeckten Erstpreisauktion die Differenz zum

zweithöchsten Gebot „geschenkt“ wird. Ziel dabei ist es, einen Anreiz zu schaffen, dass

sich Gebote an der subjektiven Wertschätzung des Lieferanten orientieren.59 Bei jedem

Preis, der höher als dieser Indifferenzpreis liegt, erwirtschaftet der Lieferant Gewinn. Die

48 Vgl. Diller/Seyfrath, 2007, S. 14. In diesem Fall begrenzt der Einkäufer jedoch automatisch zusätzliche

Savings, genau in der Höhe, in der der Bieter bereit gewesen wäre, sich unter die Preisschwelle unterbieten zu lassen.

49 Vgl. Kaufmann, 2003a, S. 201; Vgl. Kumar/Chang, 2007, S. 78. 50 Vgl. Kaufmann/Carter, 2004, S. 18. 51 Vgl. Jochen/Resch, 2007, S. 311; Vgl. Katok/Roth, 2004, S. 1045. Eine holländische Verkaufsauktion

startet mit einem sehr hohen Verkaufspreis, der dann sukzessive gesenkt wird. 52 Vgl. Kaufmann, 2003a, S. 201; Vgl. Bichler, 2000, S. 251. 53 Vgl. Beall et al., 2003, S. 82. 54 Vgl. Klemperer, 1999, S. 229; Vgl. Kaufmann, 2003a, S. 201 f. 55 Vgl. Barrmeyer, 1982. 56 Vgl. McAfee/McMillan, 1987, S. 702. 57 Vgl. Beall et al., 2003, S. 82. 58 Vgl. Bichler, 2000, S. 251; Vgl. Kaufmann, 2003a, S. 202. 59 Vgl. Kräkel, 1992, S. 14; Vgl. Beckmann, 1999, S. 31.

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Theoretische und begriffliche Grundlagen der Abhandlung

10

Höhe des Gewinns richtet sich aber nicht – wie bei der verdeckten Erstpreisauktion – nach

einer subjektiven Einschätzung der Gebote anderer, sondern wird automatisch aus der

Differenz zu diesen bestimmt. Abbildung 3 fasst die anhand der Anzahl und der

Sichtbarkeit der Gebote vorgenommene Systematisierung elektronischer

Beschaffungsauktionen grafisch zusammen.

Abbildung 3: Grundtypen von eRAs60

Die vier Auktionsgrundtypen können durch Abwandlungen in weitere Varianten

untergliedert werden.61 So lassen sich Auktionen anhand des Transparenzgrades auf einer

Skala zwischen offenen und verdeckten Verfahren systematisieren.62 Kriterien dabei sind

die Menge und Bedeutung der den Bietern offengelegten Informationen. Beispiele dafür

sind die exakte derzeitige Gebotshöhe oder die Anzahl und Identität der Konkurrenten.63 In

einer transparenten holländischen Auktion wären beispielsweise alle teilnehmenden Firmen

namentlich angegeben. Ein intransparentes Design hingegen würde sowohl die Anzahl als

auch die Identität der Teilnehmer im Unklaren lassen. Millet et al. unterscheiden bei

englischen Beschaffungsauktionen vier Formen des Transparenzgrades:

60 Kaufmann, 2003a, S. 202. 61 Vgl. McAfee/McMillan, 1987, S. 702f.; Vgl. Amor, 2002, S. 53 ff. 62 Vgl. Jap, 2002a, S. 507 f. 63 Vgl. Diller/Seyfrath, 2007, S. 13.

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Theoretische und begriffliche Grundlagen der Abhandlung

11

- In Best/Not best eRAs erfahren die Auktionsteilnehmer, ob oder ob nicht ihr

jetziges Gebot das niedrigste ist;

- in Rank eRAs sehen die Teilnehmer zusätzlich den Rang ihrer Gebote

(beispielsweise das Zweit- oder Achtbeste);

- in Best bid eRAs wird die genaue Höhe des besten Gebots dargestellt, sodass die

Teilnehmer wissen, welche Preissprünge nötig sind, um dieses zu schlagen;

- eine Kombination aus den Rank und Best bid eRAs sind die Best bid and Rank

eRAs, in denen den Bietern beide Informationen offengelegt werden.64

In Abbildung 4 sind die Transparenzgrade zusammengefasst.

Abbildung 4: Transparenzgrade in eRAs mit englischem Auktionsdesign

Liegt eine vollkommen transparente englische eRA vor, sind alle Gebote aller Teilnehmer

sichtbar. Hierbei ist zu differenzieren, ob die Teilnehmer namentlich genannt oder lediglich

anonym, beispielsweise als Anbieter A bis N, aufgeführt sind. Bei einer holländischen

Auktion sind derart viele Abstufungen des Transparenzgrades nicht möglich. Die

Teilnehmer können entweder über die Anzahl ihrer Konkurrenten im Unklaren gelassen

oder informiert werden. Beim höchsten Transparenzgrad ist neben der genauen Anzahl der

Konkurrenten auch deren Identität bekannt.

64 Vgl. Millet et al., 2004, S. 172.

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Theoretische und begriffliche Grundlagen der Abhandlung

12

Preisschwellen/Preisstufen: Die einzige Gebotsvariable einer eRA ist in gängiger Praxis

der Preis.65 Im Auktionsdesign ist festgehalten, ob bei jedem weiteren Gebot vorgegebene

Preisstufen eingehalten werden müssen. Ein Beispiel wäre, dass jedes Gebot das vorherige

um 1.000 € unterbieten muss. Dabei ist auch festzulegen, ob nur das eigene niedrigste oder

das niedrigste Gebot aller Teilnehmer zu schlagen ist.66 Neben einer Mindesthöhe für

Preisschritte kann außerdem eine Deckelung dieser erfolgen. Dies führt zu einer Erhöhung

der absoluten Gebotsanzahl. Das damit verbundene Ziel ist, Bieter aktiv zu halten und allzu

überraschende Preissprünge zu verhindern.67 Eine Preisschwelle kann ein geheim

gehaltener Reservationspreis oder ein an die Bieter kommunizierter Zielpreis sein, der die

Vergabe des Auftrags auslöst.68 Auch der Startpreis einer Auktion stellt eine Preisschwelle

dar. In einer englischen eRA sind alle Preise oberhalb des Startpreises von vornherein

ausgeschlossen. Bei einer holländischen Auktion geht der Auktionator davon aus, dass er

das Gut oder die Leistung nicht günstiger beschaffen kann.69

Vertragsbedingungen: Ebenfalls direkt von dem beschaffenden Unternehmen beeinflussbar

sind die Vertragsbedingungen und Bindungen, die sich an die Auktion anschließen. Ein

privatwirtschaftliches Unternehmen besitzt das Recht, den Gesamtauftrag nach der

Auktionierung aufgrund unzulänglicher Gebote zu stornieren. Ebenfalls steht es dem

Unternehmen frei, ob es die Auktion als Ausgangsbasis für weitere Verhandlungen nutzt

oder den Zuschlag alleine aufgrund der Auktionsgebote vergibt. In einem solchen Fall

würde sich der Lieferant zu einem Gebot verpflichten, das für die Marktgegenseite nicht

bindend ist. Der Einkäufer kann sich auch die Option offenhalten, nicht automatisch das

niedrigste oder nach an den Gesamtkosten orientierten Kriterien beste Gebot anzunehmen,

sondern ein anderes von ihm präferiertes. Dabei schließt jede Hierarchiestufe der

ausbleibenden Lieferantenbindung die Freiheiten der nachfolgenden Stufen mit ein. So

wird sich ein Einkäufer, der sich vorbehält, die Gebote nachzuverhandeln, die Option

offenlassen, dies mit mehreren und nicht lediglich mit dem günstigsten Lieferanten zu tun.

In Abbildung 5 sind die Hierarchiestufen der Abnehmerbindung zusammengefasst.

65 Vgl. Skiera/Spann, 2004, S. 104 f. Zu mehrdimensionalen Auktionen siehe den nächsten Gliederungspunkt:

„Bewertung der Gebote“. 66 Vgl. Schwab, 2003, S. 128; Vgl. Gampfer, 2003, S. 159 f. 67 Vgl. Kaufmann/Carter, 2004, S. 18. 68 Vgl. Wildemann, 2003, S. 234. 69 Ebenda.

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Theoretische und begriffliche Grundlagen der Abhandlung

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Abbildung 5: Hierarchische Anordnung der Abnehmerbindung

Zusätzlicher Bestandteil der vertraglichen Bindung ist die Möglichkeit, zusammengefasste

Beschaffungsvolumina (Bundle Auction) zu splitten und in mehreren Auktionen (Cherry

Picking) zu vergeben.70 Dieses Verfahren bietet zwei Optionen:

- Die Auftragsvergabe am Ende der Auktion erfolgt wirklich gesplittet, jeweils an

die Gewinner der einzelnen Teilauktionen zu den in diesen Verfahren

ermittelten Preisen oder

- der Auftrag wird gebündelt an den im Durchschnitt günstigsten Lieferanten

vergeben. Der Gesamtpreis ergibt sich als Summe der in den einzelnen

Auktionen ermittelten Einzelpreise. Da dieser Preis nicht allein durch den das

Verfahren gewinnenden Zulieferer zustande kam und sich weitgehend seiner

Kontrolle entzieht, eignet er sich jedoch eher als Kalkulationsgrundlage.

Bewertung der Gebote: Um den Zulieferern ein genaues Bieten auf das Auktionsobjekt zu

ermöglichen, sind alle Produkt- sowie Lieferungs- und Leistungsparameter vor der Auktion

in genauen Produktspezifikationen festgehalten.71 Bei einer Parametric Auction jedoch

kann der Lieferant zusätzliche Vertragsparameter und mit ihnen den Wert seines Gebots

verändern. Bei einem Auktionssetup, das nicht automatisch dem günstigsten Lieferanten

den Vertrag zuspricht, können diese modifizierten Parameter und damit die

Vertragsbedingungen vom Einkäufer selbst bewertet und gegeneinander abgeglichen

70 Vgl. Mueller/Windhaus, 2002, S. 137 ff. 71 Vgl. Skiera/Spann, 2004, S. 104 f.

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Theoretische und begriffliche Grundlagen der Abhandlung

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werden. Führt das günstigste Gebot automatisch zu einer Auftragsvergabe, so müssen

Nicht-Preis-Parameter in die Gebotsbewertung eingerechnet werden. Ein Beispiel für eine

solche Parametric Auction – durchgeführt bei der Motorola Corporation – liefern Metty et

al.72 Der Zuschlag wird hier aufgrund der beiden Kriterien Preis (p) und Qualität (q)

vergeben, die in einem Algorithmus gleich gewichtet werden. Ein Beispiel für die

Berechnung der weighted prices (wp) stellt die folgende Formel dar.

p5,0q5,0wp

Das Angebot einer Firma, ein spezifiziertes Produkt in der Qualitätsstufe 20 zu einem Preis

von 10€ zu liefern, besäße demnach einen wp-Wert von 5 und könnte mit anderen

Qualitätspreiskombinationen gemessen werden. Die Herausforderung des Verfahrens

besteht darin, die einzelnen Qualitätsstufen zu definieren und ihre Präferenz mit den Preisen

in Beziehung zu setzen. Der dargestellte lineare Zusammenhang dürfte dabei jedoch die

Ausnahme darstellen.

Einen ähnlichen Bewertungsalgorithmus benötigt das beschaffende Unternehmen, wenn es

die Gebote einzelner Lieferanten unterschiedlich gewichten will. Ein solcher Fall tritt

beispielsweise ein, wenn bei einem der Lieferanten in der Vergangenheit Mängel

aufgetreten sind und das beschaffende Unternehmen auch bei zukünftigen Aufträgen von

einem niedrigen Qualitätsstand ausgeht. Die Kosten zur Beseitigung solcher Schwächen

sind abzuschätzen und auf die Gebote des Lieferanten aufzuschlagen. Ein

entgegengesetztes Szenario zu diesem Malussystem ist ein Bonus auf die Gebote eines

bevorzugten Lieferanten. Ein Anwendungsfall hierfür ist, dass die Entwickler des

beschaffenden Unternehmens einen Lieferanten bevorzugen und bei ihm von geringeren

Folgekosten ausgehen. Eine weitere Möglichkeit ist, dass sich die Marke eines Lieferanten

für eine Ingredient-Branding-Strategie eignet. Im Falle einer englischen Auktion wird bei

Geboten des Lieferanten ein Bonus abgezogen. Wie in Abbildung 6 dargestellt, kann dieser

prozentual oder relativ zum Angebotspreis berechnet werden.

72 Vgl. Metty et al., 2005, S. 20 f.

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15

Abbildung 6: Verfahren unterschiedlicher Angebotsbewertung

Auch bei einer holländischen Auktion ist eine Bonusvergabe integrierbar. Gibt man hier

dem präferierten Lieferanten einen Bonus, wird ihm ein höherer Preis angezeigt als seinen

Konkurrenten. Beispielhaft betrachten wir eine Auktion mit einem Startpreis von

22 €/Stück, der sich sukzessive in 2-Euro-Schritten erhöht. Der präferierte Lieferant

(Zulieferer A) wäre nun in Kenntnis zu setzen, dass sein potenzielles Gebot noch einen

absoluten oder relativen Preisaufschlag erhält. Läge dieser beispielsweise bei 2 €/Stück,

führte dies zu einem für ihn effektiv geltenden Startpreis von 24€, der sich von dort an

parallel zu den anderen senkt (siehe Abbildung 7).

Abbildung 7: Unterschiedliche Gebotsbewertung in einer holländischen eRA

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16

Durch den Auktionator nicht direkt beeinflussbare Parameter

Dauer der Auktion: Einfluss auf die Auktionsdauer besitzt das beschaffende Unternehmen

abhängig von dem gewählten Auktionsdesign. Bei einer verdeckten Erst- oder

Zweitpreisauktion kann es einen festen Zeitrahmen vorgeben, indem das Einreichen von

Geboten möglich ist.73 Eine ähnliche Situation ergibt sich bei einer englischen Auktion mit

einem „harten Ende“ (hard close rule). Hier endet die Auktion automatisch zu einem zuvor

definierten Zeitpunkt, unabhängig davon, ob die Lieferanten weiterhin bereit wären, Gebote

abzugeben. Wird die englische Auktion mit einem unbedingten „weichen Ende“ (soft close

rule) geführt, so verlängert sich die Auktionsdauer mit jedem weiteren abgegebenen Gebot

um ein festes Zeitintervall. Den Lieferanten wird die Möglichkeit gegeben, das gegenwärtig

niedrigste Gebot mit eigenen Preisuntergrenzen abzugleichen. Da das beschaffende

Unternehmen die Anzahl der Gebote nicht bestimmen kann, besitzt es lediglich über die

Festlegung der durch jedes Gebot ausgelösten Auktionsverlängerung Einfluss auf die

Verfahrensdauer.74 Auch bei einer holländischen Auktion ist eine Beeinflussung der

Auktionszeit nur indirekt möglich: zum einen über die Festlegung der Zeitdauer, die

vergeht, bis ein Gebot sich sukzessive erhöht75, zum anderen über einen möglichen

Ausstiegspreis, ab dem die Auktion automatisch endet, wenn noch kein Bieter ein Gebot

angenommen hat. Ein solcher Ausstiegspreis markiert den Preispunkt, ab dem das

Unternehmen auf die Beschaffung des Produkts durch die Auktion verzichtet. Die

kumulierte Dauer der Auktionsschritte bis zu diesem Punkt bildet die Höchstdauer der

Auktion.

Anzahl der Wettbewerber: Ebenfalls lediglich indirekt beeinflussbar ist die Anzahl der an

der Auktion teilnehmenden Lieferanten. Stellhebel für eine hohe Bieterzahl können nicht

nur viele Einladungen zur Auktionsteilnahme sein. Ebenso positiv dürfte sich eine gute

Geschäfts- und Auktionsreputation auswirken, die die Wahrscheinlichkeit der Teilnahme

eingeladener Lieferanten erhöht. Abbildung 8 fasst die Charakterisierungsmerkmale

elektronischer Beschaffungsauktionen zusammen.

73 Vgl. Hartley et al., 2006, S. 202; Vgl. Schwab, 2003, S. 4. 74 Dazu kann ein anfänglicher fixer Zeitblock gestaltet werden, der auch ohne Gebotsabgabe eingehalten wird. 75 Die zeitlichen Intervalle dieser Gebotsschritte können entweder fix oder dynamisch sein, wenn sie sich

beispielsweise mit jedem weiteren Schritt verkürzen.

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17

Abbildung 8: Parameter elektronischer Beschaffungsauktionen

2.2 Zugrunde liegende Theorien

2.2.1 Market-Structure-Conduct-Performance-Paradigma

Das Market-Structure-Conduct-Performance-(MSCP)-Paradigma lässt sich in die

Forschungsrichtung der Industrieökonomik einordnen. Sie hat zum Ziel, die Interaktion

zwischen Markt und Unternehmen zu untersuchen.76 Ihre Ursprünge liegen in der Mitte des

letzten Jahrhunderts in den Werken von Mason77 und Bain78 (traditionelle

Industrieökonomik), auf deren Analysen das MSCP-Paradigma in weiten Teilen basiert.79

Es beschreibt eine „effective competition“80, ein Wettbewerbsmodell, das

Unvollkommenheiten als unabdingbar akzeptiert und Wettbewerb als dynamischen

Prozess, gekennzeichnet durch eine Folge von Vorstößen und Verfolgungsaktionen der

Unternehmen, versteht.81 Um diesen Prozess und seine Intensität zu analysieren, unterteilt

das Modell den Markt in drei Konstrukte: die Marktstruktur (market structure), das

Marktverhalten (market conduct) und das Marktergebnis (market performance). Jedes

Konstrukt wird durch ein zugeordnetes Kriterienset charakterisiert.82

76 Vgl. Bester, 2004, S. 1. 77 Vgl. Mason , 1939. 78 Vgl. Bain, 1956. 79 Vgl. Bester, 2004, S. 1. 80 Vgl. Schmidt, 2005, S. 10. 81 Vgl. Clark, 1961, S. 9 ff. 82 Vgl. Clark, 1961, S. 9 ff

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Unter Elementen der Marktstruktur versteht Bain solche, die strategischen Einfluss auf die

Preisgestaltung der Unternehmen und den Wettbewerb im Markt ausüben.83 Sie können

zudem nicht in der kurzen Frist von den Teilnehmern verändert werden und müssen als fixe

Bestandteile in deren kurzfristige Unternehmensplanung eingehen.84 Beispiele sind die

Anbieterkonzentration, Eigenschaften der Kostenfunktion, Produkteigenschaften, die

Elastizität der Nachfrage85 oder Markteintrittsbarrieren86. Das Marktverhalten beschreibt

seinem Namen folgend Verhaltensweisen von Unternehmen.87 Es ist im Gegensatz zur

Marktstruktur in der kurzen Frist veränderbar.88 Die sich so ergebende Abgrenzung von

Marktstruktur- und Marktverhaltenskriterien kann jedoch nur als grobe Trennung

verstanden werden. Häufig erlaubt sie keine eindeutige Zuordnung in eines der beiden

Konstrukte.89 Beispiele für Marktverhalten sind die Preissetzung oder die Art und der

Umfang von Unternehmensinvestitionen in Forschung und Entwicklung oder Werbe- und

Kommunikationsstrategien.90 Essenzieller Bestandteil der Analyse des Konstrukts

Marktverhalten ist, zu untersuchen, welche Aktionen in welcher Häufigkeit durchgeführt

werden und ob diese von mehreren Unternehmen zeitgleich (kollektiv) oder zeitversetzt

(individuell) erfolgen. Im Falle kollektiv durchgeführter Wettbewerbsaktionen spricht man

von Wettbewerbsbeschränkungen.91 Das Marktergebnis fasst die Ergebnisse der

Unternehmen zusammen.92 Kriterien seiner Messung sind beispielsweise der Umsatz oder

der Gewinn einer Branche, die Produktqualität93, das Preisniveau oder die allokative

Kosteneffizienz94.

Das MSCP-Paradigma stellt einen kausalen Zusammenhang zwischen den drei Konstrukten

her.95 Die Marktstruktur mit ihren fixen Gegebenheiten beeinflusst das Marktverhalten der

Unternehmen.96 Dieses wiederum wirkt sich auf das Marktergebnis aus. Der Einfluss

bestimmt sich zum einen durch den Grad der Abstimmung des Marktverhaltens auf die

83 Vgl. Bain, 1968, S. 7 und S. 9. 84 Vgl. Bartling, 1980, S. 21 f. 85 Vgl. Bester, 2004, S. 3. 86 Vgl. Jacquemin, 1972, S. 122. 87 Vgl. Bain, 1968, S. 9. 88 Vgl. Kaysen/Turner, 1959, S. 59. 89 Vgl. Kaysen/Turner, 1959, S. 59 f. 90 Vgl. Bester, 2004, S. 3. 91 Vgl. Schmidt, 2005, S. 57 f. 92 Vgl. Bain, 1968, S. 10f.; Vgl. Bartling, 1980, S. 22. 93 Vgl. Tolksdorf, 1994, S. 56; Vgl. Schmidt, 2005, S. 58. 94 Vgl. Bester, 2004, S. 3. 95 Vgl. Porter, 1981, S. 611 1. Spalte; Bester, 2004, S. 3. 96 Vgl. Bester, 2004, S. 3.

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19

Marktstruktur, zum anderen durch die Effizienz seiner Ausführung. Einige Autoren sehen

im Marktverhalten jedoch lediglich ein Zwischenglied zwischen Marktstruktur und

Marktergebnis und führen Letzteres vollständig auf die Gegebenheiten der Marktstruktur

zurück.97 Empirische Arbeiten, die diesem Gedanken folgen, untersuchen beispielsweise

die Abhängigkeit des Gewinns von der Anbieterkonstellation.98 Welche der Sichtweisen

näher an der Wahrheit liegt, dürfte stark von dem betrachteten Markt abhängen. Im

dynamischen Prozess beeinflusst das Marktergebnis nun in einer zirkulären Verknüpfung

wiederum die Marktstruktur. Ein Beispiel sind Unternehmen, die hohe Gewinne

erwirtschaften und als Folge andere Wettbewerber übernehmen99 oder neue Anbieter in den

Markt locken.

Abbildung 9: Market-Structure-Conduct-Performance-Paradigma

Ein Kritikpunkt am MSCP-Paradigma ist, dass eine reale Marktstruktur nicht, wie im

Modell vorgegeben, als endogene „Startvariable“ vorliegt, sondern durchaus auch vom

Verhalten der Marktteilnehmer bestimmt wird.100 Dem ist jedoch entgegenzusetzen, dass

das Modell diese Art der Beeinflussung durchaus beinhaltet, nur eben indirekt, über die

beiden anderen Konstrukte Marktverhalten und Marktergebnis. Wie Abbildung 9 zeigt,

beeinflussen sich alle Konstrukte des Modells gegenseitig. Weitere Kritik richtet sich gegen

97 Ebenda. Diese Sichtweise war zudem entscheidend für die Entwicklung des market based view; Porter,

1981 und Porter, 1991. 98 Vgl. Bester, 2004, S. 4. 99 Vgl. Schmidt, 2005, S. 56; Vgl. Tolksdorf, 1994, S. 58. 100 Vgl. Bester, 2004, S. 5.

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die Kriterienanzahl innerhalb der drei Konstrukte. Sie wird als zu hoch bemängelt. In

diesem Kontext wird auch aufgeführt, dass nur unzureichende Vorgaben für die

Kriterienzuordnung zu den Konstrukten existieren. Eine Systematisierung von 26 MSCP-

Normen, entwickelt von achtzehn Autoren, ergab, dass dieselben Elemente häufig in

unterschiedliche Konstrukte eingeordnet wurden.101 Auch wird bemängelt, dass sich nicht

alle Marktergebnisse durch die Marktstruktur und das Marktverhalten erklären lassen. So

können zwei Anbieter, die im selben Markt eine ähnliche Strategie verfolgen zu sehr

unterschiedlichen Marktergebnissen gelangen, ohne dass das Modell konkrete Antworten

auf diese Abweichung seines Erklärungsmusters geben kann.

Die vorliegende Abhandlung nutzt das MSCP-Framework als zentrales Erklärungsmuster

zur Analyse von Anbieterreaktionen auf elektronische Beschaffungsauktionen. Dazu wird

die Einführung von eRAs als Änderung der Marktstruktur verstanden, auf die die

Lieferantenreaktionen als Änderungen des Marktverhaltens in einem zweiten Schritt

erfolgen. Daraus resultierende Änderungen des Marktergebnisses und zirkuläre

Verknüpfungen von dort zurück auf die Marktstruktur sind nicht Bestandteil der

Untersuchung.

2.2.2 Konzept der Voice-, Exit- und Loyality

1968 entwickelte Albert O. Hirschman das Konzept der Voice-, Exit- und Loyality. Es

versucht, konträr zur damals vorherrschenden neoklassischen Ökonomie, auch soziale und

politische Handlungsmotive in ökonomische Analysen zu integrieren.102 Individuelles und

kollektives Widerspruchshandeln sollen dabei als Alternative zum Marktmechanismus

erfasst werden.103 Nach Hirschmans Konzeption stehen einem Individuum, das sich mit

einer unvorteilhaften Entwicklung innerhalb einer Organisation oder eines Systems

konfrontiert sieht, grundsätzlich drei Reaktionsoptionen offen: der Widerspruch (Voice),

die Abwanderung (Exit) und die Loyalität (Loyality).104 Ein Beispiel für eine solche

negative Entwicklung ist der Leistungsverfall eines Produkts.

101 Vgl. Sosnick, 1970. 102 Vgl. Maurer, 2006, S. 68. 103 Ebenda. Maurer verweist dabei auch auf Williamson, 1974, der Hirschman vorwarf, die Theorie der Firma

und das Konkurrenzmodell sowie die in der Neuen Institutionenökonomik bearbeitete Hierarchie und Kontrolle zu vernachlässigen.

104 Vgl. Hirschman, 1970, S. 4.

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21

Widerspruch ist dabei, „die Handlung des sich Beschwerens und sich Organisierens zum

Zweck der Kritik oder des Protests mit der Absicht, eine direkte Verbesserung der Qualität

zu erzielen“105. Das vom Leistungsverfall betroffene Individuum wendet sich an die

Leitung der Organisation und tut seine Unzufriedenheit mit dem wahrgenommenen

Absinken der Qualitätslevel kund.106 Ein mit einer Transaktionsbeziehung betrauter

Verkäufer, der die Entwicklung des Verhaltens eines Kunden negativ wahrnimmt, würde

beispielsweise in Terminen mit Einkäufern seines Transaktionspartners auf

wahrgenommene Missstände hinweisen. Die Gegenseite erhält durch die Beschwerden die

Möglichkeit, nach Abhilfen und Verbesserungen zu suchen. Ein Mechanismus, der jedoch

nicht zwangsläufig eintritt.107 Zum Verständnis der Wirkungsweise des Widerspruchs wählt

Hirschman den Begriff der schlaffen Organisation (slack). Er beschreibt zufällige, doch

regelmäßig auftretende Leistungsschwankungen innerhalb eines Systems. Sie sind nicht

willentlich von der Organisationsleitung herbeigeführt und können von dieser beseitigt

werden.108 Der Widerspruch ist eine Chance, dass die Organisationsleitung auf die Existenz

des Slacks oder deren Auswirkungen auf die Organisationsmitglieder aufmerksam wird.

Aufseiten der vom Leistungsverfall betroffenen Einheiten stellt sich die Frage nach der

Intensität und Dosierung des Widerspruchs. Er ist, wie jede ökonomische Handlung, mit

Kosten verbunden. Beispiele dafür sind Personalkosten oder Reise- und

Kommunikationsaufwendungen. Daher ist für jede Situation ein optimales

Widerspruchsmaß zu finden.109 Die Beschwerdeoption wird folglich primär bei den als

wichtig empfundenen Transaktionen und Organisationen gewählt.110 Zu beachten ist auch

die Interaktion mit den Widersprüchen anderer, ebenfalls vom Leistungsverfall betroffener

Systemmitglieder. Sie sind in eine erfolgreiche Beschwerdestrategie aufzunehmen.111 Oft

ist die Aufwendung von Energie zur Motivation von Äußerungen anderer Systemmitglieder

Erfolg versprechender als weiteres Artikulieren der eigenen Unzufriedenheit.

Hirschman definiert die Abwanderungsoption als „Handlungsweise des einfachen

Fortgehens, gewöhnlich weil man glaubt, dass man bessere Waren, Dienst- oder

105 Hirschman, 1992, S. 332 f. 106 Vgl. Hirschman, 1974, S. 25. 107 Vgl. Hirschman, 1974, S. 4. 108 Maurer, 2006, S. 73. 109 Vgl. Maurer, 2006, S. 76. 110 Vgl. Hirschman, 1974, S. 33. 111 Vgl. Falck, 2006, S. 88.

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Sozialleistungen in einer anderen Firma oder Organisation beziehen kann“112. Die

Abwanderung kann als äußerste Reaktionsoption angesehen werden.113 Übertragen auf ein

zulieferndes Unternehmen, wäre dies die Annahme, die eigenen Waren und Leistungen

einem anderen Marktpartner zu besseren Konditionen veräußern zu können. Allgemein gilt

die Abwanderung oder der Nichtkauf als klassische ökonomische Reaktionsweisen auf

steigende Preise und sinkende Qualitätsstandards.114 Übertragen auf die Sichtweise von

Lieferanten sind dies beispielsweise sinkende Preise oder steigende und damit

kostenintensivere Qualitätsstandards. Für den Abwandernden ist nach erfolgreichem

Austritt die weitere Entwicklung der Organisation von geringer Bedeutung.115 Auch die

Abwanderung kann zu Richtungskorrekturen und Verbesserungen im betroffenen System

führen. Durch Rückgang der Organisationsmitglieder und der mit ihnen verbundenen

Einkünfte wird die Leitung veranlasst, nach Mitteln und Wegen zur Korrektur der

Entwicklung zu suchen.116 Bedeutsam ist in diesem Zusammenhang der „Demonstrative

Exit“, der durch seine spektakuläre Gestaltung neben der Abwanderung auch Elemente des

Widerspruchs enthält.117

Die Loyalitätsoption beschreibt das Verbleiben innerhalb der Organisation trotz des

nachteiligen Prozesses.118 Ein Individuum, das diese Option wählt, verzichtet auf

kurzfristige Abwanderungsgewinne, da es sich eine mittel- bis langfristige Verbesserung

seiner Situation erhofft.119 Ein Grund für das Verbleiben in der Organisation kann jedoch

auch ein Mangel an Alternativen sein. Für Hirschman zählt ein gewisses Loyalitäts- und

damit auch Toleranzmaß zu einer guten Strategieplanung.120 Im Vergleich zu den beiden

anderen Kategorien stellt sich die eindeutige Einordnung der Loyalität als eigenständige

Option problematisch dar. Hirschman behandelt sie abweichend als Disposition und als

Verhalten.121 Als „retardierendes Element der Abwanderungsoption“122 begünstigt sie

einerseits den Widerspruch, kann aber genauso zu Passivität führen.123 Da zu viel

112 Hirschman, 1992, S. 332. 113 Vgl. Hirschman, 1974, S. 37. 114 Vgl. Maurer, 2006, S. 75. 115 Vgl. Hirschman, 1978, S. 274. 116 Vgl. Hirschman, 1974, S. 3 f. 117 Vgl. Hirschman, 1978, S. 273. 118 Vgl. Hirschman, 1974, S. 66. 119 Vgl. Maurer, 2006, S. 78. 120 Vgl. Vanberg, 2008, S. 3 ff. 121 Vgl. Nerré, 2006, S. 91. 122 Hirschman, 1974, S. 67. 123 Vgl. Nerré, 2006, S. 91.

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Abwanderung den Widerspruch in manchen Systemkonstellationen leicht be- oder gar

verhindern kann und Hirschman der Loyalität eine widerspruchsfördernde Komponente

zuschreibt, verknüpft er mit einer zu einem System vorherrschenden Loyalität auch ein

Problemlösungspotenzial von Organisationen.124 Es sollte jedoch stets hinterfragt werden,

ob Loyalität im Einzelfall tatsächlich zu mehr Widerspruch führt oder nicht in

„Resignation, Sabotage und innerer Emigration“125 endet.

Dem Auswahlprozess zwischen Abwanderung und Widerspruch kann ein ökonomisches

Kalkül zugrunde gelegt werden.126 Die Akteure wägen Erträge wie Aufwendungen der

beiden Optionen gegeneinander ab und treffen in Kombination mit einer

Wahrscheinlichkeitsabschätzung ihre Entscheidung.127 Die folgende Darstellung liefert ein

Schema, auf dem aufbauend eine Analyse der Abwanderungs- und

Widerspruchswahrscheinlichkeiten erfolgen kann.

Abbildung 10: Ableitung von Abwanderungs- und Widerspruchswahrscheinlichkeiten in Abhängigkeit

der Kostenverursachung128

Im rechten oberen Feld der Matrix wird eine Situation dargestellt, in der die

Organisationsmitglieder diese kostenfrei verlassen und sie durch eine dortige

Kostenverursachung schwächen können. Eine solche Situation führt zu einer kollektiven

Wahl der Abwanderungsoption aller Mitglieder, die die Entwicklung als negativ

wahrnehmen, und entspricht dem ökonomischen Modell der vollkommenen Konkurrenz.

Diese zeichnet sich durch eine vollkommen transparente Informationslage, fehlende

124 Vgl. Maurer, 2006, S. 78. 125 Maurer, 2006, S. 79. 126 Vgl. Falck, 2006, S. 86. 127 Vgl. Maurer, 2006, S. 74. 128 Maurer, 2006, S. 87.

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Wechselkosten und eine Vielzahl von Anbietern aus. Der Widerspruch erfolgt nicht, da die

Abwanderung die bequemere Option darstellt. In dem linken unteren Feld ist die

Organisation nicht auf die Mitglieder und ihre Beiträge angewiesen und kann es sich

leisten, ihre Widersprüche zu ignorieren. Sie verpuffen wirkungslos, und die für die

Mitglieder bei einem Austritt entstehenden Kosten halten sie von diesem Schritt ab.

Ebenfalls unbedeutend würden die Widersprüche, wenn der Austritt für die Organisation

zwar schädlich wäre, für die Mitglieder aber unmöglich oder wirkungslos ist. Erstere

Situation wäre in einem monopolistischen Markt gegeben, Letztere wenn die negative

Entwicklung bei allen Marktteilnehmern auftritt.129 In diesem Fall wechselt man lediglich

zwischen unvorteilhaften Transaktionspartnern, ohne Aussicht auf Besserung des als

unvorteilhaft empfundenen Zustands. Die eigentliche Abwägung findet in der Darstellung

am rechten unteren Rand der Abbildung statt. Sowohl die Organisation als auch das

Mitglied werden hier durch den Austritt mit Kosten belastet. Je höher die Kosten für die

Organisation durch die Abwanderung sind und je höher die Organisation die

Wahrscheinlichkeit dieses Austritts einschätzt, desto wirksamer ist der Widerspruch.130

Begrenzen lässt sich diese Austrittswahrscheinlichkeit durch die Abwanderungskosten der

Organisationsmitglieder. Es empfiehlt sich für die Organisation, diese prohibitiv hoch

anzusetzen.131 Ein möglicher Weg, dies zu tun, ergibt sich aus der Netzwerktheorie. Eine

zentrale Aussage ist hier, dass je länger eine Transaktionsbeziehung anhält, desto höher die

Austrittskosten aus dieser ansteigen.132

In der vorliegenden Arbeit soll die Konzeption von Albert O. Hirschman zur Analyse des

Verhaltens von Lieferanten genutzt werden, deren Kunden ihre Verhandlungsprozesse auf

eRAs umstellen. Diese Zulieferer sehen sich mit einem Leistungsverfall konfrontiert und

müssen darauf eine Reaktion wählen. Obwohl die Anwendung der Konzeption auf

Business-to-Business-Beziehungen (B-to-B) zur gängigen Praxis der akademischen

Literatur gehört133, sind bei der Übertragung der Systematik zwei besondere Charakteristika

von B-to-B-Beziehungen zu berücksichtigen. Zum einen geht Hirschman davon aus, dass

die abnehmende Organisation meist nur reagiert und originär agiert. Dies ist in

Geschäftsbeziehungen zweier Organisationen nicht zwangsläufig der Fall, auch bei

129 Vgl. Hirschman, 1974, S. 21. 130 Vgl. Nerré, 2001, S. 90 ff. 131 Vgl. Nerré, 2006, S. 91. 132 Vgl. Jarillo, 1988, S. 37; Vgl. Podolny/Page, 1998, S. 60. 133 Vgl. Johnston et al., 2006; Vgl. Johnston/Hausman, 2006; Vgl. Kingshott, 2006.

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Beschaffungsauktionen geht die erste Handlung von der abnehmenden Einheit aus, und die

liefernde Einheit wählt darauf eine Reaktion. Zum anderen ist das Individuum in

Hirschmans Konzeption eines von vielen Organisationsmitgliedern und damit meist weit

weniger mächtig als die liefernde Institution. Auch diese Annahme ist in B-to-B-

Beziehungen nicht zwangsläufig gegeben. Gerade Beschaffungsauktionen werden meist

von großen abnehmenden Einheiten angewandt134, und mehrere Lieferanten müssen eine

geeignete Reaktion darauf finden.

2.2.3 Anreiz-Beitrags-Theorie

Eine Zulieferer-Abnehmer-Beziehung ist, ähnlich wie die Beziehung eines Mitarbeiters zu

seinem Arbeitgeber, im Kern ein Austauschverhältnis. Ein theoretisches Erklärungsmuster

dieser bieten die austauschtheoretischen Ansätze. In Bezug auf das interorganisationale

Verhalten werden häufig die Anreiz-Beitrags-Theorie und die Equity Theory verwendet.135

In Letzterer wird das Empfinden von Gerechtigkeit (equity) an den Vergleich mit einem

Referenzobjekt, beispielsweise einem anderen Mitarbeiter oder einem anderen Zulieferer

des Unternehmens, geknüpft.136 Diese Modellierung erscheint jedoch im Kontext einer

wirtschaftlich streng kalkulierten Zuliefererbeziehung als realitätsfern. Hier steht bei der

Bewertung einer Geschäftsbeziehung das Verhältnis von eigenen Kosten und Erträgen im

Vordergrund. Daher wird die Anreiz-Beitrags-Theorie als theoretisches Erklärungsmodell

verwendet. Der Saldo der Kosten und Benefits einer Geschäftsbeziehung wird hier

weitgehend eigenständig bewertet, obwohl auch äußere Determinanten, beispielsweise

Opportunitätskosten, die Bewertung beeinflussen.

Die Anreiz-Beitrags-Theorie geht auf die Werke von Barnard (1938)137 und March/Simon

(1958)138 zurück. Grundgedanke des Modells ist ein organisationales Gleichgewicht

(organisational equilibrium).139 Auf diesem aufbauend wird das Entscheidungsverhalten

von Organisationsteilnehmern untersucht140, wobei der Organisationsbegriff weit, und zwar

134 Vgl. Hur et al., 2007, S. 413. 135 Vgl. Scheer et al., 2003. 136 Vgl. Homans, 1958, S. 30. 137 Vgl. Barnard, 1938. 138 Vgl. March/Simon, 1958. 139 Vgl. Barnard, 1938, S. 57; Vgl. March/Simon, 1958, S. 83 f. 140 Vgl. Stock-Homburg, 2008, S. 51.

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als System bewusst koordinierter Handlungen gefasst wird.141 Im Kern werden drei

Entscheidungsarten analysiert:142

- Eintrittsentscheidungen: warum ein Teilnehmer in eine Organisation eintritt;

- Verbleibeentscheidungen: warum ein Teilnehmer Loyalität gegenüber einer

Organisation aufbaut und in dieser verbleibt;

- Austrittsentscheidungen: warum ein Teilnehmer eine Organisation verlässt.

Die Theorie verknüpft die organisatorische Zielerreichung mit der Erreichung der Ziele und

Erwartungen der Teilnehmer.143 Beispielsweise können die Produkte und Dienstleistungen

eines Zulieferers (Teilnehmer) als Beiträge und die monetären Gegenleistungen des

Abnehmers (Organisation) als Anreize gesehen werden. Anreize wie Beiträge können

monetärer und nicht monetärer Natur sein.144 Individuen bewerten nun das Verhältnis aus

gewährten Anreizen und zu leistenden Beiträgen einer Austauschbeziehung145 und basieren

auf diesem Abgleich ihre Entscheidung.146 Bei der Manifestation der Entscheidungen geht

die Theorie von vier Annahmen aus:147

- begrenzte Informationsgenerierungs- und Verarbeitungskapazität der

Teilnehmer;

- begrenzte Rationalität der Entscheidungsträger;

- unvollständige Informationen;

- begrenzte Bereitschaft der Teilnehmer, sich für die eigene Organisation zu

engagieren.

Überwiegen die vom Teilnehmer wahrgenommenen Anreize die Beiträge oder herrscht ein

Gleichgewicht, wird er sich für den Eintritt oder Verbleib in die Organisation entscheiden.

Überwiegen jedoch die Beiträge, wird er die Organisation verlassen oder von einem Eintritt

absehen.148 Organisationen sind demzufolge nur dann überlebensfähig, wenn es ihnen

gelingt, die von den Organisationsmitgliedern erwarteten Beiträge durch eine

Nutzengewährung in Form von Anreizen mindestens zu kompensieren.149 Die Bewertung

des Anreiz-Beitrags-Verhältnisses wird neben der absoluten Höhe der Anreize und Beiträge

vor allem von zwei Faktoren bestimmt: der Bindung an die Kooperation und den 141 Vgl. Barnard, 1938, S. 65. 142 Vgl. Stock-Homburg, 2008, S. 51, erläutert die drei Entscheidungsarten in Bezug auf einen Arbeitgeber

(als Organisation) und einen Mitarbeiter (als Teilnehmer). 143 Vgl. Anold, 1974, S. 64 ff. 144 Vgl. Stock-Homburg, 2008, S. 52. 145 Vgl. Barnard, 1938, S. 83. 146 Vgl. Simon, 1997, S. 141. 147 Vgl. Stock-Homburg, 2008, S. 62. 148 Vgl. March/Simon, 1958, S. 93; Vgl. Wentges, 2002, S. 90. 149 Vgl. March/Simon, 1958, S. 83.

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Opportunitätskosten.150 Eine der zentralen Determinanten für die Bindung des Teilnehmers

an die Kooperation sind die Wechselkosten, die beim Verlassen des organisationalen

Gebildes anfallen.151 Sie steigen meist proportional zum Intensitätsgrad der Kooperation.152

Die Opportunitätskosten repräsentieren den Nutzen alternativer Kooperationen, auf die der

Teilnehmer zugunsten der gegenwärtigen Kooperation verzichtet hat.153 Zu beachten sind

dabei auch die unvollständige Informationsausstattung und die daraus erwachsende

Unsicherheit auf Teilnehmerseite.154 Sie führt zu einem Antizipationsproblem des

zukünftigen Anreiz-Beitrags-Verhältnisses, dem die Organisation durch einen

Reputationsaufbau entgegenwirken kann.155 Aus Sicht des Zulieferers wäre dies ein

weiterer Abnehmer, auf dessen Belieferung man bei beschränkten Kapazitäten zugunsten

des jetzigen Abnehmers verzichtet hat. Beide Konstrukte, die Bindung an die Kooperation

sowie die Opportunitätskosten, hängen gemäß der Anreiz-Beitrags-Theorie von der

Verfügbarkeit an Alternativen ab.156 In Abbildung 11 findet sich der Prozess der

Entscheidungsfindung auf der Theorie basierend zusammengefasst.

Abbildung 11: Entscheidungsprozess nach der Anreiz-Beitrags-Theorie157

150 Vgl. March/Simon, 1958, S. 111. 151 Vgl. Allen/Meyer, 1990, S. 1. 152 Vgl. Essig, 1999, S. 163. 153 Vgl. Stock-Homburg, 2008, S. 53. 154 Vgl. Essig, 1999, S. 161, wendet die Theorie auf Beschaffungskooperationen (Organisation) und ihre

Mitglieder (Teilnehmer) an. 155 Vgl. Essig, 1999, S. 162. 156 Vgl. Wiswede, 2007. 157 Stock-Homburg, 2008, S. 54.

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Theoretische und begriffliche Grundlagen der Abhandlung

28

In ihrem Ursprung wurde die Anreiz-Beitrags-Theorie zur Erklärung des Verhaltens von

Mitarbeitern und Führungskräften eines Unternehmens entwickelt, die für ihre Leistungen

adäquate Anreize erhalten sollen.158 Die zu erreichende Balance von Anreizen und

Beiträgen ist jedoch keinesfalls auf dieses Verhältnis beschränkt. So findet die Theorie

beispielsweise bei der Untersuchung der Eintritts-, Verbleibe- und Austrittsentscheidungen

von Unternehmen in Beschaffungskooperationen159 oder für die Analyse von

Lieferantenentscheidungen zur Aufrechterhaltung oder Beendigung einer

Geschäftsbeziehung Anwendung. In diesem Kontext soll sie auch in dieser Analyse genutzt

werden.

2.2.4 Produkt-Markt-Matrix

Igor Ansoff entwickelte Anfang der Sechzigerjahre des letzten Jahrhunderts die Produkt-

Markt-Matrix zur Systematisierung strategischer Vorgehensweisen von Unternehmen.160 Er

war der Ansicht, dass sich Entscheidungsträger zu sehr mit operativen Fragen der Umsatz-

und Gewinnsteigerung beschäftigten und strategische Fragestellungen oft nur am Rande

(beispielsweise bei Produktverbesserungen) diskutiert wurden.161 Darüber hinaus trete die

Beschäftigung mit der Unternehmensstrategie erst zu einem Zeitpunkt ein, in dem bereits

deutliche Warnsignale sichtbar seien und die Existenz der Organisation häufig gefährdet

sei.162 Die vorhandene Strategie hat zu diesem Zeitpunkt bereits in die falsche Richtung

geführt und hätte zuvor angepasst werden müssen. Ein Unternehmen, so seine Auffassung,

das langfristig erfolgreich sein will, muss sich ständig erneuern und neue Methoden und

Absatzmärkte schaffen.163 Eine Erkenntnis, die in den heutigen sich schnell wandelnden

Konsum- und Industriegütermärkten umso offensichtlicher klingt. Strategische

Veränderungen sind für Ansoff Veränderungen der Absatzmarktlage.164 Eine strategische

Ausrichtung ist für ihn ein immerwährender Prozess: „To position and relate the firm to its

environment in a way which will assure its´ continued success and make it secure from

surprises.“165

158 Vgl. March/Simon, 1958, S. 83. 159 Vgl. Essig, 1999, S. 159 ff. 160 Vgl. Ansoff, 1966. 161 Vgl. Ansoff, 1982, S. 23. 162 Vgl. Ansoff, 1966, S. 24f. und S. 145. 163 Vgl. Ansoff, 1966, S. 69. 164 Vgl. Ansoff, 1966, S. 149. 165 Ansoff, 1984, S. XV.

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Theoretische und begriffliche Grundlagen der Abhandlung

29

Folgt man der in dieser Definition enthaltenen Handlungsanweisung, ergibt sich ein über

die Zeit dynamisches Portfolio an Unternehmensaktivitäten. Darauf aufbauend definiert

Ansoff drei Möglichkeiten zur Beschreibung eines Unternehmens und seiner strategischen

Bemühungen: die Absatzmarktlage, den Konkurrenzvorteil und den Wachstumsvektor. Die

Absatzmarktlage stellt den Bereich dar, in dem das Unternehmen aktiv und passiv nach

neuen Absatzoptionen sucht. Der Konkurrenzvorteil beschreibt ein Prüfkriterium, mit dem

man diese Optionen auf ihre Erfolgsaussichten hin prüft.166 Der Wachstumsvektor

beschreibt die allgemeine Richtung der (Neu-)Positionierung innerhalb eines festen

Rahmens. Dabei kann er als „roter Faden“ gesehen werden, der gegenwärtige mit

zukünftigen Unternehmensaktivitäten verbindet.167 Den Rahmen, in dem sich der

Wachstumsvektor bewegt, bildet die Produkt-Markt-Matrix.168 Sie ist in Abbildung 12

dargestellt.

Abbildung 12: Produkt-Markt-Matrix nach Ansoff169

Ansoff systematisiert vier Arten, mit denen unternehmerisches Wachstum auf dem

Absatzmarkt erreicht werden kann. Die erste, Marktdurchdringung, versucht, den

Marktanteil auf bestehenden Märkten mit bisherigen Produkten zu erhöhen.170 Die Strategie

166 Vgl. Ansoff, 1966, S. 133. 167 Vgl. Ansoff, 1966, S. 126 f. 168 Vgl. Ansoff, 1966, S. 132. 169 Vgl. Ansoff, 1966, S. 13 ff. 170 Vgl. Ansoff, 1966, S. 132.

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Theoretische und begriffliche Grundlagen der Abhandlung

30

besteht in einer Konzentration auf das bisherige Produkt- und Marktportfolio.171

Erlössteigerungen werden erzielt, indem beispielsweise Wettbewerber aus dem Markt

verdrängt werden oder die Produktnutzung der Kunden zunimmt. Die Marktentwicklung

zielt darauf ab, neue Bedürfnisse für die Produkte des Unternehmens zu finden oder zu

wecken.172 Das bestehende Produktportfolio wird in einen oder mehrere neue Märkte

getragen.173 Die Abgrenzung der Marktentwicklung zur Marktdurchdringung setzt eine

genaue Definition des Marktbegriffs voraus. Kriterien für einen abgeschlossenen

Absatzmarkt können beispielsweise geografischer oder soziodemografischer Natur sein.

Die Produktentwicklung steht für die Erschaffung und das Absetzen neuer Produkte in

bisherigen Märkten.174 Innerhalb des Feldes der Produktentwicklung unterscheidet Ansoff

weiter in solche Entwicklungen, die auf bisherige Herstellungsverfahren zurückgreifen, und

solche, die technologisches Neuland für das Unternehmen darstellen.175 Dazu systematisiert

er vertikale Entwicklungen entlang der Wertschöpfungskette und horizontale, die über die

bisherige Wertschöpfungskette hinausgehen.176 Wählt das Unternehmen die

Diversifikation, zielt es darauf ab, mit neuen Produkten neue Bedürfnisse zu bedienen.177

Ansoff unterscheidet die Diversifikation von den drei anderen Stoßrichtungen, bei denen er

eine gemeinsame Linie erkennt, da sie entweder auf vorhandene Herstellungsverfahren oder

Vertriebsstrukturen zurückgreifen.178 Aufgrund des Mangels an Synergie und Know-how

empfiehlt Ansoff den Schritt lediglich für Situationen, in denen die Unternehmensziele

durch Ausschöpfung der drei anderen Varianten nicht erreicht werden konnten.179 Weitere

Motive, die zur Diversifikation führen können, sind überschüssige Barmittel, ein Mangel an

Investitionsmöglichkeiten oder außergewöhnlich hohe Marktpotenziale in dem neuen

Gebiet.180 Steht ein Unternehmen vor einer Diversifikationsoption, empfiehlt Ansoff eine

zweistufige Vorgehensweise aus einer internen und einer externen Analyse. Bei Ersterer

geht es um die Darstellung und Bewertung der Stärken und Schwächen, die das

Unternehmen bei seinen neuen Aktivitäten aufweisen würde.181 Der zweite Teil untersucht

171 Vgl. Homburg/Krohmer, 2006, S. 521. 172 Vgl. Ansoff, 1966, S. 132. 173 Vgl. Meffert, 1998, S. 234. 174 Vgl. Ansoff, 1966, S. 132; Vgl. Homburg/Krohmer, 2006, S. 522. 175 Vgl. Ansoff, 1966, S. 153. 176 Vgl. Ansoff, 1966, S. 153 f. 177 Vgl. Ansoff, 1966, S. 132 und S. 150; Vgl. Homburg/Krohmer, 2006, S. 522. 178 Vgl. Ansoff, 1966, S. 132 und S. 150. 179 Vgl. Ansoff, 1966, S. 157, nennt als Beispiele die Verschlechterung der kurz- oder langfristigen

Ertragslage, die Absättigung des Markts, Konkurrenzdruck oder eine Veralterung der Nachfrage. 180 Vgl. Ansoff, 1966, S. 151. 181 Vgl. Ansoff, 1966, S. 215.

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Theoretische und begriffliche Grundlagen der Abhandlung

31

die für die Diversifikation infrage kommenden Industriezweige auf ihr Ertrags- und

Wachstumspotenzial. Nur wenn beide Analysen ein für das Unternehmen positives

Ergebnis bedeuten, ist eine Diversifikation aus Sicht von Ansoff sinnvoll.182

In der vorliegenden Arbeit wird die Systematisierung von Igor Ansoff als Grundgerüst zur

Herleitung möglicher strategischer Neuausrichtungen von Lieferanten als Reaktion auf eine

eRA-Anwendung ihrer Abnehmer verwendet.

182 Ebenda.

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32

3 Auktionsziele und Vorgehensweisen der beschaffenden

Unternehmen

3.1 Zielsetzungen der eRA-Einführung

3.1.1 Vorstellung möglicher Zielsetzungen

Bei Initiierung und Durchführung elektronischer Beschaffungsauktionen werden in der

Literatur meist zwei Zielsetzungen für das einkaufende Unternehmen genannt: zum einen

direkte Kosteneinsparungen durch niedrigere Einstandspreise, zum anderen sinkende

Administrations- und Prozesskosten, in den mit der Güterbeschaffung betrauten

Unternehmenseinheiten.183 In vielen Unternehmen wird lediglich die Senkung der

Einstandspreise als einzige Zielgröße betrachtet.184 Damit ist sie zugleich alleiniges Maß

für den Auktionserfolg. Darauf aufbauend stellt sich die Frage nach der Operationalisierung

dieses Erfolgskriteriums. Um den Auktionserfolg zu messen, muss das beschaffende

Unternehmen einen Preis definieren, mit dem der durch die Auktion erzielte Einkaufspreis

verglichen werden kann. Millet et al. (2004) stellen hierzu drei Optionen vor:

- der bisher gezahlte Preis, sofern das Produkt/die Leistung bereits bezogen

wurde;

- den Startpreis der Auktion;

- das erste oder höchste Gebot, das während der Auktion abgegeben wurde.185

Millet et al. gehen davon aus, dass die ersten beiden Optionen zu fehlenden oder verzerrten

Werten führen können und argumentieren für den Abstand zwischen dem höchsten und

dem niedrigsten Gebot als Prüfmaß. Dabei weisen sie allerdings auf eine hohe Korrelation

der drei Werte hin.186 In der Praxis dürfte jedoch die vergangenheitsbezogene Methode –

die Differenz des durch die Auktion erzielten zu dem in der Vergangenheit genutzten Preis

– die häufigste Verwendung finden. Hier wird offensichtlich, was die

Auktionsdurchführung im Vergleich zu traditionellen Verhandlungen leistet. Da

183 Vgl. Smeltzer/Carr, 2001, S. 983; Vgl.Kaufmann/Carter, 2004, S. 15 und S. 21, ein weiteres Ziel ist hier

eine beschleunigte Umstellung auf E-Business-Aktivitäten innerhalb des Unternehmens; Hartley et al., 2003, differenzieren zudem die Identifikation neuer Lieferanten und die Erfüllung strategischer Ziele als Zielsetzungen von eRAs.

184 Vgl. Arnold et al., 2005, S. 116 f.; Vgl. Emiliani, 2004, S. 66; Vgl. Hur et al., 2007, S. 404. 185 Vgl. Millet et al., 2004, S. 173. 186 Ebenda.

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Auktionsziele und Vorgehensweisen der beschaffenden Unternehmen

33

elektronische Beschaffungsauktionen selten für neuartige, sondern in der Regel für

bekannte, klar definierbare Beschaffungsobjekte durchgeführt werden187, ist eine

Herleitung des Preises aus vergangenen Einkaufsszenarien in den meisten Fällen möglich.

Zu beachten sind dabei Verschiebungen in Produktions- und Kostenfunktionen über die

Zeit.188 Ziel der Messung ist das effizientere Verhandlungsergebnis und nicht die allgemein

erhöhte Markteffizienz. Gegen die zweite Variante – den Abstand zwischen dem Startpreis

und dem schlussendlich akzeptierten Gebot – spricht, dass die auktionsdurchführende

Person (oder Institution) eine Manipulationsmöglichkeit ihres Beurteilungskriteriums

erhält. Die von Millet et al. präferierte Distanz zwischen dem höchsten und dem

wettbewerbsfähigsten Gebot böte ebenfalls eine Manipulationsmöglichkeit, unterstellt man,

dass sich die ersten Gebote am Startpreis orientieren und nicht gleich zuvor definierte

Preisbereitschaften geboten werden.

Während eine Vielzahl von Unternehmen eine Senkung der Einstandspreise als primäres

oder gar einziges Auktionsziel ansieht, plädiert die Literatur jedoch für eine ganzheitliche

Betrachtung. Alle von der eRA betroffenen Kostenkomponenten sollen berücksichtigt

werden.189 Diese Notwendigkeit wird besonders offenbar, wenn man in der Praxis

geschilderte Fälle betrachtet, in denen die erzielten Preisreduktionen nicht einmal die

gesamten Kosten der Auktionsdurchführung abdecken konnten.190 Untersuchungen unter

den ersten eRA-Anwendern ermittelten zudem große Spannweiten der wirklich erzielten

Effekte auf die Gesamtkosten durch einzelne eRAs, die sich nur zum Teil in den

Preissenkungen niederschlugen.191 Auch sind die erzielten Preisreduktionen bei

mehrmaliger Auktionsdurchführung häufig nur noch marginal verbesserbar, sodass

Einsparungen bei Prozess- und Administrationskosten eine immer größere Bedeutung

einnehmen.192 Ein Bewusstsein für alle Kosten entlang des Beschaffungsprozesses ist

notwendig, um den Erfolg einer eRA zu beurteilen.193 Die Theorie plädiert daher für an den

„Total Cost of Ownership“ (TCO) orientierten Bewertungen.194 Sie werden bereits in

187 Vgl. Emiliani, 2000, S. 178; Vgl. Kjerstad/Vagstad, 2000, S. 1243 ff., Vgl. Smeltzer/Carr, 2001, S. 984;

Vgl. Kaufmann/Carter, 2004, S. 20; Vgl. Arnold/Schnabel, 2008, S. 88; Vgl. Hahn/Kaufmann, 2003, S. 275; siehe auch Kapitel 3.2.1.1 dieser Arbeit.

188 Vgl. Engel, 2008, S. 40. 189 Vgl. Arnold et al., 2005, S. 118, Vgl. Mabert/ Skeels, 2002, S. 76. 190 Vgl. Hannon, 2003. 191 Vgl. Handfield et al., 2002. 192 Vgl. Arnold/Schnabel, 2008. 193 Vgl. Arnold et al., 2005, S. 127. 194 Vgl. Arnold/Schnabel, 2008; Vgl. Arnold et al., 2005.

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Auktionsziele und Vorgehensweisen der beschaffenden Unternehmen

34

einigen Unternehmen durchgeführt.195 Die meisten eRA-Nutzer verzichten bisher jedoch

auf eine solche Betrachtung, obwohl die technischen Möglichkeiten dazu nach Ansicht

einiger Autoren vorhanden sind.196 Allgemein beinhalten TCO „all relevant costs, such as

purchasing administration, follow-up, expediting, inbound transportation, inspection and

testing, rework, storage, scrap, warranty, service, downtime, customer returns, and lost

sales”197. Kostenkomponenten, die in Bezug auf reverse auctions mit einzuplanen und in

die TCO-Betrachtung aufzunehmen sind, beinhalten beispielsweise:

- Gebühren für externe Service Provider, die die Auktion durchführen;

- Switching Costs einer möglichen Lieferantenumstellung198;

- sonstige Liefer-, Leistungs- und Produktparameter, die durch die Vergabe über

eine Auktion geändert wurden199.

Der letzte Punkt kann auch Kostenverschiebungen enthalten, die sich positiv für das

beschaffende Unternehmen auswirken. Kostensenkungspotenziale ergeben sich

beispielsweise durch kürzere Verhandlungszyklen.200 Arnold et al. (2005) weisen zudem

darauf hin, dass eRAs über sichtbare Kostenkomponenten hinaus auch nicht sichtbare und

schwer zu erfassende positive beziehungsweise negative Auswirkungen haben können.201

Ein Beispiel sind beschädigte Lieferantenbeziehungen. Obwohl hier eine qualitative

Erfassung meist unmöglich ist oder einen ungerechtfertigt hohen Aufwand mit sich brächte,

sollte der Einkäufer dazu angehalten sein, diese Effekte trotzdem zu berücksichtigen.

Dieser Ratschlag ist umso schwieriger durchzusetzen, je enger die für die Einkäufer

kommunizierten Anreizsysteme (siehe das folgende Kapitel) an quantitative Ergebnisse der

eRA geknüpft sind. In Abbildung 13 wird die Verschiebung der TCO-Parameter von einer

traditionellen Beschaffung über die ersten eRAs bis hin zu späteren Auktionen dargestellt.

Die Abbildung geht davon aus, dass die Umstellung auf das neue Beschaffungsinstrument

zu Beginn zu einer absoluten Kostenerhöhung führt. Erst im weiteren Verlauf werden durch

die Erzielung von Skaleneffekten tatsächliche Einsparungen realisiert.

195 Vgl. Metty et al., 2005, S. 12 ff. 196 Vgl. Kaufmann/Carter, 2004, S. 22. 197 Leenders/Fearon, 1997, S. 309. 198 Vgl. Mabert/Skeels, 2002, S. 76. 199 Vgl. Metty et al., 2005, S. 13, nennen hierzu z. B. Lieferzeitpunkte oder Fehlertoleranzen. 200 Vgl. Arnold et al., 2005, S. 118, weist jedoch darauf hin, dass diese nicht zwangsläufig zu sinkenden

Prozesskosten führen. 201 Vgl. Arnold et al., 2005.

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Auktionsziele und Vorgehensweisen der beschaffenden Unternehmen

35

Abbildung 13: Veränderung der TCO-Parameter im Zeitverlauf202

3.1.2 Verknüpfung der Zielsetzungen mit Anreizsystemen für

Einkäufer

Allgemein stellen Anreizsysteme „alle aufeinander abgestimmten Maßnahmen dar, Dritte

zu einem für den Anreizgewährer förderlichen Verhalten zu veranlassen“203. Im hier

betrachteten unternehmerischen Kontext ist ein Anreizsystem ein Instrument, das dazu

dient, Menschen bei der Erfüllung ihrer Aufgaben zu einem bestimmten Verhalten zu

bewegen. Dieses Verhalten soll sich dabei durch eine hohe Leistung positiv auf den

Unternehmenszweck auswirken.204 Überträgt man diese Anforderung auf Anreizsysteme

für Einkaufsmitarbeiter, so sollen deren Einkaufsaktivitäten die Unternehmensziele stützen,

die in der jeweiligen Beschaffungssituation für das Unternehmen optimal erreichbaren

Preis-Leistungs-Parameter abbilden. Da diese jedoch vielfach nicht direkt beobachtbar und

messbar sind, ist eine vollständige Verknüpfung des Anreizsystems mit der Zielsetzung

nicht möglich. Häufig wird lediglich die Preiseinsparung (savings), die im Vergleich zu

Katalogpreisen205 oder vorherigen Transaktionen erreicht wurde, als Erfolgsmaß

herangezogen. In der bis dato veröffentlichten empirischen Literatur liegen noch keine

Erkenntnisse über Anreizsysteme für Einkäufer bei eRAs vor. Da Beschaffungsauktionen

primär zur Senkung von Preisniveaus angewandt werden206 und deren Erfolgsmessung in

202 Arnold et al., 2005, S. 126. 203 Vgl. Drumm, 2005, S. 553. 204 Vgl. Hungenberg, 2006, S. 354. 205 Vgl. Backhaus/Voeth, 2010, S. 238. 206 Vgl. Emiliani, 2004, S. 66; Vgl. Hur et al., 2007, S. 404; Vgl. Arnold et al., 2005, S. 116 ff.

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Auktionsziele und Vorgehensweisen der beschaffenden Unternehmen

36

den meisten Fällen jedoch lediglich über Preisreduktionen erfasst wird, ist eine einfache

Verknüpfung der Anreizsysteme bei eRAs an die erzielten Preisreduktionen

wahrscheinlich.

3.2 Auswahl und Entscheidungsprozesse zu eRAs

3.2.1 Auswahl der Beschaffungssituation

Die Literatur nennt drei entscheidende Elemente für den Erfolg einer eRA: das

Beschaffungsobjekt, den Beschaffungsmarkt und die Beschaffungsorganisation. Jedes ist

mit einem Kriterienset verknüpft, das sich auf die Auktionierbarkeit eines

Beschaffungsloses auswirkt. Bei nicht oder nur unvollständiger Erfüllung der Kriterien ist

eine Auktionsanwendung nicht zielführend. Folglich sind eRAs nicht für jedes

Unternehmen praktikabel und können nicht überall zu Kosteneinsparungen führen.207

Beschaffungsobjektkriterien

Die Wertigkeit der über eRAs verhandelten Güter fällt in der Praxis sehr unterschiedlich

aus.208 Die Literatur argumentiert jedoch für möglichst hohe Beschaffungs- und damit

Auktionsvolumina.209 Zum einen sollen die erzielten relativen Preisreduktionen auch zu

signifikanten absoluten Einsparungen führen.210 Zum anderen muss das Auktionsvolumen

attraktiv genug sein, eine ausreichende Lieferantenanzahl zum Bieten zu bewegen.

Smeltzer/Carr (2001) berichten beispielsweise von einer Auktion zur Beschaffung von

Kunststoffteilen, die aufgrund des geringen Volumens keine Bieter fand.211 Große

Auktionsvolumina werden häufig auch durch die Preismodelle externer Service Provider

gefördert, da diese vielfach pauschale Auktionsgebühren verlangen.212 Neben dem

Volumen spielt die strategische Relevanz des Beschaffungsobjekts eine entscheidende

Rolle. So argumentiert Jap (2003) auf Grundlage eines Quasiexperiments, dass die

Kostensenkungen, die durch eRAs möglich sind, stark mit der Objektkategorie verknüpft

sind.213 Olson/Ellram (1997) liefern eine Systematisierung anhand der strategischen

Relevanz und der Schwierigkeit der Beschaffungssituation (difficulty to manage the

207 Vgl. Hur et al., 2007, S. 413; Vgl. Arnold/Schnabel, 2007, S. 94. 208 Vgl. Eichstädt, 2008, S. 116 f. 209 Vgl. Arnold/Schnabel, 2007, S. 88; Vgl. Hur et al., 2007, S. 413; Vgl. Smeltzer/Carr, 2001, S. 984. 210 Vgl. Hur et al., 2007, S. 413. 211 Vgl. Smeltzer/Carr, 2001, S. 984. 212 Vgl. Germer, 2008, S. 318 f. 213 Vgl. Jap, 2003.

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Auktionsziele und Vorgehensweisen der beschaffenden Unternehmen

37

purchase situation).214 Sie unterteilen in: unkritische Objekte (non critical), Hebelobjekte

(leverage), Engpassobjekte (bottleneck) und strategische Objekte (strategic).215 Das Modell

basiert auf dem Ansatz von Krajic, der jedoch die „Supply Market Complexity“ anstelle der

„difficulty to manage the purchase situation“ aufführt.216 Die Matrix ist in Abbildung 14

dargestellt.

Abbildung 14: Beispielhafte Matrixdarstellung von Beschaffungsobjektkriterien217

Aufbauend auf der Matrix argumentiert Van Weele 2002 für den ausschließlichen Einsatz

von eRAs bei Hebelobjekten.218 Für sie spricht nicht nur das hohe Beschaffungsvolumen

(siehe vorheriger Abschnitt), sondern auch die häufige Normiertheit und der hohe Grad an

Standardisierung dieser Güter. Sie ermöglicht eine leichte wie verbindliche

Qualitätsprüfung und einen unkomplizierten Lieferantenwechsel.219 Die Mehrzahl der

Autoren hält elektronische Beschaffungsauktionen jedoch auch für andere Objekte, mit

Ausnahme strategischer Bedarfe, für geeignet.220 Bei Verhandlung der

Beschaffungsmodalitäten der strategisch relevanten Güter werden flexible Zeitspannen,

kreative Freiräume sowie Anpassungsmöglichkeiten der Liefer-/Leistungsparameter für

214 Vgl. Olson/Ellram, 1997, S. 105. 215 Vgl. Skjott-Larsen et al., 2003, S. 206f.; Vgl. Olson/Ellram, 1997, S. 105. 216 Vgl. Krajic, 1983, S. 111; Vgl. Talluri/Ragatz, 2004, S. 53. 217 Vgl. Hur et al., 2007, S. 407. 218 Vgl. van Weele, 2002, S. 148 f. 219 Ebenda. 220 Vgl. Beall et al., 2003.

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Auktionsziele und Vorgehensweisen der beschaffenden Unternehmen

38

integrative Lösungen benötigt.221 Oft sind strategische Beziehung auch von

unvollständigenVerträgen und Lösungskonzepten geprägt.222 In solchen Fällen wäre eine

Auktionsanwendung aufgrund der fehlenden Beschreibbarkeit des Bedarfs nicht möglich.

Ebenfalls nachteilig auf die eRA-Anwendbarkeit wirkt sich eine allzu starke Integration

derZulieferer in die eigene Supply-Chain und damit in die eigene Wertschöpfungskette

aus.223 Bray (2003) argumentiert jedoch, dass sich die Anwendungsmöglichkeiten von

eRAs künftig auch auf strategische Produktkategorien ausweiten werden.224 Diese

Vermutung bestätigte sich in der nachfolgenden Literatur jedoch nicht.225 Das dritte

Kriterium, welches Beschaffungsobjekte für ihre eRA-Eignung zu erfüllen haben, ist eine

gute Spezifizierbarkeit.226 Die Lieferanten brauchen klare Vorgaben, sodass sie die

potenziellen Kosten des Auftrags kalkulieren und ihre Gebote danach ausrichten können.227

Dies gilt sowohl für eindimensionale Auktionen, bei denen der Preis der einzige variable

Parameter ist, als auch für mehrdimensionale Verfahren.228 Bei diesen sind neben dem Preis

noch weitere Dimensionen, beispielsweise die Qualität oder Lieferbedingungen, variabel

und damit Bestandteil der Verhandlung. Über eine Mindestanforderung hinaus müssen hier

Gebotsstufen für die zusätzlichen Kriterien definiert und auch gegeneinander abgewogen

werden.229 Die Spezifikationen lassen sich beispielsweise gut mithilfe von ISO-

Zertifizierungen, Lieferzeiten, Größenangaben oder sonstigen konkreten Liefer- und

Leistungsbedingungen vornehmen.230 Werden Beschaffungsobjekte mit einer mangelnden

Spezifikation auktioniert, führt dies zu zwei negativen Konsequenzen: zum einen zu

mangelndem Bietverhalten, das sich aus Unsicherheit der Lieferanten über die Kosten des

Auftrags und einer mangelnden Lieferantenbeteiligung zusammensetzt231, zum anderen zu

mangelhaften Leistungen. Eine Studie unter Lieferanten der amerikanischen

Luftfahrtindustrie zeigte beispielsweise, dass durch eRAs erzielte Einstandspreissenkungen

häufig nicht gehalten werden konnten. Im Nachhinein traten immer wieder

Leistungskomponenten auf, die zuvor nicht spezifiziert und damit für die Lieferanten

221 Vgl. Raiffa, 1982. 222 Vgl. Hahn/Kaufmann, 2003, S. 275. 223 Vgl. Skjott-Larsen et al., 2003, S. 207; Vgl. Kaufmann/Carter, 2004, S. 20. 224 Vgl. Bray, 2003. 225 Vgl. Kaufmann/Carter, 2004, S. 20. 226 Vgl. Kjerstad/Vagstad, 2000, S. 1243 f. 227 Vgl. Beall et al., 2003, S. 52; Vgl. Smeltzer/Carr, 2003, S. 485. 228 Vgl. Wagner/Schwab, 2004, S. 16 f. 229 Beispielsweise erlaubte Parts Per Million als mögliche Abstufung von 300 auf 200 auf 100 oder die

Auflösung eines Bildschirms für ein Navigationsgerät. 230 Vgl. Smeltzer/Carr, 2001, S. 984; Vgl. Emiliani, 2000, S. 178. 231 Vgl. Hawkins et al., 2009, S. 65.

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Auktionsziele und Vorgehensweisen der beschaffenden Unternehmen

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häufig separat abrechenbar waren.232 Problematisch ist auch, wenn die geforderte Menge

des Beschaffungsobjekts zum Zeitpunkt der Auktion noch nicht absehbar ist. Vor allem bei

hohen Produktfixkosten führt dies zu Kalkulationsunsicherheiten der endgültigen

Stückpreise und damit zu einem Risiko für die Lieferanten bei der Gebotsabgabe.233

Auf diesen Überlegungen aufbauend argumentieren einige Autoren, dass die Komplexität

des Gutes zweitrangig sei, solange das Produkt:

- klar vom Käufer beschrieben werden kann;

- die Zulieferer die vom Käufer kommunizierten Informationen richtig

interpretieren.234

„If you can specify it, you can bid it“235, lautet die auf eine einfache Formel gebrachte

Devise. In der Praxis dürfte jedoch ein Trade-off zwischen der Komplexität eines Gutes

und dem Beschaffungsvolumen auftreten. Ein hohes Beschaffungsvolumen mag die

Aufstellung und Kommunikation umfangreicher Anforderungen eines komplexen Produkts

vor der eigentlichen Verhandlung rechtfertigen. Je niedriger das Volumen und die damit

verbundenen potenziellen Preiseinsparungen jedoch sind, desto eher wird man davon

absehen. Verstärkt wird dieser Effekt durch die Tatsache, dass eine hohe Komplexität auch

auf der Zuliefererseite im Auktionsvorfeld zu hohen Kalkulationskosten führt. Eine hohe

Bieteranzahl bei der Auktionierung komplexer Beschaffungsvolumina ist demnach nur bei

großen Auktionsvolumen zu erwarten, die den Kalkulations- und Vorbereitungsaufwand

rechtfertigen. Konkret geeignet für den eRA-Einsatz hält die Literatur

anwendungsspezifische Maschinenkomponenten, Press- oder Spritzteile, elektronische

Komponenten236, aber auch Dienstleistungen237, IT-Services238 oder Beratungsleis-

tungen239.

Beschaffungsmarktkriterien

Der Beschaffungsmarkt, in dem die Auktionen durchgeführt werden, sollte vor allem drei

Kriterien erfüllen:

232 Vgl. Emiliani/Stec, 2004. 233 Vgl. Lüdtke, 2003, S. 94 ff. 234 Vgl. Kaufmann/Carter, 2004, S. 20. 235 Kaufmann/Carter, 2004, S. 20; Vgl. Wagner/Schwab, 2004, S. 16. 236 Vgl. Emiliani, 2000, S. 178. 237 Vgl. Mabert/Skeels, 2002, S. 76. 238 Vgl. Prema, 2006, S. 47; Vgl. Albano et al., 2008. 239 Vgl. Hur et al., 2005, S. 65.

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Auktionsziele und Vorgehensweisen der beschaffenden Unternehmen

40

- genügend potenzielle Lieferanten;

- hohe Wettbewerbsintensität;

- elastische Produktionspreise.240

Genügend potenzielle Lieferanten: Die meisten Autoren sehen in einer ausreichenden

Wettbewerberanzahl eines der entscheidendsten Kriterien für eine erfolgreiche

Auktionsdurchführung.241 Diese Relevanz verwundert zunächst, bedenkt man, dass eine

englische Auktion ab zwei, eine holländische oder verdeckte Auktion bereits ab einem

Lieferanten erfolgreich durchgeführt werden kann.242 Hawkins et al. (2003) ermitteln

zudem, dass der von den Einkäufern empfundene Wettbewerb entscheidend für ihre

Wahrnehmung einer Anwendbarkeit von Beschaffungsauktionen ist.243 Wildemann (2003)

weist auf die benötigte Qualifizierung der potenziellen Lieferanten hin.244 Dazu nennt er

mögliche Kriterien dieser Qualifizierung, die sich in zwei Kategorien gliedern lassen. Zum

einen in solche, die auch ohne eRA-Anwendung von Relevanz sind, beispielsweise

langfristige Lieferfähigkeit oder Leistungsvergleichbarkeit. Zum anderen in solche, die erst

durch die elektronische Auktionierung eine Rolle spielen, wie beispielsweise den IT-

Umsetzungsgrad.245 Ein Einkäufer, dem an einer hohen Wettbewerberanzahl und einer

dadurch geförderten Rivalität gelegen ist, könnte Qualifizierungskriterien der ersten Art

außer Acht lassen. Die Auktion würde dazu mit unqualifizierten Teilnehmern aufgefüllt

werden, ohne dass die Intention besteht, diesen letztendlich den Zuschlag zu erteilen. Das

Kalkül hierbei ist, dass sich die vom Einkäufer präferierten Lieferanten durch die erhöhte

Konkurrentenanzahl zu niedrigeren Preisen genötigt sehen. Gegen die Vorgehensweise

sprechen nicht nur ethische Bedenken, sondern auch die Tatsache, dass sie nur bei einem

für den Einkäufer nicht bindenden Auktionsergebnis möglich ist. Ein Beispiel für Kriterien

der zweiten Kategorie ist der IT-Umsetzungsgrad. Befinden sich in dem Markt nicht

genügend Lieferanten, die den Kriterien der zweiten Kategorie entsprechen, kann das

beschaffende Unternehmen versuchen, diese demgemäß zu schulen.

240 Vgl. Smeltzer/Carr, 2001, S. 984. 241 Vgl. Arnold/Schnabel, 2007, S. 88; Vgl. Emiliani, 2000, S. 178; Vgl. Berz, 2007, S. 131; Vgl.

Kaufmann/Carter, 2004, S. 20; Schoenherr/Mabert, 2007. 242 Vgl. Kaufmann/Carter, 2004, S. 20; Kaufmann, 2003, berichtet in der Tat von einer holländischen

Auktion, die mangels Alternativen nur mit einem unwissenden Lieferanten durchgeführt wurde. 243 Vgl. Hawkins et al., 2009. 244 Vgl. Wildemann, 2003, S. 227 f. 245 Ebenda.

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Auktionsziele und Vorgehensweisen der beschaffenden Unternehmen

41

Hohe Wettbewerbsintensität: Das zweite Kriterium für die Eignung des

Beschaffungsmarkts ist eine hohe Wettbewerbsintensität unter den Lieferanten.246 Diese ist

häufig eng mit Überkapazitäten im Zielmarkt und einer daraus resultierenden Rivalität

verbunden.247 Zusätzliche wettbewerbsfördernde Anreize entstehen beispielsweise durch

Folgeaufträge oder Cross-Selling-Möglichkeiten, die sich an den Auktionsauftrag

anschließen.248 Die Rivalität wird zudem gesteigert, wenn das beschaffende Unternehmen

einen Wert als Referenzkunde hat.249

Elastische Produktionspreise: Diese Anforderung ist eng mit den Beschaffungsobjekt-

kriterien verknüpft. Sind die Produktionspreise elastisch, so führen die vor der

Auktionierung vorgenommenen Bedarfsbündelungen zu verstärkten Preiseffekten aufgrund

der erhöhten Abnahmemengen.250

Beschaffungsorganisationskriterien

Die einkaufende Institution muss über eine ausreichende organisatorische Infrastruktur

verfügen.251 Zu dieser gehören vor allem der Zugriff auf eine sichere Auktionssoftware und

eigenes oder gekauftes Know-how über deren Anwendung252 sowie die Kommunikation

mit den Lieferanten.253 Dazu müssen kompetente Einkaufsmitarbeiter mit hohem

Marktwissen verfügbar sein254, die zudem die Entscheidung zur Auktionierung mittragen

und fördern.255 Hier besteht eine akute Gefahr der Nichtakzeptanz. Die beschriebenen

Kriterien verdeutlichen, dass das beschaffende Unternehmen über signifikante personelle

wie technische Ressourcen zur Durchführung einer eRA verfügen muss. Verbunden mit

den zuvor erläuterten Beschaffungsobjektkriterien (ein hohes Auktionsvolumen) und

Beschaffungsmarktkriterien (Marktmacht) lässt sich schließen, dass eRAs in erster Linie

für große Konzerne infrage kommen.256

246 Vgl. Kaufmann/Carter, 2004, S. 20; Carter et al., 2004, S. 245. 247 Vgl. Jap, 2002, S. 515; Vgl. Smeltzer/Carr, 2003, S. 486; Vgl. Mabert/Skeels, 2002, S. 74. 248 Vgl. Diller/Seyfrath, 2007, S. 50. 249 Ebenda. 250 Vgl. Smeltzer/Carr, 2003, S. 486. 251 Vgl. Smeltzer/Carr, 2001, S. 984. 252 Vgl. Kaufmann/Carter, 2004, S. 21. 253 Ebenda. 254 Vgl. Hur et al., 2007, S. 413. 255 Vgl. Hawkins et al., 2009, S. 65. 256 Vgl. Hur et al., 2007, S. 413.

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Auktionsziele und Vorgehensweisen der beschaffenden Unternehmen

42

3.2.2 Auswahl der Auktionsdesigns und der Kommunikationsstrategie

Das einkaufende Unternehmen besitzt vielfältige Möglichkeiten zur Gestaltung einer

Beschaffungsauktion. Im Folgenden soll untersucht werden, welche Designs sich in

welcher Beschaffungssituation besonders eignen, um die mit dem Verfahren verknüpften

Zielsetzungen zu erreichen. Die Analyse folgt dabei der in Kapitel 2.1.2 eingeführten

Untergliederung in direkt und indirekt beeinflussbare Auktionsparameter.

Ausgestaltung direkt beeinflussbarer Auktionsparameter in der Praxis:

Auktionstyp: Die Auswahl des Auktionstyps stellt sich in der Praxis primär als eine

Abwägung zwischen der englischen und der holländischen Auktion dar.257 Hier ist eine

Vielzahl an Faktoren zu beachten. So ermittelten empirische Arbeiten und

Experteninterviews eine erhöhte Kollusionsgefahr bei der englischen im Vergleich zur

holländischen Auktionsvariante.258 Bei einer holländischen Auktion nimmt ein eventueller

Kollusionsbrecher seinen Mitbewerbern durch Gebotsabgabe und die gleichzeitige

Beendigung der Auktion jede Möglichkeit, sich auf die neue Situation und den

wiederhergestellten Wettbewerb einzustellen. Bei einer englischen Auktion können die

Teilnehmer nach einem derartigen Vereinbarungsbruch durch die Abgabe eigener nach

unten angepasster Gebote reagieren. Für die holländische Auktion sprechen auch die

Untersuchungsergebnisse der Auktionierung von UMTS-Lizenzen in verschiedenen

europäischen Ländern. Englische Auktionen führten hier bei starken Asymmetrien

zwischen der Leistungsfähigkeit der Lieferanten dazu, dass die Schwächeren den

Wettbewerb als aussichtslos betrachteten.259 Jeder ihrer Gebotsschritte ist den starken

Wettbewerbern klar ersichtlich und kann so leicht und genau abgestimmt unterboten

werden. Eine Tatsache, die unabhängig von der Wahrnehmung wettbewerbsschwacher

Zulieferer gegen die Nutzung englischer Auktionen bei Marktasymmetrien mit einem

starken Wettbewerber spricht. Im Gegenzug geht man davon aus, dass die englische

Auktion zu aggressiverem Bietverhalten und damit auch zu niedrigeren Geboten führt.260

Positiv an englischen Auktionen ist außerdem, dass sowohl den einzelnen Wettbewerbern

als auch dem Einkäufer ein erhöhtes Marktwissen zugänglich wird. Während die

holländische Auktion nur die Preisuntergrenze des niedrigsten und damit nur eines

Lieferanten aufdeckt, ermittelt die englische theoretisch die Preisbereitschaft jedes

257 Vgl. Arnold/Schnabel, 2008. 258 Vgl. Göthlich/Hofer, 2003, S. 8; Vgl. Diller/Seyrath, 2007, S. 59. 259 Vgl. Wolfstetter, 2001, S. 8. 260 Vgl. Engel/Wambach, 2006; Vgl. Parlane, 2003; Vgl. Board, 2007.

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Auktionsziele und Vorgehensweisen der beschaffenden Unternehmen

43

einzelnen Teilnehmers. Carter et al. (2004) legen diese Auktionsform darauf aufbauend vor

allem dann nahe, wenn den Teilnehmern die Wettbewerbssituation verdeutlicht werden

soll.261

Transparenzgrad: Ein verdecktes Auktionsdesign führt zu einem Abbau von Bedenken

bezüglich der Informationssicherheit seitens des beschaffenden262 und der liefernden

Unternehmen. Ebenfalls für ein verdecktes Auktionsdesign spricht die Tatsache, dass

Lieferanten bei allzu großer Transparenz und regelmäßiger Auktionsdurchführung ihre

Bietstrategien anpassen können. Für den Einkäufer ergäben sich dadurch zukünftig

schlechtere Startbedingungen.263 Zu beachten ist zudem, dass mit zunehmender

Transparenz die Durchführung von Preisabsprachen erleichtert wird, da die Teilnehmer ihr

Verhalten gegenseitig besser beobachten und somit kontrollieren können. Einige Autoren

argumentieren auch, dass verdeckte Beschaffungsprozesse zu niedrigeren Preisen führen.

Eine Erklärung hierfür könnte die Tatsache bieten, dass Verfahren, in denen Lieferanten

Unsicherheit empfinden, diese zu aggressiverem Bieten stimulieren.264 Die tatsächliche

Wettbewerberanzahl bleibt im Verborgenen, wodurch der Wettbewerbsdruck steigt.265 Im

Gegenzug stimuliert die Sichtbarkeit des Höchstgebots – im Kontrast zu lediglichen Rank-

eRAs – die Bieter zu niedrigeren Geboten und damit niedrigeren Preisen.266

Preisstufen/Preisschwellen: Primäre Fragestellung zu Preisschwellen elektronischer

Beschaffungsauktionen ist die Festlegung des Startpreises.267 In Bezug auf die

Einstandspreissetzung bei Vorwärtsauktionen existieren hier zwei entgegengesetzte

Theorien: Zum einen kann ein niedriger Startpreis zu vielen Teilnehmern und dadurch zu

einem hohen und damit für den Verkäufer positiven Endpreis führen.268 Zum anderen kann

ein hoher Startpreis als Preisanker fungieren, der einen hohen Objektwert signalisiert. Die

Bieter würden dadurch ebenfalls zu hohen Geboten und der Akzeptanz hoher Preise

stimuliert.269 Überträgt man diese Ansätze auf eRAs, so ergibt sich hier ein Trade-off aus

einem hohen Startpreis, der viele Bieter anziehen, und einem niedrigen Startpreis, der dem

Lieferanten die geringe Wertigkeit des Auftrags suggerieren soll. In der Praxis sind beide

261 Vgl. Carter et al., 2004, S. 246. 262 Vgl. Hartley et al., 2006, S. 215. 263 Vgl. Luton/McAfee, 1986, S. 191. 264 Vgl. Engel, 2008, S. 36. 265 Vgl. Göthlich/Hoefer, 2003, S. 20. 266 Vgl. Carter et al., 2004, S. 256. 267 Vgl. Wildenmann, 2002, S. 37 f.; Vgl. Jap, 2002, S. 516. 268 Vgl. Ariely/Simpnson, 2003, S. 115. 269 Vgl. Tversky/Kahnemann, 1986; Vgl. Ariely/Simpnson, 2003, S. 115.

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Auktionsziele und Vorgehensweisen der beschaffenden Unternehmen

44

Effekte zu erwarten. Die Funktion des Preisankers ist vor allem bei Beschaffungsobjekten

ohne Referenzpreise im Markt von Bedeutung.270 Empirische Erhebungen über die

Differenz von Start- zu Endpreis wie auch von Start- zu Vergangenheitspreisen bei

elektronischen Beschaffungsauktionen liegen zurzeit noch nicht vor. Auf den

beschriebenen Überlegungen aufbauend könnte es sein, dass hohe Startpreise vor allem bei

standardisierten und leicht zu bewertenden Gütern eingesetzt werden, um eine hohe

Wettbewerberanzahl zur Auktionsteilnahme zu motivieren (Wettbewerbseffekt). Niedrige

Startpreise sollten demnach vor allem bei Aufträgen Anwendung finden, deren Aufwand

und damit deren Kostenpotenzial für Zulieferer im vornherein schwer einzuschätzen ist

(Preisankereffekt).

Vertragsbedingungen: In Kapitel 2.1 wurden vier Stufen der einkäuferseitigen Bindung an

das Auktionsergebnis identifiziert. Die Nichtvergabe eines Auftrags im Anschluss an eine

Auktion dürfte selten sein. Einkäufer haben in der Regel eine genaue Vorstellung von den

Gütern, die sie über die Auktion beschaffen wollen.271 Die Größe des Auktionsauftrags

sorgt für eine ausreichende Lieferantenanzahl, sodass ein Nichtabschluss unwahrscheinlich

erscheint. Weitverbreitet ist hingegen die Nachverhandlungsoption.272 Hierbei sind

unangekündigte von angekündigten Nachverhandlungen abzugrenzen. Eine gängige

Variante angekündigter Nachverhandlungen ist die Durchführung einer eRA, bei der sich

eine bestimmte Anzahl von Gewinnern für Nachverhandlungen qualifizieren. Obwohl der

Einkäufer kaum eine Verpflichtung eingeht, ist diese Variante bei Lieferanten nicht

unbeliebt.273 Zum einen behält der Beschaffungsprozess eine persönliche Note.274 Zum

anderen bleiben den einzelnen Lieferanten durch die Nachverhandlung

Differenzierungsspielräume erhalten.275 Zu beachten ist, dass eRAs mit Nachverhandlungen

zu einer geringeren Bietdynamik führen.276 Von der Durchführung unangekündigter

Nachverhandlungen rät die gegenwärtige Literatur ab, um Lieferantenbeziehungen nicht zu

schädigen.277 Trotzdem scheinen sie in der Praxis noch häufig Anwendung zu finden.278

Auch die Vergabe des Auftrags an einen anderen Bieter als den Auktionsgewinner wird in

270 Vgl. Ariely/Simpnson, 2003, S. 115. 271 Vgl. Kaufmann/Carter, 2004, S. 22. 272 Vgl. Arnold et al., 2005, S. 124 f.; Vgl. Daly/Nath, 2005, S. 163. 273 Vgl. Arnold et al., 2005, S. 124. 274 Vgl. Daly/Nath, 2005, S. 163. 275 Vgl. Arnold et al., 2005, S. 124. 276 Ebenda. 277 Ebenda. 278 Vgl. Tassabehji et al., 2004, S. 172 f.

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Auktionsziele und Vorgehensweisen der beschaffenden Unternehmen

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der Praxis oftmals durchgeführt.279 In solchen Fällen empfiehlt die Theorie eine genaue

Kommunikation der Entscheidungsbegründung im Anschluss an die Auktion, um

bestehende Lieferantenbeziehungen nicht zu gefährden.280 Ähnlich wie bei der

Nachverhandlungsoption müssen die Einkäufer jedoch auch hier mit weniger aggressivem

Bietverhalten der Zulieferer in der Zukunft rechnen.281

Bewertung der Gebote: Die Einkäufer können sich entscheiden, ob sie die Gebote der

Bieter ungleich werten und damit eine Diskriminierung durchführen. Die Literatur

beschäftigt sich in dieser Hinsicht mit zwei Fragestellungen. Zum einen mit der

Besserstellung von Zulieferern, an die man den Auftrag lieber vergeben würde als an die

Konkurrenz. Gründe dafür können sein, dass diese Lieferanten bereits bekannt oder schlicht

aus demselben Land wie das beschaffende Unternehmen stammen.282 Zum anderen

beschäftigt sich die Literatur mit der Besserstellung wettbewerbsschwacher Lieferanten. So

wird argumentiert, dass bei Ausschreibungen zu Bau- und Konstruktionsaufträgen, die sich

an Forschungsaufträge anschließen, die Lieferantengruppen, die diese Forschungsaufträge

ausführten, benachteiligt werden sollten. Auf diese Weise würde das mangelnde Know-how

kompensiert und ein fairer Wettbewerb hergestellt.283 Auf der anderen Seite wird davon

abgeraten, finanzschwachen Firmen Boni zu gewähren, da diese die Risikoneigungen der

ohnehin schwachen Bieter verstärken würden.284 Die Anwendung derartig fixer

Gebotsdiskriminierungen dürfte jedoch in der Praxis selten sein. Einerseits ist die genaue

Erfassung der Präferenzen oder Marktasymmetrien und damit die genaue Festlegung der

Boni hochkomplex. Andererseits widersprechen derartige Modifikationen dem fairen

Wettbewerb und sind dementsprechend schwer zu kommunizieren.

Durch den Auktionator nicht direkt beeinflussbare Parameter

Anzahl der Wettbewerber: Den beschaffenden Unternehmen steht es frei, eine beliebige

Lieferantenanzahl zu einer Beschaffungsauktion einzuladen. Da es jedoch die eigentliche

Teilnahme der Zulieferer an der Auktion nicht erzwingen kann, ist die Teilnehmeranzahl

nur indirekt beeinflussbar. Als Erstes ist es dabei von Interesse, mit welcher

279 Vgl. Smeltzer/Carr, 2002, S. 49. 280 Vgl. Lüdtke, 2003, S. 143. 281 Vgl. Wildenmann, 2002, S. 44. 282 Vgl. Göthlich/Hoefer, 2003, S. 7. 283 Vgl. Luton/McAfee, 1986, S. 181 und S. 191. Die Autoren argumentieren zudem, dass die bei der F&E-

Vergabe erfolgreichen Firmen ohnehin Wettbewerbsvorteile besitzen, denen sie diese Aufträge verdanken. 284 Vgl. Engel, 2008, S. 42 f.

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Auktionsziele und Vorgehensweisen der beschaffenden Unternehmen

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Wahrscheinlichkeit eine Einladung zu einer aktiven Auktionsteilnahme führt. Eine

empirische Analyse von 14.000 Beschaffungsauktionen ermittelte eine durchschnittliche

Teilnahmewahrscheinlichkeit von 75,5 % aller eingeladenen Lieferanten.285 Die bisherige

Literatur gibt beschaffenden Unternehmen verschiedene Hinweise, mit wie vielen

Teilnehmern eine Auktionsdurchführung möglich ist und wie viele Bieter optimal für das

Verfahren sind. So argumentiert Kaufmann (2003), dass bereits zwei Lieferanten für eine

erfolgreiche Auktion ausreichendseien, solange nur genügend Rivalität unter ihnen

herrsche.286 Mabert/Skeels (2002) sprechen sich hingegen dafür aus, dass ein einwandfreies

Funktionieren der Auktion erst ab drei Zulieferern gewährleistet ist.287 Dem schließen sich

die mikroökonomischen Studien von McAfee/McMillan (1987) an, die jedoch auf

Verkaufsauktionen zugeschnitten sind.288 Ebenfalls für eine Mindestanzahl von drei bis

fünf Bietern plädieren: Smart/Harrison (2002); Wagner/Schwab (2004); Carter et al.

(2004); Lüdtke (2003) und Kaufmann/Carter (2004).289 Auch bezüglich der optimalen

Bieteranzahl herrscht eine Heterogenität an Meinungen. Carter/Stephenson führten ein

Laborexperiment durch, bei dem sechs Bieter zu deutlich niedrigeren Geboten führten als

drei Bieter.290 Millet et al. (2004) gehen von einer optimalen Anzahl von acht Lieferanten

aus.291 Insgesamt wird sowohl in der mikroökonomischen (meist auf Vorwärtsauktionen

ausgerichteten)292 als auch in der eRA-fokussierten Literatur293 die These vertreten, dass

eine hohe Bieteranzahl zu wettbewerbsintensiveren Geboten führt. Jap weist diesbezüglich

jedoch auch darauf hin, dass eine hohe Bieteranzahl kontraproduktiv wirken kann, wenn

Lieferanten aufgrund des hohen Wettbewerbsdrucks und den daraus resultierenden

geringen Erfolgswahrscheinlichkeiten von der Gebotsabgabe absehen.294 Engel (2008)

warnt weiter, dass mehr Wettbewerb auch das Lieferantenausfallrisiko erhöht. Er

argumentiert, dass die Zulieferer sich aufgrund der hohen Wettbewerbsintensität zu

unökonomischen Geboten drängen lassenkönnten.295 Die Praxis scheint den Empfehlungen

nach einer hohen Lieferantenanzahl zu folgen. So berichtet Emiliani (2000), dass im

285 Vgl. Millet et al., 2004. 286 Vgl. Kaufmann, 2003a, S. 204. 287 Vgl. Mabert/Skeels, 2002, S. 76. 288 Vgl. McAfee/McMillan, 1987, S. 711. 289 Vgl. Smart/Harrison, 2002, S. 282; Vgl. Wagner/Schwab, 2004, S. 22 f.; Vgl. Carter et al., 2004, S. 245;

Vgl. Lüdtke, 2003, S. 206; Vgl. Kaufmann/Carter, 2004, S. 20. 290 Vgl. Carter/Stevens, eine Jahreszahl wird von den Autoren leider nicht angegeben, S. 16. 291 Vgl. Millet et al., 2004, S. 177. 292 Vgl. McAfee/McMillan, 1987, S. 711. 293 Vgl. Mabert/Skeels, 2002, S. 76. 294 Vgl. Jap, 2002. 295 Vgl. Engel, 2008, S. 35.

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Auktionsziele und Vorgehensweisen der beschaffenden Unternehmen

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Vorfeld der Auktion 50 bis 60 fähige Lieferanten und aus diesen ein Mix bisheriger und

neuer Lieferanten zusammengestellt wird.296 Das tatsächliche Vorhandensein einer solch

hohen Zuliefereranzahl dürfte jedoch nur selten auftreten. Primäre Aufgabe des

Beschaffungsmanagements ist es, eine möglichst hohe Lieferantenanzahl ausfindig zu

machen und zur Auktion einzuladen.

Dauer der Auktion: Der zeitliche Rahmen einer englischen Auktion setzt sich aus maximal

zwei Komponenten zusammen: eine Hauptphase und mögliche Verlängerungsintervalle.

Die Hauptphase besitzt einen fixen, zuvor definierten Start- und Endzeitpunkt.297 In Bezug

auf B2C- und C2C-Auktionen wird die Hauptphase in der wissenschaftlichen Literatur

nochmals in drei Intervalle unterteilt: das Start-, das Mittel- und das Endintervall.298

- Das Startintervall beschreibt die Zeit vor der ersten Gebotsabgabe des betrachteten

Bieters.

- Im Mittelintervall muss der Teilnehmer immer wieder abwägen, ob, um wie viel

und wann er sein Gebot erhöht oder im Fall einer Beschaffungsauktion verringert.

- Im Endintervall wird gegebenenfalls ein letztes, irreversibles Gebot abgegeben.299

Der zeitliche Rahmen der Hauptphase wird zwischen 30 Minuten und zwei Stunden

angegeben.300 Werden Verlängerungsintervalle nach der Hauptphase gestattet, liegt ein

weiches Auktionsende (Soft-Close Rule) vor. Bei der Abwägung zwischen dem harten und

dem weichen Ende spielt die Sniping-Strategie, die Gebotsabgabe erst kurz vor

Auktionsende, eine entscheidende Rolle.301 Zielsetzung der Strategie ist es, eine

Gegenreaktion der anderen Teilnehmer durch eine zeitliche Beschränkung zu verhindern.

Die Sniping-Strategie findet bei Auktionen mit Hard-Close Rule nicht nur von Beginn an

mehr Anwendung; sie wird auch bei mehrfachen Auktionen immer häufiger benutzt.

Anders stellt sich dies bei Auktionen dar, die mit einer Soft-Close Rule enden. Hier ist die

Sniping-Strategie nicht zielführend, da durch die automatische Verlängerung des

Verfahrens bei Gebotsabgabe kurz vor dem Ende der Auktion keine zeitliche Beschränkung

entsteht. Daher nimmt die Nutzung der Sniping-Strategie bei weichem Ende im Zeitverlauf

ab.302 Bei konsequenter Sniping-Anwendung aller Teilnehmer in einer Hard-Close-Rule-

296 Vgl. Emiliani, 2000, S. 179. 297 Vgl. Diller/Seyfrath, 2007, S. 161. 298 Vgl. Ariely/Simonson, 2003, S. 115. 299 Vgl. Ariely/Simonson, 2003, S. 117. 300 Vgl. Mabert/Skeels, 2002, S. 76; Vgl. Diller/Seyfrath, 2007, S. 61. 301 Vgl. Ariely et al., 2001. 302 Ebenda.

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Auktionsziele und Vorgehensweisen der beschaffenden Unternehmen

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Auktion stellt sich die Frage nach der Abgrenzung zur Ausschreibung: Es wird jeweils von

jedem Teilnehmer nur ein Gebot abgegeben. Dieses ist zwar für die anderen sichtbar, sie

können darauf aber nicht mehr reagieren. Die Literatur empfiehlt Beschaffungsmanagern

daher ein weiches Ende für ihre Auktionen.303 Auch in der Praxis findet dieses deutlich

häufigere Anwendung. Eine systematische Untersuchung zu den Auswirkungen der beiden

Auktionsdesigns steht jedoch noch aus.304 Die zeitliche Verlängerung im Falle einer Soft-

Close Rule sollte sich nach den relativen, wertmäßigen Gebotsintervallen richten. Je höher

das wertmäßige Gebotsintervall ist, desto größer sollte der zusätzliche zeitliche Spielraum

für erneute Kalkulationen auf Lieferantenseite ausfallen. Bei niedrigeren Gebotsintervallen

ist hingegen eine geringere Verlängerung der Dauer akzeptabel.

Auswahl der Kommunikationsstrategie

Die Erreichung der preis- oder TCO-orientierten Ziele wird auch durch die

Kommunikationsstrategie der eRA-durchführenden Institution unterstützt. Mit den

genannten Auktionsparametern ist diese oft eng verknüpft. So ist es eine Frage der

Kommunikationsstrategie, ob die Lieferanten im Auktionsvorfeld über die Anzahl und

vielleicht auch die Identität ihrer Konkurrenten informiert werden sollen oder nicht; eine

Information, die sich häufig direkt auf die Preissetzung auswirkt. Zusätzlich kann eine

geeignete Kommunikationsstrategie die Auktionswahrnehmung der Lieferanten steuern.

Dies ist doppelt von Bedeutung: So führt eine negative Auktionswahrnehmung zu einer

schlechteren Lieferantenleistung. Diese wird sich in den TCO des Beschaffungsprozesses,

den mit der Beschaffung des Gutes verknüpften Gesamtkosten, niederschlagen. Bei einer

mangelnden Auktionsreputation nehmen zudem weniger Lieferanten an den Auktionen des

beschaffenden Unternehmens teil.305 Die Literatur argumentiert nun, dass Vertrauen in die

Auktion und das auktionsdurchführende Unternehmen seitens der Lieferanten die zentrale

Voraussetzung für eine positive Lieferantenwahrnehmung und eine erfolgreiche Auktion

ist.306 Ziel der Kommunikationsstrategie muss deshalb sein, dieses Vertrauen zu erzeugen.

Dies ist gerade aufgrund der extremen Informationsasymmetrie innerhalb einer

Beschaffungsauktion von Bedeutung.307 Die Asymmetrie ergibt sich beispielsweise durch

das Wissen des Auktionators über die Anzahl der Wettbewerber oder mögliche

303 Vgl. Millet et al., 2004, S. 177. 304 Vgl. Kaufmann, 2003a, S. 206f.; Vgl. Jap, 2002, S. 517. 305 Vgl. Caniėls/Raaij, 2009. 306 Vgl. Arcache, 2003, S. 126. 307 Vgl. Stölzle, 2007, S. 169.

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Auktionsziele und Vorgehensweisen der beschaffenden Unternehmen

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Reservationspreise. Häufig fürchten Lieferanten auch ein aktives Ausnutzen der

Informationsasymmetrien durch Einkäufer, beispielsweise über das Abgeben von

Phantomgeboten.308 Der Auktionator gibt hier selbst Gebote ab, die den Teilnehmern als

Offerten von Mitbietern suggeriert werden. Es wird ein unnatürlicher Wettbewerbsdruck

erzeugt, mit dem Ziel, die Preise weiter zu drücken. Dabei setzt sich der Einkäufer jedoch

dem Risiko aus, dass sein Phantomgebot das niedrigste bleibt.309 Neben Phantomgeboten

ist ein weiteres Risiko für Lieferanten, dass der Einkäufer, ohne vorheriges Wissen der

Bieter, das Auktionsergebnis nicht als finalen Preis anerkennt, sondern weitere

Nachverhandlungen startet.310

Die Entwicklung von Vertrauen in wirtschaftlichen Beziehungen ist bisher ein „under

researched topic“311. Fest steht, dass Vertrauensaufbau innerhalb einer Geschäftsbeziehung

nur in kleinen Schritten erfolgen kann.312 Gründe für den Vertrauensaufbau können zum

einen persönliche Erfahrungen oder Erfahrungen unabhängiger Dritter sein, in denen sich

die Organisation zuverlässig verhalten hat.313 Zusätzlich vertrauensbildend sind

Transparenz und eine offene Kommunikation oder objektiv wahrnehmbare Maßnahmen,

beispielsweise digitale Zertifikate.314 Für einen strukturierten Vertrauensaufbau stehen

einem Unternehmen zwei nachgelagerte Instrumente zur Verfügung: das Signaling und das

Screening. Das Screening beinhaltet im ersten Schritt die Ermittlung von Risikoquellen für

die opportunistische Ausnutzung von Informationsasymmetrien. Das Signaling will diese

Risikoquellen in einem zweiten Schritt abbauen oder zumindest vermindern.315 Dazu stehen

dem Signaling ebenfalls zwei Mechanismen zur Verfügung: die Reputation und die

Selbstbindung.316

Einer Organisation mit einer guten Reputation wird geglaubt, dass ihr zukünftiges

Verhalten sich nach der Reputation richtet und damit vorhersehbar ist. Ihr wird ein

überzeugtes und selbstverständliches Vertrauen entgegengebracht.317 Reputation wird durch

308 Vgl. Beckmann, 1999, S. 296 f. 309 Vgl. Kersten, 2001, S. 28. 310 Vgl. Smeltzer/Carr, 2001, S. 983. 311 Vgl. Welter/Smallbone, 2006, S. 471. 312 Vgl. Stölzle, 2007, S. 155. 313 Vgl. Einwiller, 2000, S. 734 f. 314 Vgl. Einwiller et al., 2000, S. 734 f. 315 Vgl. Stölzle, 2007, S. 158. 316 Vgl. Stölzle, 2007, S. 160. 317 Vgl. Blois, 1999, S. 209.

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Auktionsziele und Vorgehensweisen der beschaffenden Unternehmen

50

ein dauerhaft zuverlässiges Verhalten aufgebaut.318 Dieser sukzessive Aufbau von

Reputation und Vertrauen innerhalb einer Geschäftsbeziehung durch Kontinuität erinnert

stark an den Aufbau einer Marke. Grundlage hier ist eine fortlaufende Einhaltung der durch

die Marke transportierten Leistungsversprechen.319 Übertragen auf B-to-B-Beziehungen

entwickelt sich Vertrauen hier durch die fortlaufende Einhaltung der in der

Geschäftsbeziehung kommunizierten Zusagen und Verpflichtungen.

Der Aufbau einer Auktionsreputation ist für die einkaufende Organisation jedoch nur dann

sinnvoll, wenn die durch sie erzielten Einsparungen über ein besseres Image bei den

Lieferanten die Kosten des fairen Verhaltens übertreffen.320 Dieses ökonomische Kalkül

könnte jedoch durch die weit kurzfristigeren Anreizfunktionen der Einkäufer oder

Einkaufsberater gestört werden. Ein Verantwortungsträger, der davon ausgeht, eine gewisse

Position nur für eine begrenzte Zeit innezuhaben und der an derzeitigen Einsparungen

gemessen wird, dürfte kurzfristige Verhandlungserfolge einem langfristigen

Reputationsaufbau vorziehen.

Die Selbstbindung zielt darauf ab, die durch den Lieferanten empfundenen Risiken durch

eigene Verpflichtungen, wie eine hohe Vertragsdauer oder die Zusicherung eines

bestimmten Auftragsvolumens, zu mindern.321 Zwischen Selbstbindung und Reputation

herrscht ein substitutionales Verhältnis.322 Einem Unternehmen mit guter Reputation bietet

sich die Möglichkeit, Selbstbindungen zu unterlassen, und ein Unternehmen mit guten

Selbstbindungsmechanismen kann auf den Reputationsaufbau verzichten.

318 Vgl. Hosmer, 1995. 319 Vgl. Backhaus/Voeth, 2010, S. 175. 320 Die Argumentation ist dabei angelehnt an die von Backhaus/Voeth, 2010, S. 175, in Bezug auf das

ökonomische Kalkül zur Abwägung der Sinnhaftigkeit eines Markenaufbaus. 321 Vgl. Stölzle, 2007, S. 159. 322 Ebenda.

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Auktionsziele und Vorgehensweisen der beschaffenden Unternehmen

51

Abbildung 15: Mechanismen zum Vertrauensaufbau323

Beide Signaling-Mechanismen werden bei elektronischen Beschaffungsauktionen

angewendet. Manche Organisationen versuchen eine Auktionsreputation aufzubauen,

indem sie opportunistische Verhaltensweisen meiden und so Glaubwürdigkeit herstellen.324

Auch der Weg des Vertrauensaufbaus über eine offene und transparente Kommunikation325

wird in der Praxis beschritten. Dazu werden ausnahmslos alle relevanten

Vergabebedingungen offengelegt326, sodass sich opportunistische Verhaltensweisen

teilweise von selbst ausschließen. Wie weit verbreitet solche Bemühungen unter Einkäufern

sind, ist nicht bekannt. Die negative Wahrnehmung des Beschaffungsinstruments eRA bei

Lieferanten327 deutet jedoch nicht auf allzu starke Bemühungen zum Reputationsaufbau

hin. Die Selbstbindung der Abnehmer kann auf vielfältige Weise erfolgen. So ist bereits vor

der Auktion eine Verpflichtung auf das niedrigste Gebot möglich, egal, von wem oder in

welcher Höhe dieses eingereicht werden wird. Dabei wird deutlich, dass die Selbstbindung

mit hohen Kosten verbunden sein kann. Von Bedeutung ist daher eine gründliche

Lieferantenvorauswahl, um die Vergabe an unseriöse oder nicht lieferfähige Anbieter zu

323 Stölzle, 2007, S. 160. 324 Vgl. Kaufmann/Carter, 2004, S. 22. 325 Vgl. Einwiller et al., 2000, S. 734 f. 326 Vgl. Wagner/Schwab, 2004, S. 20; Kaufmann, 2003a. 327 Vgl. Jap, 2007.

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Auktionsziele und Vorgehensweisen der beschaffenden Unternehmen

52

verhindern.328 Eine weitere Stufe der Selbstbindung ist ein ganzer Katalog von

Commitments, zu denen sich der Einkäufer im Auktionsvorfeld verpflichten kann.

Selbstverständlich kann der Einkäufer solche Commitments auch von den Anbietern

verlangen.329 Prominente Beispiele solcher Auktionsspielregeln sind die „Golden Rules“

der Metro AG330 oder die Verhaltensregeln der Firma Sun Microsystems331. Einzelne

Inhalte dieser Vereinbarungen weichen zwischen verschiedenen Firmen voneinander ab,

das Ziel des Vertrauensaufbaus haben sie jedoch gemeinsam.332

Neben der Selbstbindung und der Reputation zum Vertrauensaufbau existieren noch

weitere wesentliche Komponenten einer Kommunikationsstrategie. Von großer Bedeutung

ist eine vollständige und verständliche Kommunikation der Anforderungen an das

Beschaffungsobjekt, sodass die Lieferanten genau wissen, wofür sie in der Auktion

bieten.333 Zusätzlich müssen die Zulieferer an die technischen Funktionsweisen der

Systeme herangeführt werden, um ein einfaches und sicheres Bieten zu ermöglichen. Dazu

gehört auch, Vertrauen in die IT-Systeme der Auktion zu schaffen.334 Darüber hinaus

besteht die Möglichkeit, die Zulieferer in einem Auktionsfeedback über ihre

Wettbewerbssituation zu informieren und so nochmals die Transparenz des Verfahrens zu

erhöhen.335 Eine Maßnahme, die umso sinnvoller erscheint, je intransparenter das

ursprüngliche Auktionsdesign angelegt war. Die im Theorieteil hergeleiteten

Auktionsparameter (siehe Abbildung 8) müssen in der praktischen Anwendung noch um

die Kommunikationsstrategie ersetzt werden (siehe Abbildung 16).

328 Eine gründliche Lieferantenvorauswahl wirkt ebenfalls vertrauensfördernd, da die Anbieter von einem

seriösen, fairen Wettbewerbsumfeld ausgehen. Vgl. Jap, 2002, S. 517 f.; Vgl. Tassabehji et al., 2006, S. 179:

329 Vgl. Emiliani, 2005, S. 526 ff. 330 Vgl. Kaufmann, 2003, S. 209. 331 Vgl. Carbone, 2005: 332 Vgl. Emiliani, 2005, S. 526 f. 333 Vgl. Arnold et al., 2005, S. 122, bereits im vorherigen Kapitel zu den Beschaffungsobjektkriterien wurde

deshalb auf eine möglichst niedrige Komplexität des Beschaffungsobjekts verwiesen, die mit dem Beschaffungsvolumen im Einklang stehen sollte.

334 Vgl. Arcache, 2003, S. 128; Vgl. Schwab, 2003, S. 32. 335 Vgl. Arnold et al., 2005, S. 125 ; Vgl. Kaufmann, 2003a, S. 207.

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Auktionsziele und Vorgehensweisen der beschaffenden Unternehmen

53

Abbildung 16: Entscheidungsparameter einer elektronischen Beschaffungsauktion

3.2.3 Verknüpfung der Beschaffungssituation mit der Auktionsstrategie

Die vergangenen Kapitel haben gezeigt, dass bei Durchführung einer eRA zwei

Entscheidungsfelder zu berücksichtigen sind: zum einen die grundsätzliche Entscheidung

zur Auktionierung unter Berücksichtigung der aufgezeigten Kriterien Beschaffungsmarkt,

Beschaffungsobjekt und Beschaffungsorganisation, zum anderen die Auswahl des

geeigneten Auktionsdesigns. Hierbei spielen nur noch Beschaffungsmarkt- und

Beschaffungsobjektkriterien eine Rolle. Beschaffende Unternehmen müssen die jeweilige

Situation mit einem Design und einer geeigneten Kommunikationsstrategie verknüpfen.

Diese Zuordnung kann entweder ungestützt oder über ein Entscheidungssystem erfolgen. In

einem solchen System sind entweder alle Auktionsparameter, beispielsweise der

Transparenzgrad oder die Dauer der Hauptphase, variabel und können zu immer neuen

Konstellationen zusammengefügt werden oder es gibt einige fest definierte

Auktionsdesigns, von denen jeweils eines ausgewählt wird. Letztere Option ist weit

weniger komplex und für Mitarbeiter und Technik leichter zu bewerkstelligen.

Beispielsweise können zwei Designs existieren, eines für wettbewerbsintensive Märkte mit

vielen Anbietern und geringer Kollusionsgefahr und eines für segmentierte Märkte mit

wenigen, gut vernetzten Bietern und einer hohen Kollusionswahrscheinlichkeit. Das erste

Design sollte transparent sein, um den hohen Wettbewerbsdruck zu kommunizieren. Beim

zweiten Design wäre hingegen eine verdeckte Variante zu bevorzugen, um mangelnden

Wettbewerb zu verschleiern und Kollusionen zu erschweren. Abbildung 17 stellt den

Aufbau eines möglichen Entscheidungssystems grafisch dar. In einem solchen System sind

zwei Anpassungsmöglichkeiten über die Zeit denkbar: Einerseits können die Markt- und

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Auktionsziele und Vorgehensweisen der beschaffenden Unternehmen

54

Objektkriterien aus den Auktionserfolgen heraus angepasst werden (wie der Pfeil rechts in

der Abbildung andeutet), andererseits können Parameter innerhalb des Auktionsdesigns

wechseln (beispielsweise eine Verschlechterung des Transparenzgrades in Auktionsdesign

B) oder sogar komplette Designs hinzugefügt oder entfernt werden.

F eedback über Auktionserfolg, ggf. Anpassung  des  E ntscheidungs‐

systems

Abbildung 17: Entscheidungssystem zur Auswahl des Auktionsdesigns

3.3 ERA-Einbindung in den Beschaffungsprozess

3.3.1 Initiatoren und Treiber der eRA-Einführung

Die Umstellung von Face-to-Face- oder anderen traditionellen Verhandlungsmechanismen

auf Beschaffungsauktionen benötigt Initiatoren und Treiber innerhalb des beschaffenden

Unternehmens.336 Hier lässt sich eine Initiierung von der Konzernleitung, bei der die eRA-

Nutzung der Einkaufsabteilung vorgegeben wird (top-down), und die Initiierung der

Einkaufsabteilung, die der Unternehmensführung die eRA-Nutzung vorschlägt (bottom-up)

336 Die Informationen über die Möglichkeiten von Beschaffungsauktionen können zuvor auf vielfältige Weise

in das Unternehmen gelangt sein: Wissenschaftliche Artikel, Mund-zu-Mund-Propaganda oder Werbung von externen Service Providern (auf die im folgenden Abschnitt näher eingegangen wird).

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Auktionsziele und Vorgehensweisen der beschaffenden Unternehmen

55

abgrenzen. In der Praxis sind beide Prozesse ungefähr gleich häufig verteilt.337 Widerstand

kommt jedoch nicht selten von den Einkäufern mit direktem Lieferantenkontakt.338 Die

Literatur nennt zwei Ursachen für diesen Widerstand. Zum einen stören eRAs die mühsam

aufgebauten Lieferantenbeziehungen.339 Nur in Ausnahmefällen berichten Einkäufer, dass

die Geschäftsbeziehungen durch Beschaffungsauktionen verbessert wurden, meist trat eine

Verschlechterung ein.340 In gewisser Weise stellen eRAs sogar den Wert partnerschaftlicher

Beziehungen infrage.341 Das zweite Widerstandsmotiv ist, dass Auktionen die zentrale

Stärke der Einkäufer, eine intensive Lieferantenkommunikation, untergraben. In dem

Verfahren werden nur noch sehr einseitig Informationen vorgegeben und darauf lediglich

Preisvorschläge erwartet.342 Interne Widerstände wurden dementsprechend als eine der

Hauptursachen für ein Scheitern elektronischer Beschaffungsauktionen ausgemacht.343

Einige Autoren argumentieren deshalb, die Widerstände seien bei einer Top-down-

Implementierung höher als bei einer Bottom-up-Einführung.344 Ein Instrument zur

Überwindung solcher Widerstände ist eine klare Kommunikation der Gründe für die eRA-

Einführung345, ein weiteres sind Mitarbeiterschulungen, die diesen die Vorteile der

Beschaffungsauktionen näherbringen sollen.346

Von der Initiierung der Auktion zu trennen ist deren Durchführung. Dabei ist zunächst zu

unterscheiden, ob das beschaffende Unternehmen die benötigten Ressourcen vollständig

selbst zur Verfügung stellt oder sich externe Unterstützung einkauft. Wird das gesamte

Verfahren selbstständig abgewickelt, so ist ein spezialisiertes Team innerhalb der

Einkaufsabteilung zu bilden, welches die einzelnen Schritte des Beschaffungsprozesses

sukzessive abarbeitet.347 Externe Hilfe kann die Firma durch auf Beschaffungsauktionen

337 Vgl. Carter et al., 2004, S. 237. 338 Vgl. Carter et al., 2004, S. 237. 339 Vgl. Smeltzer/Carr, 2002, S. 48. 340 Vgl. Smeltzer/Carr, 2001, S. 984. 341 Vgl. Jap/Mohr, 2002, S. 34f. 342 Vgl. Skjott-Larsen, 2003, S. 207. 343 Vgl. Arnold et al., 2005, S. 122. 344 Vgl. Hawkins et al., 2009, S. 65. 345 Auch die Kommunikation nach außen kann zur Steigerung der internen Akzeptanz beitragen, nämlich

dann, wenn dadurch die Beziehungen zwischen Einkäufern und Lieferanten weniger stark belastet werden. 346 Vgl. Carter et al., 2004, S. 238. Die Autoren berichten beispielsweise von einem Unternehmen, in dem 300

Mitarbeiter je 13 Stunden zu eRAs geschult wurden. 347 Vgl. Emiliani, 2000, S. 177 ff.

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Auktionsziele und Vorgehensweisen der beschaffenden Unternehmen

56

spezialisierte Dienstleister oder Plattformbetreiber erhalten.348 Wie Abbildung 18 zeigt,

unterstützen diese als dritte Partei zwischen Anbieter und Nachfrager den Auktionsprozess.

Abbildung 18: Einbettung des Dienstleisters in den Auktionsprozess349

Diese Unterstützung kann entweder über den gesamten Beschaffungsprozess oder nur

phasenweise erfolgen.350 Des Weiteren ist zu differenzieren, ob der Dienstleister

technische, personelle oder eine Kombination beider Ressourcen zur Verfügung stellt.

Technische Ressourcen sind in der Regel neutrale und sichere Systeme, mit denen die

Auktionen durchgeführt werden.351 Häufig funktionieren die Systeme auch als virtuelle

Marktplätze, die möglichst viele Anbieter und Nachfrager anziehen sollen. Die

Marktplatzbetreiber werden dann von Abnehmern mit der Durchführung einzelner

Auktionen beauftragt.352 Allgemein stellen elektronische Marktplätze Systeme dar, in denen

Nachfrager und Anbieter Informationen über Angebote und Bedarfe, Preise und

Preisbereitschaften austauschen und daran anschließend Transaktionen abwickeln

können.353 Kurz nach der Jahrtausendwende entstand eine Vielzahl dieser

Handelsplattformen, von denen sich jedoch bei Weitem nicht alle auf dem Markt behaupten 348 Vgl. Saggau, 2007, S. 51; Vgl. Arnold et al., 2005, S. 117; Vgl. Wildemann, 2002, S. 2; Vgl. Diller et al.,

2005, S. 399 f.; Vgl. Jap, 2001, S. 4 f.; Vgl. Buchwalter, 2001, S. 17. 349 Sashi/O‘Leary, 2002, S. 107. 350 Vgl. Jap, 2001, S. 4; Vgl. Arnold et al., 2005, S. 117; Vgl. Buchwalter, 2001, S. 17. 351 Vgl. Saggau, 2007, S. 51. 352 Vgl. Skiera/Spann, 2004, S. 1042. 353 Vgl. Bakos, 1991, S. 296; Vgl. Segev et al., 1991, S. 139.

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Auktionsziele und Vorgehensweisen der beschaffenden Unternehmen

57

konnten.354 Ein Grund ist die Tatsache, dass große Unternehmen zunehmend eigene

Beschaffungsplattformen aufbauen. Neben den Kosteneinsparungen für externe Betreiber

profitieren sie dabei von der Generierung zugeschnittener Daten der

Beschaffungsmarktforschung.355 Die Treuhänderrolle der externen Dienstleister356 geht so

für die einkaufenden Konzerne jedoch verloren. Personalressourcen beziehungsweise

Beratungsleistungen sind beispielsweise Markt- und Gebotsanalysen357 oder

Hilfestellungen beim Design der Auktion.

Nach der Intensität der Beratungsleistungen klassifizieren Hur et al. (2007) drei

Dienstleistungsstufen. Bei allen drei wird von einer vollständig technischen Unterstützung

ausgegangen.

- Full Service: Das beschaffende Unternehmen übergibt dem Dienstleister die

gesamte Prozessverantwortung, von der Lieferantenidentifikation über die

Lieferantenschulung bis zur nachträglichen Gebotsanalyse.

- Self Service: Das beschaffende Unternehmen führt die Auktion selbstständig

unter Verwendung der technischen Ressourcen des Dienstleisters durch. Dieser

beschränkt sich auf Softwareupdates und Einkäuferschulungen.

- Hybrid E-Auction: Diese Form entspricht dem Self Service, jedoch mit

phasenweisem Zugriff auf die Beratungsleistungen des Dienstleisters.358

Neben dieser Klassifizierung ist es auch möglich, dass ein Unternehmen über ausreichende

technische Möglichkeiten verfügt, sich aber externe Beratungsleistungen einkauft, um eine

möglichst effiziente Auktionsabwicklung zu erreichen.359 Auch können diese

Beratungsleistungen phasenweise oder in Kombination mit begrenzten technischen

Ressourcen nachgefragt werden. Aufbauend auf den Überlegungen von Hur et al. (2007)

systematisiert Abbildung 19 unterschiedliche Dienstleistungskombinationen für

elektronische Beschaffungsauktionen.

354 Vgl. New, 2008, S. 96 ff. 355 Vgl. Saggau, 2007, S. 52. 356 Vgl. Kaufmann, 2003a, S. 209 f. 357 Vgl. Emiliani, 2000, S. 177. 358 Vgl. Hur et al., 2007, S. 408. 359 Vgl. Meyer, 2008.

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Auktionsziele und Vorgehensweisen der beschaffenden Unternehmen

58

Abbildung 19: Dienstleistungskombinationen für elektronische Beschaffungsauktionen

Die Aufwendungen für Dienstleister und Service Provider sind sehr heterogen. Arnold et al.

(2005) ermittelten auf Basis von 19 Experteninterviews Kosten zwischen 600 und 40.000 €

für die Durchführung einer Auktion (der Durchschnitt lag bei 4.150 €; der Median bei

2.500 €). Neben der Anzahl nachgefragter Leistungen (technische und personelle) waren

das Ordervolumen und die Auktionserfahrenheit der einkaufenden Institution mit den

Kosten für den Dienstleister korreliert. Auktionserfahrene Unternehmen zahlten für die

gleichen Leistungen weniger.360 Ob die niedrigeren Kosten dabei in einem erhöhten

Fachwissen und damit einer geringeren Beratungsintensität oder aber einem höheren

Markt-Know-how über die Preise der Provider begründet liegen, ist nicht ersichtlich.

Angesichts dieser für Beratungen anfallenden Kosten ist es nicht verwunderlich, dass die

Literatur beschaffenden Unternehmen rät, das externe Wissen zu Auktionen schnell zu

internalisieren und dann höhere Rückflüsse zu erzielen.361 Empirischen Erhebungen zufolge

greifen fast alle Einkäufer während der ersten Auktionen auf externe Anbieter zurück und

fahren diese Nachfrage dann sukzessive herunter, nachdem sie selbst Know-how aufgebaut

haben.362 Tabelle 1 stellt die unterschiedlichen Nutzenarten (Benefits) der Dienstleister im

Zeitverlauf dar. Auffällig ist, wie viele der Nutzenarten mit der Zeit an Wert verlieren.

360 Vgl. Arnold et al., 2005, S. 120. 361 Vgl. Mabert/Skeels, 2002, S. 76. 362 Vgl. Hur et al., 2007, S. 408.

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Auktionsziele und Vorgehensweisen der beschaffenden Unternehmen

59

Benefit Value then Value now

1. Tested software, support and project management High High

2. Identification of new suppliers High Low

3. Auction process training High Low

4. Transition of current supplier base High Low

Tabelle 1: Vorteile externer Service Provider im Zeitverlauf363

3.3.2 Darstellung des auktionsintegrierten Beschaffungsprozesses

Eine Beschaffungsauktion besteht aus einem Softwaretool und einem Bietprozess.364 Dieser

fügt sich meist in einen Beschaffungsprozess mit vielerlei traditionellen Elementen ein und

stellt dabei zeitlich nur einen sehr geringen Teil dar.365 Eine Beschaffung lediglich über

eine eRA ist äußerst selten.366 Eine Vielfalt an kommunikativen und organisatorischen

Aktivitäten findet vor, während und nach der Auktion statt. Diese schließen häufig auch

andere Verhandlungsschritte wie Face-to-Face-Erläuterungen oder Face-to-Face-

Nachverhandlungen mit ein, weshalb man von auktionsintegrierten Beschaffungsprozessen

spricht.367 Abbildung 20 stellt die Kombination verschiedener Interaktionsmöglichkeiten

und sich daraus ergebende Verhandlungsvarianten dar.

363 Vgl. Mabert/Skeels, 2002, S. 74. 364 Vgl. Mabert/Skeels, 2002, S. 74. 365 Vgl. Mabert/Skeels, 2002, S. 74, schätzen, dass die Auktion, die häufig nur eine halbe Stunde dauert,

lediglich 2 bis 3 % des Gesamtzeitaufwands ausmacht. 366 Vgl. Kaufmann, 2003a, S. 203. 367 Vgl. Kaufmann/Germer, 2004, S. 62; Vgl. Kaufmann/Carter, 2004, S. 18f.

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Auktionsziele und Vorgehensweisen der beschaffenden Unternehmen

60

Abbildung 20: Systematisierung verschiedener Verhandlungsvarianten368

Eine idealtypische Integration der eRA in den Beschaffungsprozess wurde bereits von

mehreren Autoren vorgenommen.369 Im Folgenden wird der auktionsintegrierte

Beschaffungsprozess exemplarisch auf der Grundlage von Arnold et al. (2005)370

dargestellt. Hier ist der Prozess, wie in Abbildung 21 verdeutlicht wird, in vier Phasen

unterteilt: die Analysephase, die Auktionsanbahnung, die Vereinbarungs- und schließlich

die Abwicklungsphase. Die einzelnen Phasen untergliedern sich wiederum in mehrere

Schritte.

stra

tegi

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alys

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pro

ble

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nal

ysis

„fitn

ess“

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tion

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eRA

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eval

uatio

n

sett

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ent

information management (monitoring/controlling)

Procurement Process

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Procurement Process

Abbildung 21: Der auktionsintegrierte Beschaffungsprozess371

368 Kaufmann/Carter, 2004, S. 19. 369 Vgl. Emiliani, 2000; Vgl. Smeltzer/Ruzucka, 2000; Vgl. Meier et al., 2002; Vgl. Beall et al., 2003; Vgl.

Kaufmann, 2003a; Vgl. Kaufmann/Carter, 2004; Vgl. Buchwalter, 2001; Vgl. Arnold et al., 2005. 370 Vgl. Arnold et al., 2005. 371 Arnold et al., 2005, S. 117.

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Auktionsziele und Vorgehensweisen der beschaffenden Unternehmen

61

Die erste Prozessstufe des eRA-gestützten Beschaffungsprozesses ist die Analysephase

(problem analysis). Hierbei wird sowohl die strategische Ausgangslage in der

Beschaffungssituation als auch das Beschaffungsobjekt selbst einem Fitnesstest auf die

eRA-Eignung unterzogen.372 Die Einkäufer bewerten die „suitability of the different

solutions for their specific commodities supplier relation and portfolio of purchasing

requirements”373. Die strategische Analyse umfasst dabei die markt- und

unternehmensbedingten Voraussetzungen, die die Beschaffungssituation beeinflussen.374

Die Untersuchung des Beschaffungsmarkts geschieht unter Zuhilfenahme der in Kapitel

3.1.2 aufgezeigten Kriterien. Unterstützend bei der Generierung von Marktwissen ist die

Beschaffungsmarktforschung. In Verbindung mit eRAs wird sie meist elektronisch

durchgeführt. Sie sammelt Informationen und bereitet diese auf, um die Entscheidungen der

Beschaffungsmanager zu unterstützen.375 Um die Kompatibilität der Auktionsanwendung

mit der Unternehmensstrategie zu untersuchen, werden in einem ersten Schritt die

unternehmensübergreifenden Zielsetzungen in beschaffungsbezogene Zielsetzungen

heruntergebrochen und dann in Beschaffungsstrategien übersetzt.376 In einem zweiten

Schritt können diese auf ihre eRA-Kompatibilität überprüft werden. Von mindestens

ebenso hoher Relevanz ist die Fitnessanalyse des Beschaffungsobjekts. Eine falsche

Auswahl an dieser Stelle gilt als die häufigste Ursache für das Scheitern einer Auktion.377

Hierbei erfolgt die Auswahl unter Rückgriff auf die Kriterien aus Kapitel 2.1.2.

Danach erfolgt die Auktionsanbahnung, die „Initiation“. Sie ist bei einer elektronischen

Beschaffungsauktion mit mehr Aufwand verbunden als bei einer traditionellen Face-to-

Face-Verhandlung.378 Fallstudien zufolge umfasst sie ungefähr 50 Personentage.379 Die

Initiation besteht aus der Bedarfsspezifikation und der Lieferantenvorauswahl. Die

Bedarfsspezifikation definiert die genaue Ausprägung des Objekts.380 Sie umfasst häufig

mehrere Varianten des Produkts oder der Dienstleistung und damit verschiedene

Einzelspezifikationen381, von denen im Prozessverlauf eine ausgewählt wird. Da eine

Auktion keine Zeit für Nachfragen und Erläuterungen ermöglicht, müssen die 372 Vgl. Arnold et al., 2005, S. 122. 373 Vgl. De Boer et al., 2002, S. 25. 374 Vgl. Essig/Kärner, 2001, S. 1. 375 Vgl. Wirtz/Keineicken, 2003, S. 252 f. 376 Vgl. Wirtz/Keineicken, 2003, S. 251. 377 Vgl. Arnold et al., 2005, S. 122. 378 Vgl. Smeltzer/Carr, 2003, S. 117. 379 Vgl. Mabert/Skeels, 2002, S. 74. 380 Vgl. Hofbauer/Bauer, 2004, S. 38. 381 Vgl. Geerkens, 2001, S. 48.

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Auktionsziele und Vorgehensweisen der beschaffenden Unternehmen

62

Spezifikationen sehr genau sein. In der Praxis ergeben sich dafür häufig Einsparpotenziale

durch Standardisierungen und Bündelungen382 sowie durch eine erleichterte Interaktion mit

den Lieferanten in weiteren Prozessschritten.383 Ein spezielles Team nimmt alle relevanten

Parameter eines Beschaffungsobjekts auf und fertigt daraus die Spezifikation an.384 Der

erste Schritt der Lieferantenvorauswahl (supplier selection) besteht in der Ermittlung aller

Anbieter, die über die Fähigkeiten verfügen, den Auftrag nach einem Zuschlag zu erfüllen.

Dabei wird zunächst eine Vielzahl an Zulieferern aufgenommen, wobei häufig auf bereits

bekannte Kontakte zurückgegriffen wird.385 Ergänzend kommen Firmendatenbanken und

Lieferantensuchdienste zum Einsatz.386 Der gesammelte Anbieterpool wird dann auf die

konkrete Lieferfähigkeit hin überprüft. Hierbei spricht vieles für eine rigorose Auswahl.

Zum einen wird dadurch die weitere Abwicklung erleichtert, zum anderen ein faires

Wettbewerbsumfeld geschaffen387 und dadurch (wie bereits in Verbindung mit den

Kommunikationsstrategien beschrieben) lieferantenseitiges Vertrauen aufgebaut.388 Primäre

Kriterien der Lieferfähigkeit sind die Marktstellung, das Qualitätssystem oder vorhandene

Kapazitäten.389 Der Auswahlprozess erfolgt nun trichterförmig aus der anfangs erstellten

Zuliefererliste.390 In jedem Prozessschritt wird die Erfüllung weiterer Kriterien überprüft

und die Lieferantenzahl damit sukzessive gesenkt. Haben Zulieferer alle diese

Auswahlschritte überstanden, werden sie zu der Auktion eingeladen. Die durchschnittliche

Anzahl dieser Gruppe beträgt ungefähr zehn Lieferanten.391 Die nächste Aufgabe der

Einkäufer besteht darin, dafür zu sorgen, dass möglichst viele der ausgewählten Zulieferer

tatsächlich an der Auktion teilnehmen.392 Wichtige Faktoren dabei sind beispielsweise der

„supplier fit“ auf das beschaffende Unternehmen, die Auktionscharakteristika393 oder der in

Kapitel 3.2.2 dargestellte Aufbau einer Auktionsreputation.

Die Prozessphase Vereinbarung (Agreement) besteht aus den Schritten Vorbereitung

(Preparation), der eRA-Durchführung (eRA procedure) und der Auswertung (Evaluation).

382 Vgl. Kaufmann/Germer, 2004, S. 63. 383 Vgl. Arnold et al., 2005, S. 122. 384 Vgl. Emiliani, 2000, S. 178. 385 Vgl. Arnold et al., 2005, S. 120. 386 Vgl. Wirtz/Keineicken, 2003, S. 252 f. 387 Vgl. Carter, 2004, S. 242. 388 Vgl. Jap, 2002, S. 517 f.; Vgl. Kaufmann, 2003a, S. 208 f. 389 Vgl. Wildemann, 2003, S. 233; Vgl. Jap, 2002, S. 518. 390 Vgl. Aust et al., 2000, S. 30. 391 Vgl. Millet et al., 2004, S. 171 spricht innerhalb seiner Studie von 10,4 Lieferanten bei einer

Standardabweichung von 14,4 und einer Spannweite von 2 bis 156. 392 Vgl. Millet et al., 2004, S. 171. 393 Vgl. Millet et al., 2004, S. 174.

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Auktionsziele und Vorgehensweisen der beschaffenden Unternehmen

63

In der Vorbereitungsphase wird das Auktionsdesign bestimmt. Die Kriterien aus Kapitel

3.2.2 werden mit der Beschaffungssituation durch einfache Abwägungen, Heuristiken oder

speziellen Entscheidungssystemen394 in Einklang gebracht.395 Limitiert werden die

theoretisch möglichen Designs durch die Beschränkungen des Softwareprogramms.396 Zur

Vorbereitungsphase zählen auch Einweisungen und Schulungen der Lieferanten, die mit

dem Beschaffungsinstrument an sich und mit den speziellen Ausprägungen und technischen

Funktionsweisen der geplanten Auktion vertraut gemacht werden. Diese Einweisungen

können sehr zeitintensiv sein, da sie häufig Einzelgespräche erfordern.397 Dazu hat es sich

bewährt, realitätsgetreue Testauktionen durchzuführen, die die Lieferanten sowohl mit der

Software als auch mit den Bietprozessen vertraut machen.398 In dem Schritt „eRA-

Durchführung“ findet die eigentliche Auktion statt. Für den Beschaffungsprozess ist dabei

von Bedeutung, ob die Auktion die einzige Verhandlungsstufe darstellt oder ob weitere

Verhandlungen folgen, die dann meist Face-to-Face durchgeführt werden.399 In diesen

Fällen steigen die administrativen Kosten des beschaffenden Unternehmens, und die

erzielten Preisreduktionen gehen verloren.400 Auch können verschiedene Auktionen

hintereinander geschaltet werden.401 In der Praxis wird dabei häufig von einer englischen,

gefolgt von einer holländischen Auktion berichtet.402 Die Lieferanten unterbieten sich

zunächst sukzessive von einem Ausgangspreis ausgehend. Danach wird unter dem

niedrigsten Gebot der englischen Auktion der Startpreis der holländischen Auktion

festgelegt, der sich in definierten Zeit- und Preisintervallen erhöht. Den Lieferanten wird so

in einem ersten Schritt die Intensität des Wettbewerbs vor Augen geführt. Im zweiten

Schritt werden sie diesem Wettbewerb in einer Situation ausgesetzt, in der ihre

Entscheidungen irreversibel sind.403 Um in der Einkaufsabteilung ein Bewusstsein für

Auktionen und ihre Möglichkeiten zu schaffen, wird empfohlen, die Auktion auf

Bildschirmen in der Einkaufsabteilung zu übertragen.404

394 Wie sie in Kapitel 3.2.3 vorgestellt werden. 395 Vgl. Arnold et al., 2005, S. 123. 396 Vgl. Arnold/Schnabel, 2007, S. 98 f. 397 Vgl. Arnold et al., 2005, S. 124, sprechen von ca. zwei Stunden pro Gespräch. 398 Vgl. Kaufmann, 2005a, S. 205 ff. 399 Vgl. Kaufmann, 2003a, S. 201; Vgl. Arnold/Schnabel, 2007, S. 89. 400 Vgl. Arnold et al., 2005, S. 117 und S. 124. 401 Vgl. Kaufmann/Carter, 2004, S. 22. 402 Vgl. Meyer, 2008. 403 Wie in Kapitel 2.1.2 dargelegt, ist bei einer holländischen Auktion nicht nur die Entscheidung zur

Gebotsabgabe bindend, sondern auch die Nichtabgabe, denn sobald ein Wettbewerber ein Gebot eingereicht hat, ist kein nachträgliches Unterbieten mehr möglich.

404 Vgl. Mabert/Skeels, 2002, S. 76.

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Auktionsziele und Vorgehensweisen der beschaffenden Unternehmen

64

Der letzte Schritt der Vereinbarungsphase ist die Auswertung. Während der Auktion

werden automatisch alle Eingaben der Teilnehmer gespeichert. Für umfangreiche Analysen

dieser Daten existieren spezifische Softwarelösungen.405 Die Analysen können

unternehmensintern und nach außen hin eingesetzt werden. So empfiehlt es sich besonders,

unerfahrenen Lieferanten ein Feedback über ihr Auktionsverhalten zu geben.406 Intern

lassen sich sukzessive Datenbanken aufbauen, in denen immer mehr Wissen aus Auktionen

gesammelt wird.407 Aus diesem Datensatz können Analysen zu Marktpreisen,

Kostenstrukturen oder der E-Readiness einzelner Lieferanten abgeleitet werden.408

Die letzte Phase ist die Abwicklung (Settlement) des über die eRA vergebenen Auftrags.

Über den gesamten Prozess sollten ein Monitoring und Controlling der

Zielerreichungsgrade der einzelnen Schritte stattfinden.

405 Vgl. Elmaghraby, 2007, S. 411. 406 Vgl. Arnold et al., 2005, S. 125 ; Vgl. Kaufmann, 2003a, S. 207. 407 Vgl. Hur et al., 2006, S. 25 f. 408 Vgl. Arnold et al., 2005, S. 125.

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65

4 Marktstrukturveränderungen und lieferantenseitige

Wahrnehmung von eRAs

4.1 Marktstrukturveränderungen als determinierende

Wahrnehmungsvariablen

Das vorgegangene Kapitel hat in idealtypischer Weise gezeigt, wie einkaufende

Unternehmen bei Anwendung elektronischer Beschaffungsauktionen vorgehen. Nun gilt es,

die Ausprägungen und Ursachen des daraus resultierenden Lieferantenverhaltens zu

untersuchen. Dem MSCP-Paradigma folgend lässt sich eine Verhaltensanpassung auf

Veränderungen in der Marktstruktur zurückführen.409 In einem ersten Schritt wird

untersucht, welche Marktstrukturverschiebungen sich durch die eRA-Anwendung für

Zulieferer ergeben können. Diese Verschiebungen werden durch zwei Bedingungen

charakterisiert: Sie dürfen aus Sicht der Lieferanten in der kurzen Frist nicht veränderbar

sein und müssen sich zugleich auf deren Handlungen auswirken.410 Das Paradigma

postuliert nun eine direkte Ableitung des Marktverhaltens aus den Strukturveränderungen

und betrachtet nicht die Wahrnehmung dieser seitens der Handelnden. Es ist jedoch davon

auszugehen, dass die lieferantenseitigen Reaktionen umso heftiger ausfallen, je stärker und

polarisierter das Beschaffungsinstrument wahrgenommen wird. Aus diesem Grund stellt die

vorliegende Analyse die Lieferantenwahrnehmung als intervenierende Variable zwischen

die Marktstruktur- und die Marktverhaltensänderung. Den theoretischen Rahmen dieser

Vorgehensweise bildet die „Theory-of-Reasoned-Action“ nach Fishbein/Ajzen. Sie

postuliert die Verknüpfung zwischen der Einstellung gegenüber einer Handlung und der

Durchführung der Handlung an sich.411 Der Zusammenhang wurde in vielfältigen

empirischen Studien bestätigt.412 Sheppard et al. (1988) schließen nach Durchführung einer

Metaanalyse zu Werken zur Theory-of-Reasoned-Action, dass das Modell einen hohen

Prognosecharakter auch in Bezug auf Situationen hat, die nicht in der ursprünglichen

Modellintention liegen.413 Das Konstrukt der Einstellung gegenüber einer Handlung ist

jedoch für Probanden nur abstrakt zu fassen und daher schwierig abfragbar. Fazio et al.

409 Vgl. Bester, 2004, S. 3. 410 Vgl. Bain, 1968, S. 7 und S. 9; Vgl. Bartling, 1980, S. 21 f. 411 Vgl. Ajzen/Fishbein, 1980, S. 5 ff. 412 Vgl. Ajzen, 1980, S. 115 ff. 413 Vgl. Sheppard et al., 1988, S. 325 ff.

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Marktstrukturveränderungen und lieferantenseitige Wahrnehmung von eRAs

66

(1989) ersetzten es daher mit der Einstellung gegenüber einem Objekt.414 Übertragen auf

den untersuchten Zusammenhang bedeutet dies, dass das Reaktionsverhalten auf

elektronische Beschaffungsauktionen zentral von der Wahrnehmung der eRAs determiniert

wird. Dabei unterscheiden wir die reine Wahrnehmung der Fairness, des

Verhandlungsinstruments und den Einfluss von eRAs auf die Qualität der

Geschäftsbeziehung.

Die Einsetzung der Lieferantenwahrnehmung zwischen die beiden industrieökonomischen

Konstrukte Marktstruktur und Marktverhalten ist mit dem Übergang von einem S-R-Modell

(Stimulus-Response-Modell) zu einem S-O-R-Modell (Stimulus-Organism-Response-

Modell) vergleichbar. Einem S-R-Modell zufolge führt ein gesetzter Reiz (Stimulus) direkt

zu einer Reaktion des Individuums (behavioristische Erklärungsansätze).415 Im S-O-R-

Modell fungiert der Organismus als intervenierende, nicht direkt messbare Variable416

zwischen den beiden anderen Konstrukten (neobehavioristische Erklärungsansätze). In der

vorliegenden Analyse bilden die Fairnesswahrnehmung des Beschaffungsinstruments eRA

und der Einfluss der Beschaffungsauktionen auf die Qualität der Geschäftsbeziehung diese

intervenierende Variable zwischen den Marktstrukturänderungen und den

Verhaltensanpassungen der Zulieferer. Abbildung 22 stellt die theoretische Vorgehensweise

grafisch dar.

414 Vgl. Fazio et al., 1989, S. 280 ff. 415 Vgl. Meffert, 1998, S. 101. 416 Vgl. Kroeber-Riel/Weinberg, 2003, S. 29 f.

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Marktstrukturveränderungen und lieferantenseitige Wahrnehmung von eRAs

67

Abbildung 22: Wahrnehmung und Einfluss auf die Geschäftsbeziehung als intervenierende

Variablenim MSCP-Paradigma

4.2 Darstellung der Marktstrukturverschiebungen durch eRAs

4.2.1 Senkung des Preisniveaus

Preisreduktionen sind – wie in Kapitel 3.1.1 dargelegt – die primäre Motivation417 und das

entscheidende Erfolgsmaß418 einkaufender Institutionen bei der Durchführung von reverse

auctions. Über den tatsächlich erreichten Level der Preissenkungen findet sich in der

gegenwärtigen Literatur eine heterogene Vielzahl an Angaben. Die nachfolgende Tabelle

gibt einen Überblick der Ergebnisse bisheriger Erhebungen. Sie beziehen sich auf die

Reduktionen bei einmaliger Auktionsdurchführung.

417 Vgl. Mabert/Skeels, 2002, S. 76; Vgl. Arnold et al., 2005, S. 122; Vgl. Schoenherr/Mabert, 2007, S. 381,

argumentieren auf Basis einiger Experteninterviews jedoch, dass die Berücksichtigung von „non-price-attributes“ zunimmt.

418 Vgl. Beall et al., 2003, S. 48.

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Marktstrukturveränderungen und lieferantenseitige Wahrnehmung von eRAs

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Autor Erscheinungsjahr Erzielte Preisreduktionen

Tully 2000 5-43 %

Smeltzer/Carr 2001 5-12 %

Mabert/Skeels 2002 25-50 %

Cohn 2002 15-20 %

Emiliani 2003 10-30 %

Beall et al. 2003 10-20 %

Smart/Harrison 2003 22-30 %

Arnold et al. 2005 5-12 %

Tabelle 2: Empirische Ergebnisse zu Preisreduktionen durch eRAs419

Gemeinsam ist allen, dass die Preise durch eRAs im Durchschnitt sinken und dass die

Rückgänge signifikant sind, meist sogar im zweistelligen Bereich liegen. Von Relevanz ist

dabei, dass eRAs in der Regel bei hochvolumigen Aufträgen angewandt werden.420 Hier

führt selbst eine zweiprozentige Preissenkung zu deutlichen Konsequenzen auf Zulieferer-

wie Abnehmerseite. Auffällig ist zudem die hohe Varianz und Spannweite der Angaben.

Sie lässt sich durch eine länder- und branchenspezifische Heterogenität erklären. Eine

Verringerung der Einsparungen über die Zeit ist nicht erkennbar. Auf Lieferantenseite

bedeuten die erzielten Preisreduktionen eine direkte Kürzung der Margen und Gewinne.421

Dies kann im Extremfall dazu führen, dass sie nicht mehr in der Lage sind, in

ausreichendem Maße Neuinvestitionen zu tätigen.422 Relativierend sollte man jedoch

beachten, dass die in der Auktion erzielten Preisreduktionen meist nicht die „real savings“

der Einkäufer (und damit die „real losses“ der Lieferanten) sind. Häufig enthalten die vor

der Auktion kommunizierten Spezifikationen nicht alle Produktkomponenten, sodass

spätere Anpassungen durchzuführen sind.423 Da die Spezifikation als Vertragsgrundlage

gilt, sind die nachträglichen Anpassungen aus Lieferantensicht abrechenbar und reduzieren

die erlittenen Erlöseinbußen.

Bisher wenig diskutiert ist die Frage nach Preisreduktionen bei fortwährender

Auktionsdurchführung. Mabert/Skeels (2002) ermittelten hier weitere Einsparpotenziale

419 Vgl. Tully, 2000; Vgl. Cohn, 2000, S. 36 f.; Vgl. Smeltzer/Carr, 2001, S. 983; Vgl. Mabert/Skeels, 2002,

S. 70; Vgl. Arnold et al., 2005, S. 117. 420 Vgl. Eichstädt, 2008, S. 116. 421 Vgl. Jap, 2007, S. 157. 422 Vgl. Jap, 2000, S. 30. 423 Vgl. Emiliani, 2004, S. 66.

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Marktstrukturveränderungen und lieferantenseitige Wahrnehmung von eRAs

69

von 1 bis 2 % pro Auktion, wobei sich die Frage stellt, wie lange ein solch prozentuales

Absinken haltbar ist.424 Prinzipiell sind drei Optionen für die dynamischen Anpassungen

denkbar.

- Die Preissenkungsdynamik setzt sich auch bei wiederholten Auktionen fort. Ein

möglicher Grund hierfür ist, dass im ersten Durchgang unterlegene Lieferanten

zukünftig aggressiver bieten. Einkäufer können zudem das Auktionsdesign und

den Lieferantenpool bei mehrmaliger Anwendung sukzessiv optimieren und so

immer bessere Ergebnisse erzielen.425

- Das durch die Auktion erreichte Preisniveau bleibt stabil oder passt sich nur

noch geringfügig nach unten an.426 In diesem Fall hätte das Verfahren den

tatsächlichen Marktpreis ermittelt.427 Weitere Preissenkungen durch Auktionen

werden erst dann wieder möglich, wenn sich Verschiebungen in den

Kostenstrukturen der Lieferanten ergeben. Solche Verschiebungen können durch

technologische Entwicklungen, Bündelungen oder eine verbesserte

Lieferantenintegrationen hervorgerufen werden.428 Geben die Zulieferer die

daraus resultierenden Kostenvorteile nicht direkt weiter, können weitere

Auktionen zur Transferierung dieser Einsparungen auf die abnehmende Seite

genutzt werden.

- Die erzielten Preisreduktionen sind in weiteren Durchgängen nicht haltbar. Ein

plausibles Erklärungsmuster für diese Option ist, dass sich die Lieferanten bei

zukünftigen Bietrunden gegen die Preissenkungen organisieren und Kollusionen

eingehen.429 Eine weitere Erklärung ist, dass die Bieter bei den ersten

Auktionsdurchgängen in einer Art „Winners-Curse“-Phänomen unter ihren

wirtschaftlichen Preisschwellen geboten haben und diese bei künftigen

Durchgängen einhalten. In diesem Fall liegen Lerneffekte bei mehrmaligen

Auktionsdurchführungen vor.

Im nächsten Schritt geht es um die Fragestellung, wie sich die Marktstrukturveränderung

des gesunkenen Preisniveaus auf die Fairnesswahrnehmung des Beschaffungsinstruments

der Lieferanten auswirkt. Durch den direkten negativen Einfluss auf Margen und Gewinne

424 Vgl. Mabert/Skeels, 2002, S. 76. 425 Vgl. Schoenherr, 2008, S. 264. 426 Vgl. Schoenherr/Mabert, 2007, S. 383. 427 Vgl. Kaufmann/Carter, 2004, S. 22. 428 Vgl. Schoenherr/Mabert, 2007, S. 383. 429 Vgl. Kaufmann/Carter, 2004, S. 20; Vgl. Arnold et al., 2005, S. 123; Vgl. Arnold/Schnabel, 2007, S. 98.

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Marktstrukturveränderungen und lieferantenseitige Wahrnehmung von eRAs

70

der Zulieferer ist davon auszugehen, dass Lieferanten die Preisreduktionen negativ

bewerten und dass die Fairnesswahrnehmung von eRAs umso negativer ist, je höher die

durch die Auktionen erzielten Preisreduktionen ausfallen. Daher lautet die erste Hypothese

zur Bildung der Fairnesswahrnehmung des Beschaffungsinstruments:

H1: Je höher die durch die Auktion erzielten Preisreduktionen sind, desto negativer ist die

Fairnesswahrnehmung des Beschaffungsinstruments.

4.2.2 Erhöhung der Wettbewerberanzahl

Bei Einführung elektronischer Beschaffungsauktionen erhöht sich meist die Anzahl der für

ein Beschaffungsobjekt bietenden Lieferanten.430 Dies lässt sich auf zwei Effekte

zurückführen: Zum einen wird durch eRAs die geografische Reichweite der

Lieferantensuche wesentlich erhöht.431 Da die Auktionen meist über normale

Internetverbindungen durchgeführt werden, können theoretisch qualifizierte Zulieferer aus

der ganzen Welt teilnehmen, ohne dass signifikante Zusatzkosten im Verhandlungsprozess

entstehen.432 In diesem Zusammenhang wird auch argumentiert, dass kulturelle Schranken

– vor allem bei Preisverhandlungen – durch eRAs in den Hintergrund treten.433 Durch eine

Entpersonalisierung der Verhandlung434 treten zudem weniger Missverständnisse auf.

Neben zusätzlichen Anbietern bisher bezogener Leistungen ist es theoretisch auch möglich,

Substitutionslösungen und Produkte von bisher zu weit entfernten Anbietern in die

Verhandlungen mit einzubeziehen. Der zweite Effekt stellt eine mögliche

Teilnehmerzunahme aufgrund des simultan ablaufenden Bietprozesses dar.435 Bei

mehrfachen Face-to-Face-Runden müssen immer wieder alle Anbieter kontaktiert werden,

was sowohl zeit- wie auch prozesskostenaufwendig ist. Bei Auktionen können mehrere

Bietrunden mit geringem Zeitaufwand simultan hintereinander geschaltet werden, ohne

dass sich die Prozesskosten dabei signifikant erhöhen.436 Bei mehreren, hintereinander

430 Vgl. Kaufmann/Carter, 2004, S. 21; Vgl. Beall et al., 2003, S. 27; Vgl. Sashi/O‘Leary, 2002, S. 108; Vgl.

Arnold/Schnabel, 2007, S. 89; Vgl. Brenner/Wenger, 2007, S. 8; Vgl. Emiliani, 2000, S. 182. 431 Vgl. Beall et al., 2003, S. 27; Vgl. Schoenherr/Mabert, 2007, S. 373; Vgl. Ariely/Simonson, 2003. 432 Vgl. Beall et al., 2003, S. 27. 433 Vgl. Kaufmann, 2003a, S. 213. 434 Vgl. Germer/Kaufmann, 2004, S. 64; Vgl. Arnold/Schnabel, 2007, S. 97. 435 Dieser Effekt tritt jedoch nur im Vergleich zu einer Face-to-Face-Verhandlung, nicht beim Wechsel zur

Auktion von einer Ausschreibung auf. 436 Eine holländische Auktion würde sich sogar eher verkürzen, da durch die zusätzlichen Teilnehmer die

Wahrscheinlichkeit eines frühen Gebots steigt.

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Marktstrukturveränderungen und lieferantenseitige Wahrnehmung von eRAs

71

geschalteten Verhandlungsrunden wirkt der Vorteil des simultanen Bietprozesses besonders

stark.437

Trotz der erhöhten Wettbewerberanzahl und der damit verbundenen Erhöhung des

Wettbewerbsdrucks in Beschaffungsauktionen bevorzugen einkaufende Unternehmen auch

bei eRAs Abschlüsse mit bisherigen Lieferanten.438 Loesch (2007) ermittelte, dass in 78 %

der Fälle über eRAs verhandelte Aufträge an bereits bekannte Zulieferer gehen. In 51 % der

Fälle wird gar der Lieferant ausgewählt, der den Auftrag bisher ausgeführt hat.439 Beall

et al. (2003) kamen zu einem ähnlichen Ergebnis. Ihrer Erhebung zufolge gehen 50 % der

Aufträge an vorherige Lieferanten.440 Bedenkt man, dass der bisherige Zulieferer nur einer

von vielen Bietern ist, ist dies ein beachtlicher Wert. Die Bevorzugung der bisherigen

Lieferanten kann zum einen durch eine Besserbehandlung in sich an die Auktion

anschließenden Face-to-Face-Verhandlungen oder durch die in Kapitel 3.2.2 vorgestellten

Bonus-/Malussysteme erfolgen.441

Für Lieferanten bedeutet die Erhöhung der Bieteranzahl eine direkte Verringerung der

statistischen Wahrscheinlichkeit, den Auftrag zu erhalten. Auf der anderen Seite müsste

sich die Anzahl der Verhandlungsrunden, zu denen man als Lieferant eingeladen wird,

erhöhen. Durch Ausdehnung der geografischen Reichweite werden die Anbieter nun

zusätzlich von weit entfernten Nachfragern berücksichtigt. Die Änderung des

Verhandlungsverfahrens wirkt sich ja nicht auf die gesamte Anzahl der Aufträge aus.

Diesem beschriebenen ausgleichenden Effekt steht jedoch die Tatsache gegenüber, dass vor

allem Zulieferer aus Schwellenländern von eRAs zu profitieren scheinen.442 Eine plausible

Erklärung ist, dass Abnehmer aus Industrieländern diese nun vermehrt in ihre

Beschaffungsverfahren integrieren. Die Lieferanten der Industrieländer gewinnen dadurch

jedoch kein Mehr an Auftragsoptionen, da sie von den Abnehmern dieser Länder meist

ohnehin berücksichtigt wurden. Es ist fraglich, ob das Hinzukommen der Zulieferer aus

Schwellenländern mit zunehmend über geografische Barrieren beschaffenden Abnehmern

aus weniger entwickelten Ländern kompensiert wird. Die vorliegende Studie bezieht sich

437 Vgl. Kaufmann, 2003b, S. 32. 438 Vgl. Arnold et al., 2005, S. 122. 439 Vgl. Loesch, 2007, S. 7. 440 Vgl. Beall et al., 2003, S. 58. 441 Vgl. Schoenherr/Mabert, 2007. Die Autoren nennen hier sogar beispielhaft eine Beschaffungssituation, bei

der das Gebot des bisherigen Lieferanten bis zu 20 % über dem niedrigsten Gebot liegen durfte. 442 Vgl. Caniëls/Raaij, 2008.

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Marktstrukturveränderungen und lieferantenseitige Wahrnehmung von eRAs

72

auf Zulieferer aus dem industriell hoch entwickelten deutschsprachigen Raum. Es ist davon

auszugehen, dass Lieferanten eine Erhöhung der Wettbewerberanzahl und die damit

absinkende Wahrscheinlichkeit, Aufträge zu erhalten, negativ bewerten. Dies führt dann

ebenfalls zu einer negativen Wahrnehmung des Beschaffungsinstruments. Die zweite

Hypothese lautet daher:

H2: Je höher die durch die Auktion verursachte Steigerung der Wettbewerberanzahl ist,

desto negativer ist die Fairnesswahrnehmung des Beschaffungsinstruments.

4.2.3 Effizienzsteigerung des Vertriebsprozesses

Grundlage einer detaillierten Analyse der Vertriebsprozessänderung durch elektronische

Beschaffungsauktionen ist eine genaue Abgrenzung zu den vorher angewandten

Verhandlungsverfahren. Die Literatur spricht in der Regel von traditionellen Face-to-Face-

Verhandlungen, die durch eRAs abgelöst werden. Es ist jedoch auch möglich, dass vor

Auktionseinführung einfache Ausschreibungsverfahren angewandt wurden. Zur Analyse

der Änderung des Vertriebsprozesses ist daher zunächst eine differenzierte Betrachtung

vorzunehmen.

Prozessveränderung bei vorheriger Face-to-Face-Verhandlung

Der Wechsel von Face-to-Face-Verhandlungen zu elektronischen Auktionen und sonstigen

E-Absatzformen bringt eine Reihe an Veränderungen für den Vertriebsprozess mit sich. Die

auffälligste ist, dass dieser meist signifikant verkürzt wird.443 Erhebungen beim auf der

anderen Marktseite spiegelbildlich stattfindenden Einkaufsprozess ermittelten

Zeiteinsparungen von bis zu 50 %.444 Diese liegen vor allem im Wegfallen zeitintensiver

Verhandlungsrunden der Preis- und Leistungskomponenten begründet.445 Es ist jedoch, auf

Vertriebs- wie auf Beschaffungsseite, zwischen der reinen Prozessdauer und dem zeitlichen

Mitarbeiterinput und damit der Prozesskosten zu differenzieren.446 Die Verkürzung der

Ersteren führt zu günstigeren cash-cyclen, weniger gebundenem Kapital und damit

verringerten Kapitalkosten (Kapitalkosteneffekt).447 Ein zweiter Kosteneffekt kann in der

443 Vgl. Carbone, 2005, S. 42 f.; Vgl. Schoenherr/Mabert, 2007, S. 373; Vgl. Smeltzer/Carr, 2002, S. 48. 444 Vgl. Smeltzer/Carr, 2003, S. 483; Vgl. Beall et al., 2003, S. 8. 445 Vgl. Emiliani, 2000, S. 177, argumentiert, dass allein bei den Preisverhandlungen Monate eingespart

werden können. 446 Vgl. Arnold et al., 2005, S. 118. 447 Vgl. Beall et al., 2003, S. 29.

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Marktstrukturveränderungen und lieferantenseitige Wahrnehmung von eRAs

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Veränderung des benötigten zeitlichen Inputs der Mitarbeiterstunden liegen. Hierzu liegen

noch keine empirischen Befunde vor. Bisherige Befragungen deuten an, dass

Vertriebsmitarbeiter bei Umstellung auf eRAs nicht weniger Zeit benötigen als bei

traditionellen Verhandlungen, sondern diese mit anderen Tätigkeiten verbringen.448 Viele

der bei erstmaliger Auktionsdurchführung anfallenden Tätigkeiten reduzieren sich im

Zeitverlauf. Beispiele hierfür sind Testauktionen oder die Schulung von Mitarbeitern.

Daher ist auf Dauer, vor allem durch das Wegfallen der zeitaufwendigen

Preisverhandlungen449, von positiven Prozesskosteneffekten auszugehen. Eine weitere

Vertriebsprozessänderung liegt in den Bedarfsspezifikationen der zu liefernden Produkte

und Leistungen. Einkaufende Unternehmen gaben an, diese bei Auktionen deutlich früher

und genauer anzufertigen.450 Während einer eRA sind keine zeitaufwendigen Fragen und

Erläuterungen möglich, sodass das Beschaffungsobjekt vorab genau spezifiziert sein

muss.451 Dies führt aus Lieferantensicht zu besseren und damit kostengünstigeren

Kalkulationsgrundlagen.452 Missverständnisse und damit verbundene nachträgliche

Anpassungen treten zudem seltener auf.453 Trotzdem bemängeln noch viele Zulieferer

fehlende oder unzureichende Spezifikationen vor Auktionsbeginn als eines der

Hauptprobleme im Zusammenhang mit eRAs.454 Als dritten Effekt auf den

Vertriebsprozess reduzieren eRAs die administrativen Kosten.455 Beispielsweise müssen

die Vertriebsmitarbeiter seltener zu externen Verhandlungen reisen, oder firmenexterne

Einkäufer sind weniger häufig im eigenen Haus zu bewirten. Die genannten Effekte

zusammenfassend, ist auf Anbieterseite von einem Absinken der Vertriebskosten

auszugehen. Dass diese Kostenreduktionen die durch Preissenkungen geschmälerten Erlöse

kompensieren, ist jedoch unwahrscheinlich. Ein Indikator für das relativ geringe Gewicht

der Kostensenkungen findet sich auf Abnehmerseite, wo die Reduktionen der

administrativen Aufwendungen verglichen mit den erzielten Preissenkungen meist wenig

ins Gewicht fallen.456

448 Vgl. Beall et al., 2003, S. 11. 449 Vgl. Emiliani, 2000, S. 177. 450 Vgl. Beall et al., 2003, S. 45 und S. 52; Vgl. Smeltzer/Carr, 2003, S. 485. 451 Vgl. Kaufmann, 2003a, S. 203. 452 Vgl. Arnold/Schnabel, 2008, S. 67. 453 Vgl. Kaufmann, 2003b, S. 32; Vgl. Smeltzer/Carr, 2003, S. 485. 454 Vgl. Beall et al., 2003, S. 45. 455 Vgl. Smeltzer/Carr, 2003, S. 48. 456 Vgl. Arnold et al., 2005, S. 120.

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Marktstrukturveränderungen und lieferantenseitige Wahrnehmung von eRAs

74

Prozessveränderung bei vorheriger Ausschreibung

Die Teilnahme an einem industriellen Ausschreibungsprozess kann als Auktion mit einer

Gebotsabgabe verstanden werden.457 Entsprechend ähnlich sind die zugehörigen

Vertriebsprozesse. Abbildung 23 zeigt den Vertriebsprozess bei einer Ausschreibung.458

Die ersten drei Schritte, die Suche nach Ausschreibungen, die Vorkalkulation und darauf

aufbauend die Teilnahmeentscheidung (zusammengefasst als Anfrageselektion)459, können

identisch auf den Vertrieb von Auktionen übertragen werden. Auch hier müssen Mitarbeiter

den Markt nach Angeboten durchsuchen460 und eine Vorauswahl der potenziellen Aufträge

vornehmen.

Abbildung 23: Der Vertriebsprozess bei industriellen Ausschreibungen461

Ob sich die folgenden Schritte des Vertriebsprozesses ändern, ist abhängig vom gewählten

Auktionsdesign. Der Auktionstheorie folgend sind eine Ausschreibung und damit eine one-

bid-sealed auction strategisch äquivalent mit der holländischen Auktion.462 Bei beiden

Verfahren kann lediglich ein Gebot abgegeben werden, das entweder den Zuschlag erhält

oder nicht, jedoch in keinem Fall nachgebessert werden kann. Entweder stellt sich nach der

457 Vgl. Kaufmann, 2003b. 458 In Anlehnung an Backhaus/Voeth, 2004, S. 1076. 459 Vgl. Backhaus/Voeth, 2004, S. 1075. 460 Sofern sie nicht von dem beschaffenden Unternehmen zur Teilnahme an einer Ausschreibung oder

Beschaffungsauktion aufgefordert werden. 461 In Anlehnung an Backhaus/Voeth, 2004, S. 1076. 462 Vgl. Kräkel, 1992, S. 18 und S. 30.

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75

Ausschreibung heraus, dass das eigene Gebot das günstigste war und der Auftrag

gewonnen ist oder eben nicht. Entweder läuft die holländische Auktion bis zum eigenen

Gebotspreis, man nimmt den Preis an und gewinnt den Auftrag oder es wird zuvor ein

Konkurrenzgebot abgegeben. Das Gleiche gilt für eine englische Auktion mit einer Hard

Close Rule, einem fest definierten Endzeitpunkt. Hier besteht die optimale Strategie darin,

das Gebot erst kurz vor Auktionsende abzugeben und so Gegengebote zu verhindern. In

allen drei Fällen gilt es, ein Gebot zu finden, das den Erwartungswert aus dem zu

erzielenden Deckungsbeitrag und der Wahrscheinlichkeit, den Auftrag zu erhalten,

maximiert. Je höher das Gebot, desto höher ist der Deckungsbeitrag bei Annahme. Jedoch

sinkt bei höheren Geboten die Wahrscheinlichkeit, den Auftrag zu erhalten. Sowohl bei der

holländischen Auktion als auch bei der englischen Auktion in Anwendung einer Hard Close

Rule entsteht kein signifikanter Mehraufwand bei der Vorbereitung des Verfahrens und den

damit verknüpften Kosten. In allen drei Fällen sind Entscheidungssysteme anzuwenden, die

den eigenen Deckungsbeitrag der Wahrscheinlichkeit der Konkurrenzgebote

gegenüberstellt. Die Kernleistung besteht in einer Analyse der Wettbewerbsfähigkeit der

konkurrierenden Unternehmen und der eigenen Deckungsbeiträge. Anders ist dies bei einer

englischen Auktion mit einem offenen Ende. Hier lassen sich die Gebote beliebig oft

anpassen. Da jedes Gebot über den Grenzkosten ökonomisch effizient ist, ist vor der

Auktion lediglich diese Kostengrenze zu bestimmen. Die Wahrscheinlichkeitsanalyse der

Konkurrenzgebote und die sorgfältige Auswahl eines eigenen fixen Gebotspreises entfallen

daher. Ob sich aus dieser Tatsache eine signifikante effizienzsteigernde Wirkung ableiten

lässt, ist allerdings fraglich.

Ob durch die Umstellung auf Beschaffungsauktionen eine effizienzsteigernde Wirkung auf

den Vertriebsprozess ausgeht, ist nicht nur abhängig vom Effizienzgrad des

auktionsintegrierten Vertriebsprozesses, sondern auch von dem vor der Umstellung primär

angewandten Verhandlungsverfahren. Wurden zuvor in erster Linie Ausschreibungen und

nur wenige Face-to-Face-Verhandlungen angewandt, sollte sich die Umstellung auf eRAs

nicht allzu effizienzsteigernd auswirken. Überwogen jedoch zuvor Face-to-Face-

Verhandlungen, können eRAs die Vertriebseffizienz durchaus erhöhen. Eine erhöhte

Vertriebseffizienz durch elektronische Beschaffungsauktionen wirkt sich wiederum positiv

auf die Ertragslage der Zulieferer aus und kann dazu beitragen, die durch eRAs

geschmälerten Erlöse zu kompensieren. Je niedriger die Senkungen der

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76

Vertriebsprozesskosten durch Beschaffungsauktionen sind, desto negativer ist daher die

Steigerung der Vertriebseffizienz. Die dritte Hypothese lautet deshalb:

H3: Je niedriger die durch die Auktion verursachten Senkungen der

Vertriebsprozesskosten sind, desto negativer ist die Fairnesswahrnehmung des

Beschaffungsinstruments.

4.2.4 Verlust der relativen Markttransparenz

Bei einer elektronischen Beschaffungsauktion wird automatisch eine Datenfülle generiert,

die je nach Auktionsdesign stark variiert. Aus ihr lassen sich detaillierte

Marktinformationen beispielsweise zu Preisuntergrenzen einzelner Anbieter oder

Preiselastizitäten ableiten. Da die Daten unterschiedlichen Marktteilnehmern in

abweichendem Maße zur Verfügung stehen und ihnen unterschiedlichen Nutzen generieren,

entsteht eine Verschiebung der relativen Markttransparenz. Um diese zu untersuchen,

werden zunächst die Informationszugewinne der einzelnen Marktakteure aus Sicht eines

exemplarischen Zulieferers (das beschaffende Unternehmen, das eigene Unternehmen, die

Konkurrenzunternehmen) isoliert dargestellt.

Das beschaffende Unternehmen

Allgemein hat sich für Einkäufer durch das E-Business und insbesondere durch das Internet

eine deutlich erhöhte Preistransparenz ergeben.463 Bei einer eRA liegen die generierten

Daten dem beschaffenden Unternehmen vollständig vor. Als Initiator oder zumindest

Auftraggeber der Auktion genießt es vollen Zugriff auf diese auswertbaren Informationen.

Bei einer englischen Auktion gewinnt es somit einen detaillierten Einblick in

Mindestpreise, Preiselastizitäten und damit in die Kostenstrukturen seiner Lieferanten.464

Anders ist dies bei der holländischen Auktion, die jedoch weit seltener angewandt wird. Bei

der klassischen Anwendung wird nur der Mindestpreis des günstigsten Lieferanten

offenbart. Der informative Mehrwert ist stark begrenzt. Gestaltet das beschaffende

Unternehmen die Auktion jedoch so, dass die Preisintervalle weitersteigen, bis alle (oder

fast alle) Lieferanten ein Gebot abgegeben haben und trotzdem das niedrigste Gebot den

463 Vgl. Lancioni, 2005, S. 113. 464 Vgl. Beall et al., 2003, S. 27 ff.; Kaufmann/Carter, 2004, S. 22.

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77

Zuschlag erhält, werden die Mindestpreise aller Lieferanten gewonnen. Der Einkäufer, der

zuvor oft auf einen im Markt eines bestimmten Produkts weit vertrauteren

Vertriebsmitarbeiter traf465, gewinnt deutlich an Informationen und Markttransparenz.466

Aus Sicht des liefernden Unternehmens ist diese Steigerung des Marktwissens negativ zu

bewerten. Der Informationsgewinn der Marktgegenseite ist ja eine Verschlechterung der

relativen Markttransparenz für den Anbieter. Diese komparative Schlechterstellung dürfte

umso stärker wahrgenommen werden, je mehr die Mitarbeiter der Zulieferer von einer

einkäuferseitigen Transparenzsteigerung ausgehen.

H4-1: Je höher der von Zulieferern wahrgenommene Transparenzgewinn der Einkäufer

ist, desto stärker nehmen die Lieferanten den relativen Markttransparenzverlust wahr.

Das eigene Unternehmen

Auch für den exemplarisch betrachteten Zulieferer hängt der Informationsgewinn stark von

der Ausgestaltung der Auktion ab. Zusätzlich zur generellen Fragestellung, welche Daten

durch das Verfahren generiert werden, tritt jedoch die Frage auf, welche Informationen das

einkaufende Unternehmen weiterzugeben bereit ist. Diese Weitergabe kann auf zwei

Wegen stattfinden. Zum einen kann die Auktion transparent gestaltet sein (siehe Kapitel

2.1.2), sodass den Teilnehmern die Daten direkt bei ihrer Generierung verfügbar sind. Zum

anderen kann der Einkäufer in einer Post-Event-Analyse den Auktionsverlauf und die darin

enthaltenen Informationen darlegen.467 Die Lieferanten können aus den Daten eine

fundierte Analyse der eigenen Wettbewerbssituation generieren.468 Caniëls/Raaji (2009)

argumentieren sogar, dass die erhöhte Transparenz die erlittenen finanziellen Einbußen mit

kompensieren könnte.469 Wie wertvoll die durch die Auktion generierten Daten für

Zulieferer sind, zeigen auch Berichte von Lieferanten, die an Auktionen teilnehmen, ohne

ernsthaftes Interesse am zu vergebenden Auftrag zu haben. Einziges Ziel ist über das

Sichten der Konkurrenzgebote auswertbare Daten zur Wettbewerbsintensität zu sammeln

(bird watching).470 Einige Einkäufer versuchen, diesem Verhalten mit Auktionsregeln

465 Vgl. Beall et al., 2003, S. 48. 466 Vgl. Mabert/Skeels, 2002, S. 71; Vgl. Engelbrecht-Wiggans/Katok, 2006, S. 582. 467 Vgl. Beall et al., 2003, S. 29. 468 Vgl. Jap, 2000, S. 30; Vgl. Emiliani, 2000, S. 182; Vgl. Smeltzer/Carr, 2001, S. 483, merken an dieser

Stelle jedoch an, dass der Mehrwert dieser Informationen bei mehrmaliger Auktionsdurchführung stark abnimmt, da bereits nach dem ersten Verfahren ein hoher Transparenzgewinn vorlag.

469 Vgl. Caniëls/Raaji, 2009. 470 Vgl. Millet et al., 2004, S. 176; Vgl. Emiliani, 2005, S. 528; Vgl. Sashi/O´Leary, 2002, S. 109; Vgl. Beall

et al., 2003, S. 29.

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Marktstrukturveränderungen und lieferantenseitige Wahrnehmung von eRAs

78

entgegenzuwirken, nach denen man in bestimmten Zeitintervallen eine Mindestgebotszahl

abgeben muss, um weiterhin an dem Verfahren teilzunehmen.471 Diese Maßnahmen lassen

auf eine nicht unerhebliche Verbreitung des „bird watching“ schließen. Das einkaufende

Unternehmen könnte Bieter, die sich in vorherigen Auktionen strikt passiv verhalten haben,

auch grundsätzlich von weiteren Auktionsverfahren ausschließen. Eine weitere Option ist

eine Gebühr für die Auktionsteilnahme. Sie müsste mindestens so hoch liegen wie der

subjektiv empfundene monetäre Wert der gesammelten Informationen. Diese Maßnahmen

zeigen, dass die durch eRAs zu gewinnenden Daten für einen Zulieferer durchaus von Wert

sind und seine absolute Markttransparenz steigern.472 Diese aus Lieferantensicht positive

Steigerung wirkt dem zuvor beschriebenen relativen Markttransparenzverlust durch einen

absoluten Informationsgewinn der einkaufenden Seite entgegen und schwächt diesen ab.

Der relative Markttransparenzverlust dürfte umso höher angesehen werden, je geringer die

Lieferanten ihre eigenen absoluten Informationsgewinne und damit die Abschwächung des

einkäuferseitigen Informationsvorteils wahrnehmen. Die zweite Hypothese zur Erfassung

der relativen Verschiebung der Markttransparenz lautet daher:

H4-2: Je niedriger der von den Zulieferern wahrgenommene eigene Transparenzgewinn

ist, desto stärker nehmen die Lieferanten den relativen Markttransparenzverlust wahr.

Die Konkurrenzunternehmen

Die Literatur beschreibt Auktionen, bei denen die Gewichtung der Gebote einzelner

Lieferanten durch Bonus-/Malussysteme besser oder schlechter gestellt werden. Beispiele,

in denen eine asymmetrische Informationsversorgung unter den Bietern vorlag, existieren

jedoch nicht. Alle an einer Auktion teilnehmenden Lieferanten erhalten dieselben

Informationen und damit den gleichen absoluten Markttransparenzgewinn. Dabei ist jedoch

unbekannt, welchen zusätzlichen Nutzen die einzelnen Anbieter aus den Informationen

ziehen können und welchen Wert dieses Wissen für sie hat. Lieferanten, die durch eine gute

Marktforschung oder ein hohes Mitarbeiterwissen bereits gut informiert sind, dürften

weniger profitieren als in diesen Bereichen schwächer aufgestellte Unternehmen. In jedem

Fall verlieren die zusätzlichen Informationen durch die Teilhabe der Konkurrenz an

Exklusivität und Knappheit. Aus Sicht eines exemplarischen Zulieferer sind alle der

471 Vgl. Beall et al., 2003, S. 48. 472 Vgl. Smart/Harrison, 2002, S. 280; Vgl. Kaufmann/Carter, 2004, S. 22; Vgl. Germer/Kaufmann, 2004, S.

62.

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79

Konkurrenz zur Verfügung gestellten Informationen also negativ zu bewerten. Dies führt

dazu, dass der relative Markttransparenzverlust umso höher eingeschätzt wird, je höher die

absoluten Informationsgewinne der konkurrierenden Unternehmen wahrgenommen werden.

Hypothese 4-3 lautet deshalb:

H4-3: Je höher der von den Zulieferern wahrgenommene Transparenzgewinn ihrer

Konkurrenzunternehmen ist, desto stärker nehmen Lieferanten den relativen

Markttransparenzverlust wahr.

Ein zusätzlicher Informationseffekt für die beteiligten Unternehmen auf Anbieter- wie auf

Abnehmerseite besteht darin, dass die Wettbewerbssituation durch Auktionen glaubhafter

dargestellt wird.473 Bei einer traditionellen Verhandlung mussten die Lieferanten dem

Einkäufer glauben, wenn dieser behauptete, es lägen günstigere Gebote vor. In einer eRA

werden ihnen diese Gebote zeitgleich mit ihrer Abgabe vor Augen geführt.474 Gegenseitiges

Misstrauen wird abgebaut, was für beide Seiten positiv ist.

Zusammengefasst ergeben sich die folgenden Effekte durch eRAs auf die absolute

Markttransparenz der einzelnen Marktteilnehmer:

- ein deutlicher Transparenzgewinn für das beschaffende Unternehmen;

- ein kleinerer für den exemplarischen Lieferanten;

- eine simultane Informationsversorgung der mit dem Lieferanten

konkurrierenden Unternehmen.

Aus diesen Einzeleffekten lassen sich ein relativer Transparenzgewinn für das beschaffende

Unternehmen und ein relativer Transparenzverlust für die liefernden Unternehmen

ableiten.475 Diese Besserstellung führt zu einer Marktmachtverschiebung von der

anbietenden zur abnehmenden Seite.476 Es ist davon auszugehen, dass der relative

Transparenzverlust von den Lieferanten negativ wahrgenommen wird und sich nachteilig

auf die Fairnesswahrnehmung des Beschaffungsinstruments auswirkt. Daher lautet die

vierte Hypothese.

473 Vgl. Jap, 2002. Dies nur unter der Voraussetzung, dass die Bieter der Auktion vertrauen und nicht mit der

Abgabe von Phantomgeboten der beschaffenden Institution oder dem Teilnehmen unqualifizierter Lieferanten zur Drückung der Preise rechnen.

474 Vgl. Kaufmann/Carter, 2004, S. 22. 475 Vgl. Beall et al., 2003, S. 27 f.; Vgl. Jap, 2002, S. 514. 476 Vgl. Giampietro/Emiliani, 2007, S. 81.

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Marktstrukturveränderungen und lieferantenseitige Wahrnehmung von eRAs

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H4: Je höher der von den Lieferanten empfundene relative Markttransparenzverlust ist,

desto negativer ist die Wahrnehmung des Beschaffungsinstruments eRA.

Betrachtet man die gesamten Marktstrukturveränderungen für Lieferanten durch eRAs, so

ergibt sich eine Schlechterstellung für die Abnehmerseite. Von fünf zentralen Änderungen

sind drei (die Senkung des Preisniveaus, die Erhöhung der Wettbewerberanzahl und der

Verlust der relativen Markttransparenz) klar negativ und eines (die Veränderung der

Vertriebsprozesse) positiv zu bewerten. In Letzterer liegen Chancen für eine effizientere

Vertriebsstruktur, die genannten negativen Effekte aufwiegen kann sie jedoch nicht. Fasst

man die Effekte zusammen, ergibt sich eine erste schlüssige Erklärung für die bisher

mehrfach gemessene negative Lieferantenwahrnehmung von eRAs (siehe dazu auch die

Argumentation im folgenden Kapitel 4.3.1).477

Betrachtet man die langfristigen Entwicklungen, die sich aus den aufgezeigten

Veränderungen ergeben, ist ein mögliches Szenario, dass sich die Strukturveränderungen

derart negativ auf das Marktergebnis niederschlagen, dass sich die Anbieterkonzentration

(und damit ein weiterer Marktstrukturparameter) durch Übernahmen schwächerer durch

stärkere Firmen erhöhen wird (zur theoretischen Argumentation siehe auch Kapitel

2.2.1).478 In diesem Fall wird der Machtübergang revidiert, da die verbleibenden

konzentrierteren Lieferanten über mehr relative Marktmacht verfügen. Einige Autoren

schließen als Konsequenz eine erzwungene Rückkehr zu Face-to-Face-Verhandlungen

nicht aus.479

4.3 Auktionswahrnehmung der Zulieferer

4.3.1 Fairnesswahrnehmung des Beschaffungsinstruments

Nöcke (2010) definiert Fairness innerhalb von Kooperationen in Anlehnung an Philipps

(2003)480 als „die Einstellung sich während Kooperationen, an denen Personen freiwillig

partizipieren, dadurch Opfer, bzw. Einschränkungen ihrer Freiheit akzeptieren und in denen

der Freiraum für opportunistisches Verhalten besteht, an die zugrunde gelegten sozialen

477 Vgl. Emiliani/Stec,2004, S. 68; Vgl. Jap, 2003; Vgl. Jap, 2007; Vgl. Tassabehij et al., 2006; Vgl. Jap,

2000; Vgl. Caniëls/Raaji, 2009. 478 Vgl. Schmidt, 2005, S. 56; Vgl. Tolksdorf, 1994, S. 58. 479 Vgl. Kwak, 2002, S. 18. 480 Vgl. Philipps, 2003.

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81

Normen zu halten und die Opportunismusmöglichkeit nicht zu ergreifen“481. Die jüngere

Literatur geht von einem vierdimensionalen Fairnesskonstrukt aus. Dies besteht aus:

- einer distributiven,

- einer prozessuralen,

- einer informationellen und

- einer interpersonellen Fairness.482

Die distributive Fairness geht auf Homans (1958)483 zurück und beschreibt die

wahrgenommene Verteilungsgerechtigkeit in einer Kooperation. Aufgegriffen wird diese

Verteilungsgerechtigkeit in der Equity Theory oder der Anreiz-Beitrags-Theorie, die eine

Verteilungsgerechtigkeit nach dem Beitragsprinzip bewerten.484 In beiden Theorien stellen

die Teilnehmer einer Kooperation ihre eingebrachten Beiträge (in der Equity Theory: Input)

mit den erhaltenen Anreizen (Output) gegenüber und bewerten das Austauschverhältnis.

Die distributive Fairness wurde als erste Fairnessdimension eigenständig entwickelt.

Ergänzt wurde sie durch Thibaut/Walker (1975) mit der prozessuralen Fairness.485 Sie

beschreibt die Einschätzung, dass „ein legitimes, neutrales, repräsentatives und

kontrolliertes Verfahren über das Ergebnis entscheidet“486. Faire Prozesse zeichnen sich

laut Leventhal dadurch aus, dass sie fehlerfrei, konsistent, korrigierbar und beteiligend

sind.487 Die Bedeutung der Beteiligung des Teilnehmers lässt sich aus der „Referent

Cognition Theory“ ableiten.488 Ein Gefühl der ungerechten Behandlung tritt hiernach

besonders dann ein, wenn der Teilnehmer ein vorteilhafteres Ergebnis durch einen

partizipativeren Prozessablauf als wahrscheinlich erachtet.489 Auch die prozessuale Fairness

entstand als eigenständiges Konstrukt. Anders verhält es sich mit der interpersonellen und

der informationellen Fairness. Sie entstanden als konzeptionelle Trennung der zuvor von

Bies/Moag (1986) als dritte Fairnessdimension eingeführten Interaktionsfairness.490 Die

Interaktionsfairness umfasst die Erwartungen, die Menschen an den Verlauf

zwischenmenschlicher Dialoge stellen.491 Ihr Bestandteil „interpersonelle Fairness“ bezieht

481 Nöcke, 2010, S. 4. 482 Vgl. Aholt, 2008, S. 322. 483 Vgl. Homans, 1958. 484 Zur Equity Theory siehe Adams, 1965 zur Anreiz-Beitrags-Theorie siehe March/Simon, 1958. 485 Thibaut/Walker, 1975. 486 Vgl. Wiswede, 2004, S. 194. 487 Vgl. Leventhal, 1980. 488 Vgl. Folger, 1986. 489 Vgl. Colquitt et al., 2005, S. 36. 490 Vgl. Greenberg, 1993; vgl Greenberg, 1994; Vgl. Maier et al., 2007, S. 33; Vgl. Nöcke, 2010, S. 5. 491 Vgl. Bies/Moag, 1986; Vgl. Folger/Bies, 1989.

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82

sich dabei auf den zwischenmenschlichen Austausch, der jeder Interaktion zugrunde liegt.

Einfühlungsvermögen und interpersonelle Intelligenz üben hier einen sehr großen Einfluss

aus.492 Theoretisch fundieren lässt sich die interpersonelle Fairness mit der „Theory of

Moral Sentiments“ von Smith/Haakonssen (2002).493 Die informationelle Fairness umfasst

die „Offenheit und Ehrlichkeit der Kommunikation“494. Ihre theoretische Fundierung findet

sich in der Kommunikationstheorie495. Alle vier Dimensionen basieren auf

unterschiedlichen theoretischen Grundlagen. Colquitt et al. (2001) zeigten in einer

Metaanalyse zur Fairnessforschung zudem, dass die vier Dimensionen separat gemessen

werden können, zu abweichenden Effekten führen und unterschiedliche Determinanten

beeinflussen.496 Sie müssen somit auch separat in die Messung des Konstrukts einfließen.

Alle Fairnessdimensionen werden durch die Einführung elektronischer

Beschaffungsauktionen beeinflusst. Die distributive Fairness wird allein durch die

Preisreduktionen497 entschieden tangiert. Sie ist eine direkte Verschiebung des Anreiz-

Beitrags oder Input-Output-Verhältnisses, auf dem die Beurteilung der Fairnessart basiert.

Auch die in einen Vertriebsprozess eingebrachten Aufwendungen (Vertriebskosten) oder

die durch ihn erhaltenen Informationen sind durch eRAs verschobene Bestandteile dieses

Saldos. Durch die Auktion findet zudem eine umfassende Neugestaltung des Beschaffungs-

bzw. Vertriebsprozesses statt.498 Durch diese Änderung ist die Dimension der prozessualen

Fairness ebenfalls direkt tangiert. Auch die informationelle Fairness als „Offenheit und

Ehrlichkeit der Kommunikation“ ist durch eRAs direkt betroffen. Bei einer

Beschaffungsauktion liegt im transparentesten Fall eine vollkommene

Informationsweitergabe über das Preisfindungsverfahren vor. Durch ein transparentes

Auktionsdesign kann das beschaffende Unternehmen die Offenheit des Verfahrens direkt

beeinflussen. Ebenfalls von Relevanz sind hier die sich an die Auktion anschließenden

Feedbackgespräche. Letztlich wird die interpersonelle Fairness durch eRAs berührt. Dies

äußert sich an den heftigen Widerständen durch die Einkäufer, die durch die Auktion ihre

zentrale Stärke, eine gute Lieferantenkommunikation, infrage gestellt und als überflüssig

492 Vgl. Colquitt et al., 2001, S. 427; Vgl. Nöcke, 2010, S. 5. 493 Vgl. Smith/Haakonssen, 2002. 494 Nöcke, 2010, S. 5. 495 Vgl. Dimbleby/Barton, 1992. 496 Vgl. Colquitt et al., 2001, S. 437 ff. 497 Vgl. Tully, 2000; Vgl. Cohn, 2000, S. 36 f.; Vgl. Smeltzer/Carr, 2001, S. 983; Vgl. Mabert/Skeels, 2002,

S. 70; Vgl. Arnold et al., 2005, S. 117. 498 Vgl. dazu exemplarisch die Arbeit von Arnold et al., 2005.

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Marktstrukturveränderungen und lieferantenseitige Wahrnehmung von eRAs

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betrachtet sehen.499 In einer auktionsgestützten Verhandlung werden nur noch sehr

einseitige Informationen vorgegeben und lediglich Preisvorschläge erwartet.500 Die

interpersonelle Fairness, der Verlauf zwischenmenschlicher Dialoge, wird damit ebenfalls

beeinträchtigt. Die Betrachtung des eRA-Einflusses auf die einzelnen Fairnessdimensionen

legt eine eher negative Fairnesswahrnehmung des Beschaffungsinstruments nahe. Dieses

Resultat deckt sich mit der Summierung einzelner Marktstrukturverschiebungen durch

eRAs. Von vier Auswirkungen waren drei aus Lieferantensicht negativ zu bewerten (die

Senkung des Preisniveaus, die Erhöhung der Wettbewerberanzahl und der Verlust an

relativer Markttransparenz). Lediglich die Erhöhung der Prozesseffizienz bringt Vorteile

für die Anbieter. Die bisherigen empirischen Befunde stützen diese theoretischen

Überlegungen. In einer Vielzahl an Befragungen empfand die Mehrzahl der Zulieferer

eRAs als opportunistische und unfaire Maßnahme der Einkäufer.501 Einige Autoren

konnten zudem Differenzierungen in der Wahrnehmung einzelner Anbietergruppen

ermitteln. So fühlen sich vor allem bisherige Lieferanten unfair behandelt.502 Eine

Erkenntnis, die nicht weiter verwundert. Während neue Zulieferer an einer free lottery503

für neue Absatzoptionen teilnehmen, ergibt sich für bisherige Lieferanten das Risiko,

entweder Preisreduktionen in bisherigen Aufträgen zu erleiden oder diese vollständig zu

verlieren.504 Eine umfassende Studie zu unterschiedlichen eRA-Wahrnehmungen innerhalb

von Zuliefererkategorisierungen führten Caniëls/Raaji (2009) durch.505 Auch sie ermittelten

eine durchschnittliche negative Meinung zu dem Beschaffungsinstrument506 und

identifizierten drei (vermutlich hoch korrelierte) Anbietergruppen, die eine positivere

Wahrnehmung von Beschaffungsauktionen haben als andere:

- Anbieter aus Entwicklungsländern;

- Anbieter, die primär über Preise und nicht über Serviceangebote konkurrieren;

- Anbieter, die bei eRAs bisher überdurchschnittlich erfolgreich waren.507

499 Vgl. Carter et al., 2004, S. 237. 500 Vgl. Skjott et al., 2003, S. 207. 501 Vgl. Emiliani/Stec,2004, S. 68; Vgl. Jap, 2003; Vgl. Jap, 2007; Vgl. Tassabehij et al., 2006. 502 Vgl. Jap, 2000. 503 Einem Spiel, bei dem entweder eine Besserstellung oder ein Verbleiben im Status quo erfolgt. 504 Vgl. Tassabehij et al., 2006. 505 Vgl. Caniëls/Raaji, 2009. 506 Vgl. Caniëls/Raaji, 2009, S. 20. 507 Vgl. Caniëls/Raaji, 2009, S. 20 f.

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4.3.2 Fairnesswahrnehmung als determinierende Variable der

Beziehungsqualität

Zum Konstrukt der Beziehungsqualität existiert, ähnlich wie zur Fairness, keine einheitlich

anerkannte Definition in der Literatur.508 Viele Veröffentlichungen verstehen

Beziehungsqualität ausschließlich als Higher-Order-Konstrukt, das wiederum aus

verschiedenen anderen Konstrukten, beispielsweise Vertrauen oder Commitment, und ihren

Beziehungen zueinander besteht. Andere versuchen, den Begriff direkt zu fassen und zu

beschreiben.509 Für Johnson (1999) gehören zur Beziehungsqualität die übergreifende Tiefe

und das Klima einer Beziehung.510 Wong/Sohal (2002) sehen in ihr ein Bündel nicht

greifbarer Werte, welches die Produkte und Dienstleistungen eines Anbieters anreichert.511

Bruhn (2001) hingegen definiert Beziehungsqualität als die Fähigkeit, die Komplexität

zwischen den Beziehungspartnern zu reduzieren sowie die Interaktionseffizienz zu

erhöhen.512 Diese Charakterisierung basiert auf der Transaktionskostentheorie. Sie verweist

auf deutliche Effizienzvorteile längerfristiger, vertrauensvoller Bindungen bei spezifischen

Investitionen und hohen Qualitätsunsicherheiten.513 Keller/Stopler (2006) verändern den

von Bruhn aufgezeigten Blickwinkel. Sie sehen in Beziehungsqualität die Güte einer

Beziehung, die auf der „kundenseitigen Wahrnehmung einzelner Komponenten und

Einflussgrößen basiert“514. Die vorliegende Abhandlung bezieht sich auf die beiden

letztgenannten Charakterisierungen des Konstrukts Beziehungsqualität. Sie folgt zum einen

Bruhn der von einer effizienzsteigernden Komponente der Beziehungsqualität ausgeht.

Gleichzeitig folgt sie Keller/Stopler, überträgt deren Definition jedoch auf die beschaffende

Seite eines Unternehmens. Damit ist sie die lieferantenseitige Wahrnehmung einzelner

Komponenten und Einflussgrößen einer Geschäftsbeziehung. Zu diesen gehören in einer

Zulieferer-Abnehmer-Beziehung die Instrumente zur Verhandlung der Preis- und

Leistungsparameter und damit die Anwendung einer eRA. Beachtung findet auch die

Tatsache, dass Keller Stopler Beziehungsqualität von vornherein als wahrgenommene

Variable verstehen. Während wir das Fairnesskonstrukt daher als „wahrgenommene

Fairness des Beschaffungsinstruments“ benennen, wird das Konstrukt der

508 Vgl. Keller/Stopler, 2006, S. 5; Vgl. Henning-Thurau, 2000; Vgl. Hadwich, 2003, S. 19, stellt einen

Überblick über verschiedene Definitionen von Beziehungsqualität dar. 509 Vgl. Wenske, 2008, S. 69. 510 Vgl. Johnson, 1999, S. 6. 511 Vgl. Wong/Sohal, 2002, S. 36. 512 Vgl. Bruhn, 2001, S. 66. 513 Vgl. Williamson, 1979. 514 Keller/Stopler, 2006, S. 6.

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Beziehungsqualität lediglich als „Einfluss von eRAs auf die Beziehungsqualität“

bezeichnet.

Die Fairness innerhalb einer Geschäftsbeziehung übt einen positiven Effekt auf die

wahrgenommene Qualität derselben aus. Der Effekt lässt sich zum einen direkt zwischen

den beiden Konstrukten und indirekt über das moderierende Konstrukt Vertrauen

begründen. Kumar et al. (1995) zeigten positive Auswirkungen sowohl der distributiven als

auch der prozessualen Fairness auf die Qualität der Geschäftsbeziehung.515 Die Relevanz

der distributiven Fairness nimmt nach ihren Ergebnissen bei steigendem Gewinn zu,

wohingegen die Bedeutung der prozessualen Fairness mit steigender Unsicherheit an

Bedeutung gewinnt.516 Wahrgenommene Fairness erhöht das Vertrauen gegenüber einem

Geschäftspartner. Ein hohes Vertrauen wirkt sich wiederum steigernd auf die Qualität der

Beziehung aus.

Die Ausprägung des Einflusses von eRAs auf die Qualität der Geschäftsbeziehung ist dabei

auch ein Gradmesser dafür, welche Rolle das Beschaffungsinstrument eRA und seine

wahrgenommene Fairness für Lieferanten spielt. Ergibt sich zwischen den beiden

Konstrukten nur ein geringer Zusammenhang, wenn beispielsweise eine eRA-

Wahrnehmung als sehr unfaires Beschaffungsinstrument keine negativen Auswirkungen

auf die Qualität der Geschäftsbeziehung hat, so scheinen eRAs aus Lieferantensicht von

nachgelagerter Bedeutung zu sein. Sind die Konstrukte jedoch hoch korreliert, beeinflusst

die Auktionswahrnehmung die Qualität der Geschäftsbeziehung signifikant, sind eRAs für

Zulieferer nicht nur bedeutend, sondern wirken sich der Theory of reasoned action folgend

auch deutlich auf das Verhalten der Lieferanten aus.517

Der Intuition zufolge wirkt sich die empirisch ermittelte negative Auktionswahrnehmung

schwächend auf die von Lieferanten empfundene Qualität der Geschäftsbeziehung aus.

Dem widersprechen die Ergebnisse einer qualitativen Studie unter 89 Einkäufern und 54

Lieferanten von Loesch/Lambert (2007). Sie stellen nur eine getrübte Wahrnehmung auf

Einkäuferseite fest.518 Ihr Fazit für die Lieferantenseite lautet wie folgt: „The suppliers’

515 Vgl. Kumar et al., 1995, S. 59 ff.; Die Autoren untersuchten für ihre Studie das Verhältnis von

Automobilherstellern zu 417 Autohändlern in den USA und 289 in den Niederlanden. 516 Vgl. Kumar et al., 1995, S. 59 ff. 517 Vgl. Ajzen/Fishbein, 1980, S. 5 ff. 518 Vgl. Loesch/Lambert, 2007, S. 60.

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Marktstrukturveränderungen und lieferantenseitige Wahrnehmung von eRAs

86

perception of their relationship with the buyer, on the other hand, remains largely

unaffected in e-RAs.”519 Die Mehrheit der Autoren bestätigt jedoch den induktiven Befund

und widerspricht den Ergebnissen von Loesch/Lambert. Carter et al. (2004) ermittelten eine

erhöhte Besorgnis unter Lieferanten über unethisches, opportunistisches Verhalten auf

Einkäuferseite und einen damit verknüpften Schaden für die Geschäftsbeziehung.520

Emiliani/Stec (2004) und (2005) führten Expertengespräche mit Lieferanten der Luftfahrt-

(2004) und der Holzindustrie (2005) durch. In beiden Studien gaben die Zulieferer an, dass

die Beziehungen nach Auktionsdurchführung weniger kooperativ waren.521 Auch Pearcy

et al. (2002) und Jap (2003) fanden heraus, dass Zulieferer, die mit Auktionen konfrontiert

wurden, ihre Kooperationsbereitschaft reduzierten.522 Einige Autoren warnen beschaffende

Firmen sogar, eRAs durchzuführen. Sie argumentieren, dass sie den Unternehmen durch

Reduktion des Lieferantenvertrauens dauerhaft schaden.523

H5: Je negativer die Fairnesswahrnehmung des Beschaffungsinstruments eRA ist, desto

negativer ist der empfundene Einfluss von eRAs auf die Qualität der

Geschäftsbeziehung.

Abbildung 24 stellt das Strukturmodell als Übersicht zusammen.

519 Loesch/Lambert, 2007, S. 60. 520 Vgl. Carter et al., 2004, S. 243 verweist dabei auch auf Carter, 2000. 521 Vgl. Emiliani/Stec, 2004; Vgl.Emiliani/Stec, 2005. 522 Vgl. Pearcy et al., 2002; Vgl. Jap, 2003. 523 Vgl. Jap, 2000; Vgl. Emiliani, 2004; Vgl. Emiliani/Stec, 2004.

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Marktstrukturveränderungen und lieferantenseitige Wahrnehmung von eRAs

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Abbildung 24: Determinanten lieferantenseitiger eRA-Wahrnehmung

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88

5 Systematisierung der Zuliefererreaktionen auf eRAs

5.1 Verhandlungsbezogene Gegenmaßnahmen

5.1.1 Darstellung verhandlungsbezogener Gegenmaßnahmen

Die erste Systematisierung verhandlungsbezogener Gegenmaßnahmen erfolgt in

individuelle Maßnahmen und solche, die nur im Kollektiv durchgeführt werden können.

Albert O. Hirschman beschreibt in seinem Voice-, Exit- and Loyality-Paradigma drei

Reaktionsmöglichkeiten auf eine negative Entwicklung innerhalb einer Organisation oder

eines Systems: Widerspruch (Voice); Abwanderung (Exit) und Loyalität (Loyality).524 In

der Vergangenheit wurde das Paradigma vielfach auf das Management von Lieferanten-

und Kundenbeziehungen angewandt.525 Den drei Optionen folgend, sollen individuelle,

verhandlungsbezogene Gegenmaßnahmen von Lieferanten zu eRAs systematisiert werden.

Individuelle Gegenmaßnahmen (Voice):

Beschwerde/Störung der Auktion: Ziel dieser Anwendung der Widerspruchsoption ist es,

durch Artikulation des ungewünschten Zustands eine Verbesserung zu erreichen.526 Im hier

betrachteten Fall wäre das Ziel also eine Auftragsvergabe ohne Auktionsanwendung. Dabei

sind drei Verhaltensweisen differenzierbar:

- Zunächst können Mitarbeiter des absetzenden Unternehmens versuchen, mit den

Einkäufern ins Gespräch zu kommen und ihnen die sich für sie ergebenden

negativen Entwicklungen durch das Beschaffungsinstrument aufzeigen.

Schwerpunkt dieser Argumentation sind die aus den Entwicklungen resultierenden

negativen Konsequenzen für die eingekauften Waren und Dienstleistungen. So

besteht die Gefahr, dass sich die niedrigen Einstandspreise in reduzierten

Qualitätsstandards oder einem Absinken sonstiger Liefer- und Leistungsparameter

sichtbar machen. Dies führt zu schlechteren Produktionsbedingungen des

Einkäufers, die im schlimmsten Fall zu erhöhten Reklamationskosten und

Imageverlusten führen.527 In der Tat konnten Jap/Haruvy (2008) ermitteln, dass die

Lieferanten, die in Auktionen besonders aggressiv bieten und diese somit

524 Vgl. Hirschman, 1970, S. 4. 525 Vgl. Helper, 1990; Vgl. Michalski, 2004, S. 977 ff.; Vgl. Kirst, 2008, S. 57. 526 Vgl. Hirschman, 1992, S. 332 f. 527 Vgl. Beall et al., 2003, S. 29; Vgl. Jap, 2007, S. 157.

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Systematisierung der Zulieferreaktionen auf eRAs

89

wahrscheinlich gewinnen, am wenigsten die Absicht haben, in eine dauerhafte

Geschäftsbeziehung zu investieren.528

- Bei der zweiten, offensiveren Möglichkeit droht der Anbieter zudem mit der

Nichtteilnahme an der Auktion, bei weiteren Bietverfahren oder sogar mit der

Beendigung der kompletten Geschäftsbeziehung. Hier wird die Widerspruchsoption

mit der Androhung der Abwanderungsoption kombiniert. Diese Verknüpfung macht

sie nach Hirschman besonders erfolgversprechend.529 Die Erfolgswahrscheinlichkeit

der Androhung steigt zudem mit der Relevanz des Bieters für den Nachfrager.

Die dritte Differenzierung zeichnet sich dadurch aus, dass neben der Beschwerde

versucht wird, die Auktion gezielt zu stören. Ein Beispiel für eine solche Störung ist

die Gebotsabgabe außerhalb des Auktionsprozesses.530 Ziel dieser Aktionen ist es,

die Auktion obsolet erscheinen zu lassen und somit die traditionelle

Auftragsvergabe zu erzwingen.531

Die genannten Beschwerde-/Störungsmöglichkeiten können sowohl isoliert als auch

kombiniert angewandt werden. Die Ermittlung der Erfolgswahrscheinlichkeit von

Beschwerden kann mit der Systematisierung von Maurer (2006)532 vorgenommen werden,

die ebenfalls auf den Konstrukten von Hirschman aufbaut. Sie bewertet die

Erfolgsaussichten von Beschwerden anhand eines Abgleichs der Kosten, die der

Organisation und dem Teilnehmer bei einer möglichen Abwanderung entstehen. Nur im

Falle einer im Verhältnis zu vorhandenen Ressourcen höheren Kostenentstehung aufseiten

der Organisation ist die Beschwerde aussichtsreich. Da dieser Fall bei elektronischen

Beschaffungsauktionen im Falle einer einzelnen Anbieterbeschwerde jedoch äußerst selten

ist, wird die Beschwerde in den wenigsten Fällen erfolgversprechend sein.

Individuelle Gegenmaßnahmen (Exit):

Die Abwanderungsoption ist nach Hirschman die äußerste Reaktionsvariante.533 Bei der

Abwanderung eines Zulieferers aufgrund von Beschaffungsauktionen können drei

Abstufungen unterschieden werden: die Auktionsteilnahme ohne Gebotsabgabe, die

Nichtteilnahme an Auktionen eines Einkäufers und die vollständige Weigerung, mit dem

Einkäufer weiterhin Geschäfte zu tätigen.

528 Vgl. Jap/Haruvy, 2008. 529 Vgl. Hirschman, 1974, S. 70. 530 Vgl. Snell, 2008, S. 7. 531 Ebenda. 532 Vgl. Maurer, 2006, S. 87. 533 Vgl. Hirschman, 1974, S. 37.

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Systematisierung der Zulieferreaktionen auf eRAs

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Auktionsteilnahme ohne Gebotsabgabe: Die Literatur nennt Fälle, in denen Lieferanten

ohne Intention einer Gebotsabgabe an Auktionen teilnehmen.534 Die Motivation dazu

könnte – wie in Kapitel 4.2.4 erläutert – die Erlangung von Marktwissen535 oder die

Täuschung des einkaufenden Unternehmens sein. Dieses ist auf eine möglichst hohe Zahl

qualifizierter Bieter angewiesen. Melden sich Lieferanten zu einer Auktion an, ohne bei

dieser mitzubieten, geht der Einkäufer von einer nicht vorhandenen Wettbewerbsintensität

aus, und die Planung einer erfolgreichen Auktion wird ungleich schwieriger.

Nichtteilnahme an der Beschaffungsauktion: Auch die Gefahr der Nichtteilnahme an der

Beschaffungsauktion wird in der Literatur immer wieder diskutiert.536 In einer großzahligen

Analyse von 14.000 eRAs eines beschaffenden Unternehmens ermittelten Millet et al.

(2004) eine Teilnahmequote von 75,5 %, wobei der Wert bei der niedrigsten Auktion bei

11 % lag.537 Bei diesen Zahlen sind jedoch auch Zulieferer, die die oben beschriebene

Strategie der Nichtgebotsabgabe anwenden (nur passiv an der Auktion teilnehmen) zu

berücksichtigen. Findet eine mehrmalige Auktionsdurchführung statt, so kann mit einer

hohen Wiederteilnahmequote gerechnet werden. Hier ergab sich ein durchschnittlicher

Wert von 94 %, wobei der niedrigste Wert bei 64 % lag.538 Bei diesen Zahlen wird jedoch

nicht ersichtlich, ob die Anbieter dem Verfahren aufgrund einer negativen Einstellung

gegenüber dem Beschaffungsinstrument oder aus bloßem Mangel an Interesse an dem zu

vergebenden Auftrag (beispielsweise aufgrund einer subjektiv empfundenen fehlenden

Wettbewerbsfähigkeit bei den zu vergebenden Wertschöpfungsprozessen) fernbleiben.

Zudem ist von Interesse, ob es eine Lieferantengruppe mit bestimmten Charakteristika ist,

die die Auktionsteilnahme verweigert. Hier ist ein Blick auf die beschriebene

Fairnesswahrnehmung des Beschaffungsinstruments aufschlussreich, und es werden

Parallelen zur Fairnesswahrnehmung der Lieferanten offenkundig. So nehmen bisherige

Lieferanten äußerst ungern an dem Verfahren teil, während neue Zulieferer die zusätzlichen

Geschäftsmöglichkeiten nutzen wollen und die Auktionen gerne besuchen.539 Dies ist auch

für einkaufende Unternehmen ein negativer Befund, da sie bei Auktionen die

Auftragsvergabe an bekannte Lieferanten präferieren.540 Die verbreitete Angst vor einer

534 Vgl. Millet et al., 2004, S. 176; Vgl. Emiliani, 2005, S. 528. 535 Vgl. Sashi/O´Leary, 2002, S. 109; Vgl. Beall et al., 2003, S. 29. 536 Vgl. Emiliani, 2005, S. 528; Vgl. Emiliani/Stec, 2005, S. 283. 537 Vgl. Millet et al., 2004. 538 Ebenda. 539 Vgl. Beall et al., 2003, S. 9. 540 Vgl. Arnold, 2005, S. 26.

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Systematisierung der Zulieferreaktionen auf eRAs

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Nichtteilnahme bisheriger Anbieter ist ein weiteres Erklärungsmuster für die ihnen

gewährten Bonusregeln innerhalb der Auktion. Auch Caniëls/Raaji (2009) fürchten ein

Wegfallen gerade qualitativ wettbewerbsfähiger Zulieferer, die ihre Stärken durch das

Instrument nicht ausreichend gewürdigt sehen.541 Zudem ermittelten die Autoren, dass

Zulieferer, die hauptsächlich über ihre Serviceleistungen konkurrieren, versuchen, die

Auktionen komplett zu ignorieren.542 Generell dürfte die Bereitschaft, an einer Auktion

teilzunehmen, auch stark von der Wettbewerbssituation innerhalb eines Markts geprägt

sein. In Boomphasen mit vollen Auftragsbüchern und Kapazitätsrestriktionen dürfte die

Teilnahmebereitschaft an einem preisdrückenden Verhandlungsverfahren weit weniger

ausgeprägt sein als in Rezessionszeiten, die von Überkapazitäten und hohen Leerkosten

gekennzeichnet sind. Für Lieferanten ergibt sich durch die Nichtteilnahme eine

automatische Beschneidung der eigenen Akquisemöglichkeiten und damit der Anzahl

potenzieller Aufträge. Dabei wird deutlich, dass die Fähigkeit, die Auktionsteilnahme

abzulehnen, stark von dem Verbreitungsgrad der Auktionen innerhalb eines

Beschaffungsmarkts geprägt ist. Je verbreiteter eRAs in einem Beschaffungsmarkt sind,

desto schwieriger ist die Kompensation der über Auktionen vergebenen Aufträge mit

anderen Absatzmöglichkeiten. Relativierend ist an dieser Stelle anzumerken, dass durch

eRAs an neue Lieferanten vergebene Aufträge diesen in einigen Fällen wieder entzogen

wurden. Die beschaffenden Unternehmen waren hier derart unzufrieden mit der Qualität

der erbrachten Leistung, dass sie die alten Anbieter erneut mit der Lieferung betrauten.543

Bei Nichtteilnahme ist der Auftrag für bisherige Lieferanten nicht in jedem Fall verloren.

Zudem ergab sich in den beschriebenen Fällen wohl eine komfortable

Verhandlungsposition für die Vertriebsmitarbeiter der alten Anbieter. Für die Einkäufer

stellt die beschriebene Maßnahme, ähnlich wie die Teilnahme ohne Gebotsabgabe, eine

unerwünschte, wettbewerbsreduzierende Entwicklung dar.544 Im Gegensatz zur passiven

Teilnahme können die Einkäufer hier jedoch durch den Versuch der Gewinnung neuer

Bieter oder im Extremfall dem Absagen der Auktion entgegensteuern. Dies ist vor allem

bei Verfahren mit einer hohen Selbstbindung vonnöten, bei denen der Auftrag nicht bei

unzureichendem Auktionsergebnis zurückgezogen werden kann (siehe Kapitel 3.2.2). Das

in der Literatur ermittelte wahrscheinliche Wegbleiben qualitativ hochwertiger und

541 Vgl. Caniëls/Raaji, 2009. 542 Vgl. Caniëls/Raaji, 2009, S. 20. 543 Vgl. Emiliani, 2004, S. 528; Vgl. Emiliani/Stec, 2004, S. 283. 544 Vgl. Millet et al., 2004, S. 174.

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Systematisierung der Zulieferreaktionen auf eRAs

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serviceorientierter Anbieter545 zeigt zudem noch einmal die Notwendigkeit der Auswahl

eines geeigneten Beschaffungsobjekts auf.

Vollständige Beendigung der Geschäftsbeziehung: Hier weigert sich der Zulieferer, nicht

nur an den Auktionen des einkaufenden Unternehmens teilzunehmen, sondern es auch bei

sonstigen Aufträgen zu beliefern.546 Eine Verärgerung der Anbieter, die soweit reicht, ist

vermutlich selten. Neben den über Auktionen vergebenen Aufträgen geht der Zugang zu

normal verhandelten (und damit lukrativeren) Absatzmöglichkeiten verloren. Doch auch

diese Option wird in der Literatur diskutiert547, und es existieren Beispiele für ihre

Anwendung. So beschreiben Smeltzer/Carr (2001) einen Lieferanten, der so erbost über die

Auktionsanwendung war, dass er sieben Jahre lang Geschäfte mit dem Abnehmer

ablehnte.548 Einen theoretischen Rahmen für die Erklärung solcher Verhaltensmuster liefert

die Anreiz-Beitrags-Theorie. Nach dieser ergibt sich die Eintritt-, Austritts- oder

Verbleibentscheidung zu einer Geschäftsbeziehung als Ergebnis eines Abwägungsprozesses

der in die Beziehung eingebrachten Beiträge mit den durch sie erhaltenen Anreizen.549

Durch die Auktionsanwendung findet eine Verschiebung des Anreiz-Beitrags-Verhältnisses

statt. Innerhalb eines mit einem Abnehmer abgewickelten Auftragsportfolios verlieren die

über Auktionen abgewickelten Aufträge an Wert und damit an Anreiz für das absetzende

Unternehmen. Gleichzeitig suggeriert der Abnehmer dem Anbieter eine Abwertung der von

ihm geleisteten Beiträge, indem er das bisherige Preis-Leistungs-Verhältnis zur Disposition

stellt.550 Nun lassen sich zwei Fälle differenzieren:

- Die durch die Auktion verlorenen Anreize verschieben das Anreiz-Beitrags-

Verhältnis derart, dass die Beiträge überwiegen. Dies ist beispielsweise der Fall,

wenn die durch die Auktion verlorenen Aufträge derart gewinnbringend waren, dass

sie andere quersubventionierten.

Die reduzierten Absatzmöglichkeiten und damit Anreize reichen nicht aus, das

ursprünglich positive Anreiz-Beitrags-Verhältnis ins Negative zu verkehren. Dies

ist umso wahrscheinlicher, je weniger Quersubventionierungen innerhalb der

545 Vgl. Caniëls/Raaji, 2009, S. 12 und S. 20. 546 Beschafft der Abnehmer im Markt des Lieferanten ausschließlich über eRAs, ist diese Option identisch mit

der bloßen Nichtteilnahme an Auktionen. 547 Vgl. Emiliani, 2005, S. 528. 548 Vgl. Smeltzer/Carr, 2001, S. 984. 549 Vgl. March/Simon, 1958, S. 93; Vgl. Wentges, 2002, S. 90; Vgl. Staehle, 1999, S. 432. 550 Vgl. Smart/Harrison, 2002, S. 262.

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Systematisierung der Zulieferreaktionen auf eRAs

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Produktgruppen des Anbieters stattfinden und je geringer der prozentuale Anteil der

Aufträge ist, deren Preisverhandlungen auf Auktionen umgestellt werden.

Für das einkaufende Unternehmen bedeutet die letzte Abstufung der Exit-Option nicht nur

eine verminderte Wettbewerbsintensität innerhalb der Auktion, sondern einen zusätzlichen

Verlust eines Lieferanten, was sich auch auf andere Beschaffungsprozesse

wettbewerbsbeschränkend auswirkt. Besonders schwer wiegt dieser Verlust, wenn es sich

um einen strategisch relevanten Zulieferer handelt.551 Ein solcher Verlust kann sich

bedrohlich auf die operative Leistungsfähigkeit und die strategischen Optionen eines

Unternehmens auswirken.552 Kaufmann (2003) argumentiert in diesem Zusammenhang,

dass sich strategische Beschaffungsaufträge ohnehin nicht für die Auktionsdurchführung

eignen (siehe auch Kapitel 3.2.1) und die beschriebene Gefahr deshalb nicht existent ist.553

Es ist jedoch nicht auszuschließen, dass derselbe Lieferant sowohl strategisch relevante als

auch nicht strategisch relevante Güter an ein Unternehmen liefert.

Kollektive Gegenmaßnahmen

Kollektive Auktionsverweigerung: Die erste kollektive Gegenmaßnahme ist die

gemeinschaftliche Ablehnung der Auktionsteilnahme (kollektive Abwanderungsoption).

Einigen sich alle für die Lieferung eines Beschaffungsvolumens infrage kommenden

Unternehmen auf ein solches Verhalten, ist das einkaufende Unternehmen machtlos und

muss zur Beschaffung über traditionelle Verfahren zurückkehren. Das Durchhalten einer

solchen Vorgehensweise ist jedoch äußerst unwahrscheinlich. Zu groß ist die Versuchung,

gerade neuer Lieferanten, angesichts lockender Zusatzaufträge aus der Absprache

auszubrechen. Da die Einigung, Aufträge eines bestimmten Kunden zu bedienen, in keinem

Fall rechtlich verbindlich ist, ist das Ausscheren juristisch nicht sanktionierbar.

Kollektive Preisabsprachen (Kollusion): Einigen sich die Lieferanten vor

Auktionsdurchführung auf wettbewerbsbeschränkende Verhaltensweisen, spricht man von

Kollusion.554 Bei Durchführung einer solchen Preisabsprache sind im Vorfeld ein Sieger

und ein von ihm abzugebendes Niedrigstgebot zu definieren. Unter Umständen wird im

Vorfeld sogar der gesamte Auktionsverlauf festgelegt. Im weiteren Verlauf ergeben sich

zwei Möglichkeiten.

551 Vgl. Arnold, 1997, S. 96 ff. 552 Vgl. Vahrenkamp, 2003, S. 271. 553 Vgl. Kaufmann, 2003a, S. 205. 554 Vgl. Kantzenbach/Kruse, 1989, S. 26; Vgl. Olten, 1998, S. 116.

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Systematisierung der Zulieferreaktionen auf eRAs

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- Der „Gewinner“ der Auktion zahlt den „Verlierern“ eine Kompensationsleistung.

Diese muss kleiner sein, als die ihm im Auftrag generierte Produzentenrente.

- Der „Gewinner“ alterniert innerhalb der Gruppe. Die Option erfordert jedoch eine

mehrmalige Auktionsdurchführung und führt zudem zu einer erhöhten Auffälligkeit

der Absprache.555

Die Durchführung von Kollusionen erfordert nicht die Teilnahme aller Anbieter.

Theoretisch ist es ausreichend, wenn sich die zwei günstigsten Lieferanten im Vorfeld auf

einen Preis oberhalb des Mindestpreises des Günstigeren einigen. Bezüglich der Häufigkeit

von Kollusionen bei eRAs und deren Verwendung im Vergleich zu traditionellen

Beschaffungsprozessen herrscht in der Literatur eine Vielzahl an Meinungen:

Wambach (2004) argumentiert, dass Kollusionen bei Auktionen nicht mehr möglich

sind;556

Sashi/O‘Leary (2002) sehen die Kollusionswahrscheinlichkeit durch eRAs deutlich

verringert;557

Kaufmann/Carter (2003) ermittelten hingegen eine Zunahme der Preisabsprachen in

elektronischen Beschaffungsauktionen558 und

Arnold et al. (2005) stellten kaum eine Änderung kollusiven Verhaltens fest.559

Da es in der Natur von Preisabsprachen liegt, dass empirische Befunde über sie äußerst

schwierig, wenn nicht gar unmöglich zu erlangen sind, ist zur Beantwortung der Frage nach

der Kollusionsentwicklung bei eRAs ein anderer Ansatz zu wählen. Tabelle 3 zeigt die

Kriterien für Kollusionswahrscheinlichkeiten innerhalb eines Markts. Im Folgenden wird

versucht, diese mit Marktstrukturveränderungen durch eRAs abzugleichen. Ziel der

Untersuchung ist es herauszufinden, welche Strukturveränderungen die

Kollusionswahrscheinlichkeit erhöhen und welche sie reduzieren.

555 Zu prinzipiellen Möglichkeiten bei Kollusionen in Auktionen siehe Klemperer, 1990, S. 240. 556 Vgl. Wambach, 2004, S. 19 f. 557 Vgl. Sashi/O`Leary, 2002, S. 105. 558 Vgl. Kaufmann/Carter, 2004, S. 20. 559 Vgl. Arnold et al., 2005, S. 123; siehe dazu auch Arnold/Schnabel, 2007, S. 98.

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Systematisierung der Zulieferreaktionen auf eRAs

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Kriterien des

Kollusionsmarkts

Kriterien der

Kollusionsgüter

Kriterien der

Kollusionsmitglieder

- Anzahl der Unternehmen

einer Branche

- Homogenität der

Marktteilnehmer

- Marktschranken

- Grad der Markttransparenz

- Homogenität der

Kollusionsgüter

- Substitutionsmöglichkeiten

- Höhe des Marktanteils

- Homogenität des

Produktionsprogramms

- Ähnlichkeit von Interessen

Tabelle 3: Kriterien für die Wahrscheinlichkeit von Kollusionen560

Alle genannten Kriterien des Kollusionsmarkts sind durch die Einführung elektronischer

Beschaffungsauktionen betroffen. Die Erfolgswahrscheinlichkeiten von Kollusionen nimmt

bei steigender Anzahl der Marktteilnehmer ab.561 Die Absprache und Kontrolle der

Kollusionsbindungen wird durch eine große Unternehmensanzahl komplexer und ist

schwieriger durchzuführen.562 Durch eRAs wird die Anzahl potenzieller Marktteilnehmer

erhöht (siehe auch Kapitel 4.2.2).563 Dadurch wird die Kollusionswahrscheinlichkeit

reduziert. Die Homogenität innerhalb des Anbieterpools wirkt sich ebenfalls positiv auf die

Kollusionswahrscheinlichkeit aus. Sie wird durch die Integration kulturell unterschiedlicher

Lieferanten564 in einen eRA-Prozess reduziert. Auch das zweite Kriterium spricht für eine

Abnahme der Kollusionswahrscheinlichkeit. Kollusionsfördernd sind zudem hohe

Marktschranken.565 Sie bestimmen das Ausmaß der externen Bedrohung einer kollusiven

Gruppe. Durch die Integration geografisch entfernter566 Lieferanten in eRAs werden die

Marktschranken sukzessive abgebaut, sodass bereits drei Kriterien auf ein Absinken von

Kollusionsrisiken durch elektronische Beschaffungsauktionen hinweisen. Das letzte

Marktkriterium ist die herrschende Markttransparenz. Von ihr gehen bei der eRA-

560 Abgeleitet aus Cox, 1981, S. 235. 561 Vgl. Schmidt, 2005, S. 124; Vgl. Ahrns/Feser, 1997, S. 52; Vgl. Beckmann, 1999, S. 52; Vgl.

Kantzenbach/Kruse, 1989, S. 42. 562 Vgl. Ahrns/Feser, 1997, S. 52. 563 Vgl. Kaufmann/Carter, 2004, S. 21; Vgl. Beall et al., 2003, S. 27; Vgl. Sashi/O‘Leary, 2002, S. 108; Vgl.

Arnold/Schnabel, 2007, S. 89; Vgl. Brenner/Wenger, 2007, S. 8; Vgl. Emiliani, 2000, S. 182. 564 Vgl. Kaufmann, 2003a, S. 213. 565 Vgl. Schmidt, 2005, S. 124; Vgl. Ahrns/Freser, 1997, S. 52. 566 Vgl. Beall et al., 2003, S. 27; Vgl. Schoenherr/Mabert, 2007, S. 373; Vgl. Ariely/Simonson, 2003.

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Systematisierung der Zulieferreaktionen auf eRAs

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Einführung zwei entgegengesetzte Effekte auf die Kollusionswahrscheinlichkeit aus.

Prinzipiell spricht eine hohe Markttransparenz für eine gesteigerte Wahrscheinlichkeit von

Preisabsprachen.567 Unregelmäßigkeiten im Auktionsverlauf sind für alle Auktions- wie

Kollusionsteilnehmer gleichermaßen sichtbar.568 Somit entsteht eine starke

Kontrollfunktion innerhalb der Gruppe, und bei Anwendung einer englischen Auktion

können die Teilnehmer zudem direkt auf einen Kollusionsbruch reagieren und dem

Kollusionsbrecher den Anreiz seiner Abspracheverletzung, nämlich die Erlangung des

Auftrags zu einem verhältnismäßig hohen Preis, direkt wieder entziehen.569 Der zweite

Effekt, der von einer erhöhten Markttransparenz ausgeht, ist jedoch, dass auch das

beschaffende Unternehmen vollen Einblick in den Bietprozess erlangt.570 Ist kollusives

Verhalten jedoch leichter vom Abnehmer erkennbar, sinkt auch die

Kollusionswahrscheinlichkeit.571 Die beiden Effekte kombinierend, ist es schwer zu

bestimmen, ob von der erhöhten Markttransparenz ein Absinken oder Ansteigen der

Kollusionswahrscheinlichkeit ausgeht.

Betrachtet man die Kriterien der Kollusionsgüter, so tritt vor allem deren Homogenität in

den Vordergrund. Ein hoher Grad an Gleichheit führt dazu, dass sich gemeinsame

Kollusionsstrategien einfacher entwickeln und darauf aufbauend durchführen lassen.572 Bei

unterschiedlichen Produkten ist dies weit schwieriger.573 In elektronischen

Beschaffungsauktionen werden die Güter so exakt spezifiziert, dass alle Lieferanten auf ein

homogenes Gut bieten.574 Der Homogenitätsgrad steigt und mit ihm die

Kollusionswahrscheinlichkeit. Die Substitutionsmöglichkeiten eines Gutes werden durch

eRAs nicht wesentlich tangiert.

Nur bei einem Mitgliederkriterium, der Ähnlichkeit der Produktions- und Kostenstrukturen,

lässt sich ein kollusionsverändernder Einfluss durch die eRA-Einführung ableiten.

Ähnlichkeit wirkt kollusionsfördernd, da es für einzelne Marktteilnehmer nicht besonders

lukrativ ist, aus dem Kollusionsbund auszubrechen.575 Die Anbieter können sich auf einen

567 Vgl. Schmidt, 2005, S. 124; Vgl. Ahrns/Freser, 1997, S. 52. 568 Vgl. Chen/Tauman, 2006, S. 146. 569 Vgl. Robinson, 1985, S. 142 ff. 570 Vgl. Arnold et al., 2005, S. 125; Vgl. Beall et al., 2003, S. 28. 571 Vgl. Kräkel, 1992, S. 152. 572 Vgl. Kantzenbach, 1989, S. 48; Vgl. Schmidt, 2005, S. 124; Vgl. Ahrns/Feser, 1997, S. 52. 573 Vgl. Cox, 1981, S. 236; Vgl. Kantzenbach, 1989, S. 39. 574 Vgl. Arnold/Schnabel, 2007, S. 99; Vgl. Beall et al., 2003, S. 27. 575 Vgl. Ahrns/Feser, 1997, S. 52; Vgl. Schmidt, 2005, S. 124.

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Systematisierung der Zulieferreaktionen auf eRAs

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Preis oberhalb ihrer ähnlichen Vollkosten einigen und die gleichen Vorteile aus dieser

Einigung erzielen. Durch die von den genauen Spezifikationen hervorgerufene

Homogenisierung bei der Einführung elektronischer Beschaffungsauktionen ergibt sich

zwangsläufig eine Angleichung der Produktions- und Kostenfunktionen. Die

kollusionsfördernde Einigkeit steigt. Die Höhe des Marktanteils einzelner Anbieter sowie

die Ähnlichkeit von Interessen, Wettbewerbsfähigkeit und Anpassungsgrad bleiben durch

die Einführung von Auktionen im ersten Schritt unberührt.

Die kollusionsbeeinflussenden Effekte durch elektronische Beschaffungsauktionen sind in

Tabelle 4 dargestellt. Die Mehrzahl der direkten Effekte wirkt sich kollusionsfördernd aus.

Hinzu kommt, dass sich eRAs bisherigen Erhebungen zufolge negativ auf die

lieferantenseitig empfundene Qualität der Geschäftsbeziehung auswirken. Unterstellt man,

dass Zulieferer sich der Theory-of-Reasoned-Action folgend vor allem in von ihnen als

schlecht empfundenen Beziehungen kollusiv verhalten576, entsteht durch die negative

Wahrnehmung ein weiterer kollusionsfördernder Effekt. Da das Vorhandensein und die

Intensität der einzelnen Faktoren jedoch von Auktion zu Auktion abweichen, ist im

Einzelfall zu prüfen, ob das Kollusionsrisiko sinkt oder steigt.

Kollusionsfördernde Effekte durch

eRAs

Kollusionshemmende Effekte durch

eRAs

Steigerung der Anzahl der

Marktteilnehmer

Steigerung der Transparenz des

Einkäufers

Steigerung der Homogenität innerhalb des

Anbieterpools

Steigerung der Ähnlichkeit der

Produktions- und Kostenstrukturen

Abbau von Marktschranken

Steigerung der Transparenz unter den

Bietern

Steigerung des Homogenitätsgrades der

Güter

Absenkung der Preiselastizitäten

Tabelle 4: Kollusionsfördernde und kollusionshemmende Effekte durch eRAs

576 Vgl. Emiliani/Stec, 2004, S. 68; Vgl. Jap, 2003; Vgl. Jap, 2007; Vgl. Tassabehij et al., 2006.

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Systematisierung der Zulieferreaktionen auf eRAs

98

Eine Übersicht über alle verhandlungsbezogenen Gegenmaßnahmen bietet Tabelle 5.

Individuelle Gegenmaßnahmen Kollektive Gegenmaßnahmen

Beschwerde/Störung der Auktion Kollektive Auktionsverweigerung

Nichtteilnahme Kollektive Preisabsprachen

Teilnahme ohne Gebotsabgabe

Vollständige Beendigung der

Geschäftsbeziehung

Tabelle 5: Verhandlungsbezogene Gegenmaßnahmen zu eRAs

5.1.2 Verknüpfung verhandlungsbezogener Gegenmaßnahmen mit der eRA-

Wahrnehmung

Die vorliegende Arbeit stellt die lieferantenseitige Wahrnehmung von eRAs als Konstrukt

zwischen die Variablen des MSCP-Paradigmas Marktstruktur und Marktverhalten. Im

vorherigen Kapitel wurden die Einflüsse der Marktstrukturveränderungen auf die

Lieferantenwahrnehmung des Beschaffungsinstruments modelliert. Nun gilt es, den

Einfluss dieser Wahrnehmung auf das Marktverhalten zu bestimmen. Die „Theory-of-

Reasoned-Action“ postuliert, dass das Verhalten von Individuen von deren Einstellung

gegenüber einem Objekt gesteuert wird.577 Je positiver die Einstellung gegenüber einem

Objekt (eRA), umso wahrscheinlicher sind also Maßnahmen, die dieses Objekt fördern und

unterstützen. Je negativer die Einstellung gegenüber einem Objekt, umso wahrscheinlicher

sind Gegenmaßnahmen, die das Objekt behindern. Ein die Auktion behinderndes Verhalten

im Umfeld oder während der eRA ist demnach umso wahrscheinlicher, je negativer die

Auktionen auf Lieferantenseite wahrgenommen werden.

HG1 Je negativer die Fairnesswahrnehmung des Beschaffungsinstruments eRA, desto

wahrscheinlicher ist die Durchführung verhandlungsbezogener Gegenmaßnahmen.

Als genaue Motive der Gegenreaktionen lassen sich zwei Komplexe systematisieren.

Einmal kann sich das liefernde Unternehmen aus den Reaktionen Verbesserungen seiner

wirtschaftlichen Lage erhoffen. So kann die Beschwerde in Kombination mit der Drohung

der Abwanderung im positivsten Falle zur Einstellung der Auktionsanwendung führen. Ein

weiteres Beispiel sind wirtschaftliche Besserstellungen aufgrund der Durchführung von

577 Vgl. Fazio et al., 1989, S. 280 ff.

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Systematisierung der Zulieferreaktionen auf eRAs

99

Preisabsprachen. Die zweite Motivation erwächst aus dem Empfinden, gerade der

etablierten Lieferanten, dass Einkäufer durch eRAs die eng geknüpften

Geschäftsbeziehungen aufkündigen. Eine solche Empfindung kann den Wunsch befördern,

das beschaffende Unternehmen abzustrafen.

Bei der Erstellung des Strukturmodells wurde die Hypothese abgefasst, dass der Einfluss

von eRAs auf die Qualität der Geschäftsbeziehung von Lieferanten umso negativer

empfunden wird, je unfairer diese das Beschaffungsinstrument wahrnehmen. Die Stärke

dieses Zusammenhangs wurde dabei als Indikator dafür identifiziert, wie bedeutend

Lieferanten eRAs einstufen. Je bedeutender eine negative Entwicklung wahrgenommen

wird, desto wahrscheinlicher wird sie Gegenreaktionen nach sich ziehen. Daher lautet die

zweite Hypothese der Gegenreaktionen:

HG2 Je negativer der lieferantenseitig empfundene Einfluss von eRAs auf die Qualität der

Geschäftsbeziehung ist, desto wahrscheinlicher ist die Durchführung

verhandlungsbezogener Gegenmaßnahmen.

5.2 Kompensationsversuche finanzieller Einbußen

5.2.1 Darstellung der Kompensationsversuche finanzieller Einbußen

Erlösseitige Kompensationsversuche

Bei der erlösseitigen Kompensation werden zusätzliche Forderungen an die Abnehmerseite

gestellt, die die Einnahmereduktion ausgleichen sollen.578

Preiserhöhung von Zusatzleistungen (i): Preise für Zusatzleistungen (Additional Services),

die zur Nutzung eines Produkts beitragen, können als Reaktion auf die erlittenen

Erlöseinbußen erhöht oder überhaupt erst eingeführt werden.579 Ein Beispiel hierfür sind

die Tarife für technische Services, die vorher ohne Kosten geleistet wurden. Der Verzicht

auf diese Leistungen oder der Zwang, sie extern zu beziehen, kann zu kostspieligen Folgen

für die Einkäufer führen. Damit wäre eine letztendliche Steigerung der Total Cost of

Purchasing Function (TCPF), eine Überkompensation der erzielten Preisreduktionen,

578 Vgl. Emiliani/Stec, 2005, S. 283; Vgl. Emiliani, 2005, S. 527. 579 Vgl. Jap, 2003, S. 104.

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Systematisierung der Zulieferreaktionen auf eRAs

100

möglich. Beall et al. (2003) glauben jedoch nicht an ein zu heftiges Auftreten dieses

Phänomens in der Praxis. In einer groß angelegten Zahl an Experteninterviews unter

auktionserfahrenen Einkäufern gaben diese an, keinen Rückgang an Serviceleistungen

bemerkt zu haben. Sie zeigten sogar ein Interesse daran, den Wert dieser Services

herauszufinden, da man so ihr Kosten-Nutzen-Verhältnis besser abschätzen könne.

Letztlich waren sie sich sicher, alle wichtigen Leistungskomponenten ohnehin in den

Spezifikationen zu berücksichtigen.580 Obwohl jedoch Einkäufer kontinuierlich angeben,

die Spezifikationen bei eRAs früher und genauer anzufertigen als bei vorherigen

Beschaffungsverfahren581, zeigten sich immer wieder Lücken in den Spezifikationen.582

Preiserhöhung nachträglicher Anpassungen (ii): Eine ebenfalls durch mangelnde

Produktspezifikationen ausgelöste Gelegenheit zur Kompensation finanzieller Einbußen

sind Forderungen für nachträgliche Anpassungen an den durch die Spezifikation

festgelegten Produkt- und Leistungsparametern.583 Hier bietet sich die Möglichkeit,

Umstellungen zu bepreisen, die zuvor kulanterweise kostenfrei durchgeführt wurden. Ein

Beispiel ist die kostenneutrale Abänderung einer Produkteigenschaft oder zusätzlich

nachgeforderte Einheiten eines Beschaffungsvolumens. Der Anbieter kann versuchen, den

durchschnittlichen Preis dieser über dem in der Auktion verhandelten Einheiten zu

platzieren.584

Preiserhöhungen bei nicht über eRAs verhandelten Aufträgen (iii): Ebenfalls in der

Literatur diskutiert werden Versuche der Lieferanten, die Erlösreduktionen durch höhere

Preise bei anderen, nicht über eRAs verhandelten Aufträgen zu kompensieren.585 Die

durchschnittliche Marge bliebe konstant. Die Fähigkeit des Zulieferers, diese

Ertragsumschichtung durchzuführen, hängt von der Positionierung seiner Produkte im

Beschaffungsportfolio des auktionsdurchführenden Abnehmers ab. Sind diese für ihn von

strategischer Relevanz und nicht durch andere Lieferanten substituierbar, sind

Preiserhöhungen möglich. Allerdings nur bis zu dem Punkt, ab dem das Aufbauen eines

580 Vgl. Beall et al., 2003, S. 11. 581 Vgl. Beall et al., 2003, S. 45 und S. 52; Vgl. Smeltzer/Carr, 2003, S. 485. 582 Vgl. Beall et al., 2003, S. 45, berichten beispielsweise, dass Lieferanten mangelnde Produktspezifikationen

als eines der zentralen Probleme bei eRAs ansehen. 583 Vgl. Emiliani/Stec, 2005, S. 283; Vgl. Emiliani/Stec, 2004, S. 150. 584 Voraussetzung hier ist jedoch, dass diese zusätzlichen Einheiten nicht auch von anderen Anbietern

geliefert und integriert werden können und die Preissetzung damit nicht erneut dem Wettbewerbsdruck ausgesetzt werden kann.

585 Vgl. Emiliani/Stec, 2005, S. 283; Vgl. Emiliani/Stec, 2004, S. 150.

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Systematisierung der Zulieferreaktionen auf eRAs

101

neuen strategischen Zulieferers für das beschaffende Unternehmen durch die höheren

Preise profitabel wird. Sind die nicht von den Auktionen betroffenen Produkte des

Anbieters jedoch nicht von strategischer Relevanz für das einkaufende Unternehmen,

gestaltet sich eine spürbare Preiserhöhung aufgrund des Wettbewerbsdrucks als schwierig.

Kostenseitige Kompensationsversuche

Senkung der Qualitätsstandards/Produkt (i): Eine Vielzahl von Autoren äußert die

Befürchtung, dass Lieferanten die Qualitätsstandards von über Auktionen abgesetzten

Produkten absenken. So bestimmt Jap (2003) als eine der zentralen Fragestellungen zu

eRAs, ob Einkäufer Qualitätsverluste feststellen.586 Diese Reduktionen könnten als

Trotzreaktion auf die erlittenen Einbußen587 oder zur Kompensation derselben erfolgen.

Carter/Kaufmann (2007) sehen eine Einschränkung der qualitativen Leistungsfähigkeit als

logische Konsequenz von opportunistisch geprägten Auktionen.588 Beall et al. (2003)

argumentieren, dass sich die zuvor ermittelten höheren Preise sehr wohl ungünstig für die

einkaufende Seite ausgewirkt haben können, wenn diese zu niedrigen Gesamtkosten

aufgrund garantierter Qualitätsstandards geführt hätten.589 Arnold et al. (2005) fassen diese

Überlegungen als eine Änderung der TCPF zusammen, in der alle direkten wie indirekten

Kosten des Einkaufs erfasst sind.590 In dieser spielen auch die eingekaufte Produktqualität

und die mit ihr verbundenen Kosten eine wesentliche Rolle.591 Bei den

Qualitätsreduktionen sind drei Fälle zu differenzieren:

- die Qualitätsstandards wurden nur auf ein in den Spezifikationen vorgegebenes

Mindestniveau gesenkt;

- die Qualitätsstandards wurden unter dieses Mindestniveau gesenkt;

- die Standards wurden in Bereichen gesenkt, die in den Spezifikationen nicht oder

nur ungenau erfasst sind.

Im ersteren Fall ist die Absenkung für das einkaufende Unternehmen weder schädlich noch

bedrohlich. Die beiden anderen Fälle enthalten jedoch deutlich die Gefahr einer

Leistungseinschränkung des Abnehmers.

586 Vgl. Jap, 2003, S. 106. 587 Vgl. Jap, 2003, S. 104. 588 Vgl. Carter/Kaufmann, 2007, S. 22. 589 Vgl. Beall et al., 2003, S. 25. 590 Vgl. Arnold et al., 2005, S. 118. 591 Ebenda.

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Systematisierung der Zulieferreaktionen auf eRAs

102

Senkung der Qualitätsstandards/Vertriebsbetreuung (ii): Eine Senkung der

Qualitätsstandards kann auch bei der Betreuung durch den Vertrieb des Anbieters erfolgen.

Organisatorisch umsetzen ließe sich eine solche Absenkung beispielsweise durch eine

Herabstufung des Kundenrangs des einkaufenden Unternehmens.592 Damit würde es eine

intensive Marketingbetreuung, beispielsweise durch einen Key Account Manager,

verlieren.593 Dies wirkt sich wiederum negativ auf die Koordinationskosten mit dem

Zulieferer aus, womit erneut die von Arnold et al. beschriebene TCPF gesteigert wird.594

Zusätzlich können Vertriebsmitarbeiter angehalten werden, die Aufwendungen für

Kommunikation und Beziehungspflege, beispielsweise Reise-, Telekommunikations- oder

Bewirtungskosten, zu reduzieren.

In Tabelle 6 finden sich die einzelnen Kompensationsversuche finanzieller Einbußen

zusammengefasst.

Erlösorientierte

Kompensationsversuche

Kostenorientierte

Kompensationsversuche

Preiserhöhungen Zusatzleistungen (i) Senkung der Qualitätsstandards/Produkt

(i):

Preiserhöhungen nachträglicher

Anpassungen (ii)

Senkung der Qualitätsstandards/Ver-

triebsbetreuung (ii)

Preiserhöhung bei nicht über eRAs

verhandelten Aufträgen (iii)

Tabelle 6: Kompensationsversuche finanzieller Einbußen durch eRAs

5.2.2 Verknüpfung finanzieller Kompensationsversuche mit der eRA-

Wahrnehmung

Die Kompensationen finanzieller Einbußen sind der Theory-of-Reasoned-Action zufolge595

ebenfalls von der Wahrnehmung der Fairness von eRAs und dem Einfluss der Auktionen

auf die lieferantenseitig empfundene Qualität der Geschäftsbeziehung determiniert.

Letztlich sind Aktionen im aufgezeigten Reaktionsfeld ein Versuch, das durch die Auktion

aus dem Gleichgewicht geratene Anreiz-Beitrags-Verhältnis für die Lieferantenseite zu

592 Vgl. Giampeitro/Emilinai, 2007, S. 81. 593 Vgl. Reinecke/Keller, 2006, S. 259. 594 Vgl. Arnold et al., 2005, S. 118. 595 Vgl. Ajzen/Fishbein, 1980, S. 5 ff.

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Systematisierung der Zulieferreaktionen auf eRAs

103

verbessern. Entweder wird versucht, die eigenen Beiträge zu reduzieren (kostenseitige

Kompensationsversuche), oder die Anreize innerhalb der Geschäftsbeziehung sollen durch

eine erlösseitig wirkende Preiserhöhung gesteigert werden. Diese Aktionen sind umso

wahrscheinlicher, je unfairer Lieferanten das Beschaffungsinstrument empfinden, das das

Anreiz-Beitrags-Verhältnis gestört hat. Zudem sollte die Wahrscheinlichkeit der

Gegenreaktionen steigen, je negativer die Lieferanten den Einfluss des Instruments auf die

Qualität der Geschäftsbeziehung wahrnehmen, die ja letztlich durch die Ausprägung des

Anreiz-Beitrags-Verhältnisses determiniert wird.596 Die dritte und vierte Hypothese des

Modells zur Messung der Wahrscheinlichkeit von Gegenreaktionen lauten deshalb wie

folgt:

HG3 Je negativer die Fairnesswahrnehmung des Beschaffungsinstruments eRA ist, desto

wahrscheinlicher ist die Durchführung von Versuchen zur Kompensation der

finanziellen Einbußen.

HG4 Je negativer der lieferantenseitig empfundene Einfluss von eRAs auf die Qualität der

Geschäftsbeziehung ist, desto wahrscheinlicher ist die Durchführung von Versuchen

zur Kompensation finanzieller Einbußen.

5.3 Strategische Neuausrichtungen

5.3.1 Darstellung strategischer Neuausrichtungen

Lieferanten können sich durch die von eRAs verursachten Veränderungen in ihren Märkten

dazu gedrängt sehen, neben den bereits dargestellten operativen Reaktionen auch ein

strategisches Umdenken einzuleiten. Die Unternehmensstrategie definiert die grundlegende

Ausrichtung des Unternehmens mit langfristigem Zeithorizont.597 Strategische Reaktionen

auf eRAs sind solche, die sich langfristig auf die Aufstellung des Unternehmens und seine

Handlungsspielräume auswirken. Die Systematisierung strategischer Anpassungen erfolgt

ebenfalls in absatzseitige und kostenseitige Anpassungen.

596 Vgl. Barnard, 1938, S. 83. 597 Vgl. Homburg/Krohmer, 2006, S. 436.

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Systematisierung der Zulieferreaktionen auf eRAs

104

Absatzseitige Strategieanpassungen

Igor Ansoff definiert vier Wege, um unternehmerisches Wachstum zu erzielen:

Marktdurchdringung, Marktentwicklung, Produktentwicklung und Diversifikation.598 Die

Systematisierung der absatzseitigen Strategieanpassungen folgt dieser Unterteilung:

Versuche der Marktdurchdringung: Marktdurchdringung ist nach Ansoff der Versuch, in

bestehenden Märkten mit bestehenden Produkten zu wachsen.599 Dies geschieht primär

durch die Akquise neuer Kunden in dem Marktsegment.600 Wählen Lieferanten diese

Option, versuchen sie, Kunden zu finden, die keine eRAs durchführen. Das Ziel besteht

darin, bei diesen Waren abzusetzen. Eine mögliche Vorgehensweise dazu ist, verstärkt

kleine Unternehmen anzusprechen, da diese im Vergleich zu Großkonzernen eher selten

elektronische Beschaffungsauktionen anwenden.601 Da der Begriff „Marktdurchdringung“

theoretischer Natur und für eine Befragung von Praktikern nicht direkt geeignet ist, wird er

in der Befragung durch die Bezeichnung „Suche nach neuen Kunden“ ersetzt.

Suche nach neuen Absatzmärkten: Hier wird der Versuch unternommen, das bestehende

Produktportfolio oder Teile dessen in neue Märkte zu tragen.602 Im geprüften Kontext

werden Lieferanten versuchen, ihre Produkte in Märkten abzusetzen, in denen noch keine

eRAs eingeführt wurden. Ein Beispiel wäre der Versuch, in Ländern, in denen

Beschaffungsauktionen eine geringere Rolle spielen, zu expandieren. Ein weiteres Beispiel

wäre der Wechsel zwischen Industrien. So ist die Anwendung von eRAs in der

Automobilindustrie sehr verbreitet, sodass man den Versuch unternehmen kann, hier

aufgebautes Know-how in andere Industrien zu tragen und dort Erlöse zu generieren.

Suche nach neuen Produkten: Die Produktentwicklung stellt nach Ansoff den Versuch dar,

neue Produkte in bisherigen Märkten zu erschaffen und abzusetzen.603 Von Auktionen

betroffene Lieferanten können neue Produkte einführen, die sich nicht für die

auktionsgestützte Beschaffung eignen oder bisherige Produkte derart entwickeln, dass auch

598 Vgl. Ansoff, 1966, S. 13 ff. 599 Vgl. Ansoff, 1966, S. 132. 600 Eine weitere Option sind Cross-Selling-Möglichkeiten mit bestehenden Kunden, diese wurden jedoch

bereits in dem Reaktionsfeld „Kompensationsversuche der finanziellen Einbußen“ erfasst. 601 Vgl. Hur et al., 2007, S. 413. 602 Vgl. Meffert, 1998, S. 234. 603 Vgl. Ansoff, 1966, S. 132; Vgl. Homburg/Krohmer, 2006, S. 522.

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Systematisierung der Zulieferreaktionen auf eRAs

105

bei ihnen eine Verhandlung über Beschaffungsauktionen unwahrscheinlich wird. Aus

Kapitel 3.2.1 gehen drei Produktcharakteristika hervor, die die Auktionierbarkeit hemmen:

- die strategische Relevanz des Bedarfs;604

- eine hohe Integration in den Wertschöpfungsprozess des Lieferanten;605

- eine, gemessen am Beschaffungsvolumen, hohe Komplexität.606

Die Produktmanager der Anbieter müssen bei der betrachteten Option versuchen, die

eigenen Produkte mit einer oder mehreren dieser Eigenschaften zu versehen. Dabei sind die

aufgeführten Charakteristika häufig miteinander verknüpft. So führt eine erhöhte

strategische Relevanz wohl meist auch zu einer gesteigerten Integration in die

Wertschöpfungsprozesse des Abnehmers. Die gemessen am Beschaffungsvolumen hohe

Komplexität muss nicht zwangsläufig tatsächlich vorliegen. Entscheidend für die

Auktionierung ist die nachfrageseitig empfundene Komplexität der angebotenen Produkte.

Die vierte von Ansoff charakterisierte Dimension ist die Diversifikation. Mit neuen

Produkten soll in neuen Märkten agiert werden.607 Da dieser Schritt ohne Rückgriffe auf

Synergieeffekte und meist mit mangelndem Know-how erfolgen muss, empfiehlt ihn

Ansoff nur für Ausnahmesituationen.608 Dass Lieferanten nach derart signifikanten Preis-

und Ertragseinbrüchen, wie sie durch eRAs hervorgerufen werden, die Fähigkeit zu einem

solch ressourcenintensiven Schritt haben, ist unwahrscheinlich.609

Kostenseitige Strategieanpassungen

Abbau von Vertriebsinfrastruktur: Die Senkung von Vertriebsprozesskosten wurde bereits

als Option bei den kostenseitigen Kompensationsversuchen finanzieller Einbußen

beschrieben. Führt das Unternehmen dauerhafte Anpassungen der Kostenstrukturen durch,

sodass diese seine langfristige Ausrichtung ändern, liegt eine neue strategische Ausrichtung

vor. Solche dauerhaften Anpassungen können das Einstellen von Außendienstfahrten oder

Printkatalogen sein.

604 Vgl. Beall et al., 2003. 605 Vgl. Skjott-Larsen et al., 2003, S. 207; Vgl. Kaufmann/Carter, 2004, S. 20. 606 Ein ungünstiges Verhältnis führt hier dazu, dass die absolut gesehen geringen Preiseinsparungen die

Aufwendungen für die Erstellung komplexer Produktspezifikationen nicht rechtfertigen. 607 Vgl. Ansoff, 1966, S. 132 und 150; Vgl. Homburg/Krohmer, 2006, S. 522. 608 Vgl. Ansoff, 1966, S. 166. 609 Vgl. Ansoff, 1966, S. 151, nennt als ein mögliches Motiv für die Diversifikation überschüssige Barmittel,

nach eRAs dürfte jedoch eher Barmittelknappheit vorliegen.

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Systematisierung der Zulieferreaktionen auf eRAs

106

Produktionsverlagerung in Niedriglohnländer: Befragungen unter Lieferanten ergaben,

dass vor allem Zulieferer aus Niedriglohnländern eRAs als positiv ansehen.610 Durch die

durch eRAs beförderte Kostenrelevanz scheinen solche Anbieter zu profitieren, die an

kostengünstigen Standorten produzieren. Aus diesem Grund erscheint es als konsequent,

nicht strategische, doch kostenintensive Produktionsprozesse ebenfalls an solche Standorte

zu verlagern.

In Tabelle 7 findet sich eine Übersicht der Strategieanpassungen.

Absatzseitige Strategieanpassungen Kostenseitige Strategieanpassungen

Versuche der Marktdurchdringung/Suche

nach neuen Kunden (i)

Abbau von Vertriebsinfrastruktur (i)

Suche nach neuen Märkten (ii) Produktionsverlagerungen in

Niedriglohnländer (ii)

Suche nach neuen Produkten (iii)

Tabelle 7: Strategische Neuausrichtungen aufgrund von eRAs

5.3.2 Verknüpfung strategischer Neuausrichtungen mit der eRA-

Wahrnehmung

Auch bei den strategischen Neuausrichtungen als drittem Reaktionsfeld ist von einer

Verknüpfung der Wahrnehmung mit der Fairness von eRAs und dem Einfluss der

Beschaffungsauktionen auf die Beziehungsqualität auszugehen. Zu beachten ist allerdings,

dass die Chancen der marktseitigen Neuausrichtungen zusätzlich von den

Opportunitätskosten und damit gemäß der Anreiz-Beitrags-Theorie von der Verfügbarkeit

von Alternativen abhängen.611 Da diese jedoch durch das beschaffende Unternehmen nicht

beeinflussbar sind und sich zudem rasch wandeln, wurde von einer spezifischen Erfassung

der Opportunitätskosten im dargestellten Modell abgesehen. Die fünfte und sechste

Hypothese des Reaktionsmodells lauten wie folgt:

HG5 Je negativer die Fairnesswahrnehmung des Beschaffungsinstruments eRA ist, desto

wahrscheinlicher ist die Durchführung strategischer Neuausrichtungen der liefernden

Unternehmen.

610 Vgl. Caniëls/Raaji, 2009, S. 20. 611 Vgl. Wiswede, 2007.

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Systematisierung der Zulieferreaktionen auf eRAs

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HG6 Je negativer der lieferantenseitig empfundene Einfluss von eRAs auf die Qualität der

Geschäftsbeziehung ist, desto wahrscheinlicher ist die Durchführung strategischer

Neuausrichtungen der liefernden Unternehmen.

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108

6 Methodische Grundlagen und Konzeption der empirischen

Analyse

6.1 Darstellung des Messverfahrens der Lieferantenwahrnehmung

6.1.1 Strukturgleichungsverfahren mithilfe von Partial Least Squares

Zur Bestimmung des Einflusses der Marktstrukturänderung auf die

Lieferantenwahrnehmung des Beschaffungsinstruments eRA ist ein multivariates

Analyseverfahren zu wählen. Dieses zeichnet sich, im Kontrast zu univariaten und

bivariaten Verfahren dadurch aus, dass es die Zusammenhänge von mehr als zwei

Variablen simultan bestimmen kann. Somit wird die Untersuchung des in Abbildung 28

dargestellten Beziehungsgeflechts ermöglicht. Die Methoden der multivariaten Analyse

lassen sich in strukturprüfende (konfirmatorische) und strukturentdeckende (explorative)

Verfahren untergliedern.612 Erstere überprüfen kausale Verknüpfungen einzelner

Modellvariablen, die zuvor als Hypothesen aufgrund sachlogischer Überlegungen

aufgestellt wurden.613 Die strukturaufdeckenden Verfahren versuchen, bisher unbekannte

Zusammenhänge zwischen Forschungsvariablen aufzudecken.614 Da das Ziel der

Untersuchung die Überprüfung der aufgestellten Zusammenhänge ist, ist ein

strukturprüfendes Verfahren zu wählen. Zu diesen zählen beispielsweise die

Regressionsanalyse, die Varianzanalyse oder die Conjoint-Analyse. Die Regressions-

analyse ist von den multivariaten Verfahren der ersten Generation das geeignetste

Instrument zur Erfüllung des vorliegenden Forschungskonzepts. Als einziges Verfahren

misst sie die Zusammenhänge zwischen einer abhängigen und mehreren unabhängigen

Variablen. Homburg identifiziert bei der Regressionsanalyse jedoch drei wesentliche

Schwächen:615

- Das Analyseverfahren setzt voraus, dass alle Variablen fehlerfrei gemessen werden.

Messfehler, die in der Realität auch bei größter Sorgfalt unvermeidbar sind, lassen

sich im Modell nicht berücksichtigen.616

612 Vgl. Backhaus et al., 2011, S. 7. 613 Ebenda. 614 Vgl. Homburg, 1992, S. 499. 615 Ebenda. 616 Vgl. Homburg, 1992, S. 499 ff.

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Methodische Grundlagen und Konzeption der empirischen Analyse

109

- Zudem wird angenommen, dass die exogenen Variablen unabhängig voneinander

sind, sich also nicht gegenseitig beeinflussen. In der Praxis tritt ein solcher Einfluss

(Multikollinearität) jedoch häufig auf.

- Die Regressionsanalyse eignet sich durch ihre sehr einfache Abhängigkeitsstruktur

nicht zur Erfassung von komplexeren Kausalstrukturen, beispielsweise von

gestuften oder wechselseitigen Abhängigkeiten.

Strukturgleichungsmodelle überwinden diese Schwächen. Mit ihnen kann ein komplexes

Beziehungsgeflecht über die Abhängigkeiten latenter Variablen untersucht werden.617

Dabei unterscheidet sie strikt zwischen Konstrukten und deren Messgrößen.618 Da Erstere

latent und damit nicht direkt messbar sind, müssen sie mithilfe zugehöriger, direkt

messbarer Indikatoren operationalisiert werden.619 Diese sind „unmittelbar messbare

Sachverhalte, welche das Vorliegen der gemeinten, aber nicht direkt erfassbaren

Phänomene […] anzeigen“620. Die Messung der Konstrukte geschieht indirekt über die

Indikatoren.621 Die Zusammenhänge zwischen den latenten Variablen und den Indikatoren

werden durch eine Korrespondenzhypothese ausgedrückt.622 Die latenten Variablen lassen

sich in abhängige und unabhängige Variablen einteilen, wobei Letztere die abhängigen

Variablen determinieren. Die unabhängigen Variablen werden als exogene Größen, die

abhängigen als endogene Größen bezeichnet. Die Trennung in Konstrukte und ihre

Messung führt zur simultanen Schätzung von zwei Modellarten623.

Strukturgleichungsmodelle lassen sich somit gedanklich in zwei Bestandteile zerlegen:

- Messmodelle, die den Zusammenhang der Indikatoren zu den Konstrukten

spezifizieren. Dies geschieht über eine konfirmatorische Faktoranalyse.

- Strukturmodelle zur Abbildung der Beziehung der exogenen und endogenen

Konstrukte untereinander. Diese Beziehungen leiten sich aus der theoretischen

Fundierung und aus sachlogischen Überlegungen her und bilden die aufgestellten

Hypothesen ab.

617 Vgl. Homburg/Pflesser, 2000, S. 636. 618 Vgl. Homburg/Pflesser, 2000, S. 635. 619 Vgl. Kühnel/Krebs, 2001, S. 27. 620 Kroeber-Riel/Weinberg, 2003, S. 31. 621 Vgl. Hujer/Cremer, 1977, S. 7. 622 Vgl. Kubicek, 1975, S. 96. 623 Vgl. Bollen, 1989; Vgl. Jörekog/Sörbom, 1996.

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Methodische Grundlagen und Konzeption der empirischen Analyse

110

Eine anschauliche Visualisierung des Zusammenhangs zwischen der Struktur und dem

Messmodell sowie die Darstellung der latent exogenen und der latent endogenen Variablen

liefern Backhaus et al. 2006.

Abbildung 25: Zusammenhang zwischen Struktur- und Messmodell624

Ein Konstrukt kann nur durch einen Faktor (einfaktorielles Konstrukt)625 oder durch

mehrere Indikatoren gemessen werden.626 Zur Messung eines latenten Konstrukts sollten

mehrere Faktoren herangezogen werden.627 Die Wahl der optimalen Faktoranzahl stellt ein

komplexes und mitentscheidendes Problem dar628 und wird durch das weitere statistische

Verfahren determiniert.629 Grundsätzlich ist eine Abwägung zweier gegensätzlicher

Einflüsse zu treffen. Das Ziel einer möglichst genauen Beschreibung des Konstrukts und

der zwei relevanten Ausprägungen spricht für eine hohe Indikatorenanzahl. Chin et al.

(1996) konnten in einer Monte-Carlo-Simulation zu Informationssystemen auf Basis von

PLS zeigen, dass die Anzahl der Indikatoren hoch mit der Güte der Schätzung korreliert

ist.630 Auf der anderen Seite sollen die Probanden nicht durch immer wieder ähnliche, da in

dieselbe Richtung zielende Fragen gelangweilt und demotiviert werden. Üblicherweise

624 Backhaus et al., 2006, S. 355. 625 Vgl. Homburg/Giering, 1996, S. 6. 626 Vgl. Hujer/Cremer, 1977, S. 7. 627 Vgl. Hulland, 1999, S. 198; Vgl. Zinnbauer/Eberl, 2004, S. 4; Vgl. Baumgartner/Homburg, 1996, S. 143;

Vgl. Segars, 1996, S. 111. 628 Vgl. Peter, 1979, S. 13 f. 629 Vgl. Huber et al., 2005a, S . 6 ff. 630 Vgl. Chin et al., 1998, S. 31.

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111

werden fünf bis neun Indikatoren herangezogen.631 Bei der Modellierung der Konstrukte

sind zwei Methoden abgrenzbar, die sich in der Art der Indikatoren äußern.632

- Bei formativen Indikatoren werden die Konstrukte als Summe der Indikatoren

wahrgenommen. Die beobachtbaren Indikatoren bestimmen in dieser Denkweise die

latenten Variablen.633

- Bei reflektiven Indikatoren ist die Annahme genau entgegengesetzt. Hier bestimmt

die latente Variable die Indikatoren.634 Dies führt dazu, dass sich eine Veränderung

des Konstrukts in der Veränderung aller Indikatoren anzeigt und reflektiert wird.635

Schon früh hat sich eine Reihe von Softwareprogrammen zur Unterstützung von

Strukturgleichungsmodellen etabliert.636 Sie lassen sich in zwei Analyseansätze, Partial

Least Square (PLS) und Linear Structural Relations (LISREL) unterscheiden. Zum PLS-

Ansatz gehören die Programme PLSGraph 3.0, Smart PLS, LVPLS, zum LISREL-Ansatz

LISREL, AMOS, EQS.637 Nachteilig ist der LISREL-Ansatz bei relativ kleinen

Stichproben. Hier kam es in einigen Fällen zu erheblichen Fehlern.638 Für die vorliegende

Studie wurden der PLS und das Programm Smart PLS angewandt. Diese Wahl hat zwei

Gründe:

- PLS ermöglicht gute Abschätzungen auch bei Stichproben mit geringer Größe.

Bagozzi et al. (1981) verlangen lediglich mehr als 50 Teilnehmer.639 Auch Hair

et al. (1998) ermittelten, dass bereits ab einer Stichprobengröße von 50 valide

Ergebnisse gut möglich sind.640 Da die Zielgruppe der Befragung ein relativ kleiner

Kreis an Vertriebsmanagern mit Erfahrung mit elektronischen Beschaffungs-

auktionen ist, ist ein Verfahren mit geringen Anforderungen an die Mindestgröße

des Samples von Vorteil.

- Das Verfahren lässt sowohl reflektive als auch formative Indikatoren zu, während

Letztere bei LISREL nicht verwendet werden können. Die Erfassung einiger

631 Vgl. Peter, 1979, S. 13 f. 632 Vgl. Zinnbauer/Eberl, 2004, S. 4; Vgl. Hulland, 1999 S. 201. 633 Vgl. Diamantopoulos/Winkelhofer, 2001, S. 269. 634 Vgl. Homburg/Gierung, 1996, S. 6. 635 Vgl. Christophersen/Grape, 2007, S. 104. 636 Vgl. Lechler, 1997, S. 131. 637 Zur Gegenüberstellung der beiden Softwareanwendungen Vgl.: Stan/Saporta, 2005, S. 757 f.; Pirouz,

2006, S. 10 ff.; Sellin, 1996, S. 263. 638 Vgl. Panthen/Boßhow-Thies, 2007, S. 312, verweisen auch auf Burns, 1993. 639 Vgl. Bagozzi, 1981, S. 380. 640 Vgl. Hair et al., 1998, S. 605.

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112

Konstrukte des Modells ist jedoch nur über formative Indikatoren möglich (siehe

folgendes Kapitel).

6.1.2 Gütebeurteilung von PLS-Modellen

Nach Durchführung der Modellberechnung ist die Gütebeurteilung des Modells

vorzunehmen. Anhand verschiedener Kriterien werden die Gültigkeit und Zuverlässigkeit

der Modellbeziehungen erprobt. Da sowohl das Mess- als auch das Strukturmodell

untersucht werden müssen, werden die Kriterien für beide Untersuchungen vorgestellt.

Überprüfung des Messmodells

Zur Beurteilung der Güte reflektiver Operationalisierungen müssen fünf Kriterien

überprüft werden641:

- Höhe und Signifikanz der Indikatorladungen

- Konvergenzvalidität

- Diskriminanzvalidität

- Vorhersagevalidität

- Unidimensionalität

Die Indikatorreliabilität gibt die Höhe der Varianz eines Indikators an, die durch die

jeweilige Variable erklärt werden kann.642 Bei Ladungen von 0,7 oder besser 0,8 gilt als

sicher, dass die latente Variable mindestens die Hälfte der Varianz eines Indikators

bestimmt.643 Dies zeigt, dass die Varianz zwischen Indikator und Konstrukt die Varianz des

Messfehlers übersteigt.644 Ladungen unterhalb von 0,8 werden aus dem Modell entfernt.

Zur Überprüfung der Signifikanz der Ladungen dient der t-Wert.645 Um ein

Signifikanzniveau von über 5 % zu erreichen, sollten die t-Werte größer als 1,66 sein.646

Die Konvergenzvalidität beschreibt das Kriterium, inwieweit die gewählten Items mit ihren

Messungen übereinstimmen.647 Die Indikatoren eines Faktors sollten untereinander

möglichst hohe Korrelationen aufweisen, um das Kriterium zu erfüllen. Ist dies nicht der

641 Vgl. Huber et al., 2005a, S. 30 ff. 642 Vgl. Hulland, 1999, S. 198. 643 Vgl. Huber et al., 2005a, S. 31; Vgl. Vgl. Hulland, 1999, S. 198 f. 644 Vgl. Hulland, 1999, S. 198; Carmines/Zeller, 1979, S. 721. 645 Prinzipiell geeignet zu dessen Messung ist sowohl das Bootstrapping als auch das Jacknifing-Verfahren.

Vgl. Götz/Liehr-Gobbers, 2004, S. 721. 646 Vgl. Huber et al., 2005a, S. 31. 647 Vgl. Schnell et al., 1995, S. 148.

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113

Fall, so kann davon ausgegangen werden, dass die einzelnen Indikatoren unterschiedliche

Sachverhalte messen. Die Konvergenzvalidität lässt sich durch die durchschnittlich erfasste

Varianz (DEV) und durch die Faktorreliabilität bestimmen.648 Letztere misst die Eignung

eines Faktors zur Erklärung der ihm zugewiesenen Indikatoren.649 Der mögliche

Wertbereich liegt zwischen 0 und 1, wobei der Wert 0,7 als untere Grenze gilt.650 Die

durchschnittlich erfasste Varianz bildet ein Verhältnis aus dem Anteil der zu den latenten

Variablen gehörenden Indikatoren mit dem nicht erklärten Varianzanteil.651

Die Diskriminanzvalidität beschreibt die Unterschiedlichkeit der Messungen verschiedener

Konstrukte mit einem Messinstrument.652 Zur Überprüfung der Diskriminanzvalidität wird

ebenfalls die DEV herangezogen. Fornell/Larcker sehen das Kriterium als erfüllt an, wenn

die DEV einer latenten Variablen größer ist als jede quadrierte Korrelation dieser latenten

Variablen mit einem anderen Konstrukt im Modell.653

Zur Überprüfung der Vorhersagevalidität wird das Maß Stone-Geiser Q2 herangezogen. Es

zeigt, zu welchem Grad ein latentes Konstrukt durch seine Indikatoren über eine

Blindfolding Procedure reproduziert werden kann.654 Die Idee hinter dem Blindfolding ist

ein systematisches Weglassen von Indikatoren „of one case at a time, to re-estimate the

model parameters on the basis of the remaining cases, and to reconstruct or predict omitted

case values using the re-estimated parameters”655. Auf Basis der Indikatormittelwerte eines

Konstrukts wird nun die Höhe der Residuen der Modellschätzung von Indikatorvariablen

mit der Höhe einer trivialen Vorhersage verglichen.656 Je höher die Q2-Werte, mit einem

kritischen Wert von 0, sind, desto besser kann die Vorhersagevalidität des Modells

angesehen werden.657

Als letztes Gütekriterium des Messmodells dient die Unidimensionalität. Es überprüft, ob

sich die Indikatoren eindeutig zu dem Konstrukt zuordnen lassen, das sie messen sollen.658

648 Vgl. Ringle, 2004, S. 19. 649 Vgl. Ringle, 2004, S. 19; Vgl. Huber et al., 2005a, S. 31. 650 Vgl. Ringle, 2004, S. 20; Vgl. Hulland, 1999, S. 199. 651 Vgl. Huber et al., 2005a, S. 30. 652 Vgl. Götz/Liehr-Gobbers, 2004, S. 728. 653 Vgl. Fornell/Larcker, 1981, S. 46. 654 Vgl. Ringle, 2004, S. 16. 655 Sellin, 1995, S. 262. 656 Vgl. Fornell/Cha, 1994, S. 72f. 657 Vgl. Huber et al., 2005a, S. 34; Vgl. Ringle, 2004, S. 17. 658 Vgl. Huber et al., 2005a, S. 31; Vgl. Segars, 1996, S. 108.

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114

Bei Erfüllung des Kriteriums korrelieren die Indikatoren eines Konstrukts lediglich

untereinander und nicht mit den Indikatoren anderer Konstrukte.659

Bei formativen Konstrukten stehen nicht mehr die Faktorladungen im Fokus, sondern die

statistische Signifikanz der einzelnen Indikatorgewichte. Für sie existieren jedoch keine

konkreten Vorgaben. Die Gütebeurteilung des formativen Messmodells wird zudem über

die t-Werte gemessen, die anders als bei reflektiven Operationalisierungen den Wert 1,98

übersteigen sollen. Liegen Indikatoren unter dieser Signifikanzschwelle, ist trotzdem von

der Eliminierung abzusehen. Sie verkörpern einen Teil des definitorischen Rahmens des

Konstrukts, das durch die Eliminierung inhaltlich verfälscht wird.660 Multikollinearität ist

gegeben, wenn die Werte einer unabhängigen Variablen aus den anderen unabhängigen

Variablen exakt vorhergesagt werden können.661 Da die einzelnen Indikatoren aus dem

formativen Messmodell unabhängige Dimensionen eines Konstrukts darstellen, sollte

Multikollinearität nicht vorliegen. Sie wird mithilfe des Varianzinflationsfaktors (VIF)

gemessen. Der VIF berechnet sich wie folgt:

2R-1

1VIF

R2 steht hier nicht für die erklärte Varianz, sondern für das Bestimmtheitsmaß der

Regressionsanalyse. Die Diskriminanzvalidität ist sowohl bei den reflektiven als auch bei

den formativen Indikatoren zu überprüfen. Auch hier verlangt sie, dass die gemeinsame

Varianz zwischen der latenten Variable und ihren Indikatoren größer ist als die gemeinsame

Varianz mit anderen latenten Indikatoren.

Die Prüfkriterien der reflektiven und formativen Konstrukte finden sich in Tabelle 8

zusammengefasst:

659 Vgl. Huber et al., 2005a, S. 34. 660 Vgl. Huber et al., 2005a, S. 34 f. 661 Vgl. Christophersen/Grape, 2007, S. 111.

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115

Messmodellebene Reflektiv Formativ

Gewichte Irrelevant (keine Vorgabe)

Ladung >0,8 Irrelevant

t-Wert >1,66 (einseitig) > 1,98 (zweiseitig)

Multikollinearität (nicht möglich) VIF > 10

Vorhersagevalidität Stone-Geissers Q2

(Kommunalität> 0) (nicht möglich)

Unidimensionalität Höhe und Korrelation der

Residuen; Kreuzladungen (nicht möglich)

Konvergenzvalidität

DEV

Konstruktreliabilität

>0,6

>0,7

(nicht möglich)

(nicht möglich)

Diskriminanzvalidität Fornell-Larcker-Kriterium Konstrukt-Korrelation (<

0,9)

Tabelle 8: Zusammenstellung der Prüfkriterien für reflektive und formative Konstrukte

Überprüfung des Strukturmodells

Das Strukturmodell misst die theoretischen Zusammenhänge der Konstrukte und dient

somit zur Beantwortung der eigentlichen Forschungsfrage. Zunächst wird die Stärke des

Einflusses eines Konstrukts auf die nachgelagerten und damit dem Modell nach

beeinflussten Konstrukte untersucht. Das Verfahren nutzt dabei Höhe der

Strukturparameter (Koeffizienten) und die Signifikanz, die erneut über t-Werte gemessen

wird.662 Nach Chin (1998) sind Pfadkoeffizienten von >0,2 als signifikant anzusehen,

während Lohmöller (1989) einen Mindestwert von 0,1 als Kriterium festlegt.663 Die

kritischen t-Werte zur Überprüfung der Signifikanz der Wirkungszusammenhänge hängen

vom gewählten Signifikanzniveau des t-Tests ab. Bei einem Signifikanzlevel von 5 %

sollten die t-Werte 1,98, bei einem Level von 10 % lediglich 1,66 übersteigen. Zusätzlich

lässt sich die Güte des Strukturmodells mit dem Bestimmtheitsmaß R2 testen.664 Es gibt an,

welcher Anteil eines abhängigen Konstrukts sich durch vorgelagerte Größen erklären

lässt.665 Als Mindestkriterium gilt ein Wert größer als 0,3.666 Zusätzlich zu prüfen ist das

662 Vgl. Baumgartner/Homburg, 1996, S. 154; Vgl. Huber et al., 2005a, S. 35. 663 Vgl. Chin,1998; Vgl. Lohmöller, 1989. 664 Vgl. Albers/Hildebrandt, 2004, S. 30; Vgl. Sellin, 1995, S. 261. 665 Vgl. Huber et al., 2005a, S. 36; Vgl. Götz/Liehr-Gobbers, 2004, S. 730. 666 Vgl. Ringle, 2004, S. 15.

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116

Maß Stone-Geiser Q2, das bereits auf Messmodellebene getestet wurde. Auf Strukturebene

evaluiert es zugleich die Vorhersagevalidität des Struktur- wie auch des Messmodells.667

Der kritische, zu übertreffende Wert eines abhängigen latenten Konstrukts liegt dabei auf

Strukturmodellebene bei 0. Zudem sollte das Modell auf Multikollinearität, auf lineare

Korrelationen unter den abhängigen Variablen hin überprüft werden.668 Läge

Multikollinearität vor, ließe sich ein Einflussfaktor durch andere Einflussfaktoren erklären,

was verhindert werden sollte. Liegen die Werte des Variance Inflation Factor (VIF)

niedriger als zehn, kann Multikollinearität ausgeschlossen werden.669

6.1.3 Operationalisierung des Messmodells

Das aufgestellte Kausalmodell zeichnet sich hinsichtlich seiner Operationalisierung durch

zwei Besonderheiten aus.

- Alle unabhängigen Konstrukte sind dynamischer Natur. Sie fragen den

wahrgenommenen oder tatsächlich gemessenen Veränderungsgrad eines Zustands

ab. Beispielsweise den wahrgenommenen Verlust an relativer Markttransparenz.

- Dazu sind drei der abhängigen Variablen keine latenten Konstrukte (die Absenkung

des Preisniveaus, die Erhöhung der Wettbewerberanzahl und die

Effizienzsteigerung des Vertriebsprozesses), sondern direkt messbar. Ist dies der

Fall, können die Variablen theoretisch in ein metrisches Intervall gebracht und mit

einer einfachen Abfrage genau erfasst werden. Die Tatsache jedoch, dass die

Variablen direkt messbar sind, bedeutet jedoch nicht automatisch, dass sie in der

Praxis erfasst werden. Zur Anforderung der generellen Messbarkeit kommt somit

noch die Anforderung, dass die Messung der Variablen in einer ausreichend großen

Anzahl an Firmen stattfindet.

Beiden Besonderheiten muss in den folgenden Operationalisierungen Rechnung getragen

werden.

Erfassung der Senkung des Preisniveaus

Aufgrund der Neuartigkeit des Beschaffungsinstruments eRA hat die Mehrzahl der

Lieferanten erst an einer begrenzten Zahl an Auktionen teilgenommen. Die Preissenkungen

667 Vgl. Huber et al., 2005a, S. 31. 668 Vgl. Huber et al., 2005a, S. 35 f. 669 Vgl. Huber et al.,2005a, S. 36.

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117

sollten daher noch bekannt sein.670 Das gilt umso mehr, da die Reduktionen meist

signifikant sind671 und sich damit maßgeblich auf die Margen der Zulieferer auswirken.

Zusätzlich sind diese Margen häufig mit den Anreizsystemen und Bonuszahlungen der

Vertriebsmitarbeiter verknüpft. Ein weiteres Indiz für die Kenntnis der erlittenen

Preisreduktionen ist deren genaue Erfassung auf der Marktgegenseite – dem beschaffenden

Unternehmen.672 Sie zeigt erneut deren Wichtigkeit und die daraus antizipierte statistische

Signifikanz. Zudem können die beschaffenden Unternehmen die Lieferanten in

Feedbackgesprächen über die Höhe der Preissenkungen informieren.673 Die Messung der

Veränderung des Preisniveaus erfolgt deshalb direkt und nicht als latentes Konstrukt. Um

die Höhe der Preisniveauänderung in dem Modell mit einzuberechnen, wird sie in die in

Tabelle 9 dargestellte fünfstufige Skala übertragen. Diese ist an den bisher in der Literatur

erfassten Preissenkungen durch eRAs orientiert.

Level der

Preissenkung

Keine oder

Erhöhung

0-5 % 5-10 % 10-15 % >15 %

Zugeordnete Stufe

im Messmodell

1 2 3 4 5

Tabelle 9: Erfassung der Senkung des Preisniveaus

Erfassung der Erhöhung der Wettbewerberanzahl

Auch die Erhöhung der Wettbewerberanzahl ist eine eindeutig messbare Größe und einer

der relevantesten Parameter eines auktionsintegrierten Beschaffungsprozesses. Den

Lieferanten wird sie während der Auktion häufig jedoch nicht offenbart. Bei einer Rank-

eRA im Falle einer englischen oder einer holländischen Auktion mit verdeckten

Teilnehmern ist es gerade das Ziel des beschaffenden Unternehmens, die Bieter über die

Anzahl ihrer Konkurrenten im Unklaren zu lassen. Insgesamt sind die verdeckte

holländische und die Rank-eRA jedoch weit weniger verbreitet als die normale englische

Auktion. Sollten die Wettbewerber während des Auktionsprozesses wirklich im Unklaren

über die Anzahl der Konkurrenten sein, so stellt die Anzahl der Wettbewerber eine derart

670 Vgl. Tully, 2000; Vgl. Cohn, 2000, S. 36 f.; Vgl. Smeltzer/Carr, 2001, S. 983; Vgl. Mabert/Skeels, 2002,

S. 70; Vgl. Arnold et al., 2005, S. 117. 671 Vgl. Tully, 2000; Vgl. Cohn, 2000, S. 36 f.; Vgl. Smeltzer/Carr, 2001, S. 983; Vgl. Mabert/Skeels, 2002,

S. 70; Vgl. Arnold et al., 2005, S. 117; vergleiche dazu auch die Gegenüberstellung der Erhebungen in Kapitel 4.2.1.

672 Zu möglichen Verfahren der Erfassung der erzielten Preisreduktionen Vgl. Millet et al., 2004, S. 173. 673 Zur Relevanz und Häufigkeit der Feedbackgespräche siehe auch: Arnold et al., 2005, S. 125, und

Kaufmann, 2003a, S. 207.

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118

zentrale Komponente des Verhandlungsprozesses dar, dass davon auszugehen ist, dass sie

in die Feedbackanalysen für die Lieferanten mit aufgenommen wird. Die prozentuale

Veränderung der Wettbewerberanzahl wird deshalb ebenfalls in einem metrischen

Skalenniveau erfasst. Tabelle 10 stellt dieses dar.

Level der Erhöhung

der

Wettbewerberanzahl

Keine oder

Verringerung

0-10 % 10-20 % 20-30 % >30 %

Zugeordnete Stufe im

Messmodell

1 2 3 4 5

Tabelle 10: Erfassung des Anstiegs der Wettbewerberanzahl

Für den Fall, dass einzelne Umfrageteilnehmer keine Kenntnis über die Veränderung der

Wettbewerberzahl durch eRAs haben, wurde zudem ein Feld „keine Einschätzung“

integriert. Die mangelnde Einschätzungsfähigkeit bezüglich der Veränderung des

Parameters kann dabei ebenso gut in einer mangelnden Kenntnis der Wettbewerberanzahl

in vorherigen Verhandlungsverfahren (Face-to-Face-Verhandlung oder Ausschreibung)

begründet sein.

Operationalisierung der Effizienzsteigerung des Vertriebsprozesses

Die Effizienzsteigerung des Vertriebsprozesses und dadurch die Absenkung der damit

verbundenen Kosten durch elektronische Beschaffungsauktionen ist ein metrisch genau

erfassbares Konstrukt. Die mit den einzelnen Prozessschritten verknüpften

Kostenkomponenten können in einem ERP-System erfasst und durch einen Vergleich der

beiden Verteilungsverfahren abgeglichen werden. Eine solch genaue Messung ist jedoch in

der Praxis nicht begründbar. So müssten beispielsweise die Vertriebsmitarbeiter jede ihrer

Aktivitäten einzeln erfassen, was zu einem ungerechtfertigten bürokratischen Mehraufwand

führen würde. Die Messung der Veränderung des Vertriebsprozesses wird daher ebenfalls

als latentes Konstrukt durchgeführt. Mackay/Rosier (1996) untersuchten den Einfluss der

Einführung von electronic data interchange (EDI) auf die Kostenstrukturen in

Unternehmen.674 Sie separierten dazu unterschiedliche Kostenkomponenten und fragten auf

einer Fünf-Punkte-Likert-Skala ab, ob die Einführung von EDI zu einer Kostensteigerung

674 Vgl. Mackay/Rosier, 1996.

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119

oder Kostenreduzierung führt.675 Zu Kostenkomponenten, die auf Vertriebsseite durch

eRAs betroffen sein könnten, existieren noch keine quantitativen Befunde. Die junge

Auktionsforschung hat sich in der Vergangenheit primär auf die einkaufende Marktseite

beschränkt. Drei mögliche betroffene Kostenkomponenten werden hier genannt:

- die Anzahl der Mitarbeiterstunden, die für einen Einkaufsprozess aufgewendet

werden müssen;676

- administrative Aufwendungen, beispielsweise für Reisen oder

Telekommunikation;677

- Kapitalkosten durch beschleunigte Prozesse und damit Cash Cycle.678

Die drei Komponenten lassen sich, wie in Kapitel 4.2.3 dargelegt, auf die anbietende

Marktseite übertragen. So führen die wegfallenden Face-to-Face-Verhandlungen auf beiden

Seiten zu einer Reduktion der Mitarbeiterstunden, auch werden durch dieses Wegfallen die

Reisekosten auf allen Marktseiten reduziert. Der Cash Cycle beschreibt die Dauer der

Kapitalbindung innerhalb eines Unternehmens. Durch einen beschleunigten

Vertriebsprozess können produzierte Waren schneller abgesetzt werden, und der

Kapitalumschlag wird beschleunigt. Durch diese Senkung des gebundenen Kapitals sinken

die Kapitalkosten. In der folgenden Tabelle 11 sind die aus diesen Ableitungen

entwickelten drei Indikatoren zur Effizienzsteigerung des Vertriebsprozesses aufgeführt.

1 Veränderung der für den Vertrieb eines Gutes aufgewendeten Mitarbeiterstunden

durch eRAs

2 Veränderung der für den Vertrieb eines Gutes aufgewendeten administrativen Kosten

(beispielsweise für Reisen oder Telekommunikation) durch eRAs

3 Veränderung der für den Vertrieb eines Gutes aufgewendeten absoluten Zeit (Cash

Cycle)

Tabelle 11: Operationalisierung der Kostensenkungen im Vertriebsprozess

Operationalisierung des Verlustes an relativer Markttransparenz

Der Verlust an relativer Markttransparenz setzt sich in dem Modell aus den absoluten

Verschiebungen der Markttransparenz des eigenen Unternehmens, des beschaffenden

675 Mackay/Rosier, 1996 bezeichnen dabei die Kostenreduktionen als „net benefit“, also als

Gewinnsteigerung. 676 Vgl. Emiliani, 2000, S. 177. 677 Vgl. Smeltzer/Carr, 2003, S. 48. 678 Vgl. Beall et al., 2003, S. 29.

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Unternehmens und der um den Auftrag konkurrierenden anderen Zuliefererunternehmen

zusammen. Um eine konsistente Erfassung zu gewährleisten, werden die drei absoluten

Markttransparenzverschiebungen sowie der Verlust an relativer Markttransparenz der

Lieferanten mit denselben Indikatoren operationalisiert.

Markttransparenz entsteht durch die Menge und die Charakteristika der einer Institution zur

Verfügung stehenden Informationen. Letztere lassen sich auch als Informationsqualität

beschreiben. Mohr/Spekman (1994)679 sowie Mohr/Spekman (1996)680 untersuchen den

Einfluss von Informationsqualität bei der Informationsweitergabe auf den Partnership-

Erfolg in Zulieferer-Abnehmer-Beziehungen. Mohr/Sohi (1995) verfolgen ähnliche

Fragestellungen.681 In den Veröffentlichungen wird Informationsqualität über die vier

Indikatoren Vollständigkeit, Genauigkeit, Rechtzeitigkeit und Glaubwürdigkeit

operationalisiert.682 Die vier Indikatoren eignen sich sehr gut für die Abfrage nach der Güte

eines Markttransparenzgewinns eines Akteurs durch eine elektronische

Beschaffungsauktion. Besonders geeignet ist die Vollständigkeit der Marktinformationen.

Durch eine eRA wird eine Vielzahl neuartiger Daten generiert683, die unterschiedlichen

Marktteilnehmern in unterschiedlicher Quantität zur Verfügung stehen. Die

Informationsmenge, die man aus diesem automatisch generierten Datenpool erhält, sollte

sich direkt auf den Grad der Änderung der Markttransparenz auswirken. Tabelle 12 stellt

die gesamten Indikatoren zur Verschiebung der Markttransparenz dar.684

1 Veränderung der Vollständigkeit der Marktinformationen durch eRAs

2 Veränderung der Genauigkeit der Marktinformationen durch eRAs

3 Veränderung der Rechtzeitigkeit der Marktinformationen durch eRAs

4 Veränderung der Glaubwürdigkeit der Marktinformationen durch eRAs

Tabelle 12: Operationalisierung der absoluten MT-Erhöhung

679 Vgl. Mohr/Spekman, 1994. 680 Vgl. Mohr/Spekman, 1996. 681 Vgl. Mohr/Sohi, 1995. 682 Vgl. Mohr/Spekman, 1994, S. 152; Vgl. Mohr/Spekman, 1996, S. 37; Vgl. Mohr/Sohi, 1995, S. 405.

Zusätzlich übernehmen Tuten/Urban, 2001, S. 151 die von Mohr und seinen Kollegen eingeführte Operationalisierung.

683 Vgl. Arnold et al., 2005, S. 125. 684 In das Indikatorenset werden dann die Begriffe „absolute“ und „relative Markttransparenz“ sowie „das

beschaffende Unternehmen“, „das eigene Unternehmen“ und „konkurrierende Unternehmen“ eingesetzt.

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121

Operationalisierung der Fairnesswahrnehmung des Beschaffungsinstruments

Bei der Beschreibung und Messung interorganisationaler Fairness setzt sich immer stärker

ein vierdimensionaler Ansatz durch (vergleiche auch Kapitel 4.3.2).685 Er separiert eine

distributive Fairness, eine Prozessfairness sowie eine informationelle und eine

interpersonelle Fairness. Alle diese Fairnessdimensionen sind durch die Einführung von

eRAs betroffen und sollten deshalb in die Messung der Fairnesswahrnehmung des

Beschaffungsinstruments einfließen. Die informationelle und eine interpersonelle Fairness

werden in der Literatur jedoch häufig zur Interaktionsfairness zusammengefasst, aus der sie

entstanden sind.686 Die vorliegende Abhandlung folgt dieser Vorgehensweise. Dies

geschieht zum einen, um die in einer eRA eher sekundäre menschliche Interaktion nicht

überzugewichten. Zum anderen, da die Menge und Qualität der zur Verfügung gestellten

Informationen (informationelle Fairness) in einer eRA bereits Bestandteil der prozessualen

Fairness ist. Lou (2007) untersucht, welche wechselseitigen Beziehungen sich zwischen

den drei Fairnessdimensionen in einer strategischen Geschäftsbeziehung ergeben.687 Dabei

werden zur Messung der prozeduralen Fairness acht Teilprozesse, beispielsweise die

Warenübergabe, gebildet und nach deren Fairnesseinschätzung gefragt. Eine Einteilung des

eRA-gestützten Einkaufsprozesses in einzelne Schritte liefern Arnold et al. (2005). Sie

separieren die Analysephase, die Auktionsanbahnung, die Vereinbarungs- und die

Abwicklungsphase.688 Die Analysephase dient in erster Linie dazu, die Auktionierbarkeit

des Gutes zu bestimmen, und die Lieferanten sind von diesem Schritt noch nicht direkt

betroffen. Die Abwicklungsphase ist zudem nicht auktionsspezifisch und würde nach dem

Ergebnis einer Face-to-Face-Verhandlung oder einer Ausschreibung ähnlich aussehen. In

dieser Arbeit wird daher die Fairness in der Anbahnungs- und -vereinbarungsphase

abgefragt.

Die Interaktionsfairness lässt sich in eine informationelle und eine interpersonelle

Dimension untergliedern, die zu unterschiedlichen Effekten führen können (siehe Kapitel

4.3.1). Informationelle Fairness beschreibt die „Offenheit und Ehrlichkeit der

685 Vgl. Colquitt, 2001; Vgl. Aholt et al., 2008. Einen guten Überblick hierzu liefert auch die

Zusammenfassung zum „State of the Art“ der Fairnessforschung von Nöcke, 2010. 686 Vgl. Lou, 2007. 687 Vgl. Lou, 2007. 688 Vgl. Arnold et al., 2005, S. 117.

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Methodische Grundlagen und Konzeption der empirischen Analyse

122

Kommunikation“689. Interpersonelle Fairness bezieht sich auf die Art und den Umfang der

personellen Interaktion.690 Beide Dimensionen werden direkt abgefragt.

Die distributive Fairness beschreibt die Verteilungsgerechtigkeit der eRA-gestützten

Verhandlung. Diese Verteilungsgerechtigkeit wird in der vorliegenden Arbeit von dem

Anreiz-Beitrags-Prinzip abgeleitet.691 Dazu werden die Anreize und Beiträge der einzelnen

in die Interaktion verwickelten Teilnehmer gegenübergestellt und abgeglichen. Lou (2007)

nutzt zur Messung der distributiven Fairness beispielsweise den Indikator: „[…] fairness of

reward and return sharing in view of each partyscontributed resources.”692 Bei

Durchführung einer eRA sind mit dem einkaufenden und den liefernden Unternehmen zwei

Parteien beteiligt. Die Wahrnehmung der distributiven Fairness wird über die eingebrachten

Ressourcen beider Marktseiten gemessen. Tabelle 13 fasst die Indikatoren der

Fairnessmessung zusammen:

1 Fairness während der Auktionsanbahnung

2 Fairness während der Auktionsgestaltung

3 Offenheit und Ehrlichkeit des einkaufenden Unternehmens beim auktionsgestützten

Beschaffungsprozess

4 Persönlicher Umgang durch die Einkäufer im auktionsgestützten

Beschaffungsprozess

5 Fairness gemessen an den vom liefernden Unternehmen eingebrachten und

erhaltenen Ressourcen

6 Fairness gemessen an den vom beschaffenden Unternehmen eingebrachten und

erhaltenen Ressourcen

Tabelle 13: Operationalisierung der Fairnesswahrnehmung von eRAs

Operationalisierung des eRA-Einflusses auf die Beziehungsqualität

Eine Fülle an Untersuchungen hat sich mit Merkmalen der Beziehungsqualität zwischen

Lieferanten und Abnehmern und deren Operationalisierung beschäftigt. Large (2003)

verwendet beispielsweise Vertrauen, Konflikte, Konflikthandhabung, Bereitschaft zur Hilfe

bei aktuellen Problemen und Kooperationsbereitschaft als Messindikatoren für das

689 Vgl. Nöcke, 2010, S. 5. 690 Vgl. Coquitt, 2001, S. 427. 691 Vgl. Maier et al., 2007, S. 98. 692 Vgl. Lou, 2007, S. 653.

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Methodische Grundlagen und Konzeption der empirischen Analyse

123

Konstrukt Beziehungsqualität.693 Für Homburg/Kiedaisch (1999) besteht

Beziehungsqualität aus den Elementen Zufriedenheit, Vertrauen, langfristige Orientierung

und der beabsichtigten Ausweitung der Geschäftsbeziehung.694 Maloni/Benton (2000)

konstruieren sie aus den Indikatoren Verpflichtung, Vorhandensein von Konflikten,

Konfliktlösung, Kooperation und Vertrauen.695 Bei Kumar et al. (1995) wird die

Beziehungsqualität mit den Elementen Vertrauen, Commitment, Konflikt,

Investitionsbereitschaft und Dauer der Beziehung operationalisiert.696 Es fällt auf, dass alle

genannten Operationalisierungen Vertrauen als zentralen Bestandteil der

Beziehungsqualität begreifen.697 Zusätzlich gehen fast alle Messsysteme auf Konflikte und

eine Verpflichtung oder ein Commitment gegenüber dem Geschäftspartner ein. Diese

Indikatoren sollen auch in der vorliegenden Analyse Verwendung finden. Zusätzlich wird

der von Large (2003) genutzte Indikator „Bereitschaft zur Hilfe bei aktuellen Problemen“698

verwendet. Wie bereits beschrieben, können die gesunkenen Preise durch eRAs als eine

Verschiebung des Anreiz-Beitrags-Verhältnisses angesehen werden. Die „Bereitschaft zur

Hilfe bei aktuellen Problemen“ beschreibt ein Einverständnis zu Hilfestellungen für den

Kunden, die für das eigene Unternehmen mit einigem Aufwand verbunden sind, ohne dass

direkte Gegenleistungen verlangt werden. Sie ist die Bereitschaft zu zusätzlichen Beiträgen

ohne die Kompensation durch weitere Anreize. Zusammenfassend ergeben sich die

folgenden fünf Indikatoren zur Operationalisierung des Konstrukts „eRA-Einfluss auf die

Beziehungsqualität“.

1 Veränderung des Vertrauens gegenüber dem beschaffenden Unternehmen durch eRAs

2 Veränderung der Bereitschaft, dem beschaffenden Unternehmen bei aktuellen

Problemen zu helfen, durch eRAs

3 Veränderung des Commitments gegenüber dem beschaffenden Unternehmen

4 Veränderung der Investitionsbereitschaft in das beschaffende Unternehmen durch

eRAs

5 Veränderung der Konflikte mit dem beschaffenden Unternehmen durch eRAs

Tabelle 14: Operationalisierung des eRA-Einflusses auf die Geschäftsbeziehung

693 Vgl. Large, 2003, S. 144. 694 Vgl. Homburg/Kiedaisch, 1999, S. 28. 695 Vgl. Maloni/Benton, 2000. 696 Vgl. Kumar et al., 1995. 697 Zur selben Ansicht kommt Large, 2003, S. 143. 698 Vgl. Large, 2003, S. 144.

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Methodische Grundlagen und Konzeption der empirischen Analyse

124

6.2 Darstellung des Messverfahrens zur Wahrscheinlichkeit von

Gegenreaktionen

6.2.1 Die logistische Regression

Die Untersuchung der Auswirkung der Fairnesswahrnehmung des Beschaffungsinstruments

eRA auf konkrete Gegenreaktionen der Lieferanten kann nicht mithilfe von

Strukturgleichungsmodellen geleistet werden. Hier geht es um die statistische Beurteilung

zwischen einer nominalskalierten Variablen (Gegenreaktion: ja/nein) und mindestens einer

unabhängigen Variablen (Fairnesswahrnehmung gemessen über Likert-Skala). Ein solcher

Zusammenhang ist über eine logistische Regression messbar.699 Sie lässt sich aus der

häufig verwendeten linearen Regression herleiten.700 Diese geht von einem linearen

Zusammenhang zwischen einer oder mehreren abhängigen Variablen (x) und der

unabhängigen Variablen (y) aus. Beispielhaft betrachten wir folgende lineare

Regressionsgleichung:

ixbay

In drei Transformationsschritten lässt sich nun die logistische Regression herleiten.

Zielsetzung ist dabei, dass auf der rechten Seite des Gleichheitszeichens der Ausdruck a +

b xi. bestehen bleibt. Er variiert dabei zwischen -∞ und +∞. Der Ausdruck auf der linken

Seite des Gleichheitszeichens muss somit auch zwischen -∞ und ∞ variieren und

gleichzeitig eine dichotome Variable (ja/nein) abbilden können. Die Transformation in den

einzelnen Schritten lautet wie folgt:701

1. Schritt: Anstelle der metrischen Variable y tritt die Wahrscheinlichkeit, dass

diese die Ausprägung y = 1 aufweist. Sie wird mit pi = 1 abgekürzt. pi variiert

zwischen 0 und 1.

2. Schritt: Nun wird die Eintrittswahrscheinlichkeit pi der

Nichteintrittswahrscheinlichkeit 1 - pi gegenübergestellt. Man spricht dabei von den

699 Vgl. Diaz-Bone/Künemund, 2003, S. 2. 700 Die lineare Regression erlaubt ohne Transformation keine Bestimmung eines Zusammenhangs zwischen

einer metrischen und einer nominal skalierten Variablen. Vgl. dazu auch: Diaz-Bone/Künemund, 2003, S. 2.

701 Zur Vertiefung dieses Transformationsschrittes Vgl. Diaz-Bone/Künemund, 2003, S. 4 f.

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125

Odds des Ereignisses. Dieser Ausdruck variiert nun zwischen 0 und +∞, jedoch

noch nicht zwischen -∞ und 0. Ein weiterer Transformationsschritt ist somit

erforderlich.

3. Schritt: Im letzten Schritt wird der gesamte Ausdruck logarithmiert und erhält

damit einen Variationsbereich bis -∞. In dem dargestellten Fall mit zwei Variablen

kommen wir von der allgemeinen Form

ixba i

i

p-1

pln

Zu

)(0)P(Y

1)P(Yln

1)P(Y-1

1)(Y Pln

p-1

pln

i

ipLogit

Löst man nun die Formel nach p (Y=1)- der eigentlich gesuchten

Wahrscheinlichkeit- auf, so erhält man folgende Gleichung:

)(i

e1

1p

ibxa

Die Wahrscheinlichkeitswerte für alle möglichen x-Werte (die einen

Variablenbereich von -∞ bis +∞ einnehmen können) bewegen sich nun stets

zwischen 0 und 1. Mit diesem Wertebereich ist es möglich, die Wahrscheinlichkeit

für das Auftreten nominalskalierter Ereignisse zu erfassen.

Die Durchführung der logistischen Regression ist jedoch an bestimmte Voraussetzungen

gebunden, die vor der Anwendung zu testen sind. Zwei Anforderungen stehen dabei im

Vordergrund:

- Zunächst sollte zwischen den unabhängigen Variablen keine Multikollinearität

vorliegen, damit Verzerrungen in den Parameterschätzungen vermieden werden.702

702 Vgl. Menard, 2001, S. 75 ff.

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126

- Zusätzlich sollte jede der abhängigen Variablen aus mindestens 25 Fällen

bestehen.703

6.2.2 Gütebeurteilung von logistischen Regressionsmodellen

Nach der Interpretation des Regressionskoeffizienten grenzen Backhaus et al. (2011) die

Prüfung des Gesamtmodells von der Prüfung einer Merkmalsvariablen zur Bewertung der

Ergebnisse einer logistischen Regression voneinander ab.704 Die Prüfungen des

Gesamtmodells beantworten dabei zwei Fragestellungen: zum einen, wie gut die

Parameterschätzungen in ihrer Gesamtheit das definierte Regressionsmodell abbilden. Zum

anderen, ob extreme Beobachtungsfälle vorliegen. Treten diese nur vereinzelt auf, sind sie

zu eliminieren. Bei gehäuftem Auftreten ist eventuell eine Modellanpassung

vorzunehmen.705 Die Prüfung der Merkmalsvariablen soll Aufschluss über ein mögliches

Modell-Overfitting, das Vorliegen zu vieler erklärender Variablen, geben.706 Innerhalb der

Prüfung des Gesamtmodells lassen sich wiederum drei Arten von Gütekriterien

systematisieren: Gütekriterien auf Basis der Loglikelihood-Funktion; Pseudo-R2-Statistiken

und die Beurteilung der Klassifikationsergebnisse. Zur ersten Kategorie gehören die

Analyse der Devianz und der Likelihood-Ratio-Test. Als Pseudo-R2-Statistiken werden

meist McFaddens-R2, Cox & Snell-R2 oder Nagelkerke-R2 verwendet. Die Beurteilung der

Klassifikationsergebnisse kann direkt über eine Analyse der Klassifikationsmatrix oder

über den Press‘s-Q-Test erfolgen.

Gütekriterien auf Basis der Loglikelihood-Funktion

Analyse der Devianz bzw. des -2 Loglikelihood-Werts: Der Likelihood-Wert gibt die

Wahrscheinlichkeit an, anhand der die gegebenen Parameterschätzungen die empirischen

Werte erhalten.707 Mithilfe der Devianz kann folgende Hypothese getestet werden:

H0: Das Modell besitzt eine perfekte Anpassung.

H1: Das Modell besitzt keine perfekte Anpassung.

703 Vgl. Hosmer/Lemeshow, 2000, S. 339 ff. 704 Vgl. Backhaus et al., 2011, S. 267 ff. 705 Vgl. Backhaus et al., 2011, S. 277 f. 706 Ebenda. 707 Vgl. Backhaus et al., 2011, S. 267.

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127

Bei einem geringen Devianzwert kann die Nullhypothese nicht abgelehnt werden; es ist auf

eine gute Anpassung des Modells zu schließen. Der kritische Wert zur Prüfung der Devianz

ist der χ2-Tabelle zu entnehmen.708 Neben der Angabe des gewünschten alpha-Wertes

benötigt man dazu die Anzahl der Freiheitsgrade (df), die sich wie folgt berechnet:

1 JKdf

Dabei stellt K den Stichprobenumfang und J die Anzahl der Gruppen dar. Bei Anwendung

des Gütemaßes ist zu berücksichtigen, dass es bei stark asymmetrischen Verteilungen der

Merkmalsgruppen zu Verzerrungen kommen kann.709

Pseudo-R2-Statistiken

Diese prüfen die Güte des Gesamtmodells. Häufig verwendet wird das Prüfmaß

Nagelkerke-R2, welches aus Cox & Snell-R2 hervorgegangen ist.

Cox & Snell-R2 ist wie folgt definiert:

L

L

V

0K

2

2 1R Snell &Cox

Da es jedoch den Maximalwert von 1 nie erreichen kann, ist keine eindeutige inhaltliche

Interpretation des Gütemaßes möglich.710 Nagelkerke schlug eine Modifikation des Cox &

Snell-R2 vor, die wie folgt definiert ist.

2max

22

R

RRNagelkerke

Werte von über 0,5 werden beim Nagelkerke-R2 dabei als sehr gut angesehen.711

Beurteilung der Klassifikationsergebnisse 708 Vgl. Backhaus et al., 2011, S. 573. 709 Vgl. Backhaus et al., 2011, S. 267. 710 Vgl. Backhaus et al., 2011, S. 270. 711 Vgl. Backhaus et al., 2011, S. 271.

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128

Der letzte Schritt der Gütebeurteilung kann durch eine direkte Beurteilung der

Klassifikationsergebnisse oder mithilfe eines Testverfahrens (Press‘s-Q-Test oder Hosmer-

Lemeshow-Test) erfolgen. Aufgrund der höheren Pragmatik wird ein präzises

Testverfahren, der Press‘s-Q-Test, gewählt. Der Test berechnet sich wie folgt:

)1(

a]G(K-[KQ Press`s

2

GK

Der kritische Prüfwert wird nun der Chi-Quadrat-Verteilung mit einem Freiheitsgrad von 1

entnommen.712 In der folgenden Tabelle 15 finden sich die in der Analyse verwendeten

Gütemaße zur Beurteilung des Modellfits der logistischen Regression zusammenfassend

dargestellt:

Name des Gütekriteriums Akzeptabler Wertebereich

Devianz (-2LL Wert)

Devianzwert nahe 0

Signifikanzniveau nahe 1

Nagelkerke-R2 Akzeptabel, ab Werte >0,2; gut ab >0,4

Press‘s-Q-Test Möglichst hoher Chi-Quadrat-Wert

Signifikanzniveau <5 %

Tabelle 15: Gütemaße des Modellfits der logistischen Regression

6.3 Darstellung der Datenerhebung

6.3.1 Form und Gestaltung der Erhebung

Auswahl der Erhebungsart

Aufgrund der relativen Neuartigkeit des Beschaffungsinstruments befindet sich die

Forschung zu eRAs noch in ihrem Anfangsstadium.713 Auch die Analyse und Erhebung zu

Marktstrukturveränderungen als Ursache für Veränderungen im Lieferantenverhalten und

der Ausprägung dieser Verhaltensänderungen ist neu und mit bisherigen

Forschungsarbeiten nicht zu vergleichen. Eine Sekundärerhebung, die auf vorhandene

Datensätze zurückgreift, ist deshalb nicht möglich. Eine Primärerhebung ist durchzuführen.

Dies bietet zudem den Vorteil, dass die Erhebung genau auf das Forschungsdesign

712 Vgl. Backhaus et al., 2011, S. 271. 713 Vgl. Arnold et al., 2005, S. 116.

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Methodische Grundlagen und Konzeption der empirischen Analyse

129

abgestimmt werden kann und erhöht die Aktualität des Datensatzes. Weiterhin wurde eine

standardisierte Befragung verwendet.714 Hier finden genaue Festlegungen aller Fragen und

Antwortmöglichkeiten sowie deren Zuordnung zueinander statt.715 Dadurch war eine bei

allen Befragten identische Interviewsituation gewährleistet; variierende Interpretationen auf

Probanden und auf Forscherseite können ausgeschlossen werden.716 Standardisierte

Fragebogen lassen sich in vier verschiedene Ausprägungen untergliedern: schriftlich;

elektronisch; telefonisch und Face-to-Face. Jedes der Verfahren bietet Vor- und Nachteile.

Die Stärken der elektronischen Befragung wiegen bei der vorliegenden Untersuchung

jedoch besonders schwer.

- Leichte und bequeme Handhabung für die Teilnehmer: Der Zugang zu dem

Fragebogen erfolgt durch Anklicken eines Links in einer den Probanden

zugesandten E-Mail. In einem Arbeitsschritt kann der gesamte Bogen nun am

Rechner ausgefüllt werden. Zu der leichten Handhabung gehört auch die

Kostenersparnis durch einen geringeren administrativen Aufwand mit materiellen

Postsendungen. Die einfache Bearbeitung führt zu einem hohen Komfort auf

Probandenseite und wirkt sich positiv auf die Rücklaufquote aus.

- Erhöhte Datenqualität: Die Daten einer elektronischen Befragung können meist

direkt auf dem Umfragetool in Excel, SPSS oder andere Auswertungsprogramme

übertragen werden. Somit entstehen keine Medienbrüche, und fehleranfällige

manuelle Übertragungen werden vermieden.717

- Geringere Kosten: Die Versendung von Fragebogen über das Internet ist nahezu

kostenfrei. Auf diese Weise ist auch bei beschränkten Budgets die Erreichung großer

und damit valider Fallzahlen möglich. Eine empirische Gegenüberstellung der

Kosten verschiedener Befragungsmethoden liefern Cabanoglu et al. (2001).718

- Erhöhte Geschwindigkeit: Sowohl die Zusendung als auch die Rücksendung

ausgedruckter Fragebogen nimmt Zeit in Anspruch, die bei elektronischen

Befragungen eingespart werden kann. Zudem ist davon auszugehen, dass

schriftliche Befragungen nach ihrem Eintreffen bei den Probanden nicht sofort

ausgefüllt und nach der Bearbeitung nicht direkt zurückgesandt zu werden. Eine

empirische Überprüfung des Zeitaufwands der unterschiedlichen

714 Vgl. Böhler, 1992, S. 77 f. 715 Vgl. Prim/Tilmann, 2000, S. 54. 716 Vgl. Schnell et al., 1999, S. 301. 717 Vgl. Nieschlag et al., 2002, S. 566. 718 Vgl. Cabanoglu et al., 2001, S. 449 f.

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130

Befragungsmethoden liefern ebenfalls Cabanoglu et al. (2001).719 Auch sie

bestimmten das elektronische Verfahren als das zeitgünstigste.

Aufgrund der genannten Vorteile wurde die Befragung elektronisch durchgeführt und der

Fragebogen per E-Mail versandt. Als Software zum Set-up des Erhebung nutzten wir die

Plattform „unipark.de“. Diese bietet neben einer klaren Struktur und einfachen

Handhabbarkeit auch die Funktion einer direkten Datenübertragung in die

Analyseinstrumente Excel und SPSS.

Auswahl der Fragebogengestaltung

Bei der Gestaltung des Fragebogens waren verschiedene, teils divergierende Ziele zu

berücksichtigen. Die umfangreichen inhaltlichen Fragestellungen sollten aufbereitet

werden, ohne die Probanden zu ermüden, zudem sollte den zwei unterschiedlichen

Forschungs- und Analysedesigns Rechnung getragen werden. Der Fragebogen wurde in

fünf Teile gegliedert.

Im ersten Teil wurde den Probanden der in dem Fragebogen verwendete eRA-Begriff

erläutert und allgemeine Hinweise zur Bearbeitung gegeben. Zudem wurden die

Teilnehmer gebeten, ihre Antworten auf alle im Jahr 2009 durchgeführten Auktionen zu

beziehen.

Der zweite Teil stellte allgemeine Fragen zu dem partizipierenden Unternehmen und zu

den Beschaffungsauktionen, an denen es bisher als Anbieter teilgenommen hat. Er

enthielt beispielsweise Fragen nach dem Umsatz, der Mitarbeiterzahl des Unternehmens

oder der Anzahl und Art der durchgeführten eRAs.

Im dritten Teil wurden die Indikatoren der von eRAs verursachten

Marktstrukturveränderungen abgefragt.

Der vierte Teil bestand aus Indikatoren zur Operationalisierung der latenten Konstrukte

„Fairness von eRAs“ und „Auswirkung der eRAs auf die Geschäftsbeziehung“. Die

latenten Konstrukte im dritten und im vierten Teil wurden mit einer siebenstufigen

Likert-Skala gemessen.720

Der fünfte Teil widmete sich den Gegenreaktionen zu eRAs. Dabei wurde zuerst erfragt,

ob das Unternehmen Maßnahmen in einem der Felder „verhandlungsbezogene

Gegenmaßnahmen“, „Kompensationsversuche finanzieller Einbußen“ und „strategische

719 Ebenda. 720 Vgl. Diekmann, 2010, S. 209 ff.

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131

Neuausrichtungen“ durchführte. Danach wurde die Frage gestellt, wie diese

Maßnahmen konkret ausgestaltet waren.

6.3.2 Zielgruppe der Befragung

Eine Erfassung und Einbeziehung aller in einem bestimmten Referenzjahr an

Beschaffungsauktionen teilnehmenden Lieferanten im deutschsprachigen Raum ist aus

Zeit- und Kostengründen nicht möglich. Es muss somit eine Teilerhebung durchgeführt

werden, die Aussagen über die Verhältnisse in der Grundgesamtheit ermöglicht.721

Innerhalb der Teilerhebung ist die zufallsgesteuerte Auswahl von der nicht

zufallsgesteuerten Auswahl zu unterscheiden.722 Die erstgenannte Auswahl ermöglicht

dabei die Anwendung der Inferenzstatistik, die die zweifelsfreie Übertragung der

gemessenen Werte auf die Grundgesamtheit ermöglicht.723

Die Repräsentativität der Stichprobe beschreibt die Übertragbarkeit der darin gemessenen

Ergebnisse auf die Grundgesamtheit. Im hier vorliegenden Fall ist dies die Übertragbarkeit

der gemessenen Gegenreaktionen zu eRAs und deren Ursachen auf alle als Anbieter an

Beschaffungsauktionen teilnehmenden Lieferanten im deutschsprachigen Raum. Die

genaue Messung der Repräsentativität durch einen Abgleich der in der Grundgesamtheit

vorliegenden interessierenden Parameter mit denen der Stichprobe ist meist ausgeschlossen.

Die Unbekanntheit der Ersteren ist ja die Motivation der Erhebung. Man unterstellt deshalb,

dass eine zufällig gezogene Stichprobe ein gutes Abbild der in der Grundgesamtheit

relevanten Charakteristika ergibt.724 Eine Zufallsauswahl liegt vor, wenn jede Einheit der

Grundgesamtheit eine Wahrscheinlichkeit größer null besitzt, um in die Stichprobe

aufgenommen zu werden.725 Damit ist – im Unterschied zu willkürlichen bzw. bewusst

gezogenen Samples – die Berechnung eines Stichproben- bzw. Zufallsfehlers möglich.726

Im vorliegenden Fall ist jedoch die Grundgesamtheit – alle im deutschsprachigen Raum als

Anbieter an eRAs teilnehmenden Unternehmen – unbekannt, und die Kriterien einer

Zufallsstichprobe liegen nicht vor. Ein non-response-bias kann nicht berechnet werden.727

721 Vgl. Kromrey, 2009, S. 258. 722 Vgl. Kromrey, 2009, S. 271 f. 723 Vgl. Friedrichs, 1990, S. 125. 724 Vgl. Hauptmanns, 1999, S. 26 f. 725 Vgl. Berekoven et al., 1996, S. 51. 726 Ebenda. 727 Vgl. Hauptmanns, 1999, S. 26f.

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132

Die Relevanz der Wahrnehmung elektronischer Beschaffungsauktionen beschränkt sich

nicht auf einzelne Teilbereiche oder gar Akteure eines Unternehmens. So fallen

verhandlungsbezogene Gegenmaßnahmen primär in die konkrete Zuständigkeit des

Vertriebs; Qualitätsanpassungen werden in der Produktion vorgenommen und strategische

Neuausrichtungen vom oberen Management beschlossen. Wünschenswert wäre aus diesem

Grund, alle mit Gegenmaßnahmen befassten Personen zu befragen und deren Antworten in

einem zweiten Schritt zu gewichten. Diese Vorgehensweise ist jedoch aufgrund des hohen

Erhebungsaufwands und einer stellenweise unmöglichen Durchführbarkeit ausgeschlossen.

Daher wurde auf das Konzept der Schlüsselinformanten (key informants)

zurückgegriffen.728 Hier stammen die Daten nur von einem Unternehmensmitglied, das

über die relevanten Sachverhalte Auskunft gibt.729 Entscheidend bei dieser Vorgehensweise

ist, dass dieser Informant über die zu untersuchenden Sachverhalte volles Wissen besitzt.

Zudem muss von den Forschern darauf geachtet werden, dass durch das einseitige

Rückgreifen auf den key informant keine informatorische Verzerrung geschieht. Stets ist zu

berücksichtigen, dass key informants Sachverhalte primär aus ihrer Sichtweise und

Erinnerung berichten und so die Gewinnung eines objektiven Bildes erschweren.730

Für die vorliegende Studie wurden die in Beschaffungsauktionen bietenden

Vertriebsmitarbeiter als Schlüsselinformanten identifiziert. Einerseits sind sie das

Sprachrohr, über das kundenseitige Veränderungen, wie die Einführung eines neuartigen

Verhandlungsinstruments, in die liefernde Organisation kommuniziert werden. Ihre

Wahrnehmung bestimmt dadurch die Wahrnehmung im gesamten Unternehmen mit.

Andererseits sind die Vertriebsmitarbeiter an sämtlichen Gegenreaktionen entweder direkt

beteiligt oder zumindest in diese eingeweiht. So besitzen sie beispielsweise Kenntnis über

Entscheidungen des Managements, in Zukunft vermehrt nach Kunden ohne eRA-

Anwendung zu suchen. Ebenso über Preisanpassungen und Qualitätsreduktionen oder

Serviceminderungen werden sie zwangsläufig eingeweiht. Eine ähnliche Vorgehensweise

der ausschließlichen Befragung von key informants als Informationsquelle zu

728 Vgl. Friedrichs, 1990, S. 304f. 729 Vgl. Nicolai/Kieser, 2004b, S. 6. 730 Vgl. Nicolai/Kieser, 2004a, S. 633.

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133

elektronischen Beschaffungsauktionen findet sich unter anderem bei Arnold/Schnabel

(2007); Arnold et al. (2005) und Germer (2008) wieder.731

Die Tatsache, dass lediglich mit Auktionen betraute Vertriebsmitarbeiter, nur wirkliche

Schlüsselinformanten also, die Fragen beantworten, wurde mit drei Maßnahmen

sichergestellt.

1. Der Fragebogen wurde primär an vorab bekannte Personen mit Auktionserfahrung

gesendet. Diese hatten meist bereits an einer vorgelagerten Befragung zu demselben

Themenkomplex teilgenommen.732 Viele waren auch persönlich bekannt.

2. Zu Beginn des Fragebogens wurde eine kurze Erläuterung des eRA-Begriffs

gegeben. Vertriebsmitarbeitern, die nicht direkt mit Auktionen betraut sind, sollte

auf diese Weise der Anreiz genommen werden, an der Befragung teilzunehmen, da

die Ergebnisse für sie keinen Mehrwert darstellen.

3. Zusätzlich wurden die Probanden im ersten Viertel des Fragebogens als key

informants validiert. Diese Validierung fand über zwei Mechanismen statt. Zum

einen sollten die Probanden angeben, an wie vielen Auktionen sie in ihrer

beruflichen Laufbahn teilgenommen haben, zum anderen wurde der Zeitraum ihrer

Mitarbeit im Vertrieb erfragt. Ein ähnliches Verfahren wendete Germer (2008) bei

der Validierung der Auktionserfahrung von Einkäufern an.733 Er wertete nur solche

Einkäufer als Schlüsselinformanten, die mindestens ein Jahr im Einkauf beschäftigt

waren und wenigstens eine Auktion durchgeführt hatten. Diese Kriterien übernimmt

die vorliegende Arbeit spiegelbildlich für die Anbieterseite. Als key informants in

der Auswertung werden nur die Vertriebsmitarbeiter, die bereits ein Jahr im Verkauf

arbeiten und bei mindestens einer Auktion als Bieter aktiv waren, berücksichtigt.

731 Vgl. Arnold/Schnabel, 2007; Vgl. Arnold et al., 2005; Vgl. Germer, 2008, S. 242 f., setzen sich detailliert

mit der Anwendbarkeit von key-informant-Befragungen in Bezug auf elektronische Beschaffungsauktionen auseinander.

732 Vgl. Arnold/Schnellbächer, 2010a. 733 Vgl. Germer, 2008, S. 234, verweist dabei auch auf die Vorgehensweise von Kaufmann, 2001, S. 165.

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134

7 Empirische Überprüfung der Erklärungsmodelle

7.1 Vorbereitende qualitative Analyse und Datengrundlage der

Untersuchung

7.1.1 Aufbau und Vorgehensweise der qualitativen Analyse

Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist die Gewinnung einer möglichst detaillierten

Erkenntnis über Ausbreitung und Ursachen von Lieferantenreaktionen zu elektronischen

Beschaffungsauktionen. Eine solch aggregierte Analyseanforderung ist nur über einen

quantitativen Marktforschungsansatz zu erreichen. Aufgrund der Neuartigkeit des

Forschungsgebiets zu elektronischen Beschaffungsauktionen734 im Allgemeinen und der

nahezu gänzlichen Unerforschtheit hier verknüpfter Lieferantenwahrnehmungen und

Reaktionen wird das gewählte quantitative Verfahren durch eine qualitative Analyse

unterstützt. Qualitative Analysen eigenen sich besonders für Situationen, in denen nur

wenig fundiertes Wissen zu einem Forschungsgebiet vorliegt.735 Der Forschungsansatz hilft

dabei, Hypothesen zu formulieren, die in weiteren Schritten überprüft werden können.736

Als Instrument der qualitativen Analyse wurden Experteninterviews ausgewählt. Sie sind

zentraler Bestandteil des Analyseansatzes und bieten aufgrund einer hohen Zahl an

Freiheitsgraden in den Gesprächen den Vorteil, problemrelevante Informationen offen und

umfassend aufzunehmen.737 Experteninterviews sind meist leitfadengesteuerte738

Befragungen einer Person, die über Wissen verfügt, „das sie zwar nicht alleine besitzt, das

aber doch nicht jedermann beziehungsweise jederfrau in dem interessierenden

Handlungsfeld zugänglich ist“739. Sie weist bezüglich der zu untersuchenden

Forschungsfragen einen erheblichen Wissensvorsprung auf.740 Bei Durchführung der

Experteninterviews in dieser Arbeit wurden vier Zielsetzungen verfolgt:

- Das in Kapitel 4.2 und 4.3 entwickelte Kausalmodell zur Verknüpfung der

Marktstrukturveränderungen mit den Lieferantenwahrnehmungen zu eRAs sollte

validiert und gegebenenfalls erweitert werden. Zusätzlich sollten die Indikatoren des

734 Vgl.Arnold et al., 2005, S. 116. 735 Vgl. Stern, 1980, S. 20 ff. 736 Vgl. Stewart, 2002, S. 423. 737 Vgl. Kepper, 1996, S. 34. 738 Vgl. Liebold/Trinczek, 2002, S. 32. 739 Meuser/Nagel, 1997, S. 484. 740 Vgl. Walter, 1994, S. 271.

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Empirische Überprüfung der Erklärungsmodelle

135

Kausalmodells daraufhin überprüft werden, ob sie die latenten Konstrukte

tatsächlich operationalisieren;

- die in Kapitel 5.1.1; 5.2.1 und 5.3.1 entwickelte Systematisierung von

Gegenreaktionen zu elektronischen Beschaffungsauktionen sollte validiert und

gegebenenfalls erweitert werden;

- das in Kapitel 5.1.2; 5.2.2 und 5.3.2 entwickelte logistische Regressionsmodell zur

Verknüpfung der Wahrnehmung des Beschaffungsinstruments eRA mit

Gegenreaktionen sollte validiert werden;

- außerdem galt es, die Verständlichkeit der Fragenformulierung bei Praktikern

sicherzustellen.

Obwohl die Interviews durch einen geringen Standardisierungsgrad und eine möglichst

natürliche Gesprächssituation gekennzeichnet sind, bietet sich ein grober Leitfaden zu

deren Strukturierung an.741 Die Interviewpartner sollten nicht nur eine entscheidende

Funktion im auktionsgestützten Beschaffungsprozess innehaben, sondern diesen möglichst

vollständig überblicken. Daher wurden Gespräche sowohl mit Anbietern wie auch mit

Abnehmern und mit auf Beschaffungsauktionen spezialisierten Beratern geführt. Als

Interviewpartner wurden persönlich bekannte Entscheidungsträger aus der Praxis

angesprochen, ob sie zu einem Interview bereit wären und auch, ob sie zusätzliche Experten

für weitere Interviews nennen könnten (Schneeballsystem).742 Die Mindestanzahl der

heranzuziehenden Fallstudien variiert abhängig von dem zu untersuchenden Sachverhalt.

Sie muss ausreichend sein, „to provide a sufficient (not statistically so) body of

observations with which to „flesh out“ the model and permit the development of some

generalizations to account for divergences in observations“743. Dieser Zustand ist häufig bei

sechs bis zehn Fallstudien erreicht.744 Zur Verfeinerung des Modells dieser Arbeit wurden

acht Fallstudien herangezogen. Zwei der Befragten arbeiten in Beschaffungsabteilungen

großer Konzerne, fünf in meist kleineren Zuliefererunternehmen und einer der Befragten ist

bei einer auf die Durchführung von Beschaffungsauktionen spezialisierten Beratungsfirma

beschäftigt. Zusätzlich zu diesen Interviews wurde die Systematisierung der

Lieferantenreaktionen auf der „20th Annual North American Research/Teaching

Symposium on Purchasing and Supply Chain Management“ in Tempe/Arizona einem

741 Vgl. Kepper, 1996, S. 37. 742 Vgl. Germer, 2008, S. 209; Vgl. Patton, 2002, S. 237 f.; Vgl. Kaufmann, 2001, S. 164. 743 Bonoma, 1985, S. 205. 744 Vgl. Eisenhardt, 1989, S. 545; Vgl. Ellram, 1996, S. 102; Vgl. Yin, 2003, S. 47.

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Empirische Überprüfung der Erklärungsmodelle

136

Auditorium von mit Auktionen beschäftigten Professoren und Beschaffungsmanagern

präsentiert und auf ihre Vollständigkeit und Relevanz hin diskutiert.745 Im Rahmen der

Konferenz war es zudem möglich, ein weiteres Interview mit einem Beschaffungsmanager

durchzuführen, sodass die Gesamtzahl der Einzelinterviews auf neun ansteigt.

Die halbstrukturierten Interviews dauerten eine bis drei Stunden. Meist wurden sie an den

Arbeitsplätzen der Experten durchgeführt, um diese in eine vertraute

Kommunikationssituation zu bringen, die die Offenheit des Austauschs erhöhen soll.746

Zunächst wurde in einer nicht strukturierten Einleitung über Einkaufsauktionen im

Allgemeinen und die persönlichen Erfahrungen, die die Befragten mit diesem

Beschaffungsinstrument gemacht haben, gesprochen. Damit sollte sichergestellt werden,

dass sich die Entscheidungsträger, die sich in ihrem Arbeitsumfeld mit vielfältigen

Problemstellungen beschäftigen, im Hauptteil der Befragung voll auf die Themenstellung

einlassen. Im zweiten Teil des Gesprächs wurden die Probanden zunächst gebeten, die

Marktstrukturveränderungen durch eRAs zu benennen, die sich auf die

Fairnesswahrnehmung des Beschaffungsinstruments auswirken können. Danach wurden

mögliche Zuliefererreaktionen auf eRAs erfragt und diese aufgenommen. Erst im dritten

Teil der Befragung wurden die Experten mit den vorgenommenen Systematisierungen

konfrontiert. Mit diesem Ablauf sollte sichergestellt werden, dass die Interviewten sich

durch die existierenden Ergebnisse nicht beeinflussen lassen und eigene Vorstellungen zu

gering gewichten. Mit der Vorstellung der Systematisierung im dritten Teil waren zwei

Zielsetzungen verknüpft. Zum einen sollten die Experten überprüfen, ob sie einzelne

Verschiebungen in der Marktstruktur oder Reaktionsoptionen als unrealistisch oder als in

der Praxis nicht existent erachten. Zum anderen sollten sie durch die Darstellung der

Systematisierung angeregt werden, mit den aufgezeigten Reaktionsoptionen und

Marktstrukturveränderungen verknüpfte Möglichkeiten zu benennen. In einem nächsten

Schritt wurden die zur Operationalisierung verwendeten Indikatoren mit den Experten

besprochen. Ziel war es zu ermitteln, ob diese die latenten Konstrukte abbilden oder ob

Indikatoren gestrichen oder hinzugenommen werden sollen. Abschließend wurden die

Formulierungen des Fragebogens auf ihre Verständlichkeit hin überprüft.

745 Vgl. Arnold/Schnellbächer, 2010a. 746 Vgl. Pfadenhauer, 2009, S. 453.

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137

7.1.2 Ergebnisse der qualitativen Analyse

Die Experten zeigten während der Gespräche ein großes Interesse an den Fragestellungen

zu möglichen Reaktionen auf eRAs und den Marktstrukturveränderungen für Lieferanten

durch das Beschaffungsinstrument. Es zeigte sich bereits im ersten Gesprächsteil, dass

aufseiten der befragten Lieferanten keinerlei Reaktionsrichtlinien auf die Auktionen

existieren. Eine Tatsache, die in starkem Kontrast zu den emotionalen Reaktionen steht, die

das Beschaffungsinstrument häufig bei den interviewten Vertriebsmitarbeitern ausgelöst

hat. Auf der anderen Marktseite waren den einkaufenden Entscheidungsträgern keinerlei

Auflistungen oder Systematisierungen bekannt, mit welchem Lieferantenverhalten vor,

während und nach der Auktionsveranstaltung zu rechnen ist. Auf der liefernden Seite zeigte

sich darüber hinaus im ersten, nicht strukturierten Teil der Befragung ein

übereinstimmendes Ressentiment gegenüber eRAs. Primäre Kritikpunkte waren, dass diese

die Wettbewerbsvorteile des eigenen Unternehmens nicht anerkennen und damit den

Wettbewerb zugunsten rein kostenorientierter Konkurrenten verschieben.747

Innerhalb der latenten Konstrukte des Kausalmodells, den einzelnen Veränderungen durch

Beschaffungsauktionen, wurden durch die Experteninterviews keine Änderungen

vorgenommen. Weder in dem verdeckten Teil der Befragungen ohne die Einsicht in das

Modell noch bei Vorliegen des Modells wurden zusätzliche Marktstrukturveränderungen

genannt und die aufgeführten Bestandteile als relevant erachtet. Eine Veränderung wurde

bei den Indikatoren vorgenommen, die die gleich operationalisierten latenten Konstrukte

der absoluten Markttransparenzverschiebungen748 abbilden. Die ursprünglichen vier

Indikatoren Vollständigkeit, Genauigkeit, Rechtzeitigkeit und Glaubwürdigkeit der

Marktinformationen wurden durch den Indikator der Relevanz der Marktinformationen

erweitert. Der zusätzliche Indikator spiegelt dabei die Meinung vieler Experten wider, dass

durch die Auktionen auch eine zusätzliche Fülle weniger relevanter Marktinformationen

generiert wird. Er wurde bereits bei früheren Untersuchungen verwendet.749 Zusätzlich

ergaben sich einige geringfügige Änderungen in den Fragestellungen, die zu einer besseren

Verständlichkeit führen sollen. Als erstes zentrales Resultat der Experteninterviews wurde

747 Siehe dazu auch die Ergebnisse von Caniëls/Raaji, 2009, S. 20 f., nach denen eRAs vor allem von

Anbietern in Entwicklungsländern als positiv angesehen werden. Eine schlüssige Erklärung hierfür ist, dass die starke Preisfokussierung der Auktionen der wettbewerbsstrategischen Aufstellung dieser Unternehmen entgegenkommt.

748 Die Transparenzverschiebungen des eigenen Unternehmens, des beschaffenden Unternehmens und der Konkurrenzunternehmen.

749 Vgl. Low/Mohr, 2001, S. 73.

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138

die Operationalisierung der latenten Konstrukte zur Messung der absoluten

Markttransparenzverschiebungen auf fünf Indikatoren erhöht, siehe Tabelle 16.

1 Veränderung der Vollständigkeit der Marktinformationen des eigenen Unternehmens

durch eRAs

2 Veränderung der Genauigkeit der Marktinformationen des eigenen Unternehmens

durch eRAs

3 Veränderung der Rechtzeitigkeit der Marktinformationen des eigenen Unternehmens

durch eRAs

4 Veränderung der Glaubwürdigkeit der Marktinformationen des eigenen Unternehmens

durch eRAs

5 Veränderung der Relevanz der Marktinformationen des eigenen Unternehmens durch

eRAs

Tabelle 16: Verbesserte Operationalisierung des relativen Markttransparenzverlusts750

Auch bei den Reaktionsoptionen zu elektronischen Beschaffungsauktionen haben die

Experteninterviews zu einer Anpassung der Systematisierung geführt. Die prinzipielle

Aufteilung in die drei Reaktionsfelder „verhandlungsbezogene Gegenmaßnahmen“,

„Kompensation finanzieller Einbußen“ und „strategische Anpassungen“ wurde als geeignet

empfunden. Innerhalb des Reaktionsfelds „verhandlungsbezogene Gegenmaßnahmen“

wurde jedoch eine Separierung der Reaktionen „Beschwerde“ und „Störung der Auktion“

angeregt. Die Autoren waren im Vorfeld davon ausgegangen, dass der Versuch der Störung

der Auktion in seinem Wesen eine drastischere Form der Beschwerde darstellt. Diese

Überlegung beruhte vor allem auf der Tatsache, dass die Störung der Veranstaltung,

beispielsweise durch die Abgabe von Geboten außerhalb des Verfahrens, in den

allermeisten Fällen erfolglos bleiben wird. Das beschaffende Unternehmen würde seine

Glaubwürdigkeit verlieren, wenn es auf solche Gebote einginge, und den

Vertriebsmitarbeitern würden dieser Umstand und die damit verknüpfte Erfolglosigkeit der

Störungsstrategie bewusst sein. Für die Experten stellte die Störung der Auktion jedoch

eine deutlich drastischere Eskalationsstufe der Gegenreaktionen dar als die bloße

Beschwerde. Wählt ein verärgerter Vertriebsmitarbeiter den Weg der konsequenten

750 Der Bezugspunkt „eigenes Unternehmen“ wurde bei den anderen Konstrukten durch „das beschaffende

Unternehmen“ und „die konkurrierenden Unternehmen“ ersetzt, der Begriff „die absoluten Markttransparenzgewinne“ beim latenten Konstrukt relativer Markttransparenzverlust durch den Begriff „der relative Markttransparenzverlust“.

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139

Konfrontation, indem er beispielsweise das Verfahren immerfort mit Rückfragen blockiert,

wird er den Auftrag kaum gewinnen, den Auktionsprozess jedoch empfindlich behindern

und damit das beschaffende Unternehmen unter Umständen stark schädigen. Zudem wurde

die Relevanz der Option „vollständige Beendigung der Geschäftsbeziehung“ ebenfalls im

Reaktionsfeld „verhandlungsbezogene Gegenmaßnahmen“ diskutiert. Einige Experten

vertraten die Auffassung, dass der mit der Beendigung verknüpfte Verzicht auf mögliche

lohnende Geschäfte in der Zukunft aus Ärger über eRAs eine Reaktion darstellt, die sich

rational kalkulierende Unternehmen nicht leisten können. Da der vollständige Abbruch der

Geschäftsbeziehung in der bisherigen Literatur jedoch erwähnt wird751 und zudem der

Systematisierung von Hirschman folgt752, wird die Reaktionsoption als Antwortmöglichkeit

in der Systematisierung belassen und mit abgefragt. In Tabelle 17 ist die neue

Systematisierung verhandlungsbezogener Gegenmaßnahmen nach der Anpassung durch die

Experteninterviews dargestellt.

Individuelle Gegenmaßnahmen Kollektive Gegenmaßnahmen

Beschwerde über die

Auktionsdurchführung

Kollektive Auktionsverweigerung

Störung der Auktion Kollektive Preisabsprachen

Nichtteilnahme

Teilnahme ohne Gebotsabgabe

Vollständige Beendigung der

Geschäftsbeziehung

Tabelle 17: Verhandlungsbezogene Gegenmaßnahmen zu eRAs

7.1.3 Datenerhebung und Charakteristika der Stichprobe

Das Sample der für die Untersuchung angeschriebenen Unternehmen setzt sich aus zwei

Quellen zusammen. Zum einen wurden bereits vorhandene Kontaktdaten einer

vorliegenden Stichprobe753 genutzt (N = 419). Zum anderen wurde auf die Datenbank

„Hoppenstedt Firmendaten“ zurückgegriffen (N = 1.157). Insgesamt konnten 248

verwertbare Rückläufe erzielt werden, was einer response rate von 15,74 % entspricht.

Berücksichtigt man 25 weitere vollständige, aber nicht hinreichend und mit einigen

751 Vgl. Emiliani, 2005, S. 528; Vgl. Smeltzer/Carr, 2001, S. 984. 752 Vgl. Hirschman, 1974, S. 37. 753 Vgl. Arnold/Schnellbächer, 2010a.

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140

Ungereimtheiten ausgefüllte Fragebogen, steigt die response rate auf 17,32 %. Diese

Rücklaufquote ist im Zusammenhang mit einer Business-to-Business-Erhebung als

zufriedenstellend anzusehen754, zumal die Befragung online durchgeführt wurde. Eine

große Zahl an Probanden war nicht bereit, konkrete Angaben zum erwirtschafteten Umsatz

im Jahr 2009 zu machen. Dies mag in einer Befürchtung um den Schutz der Identität

aufgrund der Sensibilität der Angaben oder in einer Nichtbereitschaft zur Herausgabe

allgemeiner Unternehmensdaten begründet liegen. Daher wird die Einteilung der

Stichprobe in kleine, mittelgroße, große und sehr große Unternehmen anhand der

Mitarbeiterzahl vorgenommen.755 Die höchste Mitarbeiterzahl betrug dabei 403.000, die

niedrigste 23 Beschäftigte. In der folgenden Abbildung sind die prozentualen Verteilungen

dargestellt.

Abbildung 26: Klassifizierung teilnehmender Unternehmen anhand der Mitarbeiterzahl

Die Repräsentativität der Stichprobe lässt sich schwer beurteilen, da die Grundgesamtheit

aller an Beschaffungsauktionen teilnehmenden Zulieferer im deutschsprachigen Raum

unbekannt ist (siehe auch die Argumentation zur Repräsentativität der Befragung in Kapitel

6.3.1). Schließt man von der Stichprobe auf die Grundgesamtheit der von eRAs betroffenen

754 Vgl. Fritz, 1992, S. 98. 755 Ein ähnliches Vorgehen wählt Werner, 1997, der sich ebenfalls mit dem Problem mangelnder Angaben

zum Unternehmensumsatz konfrontiert sah. Vgl. Werner, 1997, S. 104.

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141

Lieferanten, fällt auf, dass vor allem kleine Unternehmen verglichen mit ihrer relativen

tatsächlichen Häufigkeit unterrepräsentiert sind. Diese Unternehmensgruppe scheint

weniger stark von Beschaffungsauktionen betroffen zu sein. Eine Begründung für das

Resultat können die Mindestvolumina der über eRAs vergebenen Aufträge756 sein, die über

die Kapazitäten kleinerer Unternehmen hinausgehen. Von entscheidender Bedeutung für

die Aussagekräftigkeit der Stichprobe ist, ob die Ansprechpartner innerhalb der

Unternehmen tatsächlich schon mit Beschaffungsauktionen konfrontiert wurden und auf

diese reagieren mussten. Dies wurde zum einen über das Abfragen der Jahresanzahl, die der

Mitarbeiter bereits im Vertrieb tätig ist, zum anderen über die Anzahl der Auktionen, an

denen er bereits als Lieferant teilgenommen hat, sichergestellt. Eine Übersicht über die

Jahresanzahl der Mitarbeit der Probanden im Vertrieb gibt Abbildung 27.

Abbildung 27: Klassifizierung der Probanden anhand ihrer Beschäftigungsdauer

Auffällig ist hier der proportional hohe Anteil an Vertriebsmitarbeitern mit einer sehr

langen Berufserfahrung. Die Anzahl durchschnittlich durchgeführter Auktionen eines

Vertriebsmitarbeiters lag bei 3,41. Mit einem Höchstwert von 13 und einem Mindestwert

von einer Auktion.

756 Vgl. Eichstädt, 2008, S. 116 f.

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142

7.2 Ergebnisse zu den Determinanten der Auktionswahrnehmung

7.2.1 Prüfung des Messmodells

Die Modellprüfung lässt sich gedanklich in die der reflektiven und formativen Konstrukte

(Messmodell) sowie die Überprüfung des Strukturmodells untergliedern.

Überprüfung der reflektiven Operationalisierungen

Effizienzsteigerung des Vertriebsprozesses: Das erste latente Konstrukt

„Effizienzsteigerung des Vertriebsprozesses“ wird durch drei Indikatoren operationalisiert.

Jeder dieser Indikatoren wird anhand seiner Faktorladung (>0,8) und dem t-Wert (> 1,66)

geprüft. Wie Tabelle 18 zeigt, erfüllen die Indikatoren jeweils die zwei Prüfkriterien und

können angenommen werden.

Indikator Faktorladung t-Wert

(>1,66)

1 Veränderung der für den Vertrieb eines Gutes aufgewendeten

Mitarbeiterstunden durch eRAs

0,867 4,950

2 Veränderung der für den Vertrieb eines Gutes aufgewendeten

administrativen Kosten (beispielsweise für Reisen oder

Telekommunikation) durch eRAs

0,886 5,332

3 Veränderung der für den Vertrieb eines Gutes aufgewendeten

absoluten Zeit (Cash Cycle)

0,968 5,223

Tabelle 18: Einzelindikatorenbeurteilung: Effizienzsteigerung des Vertriebsprozesses

Ebenfalls erfüllt sind die Konvergenzkriterien. Die durchschnittlich erfasste Varianz liegt

leicht über dem zugehörigen Mindestwert von 0,8 und die Konstruktreliabilität deutlich

über dem bei ihr geltenden Prüfkriterium von 0,7. Die Prüfung des Fornell-Larcker-

Kriteriums zeigte zudem, dass auch die Diskriminanzvalidität gegeben ist. Da der Wert von

Stone-Geissers Q2 größer als null ist, ist auch das Prüfkriterium Vorhersagevalidität erfüllt.

Die Indikatoren korrelieren nur signifikant miteinander und nicht mit denen anderer

Konstrukte, somit ist auch die Unidimensionalität erfüllt. Die Werte zur Gesamtbeurteilung

der Messung des Konstrukts finden sich in Tabelle 19. Die Operationalisierung der

„Effizienzsteigerung des Vertriebsprozesses“ kann damit als geeignet angenommen

werden.

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143

Konvergenzkriterien Werte

DEV (>0,8)

Konstruktreliabilität (>0,7)

0,817255

0,930424

Diskriminanzvalidität

Fornell-Larcker-Kriterium (Rij2<DEV) R2

max= 0,101620

Vorhersagevalidität

Stone-Geissers Q2 (>0) 0,433969

Unidimensionalität

Item 1,2,3 Erfüllt

Tabelle 19: Gütebeurteilung: Effizienzsteigerung des Vertriebsprozesses

Erhöhung der absoluten Markttransparenz des beschaffenden Unternehmens: Die

Erhöhung der absoluten Markttransparenz ist das erste von drei Konstrukten zur Erklärung

des Verlusts an relativer Markttransparenz für Lieferanten durch eRAs. Die Untersuchung

der t-Werte und Faktorladungen der Indikatoren des Konstrukts zeigt, dass die

Mindestanforderungen an die Einzelindikatoren erfüllt werden. Von einer Eliminierung

einzelner Indikatoren wurde abgesehen. Tabelle 20 stellt die einzelnen Indikatorwerte des

Konstrukts dar.

Indikator Faktorladung t-Wert

1 Veränderung der Vollständigkeit der Marktinformationen des

beschaffenden Unternehmens durch eRAs

0,890 15,258

2 Veränderung der Genauigkeit der Marktinformationen des

beschaffenden Unternehmens durch eRAs

0,896 12,919

3 Veränderung der Rechtzeitigkeit der Marktinformationen des

beschaffenden Unternehmens durch eRAs

0,932 16,242

4 Veränderung der Glaubwürdigkeit der Marktinformationen des

beschaffenden Unternehmens durch eRAs

0,949 15,951

5 Veränderung der Relevanz der Marktinformationen des

beschaffenden Unternehmens durch eRAs

0,939 15,391

Tabelle 20: Einzelindikatorenbeurteilung: Erhöhung MT der beschaffenden Unternehmen

Die Überprüfung der weiteren Kriterien des latenten Konstrukts zeigt, dass die

Anforderungen in allen vier Bereichen erfüllt werden. Die durchschnittlich erfasste Varianz

übertrifft den Wert 0,8 und die Konstruktreliabilität den Wert 0,7 erneut deutlich

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144

(Konvergenzkriterien). Auch die „Diskriminanzvalidität“ und „Vorhersagevalidität“

erweisen sich als ausreichend. Das maximale R2 mit anderen Konstrukten liegt deutlich

unter der DEV und Stone-Geissers Q2 klar über null. Die Prüfung der Unidimensionalität

zeigte zudem, dass die Indikatoren des Konstrukts lediglich untereinander und nicht mit

Indikatoren anderer Konstrukte korrelieren. Tabelle 21 fasst die einzelnen Prüfmaße

zusammen.

Konvergenzkriterien Werte

DEV (>0,8)

Konstruktreliabilität (>0,7)

0,848878

0,965597

Diskriminanzvalidität

Fornell-Larcker-Kriterium (Rij2<DEV) R2

max= 0,413448

Vorhersagevalidität

Stone-Geissers Q2 (>0) 0,761149

Unidimensionalität

Item 1,2,3,4,5 Erfüllt

Tabelle 21: Gütebeurteilung: Erhöhung MT der beschaffenden Unternehmen

Erhöhung der absoluten Markttransparenz des eigenen Unternehmens: Sowohl die

Faktorladungen (>0,8) als auch die t-Werte (>1,66) der fünf Indikatoren des Konstrukts

„Erhöhung der absoluten Markttransparenz des eigenen Unternehmens“ erfüllen die

Mindestanforderungen. Alle Indikatoren können daher beibehalten werden und sind in

Tabelle 22 dargestellt.

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145

Indikator Faktorladung t-Wert

1 Veränderung der Vollständigkeit der Marktinformationen des

eigenen Unternehmens durch eRAs

0,844 8,618

2 Veränderung der Genauigkeit der Marktinformationen des eigenen

Unternehmens durch eRAs

0,857 9,019

3 Veränderung der Rechtzeitigkeit der Marktinformationen des

eigenen Unternehmens durch eRAs

0,916 9,389

4 Veränderung der Glaubwürdigkeit der Marktinformationen des

eigenen Unternehmens durch eRAs

0,922 11,591

5 Veränderung der Relevanz der Marktinformationen des eigenen

Unternehmens durch eRAs

0,934 10,174

Tabelle 22: Einzelindikatorenbeurteilung: Erhöhung MT des eigenen Unternehmens

Auch die Beurteilung der übrigen Kriterien liefert ein zufriedenstellendes Ergebnis.

Während die DEV nur knapp über dem Mindestwert von 0,8 liegt, sind die weiteren

Prüfmaße deutlich in dem das Messmodell stützenden Wertebereich. Mit 0,95 übertrifft die

Konstruktreliabilität den Grenzwert von 0,7 deutlich. Auch das Fornell-Larcker-Kriterium

zur Messung der Diskriminanzvalidität ist erfüllt. Der Wert von Stone-Geissers Q2 liegt mit

0,80 klar über null, und die Unidimensionalität aller fünf Indikatoren ist ebenfalls erfüllt.

Eine Übersicht der Ergebnisse findet sich in Tabelle 23.

Konvergenzkriterien Werte

DEV (>0,8)

Konstruktreliabilität (>0,7)

0,801621

0,952764

Diskriminanzvalidität

Fornell-Larcker-Kriterium (Rij2<DEV) R2

max= 0,4443

Vorhersagevalidität

Stone-Geissers Q2 (>0) 0,801332

Unidimensionalität

Item 1,2,3,4,5 Erfüllt

Tabelle 23: Gütebeurteilung: Erhöhung MT des eigenen Unternehmens

Erhöhung der absoluten Markttransparenz der konkurrierenden Unternehmen: Als letzte

absolute Markttransparenzerhöhung wurde die der konkurrierenden Unternehmen

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Empirische Überprüfung der Erklärungsmodelle

146

gemessen. Wie in Tabelle 24 ersichtlich wird, übertreffen auch hier alle fünf Indikatoren

die kritischen Größen bei der Faktorladung und dem t-Wert.

Indikator Faktorladung t-Wert

1 Veränderung der Vollständigkeit der Marktinformationen der

konkurrierenden Unternehmen durch eRAs

0,879 3,893

2 Veränderung der Genauigkeit der Marktinformationen der

konkurrierenden Unternehmen durch eRAs

0,859 4,656

3 Veränderung der Rechtzeitigkeit der Marktinformationen der

konkurrierenden Unternehmen durch eRAs

0,918 4,564

4 Veränderung der Glaubwürdigkeit der Marktinformationen der

konkurrierenden Unternehmen durch eRAs

0,938 4,670

5 Veränderung der Relevanz der Marktinformationen der

konkurrierenden Unternehmen durch eRAs

0,923 4,831

Tabelle 24: Einzelindikatorenbeurteilung: Erhöhung MT der konkurrierenden Unternehmen

Tabelle 25 zeigt die weiteren Kriterien zur Prüfung des Messmodells. Erneut liegt die

durchschnittlich erfasste Varianz nur leicht über dem kritischen Wert von 0,8. Die

sonstigen Prüfwerte sind jedoch umso deutlicher erfüllt. Die Konstruktreliabilität liegt mit

0,96 wieder klar über dem Grenzwert von 0,7. Das größte Rij2 wird mit 0,29 von der DEV

mit 0,82 übertroffen, womit auch das Fornell-Larcker-Kriterium erfüllt ist. Stone-Geissers

Q2 ist bei einem Wert von 0,78 ebenfalls klar im annehmbaren Bereich. Unidimensionalität

ist gegeben, da die Indikatoren des Konstrukts nur signifikant miteinander und nicht mit

denen anderer Konstrukte korrelieren.

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147

Konvergenzkriterien Werte

DEV (>0,8)

Konstruktreliabilität (>0,7)

0,816752

0,957010

Diskriminanzvalidität

Fornell-Larcker-Kriterium (Rij2<DEV) R2

max= 0,292161

Vorhersagevalidität

Stone-Geissers Q2 (>0) 0,776965

Unidimensionalität

Item 1,2,3,4,5 Erfüllt

Tabelle 25: Gütebeurteilung: Erhöhung MT der konkurrierenden Unternehmen

Verlust der relativen Markttransparenz: Auch im letzten Konstrukt zur Darstellung der

informatorischen Verschiebung zeigen sich alle fünf Indikatoren als geeignet. Wie Tabelle

26 zeigt, übertreffen sie sowohl bei der Faktorladung als auch beim t-Wert die kritischen

Größen. Keiner der Indikatoren muss daher eliminiert werden.

Indikator Faktorladung t-Wert

1 Veränderung der Vollständigkeit der Marktinformationen des

eigenen Unternehmens durch eRAs

0,933 51,062

2 Veränderung der Genauigkeit der Marktinformationen des eigenen

Unternehmens durch eRAs

0,935 57,458

3 Veränderung der Rechtzeitigkeit der Marktinformationen des

eigenen Unternehmens durch eRAs

0,925 50,039

4 Veränderung der Glaubwürdigkeit der Marktinformationen des

eigenen Unternehmens durch eRAs

0,942 64,401

5 Veränderung der Relevanz der Marktinformationen des eigenen

Unternehmens durch eRAs

0,924 42,474

Tabelle 26: Einzelindikatorenbeurteilung: Verlust der relativen MT

Die sonstigen Prüfwerte der Messung des „Absinkens der relativen Markttransparenz“

finden sich in Tabelle 27. Sie liegen alle in den annehmbaren Wertebereichen. Die

Tatsache, dass sich die Operationalisierung aller vier latenten Konstrukte zur Messung

informationeller Verschiebung zwischen der anbietenden und der nachfragenden Seite als

geeignet erweist, zeigt die Leistungsfähigkeit des Indikatorensets. Auch in Zukunft ist diese

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148

Zusammenstellung als Messgröße bei der Erfassung von Gewinnen oder Verlusten an

Marktinformation zu empfehlen.

Konvergenzkriterien Werte

DEV (>0,8)

Konstruktreliabilität (>0,7)

0,868479

0,970601

Diskriminanzvalidität

Fornell-Larcker-Kriterium (Rij2<DEV) R2

max= 0,370211

Vorhersagevalidität

Stone-Geissers Q2 (>0) 0,788283

Unidimensionalität

Item 1,2,3,4,5 Erfüllt

Tabelle 27: Gütebeurteilung: Verlust der relativen MT

Fairnesswahrnehmung des Beschaffungsinstruments: Von den sechs Indikatoren zur

Operationalisierung des Konstrukts der „Fairnesswahrnehmung des

Beschaffungsinstruments“ konnten nur fünf zur weiteren Messung verwendet werden. Die

Fairness gemessen an den vom „beschaffenden Unternehmen eingebrachten und erhaltenen

Ressourcen“ wurde mit einer Faktorladung von 0,796 und einem t-Wert von 10,762

aufgrund der leicht zu geringen Faktorladung eliminiert. Scheinbar ist das Input-/Out-

putverhältnis der Marktgegenseite kein entscheidender Bestandteil der lieferantenseitigen

Bewertung der Fairness von eRAs. Die übrigen Indikatoren erfüllen sowohl die

Anforderungen bezüglich der Faktorladungen als auch des t-Wertes und wurden

beibehalten (siehe Tabelle 28).

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Empirische Überprüfung der Erklärungsmodelle

149

Indikator Faktorladung t-Wert

1 Fairness während der Auktionsanbahnung 0,876 20,652

2 Fairness während der Auktionsgestaltung 0,909 36,792

3 Offenheit und Ehrlichkeit des einkaufenden Unternehmens beim

auktionsgestützten Beschaffungsprozess

0,888 33,671

4 Persönlicher Umgang durch die Einkäufer im auktionsgestützten

Beschaffungsprozess

0,899 31,987

5 Fairness gemessen an den vom beschaffenden Unternehmen

eingebrachten und erhaltenen Ressourcen757

0,796 10,672

6 Fairness gemessen an den vom liefernden Unternehmen

eingebrachten und erhaltenen Ressourcen

0,894 29,042

Tabelle 28: Einzelindikatorenbeurteilung: Fairnesswahrnehmung von eRAs

Die Prüfung der weiteren Kriterien zur Messung des Konstrukts wurde nun ohne den

eliminierten Indikator vorgenommen. Wie aus Tabelle 29 ersichtlich ist, wird die Güte der

Messung durch die verbleibenden fünf Indikatoren erfüllt. Mit 0,81 liegt die DEV über dem

Grenzwert von 0,8. Erneut deutlicher übertroffen wird der kritische Wert von 0,7 der

Konstruktreliabilität (0,955). Da der Wert des höchsten Rij mit 0,67 klar unter der DEV mit

0,81 liegt, wird auch das Fornell-Larcker-Kriterium angenommen. Die Vorhersagevalidität

und die Unidimensionalität sind ebenfalls gegeben, da Stone-Geissers Q2 mit 0,81 über dem

kritischen Wert von null liegt und die Indikatoren des Konstrukts nur signifikant

untereinander, aber nicht mit denen anderer Konstrukte korrelieren. Die

Operationalisierung des Fairnesskonstrukts über seine Dimensionen scheint damit eine

geeignete Vorgehensweise zur Erforschung der Fairness in B-to-B-Beziehungen zu sein.

757 Der Indikator wurde aufgrund der zu geringen Faktorladung eliminiert.

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Empirische Überprüfung der Erklärungsmodelle

150

Konvergenzkriterien Werte

DEV (>0,8)

Konstruktreliabilität (>0,7)

0,810504

0,955320

Diskriminanzvalidität

Fornell-Larcker-Kriterium (Rij2<DEV) R2

max

= 0,667396

Vorhersagevalidität

Stone-Geissers Q2 (>0) 0,807769

Unidimensionalität

Item 1, 2, 3, 4, 6 Erfüllt

Tabelle 29: Gütebeurteilung: Fairnesswahrnehmung von eRAs

Einfluss von eRAs auf die Beziehungsqualität: Auch in diesem Set musste einer der

Indikatoren eliminiert werden. Obwohl die „Veränderung der Bereitschaft, dem

beschaffenden Unternehmen bei aktuellen Problemen zu helfen“ bereits zur Messung der

Beziehungsqualität verwendet wurde758 und aus einer theoretischen Überlegung aus der

Anreiz-Beitrags-Theorie durch die Beschaffungsauktionen berührt wird, lud sie nicht

ausreichend auf das Konstrukt. Eine Erklärung kann an dieser Stelle nicht vorgenommen

werden. Es bleibt zu prüfen, ob eine zukünftige Anpassung des Indikatorensets zur

Operationalisierung des Konstrukts vorzunehmen ist.

758 Vgl. Large, 2003, S. 144.

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Empirische Überprüfung der Erklärungsmodelle

151

Indikator Faktorladung t-Wert

1 Veränderung des Vertrauens gegenüber dem beschaffenden

Unternehmen durch eRAs

0,916 47,911

2 Veränderung der Bereitschaft dem beschaffenden Unternehmen bei

aktuellen Problemen zu helfen durch eRAs759

0,682 8,392

3 Veränderung des Commitments gegenüber dem beschaffenden

Unternehmen

0,891 26,286

4 Veränderung der Investitionsbereitschaft in das beschaffende

Unternehmen durch eRAs

0,872 20,023

5 Veränderung der Konflikte mit dem beschaffenden Unternehmen

durch eRAs

0,874 27,992

Tabelle 30: Einzelindikatorenbeurteilung: eRA-Einfluss auf die Geschäftsbeziehung

Wie beim vorherigen Konstrukt wurden die weiteren Messkriterien nun ohne den

eliminierten Indikator überprüft. Die folgende Tabelle 31 zeigt, dass sie zufriedenstellend

erfüllt wurden.

Konvergenzkriterien Werte

DEV (>0,8)

Konstruktreliabilität (>0,7)

0,811200

0,944995

Diskriminanzvalidität

Fornell-Larcker-Kriterium (Rij2<DEV) R2

max

= 0,667396

Vorhersagevalidität

Stone-Geissers Q2 (>0) 0,805839

Unidimensionalität

Item 1,3,4,5 Erfüllt

Tabelle 31: Gütebeurteilung: eRA-Einfluss auf die Geschäftsbeziehung

Überprüfung der formativen Operationalisierungen

Die formativen Indikatoren des Modells sind beides einfaktorielle Wiedergaben metrisch

messbarer Sachverhalte. Aus diesem Grund ist die Überprüfung der auf die

Operationalisierung latenter Konstrukte zugeschnittener Reliabilitäts- und Validitätsmaße

759 Der Indikator wurde aufgrund der zu geringen Faktorladung eliminiert.

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Empirische Überprüfung der Erklärungsmodelle

152

irreführend. Vor der eigentlichen Überprüfung der Kriterien ist daher die Anwendbarkeit

der Prüfmaße zu untersuchen. Die t-Werte des beidseitigen Tests liegen bei 3,373 und

4,657 und dabei deutlich über dem Mindestwert von 1,98 (siehe Tabelle 32).

Indikator t-Wert

1 Senkung des Preisniveaus 3,373

2 Erhöhung der Wettbewerberanzahl 4,657

Tabelle 32: t-Werte der formativen Messungen

Der Test auf Multikollinearität untersucht, ob sich ein einzelner Indikator eines formativen

Messmodells durch die anderen Indikatoren seines Konstrukts erklären lässt. Da beide

formativen Konstrukte aufgrund ihrer direkten Erfassung jeweils aus einem Indikator

bestehen, ist Multikollinearität automatisch ausgeschlossen und nicht prüfbar. Auch der

Test auf Diskriminanzvalidität ist aufgrund der einfaktoriellen Messung der formativen

Konstrukte obsolet. Da die Konstrukte lediglich durch diese Indikatoren operationalisiert

sind, ist die gemeinsame Varianz zwischen der latenten Variablen und ihrem Indikator

automatisch größer als die gemeinsame Varianz mit anderen latenten Variablen.

7.2.2 Prüfung des Strukturmodells

Nach Überprüfung der Einzelindikatoren auf Messmodellebene und der Bestätigung der

Eignung des Messmodells zur Operationalisierung der latenten Konstrukte folgt die

empirische Überprüfung des Hypothesensystems, das aus theoretischen und sachlogischen

Überlegungen sowie aus den bisher vorliegenden empirischen Überprüfungen abgeleitet

wurde. Zunächst wird dabei die Signifikanz der Modellverbindungen geprüft. Sie

beantwortet die Frage nach Annahme oder Ablehnung einer Modellhypothese und wird

über den t-Wert des Pfadkoeffizienten bestimmt. Dieser lässt sich über die Bootstrapping-

Methode ermitteln und sollte bei einem zweiseitigen Test und einem Signifikanzniveau von

5 % den Wert 1,98 übersteigen. Bei einem Signifikanzniveau von 10 % ist der Wert 1,66 zu

übertreffen. Weitere Voraussetzung für die Annahme der Modellhypothesen ist ein

Pfadkoeffizient von größer 0,1. In Tabelle 33 sind die Ergebnisse der Hypothesenprüfung

des Strukturmodells zusammengefasst.

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Empirische Überprüfung der Erklärungsmodelle

153

Hypothesen Pfadkoeffizient t-Wert Ergebnis

H1: Je höher die durch die Auktion erzielten

Preisreduktionen sind, desto negativer ist die

Fairnesswahrnehmung des Beschaffungsinstru-

ments.

0,314

3,525

bestätigt

H2: Je höher die durch die Auktion verursachte

Steigerung der Wettbewerberanzahl ist, desto

negativer ist die Fairnesswahrnehmung des

Beschaffungsinstruments.

0,378

4,721

bestätigt

H3: Je niedriger die durch die Auktion verursachte

Senkung der Vertriebsprozesskosten ist, desto

negativer ist die Fairnesswahrnehmung des

Beschaffungsinstruments.

-0,073

0,877

nicht bestätigt

H4: Je höher der von den Lieferanten empfundene

relative Transparenzverlust ist, desto negativer ist

die Wahrnehmung des Beschaffungsinstruments

eRA.

0,227

2,746

bestätigt

H4-1: Je höher der von Zulieferern

wahrgenommene Transparenzgewinn der

Einkäufer ist, desto stärker nehmen die

Lieferanten den relativen Markttransparenzverlust

wahr.

0,296

2,462

bestätigt

H4-2: Je höher der von den Zulieferern

wahrgenommene eigene Transparenzgewinn ist,

desto schwächer nehmen Lieferanten den relativen

Markttransparenzverlust wahr.

0,104

0,862

bestätigt

H4-3: Je höher der von den Zulieferern

wahrgenommene Transparenzgewinn ihrer

Konkurrenzunternehmen ist, desto stärker nehmen

Lieferanten den relativen Markttransparenzverlust

wahr.

0,035

0,245

nicht bestätigt

H5: Je negativer die Fairnesswahrnehmung des

Beschaffungsinstruments eRA ist, desto negativer

ist der lieferantenseitig empfundene Einfluss von

eRAs auf die Qualität der Geschäftsbeziehung.

0,667

8,121

bestätigt

Tabelle 33: Hypothesenprüfung auf Strukturmodellebene

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Empirische Überprüfung der Erklärungsmodelle

154

Mit hoher Signifikanz anzunehmen sind die Hypothesen 1, 2, 4, 4-1 und 5. Auch die

Pfadkoeffizienten erfüllen bei diesen Wirkungszusammenhängen das angeforderte

Kriterium (>0,1). Keine ausreichende Signifikanz weisen die Hypothesen 3, 4-2 und 4-3

auf. Selbst bei einer erlaubten höheren Irrtumswahrscheinlichkeit von 10 % sind sie

abzulehnen und müssen somit verworfen werden.

Die Fairnesswahrnehmung des Beschaffungsinstruments wird durch die Erhöhung der

Wettbewerberanzahl; die Senkung des Preisniveaus und den Verlust an relativer

Markttransparenz determiniert. Die ersten beiden Befunde bestätigen dabei die Ergebnisse

von Jap (2007).760 Nicht relevant ist den Ergebnissen zufolge die Senkung der

Vertriebsprozesskosten. Die Fairnesswahrnehmung ist wiederum die entscheidende

Einflussgröße für die Auswirkung von eRAs auf die Qualität der Geschäftsbeziehung.

Determinierende Variablen des Verlustes an relativer Markttransparenz sind die absoluten

Markttransparenzgewinne der beschaffenden Organisation sowie die dazu relativen

Gewinne des eigenen Unternehmens. Als nicht signifikant hat sich der Erhebung zufolge

die Markttransparenzerhöhung der konkurrierenden Anbieter erwiesen. Abbildung 28 fasst

die Ergebnisse der Pfadkoeffizienten und t-Werte auf Strukturmodellebene zusammen.

Abbildung 28: Graphische Darstellung des Strukturmodells

760 Vgl. Jap, 2007, S. 156 f.

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Empirische Überprüfung der Erklärungsmodelle

155

Der Determinationskoeffizient R2 misst den Anteil, mit dem sich ein Konstrukt durch

vorgelagerte Größen erklären lässt. Er zeigt, wie gut ein endogenes Konstrukt durch die

ihm im Modell vorangestellten Konstrukte abgebildet wird.761 Häufig wird ein Mindestwert

von 0,3 gefordert. Im vorliegenden Modell wird dieser bei zwei von drei endogenen

Konstrukten erfüllt. Der R2-Wert des endogenen Konstrukts des eRA-Einflusses auf die

Qualität der Geschäftsbeziehung liegt bei 0,445, der R2 der Fairnesswahrnehmung auf das

Beschaffungsinstrument liegt bei 0,465. 44,5 % beziehungsweise 46,5 % der Varianz der

abhängigen Konstrukte können über die im Modell vorgelagerten Erklärungsvariablen

erklärt werden. Nicht erfüllt wird der Mindestwert beim endogenen Konstrukt „relative

Verschiebung der Markttransparenz“. Der R2-Wert liegt hier lediglich bei 0,103, womit nur

gut 10 % der Varianz des Konstrukts erklärt werden können. Die vorgelagerten Konstrukte

sind nicht zur Erklärung des endogenen Konstrukts ausreichend. Es ist unwahrscheinlich,

dass noch andere Komponenten die lieferantenseitige Wahrnehmung der relativen

Markttransparenz beeinflussen. Eine mögliche Erklärung ist, dass die allgemeine

Umstellung auf elektronische Beschaffungsprozesse und die damit einhergehende, hohe

Verfügbarkeit von Marktdaten für Einkäufer einen großen Treiber des wahrgenommenen

relativen Transparenzverlusts darstellt. Die absoluten Markttransparenzverschiebungen in

den eRAs wären nur ein Teil der Entwicklungen, die zu einem wahrgenommenen, relativen

Transparenzverlust führen. Zur Prüfung der Vorhersagevalidität des Messmodells müssen

die in Tabelle 34 unter Redundanz aufgeführten Werte den Wert null übersteigen. Dies ist

der Fall, sodass das Prüfkriterium Vorhersagevalidität als erfüllt angesehen werden kann.

R2 Vorhersagevalidität

(Redundanz)

Fairnesswahrnehmung 0,465 0,334482

Verlust der relativen Markttransparenz 0,103 0,088560

Qualität der Geschäftsbeziehung 0,445 0,342558

Tabelle 34: Darstellung des R2 und der Vorhersagevalidität auf Strukturmodellebene

Als letzten Schritt erfolgt die Prüfung der Multikollinearität. Zu dieser wird der korrigierte

R2-Wert herangezogen und mit diesem der Variance Inflation Factor (VIF) berechnet. Wie

in Tabelle 35 dargestellt, liegt er in jedem der Fälle deutlich unter dem kritischen Wert

zehn, sodass Multikollinearität ausgeschlossen werden kann. 761 Vgl. Albers/Hildebrandt, 2004, S. 30; Vgl. Sellin, 1995, S. 261.

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Empirische Überprüfung der Erklärungsmodelle

156

R2-korrigiert VIF

Fairnesswahrnehmung von eRAs –

Effizienzsteigerung des Vertriebsprozesses

-0,008 0,992

Fairnesswahrnehmung von eRAs- relativer

Markttransparenzverlust

0,105 1,117

Relativer Markttransparenzverlust – absoluter

Markttransparenzgewinn beschaffendes

Unternehmen

0,074 1,080

Relativer Markttransparenzverlust – absoluter

Markttransparenzgewinn eigenes Unternehmen

0,008 1,008

Relativer Markttransparenzverlust – absoluter

Markttransparenzgewinn konkurrierende

Unternehmen

-0,003 0,997

eRA-Einfluss auf die Beziehungsqualität –

Fairnesswahrnehmung von eRAs

0,425 1,739

Tabelle 35: Überprüfung der Multikollinearität auf Strukturmodellebene

Zusammenfassend bleibt zu konstatieren, dass nur zwei Hypothesen aus dem

Erklärungssystem abgelehnt werden mussten. Da die sonstigen Prüfkriterien, mit

Ausnahme des R2-Wertes des Verlusts an relativer Markttransparenz, erfüllt wurden, kann

das Modell zusammenfassend als sehr valide beurteilt werden.

Regressionsanalyse zur direkten Erfassung der Einflussgroßen der Fairnesswahrnehmung

Zusätzlich zur kausalanalytischen Messung führten wir eine direkte Regressionsanalyse der

die Fairnesswahrnehmung des Beschaffungsinstruments beeinflussenden Variablen durch.

Dieser Schritt diente weniger der Schaffung eines eigenen Erkenntnisgewinns als der

Überprüfung der in der vorherigen Messung gewonnenen Ergebnisse. Die

regressionsanalytische Messung wurde mit Hilfe des jeweils gewichteten Mittelwertes der

Indikatoren der einzelnen Konstrukte durchgeführt. Die gewichteten Indikatoren lagen

bereits durch die Berechnung des korrigierten R2 zur Ermittlung des VIF vor. Lediglich bei

den Preisreduktionen und der Erhöhung der Wettbewerberanzahl wurden die direkt

erfassten Skalen verwendet.

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Empirische Überprüfung der Erklärungsmodelle

157

Koeffizient

(beta)

Signifikanz

(T-Test)

Einfluss der Erhöhung der Wettbewerberanzahl auf die

Fairnesswahrnehmung des Beschaffungsinstruments

0,299 p < 0,05

Einfluss der Preisreduktionen auf die Fairnesswahrnehmung

des Beschaffungsinstruments

0,306 p < 0,05

Einfluss des Verlusts an relativer Markttransparenz auf die

Fairnesswahrnehmung des Beschaffungsinstruments

0,111 p < 0,10

Einfluss der Erhöhung der Wettbewerbseffizienz auf die

Fairnesswahrnehmung des Beschaffungsinstruments

0,000 -

Tabelle 36: Regressionsanalytische Berechnung der Einflussgrößen der Fairnesswahrnehmung des

Beschaffungsinstruments eRA

Die Ergebnisse zeigen eine große Übereinstimmung mit den durch das

Strukturgleichungsmodell gewonnenen Werten. Alle im Strukturgleichungsmodell als

Einflussgrößen der Fairnesswahrnehmung des Beschaffungsinstruments identifizierten

Konstrukte weisen auch in der Regressionsanalyse einen messbaren Einfluss auf das

abhängige Konstrukt auf. Der im Strukturgleichungsmodell nicht bestätigte Einfluss einer

erhöhten Effizienz des Vertriebsprozesses durch eRAs auf die Fairnesswahrnehmung des

Beschaffungsinstruments wurde ebenfalls in der Regressionsanalyse verworfen. Die

Anwendung des Regressionsverfahrens bestätigt also die Ergebnisse des

Strukturgleichungsmodells zur Ermittlung der Einflussgrößen der Fairnesswahrnehmung

des Beschaffungsinstruments eRA.

7.3 Ergebnisse zu Häufigkeiten und Determinanten der

Gegenreaktionen

7.3.1 Auftreten und Ursachen verhandlungsbezogener

Gegenmaßnahmen

Auftreten und Verteilung verhandlungsbezogener Gegenmaßnahmen in der Praxis

Verhandlungsbezogene Gegenmaßnahmen sind das von Lieferanten am häufigsten

gewählte Reaktionsfeld zu elektronischen Beschaffungsauktionen. 54,84 % (136 von 248

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Empirische Überprüfung der Erklärungsmodelle

158

interviewten Unternehmen) der befragten Zulieferer haben eine oder mehrere

verhandlungsbezogene Gegenmaßnahmen unternommen.

Durchführung verhandlungsbezogener

Gegenmaßnahmen:

Ja Nein

Ergebnisse (N = 248): 54,84 % 45,16 %

Tabelle 37: Häufigkeit von verhandlungsbezogenen Gegenmaßnahmen

Die verbreitetste Option innerhalb des Reaktionsfeldes ist die Beschwerde beim

auktionsdurchführenden Unternehmen. Dies führt zu zwei relevanten Schlussfolgerungen.

Zunächst zeigt die Tatsache, dass 52,02 % aller Lieferanten (94,85 % aller Zulieferer, die

verhandlungsbezogene Gegenmaßnahmen durchführten) sich direkt über die

Auktionsanwendung beschweren und dass Lieferanten im deutschsprachigen Raum eRAs

primär als Bedrohung für ihre Geschäftsbeziehungen empfinden. Zusätzlich wird offenbar,

dass Zulieferer, die sonstige verhandlungsbezogene Gegenmaßnahmen durchführen, diese

meist mit einer Beschwerde kombinieren. Die zweithäufigste Option

verhandlungsbezogener Gegenmaßnahmen ist die Nichtteilnahme an

Beschaffungsauktionen, 18,95 % der befragten Lieferanten (34,56 % aller Lieferanten, die

verhandlungsbezogene Gegenmaßnahmen durchführten) haben diesen Schritt

unternommen. Obwohl die Fragestellung klar auf Gegenmaßnahmen zu eRAs abzielte, ist

schwer zu differenzieren, wie viele Anbieter dem Verfahren einzig aufgrund des

Beschaffungsinstruments fernblieben und wie viele die Teilnahme aus anderen Gründen

ablehnten. Auch an Face-to-Face-Verhandlungen und Ausschreibungen nehmen längst

nicht alle eingeladenen Lieferanten teil, sei es aus mangelndem Glauben an die eigene

Wettbewerbsfähigkeit, einen offerierten Auftrag zu erlangen, fehlenden Kapazitäten oder

schlichter Antipathie gegenüber dem beschaffenden Unternehmen. Möglich ist, dass einige

Vertriebsmitarbeiter eine primär aus anderen Gründen herrührende Nichtteilnahme

gegenüber Externen mit dem ungeliebten Beschaffungsinstrument begründen. Die 18,95 %

stehen im Widerspruch zu den Antworten auf die Frage nach der Veränderung der

Wettbewerberanzahl durch eRAs. Hier gab die Mehrheit der Teilnehmer eine Erhöhung an.

Ein Grund für diese Divergenz kann die geografische Ausweitung des Lieferantenpools

durch eRAs sein.762 Möglicherweise werden hiesige Zulieferer, die Bestandteil der

Untersuchung waren und Auktionen fernblieben, durch Lieferanten anderer Länder ersetzt.

762 Vgl. Beall et al. 2003, S. 27; Vgl. Schoenherr/Mabert 2007, S. 373; Vgl. Ariely/Simonson 2003.

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Empirische Überprüfung der Erklärungsmodelle

159

Für diese These spricht die Erhebung von Caniëls/Raaji (2009), die aufdeckte, dass eRAs

weit beliebter in Volkswirtschaften mit niedrigem Lohnniveau und einer wettbewerblichen

Ausrichtung auf Kosten sind, als in solchen mit hohem Lohnniveau und anderen

wettbewerblichen Fokussierungen.763 Ebenfalls zu dem divergierenden Effekt beitragen

kann die Tatsache, dass die Auktion den Wettbewerb transparenter und dynamischer

darstellt als andere Verhandlungsverfahren, sodass die Anbieter von einer erhöhten

Wettbewerberzahl ausgehen, obwohl diese gar nicht gegeben ist. Das schwache

Bietverhalten ist die am dritthäufigsten angewandte Reaktionsoption. 12,9 % aller befragen

Lieferanten (23,53 % aller Lieferanten mit verhandlungsbezogenen Gegenmaßnahmen)

haben bereits an Beschaffungsauktionen teilgenommen, ohne ernstlich die Abgabe von

Geboten zu erwägen. Auf Zuliefererseite scheinen Beschaffungsauktionen ein akzeptiertes

Instrument zur Erlangung von Marktwissen geworden zu sein. Bisherige Berichte, die vor

dem „bird watching“ warnen, werden dadurch bestätigt.764 Weniger verbreitet ist die

absichtliche Störung der Auktion. 10,48 % aller interviewten Zulieferer (19,12 % aller

Zulieferer mit verhandlungsbezogenen Gegenmaßnahmen) führten diesen Schritt durch.

Bedenkt man jedoch, wie wenig die Lieferanten mit diesem Verhalten zu gewinnen haben,

scheint die Anzahl der Störungen jedoch nach wie vor hoch. Lediglich 1,62 % aller

befragten Lieferanten (2,94 % aller Lieferanten mit verhandlungsbezogenen

Gegenmaßnahmen) gaben an, aufgrund einer Auktion eine Geschäftsbeziehung vollständig

beendet zu haben. Auch hier lässt sich, ähnlich wie bei der Nichtteilnahme, nicht exakt

bestimmen, ob das Auktionsverfahren den einzigen Grund für diesen Schritt darstellt. Wie

sich in den Experteninterviews bereits andeutete, scheint diese Maßnahme in der Praxis

keine wirkliche Relevanz zu besitzen. Auch kollektive Gegenreaktionen wurden von den

Probanden kaum genannt. Die kollektive Verweigerung der Auktion wurde von nur einer

der untersuchten Firmen durchgeführt. Die Gründe hierfür können vielfältiger Natur sein;

einmal kann das beschaffende Unternehmen die Identität der Teilnehmer bis zur

eigentlichen Auktion geheim halten, sodass derartige Absprachen erschwert werden. Selbst

bei Auftragsvergaben, bei denen dies nicht möglich ist, beispielsweise weil nur eine sehr

begrenzte Anzahl an Firmen das Produkt liefern kann, bedeutet eine kollektive

Verweigerung einen hohen administrativen Aufwand. Sie stellt zudem ein fragiles Gebilde

dar, der erste Ausbrecher aus der Absprache hätte eine gute Gelegenheit, sich gegenüber

763 Vgl. Caniëls/Raaji 2009, S. 20 f. 764 Vgl. Millet et al., 2004, S. 176; Vgl. Emiliani, 2005, S. 528; Vgl. Sashi/O‘Leary, 2002, S. 109; Vgl. Beall

et al., 2003, S. 29.

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Empirische Überprüfung der Erklärungsmodelle

160

dem beschaffenden Unternehmen zu profilieren. Auch kollektive Preisabsprachen wurden

nicht von den Probanden angegeben. Gegen ihre Anwendung in der Praxis wie auch gegen

ihre Angabe in einem Fragebogen spricht deren Illegalität. Die Preisabsprachen führen

jedoch, im Kontrast zu allen sonstigen verhandlungsbezogenen Gegenmaßnahmen, zu

direkten monetären Vorteilen für die liefernden Unternehmen. Ob sich hinter der

mangelnden Angabe der Reaktionsoption daher eine tatsächliche Nichtverbreitung verbirgt,

vermag abschließend nicht gesagt werden. An dieser Stelle sei auf die Ausführungen in

Kapitel 5.1.1 verwiesen. In Abbildung 29 findet sich die Verteilung der einzelnen

Maßnahmen innerhalb des Reaktionsfeldes zusammengefasst.

Abbildung 29: Verhandlungsbezogene Gegenmaßnahmen in der Praxis

Verknüpfung des Auftretens verhandlungsbezogener Gegenmaßnahmen mit der

Wahrnehmung des Beschaffungsinstruments

Die Fragestellung, inwiefern die Durchführung verhandlungsbezogener Gegenmaßnahmen

durch die Fairnesswahrnehmung des Beschaffungsinstruments und durch seinen Einfluss auf

die Geschäftsbeziehung determiniert wird, wurde mithilfe der logistischen Regression

beantwortet. Zunächst wurde untersucht, inwieweit die metrisch skalierte

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Empirische Überprüfung der Erklärungsmodelle

161

Fairnesswahrnehmung des Beschaffungsinstruments eRA das Ereignis Gegenreaktion (1)

oder keine Gegenreaktion (0) beeinflusst. Dabei war es unerheblich, welche genaue Reaktion

innerhalb des Sets durchgeführt wurde. Die beiden Voraussetzungen für die Anwendung des

Analyseverfahrens sind erfüllt. Da jeweils nur eine unabhängige Variable gemessen wird, ist

Multikollinearität ausgeschlossen.765 Zudem führten insgesamt 146 Unternehmen

verhandlungsbezogene Gegenmaßnahmen durch, die Anzahl lag deutlich über 25 Fällen.766

Der -2 LogLikelihood-Wert zur Messung des Einflusses der Fairnesswahrnehmung auf die

Wahrscheinlichkeit verhandlungsbezogener Gegenmaßnahmen liegt bei 251,120 und damit

bei einem Signifikanzniveau von 0,05 % unterhalb des kritischen Wertes von 283,59.

Dieser Prüfwert wurde der χ2-Tabelle entnommen, dazu musste noch die Anzahl der

Freiheitsgrade bestimmt werden. Diese ergeben sich aus der Probandenanzahl abzüglich der

Menge unabhängiger Variablen und des Wertes 1. Da 248 Probanden befragt wurden und

lediglich eine unabhängige Variable vorliegt, ergibt sich ein Wert für die Freiheitsgrade von

246 (df = 246). Auch der Test zur Beurteilung der Pseudo-R2-Statistiken zur Beurteilung

der Güte des Gesamtmodells lieferte ein zufriedenstellendes Ergebnis. Nagelkerkes-R2 liegt

bei 0,408 und damit klar über dem kritischen Wert von 0,2 und sogar über dem als sehr gut

postulierten Grenzwert von 0,4.767 In einem letzten Schritt ist die Beurteilung der

Klassifikationsergebnisse mit dem Press‘s-Q-Test vorzunehmen. Dieser Wert liegt bei

98,43 und damit mehr als deutlich über dem tabellierten kritischen Prüfkriterium von 3,84

bei einem Freiheitsgrad von eins. Die prozentuale Vorhersagewahrscheinlichkeit lieferte

einen Wert von 81,5 %. Die Untersuchung bestätigt den vermuteten Zusammenhang

zwischen der Fairnesswahrnehmung des Beschaffungsinstruments eRA und der

Anwendung verhandlungsbezogener Gegenmaßnahmen auf Lieferantenseite. Die einzelnen

Gütekriterien finden sich in Tabelle 38 wieder.

Gütekriterien -2 LogLikelihood

(>283,59)*

Nagelkerkes-

R2**

Press‘s-Q-

Test

(>3,48)***

Vorhersage in

%

Ergebnisse 251,120 0,408 98,43 81,5

Tabelle 38: Modellfit: Fairnesswahrnehmung – verhandlungsbezogene Gegenmaßnahmen

[*α<0,05;** akzeptabel bei Werten>0,2, gut bei Werten>0,4;***α<0,05]

765 Vgl. Menard, 2001, S. 75 ff. 766 Vgl. Hosmer/Lemeshow, 2000, S. 339 ff. 767 Cox & Snell R2 liegt bei 0,305 und spricht damit ebenfalls für die Annahme des Modells.

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Empirische Überprüfung der Erklärungsmodelle

162

Die Überprüfung des Zusammenhangs zwischen dem wahrgenommenen Einfluss von eRAs

auf die Geschäftsbeziehung mit verhandlungsbezogenen Gegenmaßnahmen lieferte

ebenfalls zufriedenstellende Ergebnisse. Der -2 Loglikelihood-Wert lag hier bei 219,735

und wies damit eine noch deutlichere Güte der Anpassung auf als der vorherige Wert zur

Untersuchung der Verknüpfung der Fairnesswahrnehmung. Nagelkerkes-R2 lag mit einem

Wert von 0,519 im sehr guten Bereich. Auch der Press‘s-Q-Test lieferte mit einem Wert

von 103,49 ein gutes Ergebnis. Die prozentuale Vorhersagewahrscheinlichkeit lag hier bei

82,3 %. In Tabelle 39 finden sich die gegliederten Werte:

Gütekriterien -2 LogLikelihood

(>283,59)*

Nagelkerkes-

R2**

Press‘s-Q-

Test

(>3,48)***

Vorhersage in

%

Ergebnisse 219,735 0,519 103,49 82,3

Tabelle 39: Modellfit: Beziehungsqualität – verhandlungsbezogene Gegenmaßnahmen

[*α<0,05;** akzeptabel bei Werten>0,2, gut bei Werten>0,4;***α<0,05]

Zusammenfassend bleibt zu konstatieren, dass sowohl die Fairnesswahrnehmung des

Beschaffungsinstruments eRA als auch der Einfluss von eRAs auf die anbieterseitig

empfundene Qualität der Geschäftsbeziehung einen entscheidenden Einfluss auf die

Wahrscheinlichkeit verhandlungsbezogener Gegenmaßnahmen ausüben. Der auf der Theory-

of-Reasoned-Action768 aufbauende Zusammenhang wurde damit bestätigt (siehe Tabelle 40).

Hypothese Ergebnis

HG1 Je negativer die Fairnesswahrnehmung des Beschaffungsinstruments

eRA ist, desto wahrscheinlicher ist die Durchführung

verhandlungsbezogener Gegenmaßnahmen.

bestätigt

HG2 Je negativer der lieferantenseitg empfundene eRA-Einfluss auf die

Qualität der Geschäftsbeziehung ist, desto wahrscheinlicher ist die

Durchführung verhandlungsbezogener Gegenmaßnahmen.

bestätigt

Tabelle 40: Einfluss eRA-Wahrnehmung – verhandlungsbezogene Gegenmaßnahmen

768 Vgl. Fazio et al., 1989, S. 280 ff.

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Empirische Überprüfung der Erklärungsmodelle

163

7.3.2 Auftreten und Ursachen finanzieller Kompensationsversuche

Auftreten und Verteilung der Kompensationsversuche finanzieller Einbußen in der Praxis

Das am zweithäufigsten angewandte Reaktionsfeld sind Versuche der Kompensation der

finanziellen Einbußen durch eRAs. 50,81 % der befragten Lieferanten (126 von 248

Zulieferern) gaben an, derartige Kompensationsversuche durchgeführt zu haben. Innerhalb

des Reaktionsfeldes zeigte sich eine recht gleichmäßige Verteilung der einzelnen

Maßnahmen. Bedenkt man, dass ein Großteil der Lieferanten, die verhandlungsbezogenen

Gegenmaßnahmen durchführten, dies lediglich in Form einer Beschwerde getan haben, so

mag man die Kompensationsversuche finanzieller Einbußen gar als das gewichtigste

Reaktionsfeld ansehen.

Durchführung von Versuchen der Kompensation

finanzieller Einbußen:

Ja Nein

Ergebnisse (N = 248): 50,81 % 49,19 %

Tabelle 41: Häufigkeit von finanziellen Kompensationsversuchen

Die am häufigsten gewählte Variante ist die höherpreisige Berechnung von

Zusatzleistungen. 35,89 % der befragten Lieferanten (und 70,65 % der Lieferanten, die

Kompensationsversuchte unternommen haben) haben diese Maßnahme durchgeführt.

Obwohl der Kompensationsversuch bereits in der Literatur diskutiert wurde769, ist das

Ergebnis bemerkenswert, da Einkäufer häufig angeben, die Spezifikationen früher und

genauer anzufertigen als bei traditionellen Verhandlungsverfahren.770 33,87 % der

Lieferanten (66,67 % der Zulieferer mit Maßnahmen im Reaktionsfeld) nahmen eine

Senkung der Qualitätsstandards vor. Die am zweithäufigsten genannte Maßnahme771 im

betrachteten Reaktionsfeld ist zugleich die in der bisherigen Literatur am häufigsten

diskutierte, weshalb das Ergebnis nicht überrascht.

Höhere Preise für nachträgliche Anpassungen sind mit 27,02 % (53,18 % der Zulieferer mit

Maßnahmen im Reaktionsfeld) die am dritthäufigsten angewandte Option im betrachteten

Reaktionsfeld. In der Literatur wird auch sie mehrfach diskutiert.772 In ihrer Konzeption

769 Vgl. Jap, 2003, S. 104. 770 Vgl. Beall et al., 2003, S. 45 und S. 52; Vgl. Smeltzer/Carr, 2003, S. 485. 771 Vgl. Jap, 2003, S. 104; Vgl. Carter/Kaufmann, 2007, S. 22; Vgl. Beall et al., 2003, S. 25; Vgl. Arnold et

al., 2005, S. 118. 772 Vgl. Emiliani/Stec, 2005, S. 283; Vgl. Emiliani/Stec, 2004, S. 150.

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Empirische Überprüfung der Erklärungsmodelle

164

wie in ihren Konsequenzen für Praktiker beider Marktseiten ähnelt die Reaktionsoption

stark der Streichung von Zusatzleistungen, und auch hier stellt sich die Frage nach der

Genauigkeit der Produktspezifikationen. Nahezu ebenso häufig nahmen sich Lieferanten

vor, die durch eRAs erlittenen Preisreduktionen bei zukünftigen Aufträgen zu

kompensieren. 24,6 % der befragten Lieferanten (48,41 % der Zulieferer mit Maßnahmen

im Reaktionsfeld) gaben diese Option an. Erneut findet sich die Reaktion in bisherigen

Diskussionen in der Literatur.773 Offen bleibt an dieser Stelle, ob die nachträglichen

Anpassungen lediglich das auktionsdurchführende Unternehmen oder auch sonstige

Abnehmer betreffen. Die Senkung der Qualität der Vertriebsbetreuung ist die am wenigsten

verbreitete Maßnahme im untersuchten Feld. 22,98 % (45,24 % der Zulieferer mit

Maßnahmen im Reaktionsfeld) der Lieferanten führten Aktivitäten in dieser Richtung

durch. Anscheinend glauben die Zulieferer nicht, die erlittenen Einbußen mit Reduktionen

in ihren Vertriebskosten ausreichend kompensieren zu können. In Abbildung 30 wird die

relative Häufigkeit der einzelnen Kompensationsversuche angezeigt.

Abbildung 30: Kompensationsversuche finanzieller Einbußen in der Praxis

773 Vgl. Emiliani/Stec, 2005, S. 283; Vgl. Emiliani/Stec, 2004, S. 150.

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Empirische Überprüfung der Erklärungsmodelle

165

Verknüpfung des Auftretens der Kompensationsversuche finanzieller Einbußen mit der

Wahrnehmung des Beschaffungsinstruments

Im nächsten Schritt gilt es zu prüfen, ob das Auftreten der Kompensationsversuche, wie

zuvor das der verhandlungsbezogenen Gegenmaßnahmen, durch die Wahrnehmung des

Beschaffungsinstruments ebenfalls determiniert wird. Zunächst ist jedoch auch hier die

generelle Anwendbarkeit der logistischen Regressionsanalyse zu untersuchen.

Multikollinearität ist weiterhin ausgeschlossen, da erneut jeweils nur eine unabhängige

Variable gemessen wird. Mit 126 Fällen liegt die kleinere der beiden Gruppen zudem

deutlich über der Mindestanzahl von 25 Fällen.774

Der die Anpassungsgüte messende -2 LogLikelihood liegt hier bei 324,938 und damit über

der kritischen Anpassung von 283,59. Auch Nagelkerkes-R2 zur Messung der Güte des

Gesamtmodells liegt mit einem Wert von 0,078 deutlich unter der kritischen Grenze von

0,2. Der Press‘s-Q-Test liefert mit einem Wert von 9,33 ein zufriedenstellendes Ergebnis.

Jedoch muss der Modellfit trotz eines noch akzeptablen Prozentsatzes der richtig

vorhergesagten 59,7 % aufgrund des niedrigen Nagelkerke-R2-Wertes und der zu hohen

Devianz als unzureichend konstatiert werden. In Tabelle 42 sind die Gütekriterien

zusammengefasst.

Gütekriterien -2 LogLikelihood

(>283,59)*

Nagelkerkes-

R2**

Press‘s-Q-

Test

(>3,48)***

Vorhersage in

%

Ergebnisse 328,822 0,078 9,33 59,7

Tabelle 42: Modellfit: Fairnesswahrnehmung –finanzielle Kompensationsversuche

[*α<0,05;** akzeptabel bei Werten>0,2, gut bei Werten>0,4;***α<0,05]

Es besteht also kein messbarer Zusammenhang zwischen der Fairnesswahrnehmung

elektronischer Beschaffungsauktionen unter Lieferanten und Versuchen, die durch die

Auktionen erlittenen finanziellen Verluste zu kompensieren. Die ebenfalls aus der Theory-

of-Reasoned-Action abgeleitete Hypothese muss daher abgelehnt werden.

Ein ähnlich negatives Ergebnis ergab die Überprüfung des Zusammenhangs zwischen dem

eRA-Einfluss auf die Qualität der Geschäftsbeziehung und den Kompensationsversuchen

774 Vgl. Hosmer/Lemeshow, 2000, S. 339 ff.

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Empirische Überprüfung der Erklärungsmodelle

166

der finanziellen Einbußen. Auch hier lag der -2 Loglikelihood-Wert mit 324,938 klar unter

der kritischen Grenze von 283,59 bei einer Signifikanz von <0,05, und auch hier zeigte

Nagelkerkes R2 mit 0,097 eine äußerst unzureichende Güte des Gesamtmodells. Press‘s-Q-

Test wurde mit 7,86 bestanden und der Prozentsatz der richtig Vorhergesagten lag bei 58,9.

Bei Betrachtung aller Gütekriterien muss auch die zweite Hypothese zur

Wahrscheinlichkeitsbildung der Kompensationsversuche finanzieller Einbußen abgelehnt

werden. Die gesammelten Kriterien finden sich in Tabelle 43.

Gütekriterien -2 LogLikelihood

(>283,59)*

Nagelkerkes-

R2**

Press‘s-Q-

Test

(>3,48)***

Vorhersage in

%

Ergebnisse 324,938 0,097 7,86 58,9

Tabelle 43: Modellfit: Beziehungsqualität –finanzielle Kompensationsversuche

[*α<0,05;** akzeptabel bei Werten>0,2, gut bei Werten>0,4;***α<0,05]

Es stellt sich die Frage, warum die Kriterien für keinen der vermuteten Zusammenhänge

erfüllt wurden, vor allem da sich im vorhergegangenen Reaktionsfeld

„verhandlungsbezogene Gegenmaßnahmen“ durchaus Einflüsse von den Konstrukten

Fairnesswahrnehmung des Beschaffungsinstruments und Einfluss auf die

Geschäftsbeziehung nachweisen ließen. Eine Erklärung für diese unterschiedlichen

Ergebnisse ist, dass viele der Kompensationsversuche erst mit einer zeitlichen Verzögerung

zum Auktionsverfahren durchgeführt werden. Während verhandlungsbezogene

Gegenmaßnahmen direkt während der Auktion stattfinden, vergeht bis zur Entscheidung

über Preiserhöhungen bei Zusatzleistungen oder zukünftigen Aufträgen eine Zeitspanne, in

der anfänglicher Ärger über die Auktion in den Hintergrund treten kann. Eine weitere

Erklärung liegt in der Tatsache, dass die Kompensationsversuche finanzieller Einbußen mit

direkten finanziellen Anreizen für das liefernde Unternehmen verknüpft sind. Diese

Verknüpfung mag ebenfalls bewirken, dass sich das Verhalten der Probanden mehr an

finanziellen Anreizen als an Fairnesswahrnehmungen oder an der Beziehungsqualität

orientierte.

Tabelle 44 fasst die Ergebnisse zur Überprüfung des Zusammenhangs zwischen der

Fairnesswahrnehmung elektronischer Beschaffungsauktionen und den Auswirkungen auf

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Empirische Überprüfung der Erklärungsmodelle

167

die Geschäftsbeziehung und der Durchführung von Kompensationsversuchen der

finanziellen Einbußen durch eRAs zusammen.

Hypothese Ergebnis

HG3 Je negativer die Fairnesswahrnehmung des Beschaffungsinstruments

eRA ist, desto wahrscheinlicher ist die Durchführung von Versuchen

zur Kompensation der finanziellen Einbußen.

nicht bestätigt

HG4 Je negativer der lieferantenseitig empfundene eRA-Einfluss auf die

Qualität der Geschäftsbeziehung ist, desto wahrscheinlicher ist die

Durchführung von Versuchen zur Kompensation finanzieller

Einbußen.

nicht bestätigt

Tabelle 44: Einfluss eRA-Wahrnehmung – finanzielle Kompensationsversuche

7.3.3 Auftreten und Ursachen strategischer Neuausrichtungen

Auftreten und Verteilung strategischer Neuausrichtungen in der Praxis

Strategische Neuausrichtungen sind das am wenigsten genutzte Reaktionsfeld. Nur 18,15 %

der Lieferanten (45 von 248 befragten Zulieferern) führten hier Maßnahmen durch. Grund

dafür kann die Tatsache sein, dass sich Auktionen in vielen Märkten nicht umfassend

durchgesetzt haben und dass strategische Neuausrichtungen naturgemäß langsamer und

seltener durchgeführt werden als operative Reaktionen.

Durchführung von Versuchen der Kompensation

finanzieller Einbußen:

Ja Nein

Ergebnisse (N=248): 18,15 % 81,85 %

Tabelle 45: Ergebnisse zur Durchführung strategischer Neuausrichtungen

Bei den einzelnen Reaktionsoptionen sind Modifikationen des Produktprogramms, um

dieses von der eRA-Anwendung auszuschließen, die klar präferierte Maßnahme. 13,31 %

der befragten Lieferanten (73,33 % der Zulieferer mit Maßnahmen im Reaktionsfeld)

führten diesen Schritt durch. Erklären lässt sich diese starke Präferenz auch mit einem

allgemeinen Bestreben deutscher Unternehmen, die Wettbewerbsfähigkeit ihrer Produkte

nicht primär über eine Kostenorientierung zu gewährleisten. Die anderen strategischen

Konsequenzen sind weit weniger häufig in der Praxis verbreitet. Andere absatzorientierte

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168

Konsequenzen, die Suche nach Kunden oder Märkten ohne Beschaffung über Auktionen

wurden jeweils von 3,63 % der befragten Anbieter (20 % der Zulieferer mit Maßnahmen im

Reaktionsfeld) durchgeführt. Auch hier mag die Begründung in einer bisher

unvollständigen Verbreitung des Beschaffungsinstruments liegen. Lediglich 2,42 % der

Lieferanten (17,78 % der Zulieferer mit Maßnahmen im Reaktionsfeld) führten einen

langfristigen Abbau von Vertriebsinfrastruktur aufgrund von eRAs durch, womit die

Maßnahme den zweitniedrigsten Wert aufweist. Bereits bei den Kompensationsversuchen

der finanziellen Einbußen waren operative Kostenkürzungen in der Vertriebsbetreuung die

am wenigsten präferierte Option gewesen. Produktionsverlagerungen in Niedriglohnländer

waren mit 2,02 % (11,11 % der Zulieferer mit Maßnahmen in dem Reaktionsfeld) die am

wenigsten verbreitete strategische Neuausrichtung. Anpassungen der Kostenstrukturen

aufgrund elektronischer Beschaffungsauktionen scheinen in der Praxis keine Relevanz zu

besitzen. Abbildung 31 liefert eine Übersicht über die relative Häufigkeit der einzelnen

strategischen Neuausrichtungen.

Abbildung 31: Strategische Neuausrichtungen in der Praxis

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Empirische Überprüfung der Erklärungsmodelle

169

Verknüpfung des Auftretens strategischer Neuausrichtungen mit der Wahrnehmung des

Beschaffungsinstruments

Auch hier sind die Voraussetzungen zur Anwendung der logistischen Regressionsanalyse

erfüllt. Es wird ebenfalls nur eine unabhängige Variable getestet, womit Multikollinearität

ausgeschlossen ist. Zusätzlich besteht die kleinste Gruppe aus 45 Fällen und liegt damit klar

über dem kritischen Grenzwert (N = 25).775

Die Fairnesswahrnehmung des Beschaffungsinstruments schien dabei keinen signifikanten

Einfluss zu besitzen. Der -2 LogLikelihood lag zwar bei 211,917 und damit im akzeptablen

bis guten Bereich, Nagelkerkes-R2 bescheinigte dem Gesamtmodell mit einem Wert 0,145

jedoch keine ausreichende Güte. Press‘s-Q-Test lag bei 90,47 und der Prozentsatz der

richtig vorhergesagten gar bei 80,2 %. Vor dem Gebot wissenschaftlicher Vorsicht ist die

Hypothese des Zusammenhangs zwischen der Fairnesswahrnehmung von eRAs und der

Wahrscheinlichkeit strategischer Neuausrichtungen aufgrund der unzureichenden Pseudo-

R2-Statistik jedoch abzulehnen. Die Hypothese wird nicht bestätigt.

Gütekriterien -2 LogLikelihood

(>283,59)*

Nagelkerkes-

R2**

Press‘s-Q-

Test

(>3,48)***

Vorhersage in

%

Ergebnisse 211,917 0,145 90,47 80,2

Tabelle 46: Modellfit: Fairnesswahrnehmung – strategische Neuausrichtungen

[*α<0,05;** akzeptabel bei Werten>0,2, gut bei Werten>0,4;***α<0,05]

Als letzter Test des logistischen Regressionsmodells wurde die Verknüpfung des eRA-

Einflusses auf die Qualität der Geschäftsbeziehung überprüft. Erstaunlicherweise lieferte

diese im Kontrast zur vorherigen Untersuchung einen klar messbaren Zusammenhang. Der

-2 LogLikelihood lag mit 188,666 noch deutlicher unter dem kritischen Wert von 283,59,

und Nagelkerkes-R2 bewertete die Güte des Gesamtmodells mit einem Wert von 0,278 als

ausreichend. Auch der Press‘s-Q-Test lieferte mit 95,33 ein sehr gutes Ergebnis, und der

Prozentsatz der richtig Vorhergesagten lag bei 81 %. Die gesammelten Ergebnisse finden

sich in Tabelle 47.

775 Vgl. Hosmer/Lemeshow, 2000, S. 339 ff.

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170

Gütekriterien -2 LogLikelihood

(>283,59)*

Nagelkerkes-

R2**

Press‘s-Q-

Test

(>3,48)***

Vorhersage in

%

Ergebnisse 188,666 0,278 95,33 81,0

Tabelle 47: Modellfit: Beziehungsqualität – strategische Neuausrichtungen

[*α<0,05;** akzeptabel bei Werten>0,2, gut bei Werten>0,4;***α<0,05]

Obwohl die Fairnesswahrnehmung des Beschaffungsinstruments keinen signifikanten

Einfluss auf die Wahrscheinlichkeit strategischer Neuausrichtungen ausübt, erhöht der

Einfluss der eRAs auf die Qualität der Geschäftsbeziehung sehr wohl die

Wahrscheinlichkeit derartiger Schritte auf Lieferantenseite. Dieses zunächst verwundernde

Ergebnis mag darin begründet liegen, dass strategische Neuausrichtungen gerade dann

wahrscheinlich werden, wenn die Qualität der Geschäftsbeziehung aus Lieferantensicht

ohnehin beschädigt und damit anfällig für Auswirkungen ungeliebter

Verhandlungsverfahren ist.

Tabelle 48 fasst die Ergebnisse zur Überprüfung des Zusammenhangs zwischen der

Fairnesswahrnehmung elektronischer Beschaffungsauktionen und den Auswirkungen auf

die Geschäftsbeziehung und der Durchführung von strategischen Neuausrichtungen

zusammen.

Hypothese Ergebnis

HG5 Je negativer die Fairnesswahrnehmung des Beschaffungsinstruments

eRA ist, desto wahrscheinlicher ist die Durchführung strategischer

Neuausrichtungen der liefernden Unternehmen.

nicht bestätigt

HG6 Je negativer der lieferantenseitig empfundene Einfluss auf die

Qualität der Geschäftsbeziehung ist, desto wahrscheinlicher ist die

Durchführung strategischer Neuausrichtungen der liefernden

Unternehmen.

bestätigt

Tabelle 48: Einfluss eRA-Wahrnehmung – strategische Neuausrichtungen

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Empirische Überprüfung der Erklärungsmodelle

171

7.4 Direkte Implikationen für die Unternehmenspraxis

7.4.1 Implikationen für beschaffende Unternehmen

Beeinflussung der Wahrnehmung von eRAs

Die durch eRAs ausgelösten Marktstrukturveränderungen haben sich als signifikant für die

lieferantenseitige Wahrnehmung des Beschaffungsinstruments erwiesen. Wollen Einkäufer

diese Wahrnehmung positiv beeinflussen, stehen ihnen drei Stellhebel zur Verfügung:

Beschränkung der Erhöhung der Wettbewerberanzahl: Durch die eRA-Anwendung wird es

häufig möglich, auch zusätzliche Zulieferer an dem Verhandlungsverfahren teilnehmen zu

lassen.776 Verzichtet der Einkäufer auf diesen Schritt und kommuniziert den Verzicht an

seine Lieferanten, wird die Fairnesswahrnehmung positiv beeinflusst. Diese Maßnahme ist

jedoch stets mit den negativen Konsequenzen einer beschränkten Wettbewerberanzahl,

nämlich einer erhöhten Kollusionswahrscheinlichkeit und einem verminderten

Wettbewerbseffekt auf den Endpreis des Verfahrens, abzuwägen.

Rücknahme der erzielten Preisreduktionen: Dieser zweite Stellhebel für eine bessere

Lieferantenwahrnehmung des Beschaffungsinstruments ist wenig zielführend, da die

Preisreduktionen die primäre Motivation für die Auktionsanwendung waren. Relevant wird

ein solches Verhalten nur in Ausnahmefällen, wenn die drohende Insolvenz eines

Lieferanten für das beschaffende Unternehmen mit negativeren Konsequenzen verbunden

wäre als eine Subvention des Abnehmers durch höhere Preise.777

Verringerung des relativen Markttransparenzverlustes: Für Einkäufer ist diese

Einflussmöglichkeit von besonderer Bedeutung, da sie weit weniger als die zuvor

beschriebenen Marktstrukturverschiebungen die Ziele des eRA-Einsatzes gefährdet. Der

Ausgleich des durch die Auktionen hervorgerufenen relativen Verlustes kann entweder

direkt während der eRA oder nach diesem erfolgen. Ersterer wird über ein offenes

Auktionsverfahren erreicht. Bei der englischen Auktion sind die Best-Bid + Rank eRA oder

ein Verfahren, in dem alle Gebote sichtbar sind, zu wählen. Bei der holländischen Auktion

ist die Anzahl und unter Umständen auch die Identität aller Bewerber anzuzeigen. Auf

diese Weise entsprechen sich die absoluten Informationsgewinne der Einkäufer und der

776 Vgl. Beall et al., 2003, S. 27; Vgl. Schoenherr/Mabert, 2007, S. 373; Vgl. Ariely/Simonson, 2003; Vgl.

Kaufmann, 2003a, S. 213. 777 Zur eingehenderen Diskussion dieses „Subventional Pricing“ siehe Arnold/Schnellbächer, 2010b, S. 1469.

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172

Lieferanten und es liegt kein relativer Markttransparenzverlust mehr vor. Da dieser

beschriebene Ausgleich während des Verfahrens den Zulieferern einen größeren Nutzen

stiftet, dürfte er sich deutlicher auf die Fairnesswahrnehmung von eRAs auswirken. Bei der

Aufdeckung der Informationen während des Verfahrens sollten jedoch stets die durch die

gestiegene Transparenz erhöhte Kollusionsgefahr778 und die Möglichkeit der Verbesserung

von Bietstrategien779 berücksichtigt werden. Die Informationsweitergabe nach dem

Auktionsverfahren über gesammelte Datensätze oder Feedbackgespräche gleicht den

relativen Markttransparenzverlust erst zu einem Zeitpunkt aus, an dem die Informationen

für die Anbieter weit weniger wertschöpfend sind. Lediglich bei zukünftigen

Entscheidungsprozessen im jeweiligen Absatzmarkt können sie von Vorteil sein und

wirken sich damit abgeschwächt auf die Wahrnehmung des Beschaffungsinstruments aus.

Weniger stark wirkt jedoch der zentrale Nachteil der Informationsweitergabe, wenn diese

erst nach dem Verhandlungsverfahren erfolgt. Die Gefahr der Kollusionsbildung ist nur bei

einer wiederholten Auktionsanwendung mit einem sehr ähnlichen Bieterpool zu

berücksichtigen. Bei jeglicher Informationsweitergabe, sowohl während wie auch nach dem

Verfahren, ist zu beachten, dass es den Lieferanten erleichtert wird, eigene Bietstrategien

im Zeitverlauf zu entwickeln (siehe beispielhaft die Argumentation zur Sniping-Strategie in

Kapitel 3.2.2).780

Verhalten im Umfeld der Auktionsverhandlung

Verhandlungsbezogene Gegenmaßnahmen sind die am häufigsten von Lieferanten

gewählte Reaktionsoption, sodass Einkäufer ihnen besondere Beachtung schenken sollten.

Möchte man den Maßnahmen entgegenwirken, kann dies über die Fairnesswahrnehmung

des Beschaffungsinstruments geschehen. Im Folgenden werden die einzelnen Maßnahmen

des Reaktionsfeldes separat untersucht.

Beschwerden der Lieferanten über die Auktionsanwendung können als guter Hinweis für

sich anbahnende Aktionen in dem Reaktionsfeld dienen. Nur sehr selten finden diese ohne

begleitende Beschwerden statt. Da die sonstigen Gegenmaßnahmen erst während und nach

Beendigung der Auktion oder gar nicht offenbar werden, kann die Beschwerde hier als

guter Indikator dienen. Die Beschaffungsmitarbeiter sollten auf Beschwerdegespräche

778 Vgl. Schmidt, 2005, S. 124; Ahrns/Freser, 1997, S. 52. 779 Vgl. Luton/McAfee, 1986, S. 191. 780 Vgl. Ariely et al., 2001.

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173

vorbereitet sein und gegebenenfalls speziell geschult werden. Tauchen vermehrt

Beschwerden auf und weisen auf weitere Gegenmaßnahmen hin, stehen zwei

Vorgehensweisen zur Auswahl:

- Die Lieferantenwahrnehmung der Auktionsdurchführung ist über die Abfederung

oben beschriebener Marktstrukturveränderungen zu verbessern und

Gegenreaktionen so weniger wahrscheinlich zu machen.

- Die Präventionsmaßnahmen gegen verhandlungsbezogene Gegenmaßnahmen sind

zu verstärken.

Wird die zweite Option gewählt, ist besonders auf die Nicht- oder die nur passive

Teilnahme von Zulieferern am Auktionsprozess zu achten. Beidem kann mit der Einladung

einer genügend großen Lieferantenanzahl781 oder dem Aufbau einer guten

Auktionsreputation entgegengewirkt werden (siehe dazu auch die Argumentationen in

Kapitel 3.2.2). In Fällen, in denen die Auswahl und Zertifizierung weiterer Lieferanten zu

kostspielig oder gar unmöglich sind, kann den beiden Reaktionsoptionen auch durch die

Auktionsregeln entgegengewirkt werden. Sie sind derart zu gestalten, dass sie zwar für das

beschaffende Unternehmen bindend sind und so über den Signaling-Mechanismus

„Selbstbindung“ Vertrauen auf Lieferantenseite aufbauen.782 Gleichzeitig treten sie jedoch

erst mit der Erfüllung gewisser Kriterien in Kraft. Negative Konsequenzen aus einer

verbreiteten Nichtteilnahme lassen sich durch eine Mindestanzahl an Teilnehmern, die

Bedingung für den Auktionsstart ist, verhindern. Gegen eine gehäufte Nicht- sowie eine

gehäufte passive Teilnahme hilft ein niedriger Startpreis bei einer englischen oder ein

niedriger Endpreis bei einer holländischen Auktion, über den keine Gebote akzeptiert

werden. Diese Maßnahmen sind jedoch mit den Nachteilen niedriger Start- und

Endpreise(siehe Kapitel 3.2.2) abzuwägen.783 Zusätzlich müssen die Auktionsregeln so

gestaltet und angewandt werden, dass eine Störung des Verfahrens nicht möglich ist. Die

vollständige Beendigung der Geschäftsbeziehung aufgrund von eRAs kann aus

Einkäufersicht trotz ihrer mehrmaligen Erwähnung in der Literatur784 vernachlässigt

werden. Für Einkäufer verbindet sich mit dieser Nachricht die Erkenntnis, dass sie auch

Lieferanten in eRAs einbinden können, die sie in Zukunft für den Bezug strategischer Güter

benötigen.

781 Vgl. Mabert/Skeels, 2002, S. 76; Vgl. McAfee/McMillan, 1987, S. 711. 782 Vgl. Stölzle, 2007, S. 159. 783 Vgl. Ariely/Simpnson, 2003, S. 115. 784 Vgl. Emiliani, 2005, S. 528; Vgl. Smeltzer/Carr, 2001, S. 984.

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174

Überwachung von Kompensationsversuchen finanzieller Einbußen

Auch diesem Reaktionsfeld sollten Einkäufer verstärkt Beachtung schenken. Neben dem

häufigen Auftreten der einzelnen Gegenreaktionen liegt die Gefahr der

Kompensationsversuche in der direkten Beschneidung der ursprünglichen Zielsetzungen

der Einkäufer bei der Auktionsanwendung. Durch Maßnahmen zur Beeinflussung der

Wahrnehmung des Beschaffungsinstruments und zum wahrgenommenen Einfluss auf die

Geschäftsbeziehung kann die Wahrscheinlichkeit von Kompensationsversuchen nicht

verringert werden. Der Fokus muss daher auf der direkten Prävention der einzelnen

Maßnahmen liegen. Besondere Aufmerksamkeit sollte den Produktspezifikationen gelten.

Sind diese präzise und klar formuliert, werden die häufig auftretenden Preiserhöhungen für

Zusatzleistungen, für nachträgliche Anpassungen und auch Qualitätsreduktionen erschwert.

Besonderes Augenmerk ist auf Preiserhöhungen von Zusatzleistungen zu legen. Ein

wichtiger Bestandteil hier ist, dass eine Erhöhung der abgenommenen Mengeneinheiten

möglich ist, ohne dass der Stückpreis dieser erhöht wird. Aus Einkäufersicht differenziert

zu betrachten sind Reduktionen in den Qualitätsstandards des eigentlichen Produkts und der

Vertriebsbetreuung durch den Lieferanten. Bei hier vorgenommenen Reduktionen ist zu

prüfen, ob diese dem beschaffenden Unternehmen wirklich schaden oder ob überflüssige

Qualitäts- und Servicelevel abgebaut werden, die in Zukunft zu weiteren Preisreduktionen

führen können.

Überwachung strategischer Neuausrichtungen der Lieferanten

Strategische Neuausrichtungen der Lieferanten sind aus Einkäufersicht weniger zu

befürchten und sollten deshalb nur in Ausnahmefällen beachtet werden, in denen ein

langfristiges Ausdünnen der Zuliefererbasis für die über eRAs eingekauften Produkte

befürchtet wird. In diesen Fällen ist vor allem darauf zu achten, dass Lieferanten ihr

Produktportfolio durch Modifikationen nicht von der Auktionsanwendung ausschließen

oder in andere Märkte abwandern. Beachtung sollten auch lieferantenseitige Bemühungen

beim Abbau von Vertriebsinfrastruktur erhalten. Die Einführung von eRAs ist meist nur

eine von vielen Maßnahmen, den Einkauf auf elektronische Prozesse umzustellen. Stellen

sich liefernde Unternehmen auf diese Entwicklung ein, können auch dort

Kostenreduktionen erzielt werden, die zu einem weiteren Absinken der Verkaufspreise

führen können. Zudem lässt sich eine bessere Abstimmung des Transaktionsprozesses

erzielen. Weiteres Kostensenkungspotenzial für die beschaffenden Unternehmen liegt in

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Empirische Überprüfung der Erklärungsmodelle

175

lieferantenseitigen Produktionsverlagerungen in Niedriglohnländer, wenn diese geforderte

Qualitätsstandards nicht gefährden.

7.4.2 Implikationen für liefernde Unternehmen

Liefernde Unternehmen erhalten durch die vorliegende Analyse eine detaillierte Auflistung,

welche Reaktionsoptionen von Zulieferern in welchem Grad vorgenommen werden. Sie

können diese nutzen, um ihr eigenes Reaktionsportfolio auf Vollständigkeit und Effektivität

zu überprüfen. Von besonderer Bedeutung sind Maßnahmen um und während des

Auktionsverfahrens. Reaktionen dieses Feldes zeichnen sich dadurch aus, dass sie umso

wirkungsvoller und damit erfolgversprechender werden, je mehr Lieferanten sie

durchführen. Kenntnisse über das Verhalten anderer Lieferanten fallen daher besonders ins

Gewicht. In Bezug auf die Beschwerdeoption hat sich gezeigt, dass sie von einem großen

Teil der untersuchten Lieferanten wahrgenommen wurde. Es scheint daher

erfolgversprechend, die eigenen Proteste mit denen anderer Anbieter zu koordinieren.785 Zu

beachten ist auch die weit niedrigere, jedoch klar messbare Anzahl von Nicht- oder

passiven Teilnehmern. Beschwerden sind umso wirkungsvoller, wenn sie mit der

Androhung der Exit-Option kombiniert werden.786 Die ermittelten Daten unserer Analyse

legen nahe, dass es in einigen Fällen möglich ist, einen Großteil der Lieferanten in einer

Beschwerde zur eRA-Durchführung mit einer angedrohten Nichtteilnahme zu vereinen. Ob

sich auf diese Weise eine höherpreisige Vergabe durchsetzen lässt, wird von der

Geschlossenheit des Anbieterkreises und von der Präferenz des beschaffenden

Unternehmens für die teilnehmenden Zulieferer abhängig sein. Ein solches Vorgehen ist

der Lieferantenseite nur in Fällen mit einer überschaubaren und homogenen Anbieterzahl787

zu empfehlen. Lohnenswert bei einer solchen Strategie kann auch die Einbeziehung

einzelner Einkäufer aus dem beschaffenden Unternehmen sein, die der Einführung

elektronischer Beschaffungsauktionen oft kritisch gegenüberstehen.788 Einen zu großen

Fokus legen Lieferanten bisher auf Störungen der Auktion – beispielsweise über

Gebotsabgaben außerhalb des Verfahrens. Unter Umständen mögen beschaffende

Unternehmen zwar durch gut koordinierte Störungsaktionen einer ausreichend großen

Lieferantenanzahl unter Druck gesetzt werden. Erfolgreiche Fälle derartiger

785 Zur konzeptionellen Erläuterung einer Verstärkung eigener Beschwerden durch Einbeziehung der

Äußerungen anderer nach Hirschman siehe auch Falck, 2006, S. 88. 786 Vgl. Hirschman, 1974, S. 70. 787 Vgl. Ahrns/Feser, 1997, S. 52. 788 Vgl. Carter et al., 2004, S. 237.

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Empirische Überprüfung der Erklärungsmodelle

176

Vorgehensweisen, bei denen die Auktionsanwendung verhindert wurde, sind jedoch nicht

bekannt. In jedem Fall sollten individuelle Störungen vermieden werden. Das Ziel,

Missgunst über ein Beschaffungsinstrument auszudrücken, das vertrauensvolle

Geschäftsbeziehungen zu missachten scheint und womöglich die eigenen

Wettbewerbsvorteile nicht ausreichend berücksichtigt, kann auch mit einer Beschwerde

erreicht werden. Eine Auftragsvergabe über traditionelle Verfahren wird ein einzelner

Anbieter über Störungen nicht bewirken können.

Die Studie offenbarte die weite Verbreitung einer Vielzahl an Kompensationsversuchen der

durch eRAs erlittenen finanziellen Einbußen. Vertriebsmitarbeiter sollten Einladungen zu

elektronischen Beschaffungsauktionen unter anderen Voraussetzungen als unter denen zu

sonstigen Verhandlungsverfahren prüfen. Zunächst ist sicherzustellen, ob zu den

Standardprodukten gehörige Zusatzleistungen auch wirklich zu erbringen sind oder aus der

Kostenkalkulation entnommen werden können. Im günstigsten Fall sind sie vom

beschaffenden Unternehmen nachträglich zu erwerben und bieten dem Zulieferer eine

komfortable Position zur Generierung zusätzlicher Erlöse. Eine solche Position kann zudem

durch nachträgliche Anpassungen der in der Auktion festgelegten Produktspezifikationen

entstehen. Ebenfalls genau zu prüfen sind die in den Produktspezifikationen angegebenen

Standards der Produkt- und Servicequalität. Auch hier scheinen in der Praxis regelmäßig

Lücken aufzutreten, die sich in Kosteneinsparungen der Lieferanten umwandeln lassen.

Bezüglich strategischer Neuausrichtungen aufgrund eines erhöhten Preis- und

Wettbewerbsdrucks durch eRAs haben sich Modifikationen des Produktprogramms, um

dieses von der Auktionsanwendung auszuschließen, als beliebteste Alternative erwiesen.

Die Tatsache, dass die Reaktionsoption von einer Vielzahl an Lieferanten durchgeführt

wird, sagt jedoch noch nichts über deren Erfolgspotenzial aus. Durch die langfristige

Wirkung strategischer Neuausrichtungen789 sind die Beurteilung deren Zielerreichung und

mögliche Anpassungen erst nach größeren Zeitabständen möglich. Möchten Zulieferer die

Reaktionsoption anwenden, stehen ihnen zwei Vorgehensweisen zur Verfügung. Sie

können versuchen, ihre Produkte derart zu modifizieren, dass sie für das einkaufende

Unternehmen eine strategische Relevanz erhalten.790 Eine beispielhafte Maßnahme ist es,

eine Produktionsmaschine nicht nur zu liefern, sondern zudem noch langfristig zu

789 Vgl. Homburg/Krohmer, 2006, S. 436. 790 Vgl. Beall et al., 2003.

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Empirische Überprüfung der Erklärungsmodelle

177

betreiben, sodass das Know-how über die Produktionsprozesse des Kunden in das eigene

Unternehmen übergeht. Die zweite Option zur Modifikation des Produktprogramms ist die

Komplexität der eigenen Leistungen zu erhöhen oder sie gegenüber den Kunden höher

erscheinen zu lassen. Zum einen können Abnehmer Produkte, die sie nicht vollständig

verstehen, nicht spezifizieren und damit auktionieren. Zum anderen besteht bei jeder

Auktion ein Trade-off zwischen den Kosten der Auktionsdurchführung und den

erreichbaren Savings (siehe dazu die Argumentation in Kapitel 3.2.1). Werden Erstere

durch eine Komplexitätssteigerung der anzufertigenden Spezifikationen erhöht, sinkt die

Wahrscheinlichkeit der Auktionsanwendung. Andere erlösseitige Neuausrichtungen (Suche

nach neuen Kunden, Suche nach neuen Märkten) wurden kaum genannt und scheinen daher

nur in Ausnahmefällen Erfolg versprechend zu sein. Ähnlich unbeliebt sind auch

kostenseitige strategische Umstellungen (Abbau von Vertriebsinfrastruktur;

Produktionsverlagerung in Niedriglohnländer). Sie sollten daher vor ihrer Anwendung als

Reaktionsoption auf eRAs von Lieferanten genau geprüft werden.

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178

8 Zusammenfassende Betrachtung der Analyse

8.1 Wissenschaftliche Ergebnisse

8.1.1 Inhaltliche Erkenntnisse

Zu Beginn der Arbeit wurden drei Forschungsfragen definiert:

- Was sind die Determinanten der lieferantenseitigen Wahrnehmung elektronischer

Beschaffungsauktionen (Forschungsfrage 1)?

- Welche Reaktionsoptionen haben Lieferanten auf eRAs und wie häufig werden

diese in der Praxis genutzt (Forschungsfrage 2)?

- Wie wirkt sich die lieferantenseitige Wahrnehmung elektronischer

Beschaffungsauktionen auf die Durchführung von Gegenreaktionen der Zulieferer

aus (Forschungsfrage 3)?

Bezüglich der ersten Forschungsfrage wurden vier Marktstrukturveränderungen

identifiziert, die durch die technologische Innovation eRA zustande kamen. Die einzelnen

Änderungen wirken sich wie folgt auf die Lieferantenwahrnehmung des

Beschaffungsinstruments aus:

- Die Erhöhung der Wettbewerberanzahl zeigt den deutlichsten Einfluss auf die

Fairnesswahrnehmung des Beschaffungsinstruments eRA.

- Ebenfalls einen deutlich messbaren Einfluss auf die Fairnesswahrnehmung von

eRAs unter Lieferanten hat die Senkung des Preisniveaus durch elektronische

Einkaufsauktionen.

- Schwächer, jedoch noch als signifikant anzuerkennen ist der Einfluss des relativen

Markttransparenzverlusts für Zulieferer auf die Fairnesswahrnehmung des

Beschaffungsinstruments.

- Verworfen werden musste die Hypothese, dass sich eine Effizienzsteigerung des

Vertriebsprozesses positiv auf die Wahrnehmung von eRAs auswirkt. Hier wurde

ein nicht signifikanter und zudem unplausibler negativer Wert gemessen.

Weiterhin stellte sich hieraus, dass die Fairnesswahrnehmung des Beschaffungsinstruments

einen entscheidenden Einfluss auf die Auswirkung von eRAs auf die lieferantenseitig

empfundene Qualität der Geschäftsbeziehung besitzt. Dieses Ergebnis zeigt, dass

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Zusammenfassende Betrachtung der Analyse

179

Lieferanten eRAs nicht als bloßes kleines Ärgernis, sondern als maßgeblichen negativen

Einfluss auf die Geschäftsbeziehung empfinden. Außerdem wurde untersucht, wie sich der

wahrgenommene relative Verlust an Markttransparenz konstituiert. Als determinierende

Variable wird der absolute Markttransparenzgewinn des eigenen, des beschaffenden und

der konkurrierenden Unternehmen postuliert. Hier wurden die folgenden Ergebnisse

gemessen:

- Den am stärksten messbaren Einfluss übten die absoluten Markttransparenzgewinne

der Einkäufer aus. Je höher diese eingeschätzt wurden, desto höher wird der

absolute Markttransparenzverlust empfunden.

- Ein nur schwach messbarer Einfluss geht von dem absoluten

Markttransparenzgewinn des eigenen Unternehmens aus, der sich senkend auf den

relativen Markttransparenzverlust auf der Lieferantenseite auswirkt.

- Abgelehnt werden musste die Hypothese, dass die absoluten

Markttransparenzgewinne der konkurrierenden Unternehmen einen erhöhenden

Einfluss auf den Verlust der relativen Markttransparenz haben.

In Bezug auf mögliche Gegenreaktionen (zweite Forschungsfrage) zu eRAs ergab die

Analyse aus einer Auswertung themenspezifischer Literatur und der Experteninterviews

eine Systematisierung in die Reaktionsfelder verhandlungsbezogene Gegenreaktionen,

Kompensationsversuche finanzieller Einbußen und strategische Neuausrichtungen. Jedes

dieser Felder ist durch ein Set an verschiedenen Reaktionsoptionen gekennzeichnet, die

sich teilweise sehr unterschiedlich auf die liefernde wie auf die beschaffende Seite

auswirken. Die verhandlungsbezogenen Gegenmaßnahmen sind mit 54,84 % das am

häufigsten genutzte Reaktionsfeld. Hier wurde die Beschwerde als prognostizierendes

Element für die Verbreitung anderer Gegenreaktionen ausgemacht. Solche sind häufig die

Nichtteilnahme an Folgeauktionen oder deren Störung. Eine signifikante Verbreitung von

Beendigungen der Geschäftsbeziehung oder kollusive Verhaltensweisen aufgrund von

eRAs konnten nicht ermittelt werden. Gerade bei Letzteren ist jedoch ein unwahres

Antwortverhalten als Begründung nicht auszuschließen. Die logistische Regressionsanalyse

zeigte, dass verhandlungsbezogene Gegenmaßnahmen stark von der

Lieferantenwahrnehmung des Beschaffungsinstruments eRA abhängig sind. Sowohl die

Fairnesswahrnehmung des Instruments als auch die Wahrnehmung des Einflusses von

eRAs auf die Geschäftsbeziehung zeigten einen signifikanten Einfluss auf das Auftreten

von Aktionen in dem Reaktionsfeld.

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Zusammenfassende Betrachtung der Analyse

180

Kompensationsversuche finanzieller Einbußen waren mit 50,81 % das am zweithäufigsten

angewandte Reaktionsfeld. Unter den einzelnen Reaktionsoptionen zeigte sich in der Praxis

eine relativ homogene Verteilung. Lediglich die Preiserhöhung bei Zusatzleistungen stach

leicht als präferierte Maßnahme heraus. Eine Verknüpfung der Durchführung von

Kompensationsversuchen mit der Lieferantenwahrnehmung des Beschaffungsinstruments

eRA oder seinem Einfluss auf die Geschäftsbeziehung konnte nicht gemessen werden. Die

bisherige Literatur geht davon aus, dass die aggressiveren Bieter und damit die

wahrscheinlichen Gewinner der Auktion weniger finanzielle Ressourcen in die

Geschäftsbeziehung einbringen wollen791 und dass die Auktionsgewinner

Beschaffungsauktionen als positiv bewerten.792 Die Ergebnisse dieser Analyse legen jedoch

ein anderes Bild nahe. Lieferanten scheinen die sich aus Auktionen ergebenden

Vertragslücken ausnutzen zu wollen, unabhängig davon, wie positiv oder negativ das

Verhandlungsverfahren wahrgenommen wird.

Das am wenigsten von Lieferanten genutzte Reaktionsfeld waren strategische

Neuausrichtungen. Nur 18,15 % der Zulieferer nahmen hier Aktionen vor. Erklärt werden

kann dieser Befund mit den starken Auswirkungen strategischer Entscheidungen auf das

gesamte Unternehmen und der bisher noch nicht umfassenden Verbreitung von eRAs.

Innerhalb der strategischen Neuausrichtungen zeigte sich eine klare Fokussierung von

Modifikationen des Produktportfolios, um dieses von der Auktionsanwendung

auszuschließen. Die übrigen Reaktionsoptionen waren recht gleichmäßig verteilt. Auch von

den strategischen Neuausrichtungen konnte kein signifikanter Zusammenhang zu der

Fairnesswahrnehmung des Beschaffungsinstruments, jedoch zu dessen wahrgenommenen

Einfluss auf die Qualität der Geschäftsbeziehung hergestellt werden. Dieses zunächst

verwundernde Ergebnis wurde damit erklärt, dass Geschäftsbeziehungen, in denen einzelne

Akteure strategische Neuausrichtungen vornehmen, wohl bereits zuvor angeschlagen

waren.

8.1.2 Theoretische und methodische Konsequenzen aus der Vorgehensweise

Die in der Analyse verwendeten theoretischen Konstrukte haben sich als geeignet zur

Erklärung realer Abläufe und Strukturen erwiesen. Der vom MSCP-Paradigma postulierte

Zusammenhang zwischen der Marktstruktur und dem Marktverhalten konnte empirisch bei

791 Vgl. Jap/Haruvy, 2008. 792 Vgl. Caniėls/Raaij, 2009, S. 20 f.

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Zusammenfassende Betrachtung der Analyse

181

zwei von drei Reaktionsfeldern nachgewiesen werden. Die Wahrnehmung des

Beschaffungsinstruments und seiner Auswirkungen wurden der Theory-of-Reasoned-

Action folgend als zwischengeschaltete Variable identifiziert. Auch dieses theoretische

Modell erwies sich damit als gutes Erklärungsmuster zur Erfassung empirisch zu

ermittelnder Sachverhalte. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass Kompensationsversuche der

durch eRAs erlittenen finanziellen Einbußen entgegen der Erwartung nicht mit der

Wahrnehmung des Beschaffungsinstruments verknüpft sind. Die Übertragung

verhaltenswissenschaftlicher Ansätze im Allgemeinen und der Theory-of-Reasoned-Action

im Besonderen auf häufig nüchtern kalkulierte B-to-B-Beziehungen ist, trotz eines

bereichernden Erklärungsgehalts, mit wissenschaftlichem Augenmaß vorzunehmen.

Grundlegend ist die Verknüpfung eines industrieökonomischen Paradigmas mit

verhaltenswissenschaftlichen Ansätzen wie der Theory-of-Reasoned-Action, der Anreiz-

Beitrags-Theorie oder dem Konzept der Voice-, Exit- und Loyality zu einem ganzheitlichen

Erklärungsmodell. Während sich verhaltenstheoretische Ansätze mit den Handlungen von

Individuen beschäftigen, bilden bei industrieökonomischen Modellen Organisationen das

Zentrum der Analyse. Da wirtschaftliches Handeln im B-to-B-Kontext meist beide Ebenen

beinhaltet, liegt in der Verknüpfung der Ansätze bedeutendes Potenzial zur Erhöhung des

Erklärungsgehalts wissenschaftlicher Analysen. Die Vorgehensweise findet sich

anschaulich in Abbildung 22 darstellt, wo verhaltenswissenschaftliche Konstrukte zwischen

den industrieökonomischen Variablen Marktstruktur und Marktverhalten wirken. Es ist zu

wünschen, dass eine derartige Kombination auch in Zukunft Anwendung finden wird.

Auch methodisch zeigt die vorliegende Arbeit durch die Verknüpfung zweier Verfahren

neue Wege auf. Zunächst wird mithilfe von Strukturgleichungsverfahren eine

Wahrnehmung abgebildet, von der dann mittels einer logistischen Regressionsanalyse

konkrete Handlungen abgeleitet werden. Strukturgleichungsmodelle als multivariates

Analyseverfahren breiten sich derzeitig stetig in den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften

aus. Durch die Verknüpfung ihrer exogenen, in der Analyse erklärten Variablen mit

logistischen Regressionsmodellen lässt sich der Erklärungsansatz durch die

Berücksichtigung nominaler Variablen erweitern. Beispielhaft muss die Kaufabsicht nicht

mehr umständlich und häufig verzerrt über eine Vielzahl an Indikatoren operationalisiert

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Zusammenfassende Betrachtung der Analyse

182

werden.793 Durch Verknüpfung der PLS-Analyse mit der logistischen Regression kann eine

tatsächliche erfolgte Kauf-/Nichtkaufentscheidung mit latenten Variablen des Modells

verknüpft werden, wodurch sich der Erklärungsgehalt der Analyse erhöht. In Abbildung 32

ist die Verknüpfung der beiden multivariaten Analyseverfahren Strukturgleichungsmodell

und logistische Regression schematisch dargestellt.

Abbildung 32: Verknüpfung Kausalanalyse logistische Regression

8.1.3 Limitationen der Arbeit und Möglichkeiten zukünftiger Forschung

Der Fokus der Arbeit richtete sich auf die Untersuchung des Reaktionsverhaltens zu eRAs

von Zulieferern aus dem industriell hoch entwickelten deutschsprachigen Raum. Aussagen

zu Anbieterreaktionen und -wahrnehmungen aus anderen geografischen oder kulturellen

Clustern lassen die Ergebnisse daher nicht zu. Dies gilt umso mehr, da bisherige Studien

zeigen, dass die geografische Herkunft eines Zulieferers aus einem industriell entwickelten

oder unterentwickelten Land eine entscheidende Determinante für seine eRA-

Wahrnehmung ist.794 Die empirische Überprüfung einer Übertragung der

Systematisierungen auf Zulieferergruppen anderer Märkte würde hier erhellende

Ergebnisse liefern. Eine weitere Limitation der Arbeit liegt in der mangelnden

Differenzierung von Zulieferern einzelner Branchen. Diese wurde aufgrund des zu

niedrigen Samples und der Tatsache, dass viele Anbieter Kunden verschiedener Branchen

beliefern, nicht vorgenommen. Ein größeres Sample könnte hier zu neuen und

793 Vgl. dazu beispielhaft Spears/Singh, 2004, S. 55. 794 Vgl. Caniëls/Raaji, 2009.

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Zusammenfassende Betrachtung der Analyse

183

differenzierten Erkenntnissen führen. Unerklärt blieben zudem die Determinanten des

relativen Verlusts an Markttransparenz von Zulieferern durch eRAs. Zwar zeigten die

absoluten Informationsgewinne des einkaufenden Unternehmens und die des Zulieferers

signifikante Einflüsse auf das Konstrukt. Dieses konnte jedoch aufgrund des geringen

Bestimmtheitsmaßes R2 nicht ausreichend erklärt werden. Es ist zu vermuten, dass der

relative Markttransparenzverlust noch von weiteren Variablen, wie einer allgemein

verbesserten Informationslage der Abnehmer durch elektronische Prozesse, beeinflusst

wird.

Zur Analyse des weiteren Forschungsbedarfs zu elektronischen Beschaffungsauktionen soll

zunächst die Systematisierung von Forschungsarbeiten zu eRAs von Wagner/Schwab

(2004) betrachtet werden. Sie unterteilt diese in die Schwerpunkte795:

- Die optimale Beschaffungssituation zur Durchführung einer Auktion;

- das optimale Auktionsdesign;

- die optimale Einbindung von Auktionen in den Beschaffungsprozess.

Die Dreiteilung kann aus heutiger Sicht um die Kategorie „Lieferantenverhalten/lang-

fristige Konsequenzen“ ergänzt werden. Die vorliegende Analyse schließt die bestehenden

Forschungslücken innerhalb dieser neuen Kategorie. Nach wie vor enthält das

Forschungsfeld „electronic reverse auctions“ jedoch blinde Flecken, von denen wir nichts

wissen. So sind alle empirischen Untersuchungen zu Beschaffungsauktionen statischer

Natur, da sie die Dynamiken, die das Verhandlungsinstrument durch seine Market-

Structure-Changes auslöst, nicht berücksichtigen.796 Von mindestens ebenso großem

Interesse sind die unterschiedlichen Konsequenzen aus der eRA-Anwendung in

divergierenden Wettbewerbssituationen. In Boomphasen mit vollen Auftragsbüchern und

Kapazitätsengpässen ist ein anderes Wettbewerbs- und Bieterhalten der Lieferanten zu

erwarten als in Zeiten, in denen große Überkapazitäten vorliegen. Es ist jedoch gänzlich

unbekannt, welche Auktionsdesigns Einkaufsmanager in unterschiedlichen

Wettbewerbssituationen wählen sollen. Ist es möglich, dass ein Auktionsdesign einem

anderen in wirtschaftlich starken Phasen überlegen ist, in einer Rezession jedoch nicht? Im

Grunde ist es verwunderlich, dass bei der Untersuchung eines Beschaffungsinstruments,

das nahezu ausschließlich auf das Transparentmachen von Wettbewerb zielt,

795 Vgl. Wagner/Schwab, 2004, S. 15. 796 Lediglich Engel, 2008, untersucht, wie Beschaffungsauktionen das Risiko von Lieferanteninsolvenzen

erhöhen, und wählt damit eine dynamische Betrachtungsperspektive über verschiedene Perioden.

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Zusammenfassende Betrachtung der Analyse

184

unterschiedliche Wettbewerbssituationen bisher unberücksichtigt blieben.

Anreizkompatible Experimente – womöglich mit Studenten in der Rolle des

Vertriebsmitarbeiters in verschiedenen Wettbewerbssituationen – könnten hier wertvolle

Ergebnisse liefern. Das zweite von Wagner/Schwab (2004) vorgeschlagene Forschungsfeld

erhält so eine, seine Realitätsnähe erhöhende, dynamische Vertiefung. Selbige ist auch

beim vierten, in dieser Arbeit definierten Forschungsfeld zu eRAs von Interesse. Es ist

untersuchenswert, ob die Verbreitung einzelner Reaktionsoptionen auf elektronische

Beschaffungsauktionen unabhängig von der gegenwärtigen Auslastung eines Markts ist.

Eine sachlogische Hypothese ist, dass offene Gegenreaktionen wie die Beschwerde über

oder die Nichtteilnahme eher in Boomzeiten auftreten, während verdeckte Aktionen wie

Kompensationsversuche finanzieller Einbußen verstärkt in wirtschaftlich angeschlagenen

Phasen durchgeführt werden.

Nahezu vollständig unbearbeitet ist die Perspektive des optimalen Verhaltens aus

Lieferantensicht. Nur wenige Autoren haben sich bisher vollständig in die Perspektive des

Anbieters versetzt. Eine beidseitige Betrachtung wurde beispielsweise von Carter et al.

(2004) vorgenommen.797 So existieren bisher weder Instrumente noch gesicherte Kriterien

zur optimalen Auswahl von Beschaffungsauktionen, an denen es sich aus der Perspektive

eines Lieferanten lohnt teilzunehmen. Unklar sind zudem häufig konkrete Bietstrategien

innerhalb einzelner Auktionsdesigns. Es lassen sich lediglich indirekt Hinweise aus

verschiedenen auf Vorwärtsauktionen bezogenen Veröffentlichungen ableiten.798 Hier sind

Kriteriensets zu erarbeiten, die sowohl die generelle Attraktivität des Auftrags als auch die

individuellen Stärken und Schwächen des Lieferanten bei der Leistungserstellung des

jeweiligen Auftrags berücksichtigen. Eine weitere Forschungslücke stellt die Einbindung

von Beschaffungsauktionen in den Vertriebsprozess dar, die auf der einkaufenden Seite in

den Beschaffungsprozess bereits vorgenommen wurde.799

8.2 Implikationen für die Unternehmenspraxis

Implikationen für einkaufende Unternehmen

Die Durchführung elektronischer Beschaffungsauktionen kann zu verschiedenen

Reaktionsmechanismen auf Lieferantenseite führen, die unterschiedliche Gefahren für 797 Vgl. Carter et al., 2004. 798 Vgl. Kräkel, 1992. 799 Vgl. Arnold et al., 2005; Vgl. Arnold/Schnabel, 2008.

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Zusammenfassende Betrachtung der Analyse

185

Einkäufer in sich bergen. Beschaffungsmanager müssen daher abwägen, welche Risiken sie

in einer gegebenen Situation als bedrohlich erachten und Maßnahmen gegen das Risiko

bergenden Lieferantenverhalten vornehmen. Wird eine mangelnde Wettbewerbsintensität

während der Auktion oder ein nicht einwandfreier Ablauf des Verfahrens befürchtet, sind

verhandlungsbezogenen Gegenmaßnahmen durchzuführen. Sieht man jedoch eher die

Gefahr eines opportunistischen Ausnutzens von Vertragslücken auf Lieferantenseite, ist der

Fokus auf die Bekämpfung von Kompensationsversuchen der finanziellen Einbußen zu

richten. Strategische Neuausrichtungen auf Zuliefererseite sollten verhindert werden, wenn

man ein langfristiges Ausdünnen der Lieferantenbasis befürchtet. Lieferantenreaktionen in

den einzelnen Feldern kann auf unterschiedliche Weise entgegengetreten werden:

- Verhandlungsbezogene Gegenmaßnahmen können eingeschränkt werden, indem die

Wahrnehmung von eRAs und deren Einfluss auf die Geschäftsbeziehung verbessert

wird. Als Indikator für die Wahrscheinlichkeit verhandlungsbezogener

Gegenmaßnahmen kann die Häufigkeit von Lieferantenbeschwerden über das

Beschaffungsinstrument herangezogen werden.

- Kompensationsversuche finanzieller Einbußen können über die lieferantenseitige

Wahrnehmung des Beschaffungsinstruments nicht beeinflusst werden. Hier

empfiehlt sich eine Fokussierung auf die Genauigkeit der vor der Auktion

kommunizierten Produktspezifikationen. Besonderes Augenmerk sollten

Beschaffungsmanager auf nicht genau spezifizierte Zusatzleistungen legen.

- Strategische Neuausrichtungen sind durch die Auswirkungen, die eRAs auf die

Qualität der Geschäftsbeziehung haben, beeinflussbar, wenn auch in schwächerem

Maße. Besondere Beachtung sollten lieferantenseitige Versuche erhalten, das

Produktportfolio derart zu modifizieren, dass es für eine Auktionsanwendung nicht

infrage kommt. Die sonstigen strategischen Gegenreaktionen scheinen in der Regel

vernachlässigbar.

Wollen Einkäufer die Wahrnehmung des Beschaffungsinstruments eRA und mit ihr der

Einfluss der Auktionen auf die Geschäftsbeziehung begrenzen, beispielsweise um

verhandlungsbezogenen Maßnahmen entgegenzuwirken, stehen ihnen verschiedene

Stellhebel zur Verfügung:

- Am wirksamsten ist eine Reduktion der Wettbewerberzahl während der Auktion.

Für Lieferanten ist die durch Auktionen häufig hervorgerufene Erhöhung der

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Zusammenfassende Betrachtung der Analyse

186

Anzahl der Wettbewerber800 der wohl entscheidendste Treiber der negativen

Fairnesswahrnehmung. Einkäufer müssen an dieser Stelle den Vorteil dieser

Wettbewerberanzahlerhöhung, die primär in einem erwarteten Anstieg der

Wettbewerbsintensität liegt, mit den negativen Effekten auf die

Lieferantenwahrnehmung abwägen. Dies gilt umso mehr, da sich eine negative

Lieferantenwahrnehmung auch senkend auf die Anzahl der tatsächlich

teilnehmenden Wettbewerber auswirken kann. Es mag daher in einigen Fällen

sinnvoll sein, die Lieferantenanzahl trotz der Möglichkeiten elektronischer

Auktionen nicht zu erhöhen und dies offen nach außen zu kommunizieren.

- Ein weiterer sehr wirksamer Hebel auf die Wahrnehmung des

Beschaffungsinstruments liegt in der Rücknahme erzielter Preisreduktionen. Da

diese jedoch die ursprüngliche Motivation zur Durchführung der

Beschaffungsauktionen waren,801 ist der Schritt auf Einkäuferseite nicht

empfehlenswert.

- Ebenfalls beeinflusst wird die Lieferantenwahrnehmung durch den lieferantenseitig

empfundenen relativen Verlust an Markttransparenz. Dieser wird sowohl von dem

wahrgenommenen absoluten Markttransparenzgewinn der Einkäufer als auch durch

absolute Markttransparenzgewinne der Zulieferer beeinflusst. Hier kann ein

Offenlegen der durch die Auktion gewonnenen Informationen, beispielsweise in

Feedbackgesprächen, abschwächend wirken. Zu beachten ist dabei allerdings,

inwieweit diese Informationen den Einkäufern schaden können, wenn den

Lieferanten damit beispielsweise Bietstrategien oder gar kollusive Maßnahmen

erleichtert werden.

- Nicht beeinflusst wird die Fairnesswahrnehmung des Beschaffungsinstruments

durch Steigerungen der Effizienz des Vertriebsprozesses durch eRAs.

- Die Fairnesswahrnehmung von eRAs besitzt einen klar messbaren Einfluss auf die

von Lieferanten empfundene Qualität der Geschäftsbeziehung. Einkäufer sollten

den signifikanten Einfluss von eRAs auf die Beziehungsqualität stets

berücksichtigen.

800 Vgl. Kaufmann/Carter, 2004, S. 20; Vgl. Arnold/Schnabel, 2007, S. 89; Vgl. Brenner/Wenger, 2007, S. 8;

Vgl. Emiliani, 2000, S. 182; Vgl. Schoenherr/Mabert, 2007, S. 373. 801 Vgl. Arnold et al., 2005, S. 116 f.; Vgl. Emiliani, 2004, S. 66; Vgl. Hur et al., 2007, S. 404.

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Zusammenfassende Betrachtung der Analyse

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Implikationen für liefernde Unternehmen

Die Ergebnisse zeigen, dass Anbieter das Wettbewerbsniveau und damit die Attraktivität

des Verhandlungsverfahrens nicht einzig anhand der Anzahl eingeladener Lieferanten

beurteilen können. Zu groß ist die Anzahl an Teilnehmern, die gar nicht oder nur passiv an

der Auktion teilnehmen. Ein gehäuftes Beschwerdeaufkommen kann dabei als Indikator für

eine hohe Nichtteilnahme an dem Vertriebsprozess angesehen werden. Unter Umständen ist

es lukrativ, gerade an den umstrittenen Auktionen teilzunehmen. Wählt ein

Zuliefererunternehmen die Beschwerdeoption, sollte es versuchen, diese mit Beschwerden

anderer Lieferanten zu kombinieren. Auch eine gemeinschaftliche oder individuelle

Verknüpfung der Beschwerde mit einer angedrohten Nichtteilnahme sollte erwogen

werden. Von selbstständigen, nicht mit anderen koordinierten Störungen des Verfahrens ist

jedoch abzusehen. Die Analyse hat zudem gezeigt, dass Kompensationsversuche

finanzieller Einbußen in der Praxis ein bei eRAs häufig auftretendes Phänomen sind. Für

Lieferanten verbindet sich mit dieser Information die Nachricht, dass Einladungen zu

Auktionsverfahren und die dazugehörigen Produktspezifikationen anders als bei anderen

Verhandlungsverfahren geprüft werden sollten. Aufwendungen, die zu den

Standardleistungen der Unternehmensprodukte gehören, müssen unter Umständen nicht

geleistet und können aus der Kostenkalkulation entnommen werden. Im günstigsten Falle

sind sie zusätzlich abrechenbar und generieren weitere Erlöse. Auch allgemein geleistete

Qualitäts- und Servicelevel sind nicht zwangsläufig zu erbringen und müssen dann nicht in

die Kostenkalkulation mit aufgenommen werden. Will das Unternehmen strategische

Anpassungen aufgrund elektronischer Beschaffungsauktionen durchführen, sollte die

Möglichkeit von Modifikationen zum Ausschluss des eigenen Produktprogramms von der

Auktionsanwendung geprüft werden. Diese sind möglich, wenn es gelingt, die Produkte so

zu gestalten, dass sie für das beschaffende Unternehmen strategisch relevant sind. Eine

weitere Möglichkeit besteht darin, die Komplexität der Produkte derart hoch erscheinen zu

lassen, dass eine Auktionsanwendung nicht ausführbar ist. Sonstige strategische

Anpassungen aufgrund von eRAs werden nur in Ausnahmefällen durchgeführt und sind

daher genau auf ihr Erfolgspotenzial zu prüfen.

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