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Norbert Nedopil Abteilung für Forensische Psychiatrie Psychiatrische Klinik der Universität München Nußbaumstr. 7, D-80336 München, Germany Email: [email protected] www.forensik-muenchen.de Risikoeinschätzung und Risikokommunikation Vortrag beim 3. Tag der Rechtspsychologie in Bonn am 17.11.2012

Risikoeinschätzung und Risikokommunikation · Norbert Nedopil Abteilung für Forensische Psychiatrie Psychiatrische Klinik der Universität München Nußbaumstr. 7, D-80336 München,

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Norbert Nedopil

Abteilung für Forensische Psychiatrie

Psychiatrische Klinik der Universität München

Nußbaumstr. 7, D-80336 München, Germany

Email: [email protected]

www.forensik-muenchen.de

Risikoeinschätzung und

Risikokommunikation

Vortrag beim

3. Tag der Rechtspsychologie

in Bonn

am 17.11.2012

Geschichte der Prognoseforschung

Zeitraum

Ansatz

Literatur

1950 -

1970

Kriteriensuche aufgrund soziologisch

orientierter Kohortenstudien

Glueck und Glueck

1950/1960

Wolfgang 1972

Hartmann 1972

Böker und Häfner 1973

1970 -

1980

Hinterfragen der wissenschaftlichen und

ethischen Berechtigung psychiatrischer

Gefährlichkeitsprognosen

Steadman & Coccozza

1974

Monahan 1981

Stone 1985

Rasch 1984

1980 -

1995

Entwicklung kriterienorientierter methodisch

ausgefeilter Vorhersagetechniken (actuarial

predictions)

Menzies & Webster 1995

Rice & Harris 1995

Monahan & Steadman

1994

Nedopil 1997

seit 1995

Entwicklung von mehrdimensionalen Progno-

seinstrumenten, Abgrenzung statischer und

dynamischer Risikofaktoren,Entwicklung

therapierelevanter Prognosemethoden,

multiprofessionelle Prognoseverfahren

Bonta & Andrews 1994

Webster & Eaves 1995/1997

Barbaree et al. 1996

Nedopil 1997/ 2000

Hanson 1998

Dittmann 2000

Geschichte der Prognoseforschung

Zeitraum Ansatz Literatur

1990-2000 Entwicklung von mehrdimensionalen

Prognoseinstrumenten, Abgrenzung

statischer und dynamischer

Risikofaktoren, Entwicklung

therapierelevanter

Prognosemethoden,

multiprofessionelle

Prognoseverfahren

Bonta & Andrews 1994

Webster & Eaves

1995/1997

Barbaree et al. 1996

Nedopil 1997/ 2000

Hanson 1998

Dittmann 1999

Seit 2000 Von Risikoerfassung zum

Risikomanagement

Identifikation interventionsrelevanter

Risikovariablen

Prognose von intramuraler Gewalt und

von Zwischenfällen im Rahmen des

Risikomanagements

Structured and Indivdualized Risk

Assessment and Management (SIRAM)

Quinsey et al. 2000

Webster & Brink 2004

Ogloff et al. 2005

Nedopil et al 2005

Bjorkly et al 2004

Fragestellungen bei der forensischen Risikobeurteilung

Wer

wird wann,

unter welchen Umständen,

mit welchem Delikt

rückfällig?

Und wie können wir es verhindern?

Risikoeinschätzung Risikomanagement

Grundlagen einer wissenschaftlichen Prognosemethode

Idiographisches Konzept Eingeschliffene individuelle Verhaltensmuster, die ein Wiederauftreten

des Verhaltens wahrscheinlich machen

Nomothetisches Konzept Empirische Erkenntnisse aus einer Vielzahl von Untersuchungen

werden auf den Einzelfall angewandt (Grundlage der

Prognoseinstrumente)

Hypothesengeleitetes Konzept Entwicklung einer individuellen Hypothese zur Delinquenzgenese,

Identifikation der spezifischen Risikofaktoren, die der Hypothese

zugrunde liegen, Überprüfung des Fortbestehen der Risikofaktoren, ihre

heutige Relevanz, Kompensation durch protektive Faktoren

Prognose als Prozess

Statische Risikofaktoren :

Anamnestische Daten

Persönliche Dispositionen

Kriminologische Zusammenhänge

aktuarische Risikoeinschätzung

sagt, um wen man sich Sorgen machen muss

Dynamische Risikofaktoren

aktuelle, sich ändernde Risikofaktoren

Symptomatik, Einstellung, Verhalten in verschiedenen Situationen

klinische Risikoeinschätzung

sagt, wann man sich sorgen machen muss

veränderbare Risikofaktoren

Fehlhaltungen und –einstellungen

Risikoträchtige Reaktionsmuster

Klinische Variablen

Einschätzung der Behandlungsmöglichkeit

sagt, bei wem Änderungen möglich und erreichbar sind

Statische und dynamische Risikofaktoren

aktuarische Risikoeinschätzung und

Structured Professional Judgement (SPJ)

aktuarische

Risiko-

einschätzung:

Zuordnung des Einzelnen zu einer Gruppe

von Straftätern, deren Rückfallrisiko

bekannt ist. Kein Rückschluss auf die

Rückfallwahrscheinlichkeit im Einzelfall

sondern Verankerung des Einzelfalls in

einer Risikogruppe, über die es empirische

Daten gibt.

VRAG,

SORAG

Static-

99/R

Structured

Professional

Judgement

(SPJ)

Fokus auf die wichtigsten Risikofaktoren

des Einzelfalls professionelle Wertung des

Gewichts jedes dieser Risikofaktoren im

Kontext der Entwicklung des Klienten,

seiner Verhaltensdisposition und seiner

vorhersehbaren Risikosituationen; ggf.

Dominanz weniger Risikofaktoren; keine

Summenwerte, sondern individuelle

Analyse

HCR-20

SVR-20

ILRV

Dittmann

LSI-R

Der Prozess von der Risikoeinschätzung

zum Risikomanagement:

Erfassung der Risikoindikatoren

Risikoeinschätzung

„Risk formulation“

Risikokommunikation

Risikorezeption

erfordert Aktion nichts tun

handeln

weiter kommunizieren

Risikoerfassung

Risikomanagement

Von der Risikoeinschätzung zum

Risikomanagement:

Erfassung der Risikoindikatoren

Risikoeinschätzung

„Risk formulation“

Risikokommunikation

Risikorezeption

erfordert Aktion nichts tun

handeln

weiter kommunizieren

Risikoerfassung

Risikomanagement

Risikoerfassung und Risikoeinschätzung

Erfassung der Risikoindikatoren:

Intuitiv: („der wirkt so gespannt“, „der macht etwas vor“ etc.)

Systematisch: Prognoseinstrumente als Checklisten zur Erfassung

empirisch abgesicherter Risikoindikatoren

Risikoeinschätzung:

Aufgrund subjektiver Erfahrung und Überzeugung („Wir hatten

einen vergleichbaren Fall“, „Sadisten kommen hier nie raus“)

Aufgrund einer Verrechnung von Basisraten und von Variablen

eines Prognoseinstruments (z.B. PCL-R, VRAG, Static 99)

Aufgrund eines individuellen Risikoprofils, in welchem einzelne

(relevante) Risikofaktoren den protektiven Faktoren

gegenübergestellt werden oder „Structured Professional

Judgement“

Systematische Risikoanalyse

- mehrstufiges Vorgehen

- Klärung der wichtigsten Aufgaben

- Sammeln von Informationen

- Auswahl der relevanten Informationen

- Berücksichtigung der Möglichkeiten

- Berücksichtigung der Fehlermöglichkeiten

- Gewichtung und Kombination der Risikofaktoren

- Kommunikation des Risikos

Gehe systematisch vor !

Mache eine umfassende Analyse !

Instrumente der Risikoeinschätzung

Historische Entwicklung

VRAG: Statistische Analyse nach der Entlassung von

Gewalttätern aus Strafhaft oder Maßnahme: Korrelation

von Risikofaktoren mit Rückfällen

HCR-20: Literaturauswertung: Studien, die empirisch den

Zusammenhang zwischen einem Merkmal und

Gewaltdelinquenz belegen, Begrenzung auf 20 Merkmale

ILRV: Ursprünglich: Auswertung von treffsicheren Gutachten

erfahrener Sachverständiger, Erfassung der als relevant

erachteten Prognosemerkmale, Strukturierung von

Expertenwissen

Später: Zusammenfassung dieser Merkmale mit den bis

1997 bekannten Merkmallisten, weitgehende Abstimmung

mit HCR-20 Erstversion

LSI-R: Theoriegeleitetes Erfassungsinstrument zur Identifikation

der RNR Variablen

ILRV und HCR-20

Warum zwei Instrumente?

HCR-20:

nur 20 Merkmale, die dadurch Risikofaktoren relativ wenig

differenziert erfragen

Vernachlässigung der Basisraten und deren Einfluss

Vernachlässigung der protektiven Merkmale

ILRV:

nur deutschsprachig, keine internationale Publizierbarkeit, kein

internationaler Vergleich

Konsequenz: Integration der HCR-Merkmale in die ILRV

Cave: Testtheoretisch problematisch

weiterreichende Bedeutung der protektiven Merkmale

Integrierte Liste von Risiko Variablen ILRV (I)

A Das Ausgangsdelikt (benennen):

1 Statistische Rückfallwahrscheinlichkeit

2 Bedeutung situativer Faktoren für das Delikt

3 Einfluss einer vorübergehenden Krankheit

4 Zusammenhang mit der Persönlichkeit

5 Erkennbarkeit kriminogener und/oder sexuell devianter Motive

B Anamnestische Daten

1 (H1) Frühere Gewaltanwendung

2 (H2) Alter bei 1. Gewalttat

3 (H3) Stabilität von Partnerbeziehungen

4 (H4) Stabilität in Arbeitsverhältnissen

5 (H5) Alkohol-/Drogenmissbrauch

6 (H6) Psychische Störung

7 (H8) Frühe Anpassungsstörungen

8 (H9) Persönlichkeitsstörung

9 (H10) Frühere Verstöße gegen Bewährungsauflagen

Integrierte Liste der Prognoseaspekte (I)

Integrierte Liste von Risiko Variablen ILRV (II)

C Postdeliktische Persönlichkeitsentwicklung (Klinische Variablen)

1 Krankheitseinsicht und Therapiemotivation

2 Selbstkritischer Umgang mit bisheriger Delinquenz

3 Besserung psychopathologischer Auffälligkeiten

4 (C2) Pro-/antisoziale Lebenseinstellung

5 (C4) Emotionale Stabilität

6 Entwicklung von Coping Mechanismen

7 Widerstand gegen Folgeschäden durch Institutionalisierung

D Der soziale Empfangsraum (Risikovariablen):

1 Arbeit

2 Unterkunft

3 Soziale Beziehungen mit Kontrollfunktionen

4 Offizielle Kontrollmöglichkeiten

5 Verfügbarkeit von Opfern

6 (R2) Zugangsmöglichkeit zu Risiken

7 (R4) Compliance

8 (R5) Stressoren

Integrierte Liste der Prognoseaspekte (II)

Von der Risikoeinschätzung zum

Risikomanagement:

Erfassung der Risikoindikatoren

Risikoeinschätzung

„Risk formulation“

Risikokommunikation

Risikorezeption

erfordert Aktion nichts tun

handeln

weiter kommunizieren

Risikoerfassung

Risikomanagement

Kommunikationsprozesse:

Quelle (z.B. wissenschaftliche Erkenntnis): Risikoindikatoren

Kommunikations-

kanäle

Information und Botschaft: Risikoeinschätzung

„Risk formulation“

z.B. Vortrag

z.B. Sachverständi-

genäußerung z.B. wissenschaftl.

Veröffentlichung

z.B. Presse Welche Intentionen

verfolgen die Akteure in den

Kommunikationskanälen??

Kommunikationsprozesse:

Quelle (z.B. wissenschaftliche Erkenntnis): Risikoindikatoren

Kommunikations-

kanäle

Information und Botschaft: Risikoeinschätzung

„Risk formulation“

z.B. Vortrag

z.B. Sachverständi-

genäußerung z.B. wissenschaftl.

Veröffentlichung

z.B. Presse

Welche Intentionen

verfolgen die Akteure in den

Kommunikationskanälen??

Und wie beeinflussen sie

sich gegenseitig?

Kommunikationsprozesse:

Quelle (z.B. wissenschaftliche Erkenntnis): Risikoindikatoren

Kommunikations-

kanäle

Information und Botschaft: Risikoeinschätzung

„Risk formulation“

z.B. Vortrag

z.B. Sachverständi-

genäußerung z.B. wissenschaftl.

Veröffentlichung

z.B. Presse

Welche Intentionen

verfolgen die Akteure in den

Kommunikationskanälen??

Und wie beeinflussen sie

sich gegenseitig?

Welche Informationen werden

selektiert und welche weggelassen?

Risiko: Definition

objektiv:

Das Ausmaß eine potentiellen Schadens multipliziert mit der

Wahrscheinlichkeit seines Auftretens

Risikowahrnehmung

Subjektive Einschätzung von Risiko u. A. abhängig von

eigener Angstbereitschaft und Angstabwehr

Subjektiver Vorstellbarkeit

Räumlicher und zeitlicher Nähe

u.a.m.

Aber nicht

von dem Ausmaß eine potentiellen Schadens multipliziert mit

der Wahrscheinlichkeit seines Auftretens

Risikowahrnehmung Subjektive Einschätzung von Risiko u. A. abhängig von

eigener Angstbereitschaft und Angstabwehr

Räumlicher und zeitlicher Nähe

Öffentlicher Resonanz

Reduzierung der subjektiven Risikoattribution:

Freiwilligkeit

Natürlichkeit

Kontrolle

Vertrautheit

Distanz

Amplifizierung der subjektiven Risikoattribution:

Affektive Beteiligung

Subjektiver Vorstellbarkeit

Information und Berichterstattung in der

Presse

Selektion der Information

Berichte in den Printmedien über Tötungsdelikte umso

wahrscheinlicher, wenn

• Sexualmord

• Tötung eines Kindes

• mehr als ein Opfer

• fehlendes Tatmotiv

• psychisch kranker Täter

Methode der Berichterstattung in der

Presse

Präsentation der Information

„Framing“ Entwickeln und Bedienen von Klischees

z.B.

• gut vs. böse

• unsere Welt (gut und normal)

vs. Welt des Täter (böse, triebhaft, gewalttätig, abnormal)

• normal vs. abnormal

Vergleich der Berichterstattung über

Tötungsdelikte (Mc Kenna et al. 2007)

Tötungsdelikte von Psychisch Kranken (NGRI) vs.

Tötungsdelikten von psychisch nicht gestörten

Bei psychisch Kranken:

Formal

• Größere Überschriften

• Mehr Bilder

• Häufigere Berichte über den gleichen Fall

• Mehr Pre-trial Berichte

• Mehr Sensations-Begriffe

Inhaltlich

• Mehr Berichte über das Privatleben

• Mehr Versagen der Institutionen

• Dramatisierung der Störung

Das Interview

Kommunikationsprozesse:

Quelle (z.B. wissenschaftliche Erkenntnis): Risikoindikatoren

Kommunikations-

kanäle

Information und Botschaft: Risikoeinschätzung

„Risk formulation“

z.B. Vortrag

Adressaten

z.B. Sachverständi-

genäußerung

z.B. Gericht

z.B. Proband z.B. Öffentlichkeit z.B. Politik

z.B. wissenschaftl.

Veröffentlichung

z.B. Nachsorgeeinrichtung

z.B. Presse

Was wissen wir über die Adressaten und ihre Rezeption

von Risikoinformationen?

Informationsprozesse für

Entscheidungsfindungen

Rationale Informationsverarbeitung

bewusst, analytisch, intentional, Beleg durch Logik und Evidenz

auf subjektiver Erfahrung beruhende Informationsverarbeitung

automatisch, intuitiv, gefühlsbedingt (Bauchgefühl)

Rationale Risikokommunikation

funktioniert nicht, wenn

1. Hohes Risiko und geringe Gefahrenwahrnehmung (z.B.

Trunkenheitsfahrten)

2. Geringes Risiko und hohe Gefahrenwahrnehmung oder

Entrüstung (z.B. zunehmende Kriminalität)

3. Wertvorstellungen, Überzeugungen und Emotionen des

Kommunikators von jenen der Adressaten verschieden sind

Rationale Risikokommunikation

wird erschwert durch

• Emotionale Betroffenheit des Adressaten (Fähigkeit zur

rationalen Informationsverarbeitung sinkt)

• Beeinflussung durch soziale Netzwerke (z.B. Nachbarschaft,

Partei, Facebook)

• Verzerrung durch soziale Verstärkerkreisläufe (z.B. Politik,

Medien)

• Aufbau von Informationslücken oder Informationsvakuum

Rationale Risikokommunikation

wird verbessert durch

• Gemeinsamkeit von Werten, Einstellungen, Zielen und

Verhaltensweisen bei Kommunikator und Adressaten

• Vertrauen der Adressaten

Wichtigster Faktor für Vertrauensbildung: Fähigkeit sich zu

kümmern und Empathie zu zeigen

aber: Vertrauen ist leichter zu zerstören als aufzubauen

• Vermittlung von Entscheidungsmöglichkeiten an die

Adressaten

Mental models Konzept der

Risikokommunikation

1. Was ist die Erwartungshaltung und das Bedürfnis der

Adressaten (mentales Modell der Adressaten)

2. Was ist die wissenschaftliche Botschaft (mentales Modell

der Experten)

3. Welche Diskrepanzen bestehen zwischen den mentalen

Modellen und wie können die Diskrepanzen überwunden

werden

4. Welche Informationen sind zur Überwindung der

Diskrepanzen erforderlich, um den Adressaten eine

informierte Entscheidung zu ermöglichen.

Unterschiedliche Risikokommunikation

je nach Adressat

• Richter, die eine Entscheidung zu treffen haben

• Öffentlichkeit, die das Risiko selber zu tragen glaubt

• Nachsorgeeinrichtung, die dem Risiko vorbeugen soll

• Polizei, die bei Risiko eingreifen muss

• Politiker, die Handlungskompetenz beweisen wollen

• Presse, die Informationen vermittelt und Auflage erhöhen will

Kommunikationsprozesse:

Quelle (z.B. wissenschaftliche Erkenntnis): Risikoindikatoren

Kommunikations-

kanäle

Information und Botschaft: Risikoeinschätzung

„Risk formulation“

z.B. Vortrag

Adressaten

z.B. Sachverständi-

genäußerung

z.B. Gericht

z.B. Proband z.B. Öffentlichkeit z.B. Politik

z.B. wissenschaftl.

Veröffentlichung

z.B. Nachsorgeeinrichtung

z.B. Presse

Übliche Formate der forensisch-

psychiatrischen Risikoformulierung

Deskriptiv Unstrukturierte Beschreibung des Risikos

ohne oder mit subjektiver Bewertung von

mehr oder weniger spezifischen

Risikofaktoren

Kategorisch üblicherweise 3-5 Risikokategorien (sehr

niedrig – niedrig – mäßig – hoch – sehr

hoch)

Quantitativ Wahrscheinlichkeitsangaben (%) oder

numerisch (Frequenz: x von 100)

Risikofaktoren

u. Risikomanagement

Explanatorisch

Aufzeigen der individuellen Risiko-

faktoren und der Effektivität der Möglich-

keiten, diese unter Kontrolle zu halten

Kombination dieser

Formate

Übliche Formate der forensisch-

psychiatrischen Risikoformulierung

Deskriptiv Unstrukturierte

Beschreibung des Risikos

ohne oder mit subjektiver

Bewertung von mehr oder

weniger spezifischen

Risikofaktoren

Auswahl und Bewertung der

Risikomerkmale bleibt dem

Untersucher vorbehalten

Kategorisch üblicherweise 3-5

Risikokategorien (sehr

niedrig – niedrig – mäßig

– hoch – sehr hoch)

Kann auf Auswertung von

Prognoseinstrumenten

beruhen, ist leicht

verständlich und erlaubt

schnelle Entscheidungen

Quantitativ Wahrscheinlichkeitsanga

ben (%) oder numerisch

(Frequenz: x von 100)

Basiert auf Basisraten und auf

Auswertung von

Prognoseinstrumente

Risikofaktoren

u.Risikomanage-

ment

Explanatorisch

Aufzeigen der

individuellen

Risikofaktoren und der

Effektivität der Möglich-

keiten, diese unter

Kontrolle zu halten

Versucht die Risikoentste-

hung individuell zu analy-

sieren und Methoden des

individuellen Risikomanage-

ments aufzuzeigen

Übliche Formate der forensisch-

psychiatrischen Risikoformulierung

Deskriptiv Unstrukturierte

Beschreibung des

Risikos ohne oder

mit subjektiver

Bewertung von

mehr oder weniger

spezifischen

Risikofaktoren

Auswahl und

Bewertung der

Risikomerkmale

bleibt dem

Untersucher

vorbehalten

Subjektive Wertungen mit

individuellen

Verzerrungen

Kategorisch üblicherweise 3-5

Risikokategorien

(sehr niedrig –

niedrig – mäßig –

hoch – sehr hoch)

Kann auf

Auswertung von

Prognoseinstru-

menten beruhen, ist

leicht verständlich

und erlaubt schnelle

Entscheidungen

Wertungs- und

Interpretationsprobleme,

Lediglich kustodiale Kon-

sequenzen (Einsperren

und Überwachen)

Quantitativ Wahrscheinlichkeit

sangaben (%) oder

numerisch

(Frequenz: x von

100)

Basiert auf Basis-

raten und auf

Auswertung von

Prognoseinstrument

en

Verzicht auf dynamische

und kontextuelle Aspekte.

Keine Übertragung auf

den Einzelfall möglich

Risikofaktoren

u. Risiko-

management

Explanatorisch

Aufzeigen der

individuellen

Risikofaktoren und

der Effektivität der

Möglichkeiten,

diese unter

Kontrolle zu halten

Versucht die

Risikoentstehung

individuell zu analy-

sieren und Methoden

des individuellen

Risikomanagements

aufzuzeigen

Weitgehender Verzicht auf

Vergleichszahlen und auf

quantitative Einschätzung

Inhalt der Risikokommunikation in der

forensischen Psychiatrie

(Kwartner et al. 2006):

• Zuordnung zu einer passenden Risikogruppe

(Basisrate und passendes Prognoseinstrument)

• Erläuterung der spezifischen individuellen Risikofaktoren

(Hypothesengeleitetes Konzept in Verbindung mit Instrument

des SPJ)

• Erläuterung der Möglichkeiten eines Risikomanagements

(Hypothesengeleitetes Konzept unter Zugrundelegung der

realistischen Möglichkeiten des Risikomanagements)

Mindestanforderungen bei Prognosegutachten

Rechtliche Mindestanforderungen Schlussfolgerungen der Arbeitsgruppe beim BGH

(Boetticher et al. 2006)

Jedes Prognosegutachten muss daher mindestens folgende Fragen

beantworten:

• Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass die zu begutachtende

Person erneute Straftaten begehen wird?

• Welcher Art werden diese Straftaten sein, welche Häufigkeit und

welchen Schweregrad werden sie haben?

• Wer wird am wahrscheinlichsten das Opfer zukünftiger Straftaten

sein?

• Mit welchen Maßnahmen kann das Risiko zukünftiger Straftaten

beherrscht oder verringert werden?

• Welche Umstände können das Risiko von Straftaten steigern?

Risikoformulierung

Vom Royal College of Psychiatrists (1996)

Die Risikoformulierung sollte auf die Beantwortung der

folgenden Fragen abzielen:

1. Wie ernsthaft ist das Risiko?

2. Ist das Risiko allgemein oder spezifisch?

3. Wie unmittelbar ist das Risiko?

4. Wie beständig oder unbeständig ist das Risiko?

5. Welche spezifische Behandlung und welcher

Managementplan kann das Risiko am ehesten reduzieren?

Risikoformulierung

Aus „Best Practice in Managing Risk“ (Department of

Health 2007, England and Wales)

„... Ein Prozess, bei welchem der Praktiker entscheidet,

wie ein Risiko ausgelöst oder akut werden könnte. Er

identifiziert und beschreibt die

prädisponierenden (predisposing), auslösenden

(precipitating), aufrecht haltenden (perpetuating) and

protektiven (protectiv) Faktoren und darüber hinaus wie

diese zusammenspielen um Risiko zu erzeugen.“ Diese

Beschreibung „sollte zu einem individuellen

Risikomanagementplan führen“.

Von der Risikoeinschätzung zum

Risikomanagement:

Erfassung der Risikoindikatoren

Risikoeinschätzung

„Risk formulation“

Risikokommunikation

Risikorezeption

erfordert Aktion nichts tun

handeln

weiter kommunizieren

Risikoerfassung

Risikomanagement

Informationsprozesse für

Entscheidungsfindungen

auf subjektiver Erfahrung beruhende Informationsverarbeitung:

automatisch, intuitiv, gefühlsbedingt (Bauchgefühl)

Rationale Informationsverarbeitung:

bewusst, analytisch, intentional, Beleg durch Logik und Evidenz

Risikoeinschätzung und -kommunikation

Zusammenfassung

Klinische Intuition

• entspricht eminenz- aber nicht evidenzbasierter

Einschätzungsmethodik

• ist nicht kommunizierbar, nicht transparent und wird manchmal den

Bedürfnissen der Agenten der Risikokommunikation, nicht aber

jenen der Adressaten gerecht

• kann (und sollte) allenfalls einer Hypothesenbildung dienen, und

verworfen werden, wenn sich die Hypothese nicht bestätigt

Risikoeinschätzung und -kommunikation

Zusammenfassung

Klinische Intuition

• entspricht eminenz- aber nicht evidenzbasierter Einschätzungsmethodik

• ist nicht kommunizierbar, nicht transparent und wird manchmal den Bedürfnissen der Agenten

der Risikokommunikation nicht aber jenen der Adressaten gerecht

• kann (und sollte) allenfalls einer Hypothesenbildung dienen, und verworfen werden, wenn sich

die Hypothese nicht bestätigt

Basisraten

• dienen dem Vergleich mit Stichproben und gelten für letztere, nicht

aber für den Einzelfall

• geben aber Anhaltspunkte für das Ausmaß eines Problems

Risikoeinschätzung und -kommunikation

Zusammenfassung

Klinische Intuition

• entspricht eminenz- aber nicht evidenzbasierter Einschätzungsmethodik

• ist nicht kommunizierbar, nicht transparent und wird manchmal den Bedürfnissen der Agenten

der Risikokommunikation nicht aber jenen der Adressaten gerecht

• kann (und sollte) allenfalls einer Hypothesenbildung dienen, und verworfen werden, wenn sich

die Hypothese nicht bestätigt

Basisraten

• dienen dem Vergleich mit Stichproben und gelten für letztere, nicht aber für den Einzelfall

• geben aber Anhaltspunkte für das Ausmaß eines Problems

Checklisten

• ihre Summenscores sind ebenso wie die Basisraten zu bewerten

• können der Erstellung eines Risikoprofils und als Grundlage eines

Structured Professional Judgements dienen

Risikoeinschätzung und -kommunikation

Zusammenfassung

Klinische Intuition

• entspricht eminenz- aber nicht evidenzbasierter Einschätzungsmethodik

• ist nicht kommunizierbar, nicht transparent und wird manchmal den Bedürfnissen

der Agenten der Risikokommunikation nicht aber jenen der Adressaten gerecht

• kann (und sollte) allenfalls einer Hypothesenbildung dienen, und verworfen werden,

wenn sich die Hypothese nicht bestätigt

Basisraten

• dienen dem Vergleich mit Stichproben und gelten für letztere, nicht aber für den

Einzelfall

• geben aber Anhaltspunkte für das Ausmaß eines Problems

Checklisten

• ihre Summenscores sind ebenso wie die Basisraten zu bewerten

• können der Erstellung eines Risikoprofils und als Grundlage eines Structured

Professional Judgements dienen

Jede dieser Vorgehensweisen allein ist unzulänglich

Risikoeinschätzung und -kommunikation

Zusammenfassung Klinische Intuition

• entspricht eminenz- aber nicht evidenzbasierter Einschätzungsmethodik

• ist nicht kommunizierbar, nicht transparent und wird manchmal den Bedürfnissen

der Agenten der Risikokommunikation nicht aber jenen der Adressaten gerecht

• kann (und sollte) allenfalls einer Hypothesenbildung dienen, und verworfen werden,

wenn sich die Hypothese nicht bestätigt

Basisraten

• dienen dem Vergleich mit Stichproben und gelten für letztere, nicht aber für den

Einzelfall

• geben aber Anhaltspunkte für das Ausmaß eines Problems

Checklisten

• ihre Summenscores sind ebenso wie die Basisraten zu bewerten

• können der Erstellung eines Risikoprofils und als Grundlage eines Structured

Professional Judgements dienen

Jede dieser Vorgehensweisen allein ist unzulänglich

Es bedarf eines systematischen organischen Prozesses, der klinische

Erfahrung, durch Studien gewonnenes Wissen und die Besonderheiten des

Einzelfalles integriert und für Betroffene und Entscheidungsträger

transparent macht.

Risikoeinschätzung und -kommunikation

Zusammenfassung

Erfassung der Risikoindikatoren

Risikoeinschätzung

„Risk formulation“

Risikokommunikation

Risikorezeption

erfordert Aktion nichts tun

handeln

weiter kommunizieren

Risikoerfassung

Risikomanagement

umfassend

systematisch

mehrstufig

Benennung der

• prädisponierenden

• auslösenden

• aufrecht haltenden

• protektiven Faktoren

Aufzeigen des

Risikomanagement Plans

flexibel

adaptiv

klar