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Jörg Hentrich, Dietrich Hoß (Hrsg.) RKW-Diskurs Arbeiten und Lernen in Netzwerken Eine Zwischenbilanz zu neuen Formen sozialer und wirtschaftlicher Kooperationen

RKW-Diskurs Arbeiten und Lernen in Netzwerken€¦ · Auch das Thema „Arbeiten und Lernen in Netzwerken“ wurde in dieser Weise zahlreichen Experten aus der (Netzwerk-) Praxis,

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Jörg Hentrich, Dietrich Hoß (Hrsg.)

RKW-Diskurs

Arbeiten und Lernenin Netzwerken

Eine Zwischenbilanz zu neuen Formensozialer und wirtschaftlicher Kooperationen

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Inhaltsverzeichnis

Seite

EinführungJörg Hentrich / Dietrich Hoß 6

Theoretische Überlegungen ... 11

... zum gesellschaftlichen Kontext ... 12

Das Wissensparadoxon fortschreitender ArbeitsteilungZur Notwendigkeit kooperativer InteraktionKlaus Semlinger 12

New Work as Net Work. Netzwerke als WissensdistributionsarenenBirger P. Priddat 24

Regionale Netzwerke zwischen Konzernstrategien,sozialstaatlicher Erosion und europäischer IntegrationPaul Oehlke 37

... und zur Entwicklungsdynamik von Netzwerken 65

Von der Idee zum Netzwerk – ein Fallbeispiel zu sozio-ökonomischen Folgen vertrauensbildender MaßnahmenAlexander Frevel 65

Über die Nachhaltigkeit vergänglicher NetzwerkeJochen Tscheulin / Silke Gülker / Harald Hornyak 71

Interorganisationale Netzwerke aussystemtheoretischer PerspektiveJana Rückert-John 80

Netzwerkkooperation zwischen interner Funktionalität undexternem Support: Regionale WeiterbildungsnetzwerkeRudolf Husemann 90

Zufälle und andere Regelmäßigkeiten: Die Logik desManagement of Change - Ein Beitrag zur Indikatorenfragein der sozialgeographischen NetzwerkforschungMarkus Hilpert / Andreas Huber 97

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Praxiserfahrungen mit Netzwerken ... 110

... zur Optimierung der Wertschöpfungskette 111

Netzwerke zwischen Industrie und Handel - AntagonistischeKooperation zwischen Lebensmitteleinzelhandel undKonsumgüterwirtschaftDaniel Bieber / Beatrix Rumpel 111

Von der Idee zur leistungsfähigen Zusammenarbeit – Problemeund Lösungsansätze bei der Kooperation von Mikro- undKleinunternehmen des HandwerksAlexander Frevel 131

Aufbau eines Kooperations- und Weiterbildungsnetzes für dasregionale Bauhandwerk – Erfahrungen aus einem ADAPT-ProjektAndreas Diettrich / Sabine Finke / Sigrid Heinecke 148

Produzieren und Lernen in KMU-NetzwerkenKlaus Gersten 161

... zur Stärkung regionaler Potentiale 167

Regionale Qualifizierungsnetzwerke: Eine Möglichkeitfür mehr Wachstum und Beschäftigung?Kurt Hornschild 167

Netzwerke zwischen Unternehmen und Hochschulen undandern öffentlichen Forschungseinrichtungen beschleunigenReindustrialisierung in den neuen BundesländernHerbert Berteit 184

Interregionale Allianzen für die Märkte von morgen - einerfolgversprechendes Modell der NetzwerkförderungGerhard Ernst / Manfred Hempe / Werner Lederer / Barbara Reddig 202

Netzwerkstrukturen und Praxiserfahrungen im Rahmendes LEADER-AnsatzesJan Swoboda 214

Unternehmensnetzwerke von KMU als Antwort auf denregionalen Strukturwandel und technologische HerausforderungenPetra Gärtner 225

APPOLONIUS – Lernende Region Berlin Marzahn-Hellersdorf- Eine Region lernt gemeinsam -Klaus Jacob / Brigitte Stieler-Lorenz 231

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Netze, nichts als Netze - Einige Anmerkungen zur Förderung vonund mit Netzwerken in den neuen BundesländernRolf Schmachtenberg 244

... zur Weiterbildung und Kompetenzentwicklung 253

Qualifizierungsnetzwerke im Wandel - Unternehmensnetzwerkeauf dem Weg zu regionalen KompetenznetzwerkenIngo Benzenberg / Rolf Dobischat 253

Reorganisieren und Qualifizieren im UnternehmensverbundPaul Fuchs-Frohnhofen / Elke Küppers / Ralf Schimweg 266

Lernen in Netzwerken – Koevolutionäre Kooperationsverbündeals regionale LernnetzwerkeJürgen Howaldt 283

Kompetenzentwicklung in NetzwerkenGudrun Keilbar / Yvonne Wolf / Jana Voigt 396

Wissensaustausch unter NetzwerkpartnernBernd Helbich 304

LernLandschaft Wartburgregion - Wissen schafft PerspektivenDietwald Neubauer / Roland Hormel 322

Regionales Bildungsnetzwerk für lebensbegleitendes Lernen:VIEL – ArbeitGerhard Prätorius / Reinhard Zabel 328

Qualifikation und Lernprozesse in sozio-ökonomischen NetzwerkenBirgit Stecker 340

Das RKW-Beraternetzwerk zur Unterstützung von KMU in derWirtschaftsregion Berlin-BrandenburgUlrich Hoffmann / Wolfgang Horlamus / Karsten Koitz 346

Regionale und sektorale Lern- und Projektportale als innovativeChance im Rahmen eines Europas der vernetzten RegionenThomas Freye / Bernhard Rieke / Andreas Bäumer 353

... und zur sozialen und politischen Intervention 359

Erfahrungen mit regionalen Netzwerken zur Sicherung undSchaffung von BeschäftigungManfred Muster 359

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SCHULE und WIRTSCHAFT - gemeinsam erfolgreicherAnette Morhard / Elke Seidler 372

Das Projekt „Netzwerk für Soziale Unternehmen undStadtteilökonomie“ NESTKarl Birkhölzer 378

Nachbetrachtungen 390

Netzwerke - Eine EssayReinhard Stransfeld 391

WorkshopergebnisseJürgen Howaldt / Rudolf Husemann / Anette Morhard /Jörg Hentrich / Dietrich Hoß 399

Autoren 410

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Einführung

Unter der Bezeichnung „Netzwerke“ wird in den letzten Jahren ein spezi-fisches Modell von Arbeitsteilung und Zusammenarbeit diskutiert und prak-tiziert. Unter den Bedingungen wissensintensiver Produktion, hoherSpezialisierungserfordernisse und eines zunehmend globalen Wettbewerbswerden große Erwartungen hinsichtlich der Beschleunigung von Innovations-prozessen, der Entwicklung von Kompetenzen und Produktivität und – lastnot least – der Beschäftigungsentwicklung an dieses Modell der Zusammen-arbeit geknüpft.

Der Begriff „Netzwerk“ hat dabei eine nahezu inflationäre Verwendungerfahren. Abgesehen von der Eigengesetzmäßigkeit der Verbreitung „mo-discher Begriffe“ haben dazu sicherlich auch die starke politische Propagierung(mit einer entsprechenden Förderkulisse) und die experimentelle Praxis inden unterschiedlichsten gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Feldernbeigetragen.

Netzwerke begegnen uns heute ebenso als komplexe Kooperationen von(kleinen und mittleren) Unternehmen untereinander und mit Partnern ausForschung und Bildung wie auch als gesellschaftliche Bündnisse unterschied-licher Interessengruppen zumeist auf regionaler oder lokaler Ebene oder alssoziale Netzwerke von jungen Selbständigen oder abhängig Beschäftigtenaus wissensintensiven Berufen.

Die Substanz netzwerkartiger Austauschbeziehungen und die Frage nachden spezifischen Erfordernissen und Folgen für die Gestaltung von Arbeitund Lernen hat sich in den vergangenen Jahren erheblich ausdifferenziert.

Mit seinem Diskurs „Arbeiten und Lernen in Netzwerken“ zieht das Ratio-nalisierungs- und Innovationszentrum der Deutschen Wirtschaft eineZwischenbilanz der experimentellen Vielfalt praktischer Erfahrungen inNetzwerken und theoretischer Reflexionen über Netzwerke. Die Ergebnissedes Diskurses können einen Beitrag dazu leisten, das Experimentierfeld„Netzwerke“ nachvollziehend zu strukturieren, wichtige Handlungsfelderfür die unterschiedlichen Akteursgruppen in Wirtschaft, Politik und Verbän-den zu identifizieren und die Perspektiven von Arbeit und Lernen in Netzwer-ken zu verdeutlichen. Der Fokus liegt auf sozio-ökonomischen Netzwerken,also auf Netzwerken, die – mittelbar oder unmittelbar – für die Entwicklungvon Wirtschaft und Beschäftigung relevant sind.

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Der RKW-Diskurs hat sich in den vergangenen Jahren zu einem anregendenund fruchtbaren Forum entwickelt, dessen Ziel es ist, aktuelle Trends undPerspektiven in der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung zuidentifizieren, praktische Erfahrungen und theoretische Reflexionen darüberzusammenzuführen sowie Probleme und Handlungsbedarf herauszuarbei-ten. Auch das Thema „Arbeiten und Lernen in Netzwerken“ wurde in dieserWeise zahlreichen Experten aus der (Netzwerk-) Praxis, Vertretern ausVerbänden und Gewerkschaften, Wissenschaftlern, Bildungs- undArbeitsmarktexperten sowie Politikern zu Diskussion vorgelegt. Die Exper-ten wurden gebeten, vor dem Hintergrund ihrer Erfahrungen und Reflexionzu drei zentralen Thesen Stellung zu nehmen:

1 Ökonomische und soziale Austauschbeziehungen in Netzwerken

Die in der Marktwirtschaft dominierenden Grundmuster der Zusammenar-beit stellen relativ klar definierte und beschreibbare Austauschbeziehungendar, die auf einer Reihe von Konventionen, Verträgen und Gesetzen beru-hen, die insbesondere das Verhältnis von Leistung und Gegenleistungsicherstellen sollen. Dies gilt sowohl für die Zusammenarbeit im betrieblichenKontext (Arbeitsbeziehungen) als auch für die über den Markt vermittelteZusammenarbeit (Marktbeziehungen). Demgegenüber gelten Netzwerkeals eigenständige Form der Zusammenführung einzelner Leistungen, Kom-petenzen und Produkte. Jenseits der Regularien des Marktes und derHierarchie herrschen in Netzwerken komplexe Wirkungszusammenhänge,die das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung, von Nutzenerwartungenund Leistungsanreizen, von Zielsetzung und Erfolg bestimmen. Aufgrunddieser komplexen Wirkungszusammenhänge gelten Netzwerke als besondersleistungs- und lernfähig. Das geringe Regulierungsniveau von Netzwerkenist allerdings auch mit einem relativ hohen Risiko des Scheiterns verbunden.

• Sind Netzwerke tendenziell als „Netzwerkökonomie“ verallgemeiner-bar oder bleiben sie begrenzte Konzepte für außergewöhnliche Konstel-lationen und Herausforderungen?

• Wie können die Wirkungszusammenhänge innerhalb von Netzwerken,die deren Leistungs- und Lernfähigkeit begründen, theoretisch fundiertund handlungsleitend beschrieben werden? Lassen sich auf Grund dieserWirkungszusammenhänge Merkmale identifizieren, die eine Typisierungund insbesondere eine eindeutige Abgrenzung zu den vorherrschendenAustauschbeziehungen (Markt und Hierarchie) sowie zu informellenKooperationsformen wie „Seilschaften“, „Filz“ und „Klüngel“ erlauben?

• Welche neuen Anforderungen stellt die Zusammenarbeit in Netzwerkenan den gesellschaftlichen Regulierungsrahmen? Wo zeigen sich erhebli-

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che Barrieren für eine erfolgreiche Netzwerkarbeit, wo entsteht neuerRegulierungsbedarf?

2 Arbeit und Beschäftigung in sozio-ökonomischen Netzwerken

Sozio-ökonomische Netzwerke gelten als – zumindest im herkömmlichenSinne – hierarchiefrei. Das Verhältnis der Netzwerkpartner ist auch nichtprimär – wie bei klassischen Marktbeziehungen – auf das Austausch-verhältnis von Leistung und Gegenleistung gerichtet. Es stellt sich im wesent-lichen über die gemeinsame Nutzenerwartung hinsichtlich des Ergebnissesder Zusammenarbeit her. Die Leistungen der Akteure stellen also Zukunfts-investitionen dar, die sich durch die gemeinsame Leistung aller Partneramortisieren. Die Chancen und Risiken sind daher nicht individuell verteiltund zeitlich gestaffelt sondern realisieren sich für alle Beteiligten in demErfolg oder Misserfolg des gemeinsamen Vorhabens.

Die internen Arbeits- und Austauschbeziehungen institutioneller und be-trieblicher Netzwerkpartner sind demgegenüber in der Regel traditionell-hierarchisch strukturiert. Sie orientieren sich an traditionellen Organisations-und Beziehungsmustern.

• Sind traditionelle, hierarchische Formen der betrieblichen Arbeits-beziehungen mit der Zusammenarbeit in Netzwerken vereinbar? Sindgrundlegende Friktionen oder Systembrüche erkennbar, die die Leis-tungsfähigkeit von Netzwerken gefährden oder mindern?

• Ändern sich die betrieblichen Arbeitsbeziehungen im Rahmen der Zusam-menarbeit in Netzwerken?

• Wie wirken sich Netzwerkbeziehungen auf die betrieblichen Partizipations-chancen aus?

Aus der gesellschaftpolitischen Sicht stellen sich die Fragen nach Arbeit undBeschäftigung in anderer Weise.

• Welche neuen Formen von Arbeit und Beschäftigung entstehen imZusammenhang mit sozio-ökonomischen Netzwerken? WelcheBeschäftigungssynergien ergeben sich aus der Verzahnung von erstem,zweitem und drittem Beschäftigungssektor?

• Findet eine Neubewertung der Erwerbsarbeit in Netzwerken statt (Selbst-verwirklichung, Eigenverantwortung, Fremdbestimmtheit)?

• Welchen neuen Herausforderungen müssen sich Wirtschaftverbändeund Sozialpartner stellen?

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3 Qualifikation und Lernprozesse in sozio-ökonomischenNetzwerken

Netzwerke gelten als besonders lernfähig. Hierauf wird ein erheblicher Teilihrer Leistungs- und Innovationsfähigkeit zurückgeführt. Der gemeinsameAufbau neuer Kompetenzen im Rahmen der Zusammenarbeit erfordertjedoch einen anderen Umgang mit Informationen und Wissen. Während intraditionellen Marktbeziehungen die Zurückhaltung von Informationen undWissen die eigene Marktstellung sichert, kann dieses Verhaltensmuster inNetzwerken disfunktional werden, es gefährdet den Erfolg der gemeinsa-men Arbeit.

Der Austausch von Informationen und Wissen innerhalb von Netzwerkenund der Aufbau neuer, gemeinsamer Kompetenzen erfordert Lernprozesseund führt zu Lernprozessen.

• Welche organisatorischen und strukturellen Voraussetzungen müssengeschaffen werden, um einen lernförderlichen Austausch von Informati-onen und Wissen im Netzwerk zu ermöglichen? Sind Konflikte hinsicht-lich notwendiger Transparenz und bestehender Konkurrenz- bzw. Macht-verhältnisse erkennbar?

• Welche grundlegenden Kompetenzen und Qualifikationen sind für eineerfolgreiche Arbeit in Netzwerken erforderlich? Wie können diese Kom-petenzen erworben werden? Wie können solche Lernprozesse organi-siert werden?

• Wie kann das Lernen in der Netzwerkarbeit selbst systematisiert undunterstützt werden?

• Gibt es Hinweise auf spezifische Erwerbs- und Bildungsbiographien inNetzwerken? Wie sind die Erwerbs- und Lernchancen in Netzwerkenverteilt? Entstehen neue „Netzwerk-Eliten“ oder ist eine gleichmäßigereVerteilung von Lernchancen erkennbar?

Insgesamt haben sich 56 Autoren mit 33 Beiträgen an dem Diskurs „Arbeitenund Lernen in Netzwerken“ beteiligt. Die große Resonanz verweist auf dieBedeutung des Themas. Die Perspektiven, aus denen heraus die Teilnehmerihre Erfahrungen und Reflexionen wiedergeben, spiegeln wichtige gesell-schaftliche Handlungs- und Entscheidungsfelder wider. Nicht zu allen Fra-gen haben die Diskursteilnehmer Stellung bezogen. Insbesondere die Fra-gen nach den Formen und der Organisation von Arbeit und Beschäftigung inNetzwerken wurden lediglich vielfach gestreift. Ihre Relevanz mindert dasnicht – sie bleiben als wichtige Zukunftsaufgaben auf der Agenda.

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Drängender sind offensichtlich die Fragen nach dem gesellschaftlichenKontext und den Entwicklungsbedingungen von Netzwerken sowie nachLernprozessen und dem Umgang mit Wissen in Netzwerken. Dahinter stehtdie Erkenntnis, dass neue, kooperative Formen der Kompetenzvermittlungund des Austauschs von Wissen zentrale Voraussetzungen zur Entwicklungvon Innovation und Beschäftigung darstellen. Insbesondere die Beiträge, dieüber regionale Netzwerke in Ostdeutschland berichten und einen Einblick indas vielfältige Netzwerkgeschehen in diesem Teil der Republik geben,belegen den Zusammenhang.

Auf einem Workshop am 24. und 25. Januar 2002 in Erfurt haben 26Diskursteilnehmerinnen und -teilnehmer die Gelegenheit wahrgenommen,ihre Erfahrungen und Überlegungen auszutauschen. Die sehr engagierteDebatte führte nicht nur zur Vertiefung der in den Beiträgen dargelegtenErkenntnisse, sie erzielte darüber hinaus auch zusätzlichen Erkenntnis-gewinn und hat Perspektiven und weiterführende Gestaltungsfelder aufge-zeigt.

Der vorliegende Band stellt die Ergebnisse des RKW-Diskurses „Arbeiten undLernen in Netzwerken“ vor. Den eher „theoretischen Überlegungen zumgesellschaftlichen Kontext und zur Entwicklungsdynamik von Netzwerken“haben wir die „Praxiserfahrungen mit Netzwerken ...“ aus verschiedenenökonomischen und sozialen Kontexten gegenübergestellt. Diese Struktur, indie wir die Beiträge zur Erleichterung der Lektüre gebracht haben, stelltnotwendig eine etwas willkürliche Zuordnung dar, da viele Beiträge geradetheoretische Überlegungen mit Praxiserfahrungen aus verschiedenen Kon-texten verbinden. Wir bitten die Autoren um Verständnis. In der „Nach-betrachtung“ werden die Beiträge des Diskurses und die Ergebnisse desErfurter Workshops aus zwei unterschiedlichen Perspektiven zusammenge-fasst und kommentiert.

Den Autorinnen und Autoren unseres Diskurses möchten wir an dieser Stellenochmals herzlich dafür danken, dass sie uns ihre Erfahrungen und Erkennt-nisse übermittelt haben. Unser besonderer Dank gilt den Teilnehmerinnenund Teilnehmern des Erfurter Workshops, die mit hohem Engagementgemeinsam mit uns wichtige Aspekte des Themas herausgearbeitet habenund auch dazu beigetragen haben, diese Ergebnisse zu dokumentieren.

Jörg Hentrich Dietrich HoßRKW Bundesgeschäftstelle Universität LyonEschborn

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Theoretische Überlegungen ...

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... zum gesellschaftlichen Kontext ...

Das Wissensparadoxon fortschreitenderArbeitsteilung

Zur Notwendigkeit kooperativer Interaktion

Klaus Semlinger

„The kinds of jobs that grow over time are not the things we do wellbut the things we do badly.“ (Paul Krugman 1996, S. 212)

1 Einleitung

Arbeitsteilung ermöglicht Spezialisierung, und Spezialisierung erleichtert dieErzeugung und den Erwerb von Wissen. Arbeitsteilung ist dabei zunächstimmer auch mit einer Wissensteilung verbunden, und ebenso wie Arbeitstei-lung letztlich nur produktiv wird, wenn es gelingt sie effektiv und effizient zukoordinieren, d.h. einen entsprechenden Leistungsaustausch zu organisie-ren, kann sich auch das neue Wissen letztlich nur wirksam entfalten, wennein entsprechender Wissensaustausch, d.h. eine geeignete Mobilisierungund Verknüpfung des so gewonnenen Spezialwissens gelingt. Diese Aufga-be stand schon früh im Zentrum des so genannten wissenschaftlichenManagements und sie ist auch heute wieder unter dem Begriff Wissens-management in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit gerückt. Dabei gehtes jedoch keineswegs nur um die Wiederbelebung einer alten Debatte;vielmehr handelt es sich um einen grundlegenden Paradigmenwechsel, derüber den Rahmen neuer technischer Gestaltungsoptionen hinausreicht undzu tief greifenden Veränderungen in den Strukturen und Prozessen derOrganisation von Erwerbsarbeit führen wird. Der nachfolgende Beitrag willdie Hintergründe und Auswirkungen dieser Veränderungen thesenhaft undpointiert ausleuchten.

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2 Die Erzeugung und Mobilisierung von Spezialwissendurch Markt und Hierarchie

Bei der „Erfindung der Arbeitsteilung“ dürfte es sich um eine der ältestenInnovationen der Menschheitsgeschichte handeln, die jedoch – ohne damitdie Leistungen früherer Epochen zu schmälern – erst mit der Durchsetzungder Gewerbefreiheit und dem Einstieg in die Industrialisierung zu einemregelrechten Produktivitätsschub und Entwicklungssprung geführt hat. Ge-werbefreiheit und marktwirtschaftlicher Wettbewerb befähigen und stimu-lieren in einem bis dahin nicht bekanntem Maß die einzelnen Akteure, nachimmer neuen Möglichkeiten zu suchen den eigenen Wohlstand zu mehrenund, im Bestreben die Wettbewerber zu übertreffen, das eigene Spezial-wissen weiter zu entwickeln und engagiert einzusetzen (Adam Smith 1776).Es sind diese Anstrengungen, die den Prozess „schöpferischer Zerstörung“– die Entwertung und Verdrängung etablierter Routinen durch neues undüberlegendes Wissen – in Gang halten, und die den traditionellen Produzen-ten vom (neuzeitlichen) Unternehmer unterscheiden, dem es nicht um dieBewahrung hergebrachter Techniken und um die Bedienung bestehenderMärkte geht, sondern darum den Stand der Technik voranzutreiben und(damit) neue Märkte zu schaffen (Schumpeter 1911).

Das Vordringen des Marktes als Koordinationsmuster arbeitsteiliger Prozes-se (governance structure) führte allerdings nicht zur völligen Verdrängungder überkommenen hierarchischen Steuerung durch Normen, Routinen undunmittelbare Anweisungen. Im Gegenteil, als sich im Zuge der aufkommen-den Industrialisierung zeigte, dass sich das klassische Gesetz der fallendenGrenzerträge durch hinreichend große Investitionen umkehren lässt (Mars-hall 1890), gelangte dieses Koordinationsmuster zu neuer Blüte, und zwarzur Steuerung der fortschreitenden innerbetrieblichen Arbeitsteilung inimmer größer werdenden Unternehmen. Derartige industrielle Großunter-nehmen entstanden allerdings nicht in allen Gewerben (zur gleichen Zeit), da– wie schon Adam Smith wusste – Arbeitsteilung und Spezialisierung (unddas damit zusammenhängende Investitionsvolumen) ihre ökonomisch be-stimmten Grenzen in der Größe des entsprechenden Marktes finden.Marshalls Gesetz der wachsenden Grenzerträge kommt demnach nur inVerbindung mit einer wachsenden Standardisierung der fraglichen Produktezur Geltung, was in der Regel wiederum dazu führt, dass sich gewisseStandards von „best practice“ herausbilden. Genau diese Standardisierungstand denn auch im Mittelpunkt des Rationalisierungsansatzes von FrederickW. Taylor und Henry Ford, deren Ideen den Prozess der Industrialisierung bisweit in die 1970er Jahre hinein maßgeblich und mit großem Erfolg prägten.

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Kein Wunder, dass in einem solchen Umfeld selbst Joseph A. Schumpeter,der das heute wieder so strahlende Bild vom selbständigen Unternehmer alstreibender Kraft des Innovationsprozesses einführte, zu dem Schluss kom-men konnte, dass künftig in vielen Wirtschaftszweigen kein Bedarf mehr fürdiese unternehmerische Funktion und den marktwirtschaftlichen Wettbe-werb sein wird, da „... das Erfinden selbst zu einer Routinesache geworden(ist), der technische Fortschritt in zunehmendem Maße zur Sache vongeschulten Spezialistengruppen (wird, und) ... weil vieles nun genau berech-net werden kann, was in alten Zeiten durch geniale Erleuchtung erfaßtwerden mußte.“ (Schumpeter 1942, S. 215, 366ff.) Dieser Glaube an diePlanbarkeit des Innovationsgeschehens, an das Expertenwissen und an dieadministrative Steuerbarkeit auch von wissensintensiven Prozessen korre-spondiert offenkundig mit dem Grundverständnis des „wissenschaftlichenManagements“ tayloristischer Provenienz, das darauf abstellt, planendeund ausführende Arbeit voneinander zu trennen und das Spezialwissen deroperativen Ebene von dort abzuziehen und zu zentralisieren, um es übereinen rationalen Planungsprozess für die direkte hierarchische Steuerungund Kontrolle der Arbeitsteilung nutzbar zu machen.

Der Prozess der Industrialisierung war also zum einen gekennzeichnet durcheine fortschreitende Spezialisierung und zum anderen durch eine spezifi-sche Arbeitsteilung auch der vorherrschenden Koordinationsmuster, wo-nach der Markt die zwischenbetriebliche Arbeitsteilung (und die Abstim-mung von Produktion und Konsumption) reguliert, während die unter-nehmensinterne Koordination weiterhin dem – nun informatorisch undwissensmäßig aufgeladenen – hierarchischen Muster übertragen bleibt. Dieentsprechende Aufteilung zwischen Markt und Hierarchie war dabei allerdingsnie statisch festgeschrieben, sondern ist nach Ronald Coase (1937) wiederumökonomisch bestimmt: Wo die Scheidelinie und damit die Demarkationsliniezwischen den einzelnen Unternehmen verläuft, hängt demnach davon ab,welche Form der Interaktion unter Berücksichtigung spezialisierungsbedingterProduktionskostenvorteile einerseits und kontextabhängiger Transaktions-kosten andererseits die größeren Effizienzvorteile verspricht (Williamson1975, 1991).

Unter den Bedingungen standardisierter Massenproduktion mit einem mehroder minder herstellerseitig bestimmbaren Innovationsrhythmus scheint derwachsenden Konzentration von Produktion und Beschäftigung in immergrößeren Unternehmenseinheiten damit kaum eine Grenze gesetzt, unddiese Bedingungen waren in vielen entwickelten Industrieländern bis in diefrühen 1970er Jahre vor allem bei der Erzeugung von Konsumgütern

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durchaus gegeben. Aber selbst hier zeigte der hierarchische Koordinations-ansatz tayloristischer Prägung in der praktischen Umsetzung erheblicheProbleme, die zum einen aus vielfältigen Verweigerungs- und Ausweich-strategien der ausführenden Akteure gegenüber fremdbestimmtenVerhaltensvorgaben resultieren und zum anderen aus Defiziten bei derMobilisierung des dezentralen Spezialwissens erwachsen. Bei zunehmenderinterner Arbeitsteilung steigen dementsprechend die Managementkosten(d.h. die Transaktionskosten interner Koordination), und zwar mit wachsen-der Unternehmensgröße sogar überproportional, weil damit nicht allein dietechnische Komplexität der Koordinationsaufgabe anwächst, was durcheinen parallelen Ausbau der analytischen und administrativen Kapazität undKompetenz aufgefangen werden könnte, sie steigen vor allem aufgrund derzunehmenden sozialen Anonymität der Interaktionsbeziehungen und derwachsenden internen Ausdifferenzierung des Wissens, die zwangsläufig mitseiner zunehmenden Ungleichverteilung einhergeht. Wie schon Friedrichvon Hayek (1945) betonte, betrifft letzteres nicht allein den Bereich profes-sionalisierten Expertenwissens, sondern auch den Bereich der spezifischenKenntnisse in Bezug auf die „besonderen Bedingungen von Zeit und Raum“,über die selbst der einfachste Werker hinsichtlich der Erfordernisse undMöglichkeiten seines Arbeitsplatzes verfügt. Vor allem aber betrifft dieseUngleichverteilung das implizite Wissen von Spezialisten (tacid knowledge;Polanyi 1966), das erfahrungsgestützt erworben aber analytisch (noch) nichtzu erklären ist, womit es sich einer stringenten Kodifizierung widersetzt und(damit) der expliziten Kommunikation – und Kontrolle – entzieht (Walden-berger 1999).

3 Wissen, Technischer Fortschritt und menschliche Arbeit

Wissen weist also – abgesehen von seiner Wertigkeit – neben einerquantitativen Dimension (viel/wenig) auch eine qualitative Dimension beson-dere Art auf (implizites/explizites Wissen). Hinzu tritt in arbeitsteiligenProzessen eine weitere qualitative Dimension der Unsicherheit, die sich ausden Zielen und Erfordernissen der fraglichen Aufgabenstellung ergibt undauf die Fähigkeit abstellt, die Leistungserwartungen an die verschiedenenBeteiligten im voraus eindeutig zu bestimmen und umfassend festzulegen.Dementsprechend lässt sich unterscheiden in gut-definierbare und in schlecht-definierbare Aufgabenbeschreibungen. Diese drei Dimensionen sindallerdings nicht als dichotome Beschreibungsmerkmale zu verstehen, viel-mehr lassen sie sich in einem Kontinuum von Ausprägungen beobachten, siesind in unterschiedlicher Konfiguration miteinander verknüpft und viele,wenn nicht sogar die meisten Arbeitsaufgaben umfassen Wissens-komponenten, die in den einzelnen Dimensionen jeweils verschiedene

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Ausprägungen gleichzeitig aufweisen. Dennoch kann bereits über eineeinfache Verknüpfung der beiden qualitativen Dimensionen ein Wissens-tableau entworfen werden, mit dessen Hilfe sich die Entwicklungslinien vonArbeitsteilung und Beschäftigungsstrukturen nachzeichnen und Trendaus-sagen über Verschiebungen in der relativen Bedeutung der unterschiedli-chen Koordinationsmuster formulieren lassen.

Das nachstehende Schaubild gibt einen vereinfachenden graphischen Über-blick, in dem verschiedene Berufgruppen unterschiedlichen Positionen ineinem entsprechend zweidimensionalen Wissensfeld zugeordnet sind. DieExtrempositionen werden hier von den angelernten IndustriearbeiterInneneinerseits und den KünstlerInnen andererseits eingenommen: Während dererstgenannten Gruppe i.d.R. klar definierte Aufgaben übertragen werden,deren Anforderungen und Lösungen wohl bekannt sind, so dass angemes-sene Ausführungsbestimmungen im Detail vorgegeben und überwachtwerden können, sieht sich die letztgenannte Gruppe vor schlecht-definierteund schlecht-definierbare Leistungserwartungen gestellt, die zu erfüllenzudem ein hohes Maß an implizitem Wissen verlangt (auch als Basis vonIntuition und Kreativität), was wiederum klare Ausführungsbestimmungenbzw. –vereinbarungen kaum möglich macht und häufig nicht einmal zweck-mäßig sein lässt. Hier geht es dementsprechend bei der Leistungsbeurteilungauch nicht um Kategorien wie „richtig“ oder „falsch“, sondern eher umKategorien wie „gut“ oder „schlecht“, wobei der Maßstab dafür wiederumkaum objektivierbar und nur schwer explizierbar ist und bezeichnenderweisemitunter erst nachträglich und beeinflusst durch die Leistung selbst festge-legt wird.

Die zunehmende Arbeitsteilung hat nun unstrittig zu einer immensen Ver-mehrung des Wissens beigetragen. Sie hat darüber hinaus – parallel zurwachsenden Bedeutung des Marktprinzips und zur fortschreitenden Indus-trialisierung – auch zu einer Verschiebung des Schwerpunkts menschlicher(Erwerbs-) Arbeit im qualitativen Koordinatensystem des Wissens geführt,und zwar dergestalt, dass die Mehrzahl der Tätigkeiten in Richtung auf denKoordinatenursprung (gut definierte Aufgabenstellungen bei Dominanzexpliziten Wissens) verschoben worden ist. Heute dagegen scheint sich –zumindest in den entwickelten Volkswirtschaften – dieser Trend wiederumzukehren, d.h. der Schwerpunkt menschlicher (Erwerbs-) Tätigkeit ver-lagert sich wieder in genau die entgegengesetzte Richtung (schlechtdefinierbare Aufgaben bei großer Bedeutung impliziten Wissens). Ursächlichdafür ist das aus den wachsenden Erfolgen beim wissenschaftlichen Fort-schritt und in der technischen Entwicklung resultierende Wissensparadoxon,

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wonach mit wachsendem Erkenntnisstand die gut definierbaren Aufgaben,die menschlichen Arbeitseinsatz erfordern und dabei vornehmlich nachexplizitem Wissen verlangen, immer weniger werden, weil solche Aufgabenzunehmend auf Maschinen übertragen werden und derartiges Wissenimmer rascher in Technik inkorporiert wird. Demgegenüber bleibt mensch-liche Arbeitskraft unverzichtbar, wenn es um unscharfe und uneindeutigeAufgabenstellungen geht, deren Erfordernisse und Lösungen nur entspre-chend spezialisierten Wissensträgern vertraut sind und/oder sich einemumfassenden analytischen Verständnis (noch) entziehen, so dass ihre Be-wältigung maßgeblich auf implizites (Erfahrungs-) Wissen und auf dessenflexible, situationsgemäße Mobilisierung angewiesen ist.

Schaubild 1: Wissensbasierte Unterscheidung von Berufsgruppen

Eindeutigkeitder Aufgaben-beschreibung1)

Explikationsgraddes Wissens2)

ExplizitesWissen

ImplizitesWissen

gut-definierbareAufgaben

schlecht-definierbareAufgaben

AngelernterIndustrie-arbeiter

angelernterAngestellter

TechnikerHandwerker

Experte

Professional

Künstler

1) Mit Blick auf die erwartete Leistung aus Sicht des Arbeitgebers oder Kunden

2) Im allgemeinen ist Wissen beider Qualitäten erforderlich, allerdings in mehr oder minder unterschiedlicher Gewichtung

Bild 1: Wissensbasierte Unterscheidung von Berufsgruppen

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4 Die verlässliche Mobilisierung von dezentralemSpezialwissen durch Kooperation

Neben der allgemeinen Abkehr vom überkommenen Standardisierungs-trend hin zu einer wettbewerbsgetriebenen Produkt- und Leistungs-differenzierung ist es also paradoxerweise der rasante Wissensfortschritt,der den arbeitenden Menschen wieder zunehmend „unwissend“ macht:Die Aufgaben, für die er gebraucht wird, erfordern alles andere als Routine,und sie entziehen sich einer genauen Berechnung. Vielmehr gilt es – und seies nur, um den besonderen Bedingungen der jeweiligen Situation Rechnungzu tragen – sich flexibel zu zeigen und neues zu entdecken und auszupro-bieren. Gespür und Intuition, Erfahrung und Kreativität, ja „die genialeErleuchtung“ sind wieder gefragt, mit anderen Worten: Gesucht ist wiederder unternehmerische Geist (im Schumpeterschen Sinne), und zwar nichtnur in Person des selbständigen Unternehmers, sondern auch in der Figur desunternehmerisch denkenden Angestellten. Dazu passt, dass tatsächlichsowohl ein Anstieg der Selbständigenzahl als auch eine wachsende Verbrei-tung erfolgsorientierter Vergütungsformen und dergleichen im Bereich derabhängig Beschäftigten zu beobachten ist – der Kaufvertrag ersetzt denArbeitsvertrag, zumindest aber sieht es so aus, als ob er ihn zunehmendergänzen würde (Dathe/Schmid 2001).

Auf den ersten Blick scheint damit das Marktprinzip jetzt also endgültig dasHierarchieprinzip zu verdrängen. Aber der Schein trügt, denn Markt undHierarchie weisen gleichermaßen Defizite auf, wenn es um die Koordinationarbeitsteiliger Prozesse geht, die primär aus schlecht-definierbaren Auf-gabenstellungen mit idiosynkratischen Qualifikationsanforderungen beste-hen, denen allenfalls entsprechende Spezialisten gerecht werden können,die allerdings ohne effektive und effiziente Zusammenarbeit das gesteckteZiel auch nicht erreichen. So bietet der Markt zwar den Freiraum und starkeAnreize, eigenes (Spezial-) Wissen zu entwickeln und engagiert einzubrin-gen; er gibt damit aber gleichzeitig auch Ansporn und Gelegenheit, zuopportunistischem Verhalten. Dies ist insbesondere der Fall, wennInformationsasymmetrien zwischen den beteiligten Parteien vorliegen, alsowenn eine Seite mehr weiß als die andere(n), denn dann fällt es dieser Parteileicht, ihren Wissensvorsprung gezielt zu nutzen und je nach BeliebenWissen vorzutäuschen oder zurückzuhalten, um daraus einen einseitigen,unlauteren Vorteil für sich zu ziehen. Spezialisierung führt nun aber zwangs-läufig zu einer ungleichen Verteilung von Wissen und somit notwendiger-weise zu Informationsasymmetrien. Je größer also die Spezialisierung und jewichtiger die Verlässlichkeit von Engagement und Loyalität der Spezialisten

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umso höher sind denn auch die Transaktionskosten, die nötig werden, ummarktförmige Koordination gegen opportunistische Unzuverlässigkeit abzu-sichern (Williamson 1985).

In dieser Situation hilft aber auch die klassische Alternative, nämlich diehierarchische Koordination der Arbeitsteilung innerhalb eines Unterneh-mens, nicht weiter. Das hierarchische Modell ist, anders als der Markt, durch(freiwillige) Unterordnungsverhältnisse mit zentralisierten Entscheidungs-strukturen gekennzeichnet (Simon 1957). Dies beinhaltet tiefgreifendeInformationsrechte und unmittelbare Kontrollmöglichkeiten für die koordi-nierende Instanz, vor allem aber erlaubt dies eine Verhaltensausrichtungdurch direkte Anordnung. Dadurch wird zwar das Opportunismusrisikogemildert, aber dafür gehen die hochwirksamen Leistungsanreize dermarktförmigen Koordination verloren, so dass mit Einbußen im Engagementzu rechnen ist, und auch die erforderliche Loyalität ist keineswegs sicherge-stellt (Semlinger 1995). Insbesondere wird damit jedoch das Flexibilitäts- undKreativitätspotential der Spezialisierung eingeschränkt, denn anders als imMarktmodell wird das Spezialwissen vor Ort bei hierarchischer Koordinationnur insoweit genutzt, als es in die zentralen Planungs- und standardisiertenHandlungsvorgaben Eingang gefunden hat. Dies behindert rasche An-passungen an plötzlich veränderte Gegebenheiten und reduziert dashandlungswirksame Spezialwissen auf den Teil, der im Prozess der Zen-tralisierung erfasst, kodifiziert und standardisiert worden ist. Das darüberhinausgehende Wissen wird also gleichsam „stillgelegt“, zumindest aberwerden seine Entwicklung und sein Einsatz nicht hinreichend stimuliert. DieUnzweckmäßigkeit, ja eigentlich die Unmöglichkeit eines solchen Verfah-rens in dynamischen Umwelten oder bei nichtstandardisierbaren Aufgaben-stellungen wird offenkundig, wenn die so Gegängelten tatsächlich „Dienstnach Vorschrift“ tun.

Genau mit solchen Umwelten und Aufgabenstellungen hat man es inentwickelten Volkswirtschaften aber wieder vermehrt zu tun. WachsenderWettbewerb und zunehmende Dynamik der technologischen Entwicklungmachen eine fortschreitende Spezialisierung unerlässlich, aber Spezialisie-rung allein reicht nicht aus. Dies gilt sowohl für Unternehmen in ihrerGesamtheit als auch für den einzelnen Beschäftigten. Es wächst die Not-wendigkeit, die eigene Kompetenz und das eigene Tun mit dem komple-mentären Wissen und Handeln anderer zu verknüpfen, das aufgrund derzunehmenden Spezialisierung immer fremder wird und trotz der zunehmen-den Verwissenschaftlichung der Erkenntnisprozesse immer noch – oderbesser: inzwischen wieder – maßgeblich impliziten und idiosynkratischen

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Charakter hat. Derartiges Wissen sperrt sich gegen eine unmittelbareexterne Kontrolle. Demzufolge ist hier weder die autoritäre Kontrolle derHierarchie noch die Autonomie des Marktmodells angezeigt (Semlinger2001).

Es bedarf vielmehr einer neuen Kombination von Autonomie und Kontrolle,die bei aller Selbstbestimmtheit der Wissensträger deren Loyalität undEngagement gewährleistet. Dies nun verspricht der kooperative Koordina-tions- bzw. Steuerungsmodus, der anders als die klaren Über- und Unter-ordnungsverhältnisse der Hierarchie und die atomistische Struktur desMarktmodells auf eine verbindliche und doch offene Vernetzung der Akteu-re setzt und dabei ohne die klassischen Verträge des Marktes mit ihren klarvereinbarten Leistungserwartungen und -zusagen, aber auch ohne dieunmittelbaren Handlungsanweisungen der Hierarchie auskommt. Bei allenBewegungen in den letzten Jahrzehnten, die auf einen fortschreitendenÜbergang zu Kaufverträgen hindeuten (Stichworte: Outsourcing, steigendeSelbständigenquote, neue Lohnformen usw.), lässt sich denn auch keinverstärkter Wechsel zur einfachen markförmigen Koordination feststellen,sondern eine Zunahme kooperativer Netzwerkarrangements (Sydow 1992).

Die gesuchte Verbindung von Autonomie und Kontrolle, d.h. von Offenheitund Verbindlichkeit, gelingt bei kooperativ koordinierter Arbeitsteilung,indem die Steuerung von der Handlungs- auf die Kontextebene verlagertwird. Dies soll in der gebotenen Kürze näher erläutert werden (ausführlicherSemlinger 2000): Jede bewusste und intentionale soziale Austausch-beziehung, vor allem aber jede ökonomisch motivierte Interaktion, unter-liegt einer gewissen Reziprozitätserwartung, d.h. erfolgt auf Gegenseitig-keit, also mit Blick auf eine Gegenleistung, die für den Empfangenden einenNutzen stiftet, den er anderweitig so oder in diesem Umfang nicht erzielenkönnte; in diesem Sinn basiert jede Interaktion auf einer gewissen Notwen-digkeit und sie begründet eine gerichtete Abhängigkeit, die umso ausge-prägter ist, je größer die Verluste bei einer Trennung vom jeweiligen Partnerbzw. bei einer gänzlichen Herauslösung aus dem fraglichen Netzwerkwären (Gouldner 1959). Es sind also die komparativen Vorteile, die diebeteiligten Akteure an eine konkrete Austauschbeziehung binden und diesie gleichzeitig ein Eigeninteresse daran entwickeln lassen, dass auch dieanderen Parteien nicht enttäuscht und in der Beziehung gehalten werden.

Dies ist nun noch kein Spezifikum von kooperativer Interaktion; das beson-dere an Kooperation ist allenfalls, dass hier dieser Kontext wechselseitigerAbhängigkeit aus der Anonymität des marktförmigen Wettbewerbs heraus-

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gehoben wird, ohne ihn in die enge Bindung hierarchischer Autoritäts-beziehungen zu überführen, wodurch er in dem Maße als Steuerungs- undKontrollinstrument individuell nutzbar wird, in dem es gelingt, einen ent-sprechend gezielten Einfluss auf die subjektiven und objektiven Verhaltens-und Entscheidungsspielräume der beteiligten Akteure auch jenseits derbetreffenden Kooperationsbeziehung zu nehmen und dadurch eine domi-nierende Position im Netzwerk zu erlangen. Kooperation ist somit also –auch im Binnenverhältnis – immer auch ein strategisches Spiel um dieVerteilung von Austauschalternativen (strategic contracting), oder genauer:um die wechselseitige Begrenzung der Autonomie (bounded autonomy): Beisymmetrischer Abhängigkeit werden die Beteiligten partnerschaftlich zu-sammenarbeiten (müssen). Kooperative Zusammenarbeit ist aber nicht aufParteien in symmetrischer Abhängigkeit beschränkt. Bei ungleicher Autono-mie wird dann diejenige Partei, die am stärksten von der Aufrechterhaltungder Beziehung abhängig ist, ein Eigeninteresse daran haben, dass der/diePartner nicht enttäuscht werden, so dass sie die Anliegen ihres Gegenüberszu ihrem eigenen machen muss, während die Partei mit der größtenAutonomie am ehesten in der Lage ist, sich den (Anpassungs-) Wünschenanderer zu verweigern (Emerson 1962), oder anders formuliert: die Machthat, nicht lernen zu müssen (Deutsch 1966, S. 111). Autonomie mit Blick aufdie Wahl der Austauschpartner wird somit zur Basis von Kontrollfähigkeit,und Kontrolle hat, wer über die besseren Alternativen verfügt. Der großeVorteil dieser Art von Kontextsteuerung besteht dann darin, dass es zurVerhaltenssteuerung keiner Festschreibung der Leistungserwartungen undkeiner direkten Intervention bedarf, so dass die beteiligten Akteure in ihrerAutonomie hinsichtlich der konkreten Verhaltensentscheidung und in ihrenFreiräumen der Entwicklung und Mobilisierung von Spezialwissen unberührtbleiben.

5 Zusammenfassung

Arbeitsteilung führt zu Produktivitätsgewinnen und Wissenszuwachs durchvermehrte Möglichkeiten zur Spezialisierung. Heute ist Spezialisierunggleichsam zum Zwang geworden, wenn man im Wettbewerb Schritt haltenwill. Fortschreitende Spezialisierung heißt nun aber auch fortschreitendeTeilung des Wissens, das sich wiederum nur produktiv entfalten kann, wennes effektiv und effizient ausgetauscht und miteinander kombiniert wird.Besonders dringlich wird dieses Erfordernis mit zunehmender Abkehr vomStandardisierungstrend der industriellen Entwicklung; besonders problema-tisch wird diese Aufgabe, wenn infolge des Wissensparadoxons fortschrei-tender Arbeitsteilung im Einsatzbereich menschlicher Arbeit dieBestimmbarkeit der konkreten Leistungsanforderungen wieder abnimmt

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(Stichworte: wachsender Flexibilitäts- und Kreativitätsbedarf) und wenn eswieder verstärkt um die Mobilisierung impliziten Wissens geht, da dasexplizite Wissen immer rascher auf Maschinen übertragen werden kann.Um unter diesen Bedingungen eine verlässliche und engagierte Mobilisie-rung von Spezialwissen zu erreichen, reicht weder der Rückgriff auf über-kommene Formen der hierarchischen Koordination noch eine Forcierungmarktförmiger Koordination aus. Notwendig ist vielmehr der Übergang zukooperativer Interaktion, die eine bessere Verknüpfung von Autonomie undKontrolle ermöglicht.

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Work/Wissensparadoxon

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New Work as Net Work.

Netzwerke als Wissensdistributionsarenen

Birger P. Priddat

Unabhängig davon, welche Form der Wirtschaft wir bevorzugen – old, newoder next economy -, haben wir es mit einem Ausmaß an Änderung, Agiltät,merger (und demerger), Dynamik usw., zu tun, wie selten zuvor. Zudemerscheinen neue Formen der Unternehmung: virtual organizations, dieweder rein dem Markt noch eindeutig hierachischen Organisationen zuzu-ordnen sind, sondern als Netzwerkgebilde eine eigene Dimension bekom-men.

Man kennt Namen dafür: mergers, strategische Allianzen, joint ventures,Netzwerkunternehmen, usw.; Netzwerke sind lose Kopplungen von Orga-nisationen, die sich schnell lokal oder größer enger zusammenschließenkönnen, aber instabilitätsgeeignet, auch wieder dekomponieren. Konkur-renz wird gleichzeitig mit Kooperationen gepaart. Welche Strukturen ent-stehen neu? Welche Formen der Arbeit in ihnen?

Wissen, Netzwerke, Risiko

Die Wissensressource ändert sich. Der Vorteil kooperativer längerfristigerBindungen von Mitarbeitern in Unternehmen bestand in einem Wissens-kapital, das akkumulierte Erfahrungen besaß: für die internen wie für dieexternen Prozesse. In schnell sich ändernden Wissenslandschaften - inschnell sich ändernden Märkten, in schnell veraltenden Wissensbeständender ‘informational technology’ usw. - ändert sich die alte Strategie, inMitarbeitern akkumuliertes Wissen bereitzuhalten, in die neue Strategie,jederzeit frischen Zugriff auf neues Wissen zu bekommen, mit der Konse-quenz, die ‘knowlegde base’ im Unternehmen kleiner zu halten als früherund sich das aktuell benötigte aktuelle Wissen partiell zuzukaufen. Demfolgt die Organisationsentwicklung in Richtung Dissipation, infrastrukturellunterstützt durch die ‘electronic media’ des ‚internet‘, die ein ‘world wideweb’ des Wissenszugriffes anbieten, und durch die neuen Netzwerk-arbeitsanbieter.

Wenn die auf Kernkompetenzen reduzierten neuen Leistungseinheiten ihreaktuellen Wissensressourcen (neben anderen Leistungen natürlich) aus dem

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Markt beziehen, bedarf es eines neuen Schnittstellenmanagements, das dieInnen-/Außen-Beziehungen hantiert. Das betrifft nicht nur die Manager,sondern die Mitarbeiter selbst, die nun gewärtig und kompetent seinmüssen, auf allen Ebenen mit Externen zusammenzuarbeiten. Die interneZusammenarbeit wird durch eine externe Zusammenarbeit parallelisiert.

Das bedeutet höhere Entscheidungskompetenz und -autonomie für alleMitarbeiter, die in diesen Schnittstellen agieren. Denn jeder Auftrag nachAußen ist eine Art von Investition, deren Erträge durch die Minimierung derdafür aufzuwendenden Kosten bemessen werden können. Die informellenOrganisationanteile werden externalisiert. Zudem entstehen ständig, undvariierend, virtuelle Teams; die Geschlossenheit und relative Abgeschirmtheitder Mitarbeiter, die klassische Unternehmen kennzeichnete, ihre Eingliede-rung in Standardlinien, ändert sich zugunsten einer Marktöffnung, die dieMitarbeiter stärker in unternehmerische Handlungsweisen einläßt.

Man beginnt, die Angestellten und Arbeiter als ‘kleine Unternehmer’ zubetrachten, als ‘intrapreneurs’. Diese ‘Verunternehmerung’ der Mitarbeiterist zunächst mehr eine Vision als eine dominante Strategie, folgt aber derLogik der Dissipation, die ich als den Evolutionspfad der Orga-nisationsänderung mit der größten Änderungsdimension hervorheben will.Mit der Verunternehmerung der Mitarbeiter erreicht man eine Dimension,die wir noch viel zu wenig beachten, und die die Zukunft der Arbeit stärkerbeeinflussen wird als die anderen Beobachtungen, wie die der Auto-matisierung und insbesondere die der Elektronisierung: Ich meine die Ein-führung des Risikos für die Mitarbeiter in Organisationen wie für dieherausgenommenen (‘outsourced’) Externen, die ‘networkers’.

Der Wechsel der Kontraktstrukturen, die Bevorzugung kurzfristigerer Ver-träge, die die Kooperation von Kernunternehmen und ‘freier Arbeit’ domi-nieren, indem externe Unternehmer im Netzwerkverbund der Kern-kompetenzunternehmen (‘extrapreneurs’) integriert werden, findet seinenKomplementärprozess in der Entwicklung der Mitarbeiter der Kernkom-petenzunternehmen zu ‘internen Unternehmern’ (‘intrapreneurs’). Für die‘intrapreneurs’ wechselt nicht die Arbeitsvertragsform (wenn sie auchumsatzorientiert oder anders ergebnisorientiert variiert wird), aber ihreVertragsfähigkeit gegenüber dem Markt wird ausgebaut (bzw. ihre interneVertragsfähigkeit, mit anderen Mitarbeitern schnell wechselnde Kooperati-onen auszuhandeln). Wir beschreiben diesen Prozess noch momentan untereinem anderen Namen: ‘Kundenorientierung’. Das ist ein harmloser Namefür grundlegende Änderungen in der Organisation.

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Die Dissipationsökonomie erreicht eine höhere Marktintegration, indem sie

1. einen Teil ihrer Leistungen, die vordem rein interne hierarchische Rege-lungen waren, über Marktkontrakte abwickelt (Kooperation mit der‘freien Arbeit’, den ‘extrapreneurs’) und indem sie

2. die Marktkontraktkompetenz der Kernmannschaft erhöht.

Beide Prozesse bedeuten eine Ökonomisierung der Organisationen, wennman ‘Ökonomisierung’ einen Prozess nennt, der ‘market behaviour’ forciert(und die organisierte Kooperationskompetenz, typisch für ‘klassische’Unternehmensorganisationen, abbaut). ‘Market behaviour’ ist hier nur einanderer Name für die Einführung des Risikos, Anschlussaufträge zu verlierenoder aus bestimmten avancierten Positionen im Unternehmen herausge-nommen zu werden. Zugleich ist ‘market behaviour’ auch ein Name für dieVervielfältigung der Anreize, d.h. der Chancen, seine Erträge zu steigern.Auffällig ist die Typusänderung bei den ‘free lancers’ (und, neuerdings, beiden ‘e-lancers’), d.h. bei den hochkompetenten ehemaligen Mitarbeitern,die sich selbständig machen und mit ihren - ehemaligen - Unternehmennurmehr noch Netzwerkbeziehungen aufrechterhalten. Netzwerkbezie-hungen sind vertragliche Beziehungen von eigenständigen Leistungsträgern,die gewisse Kontraktionsvorrechte haben (wer im Netzwerk Mitglied ist,wird eher angesprochen als Nichtnetzwerkmitglieder). Allein um die Dispo-sition aufrechtzuerhalten, im Netzwerk jemanden beanspruchen zu kön-nen, sind Verträge nötig. Anderweitig ist der so vertraglich nur noch losegekoppelte neue Selbständige (‘networker’) allen anderen Verträgen außer-halb des Netzwerkes offen. Dispositionsverträge in Netzwerkbeziehungensind Zwischenstrukturen, die eine gewisse Sicherheit der Vertragsbindungmit einer neuen Selbständigkeit des Erwerbs verknüpfen, gleichsam eineHalb-Freiheit (die Akquisitionskosten senkt). Man sieht, daß in dieser Halb-ordnung der Kontraktformen eine Transitionsmöglichkeit liegt, die bei vielen‘outsourcings’ tatsächlich wahrgenommen wird.

Die Sicherheit fester Arbeitskontrakte wird durch eine, zeitlich begrenzte,Vertragsbindung bezüglich Leistungsbeziehungen ersetzt, gleichsam alseine Art Auslöse- und Startkapital für die neue Selbständigkeit. Diese Formder Kontraktierung freier Arbeit wird von den so Herausgenommenen(‘outsourced’) akzeptiert, weil die Alternative, arbeitslos zu werden, mindereinkommenträchtig ist als das Risiko, selbständig zu werden mit einemAnfangskontrakt längerfristiger Leistungsbindung.

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Was für die ‘outgesourcten’ Mitarbeiter an neuer Selbständigkeit gewon-nen ist, gilt für die intern verbleibenden Mitarbeiter in gewissem Maße auch.Innerhalb der neuen dissipierten Organisationen sind die Intrapreneursallerdings ersteinmal nur Semi-Unternehmer. Es wird von ihnen erwartet,daß sie unternehmerisch selbständig agieren können, aber das Risiko bleibtdas der Unternehmensorganisation. Sie setzen kein eigenes Kapital ein,gefährden allerdings ihre Gehaltsauszahlungshöhen (wenn entsprechendevariante Vertragsformen vorliegen). Der feste Kontrakt bleibt bestehen,aber innerhalb des Kontraktes wird eine höhere Variabilität eingeführt, diesich z.B. an Umsatzentwicklungen orientiert. Innerhalb der formellen Verträ-ge erhöht sich die Menge der möglichen informellen Verträge.

Indem sie persönlich marktunmittelbarer agieren, sind Erfolge wie Fehlernatürlich persönlich zurechenbarer als in hierarchischen Organisationen. DieOrganisationsform macht jedes Handeln transparenter, die handelndenPersonen evaluierbarer. Das hat Folgen für die Bewertung und für denPersonaleinsatz. Wissens-, Entscheidungs- und Kommunikationsdifferenzenwerden schärfer und klarer beobachtbar. Man wird sich schneller dafürentscheiden, in bestimmten Positionen andere Mitarbeiter einzusetzen oderdie nötigen Kompetenzen auf dem Markt einzukaufen. Der ‘human capital’-Umsatz wird steigen. In Antizipation dieses Trends werden die ‘high qualifiedworkers and employees’ von sich aus in die interessanteren Projekteeinsteigen, d.h. den Wechsel der Tätigkeit auf dem Markt so lange verfol-gen, wie sie nachgefragt werden. Jeder ‘high-knowledge-worker’ ist poten-tiell in der Lage, aus einem längerfristigen Arbeitskontrakt in ‘freie Arbeit’ zuwechseln - eine Tatsache, die nicht nur das Kontrakteinkommen steigert,sondern auch Rückwirkungen hat auf die Organisationsform, die auf einehöhere Autonomie zugeschnitten werden muss, um die Leute zu halten.

Es bildet sich eine ‘high-quality-worker’-Elite heraus, die nicht allein durch ihrWissen definiert ist, sondern durch die Wissensdynamik, d.h. die Aktualität(und permanente Aktualisierung) ihres Wissens in schnell entwertendenWissenslandschaften. Die Nachfrage wird ständig größer sein als das Ange-bot, was nicht nur die Preise erhöht, sondern es für die high-knowledge-Anbieter attraktiv macht, ihre Kompetenz nicht nur einer Organisation zurVerfügung zu stellen, sondern, spektral, mehreren. Weil die Nachfrage ausden Organisationen höher ist als das jeweils aktuelle Angebot, müssen sichdie Organisationen auch aus diesem Grund auf Dissipation umstellen. Siehaben, bei diesen ‘high-level-positions’, gar nicht die Chance, solche Leutepermanent einzustellen oder sie vertraglich längerfristig und ausschließlichzu binden (wie sie sich umgekehrt an potentiell entwertbare Ressourcennicht binden wollen). Sie müssen sie über befristete Aufträge binden, und

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ihre Organisation so organisieren, daß sie über diese Schnittstellen arbeitenkann (es sei denn, wie öfters geschehen, die Holding kauft ein neuesUnternehmen zu, allein um die ‘high-level-manpower’ zu ergattern, die sieauf dem Arbeitsmarkt gar nicht mehr bekommt).

Die Risikoproblematik, die ich vorhin bezüglich der Kontraktformen an-sprach, bekommt noch eine zusätzliche Nuance. Die Risiken bestehenvornehmlich in der Entwertung des privaten ‘knowledge’ oder ‘humancapital’ (mit der Konsequenz, dass wir einen sich ausweitenden Wissens-markt bekommen werden, auf dem einerseits Wissen für die laufendeUnternehmensarbeit angeboten wird, andererseits aber Ausbildung zumWissenserwerb. Der Bildungsmarkt wird stark expandieren und im neuenJahrhundert eine neue Wachstumsbranche werden). Die Risiken bestehendarin, aktiv sich aus der Unternehmensorganisation auszugrenzen oderausgegrenzt zu werden. Längerfristige Vertragsbindungen lohnen sich dannnur noch für die Mitarbeiter, aber nicht mehr für die Unternehmen.

Es gibt Parallelkonzepte, z.B. das der ‘learning organization’. Hier wirdangestrebt, das ganze Unternehmen lernen zu lassen anstatt wissens-dynamische Positionen im Unternehmen auszuwechseln oder zuzukaufen.In den ‘learning organizations’ wird versucht, das (‘rheinische’) Modelllängerfristiger Vertragsbindungen mit dem Flexibilisierungsanforderungenso zu verknüpfen, daß der Netzwerkbedarf nicht steigt und Dissipationenvermieden werden. Der Organisationsentwicklungsaufwand ist erheblich,hoch versagensanfällig, vor allem wegen der Idee der alle Mitarbeiterbetreffenden Parallelität bzw. Gleichmäßigkeit der Wissensdynamik. Ichhalte das für die gefährdetere Variante, die allerdings den Vorteil hat,gelänge sie, die ‘corporate identity’ zu halten und zu verstärken und diebewährten Formen organisierter Kooperation zu stärken. Denn in dendissipativen Organisationen werden die traditionellen Formen der Zusam-menarbeit durch neue, weniger gesellige, vor allem in den Konstellationenwechselnde Formen abgelöst.

Es wird allerdings schwierig, von einer ‘corporate identity’ zu reden, wennsich der organisatorische Korpus, der vordem immer eine Raum/Zeit-Einheitdarstellte, ins ‘communicational network’ der neuen Arbeits- und Organisa-tionsbeziehungen auflöst. In ‘virtual organizations’ wird die ‘corporateidentity’ ein spezifisch zu managender Prozeß der ständigen Wiedergewin-nung von ‘corporate integrity’. Identität wird zur Flussgröße, ist keineunternehmenskulturelle Ressource mehr, auf die man meint, beliebig zu-rückgreifen zu können, sondern ein Prozess des ‘value managements’, der‘trust-relations’ ständig neu generieren und kommunizieren muss.

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Was ich hier benenne, gilt nur für die ‘high-knowledge’-Elite, die allerdingsgrößer wird, weil sie nicht nur die sogenannten Experten umfasst, sondernjeden, der in der Wissensdynamik avantgardistisch agiert. So wie diedissipierten Leistungseinheiten Produzent und Produkt zugleich sind, wer-den die Arbeitsplätze ebenso bivalent bewertet werden: Welche Kompetenz-ausübung sie gestatten und welches Wissen sie zu generieren helfen. DerSchritt in die Selbständigkeit ist leicht getan (insbesondere wegen der oft nurgeringen nötigen Kapitalausstattung), so dass die Unternehmen beideOptionen verfolgen müssen:

1. attraktive Arbeitskontrakte anbieten, aber

2. auch ‘best competences’ von außen einzukaufen.

Typisch sind hierfür Netzwerkorganisationen. Netzwerke bestehen aus‘weichen Verträgen’, haben die Gefahr hoher Transaktionskosten, aberdynamische Eigenschaften, insbesondere eine hohe Anpassungsfähigkeit.Einerseits ermöglicht die Redundanz für das Netzwerk insgesamt ein hohesMaß an Flexibilität, auch wenn die einzelnen Netzwerk-Unternehmenrelativ inflexibel sind. Andererseits induziert weich kontrahierte, kooperati-ve Arbeitsteilung mit mehreren Partnern Lerneffekte, ist also förderlich fürdie Diffusion von Innovationen („strength of weak ties“).

Netzwerke sind Formen virtueller Organisationen, die durch die Kooperation‘lernen’, nicht aber als gefügte Kooperationsgebilde, wie die ‘learningorganization’. Virtuelle Organisationen bilden eine ‘co-opetition’ aus, eineMischung von ‘cooperation’ und ‘competition’. Diese duale Struktur istadaptionsfähiger als das schwerflüssigere Gebilde der ‘learning organization’,das die Kosten des Misslingens internalisieren muss (während die ‘virtualorganization’ sie externalisieren kann).

‘Learning organizations’ und ‘virtual organizations’ sind zwei diametralentgegengesetzte Enden eines Organisationsspektrums, in dem die meistenUnternehmen Mischformen darstellen. Beide Endungen unterscheiden sichvon den alten hierarchischen Firmen durch ihre dynamische Modulation;beide müssen neue Flexibilitäten und Marktadaptionen erzeugen. Beideleisten das durch unterschiedliche Vertragsstrukturen, die unterschiedlicheFormen der Arbeit konfigurieren.

In Deutschland wird sich ein besonderer Mix herausbilden, der sich einerseitsauf die Virtualisierung der Organisationsstrukturen einlassen muss, ande-rerseits aber die ‘learning organization’ beibehält, und zwar im Kompetenz-

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kern. Hier werden sich längerfristige Verträge halten und konzentrieren,und auch eine Form der Vertrauenskultur. Dieser ‘German mix’ wird diekontinentale Tradition der Unternehmens- und damit der Wissensbindungweiter pflegen, aber nur im Kern, während die Satellitenwolke des Netz-werks eine ‘virtual organization’ bilden wird, mit hoher Austauschbarkeitoder Variabilität der Leistungsbeziehungen (und natürlich mit Oszillationenzwischen Kern und Satellitenwolke).

Diese ‘Spektralanalyse’ ist schematisch. Praktisch werden nicht nur Mi-schungen, sondern auch Phasenverschiebungen bedeutsam. Eine ‘virtualorganization’ kann sich unter Wettbewerbsbedingungen in einegeschlossenere Form der Organisation transmutieren, nicht nur imKompetenzkern. Über die Stabilitäten von ‘virtual organizations’ wissen wirnoch zu wenig. Möglicherweise eignen sich ‘virtual organizations’ nur fürbestimmte Organisationsbereiche; möglicherweise bekommen wir es mitOszillationen um die beiden Spektralformen zu tun. Die beiden Endungendefinieren nur folgende signifikante Differenz:

• Bindung von Wissen über längerfristige Verträge / Kauf und Verkauf vonWissen, mit kurzen Verträgen.

• Wechsel von der einen zur anderen Formen sind nicht symmetrisch(jedenfalls nicht unter den institutionellen Bedingungen deutschen Tarif-rechts). Wechselt man zu längerfristigen Verträgen, geht man hohe‘human capital’-Bindungen ein. Ein Rückwechsel in ‘virtual organizations’ist nicht ohne hohe Kosten möglich.

Wir stehen erst am Beginn dieser Entwicklung der dissipativen Ökonomie.Gewiss ist es, dass wir ein reichhaltigeres Formenspektrum von Organisa-tionen bekommen werden, mit unterschiedlichen Vertragsmodalitäten. DieTendenz zu kurzen Verträgen nimmt zu.

Was geschieht mit den anderen, die nicht zu dieser ‘high-knowledge’-Elitegehören? Viele der Arbeiten werden stärker als bisher standardisiert wer-den, mit dem Vorteil, dass man die Branchen besser wechseln kann, wennman z.B. eine WINDOWS-Kompetenz hat. Natürlich wird ein Großteil derArbeit routinisiert bleiben, ohne unternehmerische Komponente. Der‘intrapreneurialen Dimension’ sind Grenzen gesetzt. Allerdings gehört auchzu diesen Arbeiten in unternehmerischer gestrickten Umgebungen eineerhöhte Kommunikationsagilität und Organisationskompetenz. Jede Arbeitin den dissipierten Unternehmen wird stärker als bisher, oder überhaupterstmals, als ‘service’ verstanden werden für die Kunden außerhalb oder für

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die Intrapreneurs innerhalb. Man arbeitet nicht mehr in einer Fachabteilung,sondern projektbezogen, d.h. leistet ‘services’ für agile Projekte, was auchbei diesen Tätigkeiten ein höheres Maß an Flexibilität anfordert.

Das Spektrum der Lohn- und Gehaltsdifferenzierung wird ausgeweitetwerden. Was in Deutschland tarifvertraglich in einem hohen Einkommens-korridor gehalten wird, wird sich durch die Zeit- und Projektverträgeflexibilisieren, ein gewerkschaftlich kaum noch zu reglementierender Be-reich. Wenn das Einkommen über ein Tätigkeitsportfolio gewonnen wird, indem verschiedene, nichtsynchronisierte Jobs parallel ausgeübt werden,erhöht sich die Opportunität, offene, gegebenenfalls auch einkom-mensniedere Verträge einzugehen, weil die Einkommenskontinuität höherbewertet wird als die Qualität tarifvertraglich geschlossener Verträge. DieHöhe des Einkommens und andere Absicherungen sind in einer Weltsingulärer und längerfristig abgeschlossener Verträge weitaus bedeutsamerals in einer Tätigkeits-Portfolio-Welt kurzfristigerer Projektarbeitsverträge.Natürlich will man auch in der Portfolio-Welt sein Einkommen hoch haltenund verbessern, aber in Zeiten schwierigerer Vertragssuche und -findung istdie Vertragsanschlussfrequenz höher gewichtet als die jeweilige Einkom-mensoptimierung.

Die höhere Flexibilität und Marktreagibilität wird an der Schnittfläche vonOrganisation und Markt oft als ‘Kundenorientierung’ erwartet. Das bedeu-tet nicht nur eine Neuorientierung der Kompetenz von Mitarbeitern, sondernauch eine Reordination der internen Beziehungen: interne Abteilungenwerden zu ‘service’-Abteilungen der Kundenfrontmitarbeiter. Kunden-orientierung ist nur der Name für eine Reordination der Unternehmen, derenTragweite noch kaum abzusehen ist. ‘Kundenorientierung’ läuft auf einehorizontale Steuerung der Wertschöpfungsprozesse der Organisation hin-aus: Der Kundenkontakter muß die Autorität haben, die Organisation auf dieRealisation der Kundenwünsche zu fokussieren, in real time.

Die eine Dimension dieses neuen Prospektes der Organisationsentwicklungheißt ‘Kundenintergration’. Dazu zählen alle Formen neuer Organisations/Kunden-Beziehungen, die unter den Namen ‘prosumtion’ laufen. In der‘prosumtion’ arbeiten die Kunden an der Erstellung der Produkte oderDienstleitungen mit: im Selbstbedienungsrestaurant, bei IKEA, dessen Mö-bel man selber zuende bauen muss, am Bankautomaten, und beim zukünf-tigen Autokauf, wo man am Display mit dem Kundenberater zusammen daseigne Auto ‘konstruieren’ wird. Die letztere Form der ‘prosumtion’ wird hochindividualisierte (‘mass customization’) Produkte innerhalb der Massenfer-

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tigung zulassen. Die Kunden steuern den Produktionsprozess unmittelbar(man lässt sich z.B. den Körper mit Laser vermessen und bekommt seinindividuell zugeschnittenes Kleidungsstück usw.), aber innerhalb einesOrganisationsregimes, das diese Steuerung wiederum steuert.

Kommunikation, Vertrauen, Identität

Virtuelle Organisationen können ihre Identität nicht mehr durch andauerndeMitgliedschaft, durch Anstellungsverhältnisse und interne Kooperationsrouti-nen definieren. Ihnen fehlt das (relative) Vertrauen, das sich in lernendenOrganisationen ausbilden kann. Marktbeziehungen sind verschieden vonhierarchischen Koordinations- und Kooperationsbeziehungen. Deshalb ist esfür virtuelle Organisationen sehr viel schwieriger, eine ‘corporate identity’herzustellen. Die marktlich koordinierten Leistungsbeziehungen unterliegendem Wettbewerb, d.h. sie bilden selten wiederkehrende Kooperations-muster aus.

Virtuelle Organisationen müssen ihre Identität über die Attraktivität ihres‘brands’, ihrer Produkte und Leistungsangebote herstellen. Es ist vorteilhaftfür sie, eine ‘story’ zu haben. Mit einem spezifischen Kompetenzkernzusammenzuarbeiten, muss nicht nur profitabel sein, sondern auch status-aufwertend. Für virtuelle Organisationen ist ihr Marketing nicht nur für dieKundenbeziehungen, sondern auch für die Wertigkeit der Leistungs-beziehungen signifikant. Mit erfolgreichen Unternehmen zu kooperieren,die auch sagen, daß sie erfolgreiche Unternehmen sind, erhöht den eigenenValue im Netzwerk.

Anstelle von Kooperationsidentitäten haben wir es im Falle der virtuellenOrganisation vornehmlich mit Kommunikationsidentitäten zu tun. Man ko-operiert über marktliche Leistungsbeziehungen eher mit Kompetenzkernen,die einen höheren gesellschaftlichen Kommunikationswert haben (odereinen höheren Potentialwert, der allerdings nur gilt, wenn er auch kommu-niziert wird, z.B. an Börsen). Um es genauer zu sagen:

• Lernende Organisationen bilden ihre Identitätsmuster durch die Formender Kooperation innerhalb des Unternehmens aus, d.h. durch vertrauens-volle Zusammenarbeit. Gelungene Zusammenarbeit ist gelungene inter-ne Kommunikation.

• Virtuelle Organisationen bilden hingegen ihre Identitätsmuster über ge-lungene externe Kommunikation aus. Es kommt nicht nur darauf an, wieKompetenzkern und Netzwerksatellit zusammenarbeiten (natürlich mussauch das stimmen), sondern auch darauf, wie der Kompetenzkern (oder

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der Netzwerksatellit) in der Öffentlichkeit kommuniziert wird. Gesell-schaftliche Erwartungen sind hierbei orientierend - und die Produktiondieser Erwartungen. Differenzieren wir:

• Lernende Organisationen kommunizieren mit den Kunden wie mit denMitarbeitern der Organisation - extern, um die Transaktionschancen,intern, um die Kooperationschancen zu erhöhen.

• Virtuelle Organisationen kommunizieren intern wie extern nach demgleichen Muster, zugleich aber noch mit der Gesellschaft, über allerelevanten Medien.

Denn weil die virtuellen Organisationen für Kunden wie für Mitarbeiteridentitätsloser sind als lernenden Organisationen, können sie die Identitäts-markierungen nicht über Organisation lösen, sondern nur über symbolischeBedeutungen und Kommunikation.

Sie müssen ihre Identität in eine Metapher, in ein Symbol ‘auslagern’, damitsie 1. erkennbar bleiben und 2. dennoch flexibel sein können. Unter derInvarianz des Symbols kann sich die virtuelle Organisation elastisch formie-ren und re-formieren.

Die lernende Organisation - als anderer Extremtypus - muss ihre Identität mitihren Lernschritten mitverwandeln. Ihre Identität ist deswegen variabel,weshalb der Änderungsprozess der lernenden Organisation immer auch einIdentitätsrestabilisierungsprozess ist. Der Lernprozess kann zu einemIdentifikationsmerkmal werden, aber das bleibt ambivalent.

Die Auswirkungen auf die Identitätsmuster sind erheblich. Wenn manvirtuelle Organisationen als lose Netzwerkkopplungen mit ihren Satellitenbeschreibt, ist die Demission der ‘corporate identity’ offensichtlich. Dass sichim Satellitennetzwerk neue Kooperationsformen ausbilden, ist eine Gegen-tendenz (‘guilds’). Zugleich erfordert die virtuelle Organisation eine Um-definition von Kooperation.

Die Netzwerkwolken um die Kompetenzkerne der virtuellen Organisatio-nen sind besondere Strukturen: weder Markt noch Hierarchie. Kompetenz-kerne haben besondere, prioritäre Vertragsbeziehungen zu den Netzwer-ken. Man geht nicht ‘in den Markt’, sondern ‘in sein Netzwerk’, weil manseine Netzwerkpartner besser kennt als anonyme Marktpartner.

In diesem Sinne ist es ungenau zu sagen, dass sich virtuelle Organisationenin Marktbeziehungen auflösen. Sie ‘lösen sich auf’, ‘sourcen out’, verkaufen

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usw., aber sie bevorzugen spezifische Transaktionsbeziehungen zu spezi-fisch ausgewählten Partnern. Gewisse Vertrauensbeziehungen spielen eineherausgehobene Rolle. Wir haben es mit Netzwerken zu tun, d.h. mit ‘Halb-Märkten’. Mit Partnern, mit denen man gut kooperiert, arbeitet man immerwieder zusammen, so dass eine stabile Leistungsbeziehung entsteht. Nichtder Wille zur Kooperation, sondern die Konkurrenz anderer möglicherKooperationspartner ist das Problem.

Die Beziehungen der Kompetenzkerne zu ihren Netzwerksatelliten sindneuer Art. Zum einen sind es Marktbeziehungen, d.h. man kontrahiert nur,wenn man die Satelliten für die Aufgabenerledigung braucht. Zum anderenaber sind Netzwerkbeziehungen keine rein kontingenten Marktbeziehungen,sondern Vertragsdispositive, die gewisse Bindungsqualitäten haben.Netzwerkbeziehungen sind vorvertragsartige Primärrelationen: bevor manauf den Markt geht, geht man erst ins Netzwerk.

Das heißt, dass die Kompetenzkerne (d.h. die Unternehmen, die sich auf ihreKernkompetenzen reduziert haben) mit ihren Netzwerkpartnern eher zu-sammenzuarbeiten als mit Nichtnetzwerkpartnern. Daraus entstehenKooperationsmuster neuer Art, deren Identitätsmerkmale noch schwierigeinzuschätzen sind (mangels längerfristiger Erfahrungen). Natürlich werdengute Kooperationen Vertrauen erzeugen. Gemeinsames Wissen und einge-übte Kommunikation senken die Transaktions- und Kooperationskosten.Doch wird dieses neue Kooperationsmuster, das eigene Identitäten in derKooperation erzeugen kann, immer wieder kompetitiv unterbrochen durchhöhere Attraktivität anderer Kooperationspartner. Die Kompetenzkernewerden ein neues Kooperationsmanagement entwickeln müssen. Denn dieNetzwerksatelliten werden ihre eigene Identität als hochqualifizierter Part-ner avancierter Kompetenzkerne nicht durch einseitige Bindung an einenKompetenzkern lädieren. Ihre Qualität besteht ja gerade darin, im Netzwerkzwar Kooperationsressourcen zu haben, aber potentiell auch für andereattraktiv zu werden.

Die Qualität der Zusammenarbeit wird dadurch nicht mehr allein durch dieQualität der Zusammenarbeit definiert, sondern durch die in der Zusammen-arbeit bewiesene Attraktion für andere, ebenfalls eine Zusammenarbeitanzustreben. Das Kooperationsmanagement muss

1. die Zusammenarbeit bewerten und

2. die eigene Fähigkeit, andere von der Zusammenarbeit abhalten zukönnen.

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Die Identität der Satelliten bzw. die Identität der Mitglieder in den Satellitenspeist sich dann vornehmlich daraus, auch für andere kooperationsattraktivzu sein. Sie beruht nicht mehr nur auf gelungener Zusammenarbeit undguter Kooperation, sondern zusätzlich auf deren potentieller Aufhebbarkeit.Damit aber kommt eine Asymmetrie in die Kooperation, eine ‘co-opetition’:Kooperation unter Kompetitionsbedingungen unterscheidet sich voninnerorganisationaler Kooperation. Die unter ‘co-opetition’ ausgebildeteIdentität ist ambivalenzerprobter; sie bewertet die möglichen Kooperatio-nen, welche Investition in ‘human capital’, in Kompetenzausweitung siebieten.

Die Kooperationschancen, die die Kompetenzkerne ihren Netzwerkpartnernzu eröffnen haben, müssen dynamische Qualitäten anbieten: nicht nurEntgelt und ‘income’, nicht nur gutes ‘teamwork’, sondern auchQualifizierungsspezifität. Die exzellenten Satelliten können sich die Netzwerk-kooperationen danach aussuchen, welches neues Wissen sie erwerben. Dieneue Identität, die im Kontext der virtuellen Organisation entsteht, ist nichtnur an die Kompetenz gekoppelt, seine Kompetenz gut einsetzen zu könnenund anerkannt zu bekommen, sondern darüber hinaus an die Kompetenz,neue Kompetenzen zu entwickeln oder zu erwerben.

Die Kompetenzkerne müssen dann in der Lage sein, ein Integrations-management zu betreiben, das, auf das jeweils anstehende Kooperations-projekt bezogen, neben dem Angebot zur Zusammenarbeit zudem einAngebot zur Wissensgenerierung zu bieten. Das können sie tun, weil siedavon ausgehen können, dass die Satelliten in anderen Kooperationen mitanderen Unternehmen ebenfalls neues Wissen generieren, das sie für ihrProjekt geliefert bekommen. Die Netzwerksatelliten werden zu Relais derschnelleren Wissensdiffusion im Wettbewerbskontext. Das unterscheidetsie von reinen ‘service-units’, die mit Unternehmenskernen kooperieren undmacht sie, bei aller Riskanz, selbstbewusst. Die ‘neue Identität’ entwickeltsich nicht vornehmlich über die quasi-unternehmerische Selbständigkeit,auch nicht besonders über die Kooperationsmuster mit den Kompetenz-kernen, sondern über die transversale Wissens-Relais-Funktion. DieNetzwerksatelliten stehen zum einen im Wettbewerb, zum anderen ständigin diversen Kooperationen, und in dieser ‘co-opetition’ bilden sie eineStruktur, die quer zum Markt liegt, über mehrere Unternehmen gehend,deren Wissen sie verknüpft, indem sie es verteilt.

In diesem Sinne kooperieren die einzelnen Kernkompetenz-Unternehmenindirekt über die ‘brokerage’ ihrer Netzwerksatelliten. Neue Marktstrukturenentstehen; der Markt wird nicht mehr als reines Koordinationsagens ver-

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standen, sondern als ‘co-opetition’-Arena. Wissensgenerierung und -diffusionwird zum zentralen agens movens der Optionengewinnung. Das Profitspielder Unternehmen wird von einem Optionenspiel überlagert, das in den ‚newmarkets‘ selber zum Profitspiel wird. Optionen sind keine Produkte, sondernBewertungen zukünftiger Marktpotentiale, was den ‚Markt für Unterneh-men‘ einschließt. Wenn Unternehmensorganisationen den Marktwert ihrerProdukte/Leistungen wie ihren eigenen Marktwert parallel steigern, sind siebi-präsent: auf mindestens zwei Märkten gleichzeitig. Sie steigern ihreMarkt- wie Fusionspotentiale.

Wissen verteilt sich in Netzwerkstrukturen nicht mehr nach den altenMustern: anstatt, wie noch in den ‚lernenden Organisationen‘ kopiert, dasWissen in der Form von kompetenten Mitarbeitern zu binden, kaufen sichNetzwerke Wissen à jour ein (und entlasten sich auch von Wissen, das sienicht mehr brauchen, durch Vertragsauflösung).

Wissen wird von Bestand, Vermögen auf flow umgestellt: auf Kommunika-tion und unmittelbare Einspielung, wenn es gebraucht wird. Wissen brauchtdann nicht mehr ‚gehalten‘ zu werden, gleichsam auf Vorrat, dispositiv.Damit hält man immer ‚zu viel‘ Wissen, Überschuss. Wissen wird in denNetzwerkstrukturen der virtual organizations über acess definiert: nicht dieMenge an Wissens, sondern die Optionen an Zugriff auf Wissen sindentscheidend. Wissensmanagement ist dann acess-management.

Nicht die Größe der Unternehmung, nicht die Anzahl der aktuellen Mitarbei-ter und Projektpartner, sondern ihr Netzpotential, das Maß der Zugriffs-optionen bestimmt, neben anderem, seine Marktagilität. Doch ist acess nurein Teil des neuen Umganges mit Wissen; um die Optionenmannigfaltigkeitdes Netzwerkes zu nutzen, bedarf es eines bestimmten Maßes an Verzichtauf bisheriges Wissen. Kompetenz definiert sich in diesen Wissensnetzwerkenneu: als Fähigkeit, eigenes Wissen geringer zu schätzen als anderes Wissen.Diese Fähigkeit läuft quer zu unseren bisherigen Mustern, in denen das, wasman gelernt hat und also weiß, zum Status einer Person gehört.

Die Kompetenz der new work ist nicht über den Reichtum an Wissendefiniert, sondern über Entlernen/Lernen-Relationen und über Wissen/Nicht-wissen-Beziehungen. Nicht mehr die einzelne Person, sondern das Netz-werk ‚hat‘ das Wissen, das benötigt wird. Wenn es das Wissen nicht hat,weiß es Wege, es zu genieren. Netzwerke sind somit die fluidere, agilere undauf größere Zugriffe ausgelegte ‚lernende Organisation‘. Oder genauer:Netzwerke sind Medien, in denen sich Organisationen je neu verteilen undauch auflösen.

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Regionale Netzwerke zwischenKonzernstrategien, sozialstaatlicher Erosionund europäischer Integration

Paul Oehlke

Einführung:Anlage und thematischer Leitgedanke der Darstellung

Hier stehen mehr von außen gesetzte und kritisch beleuchtete gesellschafts-politische Kontextbedingungen von regionalen Netzwerken und wenigerdie von innen mit viel Engagement angepackten Handlungsmöglichkeitenzur Diskussion, die den RKW-Diskurs ”Arbeiten und Lernen in Netzwerken”(Hentrich, Hoß) weitgehend bestimmen. Einer associativen Reflexion derNetzwerkmetapher folgt eine kurze Auseinandersetzung mit aktuellenProblemlagen vor dem Hintergrund der italienischen Distriktforschung alseiner Art positiv besetzter regionaler Referenzfolie, ehe auf makroöko-nomische und -politische Einflussfaktoren eingegangen wird. Diese werdenin dem Zusammenspiel nationaler, transnationaler und internationaler Ak-teure skizziert, die in den letzten Jahrzehnten über alle Regierungswechselhinweg eine allgemeine Wettbewerbs- und Weltmarktorientierung geför-dert haben.

Angesichts der allseitigen Übernahme der neoliberalen Doktrin sollte RalfDahrendorf mit seinem Diktum vom ”Ende des sozialdemokratischen Jahr-hunderts” trotz aller zunächst gegenteiligen, aber wieder nachlassendenWahlerfolge recht behalten (siehe auch Bourdieu, Wacquant 2000, 6-7).Praktischer Ausdruck hiervon ist der allgemeine Verzicht auf eine binnen-wirtschaftliche Nachfragestärkung und der gleichzeitige Abbau sozial-staatlicher Leistungen auf nationaler und europäischer Ebene. Beide könnenals ein stabilisierendes, wenn nicht sogar beförderndes Element der anhal-tenden Massenarbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung die von ihnen aus-gehenden sozial-ökonomischen Verwerfungen nicht bewältigen. An diesenmüssen jedoch Entwicklungskoalitionen in vielfältigen lokalen und überregi-onalen Vernetzungen, insbesondere im Rahmen der europäischen Struktur-fondsförderung ansetzen, wenn der wirtschaftliche und soziale Zusammen-halt bewahrt, wieder erlangt oder weiter verbessert werden soll.

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1 Die ubiquitäre Verwendung der Netzwerkmetapher

Die Netzwerkmetapher hat zweifellos einen diskreten Charme. ZwischenMarkt und Hierarchie von Organisationssoziologie und institutioneller Öko-nomie verortet, mildert sie selbst in der soziale Interaktionen einbeziehen-den Transaktionskostenanalyse (Williamson 1985) untergründig den Kälte-strom eines unerbittlichen Wettbewerbs auf unüberschaubaren Märktenund befreit vor allem aus der bedrückenden Enge hierarchischer Organi-sationsstrukturen. Diese scheinen sich unter systemtheoretischem Blickwin-kel im Zuge der funktionalen Differenzierungs- und Dezentralisierungs-tendenzen komplexer werdender gesellschaftlicher Systeme aufzulösen.Danach bringen die zunehmend selbstreferentiellen, in gesellschafts-theoretischer Sichtweise sich vermarktlichenden Teilsysteme diese über-greifende Problemlagen wie steigende Arbeitslosigkeit, soziale Ungleichheitund regionale Disparitäten hervor, die nicht mehr zureichend durch diezentralen staatlichen, an Steuerungskompetenz verlierenden Instanzengelöst werden können.

An die Stelle der traditionell untersuchten Phänomene von Herrschaft,Ausbeutung und Macht treten in modernisierungstheoretischenArgumentationszusammenhängen systemische Interaktionen mit neuenkorporativen Formen der öffentlichen und privaten Partnerschaft, in denenKlassen-, Schicht- und Privilegienstrukturen kaum noch systematisch reflek-tiert werden (allgemein hierzu Bieling 1999). Entsprechend mediatisierenvertikale und horizontale, von ihrem gesellschaftlichen und funktionalenGehalt her markt- und angebotsorientierte Koordinationsformen als neueflexible Organisationstypen und Steuerungsmodi die traditionellen hierar-chisch-bürokratischen Organisations- und Politikmuster in der regionalenund nationalen Standortpolitik (ein Überblick bei Messner 2000, 28-65). Esist allerdings bei der steigenden Zahl von Akteuren in und zwischen Staatund Wirtschaft in einer sich insgesamt aktivierenden Gesellschaft zu hinter-fragen, inwieweit partikuläre wettbewerbs- und verwertungsbezogeneInteressenkonstellationen demokratisch legitimierte Institutionen undgesellschaftspolitische Zielsetzungen zurückdrängen.

Unter der Bedingung informations- und wissensgesellschaftlicher Entwick-lungen gewinnen insbesondere bei der Vorbereitung von betrieblichenEntscheidungen über anstehende Innovationen, die längst nicht mehr alleinvon den kreativen Unternehmerpersönlichkeiten des frühen Schumpetergetätigt werden, informelle und dezentrale Interaktionen mit dem Aus-tausch impliziten, nicht kodifizierten Wissens (”tacit knowledge“ nachPolanyi) über sich öffnende Organisationsgrenzen hinweg an Bedeutung.

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Dies erfordert im Hinblick auf die häufig vernachlässigten emotionalen undsozialen Aspekte kreativer Innovationsprozesse nach wie vor räumlicheNähe, die direkte Kommunikation und Kooperation von Angesicht zu Ange-sicht (”face to face”) ermöglicht. Im Zuge der fortschreitenden Wissens-teilung und Spezialisierung bedarf daher die funktionale Zuordnungmarktförmiger zwischenbetrieblicher und innerbetrieblicher hierarchischerProzesse einer verstärkten netzwerkartigen Integration (Brödner et al.1999). Sie muss von flexibilisierten Organisationen mit den sich zu intra-preneurs und entrepreneurs verselbständigenden Mitarbeitern innerhalbund außerhalb der Unternehmen geleistet werden.

Dabei wird freilich häufig ausgeblendet, dass ihre vergrößerten prozess- undkundenbezogenen Handlungsspielräume nahezu unmittelbar durchschla-genden Marktzwängen ausgesetzt sind, die auch in den sich vertrieblichendenArbeitsbeziehungen und dem hierdurch beförderten ”concession bargaining”zum Tragen kommen. Ohne das sich verstärkende Machtgefälle bei dezen-tralen Verhandlungssystemen und zwischen differenzierten Unternehmens-strukturen kritisch zu reflektieren, gehen Definitionen bei der Ausbreitunginner-, zwischen- und überbetrieblicher Interaktionen jedoch häufig vonlockeren Vernetzungen aus, in denen sich autonome Partner mit gemeinsa-men Interessen zusammenfinden. Sie bringen hiernach gleichberechtigt ihreKernkompetenzen ein, entwickeln gemeinsam bessere Produkte, erschlie-ßen neue Märkte und teilen die Gewinne (Bullinger, Zinser 1996, 379-385).Es ist keine Frage, dass solche virtuellen Verbünde nicht nur zwischengleichstarken Unternehmen, sondern auch in strategischen Allianzen zwi-schen Groß- und Kleinunternehmen existieren können, vor allem, wennletztere über eine spezifisch nachgefragte Kompetenz verfügen. Entspre-chende Kommunikations- und Kooperationsformen konnten beispielsweisezwischen einem großen Endfertiger und kleineren Zulieferbetrieben in derAutomobilindustrie zu beiderseitigem Vorteil, allerdings unter externer,wissenschaftlich gestützter Moderation, entwickelt werden (Endres, Wehner1996, 81-120).

In der Verallgemeinerung des quasi herrschaftsfreien Diskurses kommtjedoch eine noch immer lebendige Vision zum Vorschein, nach der sich dieFreien und Gleichen brüderlich bzw. geschwisterlich in dem Eden polis- oderauch kantonhafter Netze vergesellschaften, in denen Mann und Frauvertrauensvoll und engagiert („with trust and commitment“) in der Perspek-tive guten Arbeitens und Lebens zusammenwirken. Wer wollte bei dieserfriedlichen Vergemeinschaftung in Theorie und Praxis nicht dabei sein, zumalsich die kommunitären Fluchten informationstechnisch auf das globale Dorfeiner zumindestens virtuell miteinander kommunizierenden Weltgesellschaft

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projizieren lassen (Castells 2001). Dies sind vor dem Hintergrund welt-wirtschaftlicher Herrschafts- und Knechtschaftsverhältnisse, die in schein-bar grenzenlosen Vernutzungs- und vermehrten Vernichtungsprozessenoffen zutage treten, zur Zeit zweifellos illusionäre Vorstellungen. Sie verwei-sen gleichwohl in ersten widerständigen Vernetzungsformen nicht nur aufden fortwährenden Traum, sondern auch auf die potentielle Realutopieeiner mit Mensch und Natur versöhnten Weltbürgergesellschaft.

Freilich sind in der von hegemonialen Verwertungsinteressen gereinigtenVorstellung herrschaftsfreier Kooperationen bis hin zu einer harmonischenNetzwerkgesellschaft auch die Formen entwicklungsfeindlicherVernetzungen negiert, die uns überall in den aktuellen Erscheinungen derbeschleunigten Bereicherung entgegentreten – seien es die siamesischenZwillinge von wirtschaftlicher Korruption und politischer Korrumpierung, diein der Klüngelei klein- und großbürgerlicher Kreise nicht nur im schunkelndenRheinland eine fröhliche Liaison eingehen, oder sei es das von Steuerum-schichtungen oder gar Steuerbefreiungen zuweilen mehr als das Investitions-kapital profitierende Finanzkapital als eine höchst effektive virtuelleNetzwerkarchitektur. Sie führt alle steuerpolitischen Gerechtigkeitspostulatead absurdum (Krätke 2000, 34-82), stranguliert zudem mit hohen Realzinsenoberhalb der Wachstumsraten permanent beschäftigungsfördernde Inves-titionen und honoriert an der Börse gewinnsteigernde Entlassungen (Altva-ter 2001, 58-67). So bescheren die globalen, informationstechnisch vermit-telten Finanzoperationen wenigen unendlichen Reichtum und vielen großeArmut und stoßen ganze Länder und Regionen mit Millionen Menschenreihum in den Ruin (Huffschmid 1999).

Die so unterschiedlichen Vernetzungsformen weisen darauf hin, dass erstdie Freilegung ihrer Funktions-, System- und Entwicklungszusammenhängeerkennbar macht, ob diese als mafiose Clanstruktur eine parasitäre gesell-schaftliche Funktion ausüben und als verfilztes System ihre umweltspezifischeAnpassungsfähigkeit verlieren, oder umgekehrt als innovative Produktions-und Dienstleistungscluster eine regionale Revitalisierung bewirken und alsentwicklungsfähige Unternehmensstruktur strategische Wettbewerbsvor-teile erlangen können (Sydow 1993). Es lassen sich demnach, wie Fischerund Gensior (1995, 11-48) exemplarisch ausführen, positiv und negativbesetzte ”Netzspannungen” unterscheiden. Sie werden entweder als ver-trauensvolle Kooperations- und Koordinationsformen sich frei assoziieren-der Individuen mythologisiert oder als hierarchische Herrschafts- und Zwangs-verhältnisse gebrandmarkt.

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Darüber hinaus offenbart der ubiquitäre Gebrauch der Netzwerkmetaphertiefgreifende sozioökonomische Veränderungsprozesse, seien es in metho-disch-analytischer Absicht begriffliche Alternativen für theoretisch ver-wandte Konstrukte wie System und Struktur, Konstellation und Konfigura-tion in informationstechnischen, betriebswirtschaftlichen, ingenieur- undsozialwissenschaftlichen Interpretations- und Verwendungszusammen-hängen, seien es phänomenologisch zu beschreibende betriebliche, soziale,kulturelle und politische Beziehungsgeflechte oder seien es zielgerichtepragmatische Gestaltungsaktivitäten in geförderten Projekten, Kooperatio-nen und vor allem Regionen (Freeman 1992, 93-120; Krugman 1995).Entsprechend dominiert in der regionalen Netzwerkforschung ein Netzwerk-begriff, der von informellen, freiwilligen und vertrauensvollen Kooperatio-nen gleichberechtigter Partner in längerfristigen ökonomischen Transaktio-nen ausgeht. Die hier angestrebten Lern-, Handlungs- und Innovations-effekte schließen soziale, politische und kulturelle Aspekte als integrierendeStabilisatoren und stimulierende Katalysatoren im Sinne des theoretischenKonstrukts des ”Sozialkapitals” (Putnam 1992) ein, das sich aus italienischenErfahrungen speist.

2 Eine regionale Referenzfolie und aktuelle Problemlagen

Als krisenresistente Referenzfolie gegenüber den angedeuteten wider-sprüchlichen Vernetzungsformen dienen bis weit in die achtziger Jahre undteilweise noch heute wirksame industrielle Distrikte in einigen mittel-italienischen Regionen, die mit anziehenden Lebensformen, wenn auchweniger akzeptablen Arbeitsbedingungen, für uns Netzwerkanalytiker und-praktiker gekoppelt sind (u.a. Telljohann 1994, 45-76). Diese regionalenNetzwerke zeichnen sich durch die Kombination ökonomischer Produktions-cluster, sozialer Vernetzungen und kultureller Milieus aus, die sich in mittle-ren städtischen Zentren mit handwerklich geprägten Traditionen entwickelthaben, in denen kleine Serien für eine begrenzte Kundennachfrage herge-stellt werden. Hier hat sich durch das arbeitsteilige Zusammenwirken vonMaschinen-, Komponenten-, Verpackungs- und Endherstellern mit Marke-ting- und Handelseinrichtungen eine diversifizierte Qualitätsproduktion fürTextilien, Möbel, Keramik und Metallwaren herausgebildet, die mit ihren vonPiore und Sabel hervorgehobenen ”flexiblen Spezialisierungsvorteilen” auchüberregionale Absatzmöglichkeiten erschließen konnte.

Lokale und regionale Organisationen wie Behörden und Banken, Kammernund Gewerkschaften werden frühzeitig einbezogen, um Arbeitsbedingungenund Löhne auszuhandeln, Markttrends und Ausbildungserfordernisse abzu-schätzen, kurz- und langfristige Kredite zu vergeben und infrastrukturelle

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Entwicklungskonzepte zu erarbeiten. So haben sich regelmäßige Interakti-onen zwischen politischen, sozialen und wirtschaftlichen Akteuren heraus-gebildet, die immer wieder Konfliktlösungen ermöglichten und eine langfris-tige Vertrauensbildung bewirkten. Hierbei spielen gemeinsame Sozialisations-formen, durch diese vermittelte und historisch aufgeladene Werthaltungenbis hin zu familiären Bezügen eine nicht zu unterschätzende Rolle. Diesozialkulturelle Dimension dieser sozioökonomischen Netzwerke trägt mitihren vielfältigen informellen Beziehungen zu einer innovativen Anpassungan die sich seit den neunziger Jahren verändernden Anforderungen bei, dieentscheidend von Technologiefinanzierung, Marketing und überregionalenKooperationen bestimmt werden. Hierbei entsteht allerdings die Gefahrihrer Funktionalisierung durch das Eindringen transnationaler Konzern-strategien, die sozial-kulturelle Einbettungen entleeren und politisch-ökono-mische Partnerschaften aushöhlen können (Grabher 1993, 24f.).

Im Unterschied zu solch regionalen Innovationsmilieus mit ihren historischgewachsenen sozialen Beziehungen auf handwerklich geprägter industriel-ler Grundlage stehen jedoch zurückfallende Regionen vor dem Problem, dassich ihr traditionelles Branchencluster aus bestimmenden Industriezweigenwie z.B. Kohle und Stahl oder Schiffs- und Maschinenbau mit eingespieltenZulieferbeziehungen und zugehörigen Infrastrukturen, die bei zurückgeblie-benen Regionen allenfalls marginal ausgebildet sind, mehr oder wenigeraufgelöst hat. Dagegen operieren neu angesiedelte Großbetriebe etwa inLuft- und Raumfahrt, Biotechnologie und Mikoelektronik in überregionalenFertigungsverbünden, die in der Regel von entfernten Unternehmens-zentralen mit ihren Finanz- und Forschungsabteilungen gesteuert werden.Daher sind ehemals innovationsförderliche Netzwerke nur noch rudimentärvorhanden, während sich neue noch nicht etabliert haben; so wandernweitere mobile Akteure stillschweigend ab, und es breitet sich eine resigna-tive Grundstimmung aus.

Angesichts der dynamischen und komplexen Marktanforderungen fehlt denBetrieben häufig das Know-how und die innerorganisatorische Flexibilität fürdie Erschließung neuer, nunmehr auch überregionaler zwischenbetriebli-cher Kooperationen. Das Problem verschärft sich bei anstehenden Prozess-und Produktinnovationen, wenn die produktionsnahen Unterstützungs-dienste von Ingenieurbüros, Softwarehäusern und Innovationsagenturenerst unterproportionale Anteile aufweisen oder nur suboptimal genutztwerden können. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn die ”betrieblicheAbsorptionskapazität” (Cohen, Levinthal 1990, 128-152), d.h. die eigeneimmaterielle Innovationsinfrastruktur nicht ausreicht, um einen zielgerichteten

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Informations- und Wissensaustausch mit technischen und wissenschaftli-chen Einrichtungen zu ermöglichen. A. Saxenian (1994) hat die sozio-kulturelle Dimension solcher Handlungsblockaden anhand der traditionel-len, vom puritanischen Milieu und von staatlichen Rüstungsaufträgen ge-prägten Route 128 in Massachusetts im Vergleich zu dem modernenaufstrebenden kalifornischen Silicon Valley herausgearbeitet. Die hier ent-wickelten Mentalitäts-, Qualifikations- und Kooperationsstrukturen schei-nen in der schwärenden Krise der neuen Ökonomie gegenwärtig wiederBoden unter den Füßen zu bekommen (Levy 2002, 56-64).

Verschärfend wirkt dagegen in daniederliegenden Regionen, dass sich dieBildungs-, Aus- und Weiterbildungseinrichtungen an die sich rascher verän-dernden Qualifikationsanforderungen erst mit Zeitverzügen einstellen unddiese kaum auf die konkreten betriebsspezifischen Bedarfslagen herunter-brechen können. So klaffen auf den lokalen und regionalen Arbeitsmärktenhäufig Arbeitsangebot und Arbeitsnachfrage nicht nur quantitativ, sondernauch qualitativ auseinander, einmal abgesehen von dem anhaltenden„brain drain“ in die prosperierenden Regionen. In dieser verfahrenen Situa-tion können integrierte arbeits- und technikpolitische Förderprogramme mitprozessbezogenen Qualifizierungsmaßnahmen eine entschärfende Funkti-on gewinnen, wenn es gelingt, überbetriebliche sozioökonomische Clustermit verbesserten Arbeits-, Qualifizierungs- und Innovationsstrategien derintermediären Akteure wie z.B. Kammern, Gewerkschaften und Berufs-schulen herauszubilden, die regionale Entwicklungsimpulse auslösen kön-nen (Oehlke 1996, 229-246). Diese bedürfen allerdings einer institutionellenStabilisierung und darüber hinaus einer strategischen Einbettung in einelangfristig angelegte regionalökonomische Entwicklungsstrategie. Dochzeigen die Schwierigkeiten ihrer Realisierung, dass die in der Distriktfor-schung ausgewiesenen, langfristig gewachsenen Vernetzungsprozesse nurbedingt aus der Retorte geschaffen werden können.

Im Unterschied zu regionalen Rückbildungen mit ihren Revitalisierungs-problemen nehmen Niedergangsprozesse dort dramatische Züge an, woeine nicht hinreichend instrumentierte Anbindung an ein einheitlichesWährungsgebiet mit höherer Produktivität erfolgt, ob es sich um denDollarraum in Südamerika oder um die künftige Euro-Zone für die osteuro-päischen Beitrittsländern handelt. So reproduzierten sich mit der ostdeut-schen Integration in das westdeutsche DM-Gebiet die Kohäsionsproblemeder europäischen Wirtschafts- und Währungsunion. Noch gefördert durchrasche Deregulierungs- und Privatisierungsmaßnahmen kam es zu tiefgrei-fenden wirtschaftlichen und sozialen Desintegrationserscheinungen. Lau-

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fende Betriebsschließungen sorgten für eine bisher nicht bewältigte Massen-arbeitslosigkeit und eine anhaltende Abwanderung qualifizierter Arbeits-kräfte. Entsprechend folgten soziale und regionale Polarisierungs- undDifferenzierungsprozesse, die das strukturelle Wohlstandsgefälle zu denalten Bundesländern überlagern.

Die beschleunigte marktwirtschaftliche Transformation der zentralen Plan-wirtschaft schloß eine mit der Privatisierung durchgesetzte Zerlegung derKombinate mit hoher Fertigungstiefe und enger Verknüpfung mit staatli-chen Handelsagenturen ein. Dabei wurden von der mit weitreichendenVollmachten ausgestatteten Treuhandanstalt weder Landtage noch Lan-desregierungen hinreichend einbezogen, geschweige denn regionale undsektorale Stabilisierungs- und Entwicklungserfordernisse oder gar einevolkswirtschaftlich orientierte Sanierung nach den Empfehlungen einesGutachtens der Unternehmensberatung McKinsey & Company berücksich-tigt. So konnten sich die ehemaligen politisch-ökonomischen Netzwerkeunter den Bedingungen ihres vorwiegend betriebswirtschaftlich orientiertenAusverkaufs und Aufkaufs nicht analog zu westdeutschen Konzernen mitihren vielfältigen inner- und zwischenbetrieblichen Dezentralisierungs-,Kooperations- und Konkurrenzstrategien restrukturieren (Priewe, Hickel1991, 164-188).

Mit dem Verlust der geregelten Einkaufs- und Verkaufsbeziehungen zu denosteuropäischen Handelspartnern verstärkten sich die wirtschaftsstrukturellenund managementbezogenen Probleme für die angestrebte Reaktivierungalter industrieller Kerne selbst in der Funktion von quasi verlängertenWerkbänken. In der betriebspolitischen Abhängigkeit von westlichen Unter-nehmenszentralen sind auch der regionalen Strahlkraft neuer technologie-intensiver „Leuchttürme“ enge Grenzen gezogen. Es ist daher insgesamteine Unterausstattung des technisch-organisatorischen Innovations-managements diagnostiziert worden. Erschwerend kommt hinzu, daß dieneu gestaltete Forschungslandschaft stärker mit westdeutschen als mitostdeutschen Unternehmen verflochten ist (Koschatzky, Zenker 1999).

Das gegenwärtig Auslaufen der Baukonjunktur und die Verlangsamung derAufholprozesse stellen erneut umfassende wirtschaftspolitische Aufgabenauf die Tagesordnung: einmal die eigenständige Revitalisierung relativkonjunkturunabhängiger regionaler Wirtschaftskreisläufe, zum anderen diekomplexe Förderung einer modernen sektoralen Exportinfrastruktur,schließlich aber eine finanzpolitische Stärkung der Binnennachfrage undInvestitionstätigkeit. Erst eine effektive Kombination von staatlich angereg-

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ten Aktivitäten mit fiskalisch geförderten privaten Investitionen vermagstabile Wachstums- und Beschäftigungseffekte auszulösen und könntedazu beitragen, die schon vor Jahren befürchtete ”moderne, deutscheVariante des Mezzogiorno” (Schiller 1994 nach Noé 2001, 6) zu vermeiden.Solche dringenden, öffentlich zu vermittelnden Investitionserfordernissewiderlegen einmal mehr die neoklassische Lehrmeinung, nach der diefreigesetzten Marktkräfte quasi automatisch sich selbst tragende oderherstellende Aufschwünge hervorbringen.

3 Transnationale Wertschöpfung und sozialstaatlicheTransformation

Die arbeitsmarkt- und regionalpolitischen Probleme erfahren eine grund-sätzliche Verschärfung durch die sich im Zuge der fortschreitenden ökono-misch-technischen Entwicklung herausbildenden transnationalen Wert-schöpfungsketten und Produktionsnetzwerke. Sie werden von fokalenUnternehmenskomplexen bestimmt, die im Interesse der Shareholder einebescheunigte Reorganisation vorantreiben. Sie lässt sich als finanzstrategischeZentralisierung der Entscheidungskompetenzen und operationelle Dezent-ralisierung der betrieblichen Fertigung zusammenfassen.

Unter den Bedingungen der wertanalytischen Profitmaximierung und stoff-lichen Integration der Produktion entsteht eine breite Palette von sichüberlagernden Kooperations- und Konkurrenzbeziehungen. So gehen inden bekannten Zuliefererpyramiden der Automobilindustrie zentral gesetz-te finanzpolitische Zielvorgaben und hierarchisch gesteuerte produktions-technische Vernetzungen mit Entwicklungskooperationen von System-lieferanten, Softwarehäusern und technischen Instituten am oberen Endeund am unteren mit verstärktem Wettbewerbsdruck bei den Lohnfertigerneinher. Verallgemeinernd schlußfolgern Sauer und Döhl (1996), daß diemarktgesteuerten Dezentralisierungs- und Auslagerungstendenzen zugleichnetzförmige Koordinations- und Integrationserfordernisse mit neuen Konfi-gurationen von Autonomie und Kontrolle hervorbringen.

Die betrieblichen Flexibilisierungs- und Rationalisierungsstrategien schlagensich in polarisierten und segmentierten Arbeitskräftestrukturen nieder. Sostehen den in Kernbereichen verbleibenden Stammbelegschaften in ausge-lagerten Betriebsteilen jene Randbelegschaften gegenüber, die selbst wiedereinen fließenden Übergang zu prekären Beschäftigungsverhältnissen undfreigesetzten Arbeitslosen markieren. Entlang der logistischen Ketten ver-schärfen sich soziale Unsicherheit und Leistungsdruck durch verknappteTerminvorgaben, beschleunigte Arbeitsabläufe und ständige Personalaus-

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dünnungen. Hierbei erfahren die zusammenschmelzenden Arbeitsgruppendie Tendenzen zu kooperativer Selbstregulation entweder als zwanghafteIntegration unter informationstechnischer Kontrolle oder als eine durchunkalkulierbare Marktzwänge geschmälerte Autonomie. Davon können dieneuen „selbständig Unselbständigen“ oder die neuen ”Arbeitskraftunter-nehmer” (Voß, Pongratz 1998, 131-158) in der Intensivierung ihrer Arbeitund Entgrenzung ihres Arbeitstages gleichermaßen betroffen sein.

Die arbeits- und unternehmenspolitischen Differenzierungs- und Integrations-prozesse in vertikalen und horizontalen Netzwerken verstärken die über-kommenen lokalen und regionalen Ungleichgewichte über staatliche Gren-zen hinaus. So haben sich im Unterschied zu den traditionellen lokalen undregionalen Netzwerken flexibler Spezialisierung in Europa längst übergrei-fende moderne Dienstleistungs-, Innovations- und Finanzzentren herausge-bildet, die sich durch eine hohe Dichte von Forschungs- und Entwicklungs-abteilungen transnationaler Unternehmenskerne, mit ihnen kooperieren-den wissenschaftlich-technischen Instituten sowie unterstützenden Finanz-und Unternehmensdiensten bis hin zu breiten Freizeit- und Kulturangebotenauszeichnen. Diese städtischen Ballungsräume mit ihren materiellen, sozia-len und kulturellen Infrastrukturen sowie ihren informellen Netzwerken ausKommunikations- und Kooperationsformen dienen als Magnet für einenbreiten Strom von Human- und Finanzresourcen aus nahen und entferntenRegionen.

Umgekehrt werden die Entwicklungspotentiale der zuliefernden Regionenfortschreitend eingeschränkt, analog zu der Mehrzahl von Fußballvereinen,die einen permanenten Aderlass herausragender Spieler an die wenigenSpitzenclubs erleiden, die gleichsam als börsennotierte „global players“ inden europäischen Wettbewerben mitmischen. Daher raten schon seitlängerem einflussreiche Managementtheoretiker sich entwickelnden Län-dern und Regionen, um angesichts der hohen Gewinnmargen spekulieren-der Finanzkapitale überhaupt noch Investitionskapital anziehen zu können,zum Spagat zwischen niedrigen Kostenstrukturen und intelligentenInfrastrukturleistungen, d.h. im Bereich der Arbeit zur Kombination vongeringen Löhnen und hohen Qualifikationen (Ohmae 1991).

Dies wird mittlerweile nicht nur von großen Unternehmen in den neuenBundesländern, sondern vor allem von transnationalen Konzernen in osteu-ropäischen Beitrittsländern zur EU wie Ungarn, Polen und Tschechiengenutzt, um neue technisch-organisatorische Entwicklungspfade zu er-schließen (Dörr, Kessel 1999). Diese Länder wie übrigens auch die großenMächte Russland, China und Indien geraten gegenüber den reichen Indus-

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trie- und Dienstleistungsstandorten allerdings in eine doppelte Alimentations-falle: nicht nur durch die Bereitstellung günstiger infrastruktureller Rahmen-bedingungen für die dort beheimateten Konzernzentralen, sondern auch alsReservoir abwandernder bzw. angeworbener qualifizierter Arbeitskräfte,deren Reproduktion, Sozialisation und Ausbildung hier ebenfalls vorgeleistetworden ist.

Die erläuterten arbeits- und regionalpolitischen Differenzierungsprozessewerden zwar ursächlich von nach wie vor national verankert bleibendenUnternehmensstrategien in einem zunehmend globalen Rahmen bestimmt(Hirst, Thompson 1996, 80-96); doch sind diese durch die vielfach nachge-wiesene wettbewerbspolitische Transformation sozialstaatlicher Aktivitä-ten verstärkt worden, die erhebliche binnenwirtschaftliche Steuerungs- undLegitimationsverluste mit sich bringen (u.a. Hirsch 1995). Entsprechendwerden durch monetaristische Stabilisierungs- und finanzpolitischeAusteritätspolitiken in der nahezu ausschließlichen Orientierung auf eineSenkung der Haushaltsschulden und Inflationsraten, aber keineswegs derKapitalmarktinflation der Börsenkurse, faktisch steigende Arbeitslosen-quoten und gespaltenen Arbeitsmärkte, sinkende Sozialausgaben und einesich verfestigende Armut in Kauf genommen (Schmidt 1996, 699-706).

Flankiert durch soziale Leistungskürzungen und arbeitsrechtliche Flexibili-sierungen wird der Lohn als volkswirtschaftlicher Nachfragefaktor im Inte-resse betriebswirtschaftlicher Kostenkalküle zurückgedrängt. Entsprechendsetzen sich gegenüber ehemals konjunkturstützenden Kreislauforien-tierungen zunehmend angebotsbezogene Wettbewerbsstrategien durch.Sie nutzen in nachfragepolitischen Restriktionen und steuerpolitischenEntlastungen jedoch selektiv transnationalen Konzernen und internationaloperierenden privaten Finanzanlegern. Beide avancieren zu den zentralenAkteuren auf den Weltmärkten, die nunmehr den jeweiligen Standortenihre, am Shareholder Value orientierten Renditebedingungen diktieren. Wiesehr hiervon die regionalen Bestrebungen und Bündniskonstellationen umindustrielle Restrukturierung und betriebliche Reorganisation eingeschränktwerden können, zeigt eine differenzierte Prozeßanalyse in der mittel-fränkischen Region um Nürnberg (Dörre 1999, 187-203). Entsprechendenegative Auswirkungen auf den „Aufbau Ost“ als solidarischer nationalerAufgabe hat der Altbundeskanzler Helmut Schmidt in seinen DüsseldorferVorlesungen zur ”Globalisierung” (1999) vehement kritisiert, in denen er fürnationale und regionale Entwicklungsblockaden bis hin zu katastrophen-artigen Rückschlägen letztendlich die weitgehende Liberalisierung des inter-nationalen Geld- und Kapitalverkehrs verantwortlich macht.

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In dieser Form der Globalisierung kommt eine grundlegende Verschiebungder national eingebundenen gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse insbe-sondere zuungunsten der lohnabhängigen Beschäftigten, mittelständischgeprägten Wirtschaftssektoren und schwächeren Länder zum Ausdruck. Eshandelt sich hierbei um eine neoliberale Trendwende, die von einer sichglobal regruppierenden Schicht aus einflussreichen Aktionären, Managern,Militärs, Politikern und Spitzenbeamten unter Führung der USA als deruneingeschränkten Hegemonialmacht in meinungsformierenden Instituten,Konferenzen und Positionspapieren im Sinne des ”Washington Consensus”ideologisch vorbereitet worden ist und über weltmarktregulierende Institu-tionen wie G7, IWF und WTO gegenüber noch diffusen Widerständenumgesetzt wird (Matzner 2000). Sie fungieren im oligopolistischen Interesseeiniger tausend transnationaler Unternehmen, die in einer digital vernetztenMarktwirtschaft zugleich die soziokulturellen Arenen des gesellschaftlichenLebens, schon fortgeschritten in den elektronisch vermittelten Medien, zubeherrschen beginnen. (Schiller 1999).

Damit kippt unter politiktheoretischem Blickwinkel die sozialstaatliche Ba-lance zwischen repräsentativer Demokratie und privatkapitalistischenEigentumsverhältnissen zugunsten letzterer. So kommt es unter vermeint-lichen ökonomischen Sachzwängen zu vielfältigen Prozessen sozialer unddemokratischer Involution (Agnoli). Hieran wirken vorkonstitutionelle, nichtdemokratisch kontrollierte Institutionen auf der Ebene des Weltmarktes,aber auch der Europäischen Union mit, die wie der IWF und die EuropäischeZentralbank von einem Volkssouverän nicht oder nur bedingt zur Verant-wortung gezogen werden können. Unter ihrem Einfluss verlieren auch diesozial- und regionalpolitischen Ausgleichsmechanismen an Bindekraft, wo-durch in einigen europäischen Ländern wie in Italien der aus der Nachkriegs-ära stammende verfassungspolitische Konsens in Frage gestellt wird.

Störungen des sozialen und regionalen Zusammenhalts moderner kapitalis-tischer Gesellschaften rücken bei anhaltender Massenarbeitslosigkeit undsteigenden sozialen Anforderungen, sinkenden Steuereinnahmen und gleich-zeitigen Steuerumschichtungen nicht nur in der Bundesrepublik Deutsch-land mit ihren anhaltenden Wiedervereinigungsproblemen ins Zentrumgesellschaftlicher Auseinandersetzungen und politischer Steuerungs-konzepte. Diese orientieren sich jedoch in einer nach wie vor „obzessivenWettbewerbsfixierung“ (Krugman) auf die Verbesserung der jeweiligen,nach unten gedrückten Angebotsbedingungen, um entweder Unterneh-men an den Standorten zu halten oder Produktionssegmente transnationalerKonzerne anzuziehen. Und letztere brauchen den gesellschaftspolitischenSkandal nicht mehr zu verbergen, kaum noch oder gar keine Steuern mehr

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zu zahlen, sich also jenseits des Gemeinwohls und sozialer Verantwortungzu befinden. In der faktischen Außerkraftsetzung der in der Bundesrepublikverfassungspolitisch verbrieften Sozialpflichtigkeit des Eigentums und derhiermit verbundenen Akkumulation des privaten Reichtums jenseits allerProportionen verbreitert und vertieft sich nicht nur das von Bourdieu undMitarbeitern eindrucksvoll für Frankreich dokumentierte soziale Elend,sondern ebenso die schon von Galbraith in früheren Jahrzehnten in den USAkritisierte öffentliche Armut, die besonders in den Kommunen ins Auge fälltund dort wiederum die Schwächsten trifft.

Angesichts der nach unten weiter gereichten Problemlagen verstärken sichjedoch die gesellschaftlichen Legitimationsprobleme, die sich erst durchumfassende politische und institutionelle Interventionen entschärfen lassen.In diesem Zusammenhang können öffentliche Zukunftsinvestionen mitsozial-ökologischer Akzentsetzung etwa in Energie und Transport, sozialenund kulturellen Dienstleistungen einen wirksamen Flankenschutz für denAusbau dringend benötigter örtlicher Infrastrukturen geben. In solch makro-politischer Einbettung dürfte die geförderte Stärkung regionaler Innovations-träger durch diverse unternehmens-, technologie- und bildungsorientierteMaßnahmen, Initiativen und Programme gerade in den neuen Bundeslän-dern eine erhöhte Wirksamkeit gewinnen. Der hier angestrebte Aufbau vonstabilen Produktions-, Dienstleistungs- und Innovationsnetzwerken soll dieMöglichkeiten für eigenständige Qualitäts- und komplementäre Speziali-sierungsstrategien erweitern. Diese können wiederum regionale Wirtschafts-kreisläufe und überregionale Austauschprozesse sowie Verhandlungsstärkein transnationalen Wertschöpfungsketten befördern (Hirsch-Kreiensen 1995,422-435; Kurz, Wittke 1998). Solche Zielsetzungen regionalpolitischer In-standsetzung finden jedoch unter sich verschränkenden politischen Kontext-bedingungen statt: der skizzierten sozialstaatlichen Transformation, diedurch europäische Regulationsformen überlagert wird.

4 Nationale Politik und europäische Mehrebenenregulation

Die in der wissenschaftlichen Literatur klassifizierte Transformation desSozialstaats in den Wettbewerbsstaat (Heinze et al. 1999) findet allerdingsunter den Bedingungen der europäischen Integration statt. Sie bringt zwi-schen nationalstaatlichen Herausforderungen und weltmarktpolitischenZwängen ebenso vermittelnde intergouvernementale Instanzen wie eigen-ständige supranationale Regulationsebenen wie z.B. die Europäische Zentral-bank, den Europäischen Gerichtshof und die Europäische Kommissionhervor, letztere mit differenzierten verfahrenspolitischen Verflechtungen indiversen Ausschüssen, Gremien und Netzwerken mit nationalen Regierun-gen und den Sozialpartnern.

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Von dem sich erweiternden ordnungspolitischen Rahmen wird mit einerfortschreitenden Verringerung der Transaktionskosten von der Freihandels-zone über den Gemeinsamen Markt bis zu einer einheitlichen Währungquasi im Selbstlauf zweierlei erwartet: einmal die Stärkung der globalenWettbewerbsfähigkeit und zum anderen Wohlstandsgewinne überProduktivitätszuwächse. Während in dieser modelltheoretischen Perspekti-ve Geldpolitik und Zinshoheit von der autonomen Europäischen Zentralbankin eigener Regie übernommen worden ist, soll nach dem Subsidiaritätsprinzipinsbesondere die Arbeits- und Sozialpolitik für die Nationalstaaten reserviertbleiben, die in ihren liberalen, christdemokratischen und sozialdemokrati-schen Varianten erhebliche Unterschiede aufweisen (Albert 1991; Esping-Andersen 1990). Dennoch haben die europäischen Institutionen in besonde-ren Feldern wie dem Arbeits- und Gesundheitsschutz oder der Gleich-behandlung der Geschlechter zunehmend Handlungskompetenzen erlangt,die im allgemeinen aber der Marktkompatibilität sozialpolitischer Maßnah-men dienen. Dies tritt besonders deutlich bei der Freizügigkeit der Arbeit-nehmer und den portablen Sozialleistungen zutage. Trotz der nach wie vorstarken Stellung der mächtigen, das Subsidiaritätsprinzip zu ihren Gunstennutzenden Mitgliedstaaten hat sich im ”Standort Europa” (Leibfried, Pierson1998) eine institutionalisierte Mehrebenenregulation mit fragmentiertenZuständigkeiten herausgebildet.

Die sich überlagernden und durchdringenden Willensbildung-, Entschei-dungs- und Durchführungsprozesse auf regionalen, nationalen und europä-ischen Ebenen befinden sich im Zuge der sozioökonomischen Integrationjedoch in einem dynamischen Veränderungs- und Gestaltungsprozess miteiner kontinuierlichen Ausweitung europäischer Befugnisse und Einflüsse.Diese verengen unter dem Maastrichter Verbot jeglicher Behinderung desfreien Wettbewerbs wiederum nationale Entscheidungsspielräume im Hin-blick auf marktkorrigierende Aufgaben etwa in den sozialen Leistungen undöffentlichen Dienstleistungen, ohne dass bisher ein entsprechender europä-ischer Regulierungsgewinn gegenüber den marktschaffenden Maßnahmenzu verzeichnen ist. In dieser Form „negativer Integration“ mit einer ausge-dünnten demokratischen Legitimationskette (von der Vring 1996, 385-408)stellen monetäre Konvergenz und soziale Divergenz die beiden Seiten einerMedaille dar. Letztere ist vor dem Hintergrund der überkommenen sozialenDisparitäten innerhalb und zwischen den europäischen Ländern zugleichvon aktuellen sozialstaatlichen Erosionsprozessen geprägt.

Wenn aber Produktivitätsunterschiede der Arbeit nicht mehr durch Wech-selkursanpassungen und Zinsinterventionen aufgefangen werden können,entsteht unter den Bedingungen einer sich verschärfenden Kostenkonkurrenz

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ein harter Druck zur lohn- und sozialpolitischen Differenzierung nach unten,von der gesamtwirtschaftlich deflationäre Effekte ausgelöst werden kön-nen. Im Gegensatz zu vernachlässigten volkswirtschaftlichen Nachfrage-erhöhungen werden jedoch betriebswirtschaftliche Kostensenkungen vonWirtschaftsführern, Politikern und Sachverständigenkommissionen immerwieder gegenüber opponierenden Gewerkschaften und Memoranden al-ternativer Wissenschaftler angemahnt. Dabei spielen die europa- undweltmarktpolitischen Sachzwangargumente eine ausschlaggebende Rolle,ob es sich um die angeblich zu hohen Steuern und Sozialleistungen oderrigide Arbeitsmarkt- und Umweltregelungen handelt. Selbst bar demokra-tischer Legitimität höhlen die neoliberalen Argumentationsfiguren die legis-lativen Befugnisse und exekutiven Entscheidungen auf nationaler Ebeneauch deshalb aus, weil sie von suprastaatlichen und internationalen Institu-tionen wie der Europäischen Zentralbank oder der Welthandelsorganisationexekutiert werden, die ohne verfassungspolitische Legitimation eingesetztworden sind und insofern keinem Volkssouverän rechenschaftspflichtig sind(Scharpf 2002, 65-92).

Der verborgene klassenpolitische Inhalt der reaktivierten demokratie-feindlichen Markt- und Ungleichheitsideologien mit ihren institutionellenErmächtigungen und politischen Arenen liegt bei den sich nach unten”spiralisierenden, kompetitiven Deregulierungen” (Pierson/Leibfried) aufder Hand: eine weitere Stärkung des Kapitals auf Kosten der Arbeit, die inder Einkommens- und Vermögenspolarisierung in den letzten Jahrzehntennach allen verfügbaren statistischen Indikatoren längst monströse Ausmaßeangenommen hat. Dies ruft innerhalb supranationaler Wirtschaftsräumewie der EU jedoch neue repolitisierbare Widersprüche zwischen den Sozial-und Tarifpartnern sowie den Nationalstaaten untereinander und innerhalbdieser zwischen den Regionen hervor. Denn die sozial- und arbeitspolitischenFolgen der anhaltenden Massenarbeitslosigkeit wie der durch sie bewirktensozialen Exklusion erfahren zugleich eine regionale Ausprägung. So stellt derGemeinsame Binnenmarkt das Problem des sich auflösenden sozialenZusammenhalts auch in der Form sich vertiefender regionaler Disparitätendurch die Kombination von negativen und positiven Standortfaktoren auf dieeuropäische Tagesordnung.

Entgegenwirkende Struktur- und Sozialpolitiken verhalten sich zwar wiekommunizierende Röhren; unter den Bedingungen wettbewerbsbezogenerTransformationsprozesse des Sozialstaats haben sich jedoch zunächst vorallem strukturpolitische Maßnahmenpakete in dem Regionalfonds EFRE unddem Sozialfonds ESF durchgesetzt, die an der angebotsorientierten Förde-rung von benachteiligten Arbeitskräften, investitionsschwachen Unterneh-

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men und unentwickelten Infrastrukturen ansetzten. Zudem wuchs dieBedeutung der Strukturfonds mit dem Beitritt von Ländern mit regionalenEntwicklungsrückständen wie Irland, Griechenland, Spanien und Portugal.Dies dürfte sich demnächst mit den osteuropäischen Ländern wiederholen,auch wenn sich die nationalen Nettozahler gegen weitere Erhöhungen desinsgesamt schmalen europäischen Haushaltsbudgets von 1,27% des Brutto-inlandsprodukts (BIP) sperren.

Seit der Reform der Strukturfonds von 1988, die mit einer Verdopplung ihrerAusgaben verbunden war, hat die Europäische Kommission mit den gemein-schaftlichen Förderungskonzepten (GFK) verstärkte regional- und sozialpo-litische Initiativen etwa für Krisenbranchen und Umweltprobleme, For-schung und Entwicklung, Berufsbildung und Beschäftigung ergriffen. Zugleichdrängte sie auf eine stärkere Integration früher separierter sozial- undwirtschaftspolitischer Aktivitäten sowie auf über Einzelprojekte hinausge-hende Programmplanungen. Im Zuge ihres sich hiermit deutlich erweitern-den Aktionsspielraums hat die Kommission betont, dass die gesellschaftlicheAkzeptanz des Integrationsprozesses eine stärkere Berücksichtigung dersozialen Dimension des Binnenmarktes verlange. Dies hat in dem Weißbuch”Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit, Beschäftigung” von 1993 und in derLosung eines „europäischen Sozialmodells“ (Bercusson et al. 1996) wie inder jüngst wieder verstärkten Einforderung des „sozialen Dialogs“ einendifferenzierten programmatischen Ausdruck gefunden.

Seitdem gewinnen struktur-, sozial- und beschäftigungspolitische Aktivitä-ten fortlaufend an Bedeutung, mit denen die Legitimationsdefizite neo-liberaler Marktderegulierungen, Geld- und Budgetrestriktionen aufgefan-gen werden sollen. Letztere bewirken unter dem vorherrschenden wett-bewerbspolitischen Primat jedoch eine vorwiegend angebotsorientierteAusrichtung der Maßnahmen zur Stärkung des sozialen Zusammenhalts(Deppe, Tidow, 9-57). Hierbei ergänzen und durchdringen sich die regional-politische Strukturfondsförderung, sozialpolitische Aktionsprogramme unddie europäische Beschäftigungsstrategie. Dies lässt sich insbesondere an derEntwicklung des Europäischen Sozialfonds von einem Refinanzierungs-instrument nationaler Maßnahmen zu eigenständiger Interventions-kompetenz erkennen, durch die arbeitsmarkt- und regionalspezifischeMaßnahmenbündel mit präventiv orientierten beschäftigungs- und unter-nehmenspolitischen Zielsetzungen verknüpft werden.

Vergleichbare Akzentverlagerungen lassen sich auch in der Entwicklungentprechender arbeits- und regionalpolitischer Programme und Aktivitätenin einigen europäischen und hier vor allem in nordischen Ländern, aber auch

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in Frankreich und den Niederlanden erkennen. In der Bundesrepublik Deutsch-land gingen die humanisierungspolitischen Zielsetzungen in den siebzigerJahren und technikpolitischen Gestaltungsansätze in den Achtzigern in derfolgenden Dekade zunehmend in dienstleistungs- und innovationsorientierteBestrebungen über. Die damit verbundenen beschäftigungs- und unter-nehmenspolitischen Zielsetzungen sind nunmehr zu einem flexibel handhab-baren Rahmenkonzept gebündelt worden, das sich als kompatibel mit denvier Säulen und den von ihnen strukturierten Leitlinien der europäischenBeschäftigungsstrategie erweist (Oehlke 2001, 109-140).

In der Instrumentierung der Strukturfonds von den Förderbedingungen übergemeinsame inhaltliche Leitlinien bis hin zum Benchmarking undMainstreaming werden die nationalen Aktivitäten nicht nur durch europä-ische ergänzt, sondern auch überlagert und darüber hinaus insbesondere inder Regionalförderung mit neuen Akzenten versehen. Sie gehen in dieRichtung institutioneller Innovationen, die kooperative Vernetzungen aufinstrumenteller und politischer Ebene in der Perspektive einer effektiverenStrukturentwicklung mit lokalen Beschäftigungseffekten bewirken können.Dies kommt in der regionalen Stärkung der Humanressourcen, kleinen undmittleren Betriebe sowie technologischen Innovationsträger zum Ausdruck.Für letztere steht im Kontext der informations- und wissensgesellschaftlichenEntwicklungen die funktionale Zusammenarbeit von technologieintensivenUnternehmen, innovativen Unterstützungsdiensten, wissenschaftlichen In-stituten und öffentlichen Förderagenturen im Vordergrund. Sie sollen einenbeschleunigten Informations- und Wissenstransfer in regionalspezifischenWachstumsfeldern gewährleisten.

5 Der wachsende förderpolitische Integrationsbedarf

Die meisten Förderprogramme zur regionalen Innovationsstärkung in entwi-ckelten Ländern stellen schon in ihrer instrumentellen Anlage dieWettbewerbsfähigkeit von nationalen technologiepolitischen Schwerpunkt-setzungen und branchenbezogenen Clusterbildungen in den Vordergrund,von denen marktfähige Produktinnovationen mit nationalen Wettbewerbs-vorteilen im Sinne der bahnbrechenden Untersuchungsergebnisse MichaelPorters (1991) erwartet werden. Diese Aktivitäten zielen einerseits auf dieBündelung von marktbeherrschenden Unternehmen und wissenschaftlich-technischen Kompetenzzentren im Hinblick auf die angestrebte internatio-nale Wettbewerbsfähigkeit in modernen technologischen Leitsektoren wieMikroelektronik, Informationstechnik und Biotechnologien. Andererseitserfolgen hierzu komplementär regionale Fördermaßnahmen, die in breite-ren Kooperationsverbünden aus Forschungs- und Bildungseinrichtungen mit

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Unternehmen und politischen Entscheidungsträgern eine nachhaltige Ver-besserung der regionalen Innovationsfähigkeit und erweiterte Beschäfti-gungsmöglichkeiten anstreben (Velling 2000, 86-97).

Entsprechend soll im InnoRegio-Prozess für die neuen Bundesländer ingestaffelten Förderphasen erreicht werden, dass forschungs- und bildungs-politisch gestützte Kompetenz-, Innovations- und Wachstumsprofile ver-stärkt, weiter entwickelt oder sogar neu aufgebaut werden. Dabei ist einregionaler Branchenmix mit seinen Zuliefer- und Fertigungsbetrieben sowieVertriebskanälen anzustreben. Nach dem Vorbild der italienischen Distriktehat die vermittelnde Funktion des Geflechts privater, halbstaatlicher undöffentlicher Organisationen und Institutionen eine nicht zu unterschätzendeBedeutung. Die frühzeitige fachliche Mitwirkung von arbeits-, wirtschafts-und umweltpolitischen Akteuren wie Gewerkschaften, Kammern und Ver-bände verringert die Gefahr sozialer Legitimationsverluste bei technisch-ökonomischen Innovationen schon dadurch, dass einseitige betriebs-wirtschaftliche Kostenexternalisierungen bei anstehenden Investitions-entscheidungen eher vermieden werden können. Die hierfür nötige wech-selseitige Vertrauensbildung lässt sich von der umfassenden Informations-beschaffung über regionalökonomische Planungs- und Entscheidungs-prozesse bis zu betrieblichem Ressourceneinsatz und späterer Vermarktungallerdings erst in längeren Inkubationszeiten herstellen. Hierfür ist eineintern getragene und prozessorientierte Moderation mit längerem Atemnötig. Sie bedarf in der Regel einer externen, aber degressiv abnehmendenfinanziellen Unterstützung in einer strukturbildenden Perspektive.

Dennoch bestehen nur schwer zu bewältigende förderpolitische Problemeschon in den unterschiedlichen Zeitverläufen bei der wachsenden Komple-xität von ökonomisch verwertbaren FuE-Maßnahmen über die nur nochindirekt zu beeinflussenden sozialen und politischen Interaktionen bis hin zuden kulturellen Sozialisationsformen, die auch unter modernen Beschleu-nigungstendenzen nach Jahrzehnten rechnen. Deren langfristige Entwick-lung, die sich in der klassischen deutschen Bildung etwa bei Goethes WilhelmMeister und Doktor Faustus exemplarisch auf ein ganzes Leben bezieht,steht in eklatantem Widerspruch zu der von Richard Sennett (1998) soüberzeugend dargestellten flexiblen Arbeits- und Lebensweise nomadisie-render Einzelexistenzen, die ihre unzureichenden sozialen und das heißtauch lokalen Bindungen zunehmend nur noch psychotherapeutisch oderpsychedelisch bewältigen können.

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Die „unternehmenden Arbeitnehmer“ von heute sind vielmehr gezwungen,den kurzfristigen Verwertungszwängen eines in der ”exit”-Option potentiellals „scheues Reh“ flüchtigen Kapitals zu folgen, das zentrale regional-politische Revitalisierungserfordernisse erschwert: einmal das eher techni-sche Nahziel aufeinander abgestimmter synchroner Entwicklungsschübemit den immer wieder, zumeist vergeblich eingeforderten Synergieeffekten,zum anderen die stärkere Integration der technologie- und strukturpolitischenRegionalförderung mit arbeits-, bildungs- und beschäftigungspolitischenZielsetzungen und schließlich das gesellschaftspolitische Fernziel eigenstän-diger Entwicklungspfade mit sozial-ökologischen Komponenten, die einenproduktiven Ausgleich zwischen regionalen Kreisläufen und überregionalenAustauschbeziehungen herstellen können.

Die regionalen, nationalen und europäischen Entscheidungsträger stehenzunehmend vor der Aufgabe, die zunächst abstrakten Gebote derSubsidiarität, Komplementarität und Synergie innerhalb ihrer eigenenProgrammbereiche wie auch zwischen diesen konkret umzusetzen.Hiergegen besteht jedoch ein hinhaltender Widerstand insbesondere innationalen Administrationen größerer Staaten, die durch das direkte Zusam-menspiel von europäischen mit sektoralen, regionalen und lokalen Akteurenin den partnerschaftlichen Programmplanungen, die von zahlreichen Aus-schüssen, Gremien und Expertengruppen begleitet werden, an Einfluss zuverlieren drohen. Dem liegt der strukturelle Sachverhalt zugrunde, dass diekomplexen Meinungsbildungs-, Entscheidungs- und Handlungsgefüge inihren institutionalisierten Interaktionen und zugleich informalisierten Frei-räumen unter dem Druck langfristiger sozialökonomischer Herausforderun-gen stehen. Diese machen übergreifende und integrierte Lösungsstrategieninsbesondere im Hinblick auf wirtschaftliche und soziale Desintegrations-tendenzen erforderlich.

In diesem Zusammenhang müssen technologie- und produktbezogeneFörderstrategien stärker um prozessbezogene Arbeitsorientierungen er-gänzt werden. Hierdurch bietet sich die Chance, produktionstechnischeInnovationen mit arbeitsorganisatorischen zu verbinden, die qualifikations-und gesundheitsförderlichen Maßnahmen in Richtung eines europäischenEntwicklungsmodells einschließen (Wobbe 1993, 245-57). In diese Richtungzielen förderpolitische Vernetzungs- und Programmaktivitäten im Rahmendes Europäischen Sozialfonds, insbesondere in den Gemeinschaftsinitiativenwie beispielsweise die arbeitsmarkt- und regionalpolitisch präventiv ausge-legten Initiativen ADAPT und EQUAL oder die europäischen Netzwerke fürArbeitsorganisation und betriebliche Gesundheitsförderung. Sie wirken

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faktisch dem Import japanischer und amerikanischer Arbeits- und Produktions-modelle entgegen, die erheblich zur Zersetzung sozialer und regionalerGleichgewichte beitragen (Oehlke 1993, 97-110).

Solche Programme konnten bisher jedoch weder mit den Forschungs-rahmenprogrammen der EU, noch mit den meisten nationalen Förderpolitiken,was sich aber auch innerhalb dieser selbst nachweisen lässt, hinreichendabgestimmt oder gar verzahnt werden. Dies ist auf ein häufig unterschätztesinstitutionelles Beharrungsvermögen mit Kommunikations- und Kooperations-barrieren sowie entsprechenden Handlungsroutinen und mentalen Ab-wehrhaltungen zurückzuführen, die auch auf regionaler und lokaler Ebenenoch eine hohe Wirksamkeit aufweisen. Hierdurch werden die immerwieder beschriebenen organisations- und unternehmensübergreifendenEntwicklungs-, Lern- und Innovationskooperationen bis hin zur dezentralenLeistungserstellung weitgehend ausgeschlossen. Diese müssen gleichwohlim Interesse eines verbindlich propagierten europäischen Forschungsraums,aber auch Wirtschaftsstandorts und Sozialmodells zukünftig realisiert wer-den.

Über die stärkere arbeits- und sozialpolitische Integration der regionalenInnovationsförderung hinaus kommt es angesichts der sich transnationalentwickelnden Produktions- und Dienstleistungsstrukturen zunehmend aufdie qualitative Bewahrung und nachhaltige Entwicklung einer europäischenIdentität an. Sie zeichnet sich durch nationale und regionale Vielfalt bis hinzu ortsnahen Produktionsformen aus, für die weiterführende Vorschlägeund Modellprojekte entwickelt worden sind (Drinkuth et al. 1998). Dieregionale Polyphonie kann als eine entscheidende sozialwirtschaftliche undregionalökonomische Produktions- und Innovationsressource auch im Hin-blick auf nachhaltige Wettbewerbsfähigkeit an Gewicht gewinnen, woraufschon frühere, nahezu in Vergessenheit geratene Studien aufmerksamgemacht haben (Cooley et al. 1989). Diese Zielsetzung bedarf allerdingseiner eigenständigen materiellen Basis in innovativen Unternehmensclusternund Sozialbeziehungen unter besonderer Berücksichtigung der unterschied-lichen Ansätze einer informellen, lokalen und regionalen Ökonomie, diezunächst vor allem von lokalen Initiativen und regionalen Koalitionen aus-geht (Birkhölzer 2001).

Hierbei stehen weniger großstädtische Agglomerationen mit ihren Speck-gürteln, als vielmehr kleinstädtisch und dörflich geprägte ländliche Regionenzur Diskussion. Diese bedürfen leistungsfähiger eigener Profile für regional-spezifische Produkte und Dienste, aber auch interregionaler Kooperationen,Verbünde und Allianzen zur Generierung spezifischer Erzeugnisse, die sich

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überregional vermarkten lassen. Erfolgsentscheidend wird die Lösung desProblems, exogen bewährte Praktiken mit endogenen Profilen zu neuenregionalspezifischen Entwicklungsmustern zu verbinden (Berger et al. 2001,59-72). Sie müssen jedoch unter dem Gesichtspunkt überregionaler An-schlussfähigkeit mit stabilen Austauschbeziehungen in nationale und euro-päische Märkte, unternehmerische Standortentscheidungen und politischePlanungs- und Regulierungsprozesse eingebracht werden.

In diesem Sinne zielen Benchmarkingmethoden auf interaktive Lernprozes-se, die “bottom-up” eigenständige Zielsetzungen in spezifische Kontext-bedingungen integrieren, wie es in der europäischen Regional- und Sozial-politik im Unterschied zur “top-down” verfügten Geld- und Finanzpolitikversucht wird (De la Porte et al. 2001, 291-307). Dies führt eher zu einerFormenvielfalt „guter Praxis“ und weniger zur Realisierung von dekontex-tualisierten ”best practices” bzw. alleinigen universalen Entwicklungs-modellen (”one best way”). Sie sind überdies nach den Erkenntnissen derevolutionären Wirtschaftstheorie nicht nur krisenanfällig, sondern verlierenauch an institutioneller Innovationsfähigkeit. Denn sie blockieren mit derVernachlässigung unterschiedlicher Traditionen auch die Auseinanderset-zungen um strategische Visionen, die in der regionalen Vorausschau (“regi-onal foresight”) eine wichtige Rolle spielen. Hierbei können sich entwickeln-de Beteiligungs- und Interaktionsformen gewachsene Arbeits-, Produktions-und Lebensweisen transitorisch zu zukünftigen Möglichkeiten öffnen, stattdiese von außen auf ein immer Gleiches fixieren zu lassen. Uniformitätzeichnet letztlich eine herrschaftliche Einebnung regionaler Unterschiede,gewissermaßen eine McDonaldisierung der Welt vor, gegen die sichinsbesondere in Frankreich und Italien schon erhebliche Widerstände ent-zündet haben.

Gegenentwürfe lassen sich etwa in den, von periodischen Krisen gespeistenBestrebungen für eine regionalökologische Landwirtschaft und Ernährungs-weise erkennen. Erfolgschancen hängen hier aber von der regulativenBändigung einer zunehmend bio- und gentechnologisch bestimmten kapita-listischen Produktionsweise ab, die sich weltweit natürliche Lebensfunktionenaneignet, diese durchkapitalisiert und in Waren verwandelt. Gegenübersolchen nur am abstrakten Tauschwert orientierten Produktentwicklungenund Produktionsprozessen sind in verstärktem Maße konkrete Gebrauchs-wert- und Nutzenorientierungen einzubringen. Sie müssen sich ganz allge-mein an einer kreislaufwirtschaftlichen Perspektive orientieren, nach derProduktlebenszyklen von der Entwicklung über die Herstellung bis zumVerbrauch nach arbeits- und umweltpolitischen Kriterien gestaltet werden(Warnecke 1992, 30-45). Hierbei können Mindeststandards, Indikatoren-

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modelle und erweiterte volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen eine un-terstützende Funktion gewinnen (Eurostat 1995, UNDP 1999).

Mit der weiteren Berücksichtigung individueller Bedürfnisse und regionalerBedarfsfelder in sozialen und natürlichen Lebenszusammenhängen gewin-nen alternative Entwicklungspfade an Gewicht. Sie bedürfen freilich breiterregionaler, nationaler und europäischer Entwicklungskoalitionen (Ennals,Gustavsen 1999), die in der Lage sind, gesellschafts- und umweltpolitischeZielsetzungen in die neoliberale Marktlogik zu implementieren. Denn in derKonkurrenz um Standortvorteile werden durch Vorgaben der Markt-kompatibilität und Marktadäquanz und dem ihnen verpflichteten methodi-schen und konzeptionellen Arsenal systematisch regionale Besonderheitenabgeschliffen und Handlungsmöglichkeiten eingeschränkt (Rieger, Leibfried2001, 61-65). Dagegen bedarf ein schon von Max Weber so - im Unterschiedzum marktwirtschaftlichen Erwerbskapitalismus in den USA - gekennzeich-neter sozialpolitisch domestizierter Bedarfskapitalismus unter den gegen-wärtigen Globalisierungs- und Weltmarktbedingungen kontrapunktischdurchgesetzter europäischer makropolitischer Regulierungsformen (Arbeits-gruppe Alternative Wirtschaftspolitik 2001) bis hin zu den bemerkenswertenVorschlägen von Helmut Schmidt (2000, 246) für eine europäische Finanz-außenpolitik. Sie könnten gegenüber dem TINA-Prinzip („There is no alter-native“) wieder sozialstaatliche und regionalpolitische Entwicklungsspiel-räume eröffnen, die sich als durchaus vereinbar mit den Vorstellungen eines„Post-Washington-Consensus“ (Stiglitz) in Richtung sozio-kultureller Vielfalterweisen dürften.

Entgegen der oft zitierten Losung vom globalen Denken und lokalenHandeln muß jedoch auf allen Ebenen gehandelt und gedacht werden,sollen überhaupt weitergehende Umsetzungschancen eröffnet werden.Hier spannt sich ein weiter Bogen von konkreten bedarfs- und beschäftigungs-orientierten Aktivitäten vor Ort, staatlich und europäisch unterstütztenlokalen und regionalen Netzwerken bis hin zu den politischen Diskussionenüber ”Global Governance” und ersten Ansätzen emanzipatorischer Politik,die gesellschaftliche Bewegungen für eine nicht vollständig vermarktete undverwertete Welt ins Zentrum rücken (Brand et al. 2000). Sie entstehenmittlerweile - im Unterschied zu geschlossenen traditionellen Partei-formationen - in netzwerkartigen Organisationsformen, die gegenübereiner sich totalisierenden Verwertung von Mensch und Natur wieder mensch-liche und natürliche Maßverhältnisse artikulieren. Wie sperrig dieser Wegaber trotz erster großer Demonstrationen für eine andere bessere Welt füralle von Seattle bis Genua ist, zeigen bereits die Realisierungsprobleme der

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durchaus systemkonformen lokalen Agenda 21, ganz zu schweigen von denanhaltenden Schwierigkeiten einer Verständigung auf eine europäischeSozialverfassung und auf international bindende Sozial- und Umweltklauselnoder gar einer Durchsetzung der Tobin-Steuer und von Kapitalverkehrs-kontrollen.

Fazit:Zur Dialektik von internationalem Wettbewerb und regionalerNachhaltigkeit

Die ubiquitäre Verwendung der Netzwerkmetapher mit ihren schillerndenAusprägungen von der globalen Finanzspekulation bis hin zur lokalenKorruption deutet auf sich verallgemeinernde Tendenzen einer markt-gesteuerten Vergesellschaftung, die zunehmend sozialer und demokrati-scher Legitimität entbehrt. Dabei sind arbeits- und regionalpolitische Wider-sprüche transnationaler Wertschöpfungsketten und Produktionsnetzwerkedurch währungs- und sozialpolitische Deregulierungsprozesse verstärkt,wenn nicht freigesetzt worden, mit denen wettbewerbs- und weltmarkt-orientierte Standortstrategien unter neoliberalem Vorzeichen einhergehen.Dies hat im Zuge der Herausbildung der europäischen Wirtschafts- undWährungsunion arbeitsmarkt- und regionalpolitische Problemkonstellationenvertieft und angesichts der sich dadurch abzeichnenden Legitimations-defizite wiederum die europäischen Ausgleichs- und Förderaktivitäten ver-stärkt, die nationale und regionale Sozial- und Strukturpolitiken ergänzern,überlagern und durchdringen.

In der aufgefächerten und fragmentierten Mehrebenenregulation setzt sicheine angebotsorientierte Ausrichtung der Arbeits-, Struktur- und Beschäf-tigungspolitik durch. Dabei macht der Ausgleich von Konkurrenzfähigkeitund sozialer Kohäsion eine instrumentelle Konzertierung nationaler undeuropäischer Politiken erforderlich, mit der die angestrebte Integration derarbeits- und strukturpolitischen Regionalförderung mit übergreifenden sozi-al-, wirtschafts- und beschäftigungspolitischen Zielsetzungen verknüpftwerden sollte. Dies ist aber nur durch breite Vernetzungen von der regiona-len bis zur internationalen Ebene unterschiedlicher Akteure zu bewerkstel-ligen, die darüber hinaus eine Perspektive für sozialökologische Regulations-und Transformationsprozesse erschließen können. Diese transformatorischeStoßrichtung der anfangs angesprochenen Utopie freier, gleicher und ge-schwisterlicher Vernetzungsprozesse stellt sich nunmehr auch als konstruk-tiver Widerstand gegen die sozial und regional restriktiven Auswirkungenglobalisierter finanzkapitalistischer Spekulation dar, der eher die Metapherder gefräßigen Spinne im Netz entspricht.

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... und zur Entwicklungsdynamikvon Netzwerken

Von der Idee zum Netzwerk –ein Fallbeispiel zu sozio-ökonomischen Folgenvertrauensbildender Maßnahmen

Alexander Frevel

Am Beispiel der 1993 initiierten InSPE – International Society for Participationand Empowerment (als Netzwerk von etwa 70 Consultants, privaten unduniversitären Wissenschaftlern, Unternehmern und Gewerkschaftern ... auszur Zeit sechs europäischen Ländern) wird der Prozess des Kennenlernens,der Verständigung und der Entwicklung eines transnationalen undtransdisziplinären Verständnisses in gemeinsamen Lernprozessen geschil-dert. Ein messbares Ergebnis ist die Gründung eines deutsch-italienischenUnternehmens, ein anderes, die erfolgreiche Durchführung von F&E- undBeratungsprojekten. Erfolgssichernd ist das wachsende Vertrauen in Perso-nen und deren Leistungsfähigkeiten.

Die erfolgreichen Förderprogramme HdA (Humanisierung des Arbeitslebens)und AuT (Arbeit und Technik) intensivierten Ende der 80-er Jahre deninternationalen Austausch, unter anderem mit der Deutsch-FranzösischenGesellschaft. Besonders eng war die Zusammenarbeit mit dem Schwedi-schen Arbetsmiljöfonden.

1993 fand eine kleine deutsch-schwedische Konferenz mit dem Schwerpunkt-thema ”Qualifizierung in der Logistik” in Stralsund statt, zu der je einösterreichischer und französischer Wissenschaftler eingeladen waren. DieTeilnehmerInnen diskutierten wie üblich über Sachthemen, Vorgehens-weisen und Methoden, Forschungs- und Gestaltungsansätze, Zusammenar-beit mit Verbänden und mit betrieblichen Entscheidern und Interessen-vertretungen sowie programmatische (forschungspolitische) Handlungs-felder.

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Lag es am eher engen und dunklen Sitzungsraum, dass die Stimmungspürbar sehr offen, lernorientiert, sachlich und zugleich engagiert undkreativ war? Tatsache ist, dass über das übliche Maß hinaus emotionalgestritten wurde. Die Idee, eine ”Stralsunder Erklärung: Arbeit und Technikin der Logistik” zu verfassen, wurde zwar nicht umgesetzt. Aber etlicheGespräche rund um die Tagung und danach betonten immer wieder diefaszinierende Atmosphäre der gemeinsamen Sitzung und den Wunsch nachWiederholung. Andere mögliche Interessierte wurden angesprochen – undein knappes Jahr später traf sich eine Gruppe von gut zwanzig Personen ausvier Ländern auf privater Ebene im Bildungswerk der Unternehmer inSchwelm zu einem dreitägigen Gespräch.

Jede/r Teilnehmende fand die Gelegenheit, sich und ihre/seine Arbeit,Erfahrungen und Interessen vorzustellen. Bislang unbekannte Ansätze wur-den dargestellt. Alle waren z.B. fasziniert von Peter Schüngel, einemSalzburger Galeristen, der sehr anschaulich aus seiner Praxis der kulturellenUnternehmensberatung berichtete, oder vom Geschäftsführer eines nord-deutschen EDV-Unternehmens, der seinen Ansatz kooperativer Arbeits-gestaltung in seinem Betrieb mit 100 Beschäftigten erläuterte.Im zweiten Teil des Workshops sollte ”geschwelmt” werden (eine Hom-mage an das phantasieanregende Ambiente im Oberbergischen), d.h. unterNutzung verschiedener Kreativitätstechniken sollte die Frage beantwortetwerden, was uns – Menschen unterschiedlicher Professionen und Handlungs-felder (vom Unternehmer bis zum Gewerkschafter, vom Sozialwissenschaftlerbis zum Ingenieur, vom Germanisten bis zum Künstler) – ver-/eint in dem,was und wie wir es tun.

Die Antwort war transdisziplinär einfach: Wir begreifen im gemeinsamenVerständnis die Gestaltung von Arbeits- und Lebensbedingungen als Aufga-be, die nur mit der aktiven Beteiligung der Personen und Institutionen ineinem befähigenden Lern- und Entwicklungsprozess zu nachhaltigen Ergeb-nissen geführt werden kann.

Im (hoffenden) Bewusstsein, dass dies eine notwendig zu entwickelndekünftige (in spe) Unternehmenspolitik und ein Grundverständnis vonEntscheidungsträgern sei, und eingebettet in die phantasievolle und kon-struktive Emotionalität der gemeinsamen Tage, beschlossen wir die Grün-dung eines internationalen Vereins, um uns a) regelmäßig auszutauschenund mit internationalem Know-how unsere Arbeit zu befruchten und b) demo.g. Grundverständnis Raum und Nachdruck zu verleihen.Ein Jahr später wurde in Göteborg die InSPE – International Society forParticipation and Empowerment gegründet.

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Seitdem treffen sich die Mitglieder und weitere Interessierte mindestens einMal jährlich reihum in einem der Mitgliedsländer. Entlang von Rahmen-themen werden aktuelle Forschungs- und Beratungsansätze diskutiert;teilweise referieren Gäste wie der Ex-IBM-Manager John Hormann oder diePersonalleiterin von Nokia-Europe. In Workshops werden methodischeFragen behandelt. Exkursionen zu interessanten örtlichen Unternehmensind zugleich Beispiele für erfolgreiche Arbeiten der örtlichen InSPE-Mitglie-der. Und natürlich wird viel Wert auf informellen Austausch und gemeinsa-me Aktivitäten gelegt. Manches bleibt unvergesslich und führt die Individuenzu einer Gruppe zusammen:

• der Versuch, in einem Salzburger Schlossgewölbe das bekannte Kinder-lied ”Bruder Jakob” als sechsstimmigen und sechssprachigen Kanon zusingen

• der Cappucino in der Herbstsonne auf der Plaza in Vicenza

• die Smoke-Sauna und das Bad in der mit ca. 80 C erfrischenden Baltic-Seain Turku

• das Abendessen zwischen Fischen im Meereskundemuseum Stralsund

• das Einüben von Zielorientierung in der Gruppe mit einem Bogenschieß-Workshop in Lund

• die Blues-Einlagen von Jörg – immer da, wo ein Klavier steht.

Aus der phänomenologischen Sichtweise zur messbaren Ergebnisdarstellung:Über die Jahre stellen wir – neben der übungswürdigen Sprachgewöhnung– eine wachsende Verständigungs- und Verständnisfähigkeit fest. Wirlernen die je nationalen kulturellen und sozio-ökonomischen Bedingungenund Besonderheiten wie auch die persönlichen Einstellungen und Kompe-tenzen kennen.Und so ergeben sich – quasi naturwüchsig – die intendierten Folgen fastselbstverständlich: das gemeinsame Arbeiten im Netzwerk in Form vonnationalen und transnationalen Kooperationen.

Beispiel 1:Der Filmemacher Paul Jüttner ist erstmals 1997 in Vicenza dabei. Trotz –noch geringer – englischsprachiger Gepflogenheiten nimmt er interessiertwahr, was Paolo Gurisatti über die Besonderheiten der Unternehmenskulturin der Emilia Romagna erzählt. Erste Kontakte zu einem Kleinbetrieb werdengeknüpft, der ein Datenbanksystem für die Dokumentenverwaltung entwi-ckelt hat. Innerhalb eines Jahres entsteht ein deutsch-italienisches

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Gemeinschaftsunternehmen und binnen zwei Jahren wird aus der Zwei-Personen-Kooperation das neue Unternehmen Syrius mit zur Zeit zehnBeschäftigten.

Beispiel 2:Der Logistikberater Otto Char entwickelt Qualifizierungsmaßnahmen fürBeschäftigte im Lager- und Umschlagbereich. Über den exemplarischenAustausch zu didaktischen Grundprinzipien mit der Universität Göteborgentsteht eine Zusammenarbeit zur Weiterentwicklung anfassbarerSimulationsobjekte (Ladebrücke). In einem EU-geförderten Projekt werdenweitere Qualifizierungs- und Beratungsmodule entwickelt. Die Folge ist u.a.ein längerfristiger und umfassender Qualifizierungsauftrag für die interna-tionale Spedition S. Zur Abwicklung werden drei weitere InSPE-Trainereingesetzt.

Beispiel 3:Arbeitsleben KEG aus Österreich startet mit InSPE-KollegInnen aus Wien,Lund und Düsseldorf ein EU-Projekt zur ressourcenorientierten Unfall-verhütung in KMU. Zu entwickeln sind Verfahren der Visualisierung vonBeinahe-Unfällen. Das full-scale laboratory in Lund wird zur Simulation vonArbeitsbedingungen genutzt.

Etliche weitere transnationale und transdisziplinäre Beratungs-, Qualifizie-rungs- und F&E-Projekte finden statt, und wir spüren das zunehmendeZusammenwachsen. Zur Abwicklung von F&E-Projekten in Deutschlandwurde 2001 der nationale “Ableger” Arbeit und Zukunft e.V. gegründet.

Quintessenzen

Warum sind Netzwerke wie InSPE auf längere Sicht erfolgreich? Was sinddie wichtigen Funktionen und Merkmale von Netzwerken? – Und wasunterscheidet sie von Kooperationen?

Vor zehn Jahren veröffentlichten die UnternehmensberaterInnen Boos,Exner und Heitner eine Quintessenz ihrer Erfahrungen (”Soziale Netzwerkesind anders”, in: Organisationsentwicklung, H. 1/1992, S. 55 ff.), die nichtnur den wesentlichen Erfahrungen von InSPE entsprechen, sondern m.E. vongrundsätzlicher Geltung sind. Sie werden im folgenden leicht paraphrasiertwiedergegeben.

Netzwerke sind Beziehungen von Beziehungs-Optionen; sie leben von derNichtausschließlichkeit gegenüber Dritten.

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Netzwerke sind grenzüberschreitend zwischen dem Innen und Außen; sieüberschreiten die Grenzen sozialer Systeme (z.B. Unternehmen) und sinddemzufolge selber keine sozialen Einheiten.

Da sie quer zu Funktionssystemen liegen, wirken sie entlastend für funkti-onelle Differenzierungen und haben zugleich ein hohes Integrationspotenzial.Sie lassen z.B. organisatorisches ”Probehandeln” zu, während Institutionenden Instanzenweg benötigen. Sie fördern Gedanken und Ideen und eliminie-ren keine Widersprüche, während sich Hierarchien auf ”einzige Wahrheitenund Widerspruchsfreiheit” stützen. Sie erproben Neues, während Organisa-tionen erst Erprobtes aufnehmen.

Statt eines Steuerungszentrums haben sie eine Vielzahl von Knoten mitgroßer Autonomie, also wenig Strukturen bei hoher Eigenkomplexität.

Die Netzwerkpartner haben gemeinsame Intentionen (Basis-Interessen).Die hohe Personenorientierung ist keine Rollen- oder Funktionsorientierung,d.h. Netzwerke sind hierarchie-übergreifend. Wichtig für die Funktion vonNetzwerken ist die Freiwilligkeit der fallweisen – mithin bedarfsabhängigen,unregelmäßigen – Kooperation. Kommunikation im Netzwerk ist in allerRegel anlassgebunden. Für die Kooperationspartner zählt die Offenheit desZugangs zu Know-how, das sie sich erschließen können, wobei immer einreziproker Tausch vorausgesetzt wird. Wichtig für die Aufrechterhaltungvon Netzwerken ist die Gleichgewichtigkeit von Austauschprozessen.

Das prägende Merkmal von Netzwerken ist das personenbezogeneBeziehungsgeflecht mit der individuellen Auffangfunktion im Spannungsfeldzwischen Autonomie und Anknüpfungsbedürfnis. Hier wird die/der Einzelnezur/zum Unternehmer/in ihres/seines Beziehungskapitals.

Zu beachten ist: Netzwerke kann man nicht gründen! Sie entstehen undentwickeln sich relativ unabhängig vom Willen der einzelnen Netzwerk-partner. Diese können durch ihr Handeln die Entwicklung allerdings fördernoder behindern. Eine relativ sichere Form, die Netzwerkbildung zu behin-dern, ist beispielsweise die Gründung eines Unternehmens oder jederanderen Organisationsform mit (Zwangs-) Mitgliedschaft. Netzwerke sollenauch nicht nur aus gleichgesinnten Freunden zusammen gesetzt sein, denndadurch verlieren sie eine wichtige Lebensquelle – die Andersartigkeit.Die typische Form, in ein Netzwerk zu intervenieren, ist etwas anzubieten.

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Netzwerke funktionieren nur auf der Basis einer erwartbaren Wechselsei-tigkeit, d.h. man muss für Netzwerke Kontextbedingungen aufbauen, diesolche Erwartungshaltungen entstehen lassen. Damit diese entstehen kön-nen, müssen die Netzwerkunternehmer die Annahme zu Grunde legenkönnen, dass sie eine interessante Gegenleistung erhalten können - vonPartnern, die zeitlich, sozial und emotional erreichbar sind und selber einesolche anbieten. Dazu müssen Waren, d.h. Informationen, Dienstleistungenoder Produkte, feilgeboten werden, wobei im Netzwerk etwas als Ware gilt,wenn es wahrgenommen wird. Mangels eines abstrakten Bewertungs-maßstabs wie Geld erfolgt der Austausch immer Ware gegen Ware, auchwenn die Gegenleistung als Forderung, die später getilgt werden soll, stehenbleibt. Netzwerke zerfallen, wenn nicht mehr an die erwartbare Gegenleis-tung geglaubt werden kann.

Die Autoren bieten ein paar Handlungsanleitungen für Netzwerker:

• Man achte auf die Ausbalanciertheit der Beziehungen bzw. vermehreden Nutzen seiner Partner.

• Man fördere Aktivitäten, die eine attraktive Zukunft seiner Netzwerk-partner unterstützen.

• Man beende Kontakte (auch mit Wettbewerbern) im Netzwerk immerso, dass man später wieder anknüpfen kann.

• Man versuche, Dinge im Fluss zu halten, statt sie festzuhalten, d.h. zudokumentieren oder formal zu entscheiden.

• Man konzipiere jede Intervention ins Netzwerk als Angebot, das auchabgelehnt werden kann.

• Man nutze Kontakte auch für die nicht anwesenden Dritten.

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Über die Nachhaltigkeit vergänglicherNetzwerke

Jochen Tscheulin / Silke Gülker / Harald Hornyak

1 Einleitung

Das Arbeiten in Netzwerken ist heute eine praktische Selbstverständlichkeitbei zahlreichen Problemlagen. Dass Netzwerke notwendig und anderenSteuerungsformen häufig überlegen sind, ist in der öffentlichen wie wissen-schaftlichen Debatte weitgehend unwidersprochen. Dies gilt zunächst un-geachtet der spezifischen Formen und Inhalte von Netzwerken. Kaum einanderer Begriff hat in den letzten 10 bis 20 Jahren eine derartige Entwick-lung genommen.1 Dabei liegen nach wie vor wenig systematische undvergleichende Untersuchungen über langfristige Netzwerke und derenWirkungen vor. Unter welchen Bedingungen ein Netzwerk erfolgreicharbeitet, welche Art von Problemen in Netzwerken effizienter gelöst wer-den können und zu welchem Preis, kann bislang nur für jeweils einzelne Fällebeschrieben werden.

Mit diesem Beitrag wird die Vergänglichkeit von Netzwerken als wesentli-ches Merkmal ihres Erfolges zur Diskussion gestellt. Die spezifischen Lösungs-potenziale von Netzwerken können vor allem dann voll ausgenutzt werden,wenn mit dem Ziel des Netzwerks auch die Zeitdimension festgelegt wird.Die Auflösung oder die Überführung des Netzwerkes in eine andereOrganisationsform als Teil der Strategie trägt wesentlich zur Sicherungnachhaltiger Erfolge bei.

Die These entspricht der Erfahrung des Instituts für Organisations-kommunikation (IFOK). IFOK entwickelt und gestaltet unter anderem Netz-werke an der Schnittstelle zwischen privaten Unternehmen, Politik undGesellschaft. Für ganz unterschiedliche Typen interorganisationaler Netz-werke hat sich ein erfolgreicher Abschluss als zentrales Erfolgskriteriumherausgestellt.

1 Für die deutsche Debatte wegweisend waren vor allem: Scharpf 1992, Benz/Scharpf/Zintl 1992,Mayntz/Scharpf 1995, Messner 1995, Sydow 2001.

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Im folgenden wird vor dem theoretischen Begründungshintergrund dasspezifische Lösungspotenzial von Netzwerken herausgestellt. Welche Auf-gaben in der Praxis des Netzwerkmanagements mit einem erfolgreichenAbschluss verbunden sind, wird im anschließenden Kapitel ausgeführt, umschließlich die These der Nachhaltigkeit vergänglicher Netzwerke spezifizie-ren zu können.

2 Das spezifische Lösungspotenzial von Netzwerken

Was können Netzwerke leisten und warum gibt es diesen enormenBedeutungszuwachs in den letzten circa zwei Jahrzehnten? Einführend wirdein kurzer Blick auf den theoretischen Begründungszusammenhang gerich-tet, der hinter dem Netzwerkbegriff und seiner heutigen Bedeutung steht.Bezogen auf die hier im Mittelpunkt stehenden organisationsübergreifendenNetzwerke sind dies in erster Linie steuerungstheoretische Aspekte. Etwaseit den achtziger Jahren stellen sich Fragen neu, wie für das Gemeinwohlgute Entscheidungen zu treffen und in steuerndes Handeln umzusetzensind. Die Handlungsfähigkeit des Staates stand (und steht) am Ende deszwanzigsten Jahrhunderts vor großen Effizienzproblemen. Die Komplexitätder zu lösenden Aufgaben hat rasant zugenommen, gleichzeitig steigt diefunktionale Differenzierung. Staatliche Institutionen wie Unternehmen,Verbände und Organisationen konzentrieren sich auf ausgewählte Kern-inhalte und gelangen hier zu einem Höchstmaß an spezifischem Wissen.Hierarchische Systeme verfügen damit zunehmend nur noch über einen Teildes Wissens, das nötig ist für eine gemeinwohlorientierte Steuerung. DieFolgen und, wie von Ulrich Beck (1986) mit großer Wirkung ins Zentrum derDebatten gestellt, die Risiken individuellen wie staatlichen Handelns sindnicht mehr adäquat einzuschätzen.

Aus theoretischer Perspektive macht mangelnde staatliche Steuerungs-fähigkeit kooperative Steuerungsformen in interorganisationalen Netzwer-ken erforderlich. In Netzwerken können die Ressourcen gebündelt werden,die zur Erreichung des gemeinsamen Zieles erforderlich sind. Es werdendiejenigen einbezogen, die einen Beitrag zur Lösung leisten und ihre Res-sourcen beispielsweise in Form von spezifischem Know-how, Informationen,Personal oder Geld einbringen können.2 Diese jeweiligen Ressourcenbeiträge

2 Mit der Analyse von Ressourcen-Tauschprozessen befasst sich vor allem dieInterorganisationentheorie. Für einen Überblick: Hild 1998.

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werden in einem Netzwerk weder gehandelt und verkauft wie im reinenMarkt, noch per Anordnung eingebracht wie in einer reinen Hierarchie.Verhandlung und Austausch sind die Mechanismen, mit denen in Netzwer-ken gesteuert wird. In der Verhandlung werden die Steuerungsoptionengesucht, die allen Beteiligten Nutzen versprechen (win-win-Optionen). Die-se für alle nutzenmaximierenden Lösungen sind, so die Herleitung in derVerhandlungstheorie, „wohlfahrtseffizienter“, als es allein hierarchischeEntscheidungen sein können.

Dieser, wenn auch nur verkürzt mögliche Blick auf einen theoretischenBegründungshintergrund, soll an dieser Stelle dazu dienen, die Probleme unddie Gestaltungsaufgaben zu identifizieren, in denen Netzwerke erwar-tungsgemäß eine höhere Steuerungsfähigkeit haben als etablierte Instituti-onen. Bricht man die theoretische Debatte an der praktischen politischenGestaltung, sind folgende Aufgaben prädestiniert für eine Behandlung ininterorganisationalen Netzwerken:

• Komplexe Probleme, die in die Zuständigkeit mehrerer Institutionen oderVerwaltungen fallen: Die Bearbeitung in Netzwerken mit allen Beteiligtenreduziert Schnittstellenprobleme und kann die Effizienz erhöhen.

• Probleme und Aufgaben, für deren Bearbeitung keine Institutionenvorhanden sind: Zur Entwicklung eines Regelungsinstruments ist man aufdas Wissen und auf die Erfahrung aller in dem Feld arbeitenden Instituti-onen angewiesen.

• Probleme, die eine schnelle, kurzfristige Lösung erfordern: Die Bearbei-tung in einem Netzwerk kann ein Verfahren beschleunigen, in demBeteiligte und gegebenenfalls Betroffene von Beginn an, und damitfrüher als im üblichen Regelungsmodus vorgesehen, einbezogen werden.

Nicht zu vergessen ist, dass den viel betonten Vorteilen von Netzwerken aufder anderen Seite aber auch erhebliche Schwierigkeiten und Kosten gegen-überstehen.3 Der Aufbau eines Netzwerks zur Problemlösung bedarf immereiner Kosten-Nutzen-Abwägung und eine Fülle von Problemstellungen kannschneller und effizienter innerhalb dafür spezialisierter Institutionen undinnerhalb dafür geschaffener Regelverfahren erledigt werden. Die Nutzung

3 Parallel zu einer Art „Netzwerkeuphorie“ ist in der Debatte immer wieder auf Gefahren undGrenzen der Steuerungsfähigkeit und vor allem auf die sehr hohen Transaktionskosten vonNetzwerken hingewiesen worden: Messner 1994, auch Heinze/Schmid 1994.

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interorganisationaler Netzwerke zur Problemlösung entspricht etwa demprojektbezogenen Arbeiten innerhalb eines großen Unternehmens. DieAbteilungszuschnitte ergänzend, können Projektgruppen oft komplexeAufgaben effizienter erfüllen. Die ständig neue Einrichtung von Projektgrup-pen für Aufgaben, die bisher gut und effizient innerhalb der Abteilungenerledigt wurden dagegen, würde höchste Effizienzverluste mit sich bringen.Damit ist auch deutlich, dass Netzwerke auch in Zukunft bewährte Institu-tionen nicht ablösen werden.

3 Erfolgreicher Abschluss als Erfolgskriterium

Interorganisationale Netzwerke werden zur Lösung spezifischer Problemegebildet. Wo hergebrachte Institutionen allein keine Lösungskompetenzenhaben, wo Probleme sehr schnell zu bearbeiten sind oder wo das Regel-instrument zur Lösung überhaupt fehlt, kann die Arbeit in Netzwerken zueffizienten Ergebnissen führen. Diese Betrachtung heißt umgekehrt: Sobalddas spezifische Problem gelöst, ein Regelinstrument gefunden oder einevorhandene Institution sich effizient dem „Restproblem“ zuwenden kann,hat das Netzwerk seine Arbeit erledigt. Entscheidend für die Nachhaltigkeitdes Netzwerkes wird aber sein, wie dieses Ergebnis zustande kam und wiedie Netzwerkarbeit ihren formalen Abschluss findet. Vor allem letztereswollen wir hier näher beleuchten.

Um einen erfolgreichen Abschluss zu gewährleisten, sind vor allem folgendezwei Aufgaben von entscheidender Bedeutung:

1. Stetige Anbindung an die entscheidenden Stellen in denbeteiligten Organisationen

Über die gesamte Dauer des Netzwerkprozesses ist sicherzustellen, dass dieEntscheidungsebenen der beteiligten Akteure einbezogen sind. Die Veran-kerung des Netzwerks in den Entscheidungsebenen der beteiligten Organi-sationen ist aus zweifacher Hinsicht von Bedeutung: Zum einen könnengeplante Schritte nur umgesetzt werden, wenn sie die Rückendeckung derFirmen-/ und Organisationsleitungen erfahren. Ein zu später Einbezug birgtalso die Gefahr von Misserfolgserlebnissen aller Beteiligten. Zum anderenfindet in einem Netzwerk neben der Bearbeitung konkreter Probleme immerauch ein Lernprozess in der Kooperation statt. Dieser Lernprozess kann nurvon nachhaltiger Wirkung sein, wenn er sowohl von der Arbeits- als auch derFührungsebene der beteiligten Akteure vollzogen wird.

Organisatorisch kann dieser Einbezug durch ein Gremium der Entscheiderermöglicht werden. Darüber hinaus zeigt die Praxis aber vielfach die Not-

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wendigkeit, bei anstehenden Fragen auf kurzem Wege die Entscheidungs-ebenen einzubeziehen. Entscheidend ist, dass die Entscheidungsebene inder Startphase die Richtungsentscheidungen trifft und mit Abschluss derNetzwerkarbeit die Ergebnisse nicht nur zur Kenntnis nimmt, sondern dieUmsetzung unterstützt.

2. Transfer der Ergebnisse und definierter Abschluss

Mit dem Transfer der Ergebnisse eines Netzwerkes steht die inhaltlicheDimension des Erfolges auf dem Prüfstand. Wenn interorganisationaleNetzwerke zum Zwecke der Erprobung innovativer Lösungsmechanismengegründet wurden, müssen die Ergebnisse entweder in die Regelorganisationüberführt oder eine neue Regelorganisation gefunden werden.

Vielfach wurden aus den Ergebnissen von Netzwerkprojekten Unterneh-men oder Gesellschaften mit unterschiedlichen Rechtsformen gegründet,die in eigenständiger Form das Projektziel weiterverfolgen oder dieVerwertungsrechte daran übernehmen. Falls dies erfolgt ist, steht dasNetzwerk an einem entscheidenden Wendepunkt: Entweder hat das Netz-werk sein Ziel erreicht und kann seine Arbeit einstellen, oder das Netzwerkbleibt bestehen und widmet sich neuen Aufgaben. Mit neuen Aufgaben istaber auch der Netzwerkprozess neu zu starten. Die gemeinsame Einigungauf die Ziele der Arbeit stellt sich ebenso neu wie die Frage nach einzube-ziehenden Partnern.

Ein professioneller Abschluss kann also bedeuten, die Arbeit ist vollständigerledigt und wird eingestellt. Eine Abschlussveranstaltung hat dann dieAufgabe, eine Bilanz zu ziehen und das Ergebnis an der Zielsetzung zumessen. Weiterhin ist es möglich, dass eine bestehende Organisation dieAufgaben künftig übernimmt. Entsprechend ist es Aufgabe des Netzwerk-managements, die Überführung zu organisieren. Gleiches gilt für den Fall,dass für die weitere Bearbeitung eine Organisation, etwa ein Verein oderauch ein Unternehmen neu gegründet wird.

4 Die Nachhaltigkeit vergänglicher Netzwerke

Warum ist aus unserer Sicht ein erfolgreicher Abschluss so entscheidend?

Negativ formuliert: Gelingt ein solcher Abschluss oder Übergang nicht,gehen Innovationskraft und Lösungsfähigkeit des bestehenden Netzwerksund auch die Bereitschaft, sich künftig an Netzwerken zu beteiligen verlo-ren. Der Mehrwert der Netzwerkbeteiligung muss dokumentiert werden,

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um den großen Aufwand der Beteiligung auf sich zu nehmen. Mit dem häufigzu beobachtenden „langsamen Sterben“ von Netzwerken, die eigentlichihre Aufgabe erledigt haben, setzt man die positiven auch nachhaltigwirkenden Ergebnisse der Netzwerkarbeit aufs Spiel. Der Organisations-grad des Netzwerkes nimmt ab, Mitglieder ziehen sich aus der aktiven Arbeitzurück, die Motivation sinkt, der Mehrwert ist kaum zu erkennen. DasNetzwerk entfaltet damit auch keine nachhaltige Wirkung für die Problem-lösungsfähigkeit der Akteure.

Wenn im anderen Fall ein Netzwerk nicht nur erfolgreich arbeitet, sondernauch einen klaren Schlusspunkt - zumindest einer Phase - der Netzwerk-arbeit setzt, werden neben der spezifischen Problemlösung nachhaltigwirkende Innovationen geschaffen.

Was bleibt? Wenn ein Netzwerk erfolgreich gearbeitet hat, gehen dieWirkungen weit über das konkrete inhaltliche Ergebnis hinaus. Wenn etwaaus dem losen Netzwerk heraus eine institutionalisierte Folgestruktur entwi-ckelt werden konnte, werden damit erfolgreiche Lösungsverfahren „aufDauer gestellt“. Werden neue Regelungsmechanismen in bestehende Insti-tutionen integriert, hat das interorganisationale Netzwerk institutionelleReformen vorangetrieben.

Eine zentrale nachhaltige Wirkung erfolgreicher Netzwerkarbeit aber ist derAufbau von Vertrauen zwischen den Akteuren. Grundsätzlich ist davonauszugehen, dass positive Kooperationserfahrungen in die beteiligten Insti-tutionen hinein wirken. Der regelmäßige Einbezug unterschiedlicher Ebenender Akteure ist deshalb von so entscheidender Bedeutung. Für das nächsteübergreifende Problem, das der Zusammenarbeit vieler Akteure bedarf, sinddie Wege schon geebnet. Der sehr aufwendige Aufbau von Netzwerk-strukturen kann schneller und effizienter vorangehen als beim erstenProzess.

Der Kooperationsfähigkeit von Akteuren wird unter dem Stichwort Sozial-kapital4 heute große Bedeutung beigemessen. In diesem Sinne ist dieSteigerung des Sozialkapitals eine nachhaltige Wirkung von interorga-nisationalen Netzwerken, die zielgerichtet arbeiten und erfolgreich abge-schlossen oder in eine andere Form überführt werden.

4 Putnam 2001, Bourdieu 1985, Burt 2001, Coleman 1990, Fukuyama 1995; 1997, Granovetter1982, Habisch 1999, Ostrom 2000, Woolcock 1998.

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Was fällt weg? In dem Maße, in dem für das anstehende Schnittstellen-problem Lösungsverfahren entwickelt werden, sich neue Kooperations-formen einüben und die Lösung voranschreitet, macht sich die ursprünglicheNetzwerkorganisation überflüssig. Dieser Prozess kann bereits während derNetzwerkarbeit beginnen: Mit zunehmender Entwicklung der Arbeit sinktdie notwendige Organisationsdichte. Besonders zu Beginn sind intensivegemeinsame Prozesse zur Zielbestimmung und Netzwerkfindung notwen-dig. Über eine lange Phase arbeiten die Beteiligten immer auf zwei Ebenenmiteinander: An der inhaltlichen Zielstellung und zugleich an der Entwick-lung einer gemeinsamen Arbeitsform. Je mehr sich erfolgreicheArbeitsroutinen innerhalb des Netzwerks herausbilden, desto stärker kannsich ein aktives Netzwerkmanagement zurückziehen.

Idealtypisch kann der Organisationsgrad des Netzwerks und die Problem-lösungsfähigkeit außerhalb des Netzwerks im Zeitverlauf wie folgt darge-stellt werden:

Problemlösungsfähigkeit außerhalb des Netzwerks/Sozialkapital

Organisationsgraddes Netzwerks

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Eine erfolgreiche Netzwerkarbeit, die in den beteiligten Institutionen veran-kert ist, setzt Lernprozesse in Gang. In dem Maße, in dem die Problem-lösungsfähigkeit der Akteure und das Sozialkapital steigt, kann derOrganisationsgrad des Netzwerkes sinken. Ein erfolgreicher, expliziter Ab-schluss kann die Ergebnisse des Kooperationslernens nachhaltig sichern.

Die Nachhaltigkeit von Netzwerken geht deshalb mit ihrer geplanten undvollzogenen Vergänglichkeit einher.

Literatur

Beck, Ulrich 1986: Risikogesellschaft. Auf dem Weg in eine andere Moder-ne, Frankfurt am Main.

Benz, Arthur/Scharpf, Fritz W./Zintl, Reinhard 1992: Horizontale Politik-verflechtung. Zur Theorie von Verhandlungssystemen, Frankfurt/ Main;New York.

Bourdieu, P. 1985: The forms of capital. In J. G. Richardson (Hrsg.):Handbook of theory and research for the sociology of education, S. 241-258.New York.

Burt, Ronald S. 2001: Structural Holes versus Network Closure as SocialCapital, in: Social Capital: Theory and Research, Hrsg. v. Nan Lin/Karen S.Cook/Ronald S. Burt/Aldine de Gruyter, im Druck.

Coleman, J. S. 1990: Foundations of social theory. Cambridge, Mass:Harvard University Press.

Fukuyama, Francis 1995: Trust. The social vitues and the Creation ofProsperity, New York..

Fukuyama, Francis 1997: Social capital and the modern capitalist economy:Creating a high trust workplace, in: Stern Business Magazine, 4(1).

Genosko, Joachim 1999: Netzwerke in der Regionalpolitik, Marburg.

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Habisch, André 1999: Sozialkapital, in: Korff, Wilhelm (Hrsg.): Handbuchder Wirtschaftsethik. Band 4. Ausgewählte Handlungsfelder. S. 472-509,Gütersloh.

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Heinze, Rolf G./Schmid, Josef 1994: Industrieller Strukturwandel und dieKontingenz politischer Steuerung: Mesokorporatistische Strategien im Ver-gleich. Arbeitspapier SIT - wp - 2-94 Forschungsstelle für Sozial-wissenschaftliche Innovations- und Technologieforschung (SIT) der Ruhr-Universität Bochum, Bochum.

Hild, Paul 1998: Netzwerke der lokalen Arbeitsmarktpolitik, Berlin.

Levine, Sol/White, Paul E. 1961: Exchange as a Conceptual Framework forthe Study of Interorganizational Relationships, in: Administrative ScienceQuarterly 4/61, S. 583-601.

Scharpf, Fritz W. 1992: Die Handlungsfähigkeit des Staates am Ende desZwanzigsten Jahrhunderts, in: Kohler-Koch, Beate (Hrsg.): Staat und Demo-kratie in Europa. 18. Wissenschaftlicher Kongress der Deutschen Vereini-gung für Politische Wissenschaft, Opladen, S. 93-115.

Sydow, Jörg/Arnold Windeler (Hrsg.) 2001: Steuerung von Netzwerken.Konzepte und Praktiken, Wiesbaden.

Mayntz, Renate/Scharpf, Fritz (Hrsg.) 1995: Gesellschaftliche Selbst-regelung und politische Steuerung, Frankfurt/New York.

Messner, Dirk 1995: Die Netzwerkgesellschaft. Wirtschaftliche Entwick-lung und internationale Wettbewerbsfähigkeit als Probleme gesellschaftli-cher Steuerung. Schriftenreihe des Deutschen Instituts für Entwicklungspo-litik; Bd. 108, Weltforum Köln.

Messner, Dirk 1994: Fallstricke und Grenzen der Netzwerksteuerung, in:PROKLA. Zeitschrift für kritische Sozialwissenschaft 4/94, S. 563-596.

Ostrom, Elinor 2000: Social Capital: A Fad or a Fundamental Concept, in:Social Capital, A Multifaceted Perspective, Hrsg. Partha Dasgupta/IsmailSerageldin, S. 172-214. Washington, D.C.

Putnam, Robert 2001: Gesellschaft und Gemeinsinn. Sozialkapital iminternationalen Vergleich. (Bertelsmann-Stiftung).

Woolcock, Michael 1998: Social capital and economic development: Towarda theoretical synthesis and policy framework, in: Theory and Society 27,S. 151-208.

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Interorganisationale Netzwerke aussystemtheoretischer Perspektive

Jana Rückert-John

Ziel des Beitrages ist es, systemtheoretische Überlegungen zum Netzwerk-begriff vorzustellen und damit den Erklärungsgehalt der Theorie auszuloten.Hierbei soll vor allem an Überlegungen von Kämper und Schmidt (2000)angeknüpft werden, die interorganisationale Netzwerke als strukturelleKopplung erklären. Im folgenden gehe ich von der soziologischen Netzwerk-analyse aus und mache inhaltliche-theoretische Anschlüsse an die System-theorie deutlich. In einem zweiten Schritt werde ich systemtheoretischeÜberlegungen vorstellen, die Netzwerke als strukturelle Kopplungen auffas-sen. Neben den sozialen Systemen Organisation und Interaktion soll in einemweiteren Abschnitt Vertrauen als Handlungskoordinationsmechanismus inNetzwerken thematisiert werden.

Soziologische Netzwerkanalyse

Die Netzwerkanalyse stellt in ihrer allgemeinen Form einen strukturellenAnsatz in der Sozialforschung dar. Netzwerkanalysen werden auf einerhandlungstheoretischen Basis durchgeführt. Die der Netzwerkanalysezugrunde liegende Annahme lautet, dass man soziale Handlungen nichtallein aufgrund der Eigenschaften und Interessen des Akteurs erklärenkann, sondern dass strukturelle Faktoren in der Erklärung berücksichtigtwerden müssen. Akteure, so die Annahme, handeln nicht auf sich alleingestellt, sondern immer in einem sozialen Kontext (Kämper/Schmidt 2000:213). Das heißt, dass sich Akteure in ihrem Handeln immer auf konkreteandere Akteure beziehen und so in soziale Beziehungen zueinander treten,die das Handeln kontextuieren. Mit der Annahme einer wechselseitigenKonstitution von „sozialem Handeln“ und „sozialen Beziehungen“ werdenNetzwerke in diesem Ansatz als unhintergehbarer sozialer Sachverhaltaufgefasst.

Dem Strukturbegriff kommt in dieser Perspektive eine zentrale Bedeutungzu. Hierunter wird die dauerhafte Beziehung zwischen den Teilen einesSystems (Akteure oder Rollen) verstanden. Aus der Perspektive der Netzwerk-analyse werden die Handlungen der Akteure stärker von ihrer Position

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(Status, Rolle) als von ihren Einstellungen, Eigenschaften und Interessen,bestimmt. Der Focus der Netzwerkbetrachtung und –analyse richtet sichsomit auf die Beziehungen zwischen den Akteuren und weniger auf einzelneAkteure und ihre Interessen (Kämper/Schmidt 2000). Problematisch hieranerscheint, dass Netzwerke nicht als kontingente Phänomene beschriebenwerden können (Tacke 2000: 294). Die nicht prognostizierbare Dynamik vonNetzwerken, wie Mitgliederaustausch, die Entwicklung von Interaktionenund die Rückwirkung auf die Netzwerkstrukturen können so nicht beschrie-ben werden. Netzwerke erscheinen in dieser Perspektive eher als ein starresBeziehungsgeflecht, dem der temporäre Horizont fehlt. Jedoch wirken sichdie Beziehungen der Netzwerkakteure unmittelbar auf die Struktur vonNetzwerken aus. Obwohl es in der Systemtheorie bislang kein theoretischumfassendes und empirisch anschlussfähiges Netzwerkkonzept gibt, lassensich aber Ansätze finden, mit denen diese Dynamik von Netzwerkstrukturenähnlich denen von sozialen Systemen beobachtet werden können.

Systemtheorie und das Netzwerkphänomen

Bei Luhmann selbst ist keine systematische Verwendung des Netzwerk-begriffs festzustellen. In „Organisation und Entscheidung“ äußert er Skepsisdarüber, „für so verschiedene Verhältnisse eine einheitliche Formel zufinden“ (Luhmann 2000: 354). Jedoch entwickeln andere durchaus einensystemtheoretischen Begriff von Netzwerken. Teubner (1992) schlägt vor,Netzwerke als ein „Emergenzphänomen“ zu fassen, als ein Systemtyp, derjenseits von Organisation und Markt angesiedelt ist. Tacke (1995) hingegensieht die Funktion von Netzwerken in ihrer Selbstbeschreibungsform vonOrganisationen. Kämper und Schmidt (2000) beschreiben Netzwerke alseine strukturelle Kopplung von Organisationen und sehen ein zentralesMoment in der Inanspruchnahme von Interaktionssystemen. Konsens scheintdarin zu bestehen, dass es sich um ein Phänomen wesentlich auf der Ebenevon Organisationen handelt. Darüber hinaus bezeichnet der Begriff einspezifisches System-Umwelt-Verhältnis von Organisationen, das zugleichFolgen für die systeminternen Strukturen der Organisationen hat (Kämper/Schmidt 2000).

Zwei Begriffe sind zentral für den Anschluss der soziologischen Netzwerk-perspektive an die Systemtheorie, zum einen der Strukturbegriff und zumanderen das System-Umwelt-Verhältnis. Bei Luhmann (1984) sind die Struk-turen sozialer Systeme Verhaltenserwartungen, die für Handlungen eineStruktur darstellen, indem sie die zur Verfügung stehenden Handlungs-alternativen vorselektieren. In diesem Sinne lässt sich von strukturierenden

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Verhaltenserwartungen sprechen. Hiermit wird insbesondere der Aspektder Ermöglichung, anstatt der von Restriktionen von Handlungen in denMittelpunkt gestellt. Gerade für Organisationen und ihre Entscheidungenhaben strukturierende Verhaltenserwartungen eine wichtige Bedeutung.Die Verhaltenserwartungen dienen als Entscheidungsprämissen1, d.h. sielegen fest, was in der Entscheidung als gegeben voraus gesetzt werdenkann (Luhmann 1988). Strukturen haben in dieser Perspektive die Funktionder Absorption von Unsicherheit. Entscheidungsprämissen, unter denenEntscheidungen zu treffen sind, verringern die Unsicherheit und machen soerst organisiertes Entscheiden möglich.

Wenn sich Organisationen auf Netzwerke einlassen, gerät neben demStrukturbegriff ihr System-Umwelt-Verhältnis in den Blick. Die Spezifik desUmweltverhältnisses von Organisationen besteht darin, dass es sich nichtauf eine allgemeine Umwelt, sondern auf eine Umwelt aus anderen Orga-nisationen bezieht. Als Metapher bezeichnen Netzwerke genau dieseUmweltdifferenz von Organisationen zu anderen Organisationen. Darinsehen Kämper und Schmidt einen der wichtigsten Beiträge der Netzwerk-forschung zur Organisationstheorie begründet (2000: 217). Mit der Transfor-mation von System-Umwelt-Verhältnissen in Organisation-Organisation-Verhältnisse wird gleichzeitig die Möglichkeit einer Unterscheidung vonOrdnung und Unordnung nach innen und außen eröffnet. In dieser Hinsichtfunktionieren Netzwerke als Selbstbeschreibungsformen von Organisatio-nen (Tacke 1995), weil die Selbstbeschreibung von Organisationen nur inDifferenz zu anderen Organisationen erfolgen kann. Netzwerke machendiese Differenz beobachtbar. Nach Luhmann liegt der Ausgangspunkt fürsolche „Hybridbildungen“, wie Netzwerke es sind, in den Umweltturbulenzen,die durch jeweils andere Organisationen erzeugt werden. Organisationenbrauchen demnach andere Organisationen oder gehen mit ihnen ein „sym-biotisches Verhältnis“ ein, um die für sie relevante Umwelt in eineüberschaubare Fassung zu bringen, ohne dass es hierbei zu einem Ver-schwimmen der Organisationsgrenzen kommt (Luhmann 2000: 409 ff.).Beide Aspekte, Struktur und spezifische System-Umwelt-Verhältnisse, wei-sen darauf hin, dass Organisationen für die Fortsetzung ihrer Operation(Entscheidungen) auf strukturelle, das heißt unsicherheitsabsorbierendeBeiträge angewiesen sind, die über andere Organisationen in Netzwerkenerbracht werden können.

1 Luhmann (1988) unterscheidet drei Formen organisationaler Entscheidungsprämissen:Entscheidungsprogramme, Kommunikationswege und personale Entscheidungsprämissen, wieAusbildung und Motivation der Organisationsmitglieder.

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Netzwerke als strukturelle Kopplung von Organisationen

Wenn Organisationen in Netzwerken kooperieren, bündeln sie ihre Ressour-cen und Kompetenzen, stellen ihre Autonomie jedoch wechselseitig nicht inFrage. Sie verpflichten sich auf ein gemeinsames Ziel, zu deren Realisierungjeder Partner einen spezifischen Beitrag leistet. Netzwerke werden hierbeials Form der Handlungskoordination gesehen, die im Unterschied zur Hier-archie und zum Markt bestimmt werden, in denen sich jedoch Elementemarktförmiger und organisierter Interaktion wiederfinden2. Ein wesentli-ches Motiv für die verstärkte Aufmerksamkeit von Netzwerken ist dieEinsicht, dass „die Basiseinheit für die Analyse organisationaler Evolutionnicht die einzelne Organisation, sondern eine Population von Organisationenist. Organisationen ändern sich nicht auf eigene Faust, sondern nur imVerbund“ (Baecker 1999: 360). Es handelt sich also um ein System–zu-System-Verhältnis, das nicht zwischen, sondern jeweils in den Organisations-systemen zu verorten ist. Die Systemtheorie bezeichnet derartige Verhält-nisse als strukturelle Kopplungen. Der Begriff der strukturellen Kopplungwurde von Maturana (1982) eingeführt und stellt in der Systemtheorie einenGegenbegriff zur operativen Geschlossenheit sozialer Systeme dar. DerBegriff weist auf System-Umwelt-Verhältnisse hin und damit auf die Mög-lichkeit der Umweltoffenheit operativ geschlossener Systeme, die Voraus-setzung interner Strukturbildung ist. Strukturelle Kopplungen stellenUmweltsensibilitäten sicher, da sie das System auf bestimmte Umwelt-aspekte als Irritation aufmerksam machen. Diese kann das System unterbesonderen Sinnanschlüssen als Informationen verarbeiten und so eineAktualisierung der jeweiligen Systemstruktur erreichen (Luhmann 1993).Netzwerke als strukturelle Kopplungen stellen somit neue Formen desUmgangs mit Unsicherheiten dar, die ihre Ursachen in gesellschaftlichenVeränderungen haben. Kämper und Schmidt (2000) bezeichnen dieseUnsicherheiten auch als Programmschwäche der Organisationen. Hierunterist zu verstehen, dass die Programme der Organisation nicht (mehr) in derLage sind, organisationales Entscheiden so zu bestimmen, dass ein mit derUmwelt des Systems abgestimmtes Operieren möglich ist (Kämper/Schmidt2000: 229).

2 Hierbei lassen sich zwei Sichtweisen unterscheiden. Einerseits wird das Netzwerk als hybriderTypus verstanden, d.h. Markt und Hierarchie werden als Endpunkte eines Kontinuums mitoffenen Zonen begriffen, in deren Mitte das Netzwerk angesiedelt ist. Andererseits wird demTypus Netzwerk eine eigenständige Qualität zugestanden, die keine graduellen Übergänge indie anderen Typen zulässt. Powell (1990) hat hierfür die Formel „weder Markt noch Hierarchie“geprägt.

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Strukturelle Kopplungen sind zwischen Organisationen3 als „lose“ und„strikte Kopplungen“ zu beobachten. Die Unterscheidung loser und strikterKopplungen von Systemelemente lässt sich mit den Begriffen Medium undForm näher bestimmen. „Von der Form unterscheidet sich das Medium nichtder Substanz nach oder natural, sondern allein durch die Art und Weise, inwelcher die verwendeten Elemente aneinander gekoppelt sind: als Zustandloser Kopplung von Elementen im Fall des Mediums und als Zustand strikterKopplung im Fall von Form“ (Luhmann 1995: 165-73). „Lose Kopplungen“bezeichnen mögliche Bindungen zwischen den Elementen verschiedenerOrganisationsstrukturen, z. B. Überraschungen, verzögerte Reaktionen,indirekte Wirkungen und unkalkulierbare Beobachtungen. Gerade die „lo-sen Kopplungen“ verleihen den Netzwerken ihre hohe Flexibilität. Je nachRelevanz, die immer nur die jeweilige Organisation für sich bestimmen mussund kann, können „lose Kopplungen“ als Chance und Möglichkeit fürKooperationen begriffen werden. Im Netzwerk wird Engagement darumhoch verfügbar. Engagement, das zu Bindungen führt, ist im Netzwerkimmer vorhanden aber auch flüchtig. Realisierte Bindungen hingegen lassensich als „strikte Kopplungen“ bezeichnen. Darunter sind Formen des forma-len Austauschs, z. B. Ziele, Verfahren und Kooperationen zu verstehen. DieAttraktivität des Netzwerkes ergibt sich einzig aus den Relevanzen, die dieOrganisationen ihm beimessen. Bietet das Netzwerk Möglichkeiten, die alsvorteilhaft von den Akteuren angesehen werden, lohnt sich dort dasEngagement4.

Bis hierher lässt sich festhalten, dass interorganisationale Netzwerke imsystemtheoretischen Verständnis als eine Form der strukturellen Kopplungvon Organisationen verstanden werden kann, wobei sich „lose“ und „strik-te Kopplungen“ unterscheiden lassen. Netzwerke werden in dieser Sicht-weise nicht als neuartiger Systemtyp5 bezeichnet. Kämper und Schmidt(2000) ergänzen dieses Verständnis durch den Systemtyp Interaktion. Siegehen davon aus, dass Programmschwächen der Organisationen nichtimmer dadurch kompensiert werden, dass andere organisationsinterne

3 Bei Luhmann ist der Begriff der strukturellen Kopplungen nur für das Verhältnis von psychischenund sozialen Systemen sowie von Funktionssystemen untereinander ausgearbeitet worden, eineAnwendung auf das Verhältnis von Organisationen zu ihrer sozialen Umwelt fehlt jedoch (vgl.Kämper/Schmidt 2000).

4 Ähnlich können auch „strong ties“ bereits etablierter Produktionsbeziehungen und „weak ties“als mögliche Kontakte zu Dritten in Anschluss an Granovetter (1973) verstanden werden.

5 Nach Luhmann (1975) lassen sich drei soziale Systemtypen unterscheiden: Interaktionen,Organisationen, Gesellschaft.

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Entscheidungsprämissen herangezogen werden, sondern Organisationensich „umweltabhängiger“ machen, d.h. die interne Komplexität der Um-weltkomplexität annähern (Luhmann 1988: 174f.). Dieser Prozess erfolgtüber direkten Kontakt von Organisationsmitgliedern beiderseits unter Inan-spruchnahme von Interaktion, die keiner der beteiligten Organisationenzugerechnet werden kann. Hiermit wird eine Differenz von Interaktion undOrganisation eröffnet, was für die Organisation die Folge hat, dass Irritatio-nen durch die Umwelt nicht unmittelbar auf die Struktur des Systems wirken.Interaktionen von Organisationen beschränken sich auf Organisations-mitglieder, auf Personen. Veränderte Entscheidungsprämissen der Perso-nen müssen nicht notwendigerweise in das bestehende System der Organi-sation übernommen werden. Irritationen setzen als anschlussfähige Infor-mationen evolutionären Wandel in den Organisationen in Gang. Interaktio-nen stellt sich als zusätzliches soziales System ein bei interorganisationalenBeziehungen in Netzwerken. Die hier realisierten strukturellen Kopplungensind die Voraussetzung dafür, organisationsexterne Strukturen für dasorganisationsinterne Operieren zu nutzen (Kämper/Schmidt 2000: 232).

Vertrauen als konstitutives Merkmal von Netzwerken

Netzwerke bieten durch die Vielzahl von „losen Kopplungen“ für dieMitglieder einen erleichterten Ressourcenzugang, der andernfalls nur unterschwierigen Bedingungen und Aufwändungen zu erreichen wäre. Diesererleichterte Ressourcenzugang macht die Attraktion und Besonderheit vonNetzwerken aus. Um jenen zu realisieren binden sich Akteure in spezifischerWeise als Mitglieder im Netzwerk. Durch eine Mitgliedschaft im Netzwerkeröffnen sich die Akteure zusätzliche Möglichkeiten der Differenzierung alsVoraussetzung des Ressourcenzugangs. Akteure haben jedoch nicht quaihrer Mitgliedschaft Zugang zu den Ressourcen, wie Wissen anderer imNetzwerk. Das Wissen ist im Netzwerk nicht einfach verfügbar, es wirdvielmehr erst in der Interaktion erzeugt. Hiermit sind gleichzeitig neueRisiken verbunden. Im Netzwerk gibt es keine Garantie, an den möglichengemeinsamen Ressourcen tatsächlich zu partizipieren. So gesehen würdenNetzwerke Unsicherheiten nicht vermindern, sondern zusätzliche eher nocherzeugen. Um Kooperationen zustande zu bringen und aufrecht zu erhaltenbedarf es weiterer Voraussetzungen – vertrauensvolle Strukturen.

Luhmann beschreibt Vertrauen als Handlungskoordinationsmechanismus(Luhmann 1989). Vertrauen reduziert Ungewissheiten, indem spezifischselegierte Annahmen über das zukünftige Verhalten dessen, dem vertraut

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wird, ermöglicht werden. Jemand, der in Erwägung zieht, einem Netzwerk-mitglied zu vertrauen, geht – ohne dafür eine Garantie zu besitzen – von derAnnahme aus, dass dieser sich als vertrauenswürdig erweisen wird und dasWohlwollen, das ihm entgegengebracht wird, nicht missbraucht wird (Bach-mann 2000: 111). Vertrauen stellt somit eine Voraussetzung für erfolgreicheKommunikation dar. Um miteinander in Beziehung zu treten, müssen dieNetzwerkmitglieder bereit sein, Vertrauen im Sinne einer freiwilligen Vor-leistung zu investieren. Dieses Vertrauen in andere Netzwerkmitgliederstellt in gewisser Weise eine Zugangsvoraussetzung für die eigene Netzwerk-mitgliedschaft dar und ist gleichzeitig ein konstitutiv wichtiges Merkmal vonNetzwerken überhaupt.

Vertrauen bewegt sich immer in der Differenz von Risikominimierung undRisikoerzeugung. Die Chance, die Netzwerke bieten, wird mit einem erhöh-ten Risiko nichtautorisierter Nutzung von Wissen und anderer Ressourcenbezahlt, was bei erhöhtem Engagement eher noch zunimmt. Vertrauen istsomit immer in Gefahr und kann in riskanten Situationen immer zu Verlustenführen. Es muss demnach gute Gründe dafür geben, dass das Risiko,welches der Akteur bereit ist einzugehen, kalkulierbar ist. Dieses Risiko wirdin den sozialen Strukturen des Netzwerkes durch allgemein anerkannteNormen sozialen Handelns kalkulierbar. Rechtliche Normen sind nachLuhmann (1989) ein Mechanismus, der das durch Vertrauen6 erzeugte Risikominimieren kann. In Netzwerken existieren neben den rechtlichen vor allemsoziale Normen, die zur Risikominimierung beitragen. Soziale Normen sindvon allen Akteuren getragene Werte, die nicht offen im Netzwerk verhan-delt werden, sondern als implizite Regeln gelten. Neben den stillschweigendanerkannten Regeln gibt es in Netzwerken auch explizit ausgehandelte,institutionalisierte Regeln und Verfahren, wie Sanktionsmechanismen (Ex-klusion in Form von Austritt oder Ausschluss) für den Negativfall desVertrauensbruch oder vertragliche Vereinbarungen (z.B. letter of intent,Geheimhaltungserklärungen).

6 Zucker (1986) unterscheidet drei Formen des Vertrauens. Er spricht von Vertrauen zwischenAkteuren, die persönlich miteinander im Kontakt stehen (process-based trust), von Vertrauenunter Bezug auf gemeinsame soziale Merkmale, z.B. ethnische Herkunft (characteristic-basedtrust) und vom Vertrauen, das auf der kollektiven Anerkennung von institutionalisierten Regelnund Verfahren beruht (institutional-based trust). In modernen sozio-ökonomischen Systemenspricht er neben den beiden erstgenannten Formen, vor allem der dritten eine starkeBedeutung zu.

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Dynamik von Netzwerken

Mit zunehmender Institutionalisierung der Netzwerke, die auf Risiko-minimierung und Zieleffizienz ausgerichtet ist, werden verfügbare „loseKopplungen“ in formale, „strikte Kopplungen“ gewandelt. Damit bestehtjedoch gleichzeitig immer die Gefahr, dass der entscheidende Vorteil derNetzstruktur (Flexibilität durch „lose Kopplungen“ und erhöhtes Irritations-potenzial zur Innovationsgewinnung) verloren geht. Das hat Konsequenzenfür die Gestaltung von Netzwerken, da diese immer als labile Zustände zukennzeichnen sind, die einerseits zur Auflösung (wenn die Ziele erreichtsind), andererseits zur Institutionalisierung tendieren, in jedem Fall zumVerschwinden des Netzwerkes durch Transformation in andere Formen.Hiermit sind z. B. Prozesse der Abgrenzung und des Misstrauen nach außen,das heißt auch mit Diskriminierungen anderer verbunden. Im Extrem könneneng begrenzte und nach außen geschlossene Netzwerke Innovations-prozesse verpassen (Grabher 1990) oder Mafiastrukturen aufbauen (Luhmann1988).

Die Bindungen, die das Netzwerk realisiert, sind nur solange relevant undexistent, als sie aktualisierbar sind und aktualisiert werden. Das heißt, siemüssen sich reproduzieren in sinnvollen Anschlüssen der Operationen derbeteiligten Organisationen (Akteure). Bedingungen dafür sind offene Peri-pherien der Organisationen, spezifische Kopplungen zur Relevanzsicherungund Aktualisierung (im Sinne von Problemlösungen). Das heißt, „lose“ und„strikte Kopplungen“ sind für die Funktionsfähigkeit von Netzwerken unab-dingbar, um einerseits Flexibilität und Offenheit andererseits Risiko-minimierung und Sicherheit zu erlangen. Die strukturelle Labilität der Netz-werke kann jedoch auf diese Art nicht gebändigt werden. Auf Dauer lösensich Netzwerke auf oder transformieren in andere Formen. Netzwerke sinddaher temporär eher begrenzte Strukturen, die einen großen Anteil an„Balancearbeit“ bei der Gestaltung der Kopplungen erfordern. So werdenRessourcen und Engagement gebunden, die von den Organisationen alsInvestitionen verbucht werden müssen. Die sich aus den Netzwerkenergebenden Chancen für Innovationen durch die über strukturelle Kopp-lungen erfolgenden gegenseitigen Irritationen rechtfertigen diese aber.

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Literatur

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Netzwerkkooperation zwischen internerFunktionalität und externem Support:Regionale Weiterbildungsnetzwerke

Rudolf Husemann

Beobachtet man die Förderschwerpunkte in der Weiterbildung und in derdarauf bezogenen Forschung, findet man zunehmend eine Konzentrationauf Netzwerke. Dies zeigt sich besonders dort, wo nationale und internati-onale Mittel zusammengebracht werden. Damit wird an die schon traditio-nelle Praxis des Bezugs von Fördermitteln auf regionale Problemlagenangeknüpft. Die damit verbundenen Zielsetzungen sind eingebettet in denRahmen einer regionalen Strukturentwicklungspolitik, die auch (berufliche)Qualifizierung als regionalen Entwicklungsfaktor betrachtet (Hagen/Rückert-John 2001).

Die Begründungen, warum Netzwerke in den Mittelpunkt derFörderinteressen rücken, ergeben sich aus den Vorteilen, die einer solchenWeiterbildungsorganisation zugesprochen werden. Diese „Vorteile“ setzenmeist an den „Nachteilen“ einer einzelinstitutionellen Angebotspolitik in derWeiterbildung und Erwachsenenbildung an und lassen sich dann beschrei-ben in der Steigerung der Angebotstransparenz, der regionalen Aus-gewogenheit von Angebotsstrukturen, in der Möglichkeit der gemeinsamenNutzung von Ressourcen und eben in der Kooperation, so wie sie Netzwerkeermöglichen (Dobischat/Husemann 2001). Als Beteiligte in solchen Netzwer-ken sind diejenigen Einrichtungen denkbar, die über Ressourcen für Weiter-bildung verfügen und Angebote unterbreiten und auch solche, die solcheRessourcen koordinieren. Damit sind zunächst Betriebe, Bildungsträger undHochschulen gemeint, aber auch diejenigen Stellen, die Mittel verwaltenund verteilen und/oder in der Regionalentwicklungspolitik tätig sind, wieetwa Ressorts der öffentlichen Verwaltung und Einrichtungen der Wirtschafts-förderung.

Die Berücksichtigung des Netzwerkkonzepts in der Forschungsförderungund in der Organisation der Weiterbildung folgt ähnlichen Begründungen.Beiderseits wird darauf gesetzt, dass damit Arbeitsstrukturen geschaffenwerden sollen, die den Rahmen einzelner Einrichtungen überschreiten(Husemann/Dobischat 2001). Im Vergleich zu einer sonst auf kleine Einheitenwie Lehrstühle oder Institute bezogenen Forschungsförderung könnte man

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dies als Innovation in der Arbeitsorganisation von Forschung bezeichnen, diedamit ein Komplement zu der klassischen personellen Zurechnung vonArbeitsergebnissen schafft. Mit einer so etablierten Kooperation ist aucheine wechselseitige Kontrolle verbunden, die im Rahmen von Forschungs-förderung durchaus als wünschenswert angesehen werden kann, wenn siein Form einer forschungsprozess-begleitenden Evaluation verstanden wird.Für die Organisation der Weiterbildung in Netzwerken besteht die Annah-me, dass der Einsatz von Ressourcen und die Schaffung von ausgewogenenregionalen Angebotsstrukturen mit ausreichender Pluralität aufeinanderabgestimmt werden können.

Der Zusammenschluss von Weiterbildungseinrichtungen in Netzwerkenwirft die Frage der internen Funktionalität auf. Durch die Verschieden-artigkeit der teilnehmenden Einrichtungen und durch die Orientierung anallgemeineren Funktionsprinzipien (z.B. Marktfunktionen) bedarf diese Fra-ge der permanenten Klärung. Erfolgt für solche Netzwerke eine externeFörderung, dann sind weitere Bedingungen gegeben, denen sich dieNetzwerkarbeit gegenübersieht. Die folgenden Überlegungen versuchen,die Bedingungen der Netzwerkarbeit aus der Perspektive der internenFunktionalität und bei externem Support theoretisch und an Beispielen zubeschreiben.

Interne Funktionalität

Bei Netzwerken der Weiterbildung ist davon auszugehen, dass die Netzwerk-kooperation das Zusammenwirken von verschiedenartigen Kooperations-partnern umfasst (vgl. z.B. Benzenberg 1999; Wegge 1996). Zur Beobach-tung der Funktionalität von solchen Netzwerken besteht die Möglichkeit,auf das Theorierepertoire der Sozialwissenschaften zurückzugreifen(Husemann 1998). So könnte man Qualifizierungsnetzwerke als sozialeSysteme bezeichnen, genauer als Organisationssysteme. Die Bezeichnungals Organisationssystem ergibt sich aus dem Ausschluss einer Klassifikationals personelle Systeme oder Gesellschaftssysteme. Bei Netzwerken müssteman von einer „doppelten“ Organisationsebene ausgehen, denn empirischfinden sich hier Organisationen zu einem Verbund, also zu einer Meta-Organisation zusammen. Verständigt man sich darauf, dass die Elementesolcher Organisationssysteme nicht die teilnehmenden Organisationen sind,sondern die im System vorfindlichen Kommunikationsprozesse, dann kannman sich auf diese konzentrieren. Sinnhafte Kommunikation im sozialenSystem findet sich in den Dimensionen Information, Mitteilung und Verste-hen. Damit ist die Synthese einer Reihe von Selektionen beschrieben, wobei

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die Selektion auf der Dimension des Verstehens eine erklärende Selektionabschließt und auf die Stufe einer „verstehenden Übereinkunft“ bringt(Luhmann 1984).

Für die interne Funktionalität wären zunächst die Dimensionen Informationund Mitteilung zu betrachten. Sie umfassen die Prozesse, die sich auf diesachlichen Inhalte und deren Austausch und Selektion beziehen. InQualifizierungsnetzwerken wäre dies die Verteilung von Informationen, fürdie inzwischen technische Hilfsmittel geschaffen wurden, die diese Prozessedeutlicher in ihrem „Selektionsproblem“ erkennbar machen können. Be-züglich der organisationellen Doppelstruktur von Netzwerken verdoppeltsich auch die Selektionsleistung von Kommunikationsprozessen bezüglichInformation und Mitteilung, und zwar nach Maßgabe dessen, wie Versor-gung zwischen den beiden Ebenen erfolgt. Die Annahme, dass solchedoppelten Selektionsvorgänge einen systemgerechten Transport und einesystemgerechte Verarbeitung von Informationen leisten, ist eher unwahr-scheinlich. Dies wäre jedenfalls dann anzunehmen (und man sucht ja denpositiven Fall), wenn der Sinngehalt von Informationen auf allen Ebenengleichermaßen erkannt wird.

Mit der Dimension des Verstehens ist der Gedanke verbunden, dass imsozialen System selbst Lernprozesse erfolgen, die auf die Produktion vonÜbereinkünften gerichtet sind. Damit erscheint diese Dimension geeignet,sie für die Beobachtung der Funktionalität von Netzwerken zu entleihen. DerGedanke knüpft an ein Funktionsprinzip von Netzwerken an, welches derenStellung zwischen „Markt“ und „Hierarchie“ klassifiziert als Systemtyp, derauf der Ebene von gemeinsam entwickelten Normen und damit auf einerdurch Übereinkünfte geschaffenen (Vertrauens-) Basis anzusiedeln ist. Sieerfüllen damit die Bedingung des sinnhaften Aufeinander-Beziehens vonHandlungen (Kommunikation) als wesentliches Merkmal von sozialen Syste-men.

Typischerweise geht man bei der Beobachtung von sozialen Systemendavon aus, das Information, Mitteilung und Verstehen einer „Systemlogik“folgen. Gemeint ist damit, dass – um in der Differenzierung der Netzwerk-diskussion zu bleiben – marktförmige, hierarchische oder „vertrauens-basierte“ Systeme die zugehörigen Selektionsleistungen innerhalb der je-weiligen Systemspezifik erbringen. Am Beispiel eines Industriebetriebeskönnte man sich dies so verdeutlichen, dass durch Vermarktlichung voninneren Funktionslogiken auch innerbetriebliche Informationsverarbeitungs-prozesse nach Kosten- und Leistungsgesichtspunkten erfolgen, dass also

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Abteilungen intern und im Zusammenwirken auf der Basis von (monetären)Kennziffern arbeiten und über den Vergleich von Kennziffern in einWettbewerbsverhältnis treten. Deutlich wird dies auch am Beispiel vonhierarchisch strukturierten Systemen, wie sie im administrativen Bereich zufinden sind. Selektionsprozesse in solchen Systemtypen sind durch einfacheSchrittfolgen (z.B. zuständig – nicht zuständig) mit der Möglichkeit derDelegation ausgestattet, wohlgemerkt dreidimensional: Verschiebungen inder Zeitachse, vertikal und horizontal sind denkbar.

Wirken in Netzwerken Systeme mit verschiedenen Systemlogiken zusam-men, obliegt es der Dimension des „Verstehens“, Übereinkünfte zu schaf-fen, die diese Differenzen überbrücken, d.h. „verstehbar“ machen.Erfahrungsgemäß (Dobischat/Husemann 1998) bereitet diese Überbrückunginsofern Schwierigkeiten, als die an Netzwerken partizipierenden Einrich-tungen tief von ihrer Systemlogik durchdrungen sind, oder dies dochzumindest als Kriterium der Abgrenzung von anderen Systemtypen für sichreklamieren. In der Praxis werden die entsprechenden Argumente mit demHinweis auf Markt- bzw. Kundenbeziehungen, Verwaltungsvorschriftenoder auch Zeitregimes geführt. Offensichtlich ist weniger die Einsicht inandere Systemlogiken ein Problem der Verstehensbasis sondern vielmehrdie Notwendigkeit der Selbstvergewisserung, d.h. der Reproduktion dersinnstiftenden Kommunikation des eigenen Sozialsystems.

Neben dem Bedarf an „Sinnproduktion durch Selektion“ haben Weiter-bildungsnetzwerke einen Bedarf an internen Organisationsleistungen, dereine Ausstattung mit einer personellen und materiellen Infrastruktur erfor-dert. Offensichtlich sind die Möglichkeiten, diese Ressourcen aus demNetzwerk selbst zu generieren, daran gebunden, wie weit Affinitätenzwischen der Sinnstiftung innerhalb der beteiligten Einrichtungen und aufder Netzwerkebene hergestellt werden können, und in welchem Umfangdurch den Zusammenschluss in einem Netzwerk Dienstleistungen organi-siert oder sonstige Vorteile (Transaktionskosten) für die einzelnen Einrich-tungen erzielt werden können. Möglicherweise sind solche Arbeitsformenneben der typischen einzelwirtschaftlichen Verfassung von Wirtschafts-aktivitäten oder der hierarchischen Struktur von Verwaltungsaktivitätennoch so selten, dass „selbsttragende“ Beispiele eher selten sind, aberjedenfalls dokumentierbar. Bekannt sind Organisationslösungen, in denenNetzwerke Geschäftsstellen unterhalten, die Dienstleistungen für die Part-ner erbringen und die von den Netzwerkpartnern gemeinsam getragenwerden (vgl. z.B. Helbich 2000). Eine andere Möglichkeit wäre, bei einem derPartner eine Koordinationsstelle einzurichten.

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Externer Support

Die oben erwähnte Förderpraxis zeigt, dass Netzwerke auch mit externemSupport arbeiten. Ist schon das Netzwerk aufgrund seiner doppelten System-struktur kompliziert, so könnte man annehmen, dass mit externem Supportnoch mehr Komplexität zu bewältigen ist, weil nun noch auf einer drittenEbene sinnstiftende Selektionsleistungen zu erbringen sind. Denkbar istaber auch, dass darüber kommunikative Leistungen spezifiziert werden,dass durch extern zugewiesene Sinnstrukturen (und materielle Ressourcen)die Funktionalität von Netzwerken gesteigert werden kann. Wir wollen imfolgenden anhand von einigen Punkten darauf eingehen, wie durch exter-nen Support eine Organisation geschaffen wird, die ihrerseits als sinnstiftendgelten kann. Wir orientieren uns dabei an denjenigen Organisationsleistungen,die im Rahmen von Projektarbeit allgemein bekannt sind.

• Üblicherweise erfordert der externe Support, wenn er in Form einerProjektförderung erfolgt, eine Antragstellung. Durchweg ist für dasErstellen eines Projektantrages schon ein hohes Maß an Kooperations-bereitschaft und eine Abstimmung auf gemeinsame Interessenlagenunabdingbar. Somit kann man schon in diesem Schritt davon ausgehen,dass die (potenziellen) Netzwerkpartner gemeinsame Zukunftsplanungbetreiben. Neben der Erwartung von einrichtungsspezifischen Erträgenumfasst die Zukunftsplanung auch zeitliche, sachliche und personelleFestlegungen. Bei möglicherweise deutlich unterschiedlichen Zeit-horizonten in den einrichtungspezifischen Planungsperspektiven zeigtsich meist auf dieser Ebene schon ein erheblicher Bedarf an Abstimmungund an „Verstehensleistungen“.

• Für die Ablauforganisation von Netzwerkprojekten gelten ähnlicheRahmenbedingungen. Ein gemeinsam getragener und gegenüber einerexternen Fördereinrichtung zu verantwortender Projektantrag nötigt zueiner zielgerichteten und auf Vertrauen gegründeten Kooperation, wo-bei die Kategorie des Vertrauens mehr umfasst als das planmäßigeErfüllen von Zusagen, nämlich das (Mit-)Tragen einer Netzwerkphilosophie,die in den Aspekten Form und Inhalt innerhalb der Netzwerkarbeit undnach außen eine sinnstiftende Identität erkennen lässt, was nichtsanderes bedeutet, dass diese Netzwerkphilosophie kontinuierlichesArbeitsprogramm ist.

• In der Ergebnisdarstellung lässt sich der Aspekt des externen Supportsdaran verorten, dass zeitlich und sachlich im Hinblick auf Ausgangslage,Arbeitsauftrag, Beitrag der Netzwerkpartner und Zielerreichung zu re-

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flektieren ist. Die Mehr-Ebenen-Struktur von Netzwerken bietet hier eineVielfalt der Reflexion der Arbeitsformen und Ergebnisse, da eben auchmehrere Bezugspunkte dafür ausgemacht werden können.

• Die zeitliche Befristung, wie sie meist mit dem externen Support durchProjektförderung verbunden ist, provoziert eine bindende zeitlicheTaktung, aber auch einen zeitlich abgeschlossenen Rahmen der Koope-ration. Wenn auch mit einer gemeinsamen Antragstellung schon eingewisses Maß an Kooperationswillen und/oder Kooperationsfähigkeitdokumentiert wird, so ist damit jedoch nicht eine Dauerabsicht zuunterstellen. Die zeitliche Befristung mag daher eine der möglichenBedingungen darstellen, unter denen eine Entscheidung für Kooperationgetroffen wird.

• Eine der typischen Bedingungen für die Förderung von Netzwerkprojektenist die Interdisziplinarität der teilnehmenden Einrichtungen oder dermitwirkenden Personen, oder auch die Zugehörigkeit der Einrichtungenzu unterschiedlichen gesellschaftlichen Funktionsbereichen. Dies ermög-licht die grenzüberschreitende Bearbeitung von Querschnittsfragen,Perspektivenwechsel auf Methoden, Theorien und Alltagsvorstellungenund somit eine Reflexion der eigenen Arbeitsweise. Die den Netzwerk-strukturen immanente Möglichkeit der wechselseitigen (systemaren)„Beobachtung“ scheint eine bisher wenig entwickelte Ressource derWissensproduktion zu sein.

Alle diese Komponenten extern unterstützter Netzwerkarbeit weisen einehohe Verbindlichkeit für alle Netzwerkpartner auf, was den „Eigenauf-wand“ des Netzwerks an Sinnstiftung reduziert. Betrachtet man die typi-schen Gründe für das Scheitern von Netzwerken, so können diese geradein diesem Bereich vermutet werden, wenn etwa Erwartungen an Effizienz-steigerung nicht erfüllt werden, Einzelinteressen den Netzwerk-vereinbarungen vorangestellt werden oder interne kommunikative Leistun-gen unzureichend sind, um den für den Bestand erforderlichen Bedarf anSinnproduktion zu erzielen. Alle diese Scheiternsrisiken dürften zunehmen,wenn die Kooperationspartner über unterschiedliche Systemlogiken verfü-gen.

Entwicklungen in der Organisation der Wissensproduktion sind meist lang-samer als die Wissensproduktion selbst. Offensichtlich bedarf es beharrli-cher Versuche, aber auch externer Unterstützung, um solche Entwicklun-gen zu ermöglichen. Manches Argument geht in die Richtung, dass sichleistungsfähige Organisationsformen auch ohne externe Unterstützung

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durchsetzen würden, wenn ihnen genügend Raum zur Entfaltung gebotenwürde. Das könnte immerhin sein. Wie sich zeigt, liegen aber die Argumentefür die Unterstützung von Netzwerken nicht nur auf der Ebene der materi-ellen Ressourcen. Wie zu erwarten, schafft man damit erweiterte Möglich-keiten des Zusammenwirkens von Partnern im Hinblick auf übergeordnetepolitische Zielsetzungen, die anderweitig unerschlossen bleiben würden.

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Zufälle und andere Regelmäßigkeiten:Die Logik des Management of Change

Ein Beitrag zur Indikatorenfrage in dersozialgeographischen Netzwerkforschung

Markus Hilpert / Andreas Huber

1 Auf dem Weg zu einer „Theorie der Praxis“

Beinahe paradigmatischen Stellenwert bekommt die Aussage, dass derStaat heute für viele Aufgaben gleichzeitig zu groß und zu klein gewordenist (vgl. Danielzyk; Ossenbrügge 1993). Regulationstheoretisch betrachtetwar der Staat in der fordistischen Phase eine zentrale Institution, die mit demKonzept der Globalsteuerung die Rahmenbedingungen für effizienteWachstumsstrategien schaffte, sich aber auch ausgleichend zwischen dieantagonistischen gesellschaftlichen Kräfte stellte. In diesem Rahmen nah-men staatliche Aktivitäten an Breite und Intensität zu (vgl. z.B. dieRaumordnungspolitik der 60er und 70er Jahre). Angleichung der regionalenLebensverhältnisse war dementsprechend die Leitnorm vieler politischerStrategien.

In neueren Entwicklungsmodellen hat die Vorstellung einer homogenenGesellschaft vielfach an Bedeutung verloren. Das Bild der „Solidargemein-schaft“ wird durch soziale Differenzierung und individualisierte Lebensfor-men bei gleichzeitiger Akzentuierung der Lebensstile verwischt. ImSpannungsfeld zwischen Wirtschaft, Staat und privaten Haushalten gelingtes immer seltener allein einer Position, konzeptionelle Vorstellungen inkonkrete Entwicklungsprojekte umzusetzen. Im intermediären Bereich, inden Schnittflächen unterschiedlicher Zuständigkeiten, Interessen und Funk-tionen gewinnen auf Kooperation basierende Formen der Raumgestaltung(z.B. Stadtentwicklung, regionale Wirtschaftsförderung, Dorferneuerung,Regionalmanagement, Citymarketing, Agenda 21, lokale Beschäftigungs-strategien usw.) zunehmend an Bedeutung.

Die angewandte Sozialgeographie, speziell die interaktive Sozialgeographie(vgl. Schaffer 1997) thematisiert solche bewusst inszenierte räumliche Ver-änderungen als sozialräumliche Gestaltungsprozesse. Ihr Ziel ist es, nebender aktiven Teilhabe in Form einer interaktiven Begleitforschung, im reflexi-

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ven Diskurs Standards der Implementation (Theorie der Praxis) zu erarbei-ten, um Handlungsempfehlungen (Politikberatung, Prognosen usw.) jenseitsder vorherrschenden muddling-through-Strategien und über den Horizontdes ohnehin Absehbaren bereitstellen zu können (vgl. Hilpert 1999).

Die Erfolgsbedingungen sozialräumlicher Gestaltungsprozesse und dieVerlaufsformen ihrer Lernprozesse sind bisher noch kaum systematischuntersucht. Im Folgenden soll daher der Versuch einer Annäherung an einModell erfolgreichen Netzwerkmanagements skizziert werden, um die infast jedem Kooperationsprojekt (unabhängig vom projektbezogenen fach-lichen Inhalt) beobachtbaren Muster zu ordnen. Das Systematisieren derar-tiger Gemeinsamkeiten, oftmals abgetan als nicht übertragbare Singularitätenoder Zufallserscheinungen, erlaubt es, Prozessabläufe transparent,transferierbar und insbesondere bis zu einem gewissen Grade (innerhalb vonUnschärferelationen) prognostizierbar zu machen.

2 Steuern universelle Gesetze unser Handeln?

Wenn wir die Notwendigkeit von sozialräumlichen Veränderungen begrei-fen, damit oftmals aber so wenig erfolgreich sind, dann muss es dafürGründe geben. Es sollen daher zunächst aus der Alltagspraxis des Manage-ments sozialräumlicher Gestaltungsprozesse typische Vorgehensweisenaufgezeigt werden, die unserer Erfahrung nach vielen Misserfolgen zugrundeliegen. Diese Fehler passieren nicht zufällig, sondern sind vielmehr bereits imSystem selbst angelegt. Sie haben sozusagen eine Logik. Denn viele gutge-meinte Absichten erzielen letztendlich das Gegenteil. Derartiges Scheiternergibt sich logisch aus klar identifizierbaren Denk- und Handlungsmusternder handelnden Akteure sowie aus den ebenso typischen Reaktionsmusternanderer betroffener Akteursgruppen (vgl. Dörner 1989).

Wenn Kollegen, die in der regionalen Politikberatung oder der lokalenStandortentwicklung tätig sind, im gemeinsamen Gespräch nach getanerArbeit von ihren Erlebnissen in der Praxis berichten, hört man häufigAnekdoten. Der Satz „Sowas hab ich auch schon mal erlebt“ fällt dabei nichtselten. Was hat das zu bedeuten, wenn Begleitforscher - unabhängig vonihrem fachlichen Tätigkeitsfeld - in der Praxis des Netzwerkmanagementsvergleichbare Erfahrungen machen? Drückt sich darin eine Systematik aus?Diese „Sowas ist mir auch schon mal passiert“-Erlebnisse sind mehr alsZufälle, sie sind erste Hinweise auf wiederkehrende Regelmäßigkeiten. Dasssie in der Praxis in ähnlichen Mustern beobachtet und diagnostiziert werden

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können, nährt die Hoffnung auf ihre Verallgemeinerbarkeit, um letztendlichVeränderungsprozesse künftig effizienter prognostizieren und umsetzen zukönnen. Auch aus den klassischen Naturwissenschaften wie etwa derPhysik wird von ersten Ansätzen berichtet, historische und soziale Ereignissein Modelle (universelle Logik) der Selbstorganisation, der Chaostheorie oderder Mathematik zu fassen (vgl. Buchanan 2000). Und in der Tat deutet vielesdarauf hin, dass hinter menschlichen Kooperationsbeziehungen in sozial-räumlichen Netzwerkprozessen aus unterschiedlichen Bereichen ähnlicheGrundstrukturen feststellbar sind. Mehr noch: Die Erfahrungen aus derPhysik, Medizin, Psychologie, Biologie etc. können anregen, Systematikenauch in zwischenmenschlichen Kooperationen (trotz Berücksichtigung des„spezifisch menschlichen Charakters“) aufzudecken. Sie sind wichtigeMeilensteine auf dem Weg zu einer Wissenschaft vom menschlichen Han-deln. Beim gegenwärtigen Forschungsstand lässt sich jedoch, trotz derteilweisen Inanspruchnahme dieses Themas durch die Kybernetik, Unter-nehmensforschung o.ä., eine einigermaßen zutreffende Definition derHandlungswissenschaft bzw. der „Praxeologie“ (vgl. Kaufmann 1968) nochnicht geben.

3 Einige Gründe des Misslingens: „Irgendwie kam’s ganz anders...“

Um Indikatoren für die erfolgreiche Umsetzung von Gestaltungsprozessenin Netzwerken zu identifizieren, ist es zunächst hilfreich, sich vor Augen zuführen, welche entscheidenden Muster und Verhaltensweisen (ohne dabeiden Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben) dabei immer wieder auftretenbzw. tangiert werden:

• Gegenwind: Wer Veränderungen einleitet, greift bei den betroffenenAkteuren in eine Vielzahl äußerst komplexer Strukturen persönlicherSinngestaltung (Lebenswelten) ein. Je einschneidender und radikaler sichdie Veränderungen auf Arbeits- und Lebensumstände auszuwirken dro-hen, desto brutaler wird der Eingriff erlebt. Solange nicht klar ist, was dasVorhaben bewirkt, wer Nutznießer der Veränderung sein wird, welcherSinn sich daraus für die Beteiligten ergeben kann, solange sind Angst undAbwehr die natürlichen Reaktionen. Widerstand gegen die geplanteVeränderung entwickelt sich als Automechanismus zum Schutz desscheinbar bedrohten Sinnzusammenhangs. Dies umso mehr, wenn in derfrühen Projektphase folgende Probleme auftreten: Zeitdruck (den mansich durch mangelnde Planung meist selbst geschaffen hat), Orientierungam kurzfristigen Ergebnis (statt am langfristigen Erfolg), Bedürfnis nach

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Selbstdarstellung, Unfähigkeit auf andere einzugehen, Befürchtung, dieeigenen Vorstellungen korrigieren zu müssen (wenn man sich auf Diskus-sionen einlassen würde) oder die Angst, das Handeln könnte einem ausder Hand gleiten (wenn man nicht ununterbrochenen Druck machenwürde).

• Autoritäts-Gehabe: Entscheidend für akzeptierte Problemlösungen istmeist die Berücksichtigung des bottom-up-Ansatzes, der es allen invol-vierten Akteuren erlaubt, sich mit dem Vorhaben zu identifizieren und inden Prozessablauf zu integrieren. Auf diese Weise kann man auch dem„not invented here“-Syndrom vorbeugen, das aus dem natürlichenSelbstwertgefühl und dem Grundbedürfnis der Akteure nach eigenerProfilierung und Mitgestaltung resultiert (vgl. Doppler; Lauterburg 2000).Andernfalls sträuben sich viele Akteure dagegen, vorgefertigte Ideenkritiklos (denn Kritik ist doch Ausdruck der eigenen Kompetenz!) zuübernehmen. Im schlechtesten Fall werden sie beweisen, dass die vor-geplante Veränderung so nicht funktioniert, ja nicht funktionieren darf.Im günstigsten Fall versuchen die Betroffenen, die vorgeschlagene Lö-sung nachträglich zu bearbeiten und mit ihren jeweiligen „Duftmarken“zu versehen, was in jedem Fall zu Zeitverlust, höheren Kosten, zusätzli-chem Koordinierungsaufwand usw. führt.

• Einseitigkeit: Das natürliche Bestreben nach Selbstdarstellung undpersönlicher Profilierung kann oftmals über das Angebot von Lösungenstärker befriedigt werden als durch den Versuch, die Dinge erst einmal zuverstehen. Dadurch gerät nicht selten aus dem Blickwinkel, dass dieLösung Teil des Problems ist. So könnte bspw. die Profilierung eines Ortesunter einem bestimmten Themenschwerpunkt (z.B. Tourismusregion)zwar zu einer zusätzlichen Einkommensquelle führen, auf der anderenSeite könnten, aufgrund einseitiger Lancierung von Interessen (undFinanzressourcen!) bestehende Einkommensquellen (z.B. die Holzwirt-schaft) vernachlässigt werden.

• Steif und starr: Eine wesentliche Leitlinie moderner Organisation nenntsich „form follows function“ (vgl. Doppler; Lauterburg 2000). Maßgeblichsind die Ziele, die es zu erreichen gilt. Die Organisationsform, um diese ambesten zu erreichen, hat sich dieser Funktion unterzuordnen und mussvon ihr abgeleitet werden. Insofern muss sie sich als permanent offenesExperiment vollziehen, das jeweils neu auf den Prüfstand gestellt wird. Inder Realität schaffen es die meisten Netzwerkkonstrukte allerdingslediglich in ihrer Initialphase, diesem flexiblen Anspruch gerecht zu

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werden. Haben sie sich einmal mehr oder weniger erfolgreich etabliert,tritt oftmals ein Beharrungsmechanismus ein und es folgt das Prinzip„function follows form“.

• Selbsttäuschung und Hiobsbotschaften: Schlechte Nachrichten ver-mitteln, und zwar so, dass trotzdem oder gerade deshalb die betroffenenAkteure sich ganz besonders engagieren – dies ist eine Kunst, die geradein der Anfangsphase von Projekten, meist aus taktischen Gründen, seltenanzutreffen ist. Verantwortlich hierfür sind Aspekte wie befürchteterAkzeptanzverlust, mangelndes Vertrauen und Offenheit sowie das „Prinzipder sukzessiven Wahrheiten“. Dabei wird oftmals die Belastbarkeit desSystems unterschätzt, die Aktivierung von Selbstheilungskräften(„empowerment“) verhindert und letztendlich der Bestand des Netzwer-kes bzw. des Veränderungsprozesses gefährdet.

• Prinzip Titanic: Bei der Sensibilisierung der Akteure für Veränderungs-prozesse ist derzeit in der Praxis vor allem eine Vorgehensweise zubeobachten. Im Gegensatz zum Prinzip der „Abwiegelung“, das beruhi-gend versucht, Abwehrreaktionen zu vermeiden, wird oftmals mit demPrinzip der „Dramatisierung“ gearbeitet. Die Betroffenen werden ausverdeckten Motiven manipuliert, ihre Energien zu aktivieren. Allerdingsbesteht die Gefahr, dass dieses Prinzip durchschaut wird und dass es zueiner Paralyse des Gesamtnetzwerkes kommt. Vernachlässigt man dieGrundlagen menschlichen Wohlbefindens und sozialen Zusammenhalts(Sicherheit, Geborgenheit, Anerkennung, Vertrauen usw.), produziertman geradezu die Probleme, mit denen man später zu kämpfen hat.Insofern ist der Umgang mit der Dramatisierung, die zweifelsohne not-wendig ist, um für Probleme zu sensibilisieren, ein schwieriger Balanceaktfür prozessorientierte Arbeit.

• Fremder unter Fremden: Netzwerke unterscheiden sich nicht nur inihren Zielsetzungen, ihrer Ausgangssituationen und Problemlagen, son-dern auch im Hinblick auf ihre „Kultur“ (Milieu) (vgl. Fromhold-Eisebith1995). Kultur ist dabei die Gesamtheit der geistigen Ausdrucksformen,der geschriebenen und ungeschriebenen Traditionen, Gesetze und Wer-te, die das Denken, Fühlen und Handeln der Akteure beeinflussen. EinVeränderungsprozess hat um so geringere Aussicht auf Erfolg, je stärkerer im Gegensatz zur vorherrschenden spezifischen Kultur steht. Verände-rungen einführen wollen, die neues Denken erfordern, die ein Verhaltenvoraussetzen, das bisher weder üblich noch beabsichtigt war, noch vielweniger belohnt und deshalb auch nicht gelernt wurde, ist wie derVersuch ein Meer zu pflügen.

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• Misstrauen: Vielfach ist die Verteilung der Aufgaben in einem koopera-tiven Projekt geprägt von fehlendem Vertrauen in die Kompetenzen deranderen Involvierten. So kommt auch die Management of Change-Studie von ILOI zu dem Schluss, dass Veränderungsprojekte häufig anmental-kulturellen Barrieren, wie z.B. einer unzureichenden Vertrauens-kultur, an gegenseitigen Schuldzuweisungen, am Widerstand gegenNeuerungen oder an fehlenden Feedbacks scheitern. Wo aber keinVertrauen in die Vernunft und Kompetenz der anderen Akteure vorhan-den ist, gibt es auch keine Chance für diese, ihre Interessen einzubringen.Dies wirkt sich negativ auf die Aktivierung endogener Ressourcen und diekollektive Akzeptanz des Veränderungsprozesses aus und verhindert,dass sich selbsttragende Strukturen entwickeln. Die Art und Weise desUmgangs miteinander, der Grad an Offenheit, Vertrauen und Direktheit,den man sich gegenseitig zumutet und zutraut, das Ausmaß der Teilhabean Entwicklungen, die einen selbst betreffen – aus all dem macht mansich ein Bild davon, wer Glaubwürdigkeit verdient und vor wem man sichbesser hüten sollte. Der Grad an Vertrauen entscheidet letztlich darüber,ob man bereit ist, sich mit jemandem auf unbekanntes Terrain zubegeben.

Gibt es ein Erfolgsrezept für Netzwerkmanagement?oder „Wir sollten doch eigentlich...“

Ziel des Management of Change ist es zunächst, das Bewusstsein für dieRelevanz der Probleme und die Betroffenheit durch die jeweilige Thematikbei den Akteuren zu entwickeln. Erst dann ist mit einem „social learning“(vgl. Friedmann 1987), mit einem reflektierten und pragmatischen Reagierenauf den Mangelzustand zu rechnen. Zugpferde dieses Lernprozesses sind inder Regel einige wenige Agents of Change (vgl. Hilpert; Huber 2001). FallsAkteure ihre Situation für selbstverständlich und unveränderbar halten, fehltjede Voraussetzung für Veränderung. In diesem Fall kann mit Hilfe der obenbeschriebenen Destabilisierung, bspw. unter Verwendung von Szenarienüber die zukünftige Entwicklung, ein gewisses Problembewusstsein erreichtwerden. Von dessen Ausmaß hängt auch die Motivation ab, mit der dieBeteiligten bereit sind, sich zu engagieren. Um für diesen Prozess das richtigeVorgehen wählen zu können, muss man den Ausgangszustand und die Rolleder Handlungsträger gut kennen. Insofern ist Information der erste Bausteinfür Sensibilisierung. Deshalb sind zu Anfang jeden Projektes geeigneteSender und Empfänger zu wählen und für die Mitarbeit zu gewinnen, umInformationen gezielt, effizient und wirksam zu steuern und zu streuen unddamit Betroffenheit zu initiieren. Um genaueres über die Ausgangssituation

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zu erfahren, ist es wichtig, folgende Punkte zu überprüfen: Klarheit derZiele, Informationsstand der Akteure, Problembewusstsein sowie Glaub-würdigkeit des Vorhabens und der Akteure. Erst nach diesen Schrittenmacht es Sinn, in die Phase der konkreten Problembearbeitung zu gehen,wobei hier stets dem Prinzip eines offenen und sensiblen Dialogs mit denBetroffenen zu huldigen ist. Dabei gilt es folgende Punkte zu berücksichti-gen:

• Vertrauen und Identität schaffen: Netzwerke bleiben von sich verän-dernden Rahmenbedingungen nicht unbeeinflusst. Sie stehen untereinem kritischen Entwicklungsdruck, weil die eigene Flexibilitäts-orientierung auch kollektive Bindungsstrukturen lösen kann. Gemein-schaften verlieren in diesem Prozess scheinbar ihren Stellenwert. Daherübernehmen Charaktereigenschaften wie Vertrauen oder ein gemeinsa-mer Zielkanon eine wichtige Steuerungsfunktion. Aus der relativenGeschlossenheit des Beziehungsnetzes resultiert letztendlich eine ge-meinschaftliche Identität. Coleman, Putnam u.a. verweisen dabei auf dasSozialkapital, das als Entwicklungspotential definiert wird, welches inGemeinschaften erzeugt wird. Es umfasst Merkmale wie Netzwerke,Normen und Vertrauen, die die Menschen befähigen, gemeinsam effek-tiver zu handeln und gemeinsame Ziele zu realisieren (vgl. Putnam 1995).Eine zentrale Rolle spielen dabei die Bereitschaft zur Kooperation undeine zuversichtliche Erwartung in das Handeln der anderen Akteure. ImUnterschied zu anderen Kapitalformen ist Sozialkapital nicht nur an deneinzelnen Akteur gebunden, sondern resultiert aus den Beziehungenzwischen den Akteuren (vgl. Fürst et al. 1999). Der Nutzen liegt für dieAkteure in der Verfügbarkeit von sozialen Strukturen, um individuelleInteressen zu verwirklichen (vgl. Coleman 1988, 1990). Damit Sozial-kapital eine verbindende Brücke sein kann, über die Ressourcen gegen-seitig ausgetauscht werden können, bedarf es weniger einer Erhöhungder Flexibilität denn des Verbindens offener Netzwerkoptionen (vgl.Coleman 1988). Dieses Zusammenschließen von Netzwerklücken („Kreu-zung sozialer Kreise“, Simmel 1908) setzt das Zusammenleben in demsel-ben Lebensraum, den Besuch derselben Ereignisorte, das Teilen dersel-ben normativen Erwartungen und Bindungsfähigkeit voraus. Der kom-munikative Austausch und die Aktivität in Netzwerken können ohne diesoziale Einbettung (im Sinne von Granovetters „Embeddedness“) nichterfolgreich realisiert werden. Jeder Rückzug aus Beziehungsnetzen redu-ziert das Sozialkapital. Weil die Akteure die Ressourcen, die ihre Interes-sen befriedigen können, in der Regel nicht vollständig kontrollieren, sindTransaktionen mit anderen Akteuren erforderlich. Kooperation vermin-dert jedoch Eigenständigkeit. Eine größere Unabhängigkeit korrespon-

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diert hingegen aufgrund des schwächeren gegenseitigen Verpflichtungs-niveaus mit einem geringeren Potential sozialen Kapitals. Die Gründeliegen nach Coleman in der Veränderung des „Maßes der Vertrauens-würdigkeit“, des „Grades der Geschlossenheit von Akteursnetzwerken“und der „Logistik sozialer Kontakte“ (vgl. Coleman 1990). HierarchischeNetzwerke, in denen wenige Akteure ein überdurchschnittliches Poten-tial von Sozialkapital mobilisieren können, sind in ihrer innovativenKombinierbarkeit von Akteursressourcen eingeschränkt und können alsweniger produktiv angesehen werden als die flachen Hierarchien freiwil-liger Zusammenschlüsse. Die Ausdifferenzierung und Anwendung einesSanktionierungs- und Belohnungskodex innerhalb der sozialenVerflechtungsstruktur stellt eine Erfolgsbedingung dar, um extern orien-tierte Akteure im eigenen Netzwerk zu binden. Sanktionen begünstigendas Entstehen von Normen, die auf externe Akteure über die Internalisie-rung eine hohe Bindungskraft ausüben können.

• Denken in Prozessen statt Strukturen: Man findet selten etablierteNetzwerke, die sich am Grundsatz „form follows function“ orientieren.Noch ungewohnter ist das Denken in Kraftfeldern, Energieströmen undoffenen Prozessen. Alles, was in seiner Wirkung nicht eindeutig ein-schätzbar und dessen Verlauf nicht exakt steuerbar scheint, wird alsdubios und chaotisch erachtet. Die Einsicht, dass man diesen als bedroh-lich empfundenen Zustand nur deshalb als unkalkulierbares Durcheinan-der bezeichnet, weil er in seiner inneren Logik nicht zugänglich ist, istnoch wenig verbreitet. Die Wirkungszusammenhänge dynamischer Sys-teme bleiben einem Beobachter, der direktiv zu steuern versucht, weit-gehend verschlossen, da oft mit der falschen Aktivität die Aufmerksam-keit in eine falsche Richtung gelenkt wird, was dann fast zwangsläufig zueinem Aus-dem-Ruder-Laufen des fehl gesteuerten Systems führt. Des-wegen gilt es nach dem Prinzip des Judo die vorhandenen Kräfte zuerkennen und zu kanalisieren, anstatt sie zu zerstören. DynamischeSysteme, die in ihrer Existenz von vornherein gefährdet sind, können ihrÜberleben nur durch kluge Anpassungsstrategien und ein Denken inoffenen Prozessen sichern. Dazu ist es wichtig, die innere Logik von sichselbst organisierenden Systemen zu verstehen, uns in diese Systeme zuintegrieren und unterstützenswerte Faktoren zu identifizieren sowieEntwicklungen erspüren zu lernen.

• Vernetzung durch Kommunikation: Die internen Vernetzungen durchKommunikation sicherzustellen ist eine zentrale Aufgabe des Manage-ment of Change. Ziel muss sein, das Netzwerk als lernende Organisationzu begreifen. Eine Vielzahl von Sensoren liefern Informationen, die für

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den erfolgreichen Ausgang des Projektes von Bedeutung sind. Dabei sinddie äußeren Einflüsse (gesellschaftliche Strömungen, politische Einfluss-nahme, Machtkonstellationen, Wettbewerb etc.) ebenso wichtig wie dieinneren Faktoren (Know-how, Motivation, Kompetenzen etc.). Nur werselbst ein guter Sensor ist und seine Antennen am richtigen Ort ausfährt,erhält die Informationen, die es ihm ermöglichen, in einem sozialenSystem sinnvoll lenkend Einfluss zu nehmen. Je sensibler die Themen undje stärker eigene Interessen berührt sind, desto mehr Zeit muss denMenschen eingeräumt werden, sich an die relevanten Fragen heranzu-tasten. Hierbei geht es den Betroffenen nicht zuletzt auch darum, dieGlaubwürdigkeit der Akteure zu testen und eine Vertrauensbasis undKooperationsfähigkeit aufzubauen. Wachsende Kooperationsfähigkeitbildet die Grundlage für leistungsfähige Netzwerke, die neue Problem-felder bewältigen können (kreative Milieus). Nur dann wird es gelingen,dass aus dem Kokon eines Netzwerks eine lernende Organisation schlüpft.Sie muss hinreichend stabil aber auch im notwendigen Umfang flexibelsein, um auf die dynamischen Veränderungen des Umfeldes reagieren zukönnen. Folgende Voraussetzungen erscheinen nach ersten empirischenBeobachtungen schon bei Entwicklung solcher Netzwerke wichtig füreinen späteren erfolgreichen Projekterfolg: Eine limitierte Größe (nicht zuviele Einzelakteure im Netzwerk), Präsenz von Entscheidungs- undHandlungsträgern (und ihre aktive Mitarbeit im Netzwerk), kein Akteurmit „Kampfauftrag“, nicht zu viele konkurrierende Akteure aus demgleichen Segment (Konkurrenz) und klare Prioritätensetzungen in denverschiedenen Phasen. Darüber hinaus muss es im Management ofChange selbstverständlich sein, die Strategie, die daraus abgeleitetenoperativen Maßnahmen, die dafür eingerichtete Trägerorganisation so-wie die praktizierten Formen der Kommunikation und der Kooperation inregelmäßigen und genügend kurzen Zeitabständen daraufhin zu über-prüfen, ob sie den aktuellen Anforderungen noch entsprechen. Weiterhinist der Aufbau eines sensiblen Frühwarnsystems (Netzwerkmonitoring)von besonderer Bedeutung. Durch systematisches „Management bywandering around“, durch laufende Auswertung aller Informationen,aber auch durch gezielte Feed-backs aller am Projekt Beteiligten könnender aktuelle Stand und die Entwicklungstendenzen erfasst werden.

• Organisation und Dialog: Die oben gewonnenen Erkenntnisse gilt esmiteinander zu verbinden. Zum einen, dass ein Netzwerk nur im Zusam-menspiel mit seinen relevanten Umwelten zu definieren ist, und zumanderen, dass sich die Struktur an den Bedürfnissen orientieren muss.Dabei gibt es drei Gruppen, die in diesem Sinne Ansprüche an dasNetzwerk stellen: die Mitglieder der Kerngruppe, strategische Partner

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und sonstige Betroffene. Da es nicht immer möglich sein wird, allen dreiBedürfnisträgern in ausgewogener Weise gerecht zu werden, stellt sichdie Frage nach den Prioritäten und ihren Konsequenzen für die Organi-sation. Außerdem sollte die gewählte Form die typischen Lernproblemevon Organisationen vermeiden: So werden etwa Routinen meist auch beiIneffizienz beibehalten. Der experimentelle Spielraum ist oft zu geringund es bestehen zu wenig Vergleichsmöglichkeiten, so dass das An-spruchsniveau nicht steigen kann. Auch wenn Organisationsmitgliederüber das Nichtfunktionieren von Lernschleifen Bescheid wissen, mussdies die Organisationsleitung noch lange nicht zur Kenntnis nehmen,weshalb es nicht selbstverständlich ist, dass etwas Defizitäres verändertwird. Probleme gibt es auch, wenn Fehler verschwiegen werden, ausAngst (z.B. groupthink) oder weil sie mikropolitisch nicht nutzbar sind. ZurVermeidung dieser Fehler bietet sich an, Organisationsformen zu wählen,die ein reflexives Prozesslernen ermöglichen, das bewusst den Einsatzvon Lerntechniken und Experimenten zulässt und als kontinuierlicherProzess der Entdeckung neuer Strategien dient. Entsprechend der mo-dernen Organisationstheorie bieten sich prinzipiell anstelle von Einlinien-systemen etwa Matrixsysteme an, die bewusst mehrere Ziele in derOrganisation verankern. Weitere Bestandteile sollten nicht-strukturelleAbstimmungsmodi, professionelles Personal, adäquate Organisations-kulturen, realistische Leitbilder und nicht-dauerhafte Strukturen wieProjektgruppen, Dezentralisierungen oder flache Hierarchien sein.

4 Fazit: „Sowas hab ich auch schon mal erlebt“

Nur in den Extrempositionen wird heute noch die Auffassung vertreten, dieDynamik und das Ergebnis eines sozialräumlichen Gestaltungsprozessesseien restlos zufällig. Die überwiegende Mehrzahl der in der Praxis tätigenBegleitforscher weiß aus eigener praktischen Erfahrung, dass in der Komple-xität und scheinbaren Singularität des konkreten Netzwerkmanagementsimmer wieder typische Muster, vergleichbare Situationen oder bekannteKonstellationen auftreten, auf die der Begleitforscher auf Grund seinerErfahrung und seiner Routine reagiert. Allein das Erkennen der Bedeutungvon Erfahrung ist bemerkenswert, drückt sich doch darin eine gewisseSystematik von Situationen aus, die der Begleitforscher (wieder)erkennt.Um solche Ordnungen beschreiben (und auch prognostizieren) zu können,bedarf es Gesetze. Obwohl solche Gesetzmäßigkeiten für sozialräumlichePhänomene ungleich schwerer allgemeingültig zu formulieren sind als etwafür naturwissenschaftliche Prozesse, unterliegen doch auch Menschen in

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ihren Handlungen gewissen Gesetzlichkeiten oder - um es wissenschaftli-cher zu formulieren - systembedingten Zwängen. Der Unterschied zwischenden deterministischen Gesetzen der Naturwissenschaften und den statisti-schen Gesetzmäßigkeiten der Sozialwissenschaften ist demnach nicht prin-zipiell, sondern allenfalls graduell. Im Kontinuum zwischen individuellen,generellen und universellen Aussagen müssen sozialgeographische (Quasi)Gesetze durch intensive Praxisbegleitung permanent überprüft, gegebe-nenfalls modifiziert und damit auf eine höhere, verallgemeinerbare Stufeihrer Aussagekraft gehoben werden. Eine besondere Bedeutung wird beider Erarbeitung einer solchen Theorie der Praxis der Kontingenz zukommen,d.h. der systemtheoretischen Aussage, dass sich Akteure in gegebenenSituationen üblicherweise nach bestimmten Mustern verhalten, jedoch auchgänzlich anders handeln können. Auch der aus der Chaosforschung bekann-te Schmetterlingseffekt gehört zu diesen nur schwer kontrollierbaren Phä-nomenen. Die wissenschaftliche Bewältigung dieser Beobachtungen wirdaber weniger im intellektuell-philosophischen Feld als vielmehr im metho-disch-analytischen Aufgabenbereich stattfinden (Hilpert 2002).

Die flüchtige Betrachtung der empirischen Realität von verschiedenenNetzwerken mag zunächst singulär, willkürlich und für den Experten banalerscheinen. Auffällig ist jedoch, dass die meisten angewandt arbeitendenSozialgeographen oft von sehr ähnlichen Erlebnissen berichteten, was dieMöglichkeit der Ableitung von Standards für sozialräumliche Gestaltungs-prozesse erhöht. Denn wenn verschiedene Forscher in unterschiedlichenSituationen und unabhängig vom thematischen Inhalt bei der Umsetzungkooperativer Projekte mit vergleichbaren Strukturen und Handlungsmusternder Akteure konfrontiert werden, liegt die Forderung nahe, diese nicht alszufällige und ortspezifische Hemmnisse zu interpretieren (die später in derPublikation möglichst zu verschweigen sind), sondern den Versuch einerTypisierung und Einordnung in verallgemeinerbare Problem- und Situations-zusammenhänge zu unternehmen. Erst die Systematisierung scheinbarsingulärer Problemfelder rückt das Ziel einer Theorie der Praxis für dassozialräumliche ‚Management of Change‘ näher und führt damitmöglicherweise zur Entwicklung von Instrumenten, um scheinbar einzigartigausgeprägte Hemmnisse standardisieren und damit rasch und erfolgreichbewältigen zu können.

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Literatur

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Dörner, D.: Die Logik des Misslingens. Strategisches Denken in komplexenSituationen. Reinbeck bei Hamburg, 1989.

Doppler, K.; Lauterburg, C.: Change-Management: den Unternehmens-wandel gestalten. Frankfurt/Main, New York, 2000.

Friedmann, J.: Planning in the Public Domain. From Knowledge to Action.Princeton, New Jersey, 1987.

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Hilpert, M.: Angewandte Sozialgeographie im reflexiven Diskurs. Überle-gungen zum Management räumlicher Planung. Augsburg, 2002.

Hilpert, M.: Experimentelle Imitation. Selbstorganisation regionaler Lern-prozesse: Strategie oder ‚muddling through‘? In: Goppel, K. et al. (Hrsg.):Lernende Regionen. Organisation - Management - Umsetzung. Schriften zurRaumordnung und Landesplanung. Band 5. Augsburg, 1999, S. 101-120.

Hilpert, M.; Huber, A.: Regionales Arbeitsmarktmanagement als neuerAnsatz territorialer Beschäftigungspolitik. In: Hoß, D.; Schrick, G. (Hrsg.): DieRegion. Experimentierfeld gesellschaftlicher Innovation. Münster, 2001, S.252-262.

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Praxiserfahrungen mitNetzwerken ...

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... zur Optimierung derWertschöpfungskette

Netzwerke zwischen Industrie und Handel

Antagonistische Kooperation zwischenLebensmitteleinzelhandel und Konsumgüterwirtschaft

Daniel Bieber / Beatrix Rumpel

1 Einleitung

Damit der Kunde Waren des täglichen Bedarfs in den Regalen des Einzelhan-dels vorfinden kann, bedarf es einer Vielzahl von Prozessen, die im Absatz-kanal zwischen Hersteller- und Handelsunternehmen abgewickelt werdenmüssen1. Diese Prozesse sind im letzten Jahrzehnt unter dem Druck desStrukturwandels durch stagnierenden Absatz, Globalisierung, verschärftenWettbewerbsdruck und zunehmende Konzentration, ähnlich wie in ande-ren Bereichen, auch in diesem Wirtschaftssektor auf den Prüfstand gekom-men. Seit Mitte der 90er Jahre gibt es bereits Bestrebungen, einen grundle-

1 Diese Prozesse wurden in dem vom BMBF geförderten Verbundvorhaben„Schnittstellenoptimierung in der Distributionslogistik – Innovative Dienstleistungen in derWertschöpfungskette“ analysiert. An diesem Projekt beteiligten sich von Seiten des Handels dieRewe-Handelsgruppe, von Seiten der Industrie Kraft Jacobs Suchard und Henkel, und vonSeiten der Dienstleister zwei Logistikunternehmen, nämlich Pfenning Kontrakt- undHandelslogistik und Rudolph Logistik Gruppe. Der zusammenfassende Bericht kann unter http://www.vdivde-it.de/homepage/publikationen/default.html heruntergeladen werden (vgl. auchBieber, Larisch, Moldaschl 1996 und Larisch, Bieber, Hien 1999 für die mit diesem Projekt inZusammenhang stehenden Fragen einer Verbesserung des Arbeits- und Gesundheitsschutzes inden Logistikbereichen des Handels. Dieser Projektstrang wurde von der BAUA gefördert).

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genden Wandel in den unternehmensübergreifenden Wertschöpfungs-partnerschaften2 herbeizuführen, der zu einer Intensivierung der Koopera-tionsbeziehungen beitragen und netzwerkartige Strukturen aufbauen soll.Konzepte wie Category Management (CM), Efficient Consumer Response(ECR) oder Collaborative Planning, Forecasting and Replenishment (CPFR),die vor allem von der Industrieseite vorangetrieben werden, zielen daraufab, mit Hilfe moderner Technologien alle Prozessschritte zwischen Lieferan-ten, Handel und Kunden zu optimieren und rücken, anders als vieleRationalisierungsstrategien der 90er Jahre, den Kunden bzw. die Nähe zumKunden in den Mittelpunkt (Zentes et al. 1999, Sparks/Wagner 2001).

In der Praxis des deutschen Lebensmittelsektors zeigt sich jedoch, dassManagementkonzepte, die darauf abzielen, die Versorgungsketten nachdem Leitprinzip einer schnellen und kundenorientierten Reaktion umzu-strukturieren, nur wenig Durchsetzungskraft erfahren haben. Unsere Thesehierzu ist, dass diese Bemühungen auf eine Kooperationsstruktur stießen,die durch das traditionell als „Nullsummenspiel“ verstandene Verhältniszwischen Industrie und Einzelhandel geprägt war. Anders als in den üblicher-weise als Netzwerk verstandenen Austauschbeziehungen, in denen dieMaximierung des gemeinsamen Ertrags vorrangiges Ziel ist, dominierte indieser Beziehung die Strategie der einseitigen Vorteilnahme durch Begren-zung des Ertrags der anderen Seite. Diese Situation bezeichnet Pohlmann(1996) in Anlehnung an Kliemt (1986) als antagonistische Kooperation. „Erstnach der Durchsetzung der auf Basis der Markt- und Machtkonstellationenmöglichen Verteilung wird die Verfolgung gemeinsamer Produktionszieleerwogen – dies aber nur insoweit, wie sie den durchgesetzten Verteilungs-maßstab nicht in Frage stellt“ (Pohlmann, 1996, S. 59). Die Situation imKonsumgütersektor und insbesondere im Lebensmittelbereich, auf den sichunsere Untersuchungen konzentrieren, zeichnet sich jedoch seit den 80erJahren dadurch aus, dass sich die Markt- und Machtkonstellationen verscho-ben haben. Rationalisierungs- und Innovationspotenziale, die in der

2 Als Wertschöpfungspartnerschaft werden Kooperationsformen bezeichnet, die darauf abzielen,Effizienzsteigerungen im Distributionsbereich und eine Verbesserung der Kundenorientierungdurch eine Gesamtoptimierung der Wertschöpfungskette von der Herstellung bis zum Verkaufan den Endverbraucher zu erreichen (vgl. Meffert 1999, Swoboda 1997). „Diese Art vonZusammenarbeit ist vertikal ausgerichtet und unterscheidet sich von horizontalenKooperationstypen. (...) Die Steigerung der Wertschöpfung bzw. Effizienz bei allenKooperationspartnern kommt als Ziel der Wertschöpfungspartnerschaft durch das ihr eigeneWin-Win-Konzept und durch die Einbeziehung der Endverbraucher zum Ausdruck. BeiWertschöpfungspartnerschaften geht es um eine kooperative Optimierung der SchnittstellenHersteller-Handel-Konsument“ (Swoboda 1997, S. 449).

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Restrukturierung der logistischen Kette vom Vorlieferanten über den Liefe-ranten, den logistischen Dienstleister und den verschiedenen Stufen inner-halb von Handelsunternehmen liegen, traten angesichts der Positions-kämpfe in den Hintergrund.

Konzepte wie ECR oder CPFR stehen nun vor der Herausforderung, diesentraditionellen Antagonismus zwischen Industrie und Handel zugunsten einerDominanz der kollaborativen Zusammenarbeit aufzuheben. Dies impliziert,dass man davon abkommt, nur einzelne Prozessschritte zu optimieren,sondern dass der Fokus auf die gesamte logistische Kette gerichtet wird. Dieaktuellen Bemühungen sind daher vor allem darauf ausgerichtet, dieKooperationsbeziehungen zu verbessern und ein neues Modell von Wert-schöpfungspartnerschaften umzusetzen, das die Verfolgung gemeinsamerZiele, einheitlicher Wege der Entscheidungsfindung und einen intensivenInformationsaustausch zwischen den beteiligten Unternehmen ermöglicht.

Ziel des vorliegenden Beitrags ist es jedoch nicht, den Stand der Forschungzur Transformation der Kooperationsbeziehungen zwischen Industrie undHandel aufzuarbeiten (vgl. hierzu Bieber u.a. 2002), vielmehr sollen diegrundlegenden ökonomischen Rahmenbedingungen dargestellt werden,denen zufolge die Markt- und Machtkonstellation in den letzten Jahrzehn-ten ins Wanken gerieten und den Verteilungskonflikt zwischen Industrie undEinzelhandel verschärft haben. Nur vor diesem Hintergrund wird deutlich,welche Anstrengungen auf der Seite der Unternehmen und der Beschäftig-ten zu erbringen sind, wenn die Kooperation aus der Tradition des „Null-summenspiels“ in einen Ansatz der Schaffung von „win-win-Situationen“überführt werden soll3.

3 Dieser Frage wird in einem Vorhaben nachgegangen, das vom BMBF und den Firmen HenkelWaschmittel GmbH und dm – drogerie markt unter dem Titel „Vertikale Kooperation zwischenIndustrie und Handel“ seit Oktober 2000 gefördert wird. Informationen über dieses Projekt, dasvom VDI/VDE-IT, Bereich Gesellschaft gemeinsam mit der sfs Sozialforschungsstelle Dortmundund der Gerhard Mercator Universität Duisburg durchgeführt wird, können unter http://www.vdivde-it.de/vertiko abgerufen werden.

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2 Strukturelle Veränderung im Konsumgüter- undLebensmittelsektor

Vor dem Hintergrund des stagnierenden Absatzmarktes für Lebensmittel,der veränderten Konsumgewohnheiten (Stichwort: hybrider Kunde) unddem Einsatz moderner I&K-Technologie (Scannerkassen, Warenwirtschafts-systeme, EDI) verstärkten sich in den letzten Jahrzehnten auf dem deut-schen Lebensmittelmarkt die Konzentrations- und Internationalisierungs-tendenzen. Diese Entwicklung, die auch als „Wandel vom Verkäufer- zumKäufermarkt“ (Meffert 1999, S. 409) bezeichnet wird, ging mit einerVeränderung der Machtkonstellation zwischen Industrie und Handel einher.Hierbei geriet jedoch nicht der Kunde, sondern vor allem der Handel in denMittelpunkt, d.h. er wurde sich seiner strategisch günstigen Position be-wusst.

„... modern retailers are not at all transparent to the manufacturer and theyare making efforts to become even more opaque. They have woken up tothe value of their control with the consumer and the importance of themarketing variables (price, display, promotions) under their control. As theybegin to manipulate these marketing variables to further their own objectives,they construct an obstacle between the manufacturers and the end consumer,about as welcome as a row of high-rise hotels between the manufacturer´svilla and the beach.“ (Corstjens/Corstjens 1995, S. 5).

Daneben verstärkte sich sowohl zwischen den Produzenten als auch zwi-schen den Handelsunternehmen der Verdrängungswettbewerb, der dieZielkonflikte zwischen Produzenten und Handelsunternehmen, insbesondereden Verteilungskampf um die Vertriebsspanne zu verschärfen scheint (vgl.Bieber 2000, Irrgang 1989, S.7) und der zu weiteren Konsolidierungs-prozessen auf beiden Seiten führen könnte.

2.1 Strukturwandel im Einzelhandel

Nach der gesetzlichen Aufhebung der Preisbindung 1973 bildeten sich aufSeiten des Handels große Unternehmen und Einkaufskooperationen, diedurch eigenständige Marketing- und Handelsmarkenpolitik ihreVerhandlungsposition gegenüber der Industrie ausgebaut haben4. Kumar

4 So weist z.B. die Bilanz des größten deutschen Handelsunternehmens Metro AG für 2000 einenGesamtumsatz von 46,9 Mrd. Euro bei einer Netto-Rendite von 0,9% (http://www.lz-net.de/marketfacts/firmenprofile/toph027_.html) und die Bilanz des größten deutschen LieferantenHenkel KGaA einen Gesamtumsatz von 12,8 Mrd. Euro (bei einer Netto-Rendite von 3,95%!)aus (http://www.lz-net.de/marketfacts/firmenprofile/topi020_.html)

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beschreibt den Wandel im Handel als „from market driven to marketdriving“ (Kumar 1997, S. 831) folgendermaßen:

Bild 1: From market driven to market driving

Hinter den einzelnen Faktoren verbergen sich allgemeinere Trends, die dieEntwicklung des Konsumgüter- und Lebensmittelsektors in den letztenJahren bestimmen. Einige dieser Trends sollen im folgenden näher beschrie-ben werden.

From Fragmentation to Consolidation

Die Zahl der selbständigen Lebensmittelhändler, die in den 70er Jahren nochmit einem Umsatzanteil von 57,8% den Markt dominierten, hat sich zwi-schen 1970 und 1998 von 135.000 auf ca. 35.000 reduziert und ihr Anteil amGesamtumsatz beträgt nur noch 16,7% (BVL 1999, S. 75). Heute sind diesejedoch überwiegend in großen Handelsgruppen, d.h. straff geführten Ein-kaufsgruppen (z.B. Rewe, SPAR, Edeka) eingegliedert, die neben denFilialisten (z.B. Metro, Tengelmann) und reinen Discountern (Aldi, Lidl,Norma) den Markt beherrschen. Filialisten und Handelsgruppen zeichnensich jedoch auch durch die Vereinigung unterschiedlicher Betriebstypen(Warenhäuser, Verbrauchermärkte, Supermärkte, Discounter und Drogerie-märkte) unter einem Dach aus, die relativ eigenständig am Markt operierenund von den Kunden meist nicht einzelnen Handelsunternehmen zugeord-net werden können. Hinter einer Vielzahl von Namen wie Kaufhof, Real,Plus, Kaiser´s, Penny, HL, MiniMal usw. verbergen sich nur wenige Handels-unternehmen, die sich den Markt teilen. Im Jahr 2000 fielen 98% desGesamtumsatzes (Food- und Non-food) von 364,5 Mrd. DM auf die größten30 Unternehmen in Deutschland (vgl. Bild 2) .

Fragmentation Consolidation

Local Global

Traditional stores Innovative Formats

Vulnerable Powerful

Merchants Retail brand manager

From market driven to market driving

Quelle: Kumar 1997, S.831

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Bild 2: Top 30 des deutschen Lebensmittelhandels

Dabei hat sich in den vergangenen Jahrzehnten vor allem der Anteil der Top5 gesteigert (vgl. Bild 3). Vereinigten sie im Lebensmittelhandel 1980 gut1/4 des Gesamtumsatzes auf sich, so konnten sie diesen Anteil im Jahr 2000bereits auf etwa 2/3 steigern und werden den Prognosen zufolge 2010 mehrals 80% des Marktvolumens umsetzen.

Bild 3: Marktanteile der Top 5 im LEH

Marktanteile der Top 5 im LEH

Quelle: M+M EUROdATA

73,7% 55,3% 37,2%

26,3% 44,7% 62,8% 81,6%

18,4% Sonstige

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Gesamt-Umsatz : 364 Mrd. DM

Top 30 98%

Übrige2% Quelle:

M+M EUROdATA

Top 30 des deutschen LEH

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From Traditional Stores to Innovative Formats

Der intensive Wettbewerb auf der Einzelhandelsstufe wurde durch dasAufkommen neuer Vertriebs- und Geschäftstypen wie Discounter, Verbrau-chermärkte und Drogeriemärkte zusätzlich verstärkt. So ist beispielsweiseder Umsatzanteil der Discounter zwischen 1983 (8,9%) und 1998 (31,2%)um das Vierfache gestiegen (BVL 1999, S. 72). Auch Drogeriemärkte sind -angesiedelt bei den Filialisten, den Handelsgruppen oder selbständigenUnternehmen - eine innovative Vertriebsform, die sich am Markt behauptetund im Gegensatz zu anderen Vertriebslinien steigende Umsätze zu ver-zeichnen hat. So stieg die Zahl dieser Märkte von ca. 5.000 im Jahr 1989 miteinem Umsatz von 6,7 Mrd. DM auf ca. 11.000 im Jahr 1998 mit einemUmsatz von 15,6 Mrd. DM (BVL 1999, S. 82). Deutlich wird auch hier eine sehrstarke Konzentrationstendenz, was darauf zurückzuführen ist, dass auch imBereich der Drogeriemärkte das Modell des Lebensmitteleinzelhandelskopiert wurde, demzufolge „der Gewinn vor allem im Einkauf gemachtwird.“

Bild 4: Marktanteile Drogeriemarkt-Unternehmen

Schlecker41,2%

Ihr P latz9,1%

K aiser's (kd)5,7%

R ossmann6,2%

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Müller13,3%

Spinnrad

1,2%

S onstige0,1%

D ouglas (D rospa)

4,1%

B udnikow sky2,4%

Quelle: BVL: Lebensmittelhandel im Spiegel der Statistik, 1999

Marktanteile der Top 10 Drogeriemarkt-Unternehmen 1998

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From Local to Global

Über die Volumina internationaler Aktivitäten der Handelsunternehmen aufihren Beschaffungsmärkten liegen keine statistischen Daten vor. Schätzun-gen gehen für 1994 von ca. 25 % des wertmäßigen Wareneingangs aus(Lingenfelder 1996, S. 340) und es ist zu vermuten, dass mit zunehmenderAktivität auf den Auslandsmärkten dieser Anteil inzwischen gestiegen ist,denn seit den 90er Jahren sind auch die deutschen Handelsunternehmenzunehmend auf den internationalen Absatzmärkten anzutreffen. Als Ursa-chen hierfür nennt Kumar (1997, S. 831) das niedrige Wachstum auf demheimischen Markt, ausgereifte Vertriebskonzepte, die immer leichter aufandere Märkte übertragbar sind (Discounter), die Verfügbarkeit der not-wendigen Technologien, globale Konsummuster und die Öffnung von Märk-ten mit relativ unterentwickelten Handelssektoren. Insbesondere der polni-sche Markt, der als „Brückenkopf“ für die Expansion nach Osteuropa gilt, istderzeit heiß umkämpft. In den vergangenen drei Jahren sind in Polen dreimalso viele Läden eröffnet worden wie im ebenfalls begehrten Spanien zwi-schen 1980 und 1995, wo sich vor allem Aldi ansiedelt (KPMG, EHI 2001,S. 19). Metro5 und Rewe expandieren in die südosteuropäischen MärkteBulgarien, Kroatien und Rumänien. Im restlichen Europa etablieren sich Lidl(Finnland und Schweden) und Rewe (Italien) (KPMG, EHI 2001, S.19).

Auf dem deutschen Markt sind bis jetzt noch kaum ausländische Anbieteranzutreffen. Dies wird vor allem auf den harten Wettbewerb im deutschenLebensmitteleinzelhandel zurückgeführt, der mit einer durchschnittlichenRendite von 0,8% weit hinter anderen Ländern wie z.B. Großbritannien mit6-8% zurückliegt (KPMG, EHI 2001) und somit wenig attraktiv für ausländi-sche Handelsunternehmen erscheint. Erst mit dem Eintritt des US-Handels-riesen Wal-Mart in den deutschen Markt, der im Jahr 2000 mit einem Umsatzvon 5,5 Mrd. DM (M+M Eurodata 2001) an 13. Position der Top Handels-unternehmen - gemessen am Gesamtumsatz - liegt, sind auch hier auslän-dische Akteure anzutreffen, die den Markt in Aufruhr versetzen, weil sie denVerdrängungswettbewerb verschärfen. Bei einem weltweiten Nettoumsatzvon ca. 199 Mrd. Euro und einer Rendite von ca. 6% wird ersichtlich, warumsich die deutschen Handelsunternehmen, von denen die größten gerade einDrittel umsetzen, vor dem Handelsgiganten fürchten.

5 Bis Ende 1997 erzielte beispielsweise die Metro nur 5% ihres Umsatzes im Auslang. DurchUnternehmensübernahmen erweiterte sie jedoch 1998 ihr Engagement auf 21 Länder und setztnun 43% ihres Gesamtumsatzes im Ausland um (http://www.lz-net.de, Pressemitteilung vom10.05.2001).

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Bild 5: Internationalisierungsgrad der Handelsunternehmen

Insgesamt vereinen die 30 Handelsunternehmen 10% des weltweitenUmsatzes im Lebensmitteleinzelhandel, wovon alleine auf Wal-Mart 2%fallen, trotz des geringen Anteils am Gesamtumsatz und der wenigenLänder, in denen das Unternehmen vertreten ist. (http://www.lz-net.de,Pressemitteilung vom 10.05.2001).

Bild 6: Die 30 größten Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels

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Top 30 des LEH weltweit im Jahr 2000

Quelle: M-MPlanet Retail

Internationalisierungsgrad im LEH

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Auslandsumsatz

Anzahl der Länder

Quelle: M-MPlanet Retail

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From Merchants to Retail Brand Managers

Die Entwicklung von Handelsmarken stellt eine der grundlegendsten Verän-derungen im Einzelhandel dar. Im Gegensatz zu anderen europäischenLändern wie Frankreich oder Großbritannien, wo Handelsmarken zurProduktdifferenzierung dienen, werden sie in Deutschland vorwiegend alspreispolitisches Instrument im horizontalen und vertikalen Wettbewerbgenutzt (KPMG, EHI 2001, S. 30). Im horizontalen Wettbewerb wurden siegegen die in den 70er Jahren aufkommenden Discounter eingesetzt, derenSortiment überwiegend aus Eigenmarken besteht. Im vertikalen Wettbe-werb werden sie dazu genutzt, Preisdruck auf die Markenartikelherstellerauszuüben und größere Handlungsspielräume und damit Machtpotentialezu schaffen. Bio-Eigenmarken, die angesichts des in der letzten Zeit (kurz-fristig) angestiegen Qualitätsbewusstseins der Konsumenten zunehmendnachgefragt wurden, werden zwischen 10% und 50% teurer angeboten alsindustrielle Produkte (KPMG, EHI 2001, S. 31). Der Anteil der Handelsmarkenam Gesamtumsatz variiert je nach Vertriebstyp. Im Durchschnitt lag er 1998bei 26%.

Bild 7: Anteil von Handelsmarken am Umsatz

From Vulnerable to Powerful Players

Aufgrund des intensiven Verdrängungswettbewerbs auf der Einzelhandels-stufe entwickelte sich im deutschsprachigen Raum eine kontroverse wissen-schaftliche und wettbewerbsrechtliche Diskussion über die Nachfrage-macht des Handels (vgl. u.a. Gaitanides/Westphal 1990; Kaas/Gegenmantel

Umsatzanteile der Handelsmarken

19% 20% 21% 22% 23% 24% 25% 26% 27%

1994

1995

1996

1997

1998

Quelle: BVL: Lebensmittelhandel im Spiegel der Statistik, 1999

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1995; Lademann 1986, S. 11ff.; Monopolkommission 1977 und 1994;Schulze 1998). Einige Autoren sehen die Handelsunternehmen, denen erstihr Größenwachstum ein professionelles Management ermöglichte, nunendlich als ernst zu nehmenden Partner der Industrie (vgl. Westphal 1991).Andere Autoren wiederum sehen den Handel generell nun in der Positiondes „Gatekeepers“, der über Marktzugang und Gestaltung des Marktauf-tritts entscheidet (Meffert 1999, S.409) und sich durch rückwärtigeVertikalisierung in die Produktentwicklung und Steuerung der Produktioneinmischt. Einig ist man sich jedoch darüber, dass sich die Machtkonstellationim Absatzkanal seit den 70er Jahren zugunsten des Handels verschoben undder Handel sich vom Erfüllungsgehilfen zum selbständigen Marktpartnergewandelt hat.

2.2 Strukturwandel der Lieferanten

Angesichts der komplexen Beziehungen im Absatzkanal ist es kaum möglichvon „der“ Industrie zu sprechen, da sich die Lieferanten eines Handels-unternehmens strukturell stark unterscheiden und sich nicht in jedem Fallgleichwertige Marktpartner gegenüberstehen. Es werden weder

„... alle Nachfrager von einem bestimmten Anbieter in gleichem Maßeausgebeutet, noch beuten die verschiedenen Nachfrager einen bestimmtenAnbieter in gleicher Art und Weise aus. Aus dieser Heterogenität derMachtbeziehungen folgt, dass eine Gegengewichtsbildung [...] zwar einGleichgewicht gegen einen marktstarken Anbieter herstellen kann,andererseits aber schon ein Übergewicht gegen einen schwächeren dar-stellt“ (Moog 1980, S.9).

Der Beschaffungsmarkt des Lebensmittelhandels zeigt demnach ein hetero-genes Bild. Das Datenmaterial des statistischen Bundesamtes ermöglichtkeinen Überblick über die gesamte Lieferantenstruktur des Lebensmittel-handels, weil vor allem viele Großunternehmen in mehreren Kategorienvertreten sind, wie z.B. Henkel, das neben Wasch-, Putz und Reinigungs-mittel auch andere - nicht über den Lebensmittelhandel vertriebene -Produkte herstellt und weil sich viele Lieferanten auch aus dem Handwerkund der Landwirtschaft rekrutieren, die vom Statistischen Bundesamt ingetrennten Kategorien aufgeführt sind6. Eine Hauptgruppe der Lieferanten

6 Darüber hinaus sind aufgrund der Statistikumstellung von 1997 keine Aussagen über dieEntwicklung im zeitlichen Verlauf möglich.

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ist jedoch die Ernährungsindustrie, die ca. 70% ihres Umsatzes mit demLebensmitteleinzelhandel tätigt und sich aus den in Bild 8 gezeigten Waren-gruppenproduzenten zusammensetzt. Mit ca. 6.000 Betrieben,550.000 Beschäftigten und einem Umsatz von 235 Mrd. DM beträgt ihrAnteil am Umsatz der gesamten Industrie in Deutschland ca. 10% (http://www.bve-online.de/).

Bild 8: Umsatzanteile der Branchen der Ernährungsindustrie

Die Herstellerunternehmen waren bis Mitte der 80er Jahre weitgehendmittelständisch strukturiert und konzentrierten sich auf die Bearbeitung desjeweiligen heimischen Marktes (vgl. Breitenacher/Täger 1990, S.96). Nur ineinigen Warenbereichen bildeten sich Großunternehmen (wie z.B. Henkel,Nestlé, Philipp Morris, Procter & Gamble, Unilever), die grenzüberschreitendtätig wurden. Seit Mitte der 80er Jahre nehmen die Unternehmensaufkäufeund die Konzentration auch hier zu. Die 5 größten europäischenNahrungsmittelhersteller tätigten zwischen 1986 und 1989 viermal so vieleUnternehmensaufkäufe wie im Vergleichsraum zwischen 1982 bis 1985(Staudacher 1993, S. 31ff.). Auch im vergangenen Jahrzehnt häuften sichdie Fusionsmeldungen. Henkel übernahm 1995 die Hoechst-TochterSchwartzkopf, im Jahr 2000 kaufte Unilever Bestfoods, die Holsten Brauereidie Königsbrauerei usw. (vgl. http://www.lz-net.de).

sonst. Ernährungsind.

18%

Herst. v. Ölen und Fetten

4%Milchverarbeitung

17%

Mahl- u. SchälmühlenHerst. v. Stärke 3%

Herst. v. Back- und Dauerbackwaren11%

Zuckerindustrie3%

Hersteller von Süßwaren6%

Verarbeiter von Kaffee u. Tee

3%

Hersteller von Alkohol. Getränken

11%

Mineralbrunnen, Hersteller von Erfrischungsgetr.

5%

Hersteller von Würzen und Soßen 3%

Fleischverarbeitung10%

Obst- undGemüseverarbeitung

6%

Umsatzanteil der Ernährungsindustrie im Jahr 2000

Quelle: Bundesverband der

Ernährungsindustrie, 2000

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Einer Prognose der Rabobank zufolge, wird sich die Zahl der unabhängigenLieferanten des Lebensmittelhandels bis zum Jahr 2005 um 2/3 verringern(Rabobank http://www.rabobank.com). Insbesondere in der Ernährungs-industrie, die weitgehend aus mittelständischen Unternehmen besteht,werden dramatische Konzentrationsprozesse erwartet. In einer Befragungder Bundesvereinigung der deutschen Ernährungsindustrie (BVE) (http://www.bve-online.de/) nannten 62% der befragten Unternehmen aus demErnährungssektor die Konsolidierung im Lebensmitteleinzelhandel als wich-tigen bzw. sehr wichtigen Fusionsgrund.

Die Marktbedeutung der größten Herstellerunternehmen hat sich lautSondergutachten der Monopolkommission zwischen 1988 und 1991 mitAusnahme der Philipp Morris-Gruppe, die ihren Marktanteil von 4,1% auf6,6% steigern konnte, nicht wesentlich erhöht (Monopolkommission 1994,S.123). Betrachtet man allerdings die Konzentration nach Warengruppen,dann ergibt sich ein differenzierteres Bild. Die Top 10 der deutschenErnährungsindustrie setzen in einem nach 25 Warengruppen differenziertenGesamtmarkt durchschnittlich ca. 70 % der jeweiligen Warengruppen um(Lademann 1996). Hohe Konzentrationsraten finden sich z.B. in der Waren-gruppe Waschmittel bereits Ende der 80er Jahre, wo die Top 3 Unternehmen83% des Umsatzes auf sich vereinten, den sie in den folgenden 10 Jahrenjedoch kaum noch steigern konnten.

Tabelle 1: Marktanteil der führenden Waschmittelhersteller in Deutschland

Ebenso hohe Konzentrationsgrade weisen die Warengruppen Margarineund andere Nahrungsfette auf, in denen Unilever (Rama) mehr als 3/4 desMarktvolumens beherrscht (vgl. Bild 9). Die restlichen 22,8% dürften über-wiegend auf Handelsmarkenproduzenten entfallen. In den Warengruppen

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Marktanteil führender Waschmittelhersteller in Deutschland

Quelle: Euromonitor 1998

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der leicht verderblichen Produkte herrscht hingegen ein niedrigererKonzentrationsgrad. Dies dürfte darauf zurückzuführen sein, dass dieseProdukte überwiegend für den regionalen Markt produziert werden.

Bild 9: Konzentration in der Lebensmittelindustrie

Das unter Effizienzgesichtspunkten nachvollziehbare Bestreben der Her-steller, ihre Produktionsanlagen auszulasten und die Absatzmengen zusteigern, intensivierte jedoch auch die Konzentrationsprozesse im Einzel-handel und den horizontalen Wettbewerb. Um ihre Kapazitäten auszulas-ten, begannen die Hersteller Handelsmarken und No-Name-Produkte anzu-bieten, was dem Handel wiederum die Möglichkeit bot, die Abhängigkeitvon großen Markenartikelherstellern zu verringern. Dies führte zu einemSubstitutionswettbewerb zwischen Markenartikeln und den Handelsmar-ken der großen Handelskonzerne. Um die Absatzmengen zu steigern, sahensich die Hersteller dazu veranlasst, den Handelsunternehmen Anreize inForm von Rabatten zu gewähren. Dadurch kam es zur Konditionenspreizung,wodurch Großabnehmern höhere Nachlässe eingeräumt wurden als Klein-abnehmern, was wiederum die Wettbewerbsposition der selbständigenkleinen Händler verschlechterte und die Kooperations- und Konzentrations-tendenzen im Einzelhandel verstärkte. Die Vertiefung und Verbreiterung derSortimente führten zu einer ständig wachsenden Artikelzahl und erhöhtenden horizontalen Wettbewerb der Hersteller um die Regalplätze im Handel.

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2.3 Der Verteilungskonflikt

Am deutlichsten schlagen sich die aufgezeigten strukturellen Veränderun-gen in der Einkaufspolitik der Handelsunternehmen nieder, die durch diegesetzliche Aufhebung der Preisbindung der zweiten Hand 1973 begünstigtwurde. Die Autonomie zur Festlegung der Endverkaufspreise ging in dieHand der Handelsunternehmen über, die dieses Mittel vor allem dazunutzen, günstigere Einkaufskonditionen durchzusetzen. Diese Fokussierungauf den Preis hat in Deutschland eine auf den Einkauf konzentrierteUnternehmenskultur entstehen lassen (Bieber 2000, S. 13). Wie in kaumeinem anderem Aktionsfeld offenbaren sich in der Konditionenpolitik diekonfliktären Zielsetzungen der Hersteller und der Absatzmittler im vertika-len Wettbewerb. Während das vorrangige Interesse der Hersteller darinbesteht, durch die Zahlung möglichst geringer Konditionen den Handel zueiner Kooperation im Sinne der verfolgten Umsatz- und Erlösziele zu bewe-gen bzw. Gegenleistungen des Handels durchzusetzen, versucht der Han-del, den Herstellern möglichst hohe Konditionenzugeständnisse abzuringen,um dadurch seine Einstandskosten zu senken. Sowohl die Hersteller als auchdie Handelsunternehmen streben danach, die Aufteilung des sogenannten„Channel Profits“ zu ihren Gunsten zu beeinflussen. Von beiden Parteienwird der Verteilungskonflikt häufig als Nullsummenspiel verstanden, bei demjede Verbesserung der einen Partei durch Einbußen der anderen Parteiausgeglichen werden muss (vgl. Bieber 2000, Münzberg 1989).

In den vergangenen Jahren ist die restriktive Preispolitik der mächtigenHandelsunternehmen gegenüber der Industrie immer wieder in die Schlag-zeilen geraten. Die „Abzocker“-Mentalität (Jensen 1997) des Handelsführte demnach zu einem Rabattsystem, dessen Ausgestaltung der „Phan-tasie keine Grenzen“ setzte und Jubiläums-, Hochzeits-, Juniorrabatte usw.hervorbrachte. Diesem könne sich die Industrie aufgrund des Konkurrenz-druckes, des Kampfes um den Regalplatz und der Verhandlungsmacht derEinzelhandelsgiganten (vgl. Tagessspiegel vom 28.05.1998) nicht widerset-zen. Seltener wird jedoch darauf hingewiesen, dass die Industrie in denvergangenen Jahrzehnten den Rationalisierungseffekt einer mengen-bezogenen Rabattgestaltung genutzt hat, der erst durch die Konzentrationim Lebensmittel-Einzelhandel möglich wurde (vgl. Schenk 1984, S. 91f.).Konzentrationsfördernd wirkte darüber hinaus die sog. Rabattspreizung(vgl. Irrgang 1989, S. 47; Monopolkommission 1977, S. 64), die die Differenzzwischen dem maximal zu gewährenden und dem minimal einzuräumendenRabatt, den man selbst kleinsten Abnehmern noch zugesteht, beschreibt.Die klein- und mittelständischen Unternehmen, die nicht nur ungünstigere

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Kostenstrukturen sondern auch Rabattnachteile haben, werden somit ge-zwungen, sich großen Einkaufskooperationen anzuschließen oder aufzuge-ben.

Die Einzelhandelsunternehmen setzen die Preispolitik im Wesentlichen nichtdirekt zur Profitsteigerung ein, sondern geben im vertikalen Wettbewerb, im„ruinösen Preiskampf“ mit ihren Konkurrenten, die Preise auf dem Absatz-markt weiter. Der Verkauf einiger Produkte unter dem Einstandspreis, d.h.unter dem Bezugspreis wurde Wal-Mart und Aldi im letzten Jahr durch dasBundeskartellamt untersagt (Bundeskartellamt 2000).

Da der Handel in den vergangenen Jahrzehnten den Positionskampf umMarkt- und Machtanteile zu seinen Gunsten beeinflussen konnte, sehensich die Herstellerunternehmen dazu gezwungen, neue Wege des Absatz-kanalmanagements zu suchen. „Noch stärker als bisher wird es erforderlichsein, neben Mitbewerbern und Verbrauchern auch den Absatzmittler alsBestimmungsfaktor der Marketing-Konzeption zu berücksichtigen“ (Irrgang1989, S. 2.). Kooperative Managementkonzepte wie ECR sind daher nichtnur in ihrer - zweifellos berechtigten - Funktion als Rationalisierungs-instrument, sondern auch unter dem Aspekt der Machterhaltungs- bzw. -rückgewinnungsstrategie der Industrie zu sehen.

3 Schlussbemerkung

Die beschriebenen strukturellen Veränderungen in den Beziehungen derLebensmittelindustrie und des Lebensmitteleinzelhandels zeigen einen zen-tralen Ausschnitt der Bedingungen, unter denen die Umsetzung neuer,stärker auf Kooperation abzielender Managementkonzepte in Deutschlanderfolgen könnte. Die Analyse der makroökonomischen Daten belegt dabei,dass die strukturellen Voraussetzungen des mit dem Begriff der antagonis-tischen Kooperationsbeziehung gefassten Beziehungsmusters zwischenHersteller- und Handelsseite nach wie vor Gültigkeit haben.

Der zentrale Unterschied gegenüber der Situation von vor zwanzig Jahrenbesteht jedoch darin, dass sich mit den Konzentrationsprozessen auf Handels-seite die Machtverhältnisse verschoben haben. Ob dies auf Dauer so bleibenwird, ist allerdings fraglich. Schon deuten einige Anzeichen darauf hin, dasssich die Konzentrationsprozesse in Zukunft auch auf der Herstellerseiteverstärken werden. So zeigen die Fusionsmeldungen der vergangenen

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Jahre, dass sich vor allem Großunternehmen, verstärkt aber auch mittelstän-dische Unternehmen zusammenschließen, um ihre Positionen gegenüberder Handelsseite zu stärken.

Neue Konzepte wie ECR lassen deutlich werden, wie technische, organisa-torische und soziale Komponenten zu einem ganzheitlichen Konzept zusam-men zu führen sind, um einen Umbruch in den eingespielten, nicht allzuerfolgreichen Kooperationsbeziehungen zu vollziehen. Neu ist, dass damiterstmalig Handlungen zum Ausgangspunkt der gesamten Prozessketten-planung gemacht werden, die im „alten“ Denken den Abschluss desWertschöpfungsprozesses bildeten. So stellt die Grundidee von ECR, denHerstellungsimpuls vom Verkaufspunkt an der Scannerkasse des Handels-unternehmens auszulösen, eine Umkehr des bisher gültigen Prinzips dar,nach dem die Produkte vom Hersteller in den Verkauf hinein „gedrückt“wurden. Der Übergang vom Push- zum Pull-System markiert, zumindest aufder Ebene strategischer Planung, eine grundlegende Veränderung der bisdato herrschenden Herstellungs- und Distributionsprinzipien.

Vor diesem Hintergrund verwundern die Berichte über die zögerliche ECR-Umsetzung in Deutschland nicht. Die weit verbreitete Einschätzung, dass dieECR-Hemmnisse in erster Linie technischer Natur seien, lässt sich beigenauerer Sichtung empirischer Studien jedoch nicht belegen. GenauereAnalysen (vgl. hierzu Bieber et al. 2002) zeigen vielmehr, dass neben denfortbestehenden Antagonismen die Probleme viel stärker in organisatori-schen, sozialen und kulturellen Faktoren zu suchen sind. Es sind die unter-schiedlichen Organisationsstrukturen, Technisierungspfade und Logikenvon Herstellung und Vertrieb, die wesentlich dazu beitragen, die Umsetzungdes ECR-Konzeptes zu hemmen. Es fehlt insbesondere an einer Beziehungdes Vertrauens zwischen den Partnern, ein Problem, das nicht nur auf dieGeschichte antagonistischer Kooperationsbeziehungen verweist, sondernauch auf Qualifizierungsdefizite in der gesamten Wertschöpfungskette.Insbesondere die Personen, die an den Schnittstellen zwischen Unterneh-men, aber auch diejenigen, die an der Schnittstelle zwischen Funktionen inder Wertschöpfungskette innerhalb eines Unternehmens arbeiten, müssenerst lernen, dass eine Gesamtsicht auf die Optimierung der logistischenKette andere Maßnahmen erfordert als die Optimierung einzelner Prozess-schritte. In der Empirie, die wir gegenwärtig bei Industrie- und Handelsunter-nehmen durchführen, deutet sich an, dass die Beziehungen innerhalb vonUnternehmen für die Beschäftigten oftmals schwieriger zu gestalten sind alsdie Beziehungen zu Außenstehenden. Das Arbeiten mit „Vertrauensvor-schüssen“, das eine essentielle Voraussetzung unternehmensübergreifender

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Kooperation darstellt, bedarf, insbesondere unter den Bedingungen antago-nistischer Beziehungen zwischen Industrie und Handel, noch weitergehen-der Qualifizierungsanstrengungen. Um diese erfolgreich bewältigen zukönnen, ist nicht nur auf der technisch-organisatorischen Ebene anzuset-zen, sondern vor allem auch an den „weicheren“, sozialen Qualifikationen.Angesichts der Tatsache, dass nicht mehr einzelne Funktionen, sondernzunehmend Wertschöpfungsketten im Wettbewerb stehen, kommt diesen„weichen“ Faktoren eine wachsende, „harte“ ökonomische Bedeutung zu.

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Von der Idee zur leistungsfähigenZusammenarbeit – Probleme undLösungsansätze bei der Kooperation1 vonMikro- und Kleinunternehmen des Handwerks

Alexander Frevel

Vor dem Hintergrund verschiedener Beispiele aus abgeschlossenen undlaufenden Beratungs- und Forschungsprojekten mit unterschiedlichen Reich-weiten von Zusammenarbeit werden Anforderungen an Netzwerke/Koope-rationen bezüglich Qualifikation/Kompetenzen, Innovation, Kooperations-fähigkeit usw. beschrieben. Entwickelt wird das ”magische Viereck derChancen und Grenzen überbetrieblicher Kooperation” als heuristischeOrientierung. Kooperationen erfordern weitergehende Formen des Ma-nagements und mithin die Befähigung der Kooperierenden.

Historisch betrachtet sind erwerbsorientierte Formen der Zusammenarbeitund des Erfahrungsaustausches, also soziale und ökonomische (Aus-)Tausch-beziehungen, so alt wie die Manufaktur, die handwerkliche Erstellung vonGütern und Dienstleistungen. Das Handwerk lebt und arbeitet immer wieder– und immer wieder neu – in vielfältigen wettbewerblichen und interessen-vertretenden kooperativen Bezügen. Historische Beispiele finden sich in demnach wie vor interessanten Buch “Das Ende der Arbeitsteilung” von M. Pioreund C. Sabel (Berlin 1985).

Was ist das Besondere an der aktuellen Diskussion um Netzwerke, Koope-rationen und strategische Allianzen? Warum ist das eine für KMU /insbesondere Handwerksbetriebe (überlebens- ?) wichtige Frage?

Die gegenwärtige Situation vieler tausend Handwerksbetriebe kann inwenigen ausgewählten Strukturbildern skizziert werden.

• Die Globalisierung findet lokal statt.Große industrielle und dienstleistende Unternehmen dringen verstärkt in

1 Mit dem Begriff Kooperation fassen wir die freiwillige und gleichberechtigte wirtschaftlicheZusammenarbeit mehrerer rechtlich selbständiger Partner, die ein gemeinsames Ziel verfolgen(Unteraufträge und Fusionen sind demzufolge definitorisch ausgeschlossen).

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angestammte Geschäftsfelder des Handwerks ein. Diese Entwicklungfinden wir im gesamten Bereich des Bau- und Baunebengewerbes;mindestens ebenso gravierend aber auch im Lebensmittelhandwerk(Bäcker, Metzger) und bei den Schustern oder Schneidern.

• Der demografische Wandel verursacht Nachwuchsprobleme.Wir wissen, dass der demografische Wandel mindestens zwei Effektezeitigen wird.a) Es wird einen erbitterten Kampf um eine geringere Zahl von Auszubil-denden geben, die häufig in Orientierung auf Attraktivität von Arbeits-bedingungen, Aufstiegsmöglichkeiten und Einkommen nicht unbedingteinen handwerklichen Beruf ausüben wollen.b) Die Altersstruktur der Betriebsinhaber lässt erwarten, dass bei weiterhinsinkender Zahl von nachkommenden Führungskräften viele Betriebe ihreExistenz aufgeben.

• Einzelne Gewerke verlieren ihre Ganzheitlichkeit.Mit der durch zunehmende Komplexität, Technisierung/Modularisierungund Arbeitsteilung bedingten und in Normen festgeschriebenen fachli-chen Differenzierung drohen Bereiche des Handwerks ihreGanzheitlichkeit zu verlieren. Wesentliches Beispiel ist auch hier wiederdie Erstellung von Gebäuden, bei der die Orientierung am gesamtenEndprodukt von einzelnen ausführenden Betrieben nur selten realisiertwird.

• Der Markt verlangt komplette Problemlösungen.Bisher eher produktorientierte Leistungen sind aus Sicht der Kunden umService- und Beratungsleistungen zu ergänzen. Die Leistungsempfängererwarten bei komplexeren Arbeiten zunehmend häufiger eine Frei-stellung von eigenen Koordinierungsleistungen, also Leistungen aus einerHand. Herausragendes Beispiel für die Anforderung, die Wertschöpfungs-kette möglichst vollständig abzubilden, ist der Dienstleistungsbereich desGebäude-/ Facility-Managements. Gefordert ist die Beherrschung vonGesamtprozessen und die Lieferung von Lösungen statt der Beschäfti-gung mit Schnittstellenproblemen.

Der – gerade in der Baubranche – verzweifelte Kampf um Erhaltung desBetriebes und der Arbeitsplätze, der Marktpositionen und neuer Geschäfts-felder, ist infolge struktureller und konjunktureller Schwäche im Wesentli-chen entweder durch Wachstums- und/oder durch Qualitätspolitiken zugewinnen. Eine geeignete Strategie zum Ausgleich von größenbedingtenNachteilen ist die der (strategischen) Kooperation. Allerdings können die

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Kooperationen sehr unterschiedlich sein in ihrer Marktausrichtung, in Tiefeund Reichweite der Zusammenarbeit, in der Rechtsform usw. (s. u. Tabelle1: Kooperationsarten). Die folgenden knappen Beispiele2 verdeutlichen dasSpektrum an Kooperationsmöglichkeiten.

• Vier Damenschneiderinnen entwickeln Ansätze für eine gemeinsameVerkaufspräsentation und ergänzen sich in ihren wechselndenAuslastungsgraden. Dafür arbeiten sie mit CAD-gestützten Schnittmus-tern, die sie via Intranet austauschen können.

• Sechs Tischlermeister arbeiten in einer gemeinsamen großen Werkstatt,so dass die Investitionen in eine gute Maschinenausstattung geteiltwerden können.

• Metzger und Bäcker schließen sich mit Handelsbetrieben zu einer Liefer-gemeinschaft zusammen, um Großaufträge im Catering von Kranken-häusern abwickeln zu können.

• Neun Betriebe des Bau- und Ausbaugewerbes schließen sich zu einemBauteam zusammen und beauftragen einen Architekten mit der techni-schen Leitung ihrer Arbeitsgemeinschaft. Das Besondere am Bauteam ist,dass die Handwerksbetriebe schon in der Planungsphase des Objektesbeteiligt sind und durch die gemeinsame Orientierung am Gesamt-produkt zu Synergien und Kostenreduktionen gelangen.

• Zehn Betriebe aus verschiedenen Gewerken sowie Architekten wollenganzheitliche Angebote im nachhaltigen/ökologischen Modernisieren/Sanieren im Bereich Bauen und Wohnen anbieten und planen einengemeinsamen Marktauftritt als Handwerker-Ring, ggf. in Form einerGenossenschaft.

• Mehr als 150 Betriebe aus ca. 20 Gewerken gründen eine Aktiengesell-schaft, um ganzheitliche Leistungen im Gebäudemanagement abwi-ckeln zu können.

2 Siehe auch: Zentralverband des Deutschen Handwerks (Hg.): Kooperationen. Ein Weg zurSteigerung der Wettbewerbsfähigkeit des Handwerks, ZDH-Schriftenreihe Bd. 56, Berlin 2000sowie Frevel/Heinen: Facility Management. Erfahrungen und Perspektiven zuKooperationsansätzen im Handwerk, ZDH-Schriftenreihe Bd. 58, Berlin 2000

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Was ist das Gemeinsame bei diesen unterschiedlichen Ausprägungen vonKooperationen, die in der Regel geschlossen werden, um Kostenvorteile zurealisieren oder um Marktanforderungen besser gerecht werden zu kön-nen?

Gleichartig ist, dass zunächst in der Aufbau- und dann in der Marktphasezusätzliche Abstimmungen erforderlich sind, die in die einzelne betrieblicheOrganisation hinein wirken und bestimmte Einstellungen bei allen beteilig-ten Personen erfordern.

Für den Aufbau eines breiteren Angebotes durch kleine und mittlereUnternehmen (KMU) sind zur Sicherung der Prozesse in der Leistungser-stellung wie auch zur Bündelung aller wichtigen Angebotssegmente eineReihe von Aufgaben erforderlich, die aufgrund ihrer Komplexität kaum voneinzelnen Betrieben allein geleistet werden können.

Das Zusammenfügen von Betrieben, die ihre Eigenständigkeit bewahrenwollen (und sollen), macht deshalb abgestimmte Lösungen notwendig, dieeinerseits viel Vertrauen und andererseits möglichst klare Regelungenvoraussetzen. Häufig ist der Zeit- und Kapitalbedarf erheblich, vor allemdann, wenn externe Unterstützung durch Innovations-, Technologie- oderUnternehmensberater beansprucht wird.

Selbst die vorbereitende Planung von Kooperationen kann nicht ohnezusätzlichen Aufwand und Kompetenzen und natürlich nicht risikofreirealisiert werden.

• Es gibt keine einfach übertragbaren Konzepte zur Entwicklung strategi-scher Allianzen in der Kooperation.

Das Management der Abstimmung zwischen Wettbewerbern siehtnotwendigerweise andere Regelungsfelder vor, als wenn ein Großun-ternehmen Leistungen zukauft.

• Die grundsätzlichen Regeln verbündeter Netzwerkpartner sind strikt zubeachten, insbesondere, dass es für alle Beteiligten zu einem Ausgleichvon Aufwand und Nutzen (Ertrags-Kosten-Rechnung) kommen muss.Das sind die berühmten Gewinner-Gewinner-Situationen.

Der Aufbau neuer Dienstleistungen im Verbund geschieht in den KMUnotwendigerweise parallel zum Tagesgeschäft – Handwerksbetriebehaben in der Regel keine Stabstellen. Das Verhältnis von verfügbarerZeit zur Menge an Aufgaben geht immer zu Lasten der Aktiven.

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• Es sind eine Vielzahl von Themen gleichzeitig zu regeln, die in engerRegelkreis-Beziehung stehen (z.B. Formen der Auftragsvergabe undAbrechnungsmodi, interne Kooperation und externe Kommunikationusw.).

• Die Diskussionsfelder reichen von der Beziehungskultur („cultural fit“)der beteiligten Betriebe bis zur Investitionsentscheidung, von der CorporateIdentity bis zum alle einschließenden Marketing, von der Regelung derinternen Abrechnungsmodalitäten bis zur Abstimmung über vorhandeneRessourcen.

Die Transaktionskosten zur Entwicklung der optimalen Dienstleistungs-tiefe und -breite sind beträchtlich.

• Es sind eine Menge an Abstimmungen zwischen den beteiligten Betrie-ben (und möglichst auch innerhalb der Betriebe), mit externen Beratern,mit Kammern, Innungen und Verbänden, mit weiteren potenziell beteilig-ten Anbietern (auch handwerksübergreifend), mit strategischen Part-nern, mit Kapitalgebern, mit Wettbewerbern und mit Kunden notwendig.

Theorie und Praxis von Kooperationen – das „Magische Viereck“der Chancen und Grenzen überbetrieblicher Kooperation

Aus der Kooperationsforschung ist bekannt, dass in solchen Systemen miteiner größeren Anzahl unterschiedlicher Akteure eine Reihe wechsel-wirkender Elemente gegeben ist – ein Beziehungsgeflecht. Für die Untersu-chung der Chancen und Grenzen überbetrieblicher Kooperation sind vierrelevante Dimensionen dieses Geflechts zu betrachten:

• Konkurrenz – untereinander und im Wettbewerb.

• Handlungsautonomie – rechtliche und wirtschaftliche Selbständigkeitbewahren und gleichzeitig Teile der eigenen Aufgaben (z.B. Marketing,Akquisition, Abrechnung) auf den Kooperationsverbund übertragen.

• Qualifikation – fachliche und überfachliche Kompetenzen, d.h. auch fürdie Prozessbeherrschung, das Projektmanagement, die Qualitätssicherungusw.

• Kommunikation – im innerbetrieblichen Zusammenhang und im über-betrieblichen Verbund zählen vertrauensvolle Offenheit, Konsens überRegeln der Zusammenarbeit und Entscheidungsfähigkeit.

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Bild 1: Magisches Viereck der Chancen und Grenzen überbetrieblicherKooperation

Die aufeinander wechselseitig wirkenden (interdependenten) Verhältnissesind in Stärke und Richtung der Beziehungen nicht eindeutig.Für die hier geführte Diskussion reicht zunächst das Grundverständnis, dassdie hemmenden Faktoren zu minimieren und die förderlichen Faktorenbetrieblicher Entwicklung (einschließlich Innovationen) zu forcieren sind.Dies gilt natürlich für jeden einzelnen Betrieb auch; in Kooperationen wiegendie Aspekte häufig ungleich schwerer, weil mehrere Interessenlagen zueinem marktfähigen Konsens gebracht werden müssen.

Als hemmende Faktoren sind die nach innen wirkenden Aspekte zubetrachten:

• Die Komplexität des Marktes (Globalisierung, Komplettleistungen,electronic commerce usw.) bildet eine gewichtige Hemmschwelle. VieleKMU und Handwerksbetriebe erwarten/befürchten eine Überforderungdurch die Größe des Vorhabens, die Unübersichtlichkeit der Nachfrage,die Schnelligkeit von Veränderungsdruck u.ä.m.

Handlungsautonomie

Konkurrenz

Kommunikation QualifikationKooperation

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• Das Beharrungsvermögen von Organisationen (Strukturkonserva-tismus) und Personen („Das haben wir schon immer so gemacht und daswar so erfolgreich.“) ist häufig höher als die Veränderungsbereitschaft.Jede Veränderung ist von Unsicherheit über den Erfolg und der Furchtbegleitet, etwas von der eigenen Entscheidungsfreiheit aufzugeben. –Und sie ist immer anstrengender als das, was aktuell schon bewältigtwird.

• Die Spezialisierung Einzelner und einzelner Betriebe ist für die Siche-rung des Überlebens in spezifischen Marktnischen eine Notwendigkeit.Für Kooperationen ist sie nur dann erfolgsträchtig, wenn sie gut in dasMosaik der Gesamtleistungen hineinpasst; ansonsten kann Spezialisie-rung auch Begrenzung und Enge bedeuten.

• Kosten müssen als Nenner der Produktivitätsberechnung immer niedri-ger sein als der Ertrag. Viele Betriebe „rationalisieren“ eher auf derKostenseite (mit weniger Aufwand das Gleiche machen), was häufig mitPersonalabbau verbunden ist. Damit verlieren Betriebe im Dienstleistungs-bereich ihre entscheidende Stärke, nämlich Erfahrungen, Kompetenzen,Qualität usw.

Als förderliche Faktoren sind die nach außen wirkenden Aspekte zubetrachten:

• Gerade im Dienstleistungsbereich gibt es einen engen Zusammenhangzwischen hoher Kundenzufriedenheit und

• dem Einbinden des Kunden in die Produktion und Qualitätsverbesserung(Co-Produzenten, Innovationsanreger) und dem Engagement und demKönnen der eigenen Mitarbeiter/-innen.Beide sind während der Erbringung einer Dienstleistung (extern) und ander Zielorientierung des Unternehmens (intern) aktiv zu beteiligen.

• Die Dynamik der Märkte erfordert eigene dynamische Entwicklungenzur Gestaltung neuer Produkte, Verfahren, Prozesse, Geschäftsfelder,Arbeitsweisen ... Die Geschäftsstrategie sollte auf Expansion und Wert-schöpfung („Bereicherung des Kunden“) ausgerichtet sein.

• Lebenslanges Lernen, lernende Organisationen, flexible Anpassung anKundenwünsche sind keine Schlagworte, sondern Strategien erfolgrei-cher Unternehmen. Voraussetzung ist immer, die eigenen Beschäftigten

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durch entsprechende Arbeitsorganisation und Personalentwicklung zubefähigen bezüglich kooperativer Projektarbeit und hoher Problem-lösungskompetenz.

• Eine Nutzenorientierung hat immer den Kunden im Mittelpunkt desInteresses. Es gibt dabei eine deutliche Verbindung zwischen (engagier-ter) Kundenzufriedenheit und Profit.3 In Kooperationen hat die Aussagedes wechselseitigen Nutzens gleichermaßen Gültigkeit. Als zentraleVoraussetzung gilt das gegenseitige Vertrauen der Kooperationspartner,das nur in Grenzen durch Verträge und Regeln ersetzt werden kann.

Bild 2: Hemmende und fördernde Bedingungen überbetrieblicherKooperation

3 Vgl. beispielgebend Brödner: Die hohe Kunst des Bereicherns, und Volkholz: Auf der Suche nachergänzenden Produktivitätskennziffern, beide in Hoß/Schrick (Hg.): Beschäftigung undProduktivität oder Die hohe Kunst des Bereicherns, Münster 2000.

Flexibilität,Befähigung

Beteiligung

Dynamik,Expansion

Nutzen,Vertrauen

Handlungsautonomie

Konkurrenz

Kommunikation

Spezialisierung

Kosten

Qualifikation

Komplexität

Struktur-konservatismus

Kooperation

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Wie können nun in dem Wechselwirkungsgeflecht die Chancen für eineerfolgreiche Kooperation verbessert und die Ursachen für ein Scheiternverringert werden?

Die Chancen überbetrieblicher Kooperation verbessern sich (die Raute wirdnach außen gedehnt), wenn in dem Beziehungsgeflecht alle Anstrengungenunternommen werden, die spezifischen Stärken der Beteiligten und derKooperation zu fördern, die Schwächen zu minimieren und einen Mehr-Nutzen durch die Zusammenarbeit zu erzielen.

• Das Verhältnis von Konkurrenz und Qualifikation verbessert sich durcheine Vergrößerung der Freiheitsgrade betrieblicher Handlungs-möglichkeiten, also durch eigenständig arbeitende, motivierte, qualifi-zierte, an Entscheidungen und am Erfolg beteiligte Beschäftigte.

• Das Verhältnis Qualifikation und Handlungsautonomie verbessert sichdurch organisatorische Dynamik, also Verbesserung der internen Service-mentalität, durch Innovation und kontinuierliche Verbesserungsprozesse.

• Das Verhältnis Handlungsautonomie und Kommunikation verbessert sichdurch größere inhaltliche Flexibilität in der Kundenorientierung, durchSteigerung des Qualifikationspotenzials, durch Sicherung von Erfahrungs-wissen, durch eine höhere Befähigung der Beschäftigten.

• Das Verhältnis Konkurrenz und Kommunikation verbessert sich durchvertrauensvolle Zusammenarbeit, also Offenheit im Erfahrungsaustausch,im Voneinander-Lernen und durch Regeln, die in der Zusammenarbeit fürdie jeweils Beteiligten einen positiven Nutzen erwarten lassen.

Veränderungs- Das Richtige Veränderungs- Das Richtigebereitschaft: wollen fähigkeit: können

Veränderungs- Das Richtige Veränderungs- Veränderungeffizienz: tun effektivität: richtig tun

Der erforderliche Interessenausgleich zwischen den unmittelbar Beteiligtenwird dann erfolgreich sein (können), wenn sie sich auch auf einen innerbe-trieblichen Reorganisations-Prozess einlassen. Dieser setzt Ansätze derBeteiligung und Befähigung voraus.

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Bild 3: Dimensionen von Veränderung

Organisationsprinzipien von Kooperationen

Für die Entscheidungsfindung etwa über die Art, Größe und Reichweite vonKooperationen gibt es grundsätzlich eine größere Menge von Entscheidungs-möglichkeiten. Der folgende Entscheidungskasten (s. Seite 46) beschreibt zuverschiedenen Aspekten eine Reihe analytischer Ausprägungen. Die Tabelleversteht sich als Denkanstoß, nicht als vollständige Beschreibung.

Flexibilität,Befähigung

Beteiligung

Dynamik,Expansion

Nutzen,Vertrauen

Handlungsautonomie

Konkurrenz

Kommunikation

Spezialisierung

Kosten

Qualifikation

Komplexität

Struktur-konservatismus

Kooperation

Veränderungs-effektivität

Veränderungs-bereitschaft

Veränderungs-fähigkeit

Veränderungs-effizienz

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Tabelle 1: Übersicht über Ausprägungen einzelner Kooperationsarten

Koopera-tions-arten

ZukaufvonLeistun-gen(Unter-auftrag)

fallweiseWeiter-gabe vonAuf-trägen

Koopera-tions-verträge fürEinzel-leistungen

Koopera-tions-verträgefürgemein-sameAnge-bote

ARGE-Beteili-gungen

General-unternehmer/ -über-nehmer-Leistun-gen/Angebote

Strate-gischeAllianz/Verbundin derWert-schöp-fungs-kette

Koopera-tionsreich-weite

Zwi-schenEinzel-betrie-ben

innerhalbeinesGewerkes(horizon-taleKoope-ration)

Betriebeaus zweiGewerken(vertikaleKoopera-tion)

mehreregleich-artigeGewerke(z.B.Ausbau)

mehrereverschie-denartigeGewerke(diago-naleKoop.)

Hand-werks-über-greifend

AnzahlTeilneh-mer

1 + 1 1 + n(n < 10)

nx(x > 10)

Gesell-schafts-Form

ohne(GbR)

GmbH GmbH &Co. KG

e.G. (kleine)AG

Vertrags-formen

Gesell-schafter-Vertrag

Satzung Koopera-tionsver-einbarung

Konsorti-alvertrag

Franchise-Vertrag

Joint-venture

Einbezie-hung vonGroß-unter-nehmen

GleicherBranche

Abneh-mer

Hersteller Kredit-institute

Versiche-rungen

Geschäfts-felder -PortfolioderGemein-samkeiten

Einkauf Vertrieb,Akquisi-tion

Marketing ServiceCall-Center

Angebote/ Preise

Vor-/Nachkal-kulation,Abrech-nung,Inkasso

Gewähr-leistung

Qualitäts-kriterien

Termin-treue

Preise ISO 9000ff.

Öko-Audit Arbeits-schutz

Kommu-nikations-regeln

Koopera-tions-regeln

Geschäfts-ziele

neueKunden

neueProdukteundLeistun-gen

Rentabili-tät

Arbeits-platz-sicherung/ -steige-rung

Phasen Koope-rations-bereit-schaft

Koopera-tions-fähigkeit

Koopera-tions-durch-führung

Koopera-tions-erhalt

Koopera-tions-ausbau

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Auswahl an Themenfeldern und Leitfragen beim Aufbau einergewerkeübergreifenden Kooperation

Für den Aufbau einer gewerkeübergreifenden Kooperation sind eine Reiheinhaltlicher Fragen zu beantworten, um ein aussagefähiges Unternehmens-konzept mit einem Businessplan erarbeiten zu können. Hier sind beispielhafteinige Aspekte zusammengestellt, um ein wenig Übersichtlichkeit bei demanstehenden Berg von Aufgaben zu strukturieren.

• Marktanalyse- Welche Nachfragepotenziale gibt es in der Region?- Welche Wettbewerbsangebote gibt es schon?- Welche neuen Angebotsleistungen müssen formuliert werden?

• Art und Reichweite von Kooperation- Welche Gewerke und weitere Fachangebote sind mindestens zu

bündeln?- Wie können diese Betriebe und Experten aktiviert und beteiligt

werden?- Wie ist die Zusammenarbeit mit Handwerkskammer(n),

Kreishandwerkerschaften, Innungen und Fachverbänden, (Absatz-)Genossenschaften des Handwerks zu regeln?

• Marketingkonzept- Was ist das Alleinstellungsmerkmal?- Wer sind die wichtigen Zielkunden(gruppen)?- Welche Kernaussagen sind in der eigenen Werbung (kunden-

orientierte Broschüre, Flyer) wichtig?

• Aufbau- und Ablauforganisation- Welche Geschäftsbereiche (Vertrieb, Projekt-/Objektmanagement;

Finanzen, Personal; Technik; Marketing; Rechnungswesen ...) sollenin dem neuen Unternehmen eingerichtet werden, was wird vonden beteiligten Betrieben und was von externen Dritten durchge-führt?

- Welche Regelungen sind zu treffen bzgl. interner Ausschreibungen,Auftragsvergabe, Abwicklung, Abrechnung, Dokumentation, Ge-währleistung usw.

• Qualitätsstandards und Qualitätsmanagement- Definition der eigenen „Erfolgsstandards“ für die Kooperation- Aufbau eines QM-Systems

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• Personalentwicklung und Qualifizierung- Verschiedene Zielgruppen: Meister/-innen, Bauleitung, Fachkräfte,

Verwaltungspersonal- Fachliche, informationstechnische und überfachliche Qualifikatio-

nen (Prozessbeherrschung, Kommunikations- und Kooperations-fähigkeit ...)

• Informations- und kommunikationstechnische Strukturen- Internet, Intranet- Rechnungswesen, Prozesscontrolling

• Rechtsform des Gemeinschaftsunternehmens- (GbR, GmbH, eG, AG ...)- Satzung

• Unternehmenskonzept

• Businessplan

• Vertragswesen- AGB- Leistungen nach BGB (Werk-, Dienstvertrag), VOB/VOL; HOAI- GU-Vertrag, FM-Vertrag,- Bürgschaften und Avalkredite- Versicherungsschutz (Unternehmen; Partnerbetriebe)- Willenserklärungen der Partnerbetriebe (Zeichnungsschein/Kaufauf-

trag)

Wir fassen zusammen: Die Anforderungen des Kunden an die Leistung einesHandwerksbetriebes umfassten bislang die üblichen Kriterien wie ein möglichstbreites Angebot zu einem angemessen günstigen Preis, verbunden mitQualität und Zuverlässigkeit. Diese Leistungsmerkmale werden mehr undmehr als selbstverständlich vorausgesetzt. In den Vordergrund treteninzwischen zusätzliche Kriterien wie z.B. die Ergänzung der Leistung einesBetriebes durch Leistungen anderer, wobei es dem Kunden in der Regelgleichgültig ist, ob die Leistung von einem Betrieb allein oder von mehrerengemeinsam erbracht wird. Der Kunde ist interessiert an einer möglichstkompletten Leistung.

Die im Handwerk relevanten Wettbewerbskriterien haben im Zeitverlaufeine gewisse Entwicklung erfahren. Zunächst standen die Produkte, die

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eigentliche handwerkliche Leistung, ganz eindeutig im Vordergrund. Dieseist zwar immer noch wichtig, aber sie ist die selbstverständliche Grundlage,auf der die übrigen Merkmale aufbauen. Zusätzlich zu den Produkten stelltdie Fähigkeit der Unternehmen zur kompletten Problemlösung mittlerweileein wichtiges Kriterium dar. Um diese aber anbieten zu können, müssenhäufig verschiedene Betriebe in Partnerschaft miteinander arbeiten, um diezunehmend komplexer werdenden Anforderungen erfüllen zu können. Dievier Begriffe Produkte, Problemlösungen, Prozesse und Partnerschaft drü-cken die Verschiebung der Wettbewerbskriterien aus.

Den beschriebenen Kooperationen im Handwerk liegen in der Regel aktive(also marktverändernde) Strategien zugrunde: Sie warten nicht darauf, dassdie Trennung von Kopf- und Handarbeit erneut zu Lasten des Handwerksbeschleunigt wird, sondern wollen durch eigene Managementkompetenzdie Leistungsbündelung so erreichen, dass ein größerer Teil der Wert-schöpfung im Handwerk selbst bleibt.

Ein solcher Ansatz erfordert notwendigerweise eine enge und abgestimmteZusammenarbeit, zunächst von Handwerksbetrieben (ggf. aus mehrerenGewerken), dann aber auch von (Fach-)Planern, Experten aus derInformationstechnik und der Betriebswirtschaft. Auch wenn die Bereitschaftzum gemeinsamen Arbeiten besteht, so bleibt doch vielfach festzustellen,dass die Kooperationsfähigkeit noch wenig ausgeprägt ist. Dies gilt nicht sosehr für die „kleine Zusammenarbeit“ zwischen einzelnen Betrieben, diehäufig auf der Grundlage langjähriger Bekanntschaft (Vertrauen) funktio-niert.

In strategischen Allianzen wird das Vertrauen in die Qualität der Partner unddie Funktionsfähigkeit der Zusammenarbeit nicht direkt erworben, sondernnur mittelbar über das Management des neuen gemeinsamen Unterneh-mens: Weil die direkte Erfahrung mit der Mehrzahl der Partner fehlt, wird dasVertrauen in die Auswahlentscheidung und Qualitätsentwicklungskompetenzals Vorschuss in die Partnerschaft eingebracht. Es kann nur über die Zeiteingelöst werden, z.B. durch ein funktionierendes Qualitätsmanagementoder durch Erreichen eines gemeinsamen Niveaus von Mindest-Standards(Dienstleistungsgüte, Corporate Identity ...) mit Hilfe von Personal- undUnternehmensentwicklung.

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Als Grundansatz für eine Problemlösung sind folgende Gesichtspunktezusammenzufassen:

• Das Handwerk muss Strukturen und Kompetenzen bilden, die eineausgewogene Mischung aus handwerklicher Qualifikation, technischerInnovation, aktueller und flexibler Markt- und Kundenorientierung sowiehoher Organisationsreife darstellen.

• Diese Strukturen sollten die Handwerksbetriebe als eigenständige Part-ner einbinden und deren Existenz auf Dauer sichern.

• Von den einzelnen Betrieben ist zugleich die Einbindung in die Prozess-lenkung der Gesamtorganisation zu erwarten.

• Dies setzt eine veränderungsfähige inner- und überbetriebliche Ablauf-organisation voraus.

• Die Marktanforderungen verlangen aber auch neue, andere Qualifikati-onen der MitarbeiterInnen: Neben spezielle fachliche Kenntnisse undFertigkeiten treten vor allem soziale und organisatorische Kompetenzen,die in einem dienstleistungsorientierten Marktfeld zunehmend an Bedeu-tung gewinnen.

Auch unter Beachtung der bisher erfolgreichen Strukturen handwerklicherBetriebe und Berufsbildung sind Änderungsbedarfe zu erwarten. Die folgen-den Stichworte sollen Anstöße zum Weiterdenken liefern – zum Erstellenvon Frühwarnsystemen, von Visionen und von handwerkstauglichenGestaltungen.

• Die wichtigsten individuellen Änderungsbedarfe lassen sich alsQualifikationsanforderungen beschreiben:

- Beherrschung des Fachlichen und weit darüber hinaus:Die Arbeit im erweiterten Dienstleistungsbereich hat erhöhte Anteilevon Virtualität, weil sie* hochgradig auf konzeptionelle und planerische Aspekte abhebt

und* die intensive Anwendung informations- und kommunikations-

technischer Systeme (Datenbanksysteme, Kalkulationssysteme;Internet uaw.) voraussetzt.Zugleich gilt die exzellente Beherrschung des Fachlichen (Fertigkei-ten, Fähigkeiten und Wissen) als unabdingbare Voraussetzung.

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- Kundenorientierung:Aufgabe von Dienstleistern ist es, die Kundenwünsche optimal zuerfüllen. Dies setzt natürlich voraus, dass der Kunde weiß, welcheWünsche er hat – sprich: es gilt, die Interessenlagen und Bedarfe soweit zu klären, dass ein abgestimmtes Gesamtbild entsteht. Dies istmodern formuliert das Wissensmanagement, also die Fähigkeit, Da-ten und Informationen so zu strukturieren, dass sie wiederholbar(reproduzierbar) und nachvollziehbar sowie entscheidungsfähig auf-bereitet sind.

- Prozessbeherrschung:Aufgabe ist es, die erforderliche Reichweite und Güte von Dienstleis-tungen (service levels) in vereinbarungsfähige und überprüfbare Leis-tungen zu „übersetzen“. Dies setzt voraus, dass eine hoheKommunikationskompetenz verknüpft ist mit der Fähigkeit, ungeord-nete Strukturen zu ordnen und handlungsinstruktiv zu beschreiben.

- Qualitätsmanagement:Mehr als zuvor bestehen hohe Anforderungen an die Qualität derAusführung. Neben die Beherrschung des Fachlichen einschließlichder unsichtbaren Improvisation treten Anforderungen an die Güte imProzessmanagement, also hohe Termintreue (Zeitmanagement), kla-re Schnitt- und Übergabestellen, aussagefähige Dokumentation vonLeistungen und Kosten-Nutzen-Bewertungen.

• Änderungsbedarfe im Handwerk – Qualifizierungs- und Innovations-offensive:

- Viele Aufgabenfelder sind neu, hochkomplex und sehr dynamisch.Es ist eine gewerblich-technische Grundbildung für hybride An-forderungsbilder zu entwickeln, die nicht die Berufsstrukturen aus denAngeln hebt, aber disziplinübergreifendes Wissen und Können vermit-telt und vor allem die Schlüsselqualifikationen deutlich zum Gegen-stand hat.Die Erfahrungen in den Gewerken SHK und Elektro (Haustechniker,Gebäudetechniker) oder bei den Gebäudereinigern („TechnischerBetriebswirt“) sind auf ihre Übertragbarkeit und handwerkstauglicheHarmonisierung zu prüfen.

- In Zusammenarbeit mit Hochschulen unter Nutzung internationalerErfahrungen sind mit dem Handwerk abgestimmte post-graduateAngebote zu konzipieren, an denen auch Meisterinnen und Meisterteilnehmen können.

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• Die betrieblichen Änderungsbedarfe erfordern erweiterte Management-konzepte:

- Die Wachstumsstrategien im Dienstleistungsmarkt erfordern ein Um-denken in bezug auf tradierte Unternehmensstrategien. Die neuenAnforderungen lauten: Kooperation (teilen) und Kommunikation (sichmitteilen).

- Die Betriebe müssen die „Scheuklappen-Autarkie“ aufgeben undlernen, als autonome Betriebe miteinander zu kooperieren - offen undgeregelt.

- Die externe und die interne Dienstleistungsmentalität ist offensiv - imSinne eines total quality management - zu entwickeln.

- Nach außen heißt das: Produkt- und Prozessinnovation sind aktivvoranzutreiben, die Angebote von Innovations- und Wissenstransfer(F&E) sind intensiver zu nutzen.

- Nach innen heißt das: bewusst geplante Organisations- und Personal-entwicklung sowie eine stärkere Beteiligung und höhere Befähigungder Beschäftigten.

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Aufbau eines Kooperations- undWeiterbildungsnetzes für das regionaleBauhandwerk – Erfahrungen aus einemADAPT-Projekt

Andreas Diettrich / Sabine Finke / Sigrid Heinecke

1 Problemstellung

In der Diskussion um die Bedeutung von Netzwerken und Kooperationen(vgl. z. B. Balling, R.1998) im Handwerk stellt sich die grundsätzliche Frage,ob betriebsgrößenbedingte Defizite von Kleinbetrieben durch verstärkteKooperation mehrerer Handwerksbetriebe ausgeglichen bzw. ob – positivformuliert – kleinbetriebliche Stärken durch Bündelung zu einemWettbewerbsvorteil werden können. Vor dem Hintergrund übergreifendergesellschaftlicher und ökonomischer Megatrends in einer zunehmend wis-sensstrukturierten Praxis (Sloane, P. F. E. 1998), großbetrieblicher Konkur-renz, z. B. im Bauhandwerk, und kleinbetrieblicher Limitationen wird dieseFrage im allgemeinen positiv beantwortet. Zwar wurde die Bedeutung vonKooperationen auch mehrfach in der soziologischen und betriebswirt-schaftlichen Literatur herausgestellt und durch Forschungs- undEntwicklungsprojekte belegt, dennoch existiert bisher eine systematischeAufarbeitung von Erfahrungen und eine Entwicklung praxisnaher,transferierbarer Strategien und Instrumente für die Anbahnung und dieerfolgreiche Arbeit kleinbetrieblicher Netzwerke u. E. nicht. In den folgen-den Ausführungen werden nach einigen grundsätzlichen Überlegungenzentrale Erfahrungen aus dem „Pilotprojekt zum Aufbau eines regionalenKooperations- und Weiterbildungsnetzes in KMU der Bauwirtschaft“, durch-geführt vom Bildungswerk der Thüringer Wirtschaft e. V. (AußenstelleApolda), dargestellt. In diesem Projekt (Laufzeit: 1997-2000) sollten dieKompetenzen der Handwerker in unterschiedlichen Dimensionen verbes-sert und gemeinsam Instrumente entwickelt werden, um durch kooperati-ves Zusammenwirken unterschiedlicher Unternehmen und Gewerke einerRegion, insbesondere vor dem Hintergrund der schwachen Baukonjunktur,die Wirtschaftskraft des Bauhandwerks zu erhöhen (vgl. auch Bildungswerkder Thüringer Wirtschaft e. V. 2000).

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2 Netzwerkbildung als Unternehmensstrategie im Handwerk

Handwerksbetriebe zeichnen sich durch Strukturmerkmale wie geringeBetriebsgröße, Schlüsselposition des Handwerksmeisters, Kundennähe oderindividuelle Fertigung aus. Zukünftigen Herausforderungen (Einsatz neuerTechnologien, aktives Aufsuchen von Marktnischen, ökonomische Betriebs-führung usw.) an die Unternehmen stehen betriebsinterne Problembereicheund Schwierigkeiten gegenüber, die in organisationsinterne (Management)Probleme und in Qualifikationsdefizite differenziert werden können. Tradi-tionell wird versucht, diese Defizite durch eine herausragende Fachkompe-tenz, wobei sich allerdings handwerkliches Wissen eher als individualisier-tes, implizites Wissen zeigt, und vor allem durch die Delegation von Unter-nehmeraufgaben an Dritte (Familienangehörige, Steuerberater, Kammern)zu kompensieren. Diesbezüglich kann die Handwerksorganisation (Kam-mern, Innungen, Fachverbände usw.) als ein Netzwerk zur Externalisierungvon Betriebsaufgaben interpretiert werden. Da kleinen Unternehmen mensch-liche, zeitliche und finanzielle Ressourcen häufig nicht ausreichend zurVerfügung stehen, sind sie demnach grundsätzlich auf Transferleistungen imRahmen von Netzwerken angewiesen. Handwerksbetriebe gliedern tradi-tionell wesentliche Betriebsfunktionen aus und nutzen entsprechende Dienst-leistungen aus Netzwerken, z.B. der Handwerksorganisation oder die Steu-er- und Betriebsberatung. Somit sind Handwerker mit der Nutzung vonNetzwerken grundsätzlich vertraut (Diettrich, A. 2000, S. 151 ff.), sind sichdieser Erfahrung und Strategie jedoch häufig nicht bewusst.

Bei der Gründung und Etablierung von Netzwerken zum Zweck des (ge-meinsamen) Austauschs bzw. Lernens, aber auch der Entwicklung vonMarktstrategien auf der Beschaffungs- und Absatzseite, ist es wichtig, dassfolgende zentrale Merkmale eines Netzwerkes erfüllt werden:

• Gemeinsames Ziel

• gewisses Maß an Offenheit und Vertrauen

• Personenorientierung (keine Delegation auf andere)

• Prinzip der Unabhängigkeit (der Beteiligten)

• einerseits Freiwilligkeit der Teilnahme, andererseits ein gewisser ‚ökono-mischer Zwang’

• eine auf dem Tauschprinzip beruhende Beziehung

• institutionalisierte Moderation und Kommunikation

• Vorhandensein gemeinsamer Experten für bestimmte Fragestellungen

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• alle Beteiligten sind Lehrende und Lernende zugleich (Bildungsnetz-werke).

Die Entwicklung von Kooperationen sollte in der Regel nach folgendenPhasen ablaufen (Hirschmann, P. 1998, S. 28): Zuerst ist es notwendig, denKooperationsbedarf der Betriebe zu ermitteln, d. h. zu prüfen, in welcherHinsicht Kooperationen für die betriebliche Entwicklung zweckmäßig seinkönnten. Anschließend sind langfristige Ziele der Kooperation zu definieren,die leitend für die Phasen der Partnersuche und Partnerauswahl sein sollen;u. U. ist hier der Einbezug kompetenter Beratung notwendig und sinnvoll. ImRahmen der Kooperationskonfiguration sind zentrale ‘Spielregeln’ für dieKooperation bzw. für das Netzwerk zu vereinbaren und eventuell schriftlichzu fixieren, ebenso ist eine geeignete Rechtsform zu bestimmen. Währendder eigentlichen kooperativen Zusammenarbeit der beteiligten Organisati-onen bzw. Personen sind diese ‘Spielregeln’ in Rückkopplungsprozessenimmer wieder zu hinterfragen und an geänderte Rahmenbedingungen, aberauch an den ‘Reifegrad’ der Kooperation anzupassen.

Die letzte Phase ist die Beendigung der Kooperation aufgrund der Erreichungder gesteckten Ziele bzw. des Abschlusses eines gemeinsamen Vorhabensoder aufgrund mangelnder Funktionalität der Kooperation (unlösbare Pro-bleme oder Konflikte), wobei in der Praxis aufgrund mangelnder Erfahrun-gen in der zwischenbetrieblichen Zusammenarbeit bzw. korrespondieren-den Problemsituationen Kooperationen oft vorschnell beendet werden.Auch in der Beendigungsphase ist eine Rückkopplung zu den ursprünglichenZielen und Erwartungen zweckmäßig, um hemmende und fördernde Fakto-ren der Zusammenarbeit zu bestimmen und aus eventuellen Fehlern lernenzu können. Von besonderer Bedeutung für eine erfolgreiche Arbeit hand-werklicher Kooperationen und Netzwerke ist u. E. neben der Bereitstellungeiner geeigneten Infrastruktur der Aspekt der Kommunikation bzw. derSchaffung einer Kooperationskultur.

Hierzu ist sicherzustellen, dass ein Partner die Funktion des Netzwerk-Moderators übernimmt und diese Dienstleistung professionell ausführenkann; die Auswahl eines geeigneten Moderators aus dem Umfeld desNetzwerkes ist von zentraler Bedeutung. Diese Moderationsaufgabe, dieauch Züge eines ‚Coachings’ haben kann, fällt in allen Phasen desKooperationsprozesses an: In der Phase der Kooperationsbedarfsanalysesind die Handwerksunternehmen zu beraten und zu informieren, ob bzw.wozu Kooperationen den Betriebszweck unterstützen können (z.B. Be-schaffungskooperationen oder gemeinsame Bewerbung um Aufträge). Die

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Unternehmen sind bei der Definition geeigneter, langfristiger Ziele derKooperation zu unterstützen, insbesondere auch bei Bestimmung von Er-folgskriterien. Auch die Partnersuche und -auswahl kann durch entspre-chende Kontakte oder Datenbanken der Moderatoren erleichtert werdenund senkt die Informations- und Transaktionskosten der Betriebe. Hinsicht-lich der Kooperationskonfiguration und -beendigung ist u. a. die Vermittlungeiner Rechtsberatung durch die Moderatoren notwendig, im Rahmen dereigentlichen Kooperationsdurchführung ist die Förderung der Kommunika-tion und Zusammenarbeit, auch durch informelle ‚events’, zentral. Letztendlichgehört es auch zur Aufgabe der Moderatoren, kurzfristige und langfristigeRückkopplungsschleifen zur Messung des Kooperationserfolges und zurEntwicklung von Modifikationen (Integration neuer Partner, Schaffung vonInfrastruktur, Beseitigung von Hemmnissen usw.) anzuregen und zu organi-sieren. Wesentlich für die Förderung von Kooperationen und eines damitverbundenen Technologietransfers ist die Wirkung der Moderatoren als‘Beziehungspromotoren’.

Barrieren können in allen Formen von Kooperationen und Netzwerkenauftreten und sind durch den Moderator entsprechend zu verringern. Esbleibt jedoch festzuhalten, dass KMU Beratungs- oder Moderationsleistun-gen nur ungern oder in Krisen- oder Mangelsituationen in Anspruch nehmen.Die Inanspruchnahme externer Berater oder Bildungsinstitutionen findethäufig überhaupt nur dann statt, wenn z. B. aufgrund massiver Finanzie-rungsprobleme oder Fehlentscheidungen - möglicherweise auf dringendesAnraten von Banken hin - die Qualifikation des Entscheiders von diesen alsnicht mehr ausreichend erkannt und definiert wird . Dies führt einerseits zueiner ‘Feuerwehrfunktion’ der Berater (kurzfristige, problemorientierte Hil-fe), andererseits entwickelt sich hieraus jedoch häufig die Erwartung aufeine langfristige, allumfassende Problemlösung, d. h. ‚Beratung als Allheil-mittel’.

Dies bedeutet einerseits einen langfristigen Prozess der Entwicklung ver-trauensbildender Maßnahmen vor und während der eigentlichen Modera-tionstätigkeit, um falsche Erwartungen, aber auch Misstrauen, Ängste,Kompetenzzweifel usw. zu verringern. Dies impliziert wiederum hohe An-forderungen an die Fach-, Methoden- und insbesondere auch Sozial-kompetenz der Moderatoren und die strategische Ausrichtung der Bera-tungs- bzw. Moderationsinstitution. Notwendig ist ein umfassender, inte-grativer Zugang in der Beratung.

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Andererseits ist die organisatorische Anbindung der Moderatoren - unddamit auch ihre Finanzierung - von entscheidender Bedeutung: Partnerhierbei können grundsätzlich alle Informations-, Organisations- und Dienst-leistungsunternehmen, wie z.B. die jeweiligen Interessenverbände oderauch private Bildungsträger sein. Perspektivisch betrachtet, wäre hier einemarktgerechte Lösung systemadäquat, d. h. die Herausbildung eines Markt-preises für netzwerkorientierte Moderations- und Beratungsleistungen,analog zur Erstellung von rechnergestützten Netzwerken. Allerdings stelltsich die Frage, ob aufgrund der (noch) geringen Kooperationsneigung vielerHandwerker und vielfach (noch) mangelnder Einsicht in den Nutzen zwischen-betrieblicher Zusammenarbeit überhaupt eine größere Anzahl von Koope-rationen zustande käme. Aus Motiven der Regionalentwicklung und Mittel-stands- bzw. Wirtschaftsförderung scheint es dementsprechend – wie auchim vorliegenden Fall - notwendig und zweckmäßig zu sein, entsprechendeKooperationen im Handwerk im Rahmen von Modellprojekten zu fördernoder durch öffentliche Finanzierung zu unterstützen, solange das eigentli-che langfristige Ziel einer letztendlich sich auch ökonomisch selbst tragen-den Kooperation nicht aus den Augen verloren wird; allerdings stellt sich dieungelöste Frage, wie z. B. die Moderatoren in passiven Phasen der Koope-ration (Phasen ohne Beratungs- und Moderationstätigkeit) entlohnt werdensollen.

3 Ausgangssituation und Zielsetzung : Förderung des Bauhand-werks im Weimarer Land

Zu Beginn der Projekttätigkeit im dreijährigen „Pilotprojekt zum Aufbaueines regionalen Kooperations- und Weiterbildungsnetzes in KMU derBauwirtschaft“ stand als zentrales Ziel die Stärkung der Marktchancenkleiner und mittelständischer Bauunternehmen der Region Apolda/Weima-rer Land vor dem Hintergrund einer zunehmend schlechten Konjunktur imBaugewerbe. Die Betriebe sollten durch das Projektteam des Bildungswerksder Thüringer Wirtschaft e. V. unterstützt werden hinsichtlich der Entwick-lung und Etablierung von kooperationsorientierten Informations- undKommunikationsansätzen, des produktiven und kooperativen Umgangs mitdem alltäglichen Problem- und Konfliktpotential am Bau, der Verbesserungder Kundenorientierung bezüglich Dienstleistungsangebot und im direktenKundenkontakt und der Aufarbeitung von fachspezifischen und fachüber-greifenden Wissens- und Kompetenzdefiziten bei Führungskräften undMitarbeitern.

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Wesentliches Instrument zur Erreichung dieser Ziele war die konzeptionelleEntwicklung und Implementierung eines regionalen, branchenbezogenenKooperationsnetzes bzw. eines leistungsfähigen Informationsnetzes, wobeidieser Prozess wissenschaftlich begleitet wurde. Mit Hilfe von Unterstüt-zungsmaßnahmen (Qualifizierung, Beratung, Coaching usw.) sollten imwesentlichen vier Einzelziele erreicht werden:

1. Sicherung der zukunftsorientierten Entwicklung der Firmen und derWirtschaftsregion durch Leistungsbündelung mittelständischer Unter-nehmen hinsichtlich Produkten und Dienstleistungen.

2. Förderung von Anpassungsprozessen an den strukturellen Wandel durchEinleitung von Veränderungsprozessen in den Unternehmen.

3. Schaffung neuer Lernstrukturen zur Ermöglichung selbstorganisierterLernprozesse in den Einzelunternehmen und in der Kooperationsge-meinschaft vor dem Hintergrund des Modells einer Lernenden Organisa-tion.

4. Einrichtung eines leistungsfähigen Informationsnetzes zur Erreichungeiner neuen Qualität der Zusammenarbeit zwischen Unternehmen bzw.zwischen Unternehmen und Kunden, des Informationsmanagementsund des Marketings.

Diese Ziele wurden im Projekt mehrfach modifiziert und konkretisiert bzw.mit anderen Schwerpunkten belegt, wobei die Projektteilnehmer einerseitsin diesen Prozess mit einbezogen wurden, andererseits jedoch auch zum Teildas Projekt verließen bzw. neue Teilnehmer andere Interessenschwerpunktein die Projektarbeit einbrachten.

4 Verlauf des Projektes und Aktivitäten

Zu Beginn des Projektes orientierten sich die Aktivitäten des Projektteams ander bestehenden „Leistungsgemeinschaft mittelständischer Handwerksbe-triebe e. V.“ vor dem Hintergrund der Idee, ein gemeinsames Produkt, das„Meisterhaus“ gemeinsam zu erstellen und diesbezüglich ein Netzwerk derbeteiligten Betriebe zu entwickeln. Aufgrund der ökonomischen Entwick-lung im Bauhandwerk wurde jedoch diese Orientierung verworfen unddementsprechend der Teilnehmerkreis an Unternehmen mehrfach geöffnetbzw. modifiziert. Es zeigte sich, dass Handwerksunternehmen nur dann zur

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Teilnahme am Projekt bereit sind, wenn kurzfristig ökonomische Vorteiledurch die Mitwirkung erzielt werden können, verbunden mit der Erwar-tungshaltung, dass diese durch das Projektteam „garantiert“ werden kön-nen. Zudem bestanden zu Beginn gewisse Berührungsängste zwischenProjektteam und Unternehmen sowie vor allem auch Vorbehalte bezüglichder Kooperationen mit Betrieben des gleichen Gewerkes (Gefahr derKonkurrenz bzw. des Know-How-Verlustes) und Betrieben anderer Gewer-ke, da hier in der Regel kein Kommunikations- und Kooperationsbedarfgesehen wurde. Hinzu kommt eine tradierte und intensiv gepflegte „Selb-ständigkeit und Unabhängigkeit“ einiger Handwerksbetriebe. Die häufigenWechsel der am Projekt beteiligten Firmen, die sich auch darin ausdrücken,dass auch ein Jahr vor Ablauf des Projektes neue Teilnehmer akquiriertwurden, führten zu Defiziten bezüglich einer vertrauensbildenden Kontinu-ität der Zusammenarbeit.

Neben der Akquise von Teilnehmern stand zu Beginn des Projektes dietechnische Unterstützung der Netzwerkkommunikation im Vordergrund(Aufbau eines Intranet), wobei nach einer Analyse der vorhandenen Hard-und Software-Ausstattung in den Betrieben die Einigung auf einen gemein-samen Standard und die mit einer Vielzahl von Einzelmaßnahmen unter-stützte Anschaffung von Hard- und Software zuerst im Zentrum der Projek-taktivitäten stand. Auf dieser technischen Basis aufbauend entschieden sichdie Teilnehmer gemeinsam, das Kooperations- und Weiterbildungsnetz zunutzen, um an Ausschreibungen größerer Bauvorhaben teilnehmen zukönnen. Dieser neue Akzent führte einerseits zu einem Attraktivitätszu-wachs des Projektes für die beteiligten Firmen, erforderte andererseitsjedoch erhebliche Moderationsleistungen sowie umfangreiche Qualifizierun-gen z.B. hinsichtlich der rechtlichen Rahmenbedingungen der Bildung vonARGEn. In dieser Phase des Projekts stellten sich drei wesentliche Aspekteheraus, die für den weiteren Verlauf und den letztendlichen Erfolg leitendwaren:

• Professionalisierung der Moderationsfunktion der Projektteams und stän-dige Aktivierung der Teilnehmer durch Initiierung von Kommunikations-und Kooperationsprozessen.

• Verdeutlichung der möglichen Zielerreichung im Sinne der Entwicklungkonkreter, für die Betriebe auch unmittelbar ökonomisch verwertbarerProjektergebnisse. Es hat sich gezeigt, daß Aktivitäten, die erst mittelbarzu ökonomischem Erfolg beitragen können, wie z.B. einzelne Quali-fizierungsvorhaben, für die Projektteilnehmer deutlich weniger motivie-

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rend sind; dies läßt auf eine geringe strategische Ausrichtung der Hand-werker schließen.

• Qualifizierung und vor allem Motivierung der Teilnehmer für die Nutzungneuer Informations- und Kommunikationsnetze.

Im weiteren Verlauf zeigte sich, dass einerseits Instrumente für die konkreteZusammenarbeit von Unternehmen auf einer Baustelle fehlten undandererseits, dass Erfahrungen bezüglich der Kooperation mehrerer Bauunter-nehmen nur im „Ernstfall“, das heißt an einem konkreten Bauvorhabengesammelt werden können; ein entsprechendes Training im Rahmen derangebotenen Qualifizierungsmaßnahmen wurde von den beteiligten Firmennur sehr begrenzt frequentiert.

Letztendlich hat der Erfolg des ersten konkreten Bauprojektes unter Ein-bezug des entwickelten Instrumentariums gezeigt, dass Klein- und Mittel-unternehmen der Bauwirtschaft durchaus in der Lage sind, zu kooperierenund auf dieser Grundlage auch ökonomische Erfolge zu erzielen. Dasentwickelte rechnergestützte Baustellendokumentationssystem, das einenAustausch von Daten, Informationen, Plänen, Leistungsbeschreibungenzwischen den an einer Baumaßnahme beteiligten Gruppen ermöglicht,wurde in Pilotprojekten erfolgreich eingesetzt.

Im Anschluss galt es nun, die entwickelten Instrumente weiter zu erprobenund zu modifizieren und die Kompatibilität auch in vertikaler Hinsicht zuerhöhen (z.B. Einbezug von Projektsteuerern oder Planungsbüros). DieWeiterentwicklung und Anpassung des Baustelleninformationssystems ent-sprechend der Erfahrungen bzw. der betrieblichen Bedürfnisse (verbundenmit entsprechenden Qualifizierungen) hat die Eignung und Attraktivität derim Projekt entwickelten Instrumente weiter erhöht und einen „Akzeptanz-schub“ in der Region ausgelöst. Intensive Bemühungen dienten dazu, dieBreitenwirkung des Instrumentariums zu erhöhen und die Nutzerklientelüber die beteiligten Handwerker hinaus zu erhöhen, aufgrund der Einsicht,dass alle am Bauprozess beteiligten Akteure in die Netzwerkstruktur unterVerwendung einheitlicher Systeme einzubeziehen sind. Allerdings stellt sichhier das Problem der Vereinheitlichung, Normierung bzw. Passung unter-schiedlicher Instrumente und Programme (auch i. S. technischer und organi-satorischer Schnittstellen), das einen dauerhaften Beratungsbedarf bedingt;eine „zwanghafte“ Nutzung des Baustellendokumentationssystems könntejedoch zum Ausschluss potentieller Partner führen.

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Parallel hierzu wurden auch die Weiterbildungsaktivitäten fortgesetzt,insbesondere mit der Durchführung unternehmensindividuell zugeschnitte-ner Inhouse-Seminare, Fachvorträgen zu unterschiedlichen Themenbereichensowie einem Lernstudio, das insbesondere die selbstorganisierte, lerner-gerechte Aneignung von IT-Kompetenz ermöglichte.

Somit kann konstatiert werden, dass insbesondere in der letzten Projekt-phase ein Stand erreicht worden ist, der den ursprünglichen Zielsetzungenentsprach, ohne dass jedoch das Projektteam seine dominierende Rolle undFunktion an handwerkliche Partner aus dem Projekt abgeben konnte.Allerdings stellt sich, typisch für Modellvorhaben dieser Art, die Frage, wasnach Rückzug der Projektgruppe von den erreichten Ergebnissen Bestandhaben wird und inwieweit ein Transfer auf andere Kooperationen undVerbünde möglich ist bzw. sichergestellt wird.

5 Ergebnisse und Problembereiche

Nach Aufgabe der Meisterhaus-Idee und nachlassender Orientierung an derLeistungsgemeinschaft stellte sich die Frage nach dem Weg der Integrationund Leistungsbündelung von Betrieben. Da sehr schnell deutlich war, dassauch in Zukunft das Volumen an Einzelaufträgen in der Baubranche keines-wegs anwachsen würde, konnte es nur darum gehen, geeigneteKooperationsformen zu finden, damit mehrere Kleinbetriebe gemeinsam aneinem Auftrag arbeiten und somit in gewissem Ausmaß mit der Bauindustriekonkurrieren können. Lange Zeit wurde versucht, über ARGEn die Bauhand-werker zur Zusammenarbeit zu motivieren. Letztendlich stellte sich heraus,dass die Entwicklung eines zielgruppengerechten, standardisierten, IT-gestützten Baustellendokumentationssystems dazu beitragen kann, Koo-perationen bezüglich konkreter Bauvorhaben zu erleichtern bzw. erst zuermöglichen und Schnittstellenprobleme zu vermeiden, d. h. geeignetePartner und Hilfsmittel sind zentral für den Kooperationserfolg. Als wesent-licher Fortschritt stellte sich hierbei der Einbezug weiterer Gruppen bzw. ander Erstellung von Bauleistungen mitwirkender Personen in der vertikalenWertschöpfungskette dar. Dies bezieht sich sowohl auf die Entwicklunginformationstechnischer Instrumente als auch auf die Etablierung kommunika-tiver Strukturen, die Schaffung eines gemeinsamen Informationsstandesund die Herausbildung eines Vertrauensverhältnisses, die letztendlich dieTeilnahme am Projekt für die beteiligten Firmen zu einem Wettbewerbsvorteilwerden lässt.

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Hinsichtlich der Schaffung neuer Lernstrukturen und der Durchführung vonQualifizierungsmaßnahmen ist zu konstatieren, dass die Betriebe die Notwen-digkeit von Weiterbildung der Führungskräfte und Mitarbeiter zum Teilerkennen, aber ein entsprechendes Weiterbildungsengagement nur be-dingt gewährleistet werden konnte. Auch wechselnde Organisationsformenund Weiterbildungszeiten führten nur begrenzt zur Teilnahme größererGruppen. Andererseits zeigte sich ein zunehmender Bedarf an fir-menspezifischen Schulungen (Inhouse-Schulungen) und an konkreten EDV-Schulungen, wobei auch offene Lernangebote (Lernstudio) von einigenBetrieben intensiv genutzt wurden. Es ist jedoch nur in Einzelfällen gelungen,weite Mitarbeiterkreise der Unternehmen in die Weiterbildungsbemühungeneinzubeziehen, obwohl zu Beginn des Projektes auch die Qualifizierung vonMitarbeitern (Kundenorientierung, Kommunikation auf der Baustelle) inten-diert war.

Positiv zu bewerten ist die Verbindung von Unterweisung und Anwendungin vielen Weiterbildungsmaßnahmen, die sowohl den individuellen Lern-voraussetzungen der Teilnehmer als auch den beabsichtigten Intentionenund Inhalten entspricht. Auch die Nutzung des Intranets als Lernmediumeröffnete neue lernorganisatorische und didaktische Dimensionen, wobeidem Lerner auch die Möglichkeit zur Selbstorganisation gewisser Lern-sequenzen eröffnet wurde, so dass in Einzelfällen durchaus von selbst-gesteuertem Lernen gesprochen werden kann. Zusammenfassend ist dieBedeutung impliziten Lernens bzw. Erfahrungslernens herauszuheben.Im Projekt wurden umfangreiche Qualifizierungs- und Beratungsleistungenerbracht, die für die Lernenden zu einem erheblichen Kompetenzzuwachs(vor allem EDV-Kompetenz) führten. Zwar bedeutete die Lösung einerVielzahl von einzelbetrieblichen diesbezüglichen Problemen einen umfang-reichen Beratungsaufwand, der nach einer Marktkriterien entsprechendenökonomischen Analyse wohl kaum zu vertreten wäre, andererseits erfor-derte das Einleiten betrieblicher Veränderungsprozesse auch maßge-schneiderte Hilfen und Problemlösungen. Insbesondere die intensiver in dasProjekt eingebundenen Betriebe haben hier stark profitiert und ihre be-trieblichen Strukturen im dialogischen Prozess verbessern können.

Die Einrichtung eines leistungsfähigen Informationsnetzes sollte zur Errei-chung einer neuen Qualität der Zusammenarbeit zwischen Unternehmenbzw. zwischen Unternehmen und Kunden, des Informationsmanagementsund des Marketings führen. Ein zentrales Problem war hier die rechner-technische Vernetzung der Unternehmen, bedingt zum einen durch be-grenzte EDV-Ausstattung bzw. Investitionsbereitschaft der Unternehmenund zum anderen durch den zeitintensiven Prozess der Einigung auf einen

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Standard. Somit bestand in der ersten Projektphase eine Hauptaufgabedarin, die vorhandenen technischen Ausstattungsmerkmale zu analysieren,zu dokumentieren und einheitliche Mindeststandards zu entwickeln. Dienetzgebundene, an konkreten Problembereichen orientierte, betriebsindi-viduelle Qualifizierungs- und Beratungsarbeit sowie der im Netz dargestellteerfolgreiche Verlauf eines konkreten Pilotprojektes deutet die Potentialedes Informations- und Kommunikationsnetzes an und belegt das grundsätz-liche Leistungspotential der entwickelten Strukturen. U. E. ist es jedoch nachAbschluss des Projektes nicht gewährleistet, dass Netzwerk- bzw. Koopera-tionsprozesse ohne eine intensive Unterstützung bzw. Moderation seitenseines Projektteams oder einer anderen „institutionalisierten Führung“ mög-lich sind bzw. konkret zustande kommen könnten, d. h., zukünftig stellt sichweiterhin die Frage, inwieweit handwerkliche Netzwerke einen „selbst-tragenden Charakter“ erwerben können.

Trotz der intensiven Bemühungen, insbesondere in der zweiten Hälfte desProjekts, hinsichtlich der Öffentlichkeitsarbeit und der Schaffung einesinternen und externen Kommunikationsnetzes, mussten Kommunikationspro-zesse immer wieder vom Projektteam selbst initiiert und etabliert werden,d.h. die Moderation des Netzwerkes oblag im wesentlichen dem Projekt-team. Dennoch oder gerade deshalb ist es gelungen, eine Vielzahl vonPartnern in das Netzwerk zu integrieren bzw. neue Partner über dieangesprochenen Kommunikationswege zu akquirieren. Transferaktivitätenerfolgten in überregionalen Arbeitsgruppen und in EU-Konferenzen; eindirekter Transfer, z.B. auf andere Gewerke, fand nicht statt. Das entwickel-te Konzept einer „moderierten Netzwerkbildung“ wurde somit nur imvorliegenden Projekt verwandt; Regelungen und Empfehlungen zur Bildungvon Kooperationen zwischen KMU wurden noch nicht erarbeitet, wasjedoch bei der geringen „Projektreife“ (in bezug auf über das Netz organi-sierte und abgewickelte, konkret durchgeführte Bauvorhaben) nicht ver-wundern kann; hier besteht das grundsätzliche Interesse an weiterenKontakten bzw. Möglichkeiten des Austauschs.

6 Fazit

Im Projekt hat sich die in anderen Forschungs- und Entwicklungsprojektengewonnene Erfahrung, dass Handwerksbetriebe bzw. Handwerksunter-nehmer nicht zuletzt aufgrund der gesamtwirtschaftlichen Situation einekurzfristige Zielperspektive verfolgen und nicht strategische, langfristigeUnternehmensziele setzen, bestätigt. Die während der gesamten Laufzeitschwache Baukonjunktur hat zu einer erheblichen Wettbewerbsverschärfung

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geführt, die Mitarbeiterentlassungen und Insolvenzen bedingte. Somit ist dieSicherung des „Überlebens“ des Betriebes zentrale Aufgabe des Unterneh-mers; andererseits führen eine relativ transparente Marktsituation undpersönliche Verflechtungen im regionalen Bauhandwerk zu einer massivenKonkurrenz zwischen den Betrieben, die kooperatives Verhalten eherverhindert denn fördert. Demzufolge richtete sich die Projektstrategie - ausSicht der Handwerker - eher gegen die Konkurrenz aus der Bauindustrieoder des überregional tätigen Handwerks.

Der ökonomische Engpass führt zur Annahme auch von unter Umständenbetriebswirtschaftlich nicht lukrativen Aufträgen, aber auch zu einer „Gering-schätzung“ nicht-monetär meßbarer Investitionen, z. B. in Qualifizierung.D.h. Betriebe arbeiten nur bei der Erwartung kurzfristiger ökonomischerVorteile (Akquise von Aufträgen) im Projekt mit, eine strategische Aus-richtung der Unternehmensführung (Aufbau von langfristigen Koope-rationsbeziehungen) ist den Handwerksunternehmern eher fremd. Als ty-pisch für das Handwerk zeigt sich auch in diesem Projekt die ‚Angst’ vonHandwerkern vor Konkurrenz und Verlust unternehmerischer Autonomie,die eindeutig die Erwartung von Vorteilen durch Kooperation dominiert.Andererseits musste den Unternehmen deutlich gemacht werden, dassunternehmerische Entscheidungen allein durch die Betriebsleitung gefälltwerden können und sollen, nicht durch die moderierende Institution.

Nach unseren Erfahrungen kann das Zusammenwirken von KMU in Netz-werken durchaus dazu beitragen betriebsgrößenbedingte Nachteile z.B. derAuftragsakquisition zu kompensieren. Andererseits sind diesbezüglichumfangreiche Überzeugungs- und Qualifizierungsarbeit sowie die Ent-wicklung geeigneter Instrumente für die betriebliche Zusammenarbeit not-wendig. Letztendlich stellt sich die Frage, ob die Idee eines sich selbst-tragenden Netzwerkes im Rahmen einer dreijährigen Projektlaufzeit umge-setzt werden kann. Zur Entwicklung von marktreifen Produkten zur Unter-stützung von Kommunikationsprozessen ist es sinnvoll, eine entsprechendeAnschubfinanzierung frühzeitig zu akquirieren bzw. Folgeprojekte zu bean-tragen; ebenso wäre die Gewährleistung bzw. die Finanzierung derModerationsfunktion im geschaffenen Netzwerk (noch) notwendig undwünschenswert. Der Übergang von der geförderten zur ungefördertenPhase erscheint uns auch aus rechtlicher Perspektive (z. B. Status derModeratoren) ein zentrales, bisher ungelöstes Problem im Spannungsfeldzwischen öffentlich geförderter, zukunftsorientierter Netzwerk- und Projekt-arbeit einerseits und der Gefahr des immerwährenden, lukrativen undbequemen ‚Abgreifens’ von Fördermitteln unterschiedlicher Herkunftandererseits zu sein.

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Gezeigt hat sich, dass die Institutionalisierung einer Moderationsfunktion,die sehr aktiv Kommunikationsprozesse inszeniert und entsprechendesKnow-How anbietet, von erheblicher Bedeutung für das Zustandekommenkooperativer Strukturen im Handwerksbereich ist. Im Projekt sind ersteWege konturiert und erfolgreich erprobt worden, um die Leistungen mittel-ständischer Unternehmen zu bündeln. Jedoch sind die Zukunftsaussichtender beteiligten Unternehmen und des Netzwerkes aufgrund der noch nichtgesicherten ‚Bestandssicherung’ bezüglich der existierenden Kommunikati-ons- und Kooperationsstrukturen offen. Zudem wäre wohl eine wissen-schaftliche Langzeitstudie erforderlich um zu prüfen, ob und unter welchenBedingungen kleinbetriebliche Kooperationsverbünde erfolgreich gegenü-ber großbetrieblicher Konkurrenz bestehen können. Im Projekt wurde eineerfolgversprechende Perspektive unter Einbezug neuer IT-Technologienentwickelt, konnte aber aufgrund des Endes der Projektlaufzeit nicht alsstabiles Element der Leistungsbündelung implementiert werden, dennochwurden wichtige Erfahrungen und Erkenntnisse gewonnen, deren weitererTransfer auf andere Kooperations- und Weiterbildungsnetzwerke von KMUdurchaus möglich und erfolgversprechend ist.

Literatur

Balling, R. (1998): Kooperation. Strategische Allianzen, Netzwerke, JointVentures und andere Organisationsformen zwischenbetrieblicher Zusam-menarbeit in Theorie und Praxis, 2., durchgesehene Auflage, Frankfurt amMain u. a. 1998

Bildungswerk der Thüringer Wirtschaft e. V. (2000) (Hrsg.): KleineFirmen im globalen Netz – Möglichkeiten und Grenzen der IuK-Technologien,Erfurt 2000

Diettrich, A. (2000): Der Kleinbetrieb als Lernende Organisation - Konzep-tion und Gestaltung von betrieblichen Lernstrategien. Eine betriebs-pädagogische Analyse, Markt Schwaben 2000

Hirschmann, P. (1998): Kooperative Gestaltung unternehmensüber-greifender Geschäftsprozesse, Wiesbaden 1998

Sloane, P. F. E. (1998): Funktionen im Wandel. Das neue Verhältnis vonArbeiten und Lernen in einer wissensstrukturierten Praxis, in: Franke, N. /von Braun, C.-F. (Hrsg.): Innovationsforschung und Technologiemanage-ment. Konzepte, Strategien, Fallbeispiele, Berlin: Heidelberg; New York u. a.1998, S. 89-104

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Produzieren und Lernen in KMU-Netzwerken

Klaus Gersten

Diesem Beitrag zugrunde liegt die Erfahrung einer fünfjährigen, erfolgreichgewachsenen Kooperationsanbahnung der T.O.P. GmbH Heidenau (T.O.P.ff.) für vorwiegend kleine und mittelständische sächsische Unternehmen imRaum des Industriestandortes Dresden. Dabei setzte sich die Erkenntnisdurch, dass Netzwerkarbeit und die sie einschließende Kooperation in ihrerjeweiligen konkreten Ausprägung von mehreren eng miteinander verfloch-tenen Faktoren beeinflusst werden. Beim Vergleich der von Unternehmenwahrgenommenen Möglichkeiten, zumeist im Rahmen zweiseitiger Koope-ration oder in Netzwerken, entziehen sich die Erklärungsversuche für diegewählten Formen der betrieblichen Zusammenarbeit sehr oft rationalenÜberlegungen. Die Begründungen dafür sind meist von überraschenderLogik.

Entscheidungen im Sinne von Für und Wider zu Netzwerkarbeit und Unter-nehmenskooperation sind in erheblichem Umfang, so die Beobachtung,eher psychologisch eingefärbt. Vor allem solche Aspekte wie Vertrauen,Erfahrung, Erwartung oder emotionale Sicherheit sind zumeist handlungs-leitend bei kooperationsbezogenen Entscheidungen.

Gut zu erkennen war, dass Unternehmen mit hohen Kooperations- undNetzwerkaktivitäten gegenüber zurückhaltend kooperierenden Unterneh-men ein zum Teil deutlich höheres Qualifikationsniveau der Mitarbeiter,insbesondere auf den Gebieten Sozial- und Fachkompetenz aufwiesen.

Ab 1995 entwickelte die T.O.P. GmbH Heidenau gezielte Aktivitäten zumAufbau von Unternehmensnetzwerken sowie zur Initiierung und Intensivie-rung von zwischenbetrieblicher Kooperation. Sehr schnell kristallisierte sichder aus unserer Sicht enge Zusammenhang zwischen überbetrieblicherKooperation, einer daraus resultierenden Aufgabenerweiterung für die mitKooperationsaufgaben Beschäftigten, den sich daraus ergebenden Lerner-fordernissen und der offensichtlich im Ergebnis davon eingetretenen Zunah-me an Qualifikation seitens der Beschäftigten sowie Flexibilität und Leistungs-kraft der Unternehmen insgesamt heraus.

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Die von T.O.P. entwickelten, vielfältigen Kooperations- und Netzwerk-aktivitäten hatten zum Ziel, für leistungsstarke und innovative sächsischeUnternehmen auftragsrelevante Akzeptanz bei potentiellen Auftraggebernaus den alten Bundesländern bzw. die Vergabe von Produktionsaufträgenzu erreichen.

Nach einer relativ kurzen Anlaufphase begann ein von T.O.P. gecoachter,zügiger kooperationsvorbereitender Informationsaustausch zwischen denbeteiligten Unternehmen. Im Ergebnis gelang darauf aufbauend eine be-achtliche Produktions- und Warenumsatzsteigerung bei den beteiligtenUnternehmen.

Die ersten Kontaktanbahnungen und deren Vertiefung gestalteten sich zuBeginn vorwiegend entlang der Wertschöpfungsketten. Erst dann waren dieUnternehmen bereit zu Netzwerkbildungen mit vertikalen und horizontalenAusprägungen.

Die so erreichten Kooperationsumsätze und -zuwächse wurden, von derStartphase abgesehen, unter marktrelevanten Bedingungen, d.h. ohneDrittmitteleinsatz, erzielt.

Die Erklärung für dieses phasenweise Vorgehen ist mit großer Wahrschein-lichkeit im Faktor Vertrauen zu finden. Demnach steigt erst im Ergebnis vonerfolgreich durchgeführten Kooperationsvorhaben die Bereitschaft der Un-ternehmen zu intensiver Netzwerkarbeit.

Neben den die Produktionskooperation betreffenden Aktivitäten bildetedas Initiieren und inhaltlich-organisatorische Coachen von Lernnetzwerkenein weiteres Arbeitsfeld der T.O.P. GmbH Heidenau. Hierbei wurden nebenKMU auch größere Unternehmen in partielle und umfassendereWeiterbildungsprozesse einbezogen.

Der dadurch möglich gewordene Wissens- und Erfahrungstransfer zwischenGroß-, Mittel- und Kleinbetrieben erwies sich nicht allein als ein sehr gutgeeignetes Instrument für Lernprozesse, sondern wirkte in unterschiedlichs-ter Art und Weise als insgesamt förderlich beim strukturellen Neuaufbau derostdeutschen Industrie.

Ein weiterer Erfahrungshintergrund bildete die tägliche Arbeit mit einemüber Jahre gewachsenen Unternehmenspool, dem annähernd 250 sächsi-sche Unternehmen mit territorialer Konzentration am IndustriestandortDresden und dessen wirtschaftlichem Umfeld angehören.

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Dieser KMU-Gesamtpool besteht aus 9 branchenorientierten Leistungs-pools mit folgenden Schwerpunktsetzungen:

1. Prismatische und rotationssymetrische Teile (Drehen-Fräsen-Schleifen)

2. Elektrotechnik/Elektronik

3. Präzisionsteile (Komponenten und Baugruppen)

4. Maschinenbau

5. Kunststoffverarbeitung

6. Wärme- und Oberflächenbehandlung

7. Blechbearbeitung

8. Stahl- und Anlagenbau

9. Gießereierzeugnisse

Im Ergebnis des Auseinandersetzens mit Fragen der Kooperationsgestaltungund sich daraus ergebenden Lern-und Weiterbildungserfordernissen setztesich die Auffassung durch, dass von den verschieden Inhalten der Zusam-menarbeit von Unternehmen (Einkauf, Vertrieb, Produktentwicklung usw.)die der Produktionskooperationen sehr gut geeignet ist, als Basis für Innova-tions- oder betriebliche Weiterbildungsgemeinschaften und damit als Aus-gangspunkt für das Lernen in Netzwerken zu fungieren. Denn Produktions-kooperation trägt nahezu von selbst dazu bei, dass über die Prozesskettehinweg Lerneffekte entstehen können.

Bedeutsam insbesondere für kleinere Unternehmen dabei ist, dass bereitsmit Beginn der Planung von Kooperationen Lernprozesse einsetzen, zumindestaber ausgelöst werden. Wesentlich für die Nachhaltigkeit und Leistungs-relevanz der Lernvorgänge wiederum sind die jeweiligen Beweggründe, dieden konkreten Kooperationsvorgang auslösen. Motivationsprobleme beiden Beteiligten bestimmen sicher sehr wesentlich die Intensität desarbeitsplatzbezogenen Lernens im Rahmen der vorstehend beschriebenenKooperation bzw. Netzwerkarbeit.

Wesentliche, beobachtete Gründe für Kooperation sind u. E.:

1. Effizienssteigerung und Beseitigung von Kapazitätsdefiziten (Fertigungs-kooperation).

2. Produktentwicklungen und Beseitigung von Kompetenzdefiziten(Innovationskooperation).

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3. Markterschließung und -bearbeitung (Distributionskooperation)

4. Einkauf (Beschaffungskooperation)

Beobachtet werden konnte, dass alle diese vier Kooperationsgründe in dermittelständischen Industrie anzutreffen sind, wobei die beiden Erstgenann-ten, Fertigungs- und Innovationskooperation, auch in dieser Rangfolgedominieren.

Besonders im Rahmen der Innovationskooperation, aber auch bei der„reinen“ Produktionskooperationen, vollzieht sich praktisch parallel zurProduktionsdurchführung ein vielschichtiges Lernen bei den Beschäftigten.Als besonders wertvoll ist einzuschätzen, dass in diese Vorgänge auch dasPersonal auf der Arbeits- bzw. Ausführungsebene (besonders bei Gruppen-arbeit) direkt einbezogen ist.

Dieses wesentlich durch Kooperation initiierte arbeitsplatzbezogene Lernenträgt wesentlich zum stetigen und effizienten Lernen der Beschäftigten imPrinzip auf allen Hierarchieebenen bei. Daraus lässt sich ableiten, dassüberbetriebliche Kooperation deutlich zur Weiterentwicklung der betriebli-che Qualifikationspotentiale beiträgt und sich damit als ein Instrumentdarstellt, welches, wie schon angemerkt, die Leistungsfähigkeit des Unter-nehmens insgesamt verbessert.

Desweiteren zeigte sich, dass Lernen in Netzwerken als eigenständigerBestandteil von Kooperationen bisher zu wenig und zudem meist nursporadisch realisiert wurde. Lernvorgänge durch Netzwerkarbeit oder Koo-peration werden von den Beteiligten vielfach als solche nicht wahrgenom-men und entziehen sich somit einer bewussten Gestaltung.

Gleichzeitig konnten wir feststellen, dass im Rahmen kooperativer Auftrags-bewältigung und den damit verbundenen Lernprozessen besonders inkleinen und mittelgroßen Unternehmen erhebliche Lernpotentiale erschlos-sen werden können.

Gelingt das Erschließen dieser Potentiale, z.B. durch gründliche Vorberei-tung sowie Festlegung erreichbarer Ziele und geeigneter Lernformen,lassen sich erhebliche Innovationskräfte in den Unternehmen freisetzen undweiterentwickeln.

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Nachfolgend soll dieser Zusammenhang beispielhaft erläutert werden:Eine bedeutsame Voraussetzung für erfolgreiche Kooperation stellt wievorstehend angesprochen, die Komponente „Vertrauen“ dar. Diesen Sach-verhalt zu beachten ist schon deshalb von Bedeutung, weil für die Kooperie-renden neben den genannten Vorteilen auch z.T. erhebliche Risiken auf-treten können.

Einem Akteur entgleitet zumindest über den Kompetenzanteil den er selbstin die Kooperation einbringt, oft die Verwertungskontrolle. Sehr schnellverliert er außerdem seinen Wissensvorsprung, vielfach gibt er demKooperationspartner Einblick in seine Marktstellung.

Darüber hinaus hat er auf das Ergebnis der Kooperationsleistung nurbedingten Einfluss, was bei Auftreten von Fehlleistungen anderer Koopera-tions- oder Netzwerkpartner neben ökonomischen Nachteilen auch zuImage- und Marktverlusten führen kann.

Eine wichtige Komponente, die Flexibilität des Unternehmers, wird zudembei kurzfristigen Änderungen von Auftragsparametern durch oft nichtbeherrschte Informations-, Koordinations- und Entscheidungsabläufe sehrschnell beeinträchtigt.

Eine weitere, bei der Aufnahme von Kooperationsbeziehungen zu beach-tende Komponente besteht in der Unterschiedlichkeit der von den einzelnenKooperationspartnern eingesetzten Informationsverarbeitungssysteme.Dadurch können Koordinierungsaufwände notwendig werden, die mögli-che Kooperationsvorteile eliminieren.

Von den hier auszugsweise angesprochenen Komponenten und Einflüssengehen zweifellos auch gleichzeitig Kernimpulse, z.B. zur Beherrschung oderBeseitigung kooperationsbedingter Reibungsverluste oder Nachteile, unddamit neue Anforderungen mit der Notwendigkeit zur Anpassung und zumErwerb neuen Wissens aus.

Wir erachten es für sinnvoll, kooperationsbezogene Lernprozesse wie folgtzu zuordnen:

• Lernen in der vorkooperativen Phase,

• Lernen in der Kooperationsphase und

• Lernen in der postkooperativen Phase.

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Daraus lässt sich in Verbindung mit dem Vorgesagten ableiten, dass koope-rierende Unternehmen in erweitertem Umfang in der Lage sind, die ausKooperation ableitbaren Vorteile für Ihre Entwicklung zu nutzen. Vorausset-zung dafür ist jedoch, dass sie die Kooperation begleitenden Lernschleifenbewusst organisieren, die beteiligten Mitarbeiter dafür qualifizieren und dasNiveau der Kooperation in einer Art permanentem Benchmarking regelmä-ßig auf den Prüfstand stellen.

Die Lerninhalte und Lernformen (nicht Gegenstand dieser Kurzfassung) sindselbstverständlich vom Kooperationsgegenstand, den Kooperations-erfahrungen und der vorherrschenden Unternehmenskultur entscheidendbeeinflusst.

Abschließend wird mit Nachdruck empfohlen, konkrete Lernziele, wie z. B.die Bewältigung von Netzwerkkooperation zu formulieren und die Beschäf-tigten mit lernförderlichen Bedingungen und geeigneten Anreizsystemen zuunterstützen.

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... zur Stärkung regionaler Potentiale

Regionale Qualifizierungsnetzwerke:Eine Möglichkeit für mehr Wachstum undBeschäftigung?

Kurt Hornschild

1 Die Herausforderung

Die neuen Bundesländer bleiben in den letzten Jahren im Wirtschafts-wachstum hinter den alten zurück. Statt aufzuholen, wie es notwendigwäre, um allmählich eine annähernd gleiche Wirtschaftskraft je Kopf derpotenziell Erwerbstätigen zu erzielen, ist das Gegenteil Realität: der Abstandin der ökonomischen Leistungskraft beider Regionen wird wieder größer,verbunden mit der Gefahr anhaltend hoher Arbeitslosigkeit und einemnegativen Wanderungssaldo, insbesondere bei den jungen, qualifiziertenErwerbspersonen.

Was ist zu tun, um diese Entwicklung nicht nur zu stoppen, sondern mög-lichst ins Gegenteil zu verkehren?

Um von vornherein keine falschen Erwartungen zu wecken: zur Lösungdieser Probleme gibt es keinen Königsweg, auch lassen diese sich nicht vonheute auf morgen lösen. Es gibt aber Wege, die, wenn sie konsequentbeschritten werden, allmählich in eine ökonomisch bessere Zukunft führen.

Eine Arbeitslosenquote von im Durchschnitt rund 17 % kann kein Normal-zustand sein:

• ökonomisch bedeutet diese Ressourcenverschwendung und Verzicht aufWirtschaftswachstum,

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• aus dem Blickwinkel der Demokratie birgt sie die Gefahr der politischenInstabilität, eine Situation, bei der die Politik geneigt ist, durch Subventi-onen kurzfristig Brandherde zu löschen,

• für die betroffenen Menschen bedeutet Arbeitslosigkeit nicht nur unfrei-willigen Verzicht auf Einkommen und entsprechenden ökonomischenWohlstand, sondern teilweise Ausschluss aus der „normalen“ Gesell-schaft und damit verbunden mit Einbußen im individuellen Wohlbefinden.

Eine an kurzfristigen Erfolgen orientierte Politik ist ökonomisch ineffizientund geht generell zu Lasten der längerfristig zu erreichenden Ziele. Es gibtgenügend Beispiele für eine solche Subventionspolitik. Bestand ihre vor-dringlichste Aufgabe darin, den Problemdruck zu lindern, aber nicht in derLösung des eigentlichen Problems, bewirkte sie in der Regel einen An-passungsstau, der sich im Zeitverlauf sogar noch vergrößerte und der dannquasi mit der Brechstange aufgelöst werden müsste. In Anbetracht derunbefriedigenden ökonomischen Entwicklung bei gleichzeitig hohen Trans-fers, die jährlich von West nach Ost in einer Größenordnung von 150 Mrd.DM fließen, wird die Frage nach deren Effizienz, so meine Einschätzung, mitzunehmender Intensität gestellt werden.

Meine Aufgabe heute sehe ich vorwiegend darin, Sie in aller Kürze aus demBlickwinkel der empirischen Wissenschaft zu informieren, welchen Beitraginnovative regionale Netzwerke zur Verbesserung des Humankapitals leis-ten können, damit die neuen Bundesländer in ihrer Gesamtheit, aber aucheinzelne Regionen, auf einen höheren Wachstumspfad einschwenken unddamit auch das Beschäftigungsniveau angehoben wird.

Es ist eine Binsenweisheit, doch wird diese leider nicht immer berücksichtigt:Ohne eine richtige Diagnose lässt sich der Patient in der Regel nicht effizienttherapieren. Das gilt für Heilbehandlung des Menschen und die Wirtschaftgleichermaßen.

Für Ostdeutschland werden für die aktuell unbefriedigende wirtschaftlicheEntwicklung häufig drei zentrale Ursachen genannt:

• der Einbruch der Bauwirtschaft, die zunächst Wachstumsmotor war undheute schrumpft;

• gemessen an der Produktivität zu hohe Löhne und zu geringe Flexibilitätbeim Faktor Arbeit;

• immer noch unzureichende Ausstattung der Infrastruktur.

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Alle genannten Ursachen sind zwar unstrittig, doch werden aus mangeln-dem Verständnis für die sich hier vollziehenden ökonomischen Prozessevielfach falsche wirtschaftspolitische Schlussfolgerungen gezogen. Dies istmeist dann der Fall, wenn die Wachstumsschwäche in Ostdeutschland alsein konjunkturelles Phänomen interpretiert wird, den aber noch immererheblichen strukturellen Verwerfungen zu wenig Aufmerksamkeit ge-schenkt wird.

Der Produktionsrückgang der Bauwirtschaft war vorhersehbar, es handeltsich hier nach den zu Beginn der Vereinigung sehr hohen und durchöffentliche Transfers ermöglichte Nachfrage nach Bauleistungen um einenProzess der Normalisierung. Diesen aufs neue anzustoßen und damit künst-lich zu verlängern, würde falsche Anreize setzen und den notwendigenStrukturwandel nur vertagen.

In Anbetracht des Preisniveaus, das für viele Produkte durch die Vereinigungmehr oder weniger vorgegeben wurde und des bereits im Vergleich zuwestlichen Bundesländern vielfach deutlich niedrigeren Lohnniveaus sinddie Löhne weniger Ausdruck überzogener Forderungen der Arbeitnehmerals vielmehr der immer noch großen Leistungsschwäche der WirtschaftOstdeutschlands. Diese wird aber kaum durch Lohnsenkung, als vielmehrdurch weitere Modernisierung der Produktionsprozesse behoben werdenkönnen.

Um das Leistungsniveau der Wirtschaft zu erhöhen, müssen neue Wachs-tumsfelder erschlossen und die Standortqualität verbessert werden. Dazugehören sicherlich nach wie vor Investitionen in die klassische Infrastrukturwie Verkehrsanbindung, Energie- und Wasserversorgung sowie eine guteVersorgung mit anderen öffentlichen Einrichtungen. Mindestens ebensowichtig sind aber sogenannte weiche Faktoren wie Verfügbarkeit vonqualifizierten und leistungswilligen Menschen, eine effiziente Verwaltungsowie eine möglichst hohe Attraktivität der Region.

Es gibt inzwischen einige Beispiele für Regionen in Ostdeutschland, die in derökonomischen Leistungskraft sich mit westdeutschen durchaus messenkönnen. Stimulierend hatten die vergleichsweise niedrigen Faktorpreise unddie staatlichen Subventionen gewirkt. Längerfristig erfolgreich werdendiese Regionen allerdings nur sein, wenn sie weiter auf Innovationen setzenund sich im Qualitätswettbewerb behaupten. Zu nennen sind Regionen wieDresden, Leipzig, aber auch Erfurt.

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Insbesondere im High-tech-Bereich und bei den an Bedeutung zunehmen-den sogenannten wissensintensiven Dienstleistungen ist die Verfügbarkeitvon qualifiziertem Personal der Schlüssel zum Erfolg. Statistiken belegeneindeutig, dass mit der Qualifikation auch die Mobilität der Menschenzunimmt. In Bereichen, bei denen Humankapital der Engpassfaktor ist,werden deshalb vor allem solche Regionen oder Unternehmen erfolgreichsein, die entsprechend attraktive Arbeitsplätze anbieten können. Dazugehören aus dem Blickwinkel der Erwerbstätigen Zukunftschancen, eineangemessene Entlohnung und ein gutes Arbeits- und Wohnumfeld. Um imStandortwettbewerb zu bestehen und um vor allem qualifizierte Menschenfür den Standort zu gewinnen oder zu halten, ist mithin eine Politik, diediesen Kriterien Rechnung trägt, erforderlich.

Die neuen Bundesländer in ihrer Gesamtheit, aber auch die vergleichsweiseerfolgreichen Regionen haben immer noch den Schock der Vereinigung, dersie in das Konkurrenzsystem der Marktwirtschaft katapultiert hat, zuverdauen. Wenn man bedenkt, wie lange die westliche Wirtschaft ge-braucht hatte, die beiden Ölpreisschocks in den siebziger Jahren und zuBeginn der achtziger Jahre zu verkraften, dann wird deutlich, wie groß dieAufgabe ist, die in den neuen Bundesländern zu lösen ist, und man wird auchrasch erkennen, dass die Anpassungsprozesse Zeit benötigen.

Wir finden heute Produktionsstrukturen vor, bei denen Klein- bis Kleinst-betriebe dominieren. Diese sind aber nicht Ergebnis einer evolutorischenEntwicklung von Marktprozessen, vielmehr handelt es sich dabei um einenSteinbruch, der aus dem Vereinigungsschock hervorgegangen ist. Heutebesteht die Aufgabe darin, diese atomisierte Wirtschaft wieder zu einemfunktionierenden System zusammen zu führen. Dabei hat es keinen Sinn,über Strukturen zu klagen, die sowieso kurzfristig nicht zu ändern sind,sondern es müssen Wege gefunden werden, wie aus der Not eine Tugendgemacht werden kann. Netzwerke könnten hier eine Möglichkeit sein, dieVorteile der Flexibilität, die in der Regel Kleinbetriebe auszeichnen, mit denVorteilen, die sich aus der Unternehmensgröße ergeben, den sogenanntenSkalenvorteilen, zu kombinieren.

Aus den genannten Aspekten ergibt sich für die Wirtschaftspolitik einMaßnahmenpuzzle, bei dem regionalen Netzwerken eine große Bedeutungzukommt.

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2 Innovative Netzwerke aus theoretischer Sicht

Innovationssysteme können als Netzwerke von Akteuren begriffen werden,die zum gegenseitigen und gesamtwirtschaftlichen Nutzen interagieren. Inder Innovations- bzw. Regionalliteratur werden regionale Netzwerke vonUnternehmen und Organisationen, die miteinander durch eine Vielzahl vonWertschöpfungsketten bzw. Innovationsaktivitäten miteinander verbundensind, auch als sogenannte Cluster definiert (vgl. u.a. Porter 1990, Roelandt,den Hertog 1998, Porter 1998). Empirische Studien bestätigen, dass Regio-nen häufig dazu tendieren, sich auf bestimmte technologische Gebiete zuspezialisieren. Dabei bilden sich regionale Innovationssysteme in Form vonNetzwerken oder Clustern heraus (Porter 1990, Archibugi, Pianta 1994,Feldman 1994, Saxenian 1994 sowie die gesamte Industrial District-Schule,u.a. Sabel 1984, Sengenberger 1992, Nadvi, Schmitz 1994). Sie belegenauch, dass gerade im Zusammenhang mit dem Aufkommen neuerTechnologien und vor dem Hintergrund einer fortschreitenden Globalisierungder Wirtschaft der regionalen Ebene im Innovationsprozess eine hoheBedeutung zukommt (Porter 1990, Porter 1998, World Bank 2000). Erklärtwird diese Entwicklung mit den zunehmenden Anforderungen im Innovations-prozess: Wissen wird komplexer und kann in der arbeitsteiligen Wirtschaftnur noch effizient beherrscht werden, wenn Systeme entwickelt werden,die einen möglichst reibungslosen Wissenstransfer ermöglichen. Dies giltinsbesondere für kleinere Unternehmen und Institutionen, die über neueFormen der Kooperation die dafür notwendigen Voraussetzungen schaffenkönnen. Insbesondere für die Übertragung von nicht-kodifizierbarem Wis-sen sind persönliche Kontakte eine wichtige Voraussetzung. Diese werdendurch die regionale Nähe begünstigt.

Zusammenfassend kann festgestellt werden: Der Nutzen von Netzwerkenim Innovationsprozess bestimmt sich im wesentlichen durch

• die Erweiterung der Kapazitäten einzelner Akteure (Verfügbarkeit vonexternem Wissen);

• die Erschließung von Synergieeffekten durch das Zusammenwirkenkomplementärer Kompetenzen;

• die Beschleunigung der Wissensaneignung durch gemeinsame Lernpro-zesse;

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• die Verbesserung der zukünftigen Kooperationskompetenz (Vertrauens-bildung und Routinen senken Transaktionskosten und erleichtern dieZusammenarbeit).

Auch wenn sehr viel für regionale Netzwerke spricht, so gibt es doch viele,nicht zu unterschätzende Hemmnisse, die diesen entgegenstehen. In derRegel fallen zunächst vergleichsweise hohe Anlaufkosten an, bis die ange-messene Form der Zusammenarbeit gefunden ist. Erschwerend hinzu kom-men häufig unzureichendes Vertrauen in die Kooperationspartner, die ersteinmal lernen müssen, welche Informationen in das Netzwerk zum gegen-seitigen Vorteil einzuspeisen sind und welche weiter exklusiv bleiben sollen.Vermindert wird der Anreiz zusätzlich durch das sogenannte Free-Rider-Risiko, bei dem auch Nicht-Teilnehmer von dem Netzwerk profitieren.Wegen der zu erwartenden positiven externen Effekte für die Region bzw.die Volkswirtschaft und der schwierigen Anlaufphase ist insbesondere fürdie Startphase von Netzwerken eine staatliche Förderung angebracht undauch ordnungspolitisch vertretbar. Neben monetären Transfers ist die Schaf-fung adäquater institutioneller Rahmenbedingungen Ansatzpunkt für einenetzwerkfördernde Politik (Drewello, Wurzel 2002).

3 Humankapital und Netzwerke

In der Wissenschaft besteht heute weitgehend Konsens darüber, dassInnovationen die Voraussetzung für Wirtschaftswachstum und Beschäfti-gung sind. Mitte der achtziger Jahre, mit dem Aufkommen der endogenenoder Neuen Wachstumstheorien (Romer, 1994), wurde nach den das lang-fristige ökonomische Wachstum bestimmenden Faktoren gefragt und ver-sucht, den technischen Fortschritt endogen zu erklären. Im Zuge dieserEntwicklungen in der ökonomischen Theorie wurde sehr bald auch der Blickauf das Bildungssystem gelenkt. Robert E. Lucas jr. (1988, 1993) sah imBildungssystem einen zentralen Schlüssel, um höheres wirtschaftlichesWachstum zu erzielen. Er betonte, dass Volkswirtschaften, die sich aufwissensbasierte Aktivitäten konzentrieren, höhere Wachstumsraten erzie-len würden. Insbesondere könnten Volkswirtschaften wie die US-amerikanische, die japanische oder diejenigen Europas längerfristig mitRoutineproduktionen gegenüber Niedriglohnländer nicht konkurrieren. Dielogische Schlussfolgerung von Reich (1991) war die Qualifikation des Human-kapitals.

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Unternehmen und Regionen, die in ihrer Innovationskraft nachlassen, blei-ben im Wettbewerb zurück und müssen entsprechende Einbußen beiGewinn bzw. Wohlstand hinnehmen. Dabei wird die Bedeutung von Human-kapital immer wichtiger. Besser ausgebildete Erwerbspersonen ermöglicheneine höhere Wissensproduktion und tragen zu einer schnelleren Verbreitungvon Wissen bei. Humankapital wird deshalb als der strategische Faktorangesehen. Nicht umsonst wird deshalb eine sehr intensive Diskussion überdie Gestaltung der Bildungs-, Ausbildungs- und Weiterbildungssystemegeführt. Es gibt genügend Untersuchungen, die eindeutig den Zusammen-hang zwischen Qualifikation und technischem Fortschritt belegen (ZEW:Blechinger, Pfeiffer 1997). So lässt sich auch feststellen, dass derProduktivitätsfortschritt in den hoch entwickelten Industrieländern mit einerständigen Höherqualifizierung der Erwerbstätigen verbunden ist. Dabeibesteht – folgt man den Ergebnissen der Analyse von ZEW und DLR zumFachkräftemangel im IKT-Bereich (ZEW 2001) – dass der relative Fachkräfte-mangel in einer inversen Beziehung zur Unternehmensgröße steht. Jekleiner die Unternehmen sind, desto schwieriger fällt die Rekrutierung vonFachkräften.

Mit besonderer Dringlichkeit stellt sich die Frage nach dem Qualifizierungs-system in Deutschland. Die deutsche Volkswirtschaft galt hier lange Zeit alsführend, scheint heute aber im internationalen Vergleich zurückzufallen. ImZuge sich neu gestaltender wissensbasierter Produktionsprozesse ergebensich auch andere Anforderungen an das Bildungs- und Qualifizierungs-system. So wird die berufliche Qualifizierung als wichtiger regionaler Standort-faktor erkannt. Es spricht viel dafür, dass die beschriebenen Vorteile derNetzwerkkooperation auch für die Qualifizierung von regionalem Human-kapital genutzt werden können.

In diesem Zusammenhang ist das insgesamt erfolgreiche System der dualenBerufsausbildung in Deutschland anzusprechen. Es hat dazu beigetragen,dass Deutschland sich als Standort für hochwertige Industrieproduktionqualifizieren und im internationalen Wettbewerb zuletzt gut behauptenkann. Wenn wir heute von einer Weiterentwicklung von der Industrie- in dieDienstleistungs- oder Wissensgesellschaft sowie von lebenslangem Lernensprechen, dann wird damit nur deutlich, dass die Ansprüche an das Human-kapital und die Qualifizierungssysteme noch zunehmen. In dem dualenAusbildungssystem, in dem theoretische und praktische Ausbildungarbeitsteilig in der Region angeboten wird, sind bereits Elemente vonregionalen Qualifizierungsnetzwerken enthalten. Allerdings wird diesesSystem den heutigen und zukünftigen Anforderungen der Qualifizierungnicht mehr in dem Umfang gerecht, wie dies früher der Fall war.

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Der technologische Wandel hat zweifellos an Tempo gewonnen. Dadurchverändern sich rascher und nachhaltiger Produktionsprozesse sowieWettbewerbspositionen. Gefordert ist auch beim Wissen Anpassungs-fähigkeit auf hohem Niveau. Dies gilt für Unternehmen, Institutionen undMenschen gleichermaßen. Ob man es will oder nicht: wir müssen unsdarüber im Klaren sein, dass es keine Schutzmauern gegen den internatio-nalen Wettbewerb gibt, deshalb müssen wir uns dieser Herausforderungstellen und Strategien entwickeln, die es erlauben, dass wir möglichst vondessen Chancen profitieren und die sich ergebenden Risiken klein halten.Das duale Ausbildungssystem ist zwar immer noch vergleichsweise modern,doch es weist inzwischen Schwächen auf: es ist in seiner Anlage alsregionales Qualifizierungsnetzwerk zu statisch, da es zu langsam auf dieVeränderung von Anforderungen in der Berufswelt reagiert und den Aspektdes lebenslangen Lernens weitgehend ausklammert.

Einen großen Stellenwert hat das Angebot an Fachkräften auf dem regio-nalen Arbeitsmarkt – viele Unternehmen sehen darin eine zunehmendwichtiger werdende Standortbedingung. Wurde in früheren Umfragen desDIW Berlin das Arbeitskräfteangebot in Ostdeutschland von den Unterneh-men im Schnitt noch positiv eingestuft, überstiegen bei der Umfrage vomSommer 2000 erstmals die negativen Urteile die positiven Bewertungen(Wochenbericht des DIW Berlin, 3/2002).

4 Bedeutung von Qualifizierungsnetzwerken für dieNeuen Bundesländer

Die Arbeitslosigkeit kann in den neuen Bundesländern nur zurückgeführtwerden, wenn es dort gelingt, mehr Produktionen anzusiedeln, die sich iminternationalen Wettbewerb behaupten. Dabei müssen sie sich gegenüberden Niedriglohnländern im Osten und den produktiven Industrieländern imWesten behaupten. Dies wird nur mit einer Strategie gelingen, die aufInnovation, Wissen und qualifiziertes Humankapital setzt. Dies ist leichtergesagt als getan, da die Bedingungen dafür immer noch vergleichsweiseungünstig sind. Zur Erinnerung:

• Die neuen Bundesländer sind im Durchschnitt FuE-schwach, die Aufwen-dungen für Forschung und Entwicklung sind auch deutlich niedriger als inWestdeutschland.

• In der Hierarchie der technologiestärksten Regionen Deutschlands tauchtkeine ostdeutsche unter den ersten fünfzehn auf.

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• Die Arbeitslosigkeit ist zwar sehr hoch, doch wandern immer noch mehrqualifizierte, vor allem jüngere Erwerbstätige ab als zu.

• In den neuen Bundesländern ist der Anteil von Kleinst- und Kleinunter-nehmen extrem hoch.

Besonderes Augenmerk möchte ich auf den Aspekt der kleinbetrieblichenWirtschaftsstruktur legen. Sie ist Spiegelbild der spezifischen Problemstruk-tur und mithin auch Ansatzpunkt für spezifische Politikansätze. Dabei mussdie atomisierte Wirtschaftsstruktur in regionale Produktionssysteme über-führt werden. Da Großunternehmen nicht von heute auf morgen entstehen,müssen kritische Massen auf anderem Weg erreicht werden.

Die Unternehmen sind nicht nur klein, sondern in den Märkten, in denen sieagieren, mehr oder weniger Neulinge. Junge Unternehmen, auch technologie-intensive, zeichnet ein hohes Überlebensrisiko aus. In der Marktwirtschaftkönnen auch Unternehmensgröße und Unternehmensstruktur als Ergebniseiner Spezialisierung im Ausleseprozess des Wettbewerbs in einer insgesamtarbeiteiligen Wirtschaft interpretiert werden. Anders ist die Situation nochimmer in Ostdeutschland. Unternehmen und Unternehmensstruktur sindhier nicht Ergebnis eines evolutorischen Prozesses, sondern eines gravieren-den Schocks. Viele Unternehmen müssen ihre optimale Vernetzung zuAbnehmern, Zulieferern sowie auch zu Akteuren der Region erst aufbauen.Im Zuge dieses Prozesses wird sich ihre Funktion im Markt festigen und diedafür adäquate Unternehmensgröße entwickeln.

Beschäftigte und FuE-Personal in der deutschen Industrie

Beschäftigte (1999) FuE-Personal (1977)

NBL ABL NBL ABL

in Mill. Personen in Tsd. Personen

insgesamt 0,6 5,8 18,4 244,5

in %In Betrieben mit ...

bis zu 500 Beschäftigtenmehr als 500 Beschäftigten

8119

5545

65*35*

16*84*

* SchätzungNachrichtlich: Steigerung der FuE-Gesamtaufwendung 1997/1999 in Unternehmen mit mehr als 500 Be-schäftigten um 21 %, in Unternehmen mit bis zu 500 Beschäftigten um 7 %.Quelle: Stifterverband für die Deutsche Wirtschaft.

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Kleine Unternehmen haben zwar den Vorteil, dass sie sehr flexibel auf sichverändernde Marktsituationen reagieren können, sie haben aber den Nach-teil, dass zur Ausübung von bestimmten Funktionen, bei denen Skalenvor-teile wichtig sind, die notwendige Größe fehlt. So können kleine Unterneh-men zwar auch sehr wichtige Felder im Bereich von FuE besetzen, für anderefehlen ihnen die Voraussetzungen. Dies gilt vor allem für Forschungs-aktivitäten, bei denen erhebliche Investitionen erforderlich sind und derMarktzugang nur über ein entsprechendes Vertriebssystem zu erreichen ist.Das gleiche gilt für den Ausbildungs- und Qualifizierungsbereich. KMUhaben häufig nicht die Kapazität, um bestimmte Ausbildungsgänge undQualifizierungen anzubieten. Hinzu kommt ein im Vergleich zu Großunter-nehmen anderes Arbeitsumfeld, verbunden mit anderen Berufs- bzw. Karriere-perspektiven. Einer Erhebung des Fraunhofer Instituts für Systemtechnikund Innovationsforschung (ISI) zufolge zählt im Bereich der Investitionsgüter-industrie etwa die Hälfte der kleineren zu den ausbildenden Betrieben.Mittlere und große Betriebe sind demgegenüber zu mehr als 80 Prozent inder gewerblichen Ausbildung engagiert. (ISI: Mitteilungen aus der Innovations-erhebung, 24/2001)

Durch die Ansammlung von Kleinbetrieben bei gleichzeitigem Fehlen vonGroßunternehmen, die im Wirtschaftssystem zu KMU in vielfältiger Weisekomplementäre Funktionen übernehmen, besteht in den neuen Bundeslän-dern eine spezifische, systemische Schwäche. Die immer noch vergleichsweiseniedrige Exportquote und FuE-Orientierung sind u.a. Spiegelbild dieserStruktur. Da die kleinbetriebliche Struktur nicht von heute auf morgen zuändern ist, müssen Wege gefunden werden, wie daraus resultierendeWettbewerbsschwächen kompensiert werden können. So wie Großunter-nehmen inzwischen Organisationsformen gefunden haben, um auch dieVorteile von kleinen Betriebseinheiten für sich zu nutzen, so müssen Klein-unternehmen den umgekehrten Weg beschreiten und dort, wo die Skalen-vorteile eine wichtige Rolle spielen, entsprechende Voraussetzungen schaf-fen. Dazu bieten sich an:

• Externe Einrichtungen, die den KMU im Bedarfsfall Leistungen anbieten,die von Großunternehmen wegen des anderen Bedarfs inhouse angebo-ten werden, aber sich bei kleinen Unternehmen größenbedingt nichtrentierten. Ein Beispiel dafür ist die Zusammenarbeit mit Fachhoch-schulen bei der Entwicklung neuer technischer Lösungen.

• Kooperationen mit anderen Unternehmen;

• die Einbindung in (regionale) Netzwerke;

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Kooperationen und Netzwerke sind Instrumente, um sich flexibel auf unter-schiedliche Markterfordernisse anzupassen. Durch die Zusammenarbeit mitPartnern können dafür die spezifischen Voraussetzungen geschaffen wer-den. Die Bauwirtschaft praktiziert mit der sogenannten „Arge“ diese Formdes kooperativen Wettbewerbs schon seit geraumer Zeit.

Regionale Netzwerke könnten mithin eine Form sein, um über eine ziel-gerichtete Zusammenarbeit von Unternehmen und Institutionen regionaleSpezialisierungsmuster zu entwickeln, bei denen die Nachteile, die sich ausder mangelnden Unternehmensgröße ergeben, kompensiert werden unddie Vorteile der größenbedingten Flexibilität genutzt werden können.Allerdings wird dies nur möglich sein, wenn

• die Partner von den Vorteilen einer solchen Zusammenarbeit überzeugtund auch dazu bereit sind;

• wenn sie das erforderliche Vertrauen aufbauen, adäquate Steuerungs-mechanismen entwickeln und auch das Konfliktmanagement beherr-schen;

• die Zusammenarbeit nicht nur einen höheren Ertrag verspricht, sonderndie dafür notwendigen Investitionen in absehbarer Zeit beginnen, Erträgeabzuwerfen.

Ein Bereich, für den sich unter den Gegebenheiten der neuen Bundesländermit den vielen Kleinunternehmen regionale Qualifizierungsnetze geradezuanbieten, ist die Qualifizierung des Erwerbstätigenpotenzials. Über eineZusammenarbeit der regionalen Unternehmen und Institutionen könnte

• ein breiteres Ausbildungsspektrum bereitgestellt werden, vorausgesetztUnternehmen schließen sich zu Ausbildungsgemeinschaften zusammenund stimmen sich mit den regionalen Ausbildungseinrichtungen ab;

• der Bedarf an gegenwärtigen und zukünftigen Qualifizierungen transpa-renter gemacht werden und es könnten zu seiner Deckung rechtzeitigMaßnahmen eingeleitet werden;

• die Region und mit ihr die regionalen Unternehmen ihre Attraktivitäterhöhen, damit insbesondere auch qualifizierte Personen in der Regionbleiben und neue für die Region gewonnen werden.

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5 Erste Erfahrungen mit InnoRegio

InnoRegio ist eine Fördermaßnahme des Bundes, mit der im Wettbewerbregionale innovative Netzwerke angeschoben werden sollen. Dazu gehörenauch Aktivitäten zur Verbesserung des regional verfügbaren Humankapitals.Das DIW Berlin und Partner führen die Begleitforschung für dieses Programmdurch. Im Folgenden soll über erste empirische Erfahrungen der Bedeutungvon Qualifizierungsmaßnahmen innerhalb der InnoRegio – Initiativen berich-tet werden.

5.1 Die Situation

Trotz der insgesamt hohen regionalen Arbeitslosigkeit gaben mehr als 40%der von im Jahr 2000 befragten 445 Unternehmen der InnoRegio-Initiativean, dass sie vakante Stellen mit entsprechend qualifizierten Mitarbeiternnicht besetzen können. Die 445 befragten InnoRegio-Unternehmen be-schäftigten zur Zeit der Befragung 34 000 Personen und meldeten knapp1 400 offene Stellen.

In den InnoRegio-Netzwerken wurden im Durchschnitt auf 100 Beschäftigte4 offene Stellen angegeben. Diese Relationen entsprechen etwa demvierfachen derer, die von der Bundesanstalt für Arbeit im Durchschnitt fürOstdeutschland ermittelt wurden. Danach ergaben sich im Durchschnitt desJahres 2000 in Ostdeutschland bei 5,7 Mill. Beschäftigten 62 000 offeneStellen, das entspricht 1,1 offene Stellen je 100 Beschäftigte. Die bei denInnoRegio Unternehmen deutlich höhere Relation dürfte neben einer ande-ren Erfassung weitgehend darauf zurückzuführen sein, dass die von unsbefragten Unternehmen überdurchschnittlich innovationsaktiv sind, aberdie dafür notwendigen Qualifikationen in Ostdeutschland offensichtlich nurschwer zu bekommen sind. Die ein Jahr später durchgeführte zweiteBefragung ergab, dass bis zum Zeitpunkt der Befragung im Sommer 2001zwar etwa die Hälfte der benötigten Mitarbeiter eingestellt werden konnte,aber an der Gesamtsituation hatte sich wenig geändert: noch immersuchten etwa 40% der befragten Unternehmen neue Mitarbeiter undverweisen dabei auf erhebliche Schwierigkeiten, vakante Stellen mit quali-fizierten Mitarbeitern besetzen zu können.

5.2 Maßnahmen

In den Unternehmen ist die Bedeutung von qualifiziertem Personal für dieeigene Entwicklung und Wettbewerbsfähigkeit weitgehend erkannt, auchbesteht insgesamt eine große Bereitschaft, in Humankapital zu investieren.

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Auf die Frage: „Was tun Sie, um die benötigten Qualifikationen bereitzustel-len?“ antworteten mehr als zwei Drittel, die benötigte Qualifikation durchWeiterbildung im eigenen Unternehmen sichern zu wollen.

Arten der Qualifikation in den InnoRegio-Unternehmen

Wie verbessern Sie Ihre Konkurrenzsituation?

Im Rahmen eines Erfahrungsaustausches mit Teilnehmern aus den InnoRegioshatte die wissenschaftliche Begleitforschung von InnoRegio im Rahmeneiner Arbeitsgruppe, die sich mit dem Thema Aus- und Weiterbildungbefasste, folgende Schwerpunktthemen identifiziert und diskutiert:

a) Wie gewinnt man Unternehmen, sich im Rahmen der Ausbildung zuengagieren?

b) Welche Anforderungen werden an Personen gestellt, die sich imRahmen von Aus- und Weiterbildung in Netzwerken engagieren?

c) Akzeptanz von Weiterbildungsdientleistungen/-dienstleistern?

d) Wie kann es gelingen, eine durchgehende Ausbildungskette zurealisieren?

Was tun Sie, um die benötigten Qualifikationen bereitzustellen? Prozent

Einstellung von MitarbeiternWeiterbildung vorhandener Mitarbeiter mit eigenen KräftenWeiterbildung Mitarbeiter durch externe SchulungTrifft nicht auf uns zu

36,069,161,7

8,1

Quelle: DIW Berlin.

Wir verbessern unserer Konkurrenzsituation durch ... Prozent

Einführung neuer Produkte / LeistungenIntensivierung von KooperationWeiterbildung der MitarbeiterIntensivierung von Forschung und EntwicklungVerbesserung beim VertriebSenkung der KostenSteigerung des AbsatzesVerbesserung beim Einkauf

78,962,353,649,445,343,441,920,6

Quelle: DIW Berlin.

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Zu a): Engagement von Unternehmen

Finanzielle Restriktionen und „irrationale“, d.h. wenig konkretisierte Be-fürchtungen halten viele KMU davon ab, selbst als Ausbilder tätig zu werden.Ein bedarfsorientiertes Bildungsmarketing, Auftaktworkshop, persönlicheKontakte zu Unternehmen und zwischen Unternehmen herstellen, kanndazu beitragen, diese Bedenken abzubauen. Dem sollte eine gezielteRecherche der Gründe, welche die Unternehmen davon abhalten als Aus-bilder tätig zu werden, sowie die Entwicklung von Lösungswegen vorausge-hen. Dies sei schon allein wegen der regionalen industriellen Infrastrukturnotwendig. Intensität und Wege um auf die Unternehmen zuzugehen, seiendarauf abzustimmen. Aus einem InnoRegio-Netzwerk wurde berichtet, dassüber ein solches Marketing für Bildungsmaßnahmen, trotz einer sehr gerin-gen Industriedichte, 20 neue Ausbildungsplätze entstanden seien.

Zu b):Anforderungen an Personen

Als Schlüsselkompetenz für diejenigen Promotoren, die innerhalb von Netz-werken Aus- und Weiterbildungsaktivitäten forcieren, wurde vor allemsoziale Kompetenz, berufspädagogische Kompetenz, Institutionenkenntnis,Organisationskompetenz und ein gewisses inhaltliches Verständnis für dieThematik des Netzwerks herausgestellt.

Zu c): Akzeptanz

Im Hinblick auf die Frage, wie hoch die Akzeptanz von Weiterbildungs-dienstleistungen in Netzwerken sein könne und welches Engagement derUnternehmen notwendig sei, wurde festgestellt, dass erfahrungsgemäß vorallem ein wechselseitiger Austausch der Unternehmen zum Thema Aus- undWeiterbildung angeregt werden müsse. Nur auf diesem Wege können sichdie Unternehmen kennen und schätzen lernen und feststellen, inwieweitund in welcher Form bei der Ausbildung kooperiert werden könne. Auch seifür gemeinsame Seminare/Weiterbildungsveranstaltungen eine kritischeMasse der Nachfrage notwendig.

Zu d):Ausbildungseffekte

Nach den Erfahrungen eines InnoRegio-Vertreters hat sich aufgrund vonInnoRegio das Bewusstsein der Unternehmen in der Region für die Bedeu-tung von Aus- und Weiterbildung durchaus verbessert. Gerade im Aus- undWeiterbildungsbereich sei es notwendig, eine öffentliche Förderung zugewähren; daher könne InnoRegio als Türöffner fungieren und die Unter-nehmen zu Mitwirkung motivieren.

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Zur Frage, wie es gelingen kann, eine durchgehende Ausbildungskette zurealisieren, wurde berichtet:

• dass es z.B. in einer Region nicht nur eine sehr hohe Quote von Studien-abbrechern gebe, sondern auch viele Studierende, die ihre Ausbildungabschließen, im Anschluss jedoch die strukturschwache Region verlas-sen. Schon deshalb seien neue Wege der Ausbildung gefragt, welche diezukünftigen Absolventen stärker an die Region bzw. die dort ansässigenUnternehmen binden würden;

• dass es sehr wichtig sei, auch in den Lehrberufen ein Bewusstsein für dienach der Lehre mögliche Karriere zu schaffen. Betont wurde, dass auchohne Studium eine Karriere in den regionalen Unternehmen möglich seinmüsste, und dass dies den Lehrlingen in geeigneter Weise zu vermittelnsei;

• ein erhebliches Defizit sei die in KMU oftmals unzureichend praktiziertePersonalentwicklung, weshalb es zur unnötigen Abwanderung qualifi-zierter Kräfte käme.

Zusammenfassend wurde festgehalten, dass – unabhängig von Lehr- oderHochschulberufen – auch in KMU eine aktive Personalentwicklungspolitikbetrieben werden müsse, um dort Karrierewege zu öffnen bzw. die Ziel-gruppe der gut ausgebildeten Fachkräfte auf entsprechende Möglichkeitenhinzuweisen.

6 Fazit

Sowohl theoretisch als auch praktisch spricht sehr viel für ein verstärktesEngagement zum Aufbau regionaler Qualifizierungsnetzwerke. Dies giltinsbesondere in Ostdeutschland mit seiner sehr kleinbetrieblichen Wirtschafts-struktur. Hier können über die Zusammenarbeit verschiedener Akteure inNetzwerken Qualifizierungsangebote geschaffen werden, zu denen einzel-ne Unternehmen nicht in der Lage sind. Tatsächlich werden diese Möglich-keiten aber – so die Erfahrungen mit den von der wissenschaftlichenBegleitforschung „InnoRegio“ befragten Netzwerke – noch relativ weniggenutzt. Zwar gibt es einen großen Bedarf an qualifizierten Mitarbeitern,auch werden inzwischen von mehr Akteuren die Vorteile der Zusammenar-beit in regionalen Qualifizierungsnetzwerken durchaus erkannt, ohne dassein entsprechender Umsetzungswille erkennbar ist. Im Zuge der weiteren

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Begleitforschung von InnoRegio werden das DIW Berlin und Partner derFrage nach der Entstehung von regionalen Qualifizierungssystemen, ihrenMöglichkeiten und der Hemmnisse weiter nachgehen.

Literatur

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Netzwerke zwischen Unternehmenund Hochschulen und andernöffentlichen Forschungseinrichtungenbeschleunigen Reindustrialisierungin den neuen Bundesländern

Herbert Berteit

In den neuen Bundesländern ist inzwischen eine breitgefächerte öffentlicheForschungslandschaft entstanden, und zwar sowohl im Hochschulbereichals auch außerhalb der Hochschulen. Zu den außeruniversitären öffentlichenForschungseinrichtungen zählen solche wie Institute der Fraunhofer- undMax-Planck-Gesellschaft, Helmholtz-Zentren, Akademien, Institute derLeibnitz-Wissenschaftsgemeinschaft, Fachinformationszentren und ande-re. Nicht dazu gehören Technologie- und Gründerzentren und Technolo-gietransferstellen. Mittlerweile sind diese Einrichtungen personell fastgenauso stark in den neuen Bundesländern vertreten wie in den alten. Aufje 100 000 Einwohner sind in Forschung und Entwicklung in den Hochschulenin den neuen Bundesländern 110 Personen und in den alten Bundesländern115 vollzeitig tätig. Die Relation bei den außeruniversitären öffentlichenForschungseinrichtungen ist mit 86 zu 74 in den neuen Bundesländernbereits günstiger.

Diese Potentiale bieten eine große Chance, durch beschleunigten Wissens-und Technologietransfer in Unternehmen schneller neues Wissen in neuar-tige oder verbesserte Produkte und Verfahren umzusetzen. Das wird in denneuen Bundesländern um so wichtiger, weil erstens vor allem nur über neueProdukte und Verfahren die Unternehmen neue Märkte erschließen könnenund weil zweitens die wirtschaftsintegrierten Forschungspotenziale trotzerheblicher staatlicher Unterstützung seit 1995 auf einem relativ niedrigenNiveau verharren.

Erfreulicherweise nehmen in letzter Zeit Beispiele zu, dass Unternehmen,Forschungseinrichtungen und die verschiedensten regionalen Akteure ent-sprechend ihrer spezifischen Zielstellung versuchen, durch VernetzungWissens- und Technologietransfers aus Hochschulen und außeruniversitären

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Forschungseinrichtungen zu beschleunigen und gleichzeitig durch Bündelungvon Ressourcen in Kooperationen Innovationen auf ihren Gebieten schnellerhervorzubringen.

Noch reicht diese Entwicklung in den neuen Bundesländern nicht aus, um mitder sich auf diesem Gebiet in den alten Bundesländern und internationalrasant vollziehenden Entwicklung mitzuhalten. Denn die internationaleEntwicklung auf diesem Gebiet zeigt, dass Innovationen immer wenigerErgebnis einzelner Aktivitäten sind, sondern sie entstehen zunehmend inmehrdimensionalen Kooperationen unterschiedlichster Akteure. Dabei nimmtim Zuge der Globalisierung der Märkte die internationale Dimension zu. Dastrifft auch auf die Verwertung von Forschungsergebnissen zu. Damit steigenauch die Anforderungen an vernetzte Kommunikations- und Infrastruktu-ren. Vor allem kleine und mittlere Unternehmen sehen sich immer mehr undimmer schneller mit komplexen unternehmerischen Fragestellungen wieGlobalisierung, Systemanbieter, komplexen Kundenwünschen und ande-rem mehr konfrontiert, die nur mit anderen Unternehmen und Forschungs-einrichtungen gelöst werden können. Deshalb sind Netzwerke gefragt, diedie Kräfte innovativer kleiner und mittlerer Unternehmen mit denen vonForschungseinrichtungen für die Erschließung vorhandener Innovations-potenzen entsprechend den Markterfordernissen bündeln.

In den letzten Jahren sind eine Vielzahl von Veröffentlichungen zum ThemaVernetzung und Netzwerke erschienen. Netzwerke sind gegenwärtig ne-ben Globalisierung das am meisten gebrauchte Schlagwort. Oft werden sieals das Instrument bezeichnet, „mit dessen Hilfe reale Probleme angegan-gen, Diskussionsprozesse organisierbar und Umsetzungsprozesse gefördertwerden können“1. Bei der Begriffsbestimmung zeigt sich ein sehr unter-schiedliches - meist jedoch unbekümmertes - Herangehen.

Bei den Diskussionen über ökonomisch orientierte Netzwerke sind zweiAnsätze zu erkennen: Einmal die Beschreibung der Netze aus der Sicht derTransaktionskostenanalyse bzw. –theorie und zum anderen aus der Sichtqualitativer Beziehungen2.

1 Hellmer, F. et al.: Mythos Netzwerke – regionale Innovationsprozesse zwischen Kontinuität undWandel, Berlin, Ed. Sigma, 1999.

2 Weinert, R.: Modernisierung, Differenzierung und Neuer Ökonomischer Institutionalismus. In:Göhler, G. (Hrsg.): Institutionenwandel, Opladen 1996, S. 70 –93.

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Für die folgenden Netzwerkbetrachtungen erscheint eine Verbindung die-ser beiden Ansätze als sinnvoll. Einerseits die Transaktionskostentheorie, diedie ökonomische Relevanz von Kooperationen erklärt und zum anderen diequalitative Betrachtung, die die Wissens- und Innovationskooperation auf-zeigt. Damit sollen in die Betrachtungen sowohl die ökonomischen Aus-tauschbeziehungen als auch die sozialen Beziehungen der Akteure einbezo-gen werden. Die Akteure können Individuen und/oder Gemeinschaften sein.Die sich zwischen den jeweiligen Akteuren ergebenden Beziehungen kön-nen nach Inhalt (z. B. Produkt- bzw. Prozessinnovationen), Form (z.B. Anzahlder Akteure, Dauer der Beziehungen) und Art (z. B. Zustandekommen derBeziehungen) unterschieden werden3.

Ausgehend davon werden Innovationsnetzwerke in den neuen Bundeslän-dern wie folgt beschrieben:„Innovationsnetz besteht aus einem System von Akteuren und Beziehun-gen, in dem unterschiedliche, im allgemeinen juristisch selbständige Akteuredurch Bündelung (zumeist) komplementärer Ressourcen und arbeitsteiligaufeinander bezogener Aktivitäten für das Ziel miteinander verbunden sind,Innovationen hervorzubringen und zu vermarkten“.4

In innovativen Netzen nimmt die Vernetzung der Forschung sowohl von derGrundlagenforschung zur angewandten Forschung als auch zwischen deneinzelnen Forschungsprozessen über die Produktion hinweg bis zur Ver-marktung zu.

Dadurch kann

• die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen durch Netzsynergien undGrößenvorteile verbessert,

• der Strukturwandel in Regionen durch Schaffung qualifizierter, miteinanderabhängiger Arbeitsplätze und durch eine Erhöhung des Wissensaus-tausches („Sanieren durch Innovieren“) gefördert,

• die Wettbewerbsfähigkeit regionaler Anwenderindustrien durch Zunah-me von Lieferantenbeziehungen und Nutzung der vorhandenen wissen-schaftlich-technischen Ressourcen verbessert werden.

3 Sydow, J.: Strategische Netzwerke. Evolution und Organisation, Wiebaden 19934 Berteit, H. et al.: Rahmenbedingungen für Innovationsnetze in den neuen Ländern und Berlin-

Ost, In : Materialien zur Wissenschaftsstatistik Heft 10, 1998. Hrsg.: Stifterverband für dieDeutsche Wissenschaft.

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Oft ist die Ausschöpfung dieser Möglichkeiten auf Grund fehlender Mitteleinzelner Akteure nicht möglich. Die Organisation der Netzwerkbildung und–gestaltung sind nicht selten für alle Akteure mit zusätzlichen finanziellenAufwendungen verbunden. Für Ostdeutschland wird es deshalb als erfor-derlich betrachtet, Koordinierungs-, Management- und Infrastruktur-leistungen zur Entwicklung und Umsetzung von Konzeptionen für innovativeNetzwerke vor allem durch den Bund zu fördern. Dies insbesondere deswe-gen, weil effiziente Entwicklungen von innovativen Netzen nicht an Länder-grenzen scheitern dürfen.

Die internationalen Erfahrungen zeigen, dass bei der Herausbildung innova-tiver Netzwerke der Staat oft eine wichtige begleitende Funktion einnimmt.Dies ist vor allem dort geschehen, wo regionale Wirtschaften schnelleresWachstum organisieren. Wie die empirische Netzwerkforschung zeigt, ist insich entwickelnden regionalen Wirtschaften das Entstehen von innovativenNetzen in Regie der einzelnen Akteure nur sehr zögerlich abgelaufen. In denmeisten Fällen hat der Staat dazu mehr oder weniger sowie in unterschied-lichen Formen und auch in den unterschiedlichsten Phasen Unterstützungengewährt.

In wirtschaftlich hoch entwickelten Ländern wie in den USA, Kanada,Österreich, Schweden und Australien haben staatliche Initiativen zurNetzwerkbildung zwischen Unternehmen und universitären und außer-universitären Einrichtungen zu bedeutendem wirtschaftlichen Wachstumund zunehmender Beschäftigung beigetragen5.

Für die meisten ostdeutschen Unternehmen bleibt auch noch für einenlängeren Zeitraum die Aneignung von technologischem Wissen und dasSchließen der technologischen Lücke ein entscheidender Wettbewerbs-faktor, um Nachfrage- und Marktzutrittsprobleme zu erleichtern. Darüberhinaus sind ostdeutsche Unternehmen wegen ihrer lokalen Orientierungnoch unzureichend in überregionale Netze eingebunden, so dass mögliche„spill-over-Effekte“ sie noch nicht genügend erreichen.

Da in Ostdeutschland Großunternehmen fehlen, die im Allgemeinen Aus-gangspunkt für die Entwicklung von Innovationsnetzen sind, zeigen sich inder gegenwärtigen Phase besondere Entwicklungsmuster bei der Entste-hung von Netzen. Auf der einen Seite sind es Forschungseinrichtungen und

5 OECD: „Wissenschafts-, Technologie- und Industrieausblick 1996“, Paris 1995, S. 113 ff

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auf der anderen Seite viele kleine und mittlere Unternehmen, die alsInitiatoren der Vernetzung fungieren. Gefördert und unterstützt werden dieBestrebungen dieser Akteure bei der Bildung von Netzen durch regionaleund überregionale politische Akteure.

Unterschiedliche Untersuchungen6 in Ostdeutschland und auch in den altenBundesländern zeigen dabei verschiedene Entwicklungsmuster der Entste-hung von innovativen Netzen. Bei allen bisher bekannten Mustern kannübereinstimmend festgestellt werden, dass Förderaktivitäten des Bundesund der Länder meistens den Anstoß für die Bildung solcher Netze geben.Initiativen zur Netzwerkbildung von Unternehmen sind noch sehr selten.

Die entstandenen Netze knüpfen gewöhnlich an die räumliche Nähe vielerkleiner innovativer und externer Forschungseinrichtungen an. Ihr vorrangi-ges Ziel ist es, durch Bündelung der Kernkompetenzen neue Produkte undVerfahren zu entwickeln, neue Märkte zu erschließen, die Akquisition vonAufträgen und deren Realisierung gemeinsam durch die Netzwerkpartnerdurch Leistungsplanung und gemeinsame Nutzung der Ressourcen effizientdurchzuführen.

Für die erfolgreiche Netzwerkbildung müssen nicht immer Großunterneh-men der Ausgangspunkt sein. Von der Bündelung der Potentiale kleinerinnovativer Unternehmen und externer Forschungseinrichtungen könnengleiche Wirkungen ausgehen.

Nachfolgend sollen an drei ausgewählten Beispielen die Ergebnisse derHerausbildung von Innovationsnetzen dargestellt werden. Um die Vielfaltder sich gegenwärtig herausbildenden Innovationsnetzwerke, Kompetenz-zentren und ähnlicher Kooperationen zu zeigen, wurden drei unterschied-liche Fallbeispiele untersucht. Alle drei Beispiele sind erfolgreiche Wege derReindustriealisierung Ostdeutschlands unter Nutzung der vorhandenen Po-tenziale in Hochschulen und außeruniversitären öffentlichen Forschungsein-richtungen.

Das erste Fallbeispiel ist durch die Initiative mehrerer kleiner und sehr kleinerinnovativer Unternehmen entstanden, die sich im Transformationsprozessaus einem großen Kombinatsbetrieb ausgegründet haben. Diese kleinen

6 DIW/SÖSTRA: Wirksamkeit der Programme zur Förderung von Forschung, Technologie undInnovation auf die Entwicklung der ostdeutschen Wirtschaft, Berlin, April 2001

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Unternehmen befinden sich an einem Standort im Norden Brandenburgs.Keines der Unternehmen und FuE-Dienstleister hat mehr als zwanzig Be-schäftigte.

Alle diese Unternehmen wurden und werden vom Bundesministerium fürWirtschaft und Technologie und dem Land Brandenburg über Projektegefördert. Eine Unterstützung des Kooperationszentrums setzte erst ein, alssich die ersten Erfolge einstellten. Es ist nicht auszuschließen, dass aus demnun entstandenen Kompetenzzentrum ein größeres Unternehmen durchFusion der beteiligten Akteure entstehen wird.

Das zweite Fallbeispiel zeigt, wie sich an einem Standort, wo zu DDR-Zeitenstaatlich organisiert und gelenkt Forschung und Produktion auf dem Gebietder Mikroelektronik entstanden waren, nach der Wende verbliebene Poten-ziale neu strukturiert haben und nun erfolgreich am Markt tätig sind. Sowohldie neu entstandenen innovativen Unternehmen als auch die Forschungs-potenziale wurden vom Bund und vom Land gefördert.

Leistungen dieser geförderten Forschungseinrichtungen und innovativenUnternehmen haben dazu geführt, dass sich internationale Spitzenfirmenund Investoren anbieten, eine Großinvestition an diesem Standort zu täti-gen.

Das dritte Fallbeispiel ist ein Pilotprojekt, dass mit Unterstützung des Bundesentwickelt wird. Es knüpft an die räumliche Nähe vieler sich mittlerweile aneinem ehemaligen Standort der Akademie der Wissenschaften der DDR inBerlin-Adlershof angesiedelten kleinen innovativen Unternehmen und ex-ternen Forschungseinrichtungen an. Der Bund hat dieses Projekt angesto-ßen mit dem Ziel, die Akquisition von Aufträgen und deren Realisierungdurch Bündelung der Kompetenzen und Ressourcen der Unternehmen undForschungseinrichtungen zu unterstützen, um schneller mit neuen Produk-ten und Verfahren auf einem zukunftsorientierten technologisch anspruchs-vollen Erzeugnisgebiet auf den Markt zu kommen.

1. Fallbeispiel: Kompetenzzentrum Optik Rathenow

Im Kompetenzzentrum Optik Rathenow arbeiten gegenwärtig 23 Unter-nehmen, Forschungseinrichtungen und FuE-Dienstleister an der Entwick-lung neuer Produkte und Verfahren sowie an der Erschließung neuerMärkte.

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Der Kooperationsverbund hat vor etwa zweieinhalb Jahren seine Tätigkeitmit sechs Unternehmen begonnen. Alle sechs Unternehmen sind Aus-gründungen aus dem ehemaligen Optikbetrieb in Rathenow, der demKombinat Carl-Zeiss Jena angehörte. Die Initiative zur Vernetzung ging vondiesen Unternehmen aus.

Nach erfolgreichem Start des Kompetenzzentrums schlossen sich diesemNetzwerk regionale Akteure an. Heute agiert das Kompetenzzentrum alsPilotprojekt des Ministeriums für Wirtschaft des Landes Brandenburg und istmit einer Anschubförderung dieses Ministeriums ausgestattet.

Mit deutlich sichtbar zunehmenden Nutzen für die einzelnen Unternehmenist das Kompetenzzentrum auf seine heutige Größe angewachsen.

Die Arbeit des Kompetenzzentrum „Optik Rathenow“ wird über drei Kom-plexe (Arbeitsgruppen) organisiert. Koordiniert wird die Arbeit über diesedrei Arbeitsgruppen von einem Regionalbeauftragten, der aber gleichzeitigauch Geschäftsführer eines beteiligten Unternehmens - der Design GmbH- ist, die wiederum im Innovationsverbund allen drei Arbeitsgruppen ange-hört.

Zum ersten Komplex gehören Unternehmen, Forschungseinrichtungen,Technologietransfereinrichtungen entlang der Wertschöpfungskette. Un-ternehmen und Einrichtungen, die in diesem Komplex mitwirken, sindbeispielsweise: Rathenower Optik GmbH, SOLIRA Sonderlinsen GmbHRathenow, Rathenower Mechanik und Werkzeugfertigung GmbH,Oberflächentechnik Rathenow GmbH, Mikroskoptechnik Rathenow GmbH,Optik Brillen GmbH, Brillengläser GmbH & Co. KG, Brillenmoden GmbH,Fachhochschule Brandenburg, Technologie- und Gründerzentrum Havelland,T.I.N.A des Landes Brandenburg. Geleitet wird diese Arbeitsgruppe von demGeschäftsführer des größten Unternehmens, das Finalprodukte herstellt,der Firma OPTOTEC GmbH, Rathenow. Wesentliche Impulse für die Entste-hung dieses Kompetenzzentrums gingen von der OPTOTEC GmbH aus.

Im zweiten Komplex sind alle Akteure für Vertrieb und Marketing zusam-mengefasst. Hier arbeiten Vertreter der Unternehmen mit eigenen Ver-triebs- und Marketingabteilungen mit Vertretern der StadtverwaltungRathenow, des Landkreises Havelland, des Ministeriums für Wirtschaft desLandes Brandenburg und Vertretern solcher Einrichtungen wie dem Vereinzur Förderung, Pflege und Erhaltung der optischen Tradition, der Industrie-und Handelskammer Potsdam und der Augenoptikerinnung des Landes

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Brandenburg zusammen. Geleitet wir diese Arbeitsgruppe vom Bürgermeis-ter der Stadt Rathenow. Die Arbeit ist so angelegt, dass „Ausstrahlung“durch Standortmarketing erzeugt werden soll.

Den dritten Komplex bilden die regionalen und politischen Akteure, die dieRahmenbedingungen des Netzwerkes gestalten. Dieser Komplex wird vomzuständigen Landrat geleitet. Der Arbeitgruppe gehören u.a. weiterhin an:IG Metall, die Stadtverwaltung Rathenow, der Landkreis Havelland, die IHKPotsdam, das Ministerium für Wirtschaft des Landes Brandenburg undVertreter der beteiligten Unternehmen und Forschungseinrichtungen.

Die Arbeit des Kompetenzzentrums verfolgt folgende Zielstellungen: Ent-wicklung neuer Produkte und Verfahren, Erschließung neuer Märkte undGewinnung neuer Kunden, Vereinfachung und kostengünstigere Gestal-tung des Managements, Verbesserung der Personalentwicklung und Qua-lifikation und Erschließung von Synergieeffekten.

Heute befindet sich das Kompetenzzentrum mit seinen Unternehmen undForschungseinrichtungen in einem sich „selbstverstärkenden Kreislauf“ mitder Bearbeitung von insgesamt 41 unterschiedlichen Projekten im Verbundvon jeweils 3 bis 6 Unternehmen und Forschungseinrichtungen.

Seit der Arbeit im Verbund konnten die beteiligten Unternehmen undEinrichtungen ihren Umsatz um über drei Millionen DM steigern und außer-gewöhnliche Innovationen, so als Weltneuheit eine CNC-gesteuerte Ma-schine zur Bearbeitung von Brillengläsern aus Kunststoff oder ein Lötgerätohne Umweltbelastung zur Reparatur von Brillenfassungen, auf dem Marktabsetzen.

Darüber hinaus konnten nach Jahren der Ruhe und des Schrumpfens in derBranche Optik in den neuen Bundesländern zwei Neuansiedlungen zurStärkung der gesamten Wertschöpfungskette Optik in der Region realisiertwerden:

• Im innovativen Bereich der Laseroptik die Firma CONOSENS

• Die Firma VOG Vertrieb Optischer Geräte GmbH mit einem leistungsfä-higen Entwicklungsbereich.

Einen wichtigen Schwerpunkt bildet die Vermarktung der Leistungen derUnternehmen, die im Rahmen des Kompetenzzentrums erreicht wurden.Zur Zeit wird sehr intensiv versucht, mit Unterstützung der Landesregierung

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Brandenburgs über 12 teilweise geförderte Projekte die Optikindustrie amStandort Rathenow national und international wieder zu einem anerkann-ten Begriff in der Branche werden zu lassen. Dies wurde bisher u. a. durchfolgende Aktivitäten unterstützt:

• gemeinsames Auftreten der Akteure des Kompetenzzentrums auf nati-onalen und internationalen Optikmessen,

• Berichte und Werbeanzeigen über das Kompetenzzentrum in Fachzeit-schriften, u.a. auch mit einem kundenorientierten Informationsdienst undInternetpräsentationen,

• Vorbereitung des Jubiläums 200-Jahre Optik in Rathenow im März 2001und Mitgestaltung der Brandenburgischen Wirtschaftswoche im Sep-tember 2001.

Folgende Tabelle gibt eine Übersicht über den Stand und die Ziele derAktivitäten des Kompetenzzentrums Optik Rathenow mit seinen gegenwär-tig mitwirkenden 23 Unternehmen und Forschungseinrichtungen.

Tabelle: Stand der Bearbeitung der Projekte im Rahmen desKompetenzzentrums Optik Rathenow

Projektziele

Bearbeitungs- Projekte neue Produkte Markter- Personal- ManagementStand der u. Verfahren schließung fragen u. SonstigeProjekte

Vorbereitungs-Phase 14 5 3 2 4

Umsetzungs-Phase 26 2 18 3 3

Abgeschlossene 10 1 7 2

Zurückgest. 3 2 1

Gesamt 53 10 28 5 20

Quelle: Stadtverwaltung Rathenow

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2. Fallbeispiel: Kompetenzzentrum Mikroelektronik Frankfurt (Oder)

Die Konzentration von Unternehmen, Industrieforschungseinrichtungen,öffentlich geförderten Forschungseinrichtungen und produktionsnahen FuE-Dienstleistern der Mikroelektronik in und um Frankfurt (Oder) war bis 1990staatlich gelenkt. Fast 10.000 Menschen waren am Standort Frankfurt(Oder) in dieser Branche beschäftigt. Viele der Unternehmen überlebten denÜbergang zur Marktwirtschaft nicht. Die Beschäftigung ging in dieserBranche in Frankfurt (Oder) auf unter 10 Prozent zurück. Im wesentlichenblieben nur wissenschaftliche Kompetenzen in kleinen Unternehmen erhal-ten. Mehrere davon anfänglich nur durch die Förderung vom BMWi. Ab 1992wurde diese Förderung auch durch das Land Brandenburg unterstützt.

Auf Initiative der Landesregierung Brandenburg ist gemeinsam mit derGewerkschaft im Mai 1999 eine Initiative zur Bildung eines Kompetenz-zentrums Mikroelektronik Frankfurt (Oder) ausgelöst worden mit dem Ziel,die noch vorhandenen Kompetenzen zu nutzen und neu zu profilieren, umvorhandene Forschungseinrichtungen und Unternehmen „in der Brancheinternational wettbewerbsfähig zu machen“. Der Initiative liegt ein Aktions-programm zu Grunde, in dem 35 Unternehmen, Forschungseinrichtungenaus Industrie und Wissenschaft sowie Dienstleister auf dem Gebiet derMikroelektronik in der Region Frankfurt (Oder) zusammengeführt werden.Die Zusammenführung von Unternehmen und Forschungseinrichtungen derMikroelektronik in Frankfurt (Oder) trägt alle Merkmale eines Branchen-Netzwerkes (Produktion mit Forschung und Entwicklung, Dienstleistung,Wissenschaft).

Heute bearbeiten diese Unternehmen und Forschungseinrichtungen imKompetenzzentrum gemeinsam 25 Projekte auf folgenden Gebieten:

• Chipherstellung

• Werkstoffveredlung und –herstellung

• Bilderkennungssysteme in der Recyclingwirtschaft mit INFINEON

• Personalentwicklung und –qualifizierung zur Sicherung des Nachwuch-ses (z.B. Erstausbildung Mikrotechnologe, Weiterbildung von Chip-Desi-gner, Mikromechaniker-Ausbildung für regionale KMU)

• Unternehmensansiedlung und Existenzgründungen.

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Kern dieses Verbundes bildet das Institut für Halbleiterphysik (IHP) Frankfurt(Oder) mit seinen rund 240 Mitarbeitern. In den ersten Jahren nach derWende wurde dieses Institut auch vom BMWi gefördert. Heute gehört es zurLeibniz-Gesellschaft und wird zu je 50 Prozent von Bund und Land gefördert.

Das Institut für Halbleiterphysik hat in den letzten Jahren bedeutendewissenschaftliche Leistungen aufzuweisen, z.B. zur Dotierung von Kohlen-stoffatomen in Silizium-Germanium-Chips sowie zum Einsatz von Praseo-dym in leistungsfähigen Transistoren.

Dabei werden Aufgaben von der Grundlagenforschung und angewandtenForschung über die technologische Entwicklung bis zur Prototyplösung fürdie Industrie bearbeitet.

Dazu hat das Institut für Halbleiterphysik Verbindungen zur UniversitätFrankfurt (Oder) und zu der Brandenburgischen Technischen Universität(BTU) in Cottbus sowie weltweite Kooperationen aufgebaut, so u.a. mitMotorola und Intel.

Die Tätigkeit im Kompetenzzentrum wird durch eine Lenkungsgruppebestehend aus fünf Personen (Geschäftsführer beteiligter Unternehmenund Forschungseinrichtungen, je einem Vertreter der IHK und der regionalenVerwaltung) organisiert.

Der Zusammenschluss der Unternehmen und Forschungseinrichtungen zumKompetenzzentrum Mikroelektronik hat zu einer Bündelung der vorhande-nen Potenziale geführt, die internationale Beachtung erzielt. Insbesonderedas im Institut für Halbleiterphysik entwickelte Know-how für neue zu-kunftsträchtige Chiptechnologien auf der Basis der Silizium-Germanium-Kohlenstofftechnologie steht dabei im Mittelpunkt. Damit werden Chipshergestellt, die mehr und schneller Informationen per Internet übertragen alsherkömmliche Netz-Elemente.

Dies ist der entscheidende Grund dafür, dass Anfang Februar 2001 dieVertragsunterzeichnung für den Bau einer neuen Chipfabrik mit einemInvestitionsvolumen von rund 3,2 Mrd. DM unter Beteiligung des weltweitgrößten Chipherstellers Intel und des Emirats Dubai erreicht werden konnte.Der gegenwärtige Planungsstand sieht vor, dass die Produktion von spezi-ellen Chips für die mobile Daten- und Sprachübertragung in der neuen Fabrikschon im ersten Quartal 2003 aufgenommen wird. In dieser Fabrik werden1.500 neue Arbeitsplätze geschaffen. Weitere 2.000 Arbeitsplätze sollen in

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den direkten Zulieferbetrieben und Dienstleistungseinrichtungen entste-hen. Diese Investition stellt eine neue Qualität in den auslösenden Faktorenzur Industrieansiedlung dar. Die Investoren kommen nicht wegen hoherFörderungen nach Frankfurt (Oder), sondern wegen der Verknüpfungvorhandenen Wissens am Standort.

Ein erster Großauftrag für die Chipfabrik und das Institut für Halbleiterphysikliegt bereits vor. Dabei geht es um die Ausrüstung der Messehallen inHannover mit einem neuartigen „Local Navigator“ auf der Basis der Bluetooth-Technologie.

Zur Sicherung eines reibungslosen Anlaufs der Chipfabrik liegt ein Schwer-punkt der Arbeit des Kompetenzzentrums darin, den benötigten fachlichenNachwuchs für den Personalbedarf der neuen Chipfabrik und des jetzigenKompetenzzentrums zu sichern. So sind bereits auf folgenden GebietenAusbildungsprogramme in einem extra aufgebauten Qualifikationszentrumangelaufen:

• Elektronik-Bereich

• Mikrotechnologen

• Chip-Designer

• Qualitätsmanagement.

Zielgerichtet werden gegenwärtig auch an den entsprechenden Fach-richtungen der Universitäten und Fachhochschulen zusätzliche Studienplät-ze angeboten und die Wissenschaftskooperation zwischen diesen Einrich-tungen und dem Kompetenzzentrum Mikroelektronik ausgebaut. Beispiels-weise wurde ein Studiengang Halbleiterphysik an der BTU Cottbus einge-richtet, der von der BTU und dem Institut für Halbleiterphysik betrieben wird.Zudem haben beide Partner in das gemeinsame Labor, das den Namen „IHP-BTU-Joint-Lab“ trägt, in Cottbus investiert.

Kontakte zum Aus- und Aufbau einer wissenschaftlichen Zusammenarbeitsind auch bereits mit Forschungseinrichtungen in Berlin (TU Berlin, WISTAAdlershof) und in Dresden und Freiberg (TU Dresden, ZMD Dresden, AMDDresden, Bergakademie Freiberg, Forschungseinrichtungen für WerkstoffeFreiberg) aufgenommen worden.

Auch wurde bereits mit rund 200 hochspezialisierten Fachkräften, dieehemals in Frankfurt (Oder) arbeiteten und heute in anderen Regionen auf

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gleichen Fachgebieten tätig sind, Verbindung mit dem Ziel aufgenommen,sie für eine Tätigkeit an ihrem alten Standort wiederzugewinnen.

Noch sind nicht alle Fragen geklärt. Die ins Land gekommenen Investorenbenötigen ein Umfeld, damit sie sich nicht zurückziehen. Dazu gehören klareAussagen der Interessenten – der EU, des Bundes und des Landes. Empfeh-lenswert ist für andere solcher Vorhaben, dass eine Abstimmung zwischendiesen Entscheidungsträgern für ein gutes Investitionsklima vor Bekanntga-be einer solchen Investition erfolgt.

3. Fallbeispiel: Innovationsnetzwerk „Intelligente Meßsysteme“Adlershof

Das Innovationsnetzwerk „Intelligente Meßsysteme“ am Wissenschafts-und Wirtschaftsstandort Berlin-Adlershof (WISTA) ist ein Pilotprojekt desBundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi), das seit 1998gefördert wird. Dieses Netzwerk entsteht an einem Standort, der zu DDR-Zeiten durch die Akademie der Wissenschaften geprägt wurde. Nach derAbwicklung der Akademie der Wissenschaften versuchten an diesem Standortviele Neugründungen als selbständige Forschungseinrichtungen oder produ-zierende innovative Unternehmen neu am Markt Fuß zu fassen.

Mit zunehmendem Erfolg der Forschungseinrichtungen und der Unterneh-men interessierte sich die Politik von Bund und Land für den Wiederaufbaudes Wissenschaftsstandortes Adlershof.

Im Mittelpunkt der Initiative des BMWi steht eine stärkere Vernetzung vonForschung, Produktion, Marketing und Management in Unternehmen undnationalen und internationalen Forschungseinrichtungen. Damit sollen dieentstandenen Potenziale unterstützt und Synergieeffekte organisiert wer-den. Anfänglich gab es dazu bei den einzelnen Forschungseinrichtungen undinnovativen Unternehmen große Vorbehalte gegenüber einem solchenZusammenschluss. Ausschlaggebend dafür war das Drängen der Politik, dieVorbehalte zielten auf den Erhalt der gewonnenen Selbständigkeit.

An die räumliche Nähe von etwa 270 innovativen kleinen Unternehmen,vielen universitären, außeruniversitären und anderen Forschungsein-richtungen am Standort in Adlershof knüpft das Netzwerk an.

Gegenstand des Netzwerkes sind Technologien der Messtechnik mit denSchwerpunkten Röntgenmesstechnik und Bildverarbeitung.

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Ziel dabei ist es, in Kooperation die Akquisition von Aufträgen und derenRealisierung durch

• Bündelung der Kernkompetenzen der Netzwerkpartner

• gemeinsame Leistungsplanung

• Nutzung der Ressourcen im Netzwerkverbund

zu erreichen und damit die einzelbetrieblichen Engpässe zu überwinden7.Damit sollen die Marktchancen für gemeinsame Innovationsvorhaben we-sentlich erhöht werden. Dies geschieht vor allem durch ständige Erweite-rung der Kompetenzen des Netzwerkes, insbesondere durch die auftrags-bezogene Gewinnung neuer Kooperationspartner und durch die Organisa-tion von Wissens- und Technologietransfer bei fehlendem Know-how.

Gründer des Netzwerkes sind acht innovative Unternehmen und externeForschungseinrichtungen sowie drei in Gesellschaften zusammengefassteUnternehmen und Forschungseinrichtungen, die heute noch den Kern desNetzwerkes bilden. Dazu gehören u. a.:

GfaI Gesellschaft zur Förderung angewandter Informatik

GOS Gesellschaft zur Förderung angewandter Optik, Optoelektronik,

Quantenelektronik und Spektroskopie e. V.

Heliocentris Materialentwicklung und Energiesysteme GmbH

IFG Institut für Gerätebau GmbH

IIEF Institut für Informatik in Entwurf und Fertigung GmbH

LTB Lasertechnik Berlin GmbH.

Im Prozess der Arbeit sind in das Netzwerk weitere 16 technologieorientierteinnovative kleine Unternehmen und sechs externe Industrieforschungsein-richtungen aus dem WISTA sowie mehrere weitere innovative kleineUnternehmen aus Oberschöneweide und aus dem Innovationspark Wuhlheideeinbezogen worden. Technologieorientiert und auftragsbezogen wird vondiesem Netzwerk auch mit Unternehmen und Forschungseinrichtungen inChemnitz und Mittweida kooperiert. Damit werden die technologische undtechnische Lücke des Netzwerkes geschlossen und die marktorientierte

7 DIW: Zukunftssicherung durch Innovation, Studie für die IHK Berlin, Regioverlag 1997, S. 13.

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Ausrichtung des Netzwerkes verstärkt. Diese Herangehensweise führt zurErschließung von Synergieeffekten bei den einzelnen Partnern. Beispielsweiseauch dadurch, dass heute bei den einbezogenen Akteuren neue eigenstän-dige Netzwerke entstehen wie auf dem Gebiet der angewandten Photonik.

Im Rahmen dieses beschriebenen Netzwerkes wirken gegenwärtig rund4.000 Personen, darunter etwa 500 Wissenschaftler in den beteiligteninnovativen Unternehmen und externen Forschungseinrichtungen. Nichtimmer sind jedoch alle diese Mitarbeiter an den gemeinsamen Netzwerk-projekten beteiligt. Neben den Netzwerkprojekten werden von den einzel-nen Netzwerkakteuren auch einzelbetriebliche Projekte bearbeitet. Sowohldie Netzwerkprojekte als auch die einzelbetrieblichen Projekte werden vonAnfang an vom Bund und von den Ländern Berlin, Brandenburg und Sachsengefördert.

Durch die Kooperation im Netzwerk werden viele Erfahrungen bei derBearbeitung der einzelbetrieblichen Projekte mit genutzt. Die dadurch beiden einzelnen Netzwerkakteuren erreichten Synergieeffekte, die vor allembei der Einsparung von Kosten und Zeitgewinn liegen, sind jedoch nichtimmer zu quantifizieren. Von einigen Gesprächpartnern wurden für einigeeinzelbetriebliche Projekte Einsparungspotenziale von einem Fünftel biseinem Drittel an Kosten und Zeit eingeschätzt. Von den Gesprächpartnernwird auch darauf verwiesen, dass genauso positive Wirkungen von denErfahrungen bei der Arbeit an einzelbetrieblichen Projekten auf die Bearbei-tung und den Erfolg der Netzwerkprojekte ausgehen.

In der Größe und Breite des Netzwerkes liegt auch ein Problem. DieNetzwerkakteure müssen immer wieder auf die Netzwerkprojekte derMesstechnik focussiert werden. Um dieses zu sichern und ein „Auseinander-laufen“ zu verhindern, wurde ein Netzwerkmanagement eingesetzt.

Das Netzwerkmanagement wird durch die Technologiestiftung Innovations-agentur Berlin GmbH wahrgenommen, deren Geschäftsstelle auch auf demStandort der WISTA liegt. Dadurch ist eine sehr enge und kooperativeZusammenarbeit gewährleistet, Organisationsfragen können schnell gelöstwerden und die inhaltliche fachliche Zusammenarbeit ist ohne große Zeit-verzögerungen (z.B. Dienstreise) möglich.

Als entscheidender Vorteil wird von allen beteiligten Akteuren eingeschätzt,dass dadurch die Abstimmung über gemeinsame Aktivitäten besonderseffizient gestaltet werden kann.

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Die inhaltlichen Schwerpunkte der Netzwerkarbeit sind

• Forschung und Entwicklung

• Marketing

• Auftragsaquisition

• Service

• Controlling/Erfahrungsaustausch

• Personalentwicklung und Qualifikation.

Bei allen Fragen steht dabei immer im Mittelpunkt: Wie können neuentwickelte Produkte und Verfahren schnell vermarktet werden und wiekönnen dadurch neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Diese beidenKriterien werden somit auch zum Bewertungsmaßstab der Netzwerkarbeit.

Im Rahmen der Netzwerkarbeit sind alle Akteure ständig bestrebt, kontinu-ierlich die Potenziale des Netzwerkes weiter auszubauen und dabei auchneue Geschäftsfelder zu erschließen. Die erfolgreiche Arbeit des Netzwer-kes belegt, dass diese Strategien bisher erfolgreich umgesetzt werdenkonnten. So konnten seit dem Start des Netzwerkes „IntelligenteMeßsysteme“ im April 1999 durch die zusätzliche Aquisition von ganz neuenAufträgen bei neuen Auftraggebern und der Zusammenführung technolo-gischer Kompetenzen über 150 neue Arbeitsplätze geschaffen werden.Darüber hinaus bildet diese Herangehensweise gute Bedingungen für einenerfolgreichen Wissens- und Technologietransfer sowie für gegenseitigeUnterstützung im Innovationsverhalten.

Gegenwärtig werden 13 unterschiedliche Projekte auf diesen Technologie-feldern im Netzwerk bearbeitet. Die Zahl der an der Bearbeitung derProjekte mitwirkenden Netzwerkteilnehmern liegt zwischen fünf und zwölf.

Durch die gemeinsamen Anstrengungen und Aktivitäten der Netzwerk-akteure und des Netzwerkmanagement konnten bisher für rund fünf Mio. DMAufträge akquiriert werden, davon rund die Hälfte aus der deutschenIndustrie. Der Auslandsanteil ist mit etwa vier Prozent noch sehr gering. Dasmacht deutlich, dass die in Ostdeutschland formierten Netzwerke nochkeinen festen Platz in der internationalen Arbeitsteilung haben.

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Fazit der Fallbeispiele

Die Netzwerkbildung steht in Ostdeutschland nicht mehr am Anfang,sondern durch Bund, Länder sowie Unternehmen und Forschungsein-richtungen selbst werden viele Initiativen zur Netzwerkbildung ausgelöst.Noch sind jedoch keine Muster zu erkennen, die als beispielgebend underfolgreich verallgemeinert werden können. Der Suchprozess nach solchengeht weiter und wird noch eine längere Zeit in Anspruch nehmen. Erkennbarist, dass transformationsbedingte Vorbehalte bei den ostdeutschen Akteu-ren diesen Prozess noch hemmen. Die am Anfang stehenden Mehrkostenkönnen in der Regel aus eigener Kraft der Unternehmen und auch derForschungseinrichtungen nicht aufgebracht werden, um die Vernetzung zubeschleunigen und zu internationalisieren.

Die analysierten Ergebnisse bei der Netzwerkbildung in Ostdeutschlandzeigen, dass durch Innovationsnetzwerke, Kompetenzzentren oder ähnli-che Kooperationen, die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen wesent-lich erhöht und Arbeitsplätze gesichert und neu geschaffen werden. Innova-tive Unternehmen werden fester in Wertschöpfungsketten integriert, exter-ne Forschungseinrichtungen werden Ausgangspunkt der Entwicklung markt-gerechter neuer Produkte und Verfahren, Technologie- und Wissenstransferwerden wesentlich beschleunigt. Die Akquisition von Aufträgen wird koor-dinierter durchgeführt, die Planung und Realisierung der Aufgaben verein-facht und beschleunigt, der Vertrieb und die Markterschließung effizientergestaltet.

Die Förderung des Entstehens solcher Netze ist mit einer vergleichsweisengeringen Anschubfinanzierung verbunden. Hemmnisse und Vorbehaltewerden leichter abgebaut. Relativ schnell tragen sich die Netze aus sichheraus.

Dass solche Konzepte aufgehen, zeigen die drei Fallbeispiele: Die Teilneh-mer können als Systemanbieter auftreten und schneller in Verbindung mitgroßen nationalen und internationalen Investoren und Auftraggebern ge-langen. Dies kann auch ein erster Schritt zur Überwindung derkleinbetrieblichen Strukturen in den neuen Bundesländern sein. Anreize fürdie Fusion der Unternehmen und Forschungseinrichtungen solcher Netze zugroßen Einheiten sind durch ihren vor allem gemeinsam organisierten underarbeiteten Erfolg absehbar.

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In Zukunft kommt es darauf an, solche Netze breitenwirksamer aufzubau-en. Die Bereitschaft dazu ist vorhanden. Sie bedarf jedoch weitere Unter-stützung und Moderation. Dabei könnte schon sehr behilflich sein, wenn dasNetzwerkmanagement durch Bund und Länder unterstützt werden würde.Dabei ist die Arbeitsteilung zwischen Bund und Ländern einfach zu regeln.Netze innerhalb eines Landes sollten auch im Land gefördert werden. DerBund hingegen sollte überall dort mit aktiv werden, wo es darum geht,Kooperationen über Ländergrenzen hinaus und auf internationaler Ebenezu organisieren.

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Interregionale Allianzen für die Märkte vonmorgen - ein erfolgversprechendesModell der Netzwerkförderung

Gerhard Ernst / Manfred Hempe / Werner Lederer /Barbara Reddig1

1 Problemstellung

Zur Erschließung der Innovationspotenziale in den neuen Ländern fördertdas Bundesministerium für Bildung und Forschung mit dem Wettbewerb“InnoRegio” und der ab 2001 angelaufenen Förderung zu ‘InnovativenWachstumskernen’ die Entstehung regional orientierter Netzwerke. DasFörderprogramm ‘InnoRegio’ fand bei seiner Ausschreibung 1999 eine großeResonanz mit insgesamt 444 eingegangenen Anträgen. Nach einem Aus-wahlprozess werden in der entscheidenden 3. Phase 24 gefördert. Es warklar, dass damit das Innovationspotenzial der Regionen in den neuenBundesländern keineswegs ausgeschöpft war. So entschloss sich das BMBFim Jahre 2000 aus den “Nicht-Gewinner-Regionen” weitere Regionenauszuwählen, um sie mit der Förderinitiative “Interregionale Allianzen fürdie Märkte von morgen” zu unterstützen. Im Unterschied zu InnoRegio sollteWert auf eine eng umrissene thematische Ausrichtung in einer inter-regionalen Zusammenarbeit gelegt werden. Damit solche Netzwerke ent-stehen und sich festigen können, wurde ein standardisiertes Vorgehen unddas Instrument der „Innovationsforen“ als Programmbestandteile vorge-schrieben. Die Auswahl aus den ca. 400 InnoRegios erfolgte in zwei Phasen.Aufgrund einer Bewertung hinsichtlich ihres Netzwerkpotenzials und derZukunftsfähigkeit ihrer thematischen Fokussierung wurde eine Reihe vonKandidaten nominiert. In den abschließenden Auswahlprozess wurden dieLänder intensiv eingebunden. Insgesamt wurden 23 Regionen ausgewählt.Alle Maßnahmen werden im Dezember 2001 abgeschlossen werden, dieGesamtevaluation der Fördermaßnahme im Jahre 2002. Als formaler Ab-schluss dieser Maßnahme ist eine Tagung aller Foren für das Jahr 2002vorgesehen. Im Einzelnen verfolgt die Förderinitiative folgende Zielsetzung:

1 Wir möchten Herrn Constantin Skarpelis für die Unterstützung und seine Hinweise danken.

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• Zusammenführen von Leistungsträgern aus Wirtschaft, Wissenschaft,Gesellschaft und Politik mit gleichen bzw. ähnlichen thematischenEntwicklungszielen

• Herausbildung einer klaren inhaltlichen Fokussierung für ein Forum

• Initiieren von dauerhaften tragfähigen wissensrelevanten und markt-orientierten Bündnissen

• Entwicklung neuer Produkte und Verfahren für die Märkte von morgen

• Stärkung der Kompetenzen und Marktpotenziale der Regionen.

Um dem Vorwurf der ‘Mythenbildung’ zu entgehen, ist es wesentlich, denBegriff des Netzwerkes genauer zu fassen oder zumindest den Versuch zumachen, zu klären, welches Netzwerk im Mittelpunkt steht. Die Schwierig-keit besteht u.a. auch darin, dass das Netzwerk von jeder Wissenschafts-disziplin anders betrachtet wird. (Vgl. Aus sozialwissenschaftlicher Sicht:Howaldt, Kopp, Flocken, (2001) oder Borchert, Markmann, Steffen, Vogel,(1999) und Ahlert (2001) aus Marketingsicht). Aus Sicht von Howaldt, Koppund Martens handelt es sich bei den hier im Mittelpunkt stehenden Allianzenum koevolutionäre Kooperationsverbünde. Tabelle 1 beschreibt die Einord-nung.

Tabelle 1: Beschreibung der Allianzen

Hauptakteureund Initiatoren

Basis der Ko-operation

Formen derKooperation

Foci der Koope-ration

Rolle von Poli-tik und Öffent-lichkeit

Techn. orien-tierte Vorreiter-betriebe, fast nurKMU; verbundenmit Technologie-zentren oderUniversitäten

Vorhandenseineiner gemeinsa-men Idee undeines grundle-genden Netz-werkes; guterAnsatz im Wett-bewerb; Verbun-denheit mit einerRegion.

KomplementäreKooperation imHinblick auf Er-zeugung vonSynergien, Ver-such der interre-gionalen Vernet-zung. Work-shops

VorantreibengemeinsamerEntwicklung;Versuch durchgemeinsamesHandeln neueFinanzierungs-möglichkeiten zuschaffen; ver-netztes Handelnauf Teilmärkten

Einbindung in dieInnovationsstra-tegien der Län-der, Kreise undKommunen inunterschiedlicherIntensität. Politi-sche Unterstüt-zung wird gezieltgewonnen. Ge-zielte Anspracheder Öffentlichkeitdurch ein öffent-liches 'Innovati-onsforum'

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Das Ablaufschema war in allen 23 Regionen ähnlich. In der ersten Phasesollte durch nach innen gerichtete Workshops eine Präzisierung der Zielstel-lung und eine Erarbeitung für weitere Verfahrensschritte stattfinden. Diezweite Phase war durch das öffentliche Innovationsforum gekennzeichnet.In dieser Phase sollten Partner aus anderen Regionen gewonnen und diebinnenpolitische Unterstützung verankert werden. Die dritte Phase dientder Stabilisierung des neuen ‘überregionalen’ Netzes. Allen Innovations-foren wurden standardisierte Printmedien angeboten. Zum einen, um ihnenunter dem Markendach der von Bundesregierung, BMBF und den Länderngestützten Initiative ‘Interregionale Allianzen für die Märkte von morgen’den Aktivierungsgrad zu erleichtern, zum anderen aber auch, um einespezifische Dachmarke für das eigene Forum zu erarbeiten. Der Fördererging davon aus, dass durch eine zeitlich und thematisch engbegrenzteFörderung mit dem Instrument der Innovationsforen diese koevolutionärenKooperationsverbünde stabilisiert und ihre regionale /interregionale Bedeu-tung gestärkt werden könnte.

2 Bewertungsmethode

Eine Reihe von durchgeführten Innovationsforen wurde vom DLR-Projekt-träger qualitativ und quantitativ evaluiert. Im weiteren werden nur quanti-tative Indikatoren vorgestellt, die auf den Erfahrungen mit den Netzwerkenberuhen, die ihre öffentliche Veranstaltung bis Oktober 2001 abgeschlossenhatten. Vor und nach den öffentlichen Veranstaltungen folgen in der Regelweitere Aktivitäten zur Erweiterung und Festigung des Netzwerkes. DieseAktivitäten sind erst nach Abschluss der Foren bewertbar. Vier Indikatorenwurden gebildet: Allgemeiner Mobilisierungsgrad, Mobilisierungsgrad derLeistungsträger, Überregionalität und politische Bedeutung.

Der allgemeine Mobilisierungsgrad bezieht sich auf die Mobilisierung vonPartnern außerhalb des Netzwerkes. (Verhältnis der teilnehmenden Netz-werkbeteiligten/ neue Teilnehmer). Der Mobilisierungsgrad der Leistungs-träger bezieht sich auf die Teilnahme spezifischer Partner aus bestimmtenBereichen der Gesellschaft.

Der Indikator ‘Überregionalität’ wird aus dem Verhältnis von Teilnehmernaus der Region gegen andere gebildet.

Der Indikator politische Bedeutung betrifft die Präsenz Politik verschiedenerEbenen und der Presse. Welche Bedeutung eine Region “ihrem” Innovations-forum beimisst, lässt sich daher an der Beteiligung der lokalen und regionalen

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politischen Vertreter, der Beteiligung von Land und Bund sowie an derResonanz der Veranstaltung in der Presse ablesen. Zur Bewertung derPräsenz bei den Innovationsforen wurde ein “Bedeutungsindex” vergeben,der in einer Bandbreite von 0 (keine Bedeutung) bis 8 (sehr hohe Bedeutung)das Engagement der politischen Vertreter und der lokalen und regionalenPresse ausdrückt.

3 Darstellung der (Zwischen)Ergebnisse

Tabelle 2 zeigt die Auswertung der Teilnehmeranalysen für die 6 Foren. DieBeteiligung an den Forenveranstaltungen war mit durchschnittlich 129Teilnehmer pro Veranstaltung ausgesprochen gut. Hochgerechnet werdenmit den 23 Foren damit ca. 2500 Fachpersonen angesprochen und für dieNetzwerke interessiert. Daraus kann man schließen, dass die fachlicheAttraktivität der gewählten Themen gut gewählt war und eine hoheRelevanz für die “Märkte von morgen” aufweisen. Die Teilnehmerbeteiligungreichte von 65 Besuchern bei dem Innovationsforum “PT” bis zu insgesamt162 Teilnehmern bei “PO” .

Tabelle 2: Teilnehneranalyse der InnovationsformenAnzahl davon Teilnehmern aus Überregionale Beteiligung

ForumTeil-neh-mer

nichtNetz-werk-mit-glieder

Wirt-schaft

Wissen-schaft

Unterstützer Über-regional

DavonInternational

Politik,Verwal-tung

Ver-bände

PO 162 69% 38% 27% 23% 7% 65% Unternehmen ausTschechien, Schweiz,Schweden, GB undTaiwan

DK 123 76% 38% 14% 6% 9% 43% Universität aus Polen,Unternehmen ausUSA, Ministerium ausOsteuropa

FS 156 70% 36% 13% 11% 9% 35%keine

ZZ 138 67% 57% 29% 8% 6% 41% Universitäten aus UKund Südamerika

IV 130 65% 35% 30% 10% 16% 17% Universität aus China

PT 65 75% 60% 23% 15% 2% 45% Universität aus Öster-reich

Quotient 129 70% 44% 23% 12% 8% 41%

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Mobilisierungsgrade

Die Mobilisierungsquote der Teilnehmer, die noch nicht dem ausrichtendenNetzwerk angehören, lag bei 70 %. Damit ist es den Innovationsforengelungen, für jedes Netzwerkmitglied mehr als 3 neue potenzielle Mitgliederanzusprechen. Die Streuung der Werte ist dabei erfreulich niedrig.

Der Grad der Mobilisierung von Leistungsträgern aus Wirtschaft, Wissen-schaft, Gesellschaft und Politik mit gleichen bzw. ähnlichen thematischenEntwicklungszielen läßt sich aus der Spalten 3 bis 6 der Tabelle 2 ablesen.Mit 44% waren Teilnehmer aus Wirtschaftsunternehmen am stärkstenvertreten. Herausragend waren die Foren ZZ und PT mit ca. 60% Unter-nehmensbeteiligung. Damit ist deutlich, dass die Wirtschaftsunternehmenein großes Interesse an den Thematiken haben und eine einseitige theore-tische Ausrichtung vermieden wurde. Im Durchschnitt kam einer von 5Teilnehmern aus einer Wissenschaftseinrichtung. Für das Herausbilden undFestigen eines Netzwerkes sind regionale Unterstützer und Promotoren ausPolitik, Verwaltung und aus den Verbänden hilfreich. Die Innovationsforenkonnten aus dieser Zielgruppe (Spalten 5 und 6) 20% der Teilnehmerakquirieren. Die zahlenmäßig geringste Unterstützung erfuhr das Innovations-forum “ZZ” mit einer Quote von 14%, die höchste Mobilisierungsquoteunter den Unterstützern fand das Innovationsforum “PO” mit einemMobilisierungsgrad von 30%.

Die hier nicht aufgeführten Teilnehmer gehören der Zielgruppe “Sonstige”an, die sich aus Bildungseinrichtungen, Finanzdienstleistern und sonstigenEinrichtungen zusammensetzt.

Überregionale Beteiligung

Im Durchschnitt kamen über 40 % der Forenteilnehmer aus anderenRegionen (nationale und international). Die höchste überregionale Beteili-gung konnte das Innovationsforum “PO” mit 65% erzielen. Als ein mehrregionales Thema erwies sich “IV” . Die überregionale Beteiligungsquote lagbei 17%. Von den 6 untersuchten Innovationsforen konnten 5 auch interna-tionale Partner zur Teilnahme gewinnen. Die Beteiligung kann neue Kontak-te und Märkte eröffnen, sie signalisiert aber ganz besonders, dass inOstdeutschland neue Innovationszentren entstehen.

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Bedeutung der Foren in der Region

Tabelle 3 zeigt den Bedeutungsgrad der Foren für die Region

Tabelle 3: Bedeutungsgrad

Der Durchschnitt des Bedeutungsindexes (auf Skala von 0 - bedeutungslosbis 8 – sehr bedeutend) liegt bei 5,7, allerdings mit großen Schwankungen.Die regionalen Vertreter kamen meist aus der Wirtschaftsförderung und ausden politischen Leitungsebenen. Auf allen Veranstaltungen waren diezuständigen Landesministerien vertreten, in zwei Foren war die Landesre-gierung auf Leitungsebene vertreten. In informellen Gesprächen wurdedeutlich, dass diese hochrangige Unterstützung für bisher unbeteiligteUnternehmen ein Grund war, auf dem Forum vertreten zu sein. Ebenso wardie regionale Presse überall vertreten und hat ausführlich über die Veranstal-

Beteiligung von

Forum Bedeu-tungsin-dex

Region(Landkreis, Stadt)

Land Bund Presse

PO 8 Amt für Wirtschafts-förderung, Bürgermei-

ster, Rektor FH

2

Landesregierung LeitungsebeneMinisterium Leitungsebene

Landestiftung Leitungsebene

2

Staats-ministerBMBFMdB

2

ja

2

DK 7 Amt für Wirtschafts-förderung

Oberbürgermeister2

Ministerien für Wissenschaft undWirtschaft

1

BMBF,MdB

2

ja

2

FS 6 Landrat,Oberbürgermeister

2

Landesregierung LeitungsebeneInnovationsbeauftragter

MdL2

BMBF

1

ja

1

ZZ 6 Regierungspräsident,Oberbürgermeister,

Rektor der Universität2

Ministerium,MdL

2

BMBF

1

ja

1

IV 4 WirtschaftsförderungUniversitätsleitung

2

Ministerium1

BMBF1

ja1

PT 5 Landrat,Rektor der FH

2

Ministerium

1

Staats-ministerBMBF

1

ja

1

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tungen berichtet. Wie aus den unterschiedlichen Bewertungen hervorgeht,war die Einbindung der Presse unterschiedlich. Dies betrifft insbesondere dieEinbindung der Presse in den Vorprozess.

4 Interpretation und Schlussfolgerungen

Die Ergebnisse lassen insgesamt darauf schliessen, dass mit dem Instrumentder ‘Innovationsforen’ und den damit verbundenen Verfahrensschritten dasZiel erreicht wurde, koevolutionäre Kooperationsverbünde zu stablisierenund ihre regionale/interregionale Bedeutung zu stärken. Erste Vergleichemit dem auf regionale Verbünde konzentrierten Förderprogramm “InnoRegio”lassen erkennen, dass bei der Förderinitiative “Interregionale Allianzen fürdie Märkte von morgen” die Mobilisierung überregionaler Partner deutlichhöher ausfällt. Daraus lässt sich schließen, dass das Ziel einer überregionalenNetzwerkbildung erreicht werden konnte. Ebenso lässt der hohe Anteil derUnternehmen darauf schließen, dass die gewählten Innovationsfelder Ent-wicklungen zum Gegenstand haben, die für die ‚Märkte von morgen‘ vongroßer Bedeutung sind. Die hohe Unterstützung durch die Länder deutetweiter daraufhin, dass es gelungen ist, die regionale Innovationsstrategie indie Konzepte der Länder einzubinden. Die Erfahrungen zeigen außerdemdeutlich, dass das Instrument der Innovationsforen als eigenständiges Instru-ment eingesetzt werden kann, um die Netzwerkbildung in einer frühenInnovationsphase zu unterstützen.

Zur wirklichen Sicherung der Nachhaltigkeit der Innovationsforen müssenaber noch vier Problembereiche gelöst werden:

• der Übergang in eine angemessene Organisationsform und damit ver-bunden

• der Übergang in eine eher privatrechtliche Finanzierung

• Personalentwicklung in ostdeutschen Netzwerken sowie

• Öffentlichkeitsarbeit, Marketing und Produktgestaltung.

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Die Organisationsform im Netzwerk

Netzwerke in den neuen Bundesländern sind nicht aus der organisations-wissenschaftlichen Praxis wie z.B. der Ansatz der virtuellen Unternehmen(Davidow und Malone, 1993) geboren worden, sondern aus dem wirtschaft-lichen Strukturbruch mit allen seinen Verwerfungen. Dementsprechendwirkt auch der heutige Entwicklungsstand eher naturwüchsig. Ein wesent-licher Schritt in der Zukunft wird sein, besonders koevolutionäre Kooperations-verbünde aus diesem Stadium herauszuheben. Dazu ist neben einerSystematisierung der Kommunikations-, Kooperations- und Hierarchie-prozesse eine Ausrüstung der Netzwerke mit betriebswirtschaftlichenSteuerungselementen wie entsprechenden Führungs- und Controlling-konzepten, Ansätzen der strategischen Steuerung (Ahlert, 2001), Entwick-lung eines dezidierten Kooperations- und Wissensmanagements (Rohde,Rittenbruck, Wolf 2001) und entsprechenden rechtlichen Bindungen (Luczakund Schenk, 1999) notwendig. Diese Ansätze standen bisher gegenüberden technisch-orientierten Entwicklungsansätzen im Hintergrund. Dies istumso bedauerlicher, da die ersten Erfahrungen aus den InnoRegio-Vorha-ben vermuten lassen, dass Netzwerke mit homogenen Kooperations-strukturen und ‚zentralen Knoten‘ den Netzwerken mit loser Vernetzungs-struktur und fast unabhängigen Teilnetzwerken überlegen sind.

Zur Organisationsentwicklung gehört auch eine entsprechende systemati-sche Personalentwicklung der Mitglieder eines Netzwerkes, die Führungs-aufgaben übernehmen. Brenner und Fornahl (2001) weisen im Zusammen-hang mit der Bildung branchenspezifischer Cluster auf die Bedeutung derPromotoren der Netzwerke hin. Der Erfolg regionaler Netzwerke hängt sehrstark davon ab, inwieweit Personen aus Organisationen oder Unternehmenbereit sind, eine führende und treibende Rolle im Netzwerk zu übernehmen.Selektion, Plazierung, Qualifizierung und auch Motivierung der Promotoren,die dazu auch noch vom Netzwerk und der Region akzeptiert sein müssen,ist eine wichtige Aufgabe, die von den Netzwerkakteuren gelöst werdenmuss. Nach den bisher vorliegenden Erfahrungen ist ab bestimmten Stadiender Netzwerkentwicklung eine unternehmerische Orientierung des Promo-tors erfolgreicher als eine wissenschaftliche. Damit verbunden ist nach denbisherigen Erfahrungen die Einbindung des Promotors in eine unternehmens-orientierte Organisation (Beispiele aus den Netzwerken sind Wirtschafts-förderungsgesellschaften, Unternehmen, Technologiezentren) erfolgver-sprechender als eine Einbindung in eine Universität.

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Neben den organisatorischen Aspekten wird auch den arbeits- undgesellschaftsrechtlichen Aspekten (Endemann, 1999) in Zukunft mehr Be-deutung zugemessen werden müssen. Fast alle Netzwerke beruhen z.Z.noch auf unverbindlichen Absprachen oder soweit staatliche Förderungbetroffen ist auf Kooperationsvereinbarungen. Unverbindliche Absprachenbeinhalten keine Rechte und Pflichten, ihre Einhaltung kann nicht gerichtlicherzwungen werden, aber - im Gegensatz zu vielen Vermutungen - sindSchadenersatzansprüche möglich. Im Rahmen der vertraglichen Zusam-menarbeit werden - wenn überhaupt - eher atypische Verträge geschlossen,verkehrstypische Verträge, wie z.B. Zulieferabkommen oder Franchise-verträge werden nicht genutzt. Eine beliebte Kooperationsform ist auch dereingetragene Verein. Der Verein besitzt Vorteile in der Gründung, in derNeuaufnahme der Mitglieder, zeigt jedoch in der Fremdfinanzierung wegender Haftung der Mitglieder deutliche Schwächen, soweit nicht Großunter-nehmen oder –organisationen zu den Mitgliedern gehören. Die gesellschafts-rechtliche Organisation kann neben der gemeinsamen Gesellschaft durchverschiedene andere Formen wie die Kooperation durch gegenseitigeBeteiligungen oder die Arbeitsgemeinschaft gestaltet werden. Wird abereine gemeinsame Gesellschaft gegründet, ist wegen des Typenzwanges imGesellschaftsrecht eine bestimmte Form zu wählen. Dabei wird zwischenPersonengesellschaften und Körperschaften unterschieden. Zu den Personen-gesellschaften gehört die Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die sehr einfachzu gründen ist, die jedoch wegen der persönlichen Haftung große Schwie-rigkeiten bei der Kreditfinanzierung bereitet. Die bekannten Körperschaftensind die Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit den verschiedenenAusprägungen, die Genossenschaft und die kleine Aktiengesellschaft. Ob-wohl die kleine Aktiengesellschaft unabweisbare Vorteile besitzt, wird siebisher nur selten zur gesellschaftsrechtlichen Gestaltung von Netzwerkengenutzt. Sie kann für breite Zielsetzungen gegründet werden, verfügt überHaftungsbeschränkungen und gestattet eine einfache Aufnahme neuerMitglieder bzw. das Ausscheiden von alten Mitgliedern.

Die privatwirtschaftliche Finanzierung

Ein kritischer Erfolgsfaktor, für dessen Einschätzung bisher wenig Datenvorliegen, ist die Finanzierung eines nachhaltigen Netzwerkes. Hier istunklar, wie die Allianzen die Netzwerkfinanzierung für den kritischenZeitraum nach Förderende bis zur Erreichung eines stabilen Umsatzes derNetzwerkpartner aus dem Neugeschäft sicherstellen. Einigen Netzwerkenist eine Nachfolgefinanzierung durch staatliche Mittel gelungen. Zwei der

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sechs betrachteten Innovationsforen konnten sich für das Förderprogramm“Innovative Wachstumskerne” qualifizieren. Zwei weitere Netzwerke der“Interregionalen Allianzen” erhielten Finanzierungszusagen vom Land. Dieprivatwirtschaftliche Finanzierung wird zum einen durch die o.a. Problemebei den Gesellschaftsformen erschwert, zum anderen durch unternehmens-internen Mangel an Wissen um entsprechende Finanzierungsmöglichkeitenund die Entwicklung auf den Finanzmärkten. Auf Grund der immer kleinerwerdenden Gewinnmargen, den Auswirkungen der Neuordnungen bei derKreditvergabe (Stichwort ‘Basel II’) und dem Druck, dem sich die Sparkassendurch die Diskussion um die Gewährleistungshaftung gegenübersehen,wird die Kreditvergabe für die Netzwerke immer schwieriger. In Fragen derFinanzierung der Innovationsforen in den Regionen besteht daher einerheblicher Forschungs-, Beratungs-, Betreuungs- und Regelungsbedarf, derin Zukunft abgedeckt werden sollte.

Privatwirtschaftliche Finanzierung ist natürlich auch durch die Einbindungeines großen strategischen Partners möglich.

Die Personalentwicklung

Ein spezifisches Problem ostdeutscher Netzwerke ist die Personalentwicklung.Auf Grund der wirtschaftlichen Situation und des damit verbundenenGehaltsniveaus sehen sich die Netzwerke kaum im Stande, qualifiziertesPersonal zu halten, geschweige denn in Westdeutschland oder im Auslandanzuwerben. Diese Problematik geht in der Debatte um Lohnspreizung undNiedriglohnsektor häufig unter. Wenig Beachtung wird hier zur Zeit denMöglichkeiten einer Laufbahnentwicklung im Netzwerk geschenkt. DieGestaltung vieler Netze macht einen Laufbahnwechsel zwischen Forschungin Forschungsorganisationen, Entwicklung in verschiedenen Unternehmenund Produktionsgestaltung in Unternehmen möglich. Damit könnte auch fürnicht akademisch Ausgebildete ein Tätigkeitsspektrum eröffnet werden,das Potenziale für einen späteren Aufstieg in sich birgt. Wird dies noch mitden Möglichkeiten der Existenzgründung oder einer akademischen Karriereverknüpft, müsste es möglich sein, die monetären Nachteile auszugleichen.

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Marketing und Produktgestaltung

Die meisten der Innovationsforen sind auf technische Entwicklungen kon-zentriert. Treibende Kräfte auf Seiten der Forschung und der Betriebe sindmeist Ingenieure und Techniker. Diese Konstellation führt dazu, dass Aspek-te der Öffentlichkeits- und Pressearbeit, des Marketing und der Produkt-gestaltung häufig nicht zu einem frühestmöglichen Zeitpunkt ins Augegefasst werden. Geht man davon aus, dass die meisten Produkte ‘HybrideProdukte’, also aus Dienstleistung und materiellem Produkt zusammenge-setzt sind (Bullinger, 1999), fehlt die Entwicklung des Dienstleistungsteiles.Das kann zu Problemen führen, wenn für die neuen Dienstleistungenbestimmte Qualifikationen oder neue Partner erforderlich werden. Ebensoist die Frage des ‘Time-To-Market’ bisher kaum geklärt. Technische Ent-wickler zögern häufig, früh genug mit ihren Produkten auf den Markt zugehen, und verlieren damit wichtige Zeit der Markteinführung. Hier müssenverstärkt Marketingexperten in die Innovationsforen eingeschaltet werden.Insbesondere da die Öffentlichkeitsarbeit, die einige Foren schon währendder Laufzeit betrieben haben, eine gute Grundlage bildet.

5 Fazit

Fazit: Innovationsforen sind ein erfolgreiches Instrument, um einen bestimm-ten Typ von Netzwerken weiterzuentwickeln. Es bleiben aber eine Reihevon Herausforderungen, um eine erfolgreiche Entwicklung weiterzutreiben.

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Literatur

Ahlert, Dieter: Handbuch Franchising & Cooperation - Das Managementkooperativer Unternehmensnetzwerke, Luchterhand Verlag, Neuwied undKriftel (2001)

Borchert, Stefan; Markmann, Frank, Steffen, Marion; Vogel, Stefan:Netzwerkarrangements - Konzepte, Typologie und Managementaspekte,Westfälische Wilhelms-Universität Münster. Lehrstuhl für Betriebswirtschafts-lehre (1999)

Brenner, Th.; Fornahl, D.: Politische Möglichkeiten und Maßnahmen zurErzeugung lokaler branchenspezifischer Cluster(unveröffentlichtes Papier,Veröffentlichung für 2002 geplant)

Bullinger, Hans-Jörg: Dienstleistungen - Innovation für Wachstum undBeschäftigung, Gabler Verlag (1999)

Davidow, W.H.; Malone, M.S.: Das virtuelle Unternehmen - Der Kunde alsCo-Produzent, Campus, Ffm (1993)

Endemann, Thomas: Rechtliche Rahmenbedingungen der Unternehmens-kooperation, in: Luczak, H. und Schenk, M. (Hg.): Kooperationen in Theorieund Praxis, Fortschritt Berichte VDI,Düsseldorf, S. 155-207 (1999)

Howaldt, Jürgen; Kopp, Ralf, Flocken, Peter: Kooperationsverbünde undregionale Modernisierung - Theorie und Praxis der Netzwerkarbeit, Betriebs-wirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler GmbH, Wiesbaden (2001)

Luczak, Holger; Schenk, Michael: Kooperationen in Theorie und Praxis,Fortschritt-Berichte VDI, Bd. 104 (1999)

Rohde, Markus; Rittenbruch, Markus, Wulf, Volker: Auf dem Weg zurVirtuellen Organisaiton, Physica Verlag. Heidelberg (2001)

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Netzwerkstrukturen und Praxiserfahrungen imRahmen des LEADER-Ansatzes

Jan Swoboda

Was ist LEADER?

Seit 1991 erprobt die EU mit der Gemeinschaftsinitiative LEADER einengebietsbezogenen Entwicklungsansatz.

Die grundlegenden Ideen von LEADER sind:

• Jede Region hat ihre Spezifika, die es als Chance für ein eigenständigesProfil und eine stärkere Identifikation der Bevölkerung mit ihrer Region zuentdecken und zu entwickeln gilt – Territorialer Ansatz.

• Das Aufgreifen solcher Chancen setzt eine breite Bürgerbeteiligung mitdemokratischen Spielregeln voraus. Neue Organisationsstrukturen undEigeninitiative sind gefragt – Bottom-up-Ansatz.

• Die privaten und öffentlichen Akteure entwickeln gemeinsam eineStrategie, wie der Entwicklungsrückstand ihrer Region abgebaut wer-den, Marktnischen gefunden und privates Kapital mobilisiert werdenkönnen – Regionales Entwicklungskonzept.

• Durch engere Beziehungen zwischen den Regionen und sektorüber-greifende Kooperationen werden die Diversifizierung der lokalen Wirt-schaft und der gesellschaftliche Austausch gefördert – IntegrierterAnsatz.

• Durch die Vernetzung der Akteure und gebietsüberschreitende Koope-rationen können die beteiligten Gruppen europaweit voneinander ler-nen.

LEADER-Regionen sind Gebiete, die kulturgeschichtlich, naturräumlich oderwirtschaftlich eine Einheit bilden. Die Bevölkerungsgrenze liegt bei 100.000Einwohnern und bei maximal 120 Einwohnern pro Quadratkilometer.

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Lokale Aktionsgruppen als Schnittstellen

Der Regionalentwicklungsansatz im Sinne von LEADER ist eine Querschnitts-aufgabe. Deren Organisation und Koordination nehmen Lokale Aktions-gruppen (LAGs) wahr. Dies sind Zusammenschlüsse privater und öffentlicherAkteure der Region, die sich zum Beispiel als Verein oder als privatrechtlicheGesellschaft organisieren. Wesentlich ist, dass die Zusammensetzung derLAG eine für die Region repräsentative Mischung lokaler Akteure darstelltund auf der Entscheidungsebene mindestens zur Hälfte lokale Wirtschafts-und Sozialpartner vertreten sind.

Die LAGs begleiten und steuern den Entwicklungsprozess, sind Anlaufstellefür Projektideen und Projektanträge und vernetzen die verschiedenenAkteure in der Region. Sie können aber auch selbst Projekte initiieren undumsetzen.

Besonderheiten der bundesweiten LEADER-Vernetzung

Die Grundlagen

Vernetzung ist ein in den Leitlinien von LEADER+ benanntes zentralesAnliegen der Initiative. Aber nicht alle Knoten im Netz sind gleich. Bereits beider Vorgängerinitiative LEADER II gab es eine Vernetzungsstelle, die aufBundesebene alle Akteure in Kontakt bringt und bei der Arbeit unterstützt.Das Netz hat somit eine institutionalisierte Mitte. Die DeutscheVernetzungsstelle (DVS) ist als eigenständige Projektgruppe mit aktuell fünfMitarbeitern in die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE)mit Sitz in Frankfurt/Main eingegliedert.

Um alle LEADER-Akteure in Deutschland erreichen zu können, ist dieseVernetzung auf Bundesebene angelegt. Die LEADER-Programme werdenaber auf Ebene der Bundesländer erarbeitet und umgesetzt. Das betrifftauch die Begleitung, z.B. durch Evaluatoren. Daraus ergeben sich vielfache,in Nuancen abweichende Herangehensweisen oder Vorgaben innerhalb derProgramme und damit in der Summe ungleiche Startpositionen für dieAkteure vor Ort. Diese Besonderheiten müssen bei der Vernetzungsarbeitberücksichtigt werden.

LEADER wird nicht flächenhaft zur Förderung ländlicher Gebiete eingesetzt,sondern modellhaft in ausgewählten Regionen. Die LEADER-Gebiete habendeshalb mit Ausnahme weniger Länder nicht nur räumlich selten direkten

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Kontakt mit der „Nachbargruppe“. Außerdem sind die Arbeitsinhalte nichtauf ein Thema begrenzt, sondern reichen von Telekommunikation überUmweltschutz bis zu Urlaub auf dem Bauernhof. Der Schwerpunkt derBegleitung liegt also auf den eingeleiteten Prozessen und weniger auf dennur selten zu übertragenden thematischen Inhalten.

Eine weitere Besonderheit ist die „Auskunftspflicht“ der am LEADER-Netzbeteiligten Akteure. Um neue Entwicklungsansätze oder Projektinhaltevernetzen zu können, müssen Informationen darüber vorliegen. Es handeltsich aber um einen eher theoretischen „Vorteil“ für die Vernetzungsarbeit.Denn wie sich in der Praxis gezeigt hat, sind ohne persönliche Beziehung alleAppelle vergebens, und eine wirkliche Handhabe gegenüber Verweigererngibt es nicht. Eine Hierarchie innerhalb des Netzes leitet sich aus dieserVorgabe ebenfalls nicht ab.

Erste Arbeitsinhalte zur Vernetzung wurden von der EU vorgegeben. DieKernpunkte sind Information bereitzustellen, Kooperationen zu ermöglichenund die Regionalentwicklungsprozesse sowie die Arbeit der LAGs zu unter-stützen. Die Ausgestaltung dieser und weiterer Aktivitäten lag im Er-messensspielraum der DVS. Es wurde also ein Angebot entwickelt, das vonden Akteuren nur wahrgenommen werden muss. Die Dauer dieserVernetzungsarbeit ist allen Beteiligten klar. Sie entspricht der Laufzeit derEU-Initiative und deckt den Förderzeitraum ab. Sie ist damit von vornhereinzeitlich begrenzt.

Die Deutsche Vernetzungsstelle steht nicht in wirtschaftlicher Konkurrenzzu anderen vergleichbaren Einrichtungen und ist als Netzwerk eine Non-profit-Organisation. Auf Bundesebene steht sie aber in Deutschland wegender dargestellten Konstellation von LEADER besonders im politischenSpannungsfeld.

Der Netzwerkgedanke ist in LEADER breit angelegt. Die Netzwerke deranderen EU-Mitgliedstaaten stehen der DVS mehr oder weniger automa-tisch als Kooperationspartner, z.B. beim Aufbau von Transnationalen Koope-rationen für LAGs innerhalb Europas, zur Verfügung. Die europäischeDimension ist also quasi im Netz eingebaut.

Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob die LEADER-Vernetzungnicht eher ein Serviceangebot mit beschränkter Teilnehmerschaft denn ein„echtes“ Netzwerk ist? Alle Aktivitäten der DVS werden aber von Informa-tionen aus dem gesamten Feld der Regionalentwicklung abgeleitet. Daweiterhin die Angebote wie www.LEADERplus.de und die Zeitschrift

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LEADERforum, das EU-Info sowie „Such- oder Informationsdienstleistungen“offen und kostenfrei, Veranstaltungsmitschriften gegen Selbstkostenpreisfür Jedermann zugänglich sind und alle wesentlichen Inhalte der Arbeittransportieren, deckt das Netz zumindest die Informationsseite eines Netz-werks ab. Einschränkungen gibt es nur für die Veranstaltungsteilnahme. DieSeminare, Workshops und Schulungen sind auf den direkten „Kunden-kreis“, die LEADER-Akteure zugeschnitten und können auch nur für dieseKlientel durch EU und BLE finanziert werden. Auf der Kooperationsseiteentwickelt sich das Netz aktuell durch vielfältige Kontakte zu Organisatio-nen und Einrichtungen mit ähnlichen thematischen Inhalten weiter. Beidiesen Partnern sind die Interessenlagen aber anders als bei den LAGs, sodass auf dieser Ebene andere Inhalte, die auch zu gemeinsamen Projektenführen, dominieren.

Die Praxis

Der erste Schritt für die DVS waren „Startseminare“ in verschiedenen TeilenDeutschlands. Der direkte Kontakt zu den Akteuren und aus deren Sichteine Vernetzungsstelle zum „Anfassen“ und Mitgestalten waren für dieweitere Arbeit positiv. Um von Beginn an kundenorientiert arbeiten zukönnen, wurden mit einem Fragebogen die Prioritäten der Vernetzungsarbeitermittelt. Der weiterhin aufrechterhaltene ständige Kontakt mit den Akteu-ren – z.B. auch in Form von Arbeitstreffen, um die jeweils aktuellen Problemeder LAGs für die Netzwerkarbeit aufzugreifen – ermöglichte es der DVS, ihrAngebot immer wieder an die Bedürfnisse der Akteure anzupassen.

Der direkte Kontakt entsteht aber auch auf Seminaren, Workshops oderSchulungen. Der Besuch dieser Veranstaltungen ist für die Akteure freiwillig;entsprechend passgenau muss das jeweilige Angebot sein – sonst bleibt derTagungsraum leer. Ein Ziel dieser Veranstaltungen ist es, dass die Akteureihre eigene Position bestimmen können und übertragbare Handlungsan-sätze für ihre Regionen reflektieren. Es geht darum,

• die regionale Handlungskompetenz zu steigern,

• Zeit zu sparen und Fehler beim Organisationsaufbau, der Projekt-entwicklung und -abwicklung zu vermeiden,

• beim Aufbau neuer Tätigkeitsfelder und Entwicklungsschwerpunkte zuunterstützen.

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Grundlage dafür ist die Offenheit der Akteure bzgl. ihrer Aktivitäten. DieseBereitschaft ist grundsätzlich vorhanden. Dies auch vor dem Hintergrund,weil die wenigsten der Akteure ursprünglich mit Regionalentwicklung be-traut waren und als Quereinsteiger einen hohen Bedarf an Information undAustausch haben. Aber nicht alle Arbeitsinhalte werden mit der gleichenOffenheit diskutiert.

Je größer die Relevanz für einen potentiellen ökonomischen Erfolg, destogeringer war die Offenheit. Das heißt: Organisations- oder Entwicklungs-wege, sei es der LAG- oder Projektstruktur, waren abrufbar; Entwicklungs-wege von Produkten dagegen nur eingeschränkt. Dies entspricht aber auchdem LEADER-Ansatz, prozessbegleitend eine neue, sektorübergreifendeGesprächskultur zu schaffen.

Die meisten LEADER-Gruppen wollen regionale Wirtschaftskreisläufe stär-ken und verfolgen deshalb auch Direktvermarktungsansätze. Da die Förder-gelder meist auf Kreisebene und nur selten vom jeweiligen Land bewilligtund kofinanziert werden, ist die Konkurrenz in der laufenden Arbeit ehergering.

In der aktuellen Bewerbungsphase für LEADER+ gibt es aber mehr LAG-Bewerber, als von den Ländern finanziert werden können. Die Gruppenstehen deshalb mit ihren Entwicklungskonzepten für die Regionen in Kon-kurrenz. Wenn überhaupt, werden der DVS diesbezügliche Informationennur mit der Auflage, sie anderen Gruppen aus demselben Land nichtzugänglich zu machen, überlassen.

Das recht reibungslose Funktionieren der LEADER-Vernetzung hängt alsoauch damit zusammen, dass kaum echte Konkurrenzen zwischen denGruppen und den Projekten bestehen. Ein offener Austausch und derdazugehörige Wissenstransfer ist unter diesen Bedingungen leichter mög-lich.

In die Beteiligung am Netz muss auch Zeit investiert werden. Die Interaktionim Netzwerk ist nur ein Teil der Arbeit der LAG-Akteure. Welcher Stellen-wert diesem Teil zugebilligt wird, hängt überwiegend von den damit verbun-denen Vorteilen, aber eben auch vom verfügbaren Zeitkontingent ab. ImLEADER-Netzwerk wurde dies an der unterschiedlichen Beteiligung haupt-beruflicher LAG-Manager und ehrenamtlich arbeitenden Managern deut-lich. Für die aktiven Partner wird die Arbeit der DVS transparenter als für dennur Nutzenden. Der Diskussionstand ist bekannt und die daraus entwickel-ten Angebote sind in der Regel nachvollziehbar. Die reinen Nutzer erfahren

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das Angebot dagegen eher als „vorgesetzt“. Deren wirkliche Integration istunter solchen Rahmenbedingungen schwierig. Diese Situation ist zu Beginnder Arbeit, wenn das Netz noch nicht viel zu bieten hat, natürlich ausgepräg-ter als nach einigen Jahren Arbeit. Ein Netzwerk sollte jedoch nicht zu enggeknüpft sein und von einigen wenigen dominiert werden, sondern immeroffen für neue Akteure sein.

Für LEADER+ wurde unter anderem aus den vorgenannten Gründen in derVorlaufphase besonderer Wert auf die Darstellung der Vorteile des haupt-beruflichen LAG-Managements gelegt. Für ein funktionierendes Netzwerkist die Professionalität der Akteure auch in diesem Sinne nötig.

Die Hauptberuflichen und eher einer breiten Partizipation verpflichtetenLAG-Manager sind also eher Partner im Netz. Um hier Filz und Klüngelvorzubeugen, ist so transparent wie nur möglich zu arbeiten. Inhalte, die voneiner begrenzten Teilnehmerschaft erarbeitet wurden, müssen grundsätz-lich allen zugänglich sein, entsprechende Sitzungsprotokolle ins Netz ge-stellt, zugesandtes Material anderen zugänglich gemacht werden – aufWunsch anonym.

Neben eigenen Erfahrungen konnten auch Ergebnisse der Begleitforschungdie Angebotsentwicklung unterstützen. Wissensträger einzubinden erhöhtdie eigenen Erkenntnismöglichkeiten und das nutzbare Wissen. Dies wirktsich auf das Angebot aus. Aktuelle Erkenntnisse können sofort nutzbargemacht werden. Eine grobe Vorstrukturierung bietet dabei den Rahmen fürdie Angebotsentwicklung.

Während der Projektbegleitung haben sich vier Arbeitsphasen der LAGsherauskristallisiert:

1. Die Mobilisierung und die Konsolidierungsphase der LAGs

2. Der Organisationsaufbau in und um die Gruppe

3. Die Projektinitiierung und -abwicklung, das Management und das Mar-keting

4. Die Verselbständigung der Gruppen, z.B. als Regionales Entwicklungs-büro

Jede Phase hat ihren spezifischen Informationsbedarf. Aber auch innerhalbdieser Phasen müssen das Angebot flexibel entwickelt, die Inputs der

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Akteure aufgearbeitet werden. Die ungeklärten thematischen Fragestel-lungen sind aber zusätzlich abhängig von den Rahmenbedingungen in derjeweiligen Region und damit nicht in allen Fällen einfach zu übertragen. InLEADER+ kommt erschwerend hinzu, dass wieder benannte ehemaligeLEADER-II-Gruppen in Kombination mit dem Einstieg neuer Gruppen inentsprechend verschiedenen Entwicklungsphasen gleichzeitig begleitetwerden müssen. Durch die Vermittlung von Partnerschaften zwischen„alten“ LEADER-Akteuren und neuen Gruppen wird eine weitere ziel-gerichtete Hilfestellung gewährt.

Im Verlauf der Vernetzungsarbeit war zu bemerken, dass durch die vielfäl-tigen Workshops, Seminare und Schulungen neben den thematischenInhalten z.B. die „Kommunikationsfähigkeit“, das Arbeiten mit und inGruppen mit entsprechendem Equipment und verschiedenenStrukturierungsmethoden verinnerlicht wurde. Diese Kompetenzen sindidentisch mit den vor Ort für die interne LAG-Arbeit verlangten.

Die LAG- und Vernetzungsarbeit auf regionaler Ebene

Wie funktioniert eine LAG im LEADER-Sinne und was sind die Voraussetzun-gen für ihre erfolgreiche Arbeit? Es muss klar sein, dass Lokale Aktions-gruppen sich nicht von selbst ergeben. Sie müssen entwickelt und gestaltetwerden. Und das z.T. mit Partnern, die bisher nicht oder nur ungernmiteinander redeten – und häufig im Ehrenamt auch noch ihre Freizeitopfern.

Akteure

Eine wesentliche Aufgabe des Regionalmanagements ist es, die unter-schiedlichen regionalen Akteursgruppen zu koordinieren und einzubinden.Grundsätzlich ist dabei zu beachten, dass:

• die Einbindung dieser unterschiedlichen Akteursgruppen nicht über Zwang,sondern nur auf freiwilliger Basis stattfindet, da keine institutionelleMacht- oder Anordnungsmöglichkeit besteht,

• die Akteure aus unterschiedlichen Bereichen, z.B. Fachplanung, Kommu-nen, private Träger, Wirtschaft, Vereine oder Bürgerschaft kommen unddaher aufgrund unterschiedlicher Vorstellungen und InteressenKoordinierungsbedarf besteht,

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• die Mitarbeit durch Anreize geschaffen wird wie zum Beispiel die Aussichtauf Fördermittel und damit erweiterte Gestaltungsmöglichkeiten für dieRegion, das Sich-Kennenlernen in der LAG, die Möglichkeit, Dingeanzustoßen und Einfluss auf Prozesse nehmen zu können.

Die Anreize sind also direkt mit Zielen, Aufgaben und Wirkungen desRegionalmanagements verbunden. Sie entsprechen am ehesten deneneines Interessenverbandes.

Die Praxis

Auf regionaler Ebene bewegt sich die Vernetzung einer LAG einerseits vonInformationsaufbereitung und -verbreitung in Richtung Öffentlichkeitsarbeitund andererseits im Rahmen der Initiierung von Projekten mit verschiedenenPartnern in Richtung Kooperation. Bei diesen Aktivitäten steht die LAG imvollen Spannungsfeld zwischen Markt, Politik, den unterschiedlichen Inter-essen und Machtverhältnissen sowie der Integration sozialer Belange. ImFolgenden sollen Ergebnisse und Herangehensweisen von LAGs, die imLEADER-Sinne arbeiten, dargestellt werden. Es gilt zu bemerken, dasserfolgreiche LAGs i.d.R. nicht nur in die Initiative LEADER eingebunden sind,sondern auch in anderen (Förder-) Bereichen aktiv mitarbeiten.

Einrichtungen wie Gemeindeparlamente, Ämter, Wirtschaftsförderungs-gesellschaften, Verbände, Vertreter von Agenda-Prozessen usw. werdenhäufig in die LAG eingebunden. Dabei sollen keine Konkurrenzorganisationenzu diesen Institutionen entstehen, also keine Paralleleinrichtungen ohneentsprechenden politischen und rechtlichen Hintergrund geschaffen wer-den. Hier gilt es die Rollen der verschiedenen Partner zu klären, das möglicheKonfliktpotential im Vorfeld abzuschätzen. Deren Arbeit soll außerhalb festinstallierter Umsetzungsstrukturen zur Entwicklung beitragen und in „unter-versorgten Feldern“ ergänzt werden. Hierzu müssen auch das eigeneAngebot und eventuelle Kooperationsmöglichkeiten geklärt und kommuni-ziert werden.

Dennoch werden im Prinzip durch eine LAG demokratisch nicht legitimierteVorentscheidungsstrukturen geschaffen. Die LAGs setzen mit ihren Maß-nahmen Schwerpunkte in der regionalen Entwicklung. Andererseits werdendurch den integrativen Ansatz sektorales Handeln und Denken etwasaufgebrochen und damit Themenfelder bearbeitbar die sonst nicht ange-gangen werden könnten.

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Vor allem zu Beginn der Arbeit war es deshalb wichtig, den gemeinsamenNenner, die Schnittmengen in den Problemlagen vor Ort zu finden – also denThemenbereich, den alle Beteiligten mit tragen können. Häufig ein kleinerBereich, aber ein Anfang und damit die Chance für ein erstes positivesBeispiel. In gut abgegrenzten Regionen mit klar erkennbaren Problemlagenwird dieses Vorgehen im Rahmen der Vernetzung erleichtert. In anderenFällen muss der Bezug zur Region mit erheblichem zeitlichen Vorlauf erstgeschaffen werden. Das Gebilde LAG als Kommunikations- und Organisations-raum entsteht.

Mit zunehmender Komplexität der Aufgaben gliedert sich die LAG inthemenbezogene und meist auch Know-how bündelnde Bausteine, wie z.B.Arbeitskreise. In dieser Situation muss der Zusammenhalt und der Gesamt-überblick durch gute Informationsflüsse aufrechterhalten werden. AuchLobbyarbeit wie z.B. Stellungnahmen zu bestimmten Vorhaben oder Trendsgehört dazu. Information bedingt Handeln. In Kooperation passiert dies nichtauf Basis von Einzelwissen, sondern im Gruppenprozess.

Die breite Beteiligung - wie sie LEADER auf Landkreisebene verfolgt - bautauf unterschiedliche Interessengruppen. Das setzt in vielen Bereichen auchehrenamtliches Engagement voraus und schafft dafür neue strukturelle undräumliche Formen. Neue Strukturen, da sich interessierte Bürgerinnen undBürger z.B. in Form von Arbeitsgruppen vereinsunabhängig und selbst-bestimmt engagieren können. Ein neuer räumlicher Bezug, da die Handlungs-ebene das Dorf verlässt und die ganze Region einbezieht. Diese Ausweitungder Akteursbasis führt zu einer tieferen Kenntnis der Potentiale in derRegion, einem gemeinsamen Vorgehen und häufig zu neuen Projektideen.

Durch diesen integrativen Entwicklungsansatz war es für viele LAGs erstmalsmöglich, eine verbindende Funktion zwischen Bürgern, Ämtern und Verbän-den verschiedener Fachdisziplinen zu übernehmen – ein Novum im ländli-chen Raum. Die Bündelung des Know-how erhöht die Handlungskompetenzder Gruppe. Ein weiterer Vorteil ist, dass Probleme und Konflikte bereits imVorfeld in der LAG oder im Arbeitskreis bearbeitet werden und es wenigerKonflikte bei der späteren Umsetzung der Projekte gibt.

Auch diese regionale Vernetzung braucht einen Rahmen. In welchem Feldsoll es wohin gehen, und wann ist das Ziel erreicht? Hier sind die RegionalenEntwicklungskonzepte (REKs) hilfreich. Sie bieten eine gewisse Orientierungund wirken entlastend für die Vernetzungsarbeit. Deren Inhalte und hinter-legten Leitbilder können den potentiellen Netzwerkpartnern leichter vermit-

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telt werden. Dies wird besonders im Vergleich von LEADER-II-Gruppen mitund ohne REK deutlich. Ein gutes REK hat offensichtlich zur Folge, dass dieprozessstrukturierende Arbeit für den LAG-Manager abnimmt. Zuständig-keiten, Handlungsfelder und Zielsetzungen sind klarer erkennbar und dieArbeit in und mit der LAG wird dadurch effektiver. Besonders bei kleinenGruppen ohne Entwicklungskonzept besteht dagegen die Gefahr, dasserfolgreiche Projekte in bestimmten Themenfeldern die Aktivität der LAGabsorbieren und die Offenheit gegenüber anderen Problemlagen und dieChance auf weitere Lösungsansätze verloren geht.

Der persönliche Kontakt des LAG-Managers zu den Mitgliedern einer LAG(z.T. deutlich über 100) und den Multiplikatoren und Entscheidungsträgernder Region ist wichtig. Diese Personen sollen Projekte entwickeln undumsetzen. Der Prozess wird überwiegend von einer Kerntruppe, häufig demLAG-Manager und den Arbeitskreisleitern begleitet. Der Manager hat dabeii.d.R. kein Mandat oder eine hierarchisch abgeleitete Handhabe. Er soll aberQuerschnittsarbeit leisten und politisch legitimierte Entscheidungsträger indas LAG-Netz einbinden. Der Vorteil dieser Konstruktion: Niemand ist inseinem Status bedroht, die Strukturen sind rechtlich nicht bindend. Win-WinSituationen sind so realisierbar, also passiert häufig auch nur das, was wenigKonflikte aufwirft. Nur mit der persönlichen Positionierung des Managersund entsprechender politischer Unterstützung kann auch in kritischenPunkten etwas bewegt, innovative Ansätze, die eben wegen ihrer Neuar-tigkeit noch nicht breit akzeptiert sind, umgesetzt werden. Erschwerendkann hinzu kommen, dass Projekte z.T. von der LAG im Auftrag derkofinanzierenden Gemeinden abgewickelt werden müssen. Die LAG-Ak-teure sind hier teilweise in mehr oder weniger ausgeprägten hierarchischenStrukturen massiver Einflussnahme ausgesetzt.

Viele erfolgreiche LAG-Manager klinken sich einerseits als eine Art „Street-worker der Region“ punktuell in die Diskussion ein, sind also hoch kommu-nikativ und offen für die Suche von Problemfeldern und Bedürfnislagen. Siesind auch für „verrückte“ Akteure und deren Ideen offen und somitgegenüber dem Experimentiercharakter der Initiative. Das ausschließlicheStreben nach sicherem wirtschaftlichen Erfolg und Konsens in allen Fällenlässt sonst „riskante“ Projekte mit großem Innovationspotential bereits imVorfeld scheitern. Andererseits sind aber viele Aktivitäten auf Projektebenemöglichst konkret mit straffem Zeitplan abzuwickeln, also auf ein enges Zielund die Problemlösung fixiert. Die Kunst liegt darin, phasenweise einenhierarchiefreien Raum zu schaffen, Ideen spielen zu lassen und erst dann denorganisatorisch-verwaltungstechnischen Rahmen darum zu gießen. Die

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Organisationsstrukturen in der LAG müssen aber auch, bei großer Transpa-renz bzgl. der Vorgehensweise, die Balance zwischen Beteiligung undEntscheidungsfähigkeit bieten. Dies verlangt situationsbezogen eine völligverschiedene Herangehensweise, die von wenigen oder nur einer Person inein und derselben Organisation zu leisten ist.

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Unternehmensnetzwerke von KMU alsAntwort auf den regionalen Strukturwandelund technologische Herausforderungen

Petra Gärtner

Netzwerke in Ostdeutschland erwachsen hauptsächlich aus Erfordernissendes anhaltenden wirtschaftlichen Strukturwandels, der insbesondere KMUauf dem Weg zur neuen Standortbestimmung im Markt und in der Regioneinerseits und zur Sicherung der Zukunftsfähigkeit der Unternehmenandererseits veranlasst, Kräfte zu bündeln und strategische Allianzen einzu-gehen. Netzwerke erweisen sich hier als Hilfsinstrument, um im regionalenund technologischen Kontext horizontal und vertikal nachhaltige Wirtschafts-strukturen und Austauschbeziehungen auf- und auszubauen.

Dabei spielt der Ausgleich von betriebsgrößenspezifischen und / oder struk-turellen Nachteilen eine zentrale Rolle. Unternehmensnetzwerke sind einegemeinsame Antwort der KMU und ihrer Partner auf den Wettbewerb undkonzentrieren sich auf:

• die Bündelung von Kräften zum gegenseitigen Vorteil

• gemeinsame Problemlösung durch effiziente Kooperationsbeziehungen

• die Schaffung eines innovationsorientierten Klimas in der Region.

Die Ergebnisse der Netzwerksarbeit schaffen Impulse für die Gestaltungnachhaltiger Wirtschaftsstrukturen und –beziehungen in den Regionen.Dabei geht es nicht um Hilfskonstruktionen für „Rettungsanker“ im zähenRingen im Wettbewerb sondern überwiegend um strategische Entscheidun-gen der Wirtschaftsakteure zur Standortsicherung und –entwicklung durchgemeinsame Erschließung von Potenzialen.

In Abhängigkeit von der inhaltlichen und strukturellen Ausrichtung derNetzwerke schlägt sich die gemeinsame Konzentration der Beteiligten aufwettbewerbsfähige Handlungsansätze in den Marktpositionen nieder.

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Als typische Netzwerkprofile haben sich herausgebildet:

1. Branchennetzwerke, die Konkurrenzsituationen nicht ausschließen undSynergien vor allem durch Bündeln von gleichen oder ähnlichen Kapazi-täten und Bedarfslagen schaffen

2. Netzwerke in der Wertschöpfungskette mit und ohne Hierarchisierung

3. thematische und regionale Netzwerke (z.B. KMU-Netzwerke zur Lösungvon Fachkräfteproblemen oder zur Etablierung eines regionalen Standort-marketings).

Netzwerke schaffen wichtige Impulse für betriebliche Arbeitsbeziehungen.Die Definition von Netzwerkaufgaben und –projekten erfordert eine einzel-betrieblich teilautonome Umsetzung als Baustein im Gesamtmosaik dergemeinsam abgestimmten Aktivitäten. Diese einzelbetrieblichen Reflexio-nen des abgesteckten Handlungsrahmens für das Zusammenwirken inNetzwerken treffen auf die bestehenden Arbeitsbeziehungen im Unterneh-men. In Abhängigkeit von Gegenstand und Zielsetzung der Netzwerkarbeitsetzen diese innerbetrieblichen Beziehungen jeweils die entsprechendenTeilaufgaben um bzw. unterliegen damit letztlich selbst Veränderungs-prozessen.

Dies erfolgt aus unserer Erfahrung in verschiedene Richtung:

a) Netzwerkarbeit führt dazu, dass in den einzelbetrieblichen Arbeits-beziehungen veränderte Prioritätensetzungen als Ergebnis eines Er-kenntnisprozesses ausgelöst werden, z.B. zum Stellenwert strategischerPersonalarbeit oder zum Aufbau eigener FuE-Kapazität

b) die betriebliche Arbeitsteilung wird in Abhängigkeit vom strategischenStellenwert der Netzwerkarbeit präzisiert, korrigiert oder neu koordiniert– ressortübergreifende Verantwortlichkeiten treten in den Vordergrund,z.B. Systemlieferanten in der Kooperation erfordern ganzheitliche Arbeits-organisation

c) in Abhängigkeit vom methodischen Vorgehen in der Netzwerkarbeit undderen inhaltlicher Ausrichtung bieten hierarchieübergreifende Problem-lösungsansätze Chancen für die Ausprägung einer beteiligungsorientiertenUnternehmenskultur, z.B. im Erfahrungstransfer der Unternehmen fürInnovationen in der betrieblichen Organisationsentwicklung im Ergebnisvon Investitionen oder neuen Kunden-Lieferantenbeziehungen

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d) die Sozialpartner begegnen sich auf der betrieblichen Ebene im gemein-samen Ringen um die Lösung von Sachfragen zur Gestaltung der Arbeits-beziehungen vor dem Hintergrund des gemeinsamen Handlungsrahmensim Netzwerk, z.B. Sicherung von Qualifizierungsstandards der Beschäf-tigten in Phasen des Firmenwachstums.

In Abhängigkeit von der Reichweite der Aufgaben eines Netzwerkes wer-den die Kernprozesse der einzelnen Netzwerkakteure berührt . So ist es einUnterschied, ob ein Netzwerk neue Produkt- und Verfahrensentwicklungzur Geschäftsfeldprofilierung fokussiert oder ob ein Netzwerk im Umfeld derProduktionsprozesse in den Feldern Aus- und Weiterbildung, Einkauf, ver-trieb und Marketing tätig wird. In letzterem wird eine Optimierung dieserproduktionsbegleitenden Geschäftsprozesse über das Netzwerk auch einzel-betrieblich erreicht. Gerade in diesen Bereichen erwachsen zusätzlichePartizipationspotentiale für die betrieblichen Akteure, teilweise hervorgeru-fen durch praktische Beispielgebung von anderen Netzwerkspartnern,teilweise als zwingende Voraussetzung für eine tragfähige Lösung vonKooperationsaufgaben. Hohe Anforderungen an Transparenz, Informationund Kommunikation zwischen den Netzwerkteilnehmern erzeugen häufigeinen notwendigen Veränderungsdruck in den Unternehmen.

Die betrieblichen Sozialpartner erweisen sich häufig in Netzwerken alsGestalter der Netzwerkaufgaben zwischen den Unternehmen und benöti-gen dafür eine breite Knowhow-Unterstützung. Dem trägt im FreistaatSachsen die Stiftung Innovation und Arbeit Sachsen mit entsprechenderHilfestellung für beide Seiten Rechnung. Unternehmensleitungen erhaltenUnterstützung bei der Formierung und im Management von Unternehmens-netzwerken und Kooperationen zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeitam Markt und Bruttowertschöpfung in der Region. Betriebsräte werden beider Ausgestaltung neuer, auch einzelbetriebliche Grenzen überschreiten-der Themen der Mitbestimmung und Koordinierung von Arbeitnehmer-interessen unterstützt (z.B. in Zuliefernetzwerken oder Branchennetz-werken). Diese Unterstützungsleistungen, teilweise parallel und abgestimmt,tragen letztlich zur Qualifizierung der Arbeitsbeziehungen im Netzwerkebenso bei wie zur Verbesserung der Kooperationsfähigkeit der Einzelunter-nehmen und ihrer betrieblichen Akteure. Es ist eine Herausforderung an dasjeweilige Netzwerkmanagement, diese Folgewirkungen der gemeinsamdefinierten Aufgabenstellung für die einzelbetrieblichen Arbeitsbeziehungenaufzugreifen und optimal zu unterstützen.

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Unsere Erfahrungen in der Unterstützung und Begleitung von Netzwerkenzeigen, dass an der Schnittstelle zwischen Netzwerk und einzelbetrieblichemNetzwerkakteur zwei Dimensionen von Lernprozessen ausgelöst werden:

A) Lernprozesse zur Organisation und Strukturierung von Kooperationenund Arbeitsbeziehungen in Unternehmensnetzwerken (Zusammenset-zung der Akteure, Grad der Verbindlichkeit, Projektcontrolling / Ergebnis-orientierung)

B) Lernprozesse zur inhaltlichen, thematischen Gestaltung von Netzwer-ken (Schaffung von Synergien zwischen verschiedenen Handlungs- undGestaltungsfeldern, z.B. Forschung und Entwicklung – Sicherung desFachkräftebedarfs – Branchenmarketing)

Diese Lernprozesse befähigen die Netzwerkteilnehmer zu einer ergebnis-orientierten Problemlösungskompetenz, die auf folgende Lernergebnissenzielt:

• Vertrauensbildung (Information und Kommunikation)

• Kooperationsfähigkeit (Konsensbildung, Grad der Verbindlichkeit)

• Transparenz der gemeinsamen Prozesse und Entscheidungen

• Ergebnisorientierte Schwerpunktsetzung (Nutzenorientierung).

Damit befördert das Lernen der Netzwerkakteure die innerbetrieblicheOptimierung der Austauschbeziehungen sowohl zwischen Hierarchien alsauch zwischen den Ressorts . Jeder Netzwerkpartner ist letztlich so gut, wieer in der Lage ist, die eigenen Potenziale zu mobilisieren, zu bündeln und neuauszurichten. Die gemeinsam gewonnene Problemlösungskompetenz „Ge-meinsam sind wir stark“ strahlt auf die Stärkung der einzelbetrieblichenPosition aus. Die gewonnene Flexibilität und am Bedarf ausgerichteteInteressenbündelung der Netzwerkakteure wirkt sich förderlich auf dieQualität und Ergebnisorientierung der Netzwerkarbeit aus.

Beispiel:Je präziser der innerbetriebliche Fachkräftebedarf ermittelt und charakteri-siert wird, desto besser ist eine Verknüpfung der verschiedenen Bedarfs-lagen gleicher Zielstellung für gemeinsame Projekte des Netzwerkes mög-lich. Das setzt die Erkenntnis im Netzwerk voraus, dass gemeinsameLösungen effektiver, wirksamer und nachhaltiger sind als unternehmens-

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spezifische Teillösungen mit begrenzter Umsetzung und Wirksamkeit. Über-alterte Belegschaften und ein Fachkräftedefizit bei gleichzeitigem Firmen-wachstum in Unternehmen einer Branche führen dazu, in der Abstimmungmit den einzelbetrieblichen Akteuren zu Kooperationsprojekten im Netz-werk zu kommen, die dem systematischen Personalaufbau und der Personal-qualifizierung in der Branchenspezifik für die Region entspricht. An dieserZielstellung wirken die Sozialpartner im Netzwerk engagiert mit. Nichtzuletzt werden durch diese Kooperationsprojekte des Netzwerkes betriebs-größenbedingte Kapazitätsengpässe reduziert und sogar neue regionaleDienstleistungen z.B. in Aus- und Weiterbildung aufgebaut.

Lernprozesse vollziehen sich in bestehenden bzw. geschaffenen Arbeits-beziehungen zielorientiert. Je verbindlicher eine gemeinsame Aufgaben-stellung im Netzwerk definiert ist, desto größer ist der Lerneffekt auf denbeiden Ebenen Netzwerk und Netzwerkakteur (Unternehmen).

Maßgebliches Kriterium für den Lerneffekt der Netzwerkakteure ist derGrad des Engagements - der Identifikation mit der Aufgabenstellung.Netzwerke sind in sich nicht homogen. Die Stellung der einzelnen Akteureist durch deren jeweilige Handlungsrahmenbedingungen, die Interessen-lagen und die Zielrichtung der Nutzenorientierung geprägt. Es gibt Protago-nisten in der Netzwerkarbeit und aber auch Unternehmen, die mit abgestuf-tem Engagement vom Nutzeffekt der Netzwerkarbeit profitieren. Schließlichsind in den Netzwerken auch Partner aufgestellt, die Dienstleistungs- undUnterstützerfunktionen verschiedenster Art übernehmen und teilweiseauch Impulsgeberfunktion übernehmen. Erfahrungsgeleitetes Lernen er-fährt in KMU-Netzwerkstrukturen einen spürbaren Bedeutungszuwachs.Sogenannte „AHA-Effekte“ lösen Hemmnisse im gemeinsamen Vorgehenauf und führen nutzenorientiert bewusst oder unbewusst zur stärkerenIdentifizierung mit den gemeinsam definierten Aufgabenstellungen unddamit letztlich zur besseren Bewältigung der eigenen Aufgaben und Leistungs-anteile.

Effekte aus den beschriebenen netzwerkimmanenten Lernprozessen sindvor allem :

• Unternehmensentwicklung durch Kooperation

• Aufbau von Innovationspotential in den Unternehmen und der Regiondurch Kooperation

• Einordnung des Unternehmensstandortes in die Region

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• Schaffung einer gemeinsamen Infrastruktur der Netzwerkakteure /Clusterbildung.

Mit der Stiftung Innovation und Arbeit Sachsen wirken in den RegionenSachsens Wirtschafts- und Sozialpartner auf der Ebene der Verbände,Gewerkschaften ebenso wie auf der betrieblichen Ebene bei derKonstituierung von Netzwerken in Sachsen initiierend und begleitend. Es istzu beobachten, dass im Verlauf der Netzwerkarbeit häufig Initiativfunktionenvon der institutionellen Ebene allmählich durch die betrieblichen Akteureabgelöst werden oder unternehmensnahe Netzwerkpartner wie Forschungs-und Entwicklungseinrichtungen als Unternehmensdienstleister diese Initiativ-funktion übernehmen. Beispielsweise ist die Problematisierung der Notwen-digkeit erweiterter regionaler und überregionaler Wertschöpfung, häufignoch gepaart mit der Erkenntnis über den erforderlichen Ausgleich struktu-reller Defizite durch politische Akteure ein Impuls für die Entstehung vonNetzwerken, der im Buttom-up-Ansatz aufgegriffen und ausgestaltet wird.Dies hängt stark mit der Identifikation von unternehmenskonkreten Auf-gabenstellungen in der Netzwerkarbeit zusammen. Infrastrukturelle undpolitische Unterstützung der Verbände und Gewerkschaften bleibt beste-hen und hat in Abhängigkeit von der Bedeutsamkeit der angestrebtenVorhaben auch einen hohen Stellenwert, z.B. durch paritätisch besetztebegleitende Beiräte, und stellt die notwendige Flankierung der Kernauf-gabenstellungen dar. Die Hauptverantwortung liegt dennoch bei den be-trieblichen Akteuren mit deren Kreativität und Engagement.

Dieser betriebliche Ansatz trägt zu stabilen Netzwerkstrukturen bei. Wirt-schafts- und Sozialpartner müssen für diese Form der Wirtschaftsbeziehungenqualifiziert werden, da ressortübergreifendes, regionales Herangehen er-forderlich ist und traditionelle Strukturen und Funktionen dem aktuellenHandlungsbedarf angepasst werden müssen. Die neu entstehendenBeziehungsgeflechte entsprechen häufig nicht diesen traditionellen Arbeits-beziehungen und Arbeitsteilungen. Hier erwächst ein Handlungsbedarf, derdarauf abzielt, neue Verbands- und institutionelle Aufgaben aus Netzwerk-erfahrungen und –erfordernissen abzuleiten und dabei auf neue Formen derZusammenarbeit und Kooperation zu reagieren und die bisher häufigausschließliche Systematisierungen der Arbeit ( z.B. nach Branchen, nachStandorten usw.) zwangsläufig zu korrigieren. Nicht zuletzt sind Unter-nehmensnetzwerke ein Weg über die Schaffung von Kompetenzknoten zurangestrebten Bildung von Clustern beizutragen und damit den ostdeutschenStrukturwandel aktiv durch die Wirtschaftsakteure mit zu gestalten.

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APPOLONIUS1 – Lernende RegionBerlin Marzahn-Hellersdorf- Eine Region lernt gemeinsam -

Klaus Jacob / Brigitte Stieler-Lorenz

1 Lernen im regionalen Bezug und in der Vernetzung

Im Titel dieses Beitrages wird die inhaltliche Verknüpfung von drei Aspektendeutlich, mit der sich differenzierte Erwartungen auf erhebliche Verbesse-rungen für das Lernen, Leben und Handeln von Menschen einer Region undfür die regionale Ökonomie verbinden:

1. Es geht um Lernen in seinen vielfältigen Formen unter Berücksichtigungder sich rasch verändernden Lernherausforderungen aus der gesell-schaftlichen Umwelt, der Arbeitswelt wie auch der persönlichen Lebens-welt des Einzelnen wie der Familien.

2. Es geht um die Be-Gründung von Lernen in einem dreifachen regionalenBezug:A. aus der Lebenswelt der Bürger und aus den Institutionen der Region

kommen Anforderungen an das Lernen der hier ansässigen und hiertätigen Menschen;

B. die Region / das Territorium entwickelt Bedingungen und Einrichtun-gen für das Lernen der Bürger weiter;

C. dieses Lernen nützt mit seiner Ergebnisform „Kompetenzentwicklungder Bürger“ sowohl den Menschen als auch der weiteren Entwicklungder Region.

3. Es geht darum, gemeinsames und lebensumfassendes Lernen in derRegion für unterschiedlichste Interessenten durch eine nutzbringendeVernetzung der Vielzahl von Verantwortungsträgern und Akteuren immerbesser zu ermöglichen und zu effektivieren.

1 Gleich dem griechischen Mathematiker Appolonius von Perge suchen die Akteure der Regionden „Kreis, der alle verbindet“

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Die Frage, die sich aus den genannten Herausforderungen ergibt, ist:Wie kann Lernen in der Region vernetzt werden?

2 Paradigmatische Trends in der Entwicklung von Lernenund der zunehmende Zwang zur Vernetzung

Die Bildungsforschung arbeitet seit längerem tiefgreifende Veränderungenklassischer Aus- und Weiterbildung in Verbindung mit dem Übergang vonder Industrie - in die Wissensgesellschaft heraus, die hier nur andeutungsweisebenannt werden können:

• Aus- und Weiterbildung verlaufen zunehmend in Interaktion mit derTätigkeit;

• es entwickelt sich eine neue Lernkultur in enger Verbindung mit der sichgravierend verändernden Arbeitskultur;

• Lernen ist zunehmend auf Kompetenzentwicklung2 der Menschen imSinne von anwendungsorientierten Kenntnissen, Fähigkeiten, Fertigkei-ten und Verhaltensweisen, insbesondere von Handlungsfähigkeiten füralle Lebensbereiche gerichtet, die nicht allein oder vorrangig überSchulungssysteme im Sinne von „Unterweisungslernen“ erworben wer-den können, sondern dem „Erfahrungslernen“ 3 breiten Raum einräumenmüssen;

• Kompetenzentwicklung schließt auch die Befähigung der Menschen zueinem weiteren, in eigener Verantwortung und Regie stattfindendenLernen ein;

• Lernen wird immer mehr geprägt durch eine sinnvolle Verknüpfung voninstitutionellem, fremdorganisiertem Lernen mit informellen, selbst-organisierten, selbstbestimmten Lernformen;

• Lernen durchdringt alle Lebensbereiche und -phasen des menschlichenLebens. Es wird in wirklich umfassendem Maße noch stärker als bisherschon zum lebensbegleitenden Lernen;

2 Qualifikations-Entwicklungs-Management (QUEM e.V.) (Hrsg.) 1992 ff, QUEM-Report/QUEMBulletin zur Kompetenzentwicklung, Münster, New York, Berlin, Waxmann

3 Donnenberg, Action Learning, Klett Cotta, Berlin 1999, S. 7

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• das hohe Tempo des Wissensumschlages und der weltweite Informations-zugriff drücken sich in der verstärkten Nutzung elektronischer Medien fürdas Lernen in verschiedener Art und Weise aus;

• kurze Innovationszyklen, zunehmend komplexer werdende Arbeitsinhalteund das Arbeiten in Teams über die Organisation hinaus - und diesregional, interregional bis international - zwingen zu einem Lernen, dasrasch ändernden Prozessen folgt sowie zu einer neuen Qualität desWissensaustausches, d.h. zu einem zeitnahen erkundenden, „entde-ckenden“ (ebenda) Lernen miteinander und voneinander;

• die Rolle der Lehrer, Ausbilder, Weiterbildungseinrichtungen muss sichunter diesen veränderten Bedingungen gravierend wandeln – vom Leh-renden - zum Berater und Begleiter des Lernenden;

• diese Lernbegleiter sollten in ihrer sich verändernden Rolle den Lernen-den zunehmend darin unterstützen, neue Lernziele zu definieren und ihnbefähigen, sich die erforderlichen verändernden Kompetenzen auchselbstbestimmt und selbstorganisiert anzueignen;

• aber auch die Lernenden selbst sind in diesen Prozessen vor neueHerausforderungen gestellt, um selbstbestimmt, sich selbst steuernd undauch reflektierend diese veränderten Kompetenzprozesse lebenslangbewältigen zu können.

Die hier nur kurz skizzierten grundsätzlichen Veränderungen in der Aus- undWeiterbildung erfordern vor allem, dass

• die vielen Lernverantwortlichen in der Aus- und Weiterbildung,

• die unterschiedlichen Planer / Gestalter / Finanzierer / Organisatoren /Verwalter von Lernen,

• die Anbieter der verschiedenen Lernmedien, die künftigen „Abnehmer“(Unternehmen und Organisationen) und nicht zuletzt

• die „Aneigner“ und „Konsumenten“ von Bildung, d.h. also die Lernendenselbst sich auf weitgehend vereinbarte und ergänzende Bildungsinhalte,-formen und -methoden verständigen, gemeinsame Lernkonzepte erar-beiten und diese arbeitsteilig vertreten.

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Das schließt ein, dass alle Akteure die zahlreichen Lernorte (Schulen, Aus-und Weiterbildungseinrichtungen, Unternehmen, Arbeitsplätze, Wohnorte,öffentliche Orte, aber auch virtuelle Lernorte – wie das Internet und auch dieIntra- und Extranets) als spezifische und sich ergänzende Orte des Lernensund der Kompetenzentwicklung begreifen, nutzen und gezielt den neuenAnforderungen entsprechend entwickeln.

Nur so kann zugleich den neuen Herausforderungen beim Übergang in dieWissensgesellschaft mit zugleich wachsenden Erfordernissen einer hohenBildungseffizienz, d.h. einem hohen individuellen, unternehmerischen undgesellschaftlichen Nutzen bei effektivem Mitteleinsatz entsprochen wer-den.

Diese Arbeitsteilung und Kooperation zwischen Lehrenden und Lernenden,aber auch denjenigen, die Bedingungen für adäquate Lehr- und Lern-kulturen in den verschiedenen Lernorten einer Region zu gestalten haben,ist am günstigsten über Netzwerke zu erreichen.

Netzwerke sind eine erprobte und mittlerweile bewährte Form desZusammenwirkens von verschiedensten Akteuren mit unterschiedlichenInteressen, um komplexe Leistungen, die ein Einzelner nicht effizient erbrin-gen kann, zu gewährleisten.

3 Zur Rolle regionaler Netzwerke

Die Region ist der Raum, in dem alle Verantwortungsträger und Akteure sichlokal zusammenfinden und die Einzelinteressen aller Beteiligten untereinan-der mit den regionalen Interessen so weit wie möglich in Übereinstimmunggebracht werden können.

So geht es z.B. darum,

• die Lebensqualität der Menschen zu verbesssern,

• die Bevölkerung und die Unternehmen an regionale Standorte zu binden,

• die regionale Infrastruktur besser zu nutzen und auszubauen,

• die Alleinstellungsmerkmale der Region besser auszuprägen, damit sie imregionalen Wettbewerb besser bestehen kann,

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• ein qualifiziertes und entwicklungsfähiges „Humanpotential“ potentiel-len Investoren und ansiedlungswilligen Institutionen zur Verfügung zustellen,

• und nicht zuletzt eine hohe Attraktivität der Region insgesamt nachhaltigzu sichern.

Diese Art des regionalen Netzwerkes kommt dem Infrastrukturverbund sehrnahe. 4

Auf diesen hohen Anspruch gründen sich auch die Erwartungen an eine„lernende Region“ und die dafür unerlässlichen regionalen Netzwerke mitihren spezifischen Verantwortungen, Möglichkeiten und dem zu erbringen-den Nutzen für die Kompetenzentwicklung der in einer Region lebendenMenschen.

Die bereits vorliegenden langjährigen Erfahrungen mit regionalen Netzwer-ken und deren wissenschaftliche Begleitung haben zur Identifikation vielerTypen und Arbeitsweisen von Netzwerken geführt5. Dennoch gibt es nochkeine definitorische Klarheit über die vielfältigen Netzwerkformen und dieentscheidenden Netzwerkmerkmale.

Aus der Forschung und aus den in den vergangenen Jahren gewonnenenErkenntnissen in direkt von uns (der CORE BUSINESS DEVELOPMENTGmbH) betreuten Netzen6 lassen sich folgende wesentliche Merkmale von

4 Flocken,P:Hellmann-Flocken,S.;Howaldt,J.;Kopp,R.;Martens,H::Erfolgreich im Verbund. Die Praxisdes Netzwerkmanagements, RKW-Verlag.2001. S. 33

5 Vgl. u.a. J. Sydow, A. Windeler (Hrsg.), Management interorganisationaler Beziehungen,Westdeutscher Verlag 1997; R. Wetzel, J. Aderhold, C. Baitsch, S. Keiser, Netzwerkmoderation-Betrachtungen aus der Innenperspektive, Arbeitspapier Nr.6 ifip Chemnitz 2000; S. Wirth, A.Baumann, Kooperationsmanagement in kundenorientierten regionalen Netzen, InstitutBetriebswirtschaft TU Chemnitz-Zwickau; verschiedene Beiträge in: D. Hoß, G. Schrick, DieRegion - Experimentierfeld gesellschaftlicher Innovation; Theoretischer Referenzrahmen desProjekts Kompetenzentwicklung in vernetzten Lernstrukturen – Gestaltungsaufgabe fürbetriebliche und regionale Sozialpartner, Universität der Bundeswehr Hamburg, 2001; NationaleUnterstützungsstelle ADAPT der Bundesanstalt für Arbeit, Unternehmensnetzwerke undregionale Netzwerke, 2001; O. Donnenberg, Neue Arbeitsstrukturen – neue Lernformen,Hinweise für die Einrichtung von Lernnetzwerken, Sonderdruck, im Original in H. Dekker,Netwerkend leren, Deventer, Kluwer, 1999).

6 K. Jacob, R. M. Lorenz, B. Stieler-Lorenz, Handlungsempfehlungen zum Aufbau vonNetzwerken. Erkenntnisse aus dem Projekt „Förderung der Innovationskraft durch Vernetzungder technologieorientierten Unternehmen miteinander und mit den Forschungspotentialen desWirtschaftsraumes Berlin – Pilotprojekt Marzahn / Hellersdorf als Teil des Stadtraumes Ost“. DasVorhaben wurde durch den Europäischen Fond für regionale Entwicklungen (EFRE) finanziert.Laufzeit des Projektes 01.01.2000 bis 31.12.2000.

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regionalen Lernnetzwerken ableiten, die auch bei der Konstruktion desNetzwerkes „APPOLONIUS! Lernende Region Marzahn-Hellersdorf“ eineRolle spielten7:

• Es handelt sich bei dem Entwicklungsprojekt „Appolonius!“ um ein„polyzentrisches regionales Netzwerk, das ein Zusammenwirken vonstaatlichen, kommunalen und privaten Institutionen, Vertretern der Sozi-alpartner, der Lehrenden und Lernenden sowie staatlichen und kommu-nalen Verwaltungs- und Förderungsinstanzen ermöglicht“8.

• Diese polyzentrischen interaktiven Netzwerke- sind nur begrenzt formell organisiert (in Anlehnung an Donnenberg,

a.a.O.),- bestehen aus rechtlich selbständigen Mitgliedern,- haben zeitweiligen Charakter,- sind auf eine vereinbarte spezifische Gegenstandsbearbeitung fokus-

siert,- von einer Reihe gleicher Interessen der Partner und von Vertrauen

getragen,- sie beruhen auf freiwilliger Teilnahme der Mitwirkenden,- sie orientieren sich auf Austausch mit dem Ziel von Win-Win-Situati-

onen- und können relativ schnell, selbstorganisiert wechselnden Herausfor-

derungen und Teilaufgaben nachkommen.

Die Überwindung von Grenzen und Problemen einer Zusammenarbeit inregionalen Netzwerken9 erfordern

• eine regelmäßige Kommunikation sowohl face to face als auch IT-gestützt,

7 K. Jacob, R. M. Lorenz, B. Stieler-Lorenz, Sachbericht zum Projekt „Förderung derInnovationskraft durch Vernetzung der technologieorientierten Unternehmen miteinander undmit den Forschungspotentialen des Wirtschaftsraumes Berlin – Pilotprojekt Marzahn /Hellersdorf als Teil des Stadtraumes Ost“. Das Vorhaben wurde durch den Europäischen Fondfür regionale Entwicklungen (EFRE) finanziert. Laufzeit des Projektes 01.01.2000 bis31.12.2000.

8 P. Faulstich, P. Vespermann. C. Zeuner, Regionale Kompetenznetzwerke undKooperationsverbünde im Bereich lebensbegleitenden Lernens, in: D. Hoß, G. Schrick, DieRegion, Experimentierfeld gesellschaftlicher Innovation, Westfälisches Dampfboot 2001, S. 145).

9 siehe u.a. P. Faulstich u.a. a.a.O. S. 145/147, S. Böhm-Ott, Vertrauen und Kooperation –Unternehmensnetzwerke in ihrem regionalen Kontext, in D. Hoß u.a. a.a.O. S. 124, sowie :Flocken, P: Hellmann Flocken, S.; Howaldt,J.; Kopp, R.; Martens, H: Erfolgreich im Verbund. . DiePraxis des Netzwerkmanagements,RKW-Verlag.2001

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• die ständige Überprüfung und Neubestimmung der Ziele und der verein-barten Schritte im Netzwerk,

• die adäquate Anpassung der beschlossenen Grundsätze und Regeln derZusammenarbeit an die sich im Laufe der Netzwerkarbeit veränderndenBedingungen und Ziele,

• die Sicherung der erforderlichen Transparenz der Arbeit des Netzwerkesnach außen,

• die abgestimmte Begrenzung von Einzelinteressen der beteiligten Akteu-re durch die Mitglieder des Netzwerkes und immer wieder neu vertrau-ensbildende Maßnahmen, die auch gemeinsame Zeit dafür erfordern.

An die Steuerung solcher Netzwerke werden, insbesondere wegen derhohen Verschiedenartigkeit der Interessen der Netzwerkakteure, besondershohe Anforderungen gestellt. Sie erfordern hohe Sensibilität gegenüberinstitutionellen Empfindlichkeiten und politischen Interessen bei hohemorganisationalen und politischem Legitimationsdruck.10

4 APPOLONIUS. Lernende Region Marzahn- Hellersdorf

Der Ansatz eines regionalen Netzwerkes und erste Erfahrungenseiner Umsetzung

„APPOLONIUS! Lernende Region Marzahn-Hellersdorf“ bildet entspre-chend diesen Erkenntnissen ein interorganisationales regionales Netzwerkmit dem Ziel, im Berliner Bezirk Marzahn – Hellersdorf11 Kräfte für einenachhaltige Kompetenzentwicklung der Bewohner und damit des Bezirkeszu bündeln, eine progressive Lernkultur und Lernmotivation zu aktivierenund so zur bewussten demokratischen Gestaltung der strukturellen gesell-schaftlichen und wirtschaftlichen Veränderungen maßgeblich beizutragen.Im besonderen Maße wird „Appolonius!“ Mittel und Wege entwickeln undfördern, die ein selbständiges, selbstbestimmtes, selbstorganisiertes Lernen

10 Vgl. Fußnote 4.a.a.O.11 Der Bezirk Marzahn/Hellersdorf hat mehr als 260.000 Einwohner (vergleichbar z.B. mit der Stadt

Halle) und verfügt über eine junge Altersstruktur sowie eine ausgeprägt gute Bildungsstrukturder Bevölkerung.

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der Menschen der Region sowohl aufgrund deren aktiver Lernhaltung alsauch durch die Entwicklung der entsprechenden sachlichen, räumlichen undinhaltlichen Bedingungen ermöglichen.

Im Ergebnis des BMBF-Projektes12, das zunächst in einer Planungsphaseläuft, die bei Erfolg in die eigentliche vierjährige Durchführungsphase mün-den soll, wird ein komplexes, regionales, nachhaltiges Lernnetzwerk existie-ren und weiter wirken, das aus dem Entwicklungskonzept des Bezirkesabgeleitet ist, auf den vorhandenen Vernetzungspotentialen und infrastruk-turellen Voraussetzungen des Lernens in der Region aufbaut, diese gezieltverknüpft und innovativ weiter entwickelt. Dabei geht es insbesonderedarum, die in der Region vorhandenen (Lern)Potentiale zu identifizieren, zuerschließen und zum Nutzen der Menschen in der Region miteinander zuvernetzen.

Sechs Partner aus der Region – Unternehmen und freie Träger - arbeitenunter der Projektleitung des Helliwood Medienzentrums Berlin NordOst imFörderverein für Jugend und Sozialarbeit auf der Basis einer Kooperations-vereinbarung zusammen. Hinzu kommen als Kompetenzpartner Vertreterdes Bezirksamtes, der Volkshochschule und des zuständigen Arbeitsamtes.Zahlreiche weitere Akteure sind in die Arbeit einbezogen.

Die Zusammenarbeit im Projekt ist so konzipiert, dass ein Lernrat die Aktivi-täten steuert. Er ist intermediärer Koordinator, stellt mit seinen Mitgliedern13

selbst ein Netzwerk dar, das seine eigenen Arbeitsmethoden entwickelt, diedann den „Basisnetzwerken“, die zu einzelnen Arbeitsgebieten gebildetwerden, zugrunde liegen. Neben der Abstimmung der vernetzten Aktivitä-ten sowie der Kontrolle des Projektfortschrittes trifft der Lernrat auch jeneEntscheidungen, in denen Projektabläufe erweitert beziehungsweise kon-kretisiert oder neue Partner einbezogen werden. Diese Konstruktion ent-

12 Das Projekt wird gefördert durch das BMBF, die Europäische Union, den EuropäischenSozialfonds sowie das Bezirksamt Marzahn-Hellersdorf; Schirmherrin von Appolonius! ist dieBundesministerin für Familie, Senioren Frauen und Jugend Dr. Christine Bergmann

13 zum Lernrat gehören:- Helliwood Medienzentrum Berlin Nordost(www.helliwood.de)- ABU, Akademie für Berufsförderung und Umschulung gGmbH (www.abu-ggmbh.de)- Bauakademie. Gesellschaft für Forschung, Entwicklung und Bildung mbH,

www.bauakademie.de- BDL, Computer+Software Systemhaus GmbH, www.bdlberlin.de- CORE,CORE BUSINESS DEVELOPMENT GmbH, Institut für Produkt- und Prozeßinnovation,

www.cbd-berlin.de- FIPP, Fortbildungsinstitut für die pädagogische Praxis, Mail: [email protected]

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spricht in etwa den auch in der Literatur angesprochenen erforderlichen„Supportstrukturen“ (Faulstich u.a., a.a.O. S. 147) oder „Dachorganisatio-nen“ als „ideelle Plattform“ der Netzorganisation (Böhm-Ott, a.a.O. S. 125).

Das eigentliche regionale Netzwerk besteht gegenwärtig aus fünf Teil-netzen. Für jedes dieser Teilnetzwerke trägt ein Partner aus dem Lernrat dieinhaltliche Verantwortung. Jedem Netzwerk ist ein Kompetenzpartner ausder Region zugeordnet (z.B. eine Wohnungsbaugesellschaft, eine Volks-hochschule) sowie jeweils ein politischer Verantwortungsträger aus demBezirksamt. Der Bürgermeister von Marzahn-Hellersdorf hat dem ProjektAppolonius! höchste Priorität für die Arbeit des Bezirkes zugeordnet. JedesTeilnetzwerk versammelt um sich weitere Kompetenzpartner, über derenZuordnung Im Lernrat beraten wird, und kooperiert selbständig mit einerVielzahl von weiteren Akteuren.

Das gesamte Netzwerk ist im Falle der Bewilligung der Durchführungsphasein seiner dann noch vierjährigen Laufzeit offen für das „Andocken“ und dieMitwirkung vieler weiterer Partner und ist somit auf Wachstum und Verän-derung ausgelegt.

Diese Konstruktion gewährleistet, dass ein breites Bündnis von interessier-ten, engagierten und qualifizierten Kooperationspartnern Maßnahmen ent-sprechend den vereinbarten Projektinhalten beschließt, realisiert und imjeweiligen fachlichen Verantwortungsbereich weiter verfolgt. Diese Netz-struktur dient vor allem dem interaktiven Transfer von Ideen und Erfahrun-gen sowie der Initiierung neuer Maßnahmen, Lernorte und Initiativen, dieLernen im regionalen Netz für die vielen Menschen im Bezirk fördern undermöglichen.

Die fünf gegenwärtig existierenden Teilnetzwerke sind:

Teilnetz 1 : Initiierung und Qualifizierung neuer Lernorte

Um im Sinne von lebensumfassendem Lernen nachhaltig Prozesse hin zueiner lernenden Region zu initiieren, müssen über die schon vorhandenenStrukturen hinaus neue Lernorte in verschiedenen Lebensbereichen aufge-schlossen werden. Lernen, besonders informelles Lernen, soll an vielenOrten ermöglicht werden, wozu auch sachkundige Beratung und eineadäquate technische Ausstattung der Räumlichkeiten gehört.

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Lernorte sind u.a.

• im Gemeinwesen die neuen Bürgerbüros,

• die Wohnung – hier besonders sog. Multimediawohnungen in einemBeispielwohnkomplex mit uneingeschränktem Zugang zur regionalen IT-gestützen Lernplattform über rückkanalfähige Kabelanschlüsse (sieheauch: webwohner.de),

• Schule u.a. Bildungsstätten – Schüler sollen die Möglichkeiten ihrerSchule über die „Normalschulzeit hinaus“ nutzen können, um selbstumfassend mit der IT – Technik kompetent zu werden, aber auch z.B. umihre Eltern, aber auch andere Bürger in der Arbeit mit neuen Medien zuunterstützen,

• die Unternehmen – über die regionale Lernplattform wird Mitarbeiterndie Möglichkeit des direkten Zugriffs auf relevante Informationen, wieAngebotsstrukturen, Forschungsergebnisse, Marktanalysen, Gesetzblät-ter usw. gegeben. Es ist die Entwicklung eines Lernverbundes mitUnterstützung des Marzahn-Hellersdorfer Wirtschaftskreises angestrebt,in dem sich Unternehmen gemeinsam lernend für Veränderungen entwi-ckeln können.

Im Rahmen dieses Teilnetzwerkes hat bereits im September 2001 ein sehrgut besuchtes Symposium stattgefunden, auf dem über die verschiedenenMöglichkeiten der Entwicklung von Lernorten sehr intensiv diskutiert wurde.Das reichte vom face to face- Lernen in der direkten Wohnumgebung, überdas Lernen in Kaufzentren oder auch Bürgerämtern bis hin zu kontroversenDiskussionen zum „ Lernen im Lernort Netz“ und den verschiedenen Formendes damit verbundenen E-Learning in der Wohnung, der Schule und imUnternehmen.

Teilnetz 2: Implementierung regionaler Kommunikations-und Lernplattformen

In Zusammenarbeit mit der öffentlichen Verwaltung Berlin- Marzahn-Hellersdorf, den Bildungsträgern im Netzwerk und durch die Unterstützungvon Wirtschaftsunternehmen sollen in der Region Kommunikations- undLernplattformen implementiert werden, die allen Beteiligten des Gesamt-vorhabens einen leichten Zugang und die vielfältige Nutzung innerhalb derverschiedensten Beispielvorhaben ermöglichen.

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Angedacht ist hier insbesondere:

• der Aufbau eines bezirklichen Kommunikationsnetzwerkes auf der Grund-lage der bestehenden hervorragenden technischen Netzstrukturen,

• die Entwicklung einer virtuellen Volkshochschule für das Lernen im Netz,

• ein einheitliches regionales Austauschsystem soll im direkten Kontakt mitden Nachfragern entstehen, um direkten IT-basierten Zugang zu Stellen-börsen, Materialpools, Wissensspeichern usw. zu ermöglichen,

• Entwicklung eines Marzahn-Hellersdorfer Lernforums.

Teilnetz 3: Entwicklung und Verankerung neuer Lernarrangements

Ziel dieses Handlungsfeldes ist es, primär innovative Lernformen und Lern-arrangements zu initiieren und weiter zu entwickeln, die das eigenständigeselbstgesteuerte Lernen als Voraussetzung für eine nachhaltigeBeschäftigungsfähigkeit und Lebensqualität zum Gegenstand haben.

In diesem Teilnetzwerk ist z.B. geplant:

• Entwicklung eines Lernmodells für selbstorganisiertes Lernen in derRegion unter Nutzung britischer Erfahrungen mit dem System „open andflexible learning“,

• Entwicklung eines „Sprungbretts (Wieder)Einstieg in die Berufsausbil-dung“ für jugendliche Berufsabbrecher unter Einsatz sozialpädagogi-scher Betreuung und innovativer Lernarrangements.

Im November 2001 hat im Rahmen der Projektrealisierung ein Symposiumzu diesem Thema in Marzahn-Hellersdorf stattgefunden. Dabei ging es u.a.um neue Formen der Zusammenarbeit zwischen Jugendhilfe und Schule, umdie Aktion „Noteingang für Jugendfreizeitstätten“, die als Teil der Aktionenfür die „Opfer rechter Gewalt“ zu verstehen ist, sowie um die Entwicklungeines Kieztreffpunktes für Kinder und Jugendliche an der Wuhle, bei der essich um den Umbau einer Plattenbaukinderkombination handelt. Stolzwaren die Veranstalter auch auf einen Life-chatt mit einer Bürgerinitiative inPorto Alegre (Brasilien), das Lernanregungen dafür brachte, wie BürgerInnenin Entscheidungen über Projekte ihrer Region einbezogen werden können.

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Teilnetz 4: Entwicklung regionaler Partnerschaftenund Lernbegleiter vor Ort

In diesem Teilnetz sollen neue Möglichkeiten der Unterstützung für dieBürger entwickelt werden, um ihre Fähigkeiten und Bereitschaften zumlebensbegleitenden Lernen weiter auszugestalten.

Dies umfasst u.a.

• in Zusammenarbeit mit dem zuständigen Arbeitsamt der Region denAufbau eines Fortbildungsprojektes für Lernbegleiter, um Fachkräfte alsUnterstützer für die vielfältigen Projekte der lernenden Region Marzahn-Hellersdorf heranzubilden.

• Dabei geht es sowohl um den Aufbau eines Tutorenpools für die Beglei-tung von IT-gestützten Lernprozessen, als auch um die Entwicklung vonLernbegleitern / Coachs. Diese sollen sowohl Lernbenachteiligten alsauch besonders Begabten begleitende Unterstützung beim lebensum-fassenden Lernen geben. Einen besonderen Schwerpunkt wird dabei dieEntwicklung von Lernbegleitern zur Unterstützung der etwa 20 000MigrantInnen in der Region bilden.Im April 2002 wird über die Entwicklung dieses anspruchsvollen Projektesin der Öffentlichkeit berichtet werden.

Teilnetz 5: Kampagne für lebenslanges Lernen in der Region

Wohl kaum eine Region kann ohne eine breite öffentliche Kampagnetatsächlich zu einer „Lernenden Region“ entsprechend den Anforderungenan das lebenslange Lernen möglichst aller seiner Bürger werden. Weiter-bildungsmarketing ist zwar noch ein junges und mit vielen Schwierigkeitenverbundenes Feld der Öffentlichkeitsarbeit, aber einige sehr erfolgreicheAnsätze, wie bundesweite Lernfeste, „das Hellersdorfer Projekt“ im Rah-men der Expo oder die Netd@ys zeigen, dass man durch kreative Ansätzesehr wohl in der Lage ist, tragfähige Brücken zwischen den attraktivenAngeboten der Anbieter und den Wünschen und Nachfragen der Nutzer zubauen.

Die Lernende Region plant dafür:

• Die Durchführung eines jährlichen Lernfestes zur Präsentation von Mög-lichkeiten des vernetzten Lernens und zur Aktivierung der Menschen fürihre Teilnahme an den unterschiedlichen Lernmaßnahmen.

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• Die Propagierung des Bezirkes als Lernende Region in der Öffentlichkeit.

• Das Netzwerk wird eine Zertifizierung „Akteur der lernenden Region“vornehmen, um eine hohe Qualität der Bildungsangebote durch Bildungs-träger, aber auch anderer Akteure bei der Unterstützung des lebens-begleitenden Lernens zu sichern.

Das im November an drei Tagen im Kaufzentrum „ Helle Mitte“ in Hellersdorfdurchgeführte Lernfest des Projektes „ Appolonius!“ mit dem Titel „HelleKöpfe in Helle Mitte. Braindays 2001“ - war mit seinen vielfältigen Veranstal-tungen und mehr als 4.000 Teilnehmern ein erster und voller Erfolg derÖffentlichkeitsarbeit dieses Projektes der Lernenden Region in Marzahn-Hellersdorf. An mehr als 50 Computern betätigten sich vor allem jungeLeute. Es war aber auch zu beobachten, wie Lernkontakte mit älterenBürgern dabei entstanden. „Englisch für Vorschulkinder“ war z.B. ebensoein Thema wie „ Multimedia für Senioren“, die „vernetzte Schule“ oderauch „Themen zum EURO“ u.v.a.. (weiteres siehe www.appolonius.de).Den krönenden Abschluss bildete ein Familientag, der auch von der Schirm-herrin von Appolonius, Frau Bundesministerin Dr. Christine Bergmann be-sucht wurde.

Die Arbeit im hier geschilderten regionalen Lernprojekt Appolonius, das,obwohl noch in der Planungsphase, bereits überzeugende Aktivitäten zeigt,soll auch - in Weiterführung bereits vorliegender Erfahrungen – wissen-schaftlich fundierte verallgemeinerungsfähige Aussagen über den Nutzenvon regionalen Lernnetzwerken für die beteiligten Menschen wie auch fürdie gesamte Region treffen. Deshalb wird das Projekt auch wissenschaftlichbegleitet14 und unterzieht sich auch einer Eigenevaluation.

Die vorhandene Literatur zum Thema wie die bisherigen Erfahrungen im hiergeschilderten Projekt zeigen:

Das Management solcher Netzwerke und die von den Akteuren getrageneForm der vertrauensvollen Kooperation - trotz marktwirtschaftlichkonkurrenzieller Bedingungen - sowie die kommunale Unterstützung sol-cher komplexen regionalen Vorhaben sind letztlich die entscheidendenVoraussetzungen für deren Gelingen.

14 Durch CORE BUSINESS DEVELOPMENT, Prof. Dr. sc. B. Stieler-Lorenz

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Netze, nichts als Netze

Einige Anmerkungen zur Förderung von undmit Netzwerken in den neuen Bundesländern

Rolf Schmachtenberg

Neulich, bei einer Besprechung von Hochschullehrerinnen und -lehrern mitMitarbeiterinnen und Mitarbeitern der brandenburgischen Ministerien fürWissenschaft und Arbeit, in dem es um Optionen zur Verbesserung derberuflichen Weiterbildung durch neue Formen der Kooperation zwischenHochschulen und Arbeitsförderung ging, streifte das Gespräch mehrfach,gerade zu zwangsläufig, den Begriff Netzwerke. Jeder, der darauf zusprechen kam, stellte zunächst klar, dass ihm dieser Begriff wenig sympa-thisch sei, er ihn als irreführend empfände, aber ja gleichwohl jeder in derRunde wisse, was er damit meine. Welches Spannungsfeld verbirgt sichhinter solchen merkwürdigen Distanzierungen von einem offenbar dochzentralen Begriff?

Auch mehr als 10 Jahre nach der Vereinigung Deutschlands, die fürOstdeutschlands Wirtschaft und Gesellschaft so etwas wie ein harter Bruchmit zahlreichen Chancen war, ist Ostdeutschland ein Ziel-1-Gebiet der EU-Strukturfondsförderung. Sein durchschnittliches Bruttoinlandsprodukt proKopf liegt unterhalb 75 % des EU-Durchschnitts. Wirtschaftskraft undVerbrauch befinden sich in einem Ungleichgewicht: in einem Gegenwertvon rund 75 Milliarden Euro werden in den neuen Bundesländern jährlichmehr Waren und Dienstleistungen konsumiert, als produziert.

Bundesweit wirksame Systeme des Finanzausgleichs, organisiert im Rah-men des Steuer- und Sozialversicherungssystems, leisten den im Hinblick aufdas Verfassungsgebot der Angleichung der Lebensverhältnisse notwendi-gen Transfer von Kaufkraft. Darüber hinaus wurden von EU, Bund undLändern viele Förderprogramme aufgelegt, die mittelbar und unmittelbar indas wirtschaftliche Geschehen eingreifen und Impulse für den „AufbauOst“, wie es nun schon seit mehr als 10 Jahren heisst, geben. Eine Übersichtüber diese Aktivitäten gibt der „Jahresbericht 2001 der Bundesregierungzum Stand der Deutschen Einheit“, Bundestagsdrucksache 14/6979 vom 26.September 2001.

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1990 war Eile geboten. Daher wurden im Hinblick auf den erwartetenWirtschaftszusammenbruch für Ostdeutschland zunächst Förderprogrammekonzipiert, die auf eingeführte westdeutsche Regelungen und Programmeaufbauten. Durch Modifikation, wie z. B. geringere Auflagen bezüglich zuerbringender Eigenanteile, wurden sie auf die ostdeutschen Verhältnisseangepasst. Bis 1994/95 nahm die Entwicklung die erwartete Form an: Einemscharfen Zusammenbruch folgte nach einer kurzen Phase der Konsolidie-rung von 1992 bis 1994 eine Phase raschen Wachstums, so dass auch dieBeschäftigung - wenn auch auf deutlich niedrigerem Niveau als 1989/90 -wieder zunahm. Doch ab 1995 verlangsamte sich die Entwicklung. Seit1997öffnete sich dann sogar die Schere wieder, das Bruttoinlandsprodukt wuchsund wächst in Westdeutschland schneller als in Ostdeutschland. Spätestensab diesem Zeitpunkt musste hinterfragt werden, ob die Förderprogrammegerade auch im Hinblick auf die ostdeutschen Rahmenbedingungen tauglichsind.

• Sind die Förderprogramme klar zielorientiert?

• Entfalten die Förderprogramme eine nachhaltige Wirkung in dem Sinne,dass sie Effekte auslösen, die über den letzten Tag des Förderzeitraumesauch deutlich hinausreichen?

• Wie hoch ist die Wirksamkeit der jeweiligen Förderprogramme auf dieBeschäftigung?

• Inwieweit sind die Förderprogramme finanziell attraktiv durch „Hebel-effekte“, mit denen jeweils Mittel Dritter einbezogen und mitbewegtwerden?

Beispielhaft für diese Art der Prüfung der Förderprogramme sei hier anAktivitäten aus Brandenburg erinnert. Im Januar 1996 beschloss die Landes-regierung eine Arbeitsplatzstrategie, mit der die Förderaktivitäten allerRessorts der Landesregierung auf das Ziel einer Erhöhung der Beschäftigungs-wirksamkeit ausgerichtet wurden. Es wurde versucht, systematisch direkteund indirekte Arbeitsplatzeffekte der Förderung zu analysieren. EinFörderprogrammausschuss wurde eingerichtet, der zu einer Koordinationder Förderpolitik beiträgt. Alle Kabinettvorlagen müssen seit diesem Zeit-punkt ausweisen, wie sich die vorgeschlagenen Entscheidungen auf dieBeschäftigung im Land auswirken würden. Große Anstrengungen auchkreativer Verwaltungskunst wurden unternommen, um zu einem „intelli-genten Fördermix zu kommen“. EU-, Bundes- und Landesmittel wurdenressortübergreifend kombiniert, um Synergien freizulegen. Ein besonderes

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Augenmerk wurde darauf gerichtet, wie vom Land verwaltete Förder-programme auch mit Förderungen der Bundesanstalt für Arbeit verknüpftwerden können; etwa im Bereich des Städtebaus, des Infrastrukturausbausund der Flächenkonversion.

Hierbei darf nicht verkannt werden, dass diese Aktivitäten ihren stärkstenImpuls aus der Notwendigkeit zur Einsparung von Landesmitteln erhielten.Die Erfahrung lehrte, dass die Schranken der Ressortskulturen erst dannaufgebrochen werden, wenn die ressortsspezifischen politischen Ziele ohnedie Unterstützung und ohne die Kooperation der anderen Ressorts finanziellnicht mehr verfolgbar waren.

Als ein weiteres Instrument zur Verstärkung der Förderwirksamkeit wurdedie Konzeption der Netzwerke an vielen Stellen nahezu zeitgleich neu(wieder-?) entdeckt. Indem an die Vergabe von Fördermitteln die Bildungeines Netzwerkes der jeweils relevanten Akteure gebunden wurde, über-nahmen die Netzwerke für den Förderer mehrere Funktionen.

1. Einen Beitrag zur Einbettung des Vorhabens in der jeweiligen Region.

2. Einen Beitrag zur Koordination des Vorhabens bezogen auf den jeweilsangesprochenen Sektor.

3. Ein Vehikel für angestrebten Ergebnistransfer.

4. Eine mögliche breite Einbindung von Akteuren auch zur Eindämmung vonpotenzieller Kritik.

5. Verstärkungsfunktion für die Öffentlichkeitsarbeit.

Im Zuge der Reform des Landesprogramms „Qualifizierung und Arbeit fürBrandenburg“, dem im Wesentlichen aus Mitteln des Europäischen Sozial-fonds gespeisten Arbeitsförderprogramm des Landes Brandenburg, wurdezur Jahreswende 2000/2001 eine systematische Verknüpfung von Förde-rung und Netzwerkansatz vorgenommen. Im Ergebnis der Reform könneninsbesondere die folgenden Beispiele genannt werden, die zum Teil auch aufErfahrungen aufbauen, die in den Vorjahren gesammelt wurden:

• In der Förderung der betrieblichen Ausbildung dominiert nunmehr end-gültig die Förderung von Ausbildungsverbünden. Durch den Zusammen-schluss mehrerer Betriebe untereinander oder auch mit einem Bildungs-träger wird die betriebliche Ausbildungskapazität erweitert und qualita-

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tiv verstärkt. Die Ausbildungsverbünde haben eine klare Netzwerk-struktur. Sie können die Basis bilden für weitergehende Kooperationender im Ausbildungsverbund zusammengeführten Unternehmen.

• In der Förderung der Existenzgründung aus der Arbeitslosigkeit wurdendie Lotsendienste eingeführt. Im Fordergrund steht nicht mehr wie zuvordie Bezuschussung von Qualifizierungs- und Beratungsmaßnahmen, son-dern vorrangig ein Lotsenservice für arbeitslose Arbeitnehmerinnen undArbeitnehmer, die für sich die Möglichkeiten der Existenzgründungprüfen und sie gegebenenfalls vorbereiten. Aufgabe der Lotsendienste,in der Regel angesiedelt bei Einrichtungen der regionalen Wirtschafts-förderung oder den Kammern, ist es, ein Netzwerk in einer Region für dieUnterstützung der potenziellen Existenzgründer zu bilden, zu pflegenund die Existenzgründer durch das Netzwerk zu „lotsen“. Region wirdhierbei mit Landkreis bzw. kreisfreier Stadt gleich gesetzt. Der Lotsen-dienst kann durch die auf den einzelnen Existenzgründer abgestimmteKombination der unterschiedlichen Qualifizierungs- und Beratungs-leistungen ein auf ihn optimal zugeschnittenes Unterstützungspaketerschließen.

• Zur Unterstützung des Gender-Mainstreaming-Prinzips fördert das LandBrandenburg in 14 Kreisen bzw. kreisfreien Städten Regionalstellen fürFrauen und Arbeit. Ihnen obliegt es, die verschiedenen regionalen Einrich-tungen zur Wirtschafts-, Struktur-, Arbeits- und Qualifizierungsförderungunter dem Aspekt des Gender-Mainstreams zu vernetzen und für seineAufgabenstellung zu sensibilisieren.

• In Brandenburg fördert das Arbeitsministerium bereits seit 1992/93 einlandesweites Netz an regionalen Informations- und Beratungsstellen fürberufliche Weiterbildung. Die Beratungsstellen wurden zunächst mit jeeinem Standort in den fünf Arbeitsamtsbezirken des Landes eingerichtet;später sind drei Außenstellen hinzugekommen. Neben ganzheitlicherindividueller Beratung zu Fragen der beruflichen Weiterbildung wird auchBetrieben Beratung angeboten. Die Beraterinnen und Berater arbeitenmit allen an der beruflichen Weiterbildung beteiligten Stellen in derRegion zusammen. Im Zuge der Programmreform wurde die Aufgaben-stellung dahingehend verändert, dass sie nun den Aufbau eines flächen-deckenden Informations- und Kommunikationsnetzes umfasst, das alsPlattform regionaler Kooperationen und Aktivitäten dienen soll. DieWeiterentwicklung der regionalen Kooperationszusammenhänge zuNetzwerken wird als ein tragfähiger Ansatz betrachtet, um regionale

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Qualifizierungsstrategien zu formulieren und systematisch Qualifizierungs-bedarfe zu ermitteln.

• Mit einem neuen Ansatz der Projektförderung, den Wettbewerben derso genannten INNOPUNKT-Kampagnen, enthält das Landesprogramm„Qualifizierung und Arbeit für Brandenburg“ nun die Möglichkeit, jährlichzu drei bis vier Themenbereichen Wettbewerbe durchzuführen, mitdenen Vorschläge zur Lösung einer Aufgabenstellung eingeworbenwerden. Je Wettbewerb werden in der Regel fünf bis sechs Projekteausgewählt, für die dann insgesamt ca. 2 Millionen Euro an Förderung füreinen Zeitraum von bis zu zwei Jahren bereitstehen. Insgesamt werdenfür das INNOPUNKT-Programm im Zeitraum von 2000 bis 2006 50Millionen Euro aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds und des Landeszur Verfügung gestellt. Mittlerweile hat das brandenburgische Arbeits-ministerium vier Kampagnen auf den Weg gebracht:

1. „Moderne Arbeitszeiten für Brandenburg - Förderung von Initiativen zurflexiblen Arbeitszeitgestaltung und zum Abbau von Überstunden“.

2. „Frauen in IT-Berufen - Frauen-IT-Kompetenz für Brandenburg“.

3. „Qualifizierung nach Maß in Brandenburg - Förderung von Netzwerk-initiativen zur vorausschauenden Qualifikationsbedarfsermittlung undpassgenauen Qualifizierung“.

4. „Neues Lernen Made in Brandenburg - Modelle neuer Lernform derberuflichen Bildung zur Unternehmens- und Arbeitsplatzsicherung“.

Anliegen dieser Kampagnen ist es, zunächst ein bestimmtes Thema, einebestimmte Problemstellung in der Öffentlichkeit stärker publik zu machenund zugleich zu konkreten Problemlösungen aufzurufen. Klar ist, dass diejeweilige Problemstellung in der Regel nicht allein durch fünf ausgewählteModellvorhaben gelöst werden können. Umso wichtiger ist es, von vorneherein sicherzustellen, dass die Ergebnisse aus den Modellvorhaben Drittenzur Verfügung gestellt werden und im Land - und möglicherweise auchdarüber hinaus - transferiert werden können. Nicht zuletzt aus diesemGrund ist es für die Bewerbung in einer INNOPUNKT-Kampagne ratsam, aufNetzwerk-Verbindungen hinzuweisen, auf die dann sowohl bei der Durch-führung als auch beim späteren Transfer der Projektergebnisse zurückge-griffen werden kann. Darüber hinaus ist in der dritten Kampagne sogar die

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Förderung von Netzwerkinitiativen explizit Gegenstand der Vorhaben. DieGrundidee hierbei war, dass in einem Netzwerk aus Betrieben, wissen-schaftlichen Einrichtungen und Bildungseinrichtungen am besten künftigeQualifizierungsbedarfe ermittelt und dann passgenau Qualifizierungs-maßnahmen entwickelt werden können.

Diese Liste der fünf Beispiele aus dem Landesprogramm „Qualifizierung undArbeit für Brandenburg“ (Ausbildungsverbünde, Lotsendienste für Existenz-gründer, Regionalstellen Frauen und Arbeit, Informations- und Beratungs-stellen für berufliche Weiterbildung, INNOPUNKT-Wettbewerbe) ist nichtabschließend, sondern nur exemplarisch. In jedem einzelnen Förderpunkterscheint es sinnvoll und allzu notwendig, die Förderung jeweils entwederregional in Netzwerkbezügen oder aber auch sektoral - etwa bei denINNOPUNKT-Kampagnen zu Arbeitszeitgestaltung, IT-Berufen oder Qualifi-zierungsbedarfen oder neuen Lernformen - einzubetten.

Dabei wurde in der Weiterentwicklung des Landesprogramms von derAnnahme ausgegangen, dass Netzwerke für die gemeinsame Strategie-entwicklung und Problemlösung geeignet sind, zu der insbesondere einzelneKlein- und Mittelunternehmen auf sich allein gestellt nur sehr beschränkt inder Lage sind. In Netzwerken bringen die beteiligten Partner unterschiedli-che Kompetenzen und Erfahrungen ein, durch die neue und innovativeLösungswege analysiert und umgesetzt werden können. Insofern kommtNetzwerken eine große Bedeutung bei der Gestaltung zukunftsfähigerWettbewerbsstrategien zu. Wissenschaftliche Untersuchungen und Praxis-beispiele zeigen, dass Netzwerke dann erfolgreich sind, wenn es gelingt,Konkurrenz und Zusammenarbeit miteinander zu vereinbaren sowie Stabi-lität und Kontinuität durch gegenseitiges Vertrauen zu gewährleisten.Netzwerke setzen jedoch sorgfältige Planung, engagierte Partner, geeigne-te Arbeitsformen und ein kompetentes Netzwerkmanagement voraus.

Doch bei aller Überzeugung von der Sinnhaftigkeit des Netzwerkansatzesbesteht nunmehr zunehmend die Gefahr einer Netzwerk-Diffusion, die überkurz oder lang zu einer Art Netzwerkverdruss führen kann. Ich habe denEindruck gewonnen, dass dieser sich andeutende Verdruss in Ostdeutsch-land aber noch tieferliegende Ursachen hat.

Die Vereinigung 1990 brachte nicht nur einen Bruch in der Wirtschaft, in dervon einem Tag auf den anderen von einer staatlich gesteuerten Planwirt-schaft zu einer Marktwirtschaft umgeschaltet wurde. Zeitgleich verloren diealten Netzwerke zumindest offiziell jegliche Bedeutung, häufig wurden sie

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noch eine Weile lang als „alte Seilschaften“ beargwöhnt. Das zusammen-gebrochene Wirtschaftssystem war Teil eines expliziten Netzwerkesystems,in der neuen Wirtschaftsordnung herrschen meines Erachtens stärker ver-steckte oder verdeckte (implizite) Netzwerkstrukturen vor.

Das Nebeneinander von staatlicher Organisation, Parteistruktur und gesell-schaftlichen Organisationen, insbesondere dem FDGB, hatte in der DDR einenges Geflecht von Netzwerken geschaffen, das dem Informationsfluss undder Herrschaftsausübung diente. Doch auch das westliche System derMarktwirtschaft ist nicht frei von Netzwerkstrukturen, über die informellund zum Teil sehr wirkungsvoll Informationen ausgetauscht und letztlichauch Macht ausgeübt wird. In Frankreich werden insbesondere durch dieRekrutierung der jungen Leute für die nationalen Eliteschulen ganz offen-sichtlich frühzeitig die Grundlagen für starke Verbindungen gelegt, die aufder persönlichen Ebene zu Vernetzungen führen, die dann in der Regel einganzes Berufsleben lang tragen. In England erfüllt diese Funktion einebestimmte Auswahl guter und anerkannter Universitäten, die bekanntestensind Oxford und Cambridge. Ähnliches kann von den USA mit seinem Netzder sogenannten „Efeu“-Universitäten berichtet werden. Das westdeut-sche System kennt die Institution der Elite-Hochschulen nicht. Doch auchhier bilden sich im Kontext von Schule und Hochschule frühzeitig dieVerbindungen heraus, die als implizite Netzwerkstrukturen tragen. Studen-tenverbindungen leisten dies ganz offensichtlich. Doch auch jenseits dieserEinrichtungen, die nur relativ wenige Studierende erreichen, bilden sichinsbesondere längst der einzelnen akademischen Fächer Netzwerke überden Austausch zwischen den Hochschulen etwa auf Fachkonferenzen.Daneben spielt sicherlich in Deutschland das Verbands- und Vereinsweseneine ganz zentrale Rolle in der Formierung von informellen Netzen.

Hier musste zumindest in Kategorien des neuen Systems in Ostdeutschland1990/91 fast bei Null wieder angefangen werden. Die etablierten altenNetzwerke waren ja aufgrund ihrer engen Verquickung mit der Herrschafts-ausübung im sozialistischen System nicht mehr brauchbar. Wie viele andereSchlüsselkompetenzen, die zu einem Leben im Realsozialismus notwendigwaren, waren auch sie über Nacht wertlos geworden. Und bis heute ist esnach meiner Ansicht nicht gelungen, in Ostdeutschland regional und sek-toral tragfähige Netzwerke zwischen den Akteuren aufzubauen, die an dieQualität westdeutscher heranreichen.

Man mag gegen die hier vorgetragene Einschätzung einwenden, es würdenvon mir zwei doch strikt zu unterscheidende Begriffe von Netzwerken nicht

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analytisch klar genug voneinander abgegrenzt: Einerseits das explizit einge-richtete Netzwerk mit einem klaren Inhalt (eines Projektes, etwa fixiert ineinem Auftrag oder Zuwendungsbescheid) und zumindest teilweise vorge-gebener Struktur (Verantwortlichkeiten, Abläufe). Andererseits implizit be-stehende Netzwerke, die mal gänzlich ruhen, mal gerade auf der informel-len Ebene sehr aktiv und fruchtbar sein können. Tatsächlich vermischen undüberlagern sich aber auch in der Praxis beide Arten von Netzwerken. Undexplizit eingerichtete funktionieren gerade dann gut, wenn sie aus implizitschon vorhandenem geknotet werden. Ganz abgesehen von der sprachli-chen Unschärfe, die ebenfalls diese Verknotungen begünstigt.

So folgerichtig es erscheint, in Ostdeutschland den aufgrund des Umbruchs1990 eingetretenen Mangel an funktionierenden Netzwerken durch dieVerknüpfung von Förderung mit Netzwerken zu mildern, so bleibt dochfraglich, wie wirkungsvoll dies sein kann. Denn tragfähige Netzwerke sindwohl häufig gerade diejenigen, die eher implizit bestehen, auf die jeder Zeitim Bedarfsfall zurückgegriffen werden kann, die aber nicht einer ständigenstarken Pflege bedürfen. Und diese implizit bestehenden Netzwerke sinddann oft solche, die von in Westdeutschland sozialisierten Personen geprägtwerden. Somit sehe ich zusammenfassend letztlich drei Gründe für einenzunehmenden Verdruss über die Netzwerk-Förderung in Ostdeutschland:

1. Der Zwiespalt darüber, ob etwas, dass implizit und allmählich wachsenmuss, explizit herbeigefördert werden kann.

2. Das Gefühl, abgeschlagen zu sein gegenüber den ständig zum Vergleichherangezogenen westdeutschen Strukturen, in denen ja die Netzwerkeder guten Beziehung sichtlich funktionieren.

3. Das schlichte Problem, das entsteht, wenn des Guten zu viel getan wird.

In der Tat - dies sei noch zu dem dritten Punkt zugefügt - wird in Ostdeutsch-land inzwischen von vielen unterschiedlichen Förderern in vielfacher Weisedie Etablierung von Netzwerken gefördert. Und es ist mittlerweile davonauszugehen, dass sich immer wieder dieselben in den Regionen besondersaktiven Partner in den verschiedenen Netzwerken zu unterschiedlichenThemen wieder begegnen. Netze, nichts als Netze sind zu befürchten, indenen sich dann letztlich auch Entwicklungen sprichwörtlich verheddernkönnen. So merkwürdig dies zunächst vielleicht klingen mag, halte es ich esfür zunehmend überlegenswert, stärker auf ein systematisches Netz derNetze hinzuwirken. Überschneidungen können vermieden werden. Regio-

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nen übergreifend kann Erfahrungs- und Wissenstransfer zum Beispiel auchin der Netzwerkmoderation geleistet werden. Diese Überlegung für denBereich der beruflichen Qualifizierung aufgreifend wird das BrandenburgerArbeitsministerium im 3. Quartal 2002 alle Lern- und Qualifizierungsnetzwerkeim Land (unabhängig davon, ob und wie sie durch wen gefördert werden) zueiner Veranstaltung einladen, um so einen Beitrag zur Vernetzung der Netzezu leisten.

Wie weit der von mir wahrgenommene Netzwerkverdruss verbreitet ist,welche Ursachen ihm zugrunde liegen und welche Hemmnisse für dieEntwicklung Ostdeutschlands hieraus resultieren, könnte Thema einesmöglicherweise interessanten Forschungsprojektes sein. Mit den hier vorge-tragenen Anmerkungen konnte das Thema nur angerissen werden.

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... zur Weiterbildung undKompetenzentwicklung

Qualifizierungsnetzwerke im Wandel -Unternehmensnetzwerke auf dem Weg zuregionalen Kompetenznetzwerken

Ingo Benzenberg / Rolf Dobischat

1 Vorbemerkung

Die Ressource Humankapital hat sich in den letzten Jahren in Politik,Gesellschaft und in der Wirtschaft als „weicher“ Standortvorteil zunehmendetabliert. Der Weiterbildung im Sinne des lebensbegleitenden Lernens wirdvielfach eine bedeutendere Funktion zugeschrieben als der beruflichenErstausbildung.

Die Relevanz der vom Betrieb initiierten oder finanzierten Weiterbildungresultiert dabei aus mehreren, ineinander greifenden Entwicklungen, dieaber vor allem durch den sich rapide entwickelnden technischen undtechnologischen Fortschritt und die zunehmende Globalisierung der Märktegeprägt sind und sich deutlich auf Veränderungen von Arbeitsstrukturen undArbeitsorganisationen auswirken (vgl. Weiß 1994). In dieser Argumentationwird davon ausgegangen, dass qualifiziertes Personal einen effektiven,weitgehend störungsfreien Arbeitsablauf ermöglicht und die Umsetzungbetrieblicher Reorganisationsmaßnahmen ermöglicht bzw. fördert. Somitwird die betriebliche Weiterbildung heutzutage auch nicht mehr ausschließ-lich als Prozess der Personalentwicklung verstanden, sondern zunehmendals Gestalter und Initiator von betrieblichen Reorganisationsprozessen (vgl.Dobischat 1999a) gesehen.

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Im Boom der beruflichen Bildung wurde aber auch deutlich, dass besondersdie betriebliche Weiterbildung erhebliche Kosten verursacht und viele,besonders Klein- und Mittelbetriebe, nicht in der Lage sind, die benötigtenfinanziellen Mittel für Weiterbildungsplanung, die Freistellung der Mitarbei-ter und die Kosten des Lehrpersonals zur Verfügung zu stellen. Um gleichenWettbewerbsbedingungen wie Großunternehmen zu unterliegen, ist es fürKlein- und Mittelbetriebe notwendig, zu agieren. Kooperationsbeziehungenzwischen Unternehmen wurden vielfach als innovationsfördernd und alsden Bereich der betrieblichen Weiterbildung befruchtend angesehen. Wiezur theoretischen Begründung der Vorteilhaftigkeit von Kooperationen inanderen Wissenschaftsdisziplinen werden auch für den Bereich von betrieb-lichen Netzwerken in der Weiterbildung ökonomische (Grenzdörffer 1996)sowie lernprozessförderliche Aspekte herangezogen.

2 Betriebliche Qualifizierungsnetzwerke

2.1 Betriebliche Netzwerke als Zugangsmöglichkeit zuWeiterbildung für Klein- und Mittelbetriebe

Legt man das Hauptaugenmerk zunächst auf eine effizient organisierte unddurchgeführte Weiterbildungsmaßnahme, dann wird mit dem Transaktions-kostenansatz ein theoretisches Modell zur Verfügung gestellt, welchesKosten zu minimieren versucht. Der Ansatzpunkt dieser Betrachtungsweiselässt sich aus der Problematik ableiten, dass das System der Weiterbildungaufgrund verschiedenster Anbieter und Nachfrager und der daraus resultie-renden Informationsdefizite aller Beteiligten sehr intransparent ist.

Innerhalb der Transaktionskostentheorie sind die Kosten für das Zustande-kommen des Gutes Weiterbildung von Relevanz. Den Weiterbildungs-maßnahmen vorangestellten Kosten wie Informations-, Such-, Verhand-lungs- und Vertragskosten sind Kosten zu differenzieren, die für die Ab-sicherung, Durchsetzung und Anpassung von Transaktionen in der Weiter-bildung anfallen. Jene, den Weiterbildungsmaßnahmen vorangestellte Kos-ten fallen regelmäßig bei den Nachfragern von Weiterbildung an und sindaufgrund der Intransparenz am Markt sowie der Diffusität der nach-gefragten Spezifika in ihrer Größenordnung nicht zu unterschätzen.

Ziel des Transaktionskostenansatzes in der beruflichen Weiterbildung istsomit die Minimierung der Gesamtkosten der Weiterbildungsmaßnahme.Neben diesem organisationstheoretischen Ansatz wird zur Begründung der

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Effizienzsteigerung durch Netzwerke auch der austauschtheoretische An-satz herangezogen. Hintergrund dieses Ansatzes, bei dem Austausch-beziehungen mehrerer Betriebe zum Zweck der optimalen Zielerreichungeingegangen werden, ist die Annahme, dass die Interaktion mit der Absichtverfolgt wird, dass der Nutzen des Austausches die Kosten übersteigt (vgl.Hild 1997, S. 105). Die Kostenvorteile von Qualifizierungsnetzwerken sinddabei besonders unter dem Aspekt der optimalen Ressourcennutzung, wiez.B. der Dozenten, der Lehr- und Lernmittel sowie der Räumlichkeiten, indenen die Weiterbildung stattfindet, zu sehen (vgl. Hilbert, S. 213). Geradedieser Aspekt lässt einen Vergleich mit der betrieblichen Ausbildung zu, inder es zum Aufbau überbetrieblicher Lehrwerkstätten und zur arbeitsteiligenAusbildung im Verbund mehrerer Betriebe kam, da Klein- und Mittelbetriebemeist nicht in der Lage sind, alle Forderungen, die an eine Ausbildung gestelltwerden, erfüllen zu können. Die Erfahrungen aus dieser Verbundpraxiszeigen, dass die arbeitsteilige Ausbildung im Verbund mehrerer Betriebe einbeachtliches Qualitätspotenzial für die Berufsausbildung birgt undModernitätsrückstände zu überwinden hilft (vgl. Hensge 1989, S. 6).

Gerade die besonders in Kleinbetrieben ausgeprägten Marktnischen-strategien verlangen zudem nach maßgeschneiderten, betriebsspezifischenMaßnahmen. Diese betriebsnahen Weiterbildungsangebote sind aberaufgrund ihrer Entwicklung und praktischen Realisierung erheblich teurer alsStandardangebote, so dass Kooperationen zur Realisierung dieser individu-ellen Weiterbildung wesentlich beitragen können und damit die Nutzunghöchst effektiver Weiterbildungsangebote ermöglichen (vgl. Weimer 1991,S. 88).

Neben diesem auf Effizienz der betrieblichen Weiterbildung gerichtetenBestreben können auch lernprozessfördernde Aspekte die Effektivität derbetrieblichen Zusammenarbeit begünstigen.

2.2 Betriebliche Netzwerke zur Förderung des Lernprozesses

Bekannt ist, dass der Prozess der Zusammenarbeit vielfach kreative undinnovatorische Elemente fördert, die für das Lernen in betrieblichen Netz-werken unverzichtbar sind. Denen, die Weiterbildung planen und Personal-angelegenheiten verantworten, wird durch Kooperation bereits in dieserPhase der Weiterbildungsorganisation die Chance zur Information und vorallem zum Erfahrungsaustausch gegeben, um letztendlich auch durch dieseKommunikation Bedarfe erst zu entdecken und Weiterbildungsmaßnahmen

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kooperativ zu organisieren. Diesem Erfahrungsaustausch kann dann auchdie Aufgabe zukommen, Inhalte der Weiterbildungsveranstaltungen zukoordinieren und Curricula zu entwickeln, nicht zuletzt, um auf differenzier-te Lernanforderungen und auf jene in vielen Betrieben dominierendenarbeitsplatznahen Lernprozesse Bezug nehmen zu können.

Neben diesen organisatorischen Aspekten stellt sich bei der Organisationvon betrieblichen Netzwerken auch die Frage, inwieweit kooperative be-triebliche Weiterbildungsmaßnahmen zur subjektiven Verbesserung beibetrieblichen Bildungsprozessen führen können. Abstrakt kann dazu fest-gehalten werden, dass die Sinnfrage der Weiterbildung so gelöst werdenmuss, dass die individuellen, subjektiven Bilanzierungen von Mühe, Aufwandund Ertrag positiv ausfallen oder zumindest Chancen bieten müssen.Kooperatives Lernen, speziell im Betriebsverbund, erhöht aber vor allemzunächst die Lernfähigkeit, da übliche traditionelle Lösungswege der be-trieblichen „Einzelfalllösung“ oft die Sicht für kontextuelle Bedingungen derRealisationen von Innovationen versperren (vgl. Arbeitskreis Netzwerk-bildung, S. 4).

Mit dem zunehmenden Einsatz programmgesteuerter Informationstechniken,begleitet von neuen Formen der Arbeitsorganisation, die einen Abbauhierarchischer und eine Zunahme gruppenorientierter und somit kooperati-ver Arbeitsstrukturen implizieren, werden Eigenschaften, die allgemein mitden Begriffen Schlüsselqualifikationen und Teamfähigkeit umschriebenwerden, immer wichtiger. Maßnahmen, die jene berufsübergreifendenFähigkeiten vermitteln sollen, brauchen aber nicht mehr im jeweiligenUnternehmen intern zu erfolgen, sondern können auch in anderen Betrie-ben und auch mit Betrieben anderer Branchen durchgeführt werden.Durchgeführte kooperative Qualifizierungsmaßnahmen im Betriebsverbundzeigten deutlich, dass der zwischenbetriebliche Erfahrungsaustausch denWeiterbildungserfolg positiv beeinflusst und dass kooperatives Lernen ausSicht der Teilnehmer motivations- und ergebnisoptimierend sind (vgl.Düsseldorff 2001). Um diese positiven Effekte auf weitere Unternehmen zutransferieren, wurde bereits Ende der achtziger Jahre damit begonnen, denGedanken der betrieblichen Kooperationen in Form von regionalenQualifizierungsnetzwerken (vgl. Wegge 1996) zu bündeln und durch Projekt-förderung zu unterstützen. Solche Projekte stehen auch im Zusammenhangmit einer Politik für regionale Strukturentwicklung, deren Konzept dieEntwicklung von „endogenen Ressourcen“ umfasst (vgl. Bosch 1997).

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3 Regionale Qualifizierungsnetzwerke

Befunde der regionalen Struktur- und Berufsbildungsforschung deutenbereits seit langem darauf hin, dass die regionale wirtschaftlicheEntwicklungsdynamik wesentlich von solchen Betrieben getragen wird, diedie steigenden Anforderungen an die Qualifikationen der Beschäftigtenerkennen und durch eine systematische, auf die betriebliche Organisations-entwicklung bezogene Qualifikationsentwicklung bearbeiten (vgl. Höfkes1995).

Aufbauend auf die betrieblichen Weiterbildungsnachfrager integrieren regi-onale Qualifizierungsnetzwerke somit alle regionalen Akteure, die mitFragen der Weiterbildung und auch der Strukturierung regionaler Politik inVerbindung stehen. Die handelnden Akteure in diesem Zielsystem definie-ren sich als ausgewiesene Kenner der Problemlagen und sind die Expertenbei der Formulierung strukturpolitischer Zukunftsleitbilder, die in einemnetzwerktypischen dialogorientierten Diskussionsprozess die Region stär-ken sollen.

Der in jüngster Zeit zu verzeichnende Bedeutungsgewinn von Netzwerkenals Gestaltungsarena für neue Kooperations- und Koordinierungsnot-wendigkeiten in der Weiterbildung speist sich auch aus anderen Quellen.Aufgrund der zunehmenden Komplexität und der Ausdifferenzierungeninnerhalb von Lernprozessen sind deutliche Grenzverschiebungen mit neuenBrückenschlägen im traditionell institutionell-organisatorischen wie auch imdidaktisch-methodischen Gefüge der Weiterbildung erkennbar.

Mit der Durchsetzung unternehmerischer Prinzipien am Weiterbildungs-markt und dessen Rückwirkung auf die institutionelle Weiterbildungs-infrastruktur hat das Paradigma der Betrieblichkeit in der Aufgaben-bearbeitung die normative Hegemonie angetreten. Die klassischen Bildungs-träger sind in einen Anpassungs- und Legitimationsdruck gezwungen, derunter den Bedingungen verknappter öffentlicher Finanzierung zunehmendvon der betrieblichen Handlungslogik der Produktorientierung und Vermark-tung definiert wird (vgl. Harney 1998). Konsequenz dieser Entwicklung beiden Bildungsträgern, und dies vor dem Hintergrund zunehmender Konkur-renz um bestehende und neu zu erschließende Marktsegmente, ist dieforcierte Durchsetzung moderner Management- sowie Organisations- undProfessionalisierungskonzepte, veränderter Marketingstrategien wie auchdie Umsetzung von Verfahren der Qualitätssicherung, der Kunden- undDienstleistungsorientierung, des Benchmarkings und des Controllings. Die

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Notwendigkeit der Anpassung wird zudem durch die veränderten Formender Lehr- und Lernorganisation erzeugt. Der Einsatz neuer Lerntechnologienim Sinne multimedial-unterstützter, selbst organisierter und selbst gesteuer-ter Lernprozesse im Kontext des „lebenslangen Lernens“, der die traditio-nellen institutionell-organisatorischen Strukturen, Lernorte, Curricula wieauch Zeitdimensionen in der Verteilung von Lern- und Arbeitsphasen in derErwerbsbiographie nachhaltig beeinflusst, wird nicht ohne Auswirkungenauf die Bildungsträgerlandschaft bleiben können. In der Konsequenz wer-den sich das Selbstverständnis, das Aufgabenprofil, das Autonomiebestrebenund das Angebots- und Leistungsspektrum, welches gegenwärtig nochweitgehend durch die Exklusivität des traditionellen Lernortes „Bildungs-träger“ charakterisiert wird, wandeln müssen, denn die Grenzen der Leis-tungsfähigkeit mit dem klassischen Aufgabenzuschnitt und dem tradiertenAktionsradius sind aufgrund veränderter externer Nachfrageanforderungenüberschritten.

Besonders durch neue finanzielle Förderkulissen der beruflichen und be-trieblichen Weiterbildung hat sich die Weiterbildungspolitik auch verstärkteiner regionsbezogenen Gestaltungsperspektive zugewandt (vgl. Dobischat1997; Dobischat 1999; Dobischat/Kutscha 2000), die neue Kooperations-formen und Kommunikationsstrukturen erfordert.

4 Vom regionalen Qualifizierungsnetzwerk zumregionalen Kompetenznetzwerk

In der wissenschaftlichen Diskussion wird darüber heftig debattiert, denQualifikations- wie auch den Weiterbildungsbegriff durch den Begriff derKompetenzentwicklung zu „ersetzen“ (vgl. Staudt/Kriegesmann 1999; kon-trovers dazu Arnold 1997). Festzustellen ist, dass der KompetenzbegriffGegenstand der Persönlichkeitstheorie ist, und es im Kern um den biographi-schen Erwerb von Fähigkeiten, Wissensbeständen, Denkweisen undHandlungspotenzialen geht, die in der Summe und mittels permanenterInteraktionsbeziehungen zwischen Individuum und Umwelt Identitätsbildungermöglichen. Aus dieser Identitätsbildung resultiert, dass Kompetenz-entwicklung ein Bestandteil und eine zusätzliche Dimension im Rahmenberuflicher Qualifikations- und Lernprozesse ist, und es auch somit nichtverwundert, dass im Kontext des Netzwerkbegriffs der Begriff derKompetenzzentren jüngst häufiger Verwendung findet. Beispielsweise wirdim Rahmen der Arbeitsmarktpolitik des Landes NRW (Bündnis für Arbeit) derAufbau von regionalen Kompetenznetzwerken vorangetrieben, die

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schwerpunktmäßig Beschäftigtentransfer betreiben sollen. Auch die berufs-bildenden Schulen (Berufskollegs) sind verstärkt in die Diskussion um denAufbau von Kompetenzzentren geraten, da sie derzeit den Versuch unter-nehmen, ihren Handlungsspielraum auf dem Gebiet der beruflichen Weiter-bildung auszuloten (vgl. Roß/Dobischat 2001) bzw. sich auch alsWeiterbildungsträger zu etablieren. Mit ihrem differenzierten Geflecht anKompetenz, Organisation und Professionalität befinden sich die berufsbil-denden Schulen bereits seit langem aufgrund der institutionellen Arbeitstei-lung im Bereich der beruflichen Ausbildung in netzwerkartigen Koope-rationen mit den Unternehmen und den Kammern. Dass somit als Modernisie-rungsstrategie eine verstärkte Durchlässigkeit zwischen Berufsschule undträgerstrukturierter beruflicher Weiterbildung gefordert wird (vgl. Harney1997, S. 117-119), kann die Debatte um eine Integration von Berufsschulenin regionale Kompetenzzentren nur stützen. Dass eine Ausweitung desTätigkeitsfeldes der Berufskollegs vielfach gewünscht ist, zeigte in Nord-rhein-Westfalen bereits die Änderung der Rechtsverordnung über die Aus-bildung und Prüfung in den Bildungsgängen des Berufskollegs (APO-BK) imJahr 1999, in der erstmals als Bildungsziel auch die „berufliche Weiterbildungals eine zu anerkannten Weiterbildungsabschlüssen führende Qualifikati-on“ (APO-BK, § 1, Abs. 3) genannt wird und in den Bildungsgängen derFachschule (APO-BK, Anlage E, § 1, Abs. 1) für jene, die bereits überberufliche Erfahrung verfügen, ihre Anwendung findet.

Trotz einiger Versuche, regionale Kompetenznetzwerke zu etablieren, lässtsich aus den vorläufigen Ideen und Konzepten, aber auch aus den vorfind-baren Projekten und Modellen bisher kein idealtypisches und generalisierbaresKonstrukt für die Praxis ableiten. Dennoch lassen sich einige Kriterienfesthalten, die regionale Kompetenznetzwerke im Feld lebensbegleitendenLernens charakterisieren:

• Kompetenznetzwerke sind offene, institutionell verfasste Zusammen-schlüsse von Akteuren der Weiterbildung (z.B. Weiterbildungsträger,Kammern, Arbeitsverwaltung, berufliche Schulen, Bildungsnachfragendeusw.) in einer Region, welche nachhaltig die Lernmöglichkeiten erweiternund verbessern und die Bildungsbereitschaft der Menschen stärkenhelfen.

• Kompetenznetzwerke sehen sich als innovativer Motor mit dynami-schem Potenzial im Sinne einer „lernenden Region“, die die endogenenPotentiale und Ressourcen berücksichtigen, indem sie die ökonomischen,sozialen und kulturellen Interessen zu handlungsanleitenden Leitbildern

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mit innovativem Charakter bündeln und die politischen Umsetzungs- undAusgestaltungsaktivitäten danach ausrichten und neue übertragbareStrukturen entwickeln.

• Kompetenzzentren verstehen sich als Foren der Verhandlungsdemokratieund wenden entsprechende Instrumente und Verfahren bei der Ziel- undAufgabenbestimmung an.

Darauf aufbauend bieten Kompetenznetzwerke ein Aktivitätsspektrum an,welches die Kooperation und Koordination zwischen den Akteuren (Syner-gien, Ressourcensharing) fördert und eine verbesserte Kommunikationzwischen den verschiedenen Politikressorts (Finanzierung und Instrumentie-rung von Maßnahmen) anregt, um vorhandene Ressourcen und Potenzialezu bündeln und letztendlich zu optimieren (vgl. Dobischat 2000). DurchKooperation geschaffene einheitliche Rahmenbedingungen dienen dannauch dazu, die Zugangsproblematik (Transparenz, Beratung, Bedarfser-mittlung, usw.) und die Qualitätsproblematik (professionelles Personal,Zertifizierung, Controlling usw.) von Weiterbildung zu lösen und das Ergebniseinem Standard zuzuführen, welcher dem der beruflichen Ausbildunggleichwertig ist, aber ohne vergleichbarer Gesetze bestehen kann.

Auch wenn dieses Profil noch teilweise dem Wünschbaren entspricht,werden Schnittstellen und Gestaltungsfelder sichtbar, welche das Konzeptder (bestehenden) regionalen Qualifizierungsnetzwerke in ein Konzept derKompetenznetzwerke erfolgreich überführen könnte. Dabei würde diedurch den Kompetenzbegriff stärker transportierte personenbezogene Per-spektive von Bildungsprozessen die individuelle Lebensgestaltung im Wech-sel zwischen Beruf und außerberuflicher Zeit positiv beeinflussen. Geradediese personenbezogene Perspektive von Bildungsprozessen in das Ziel-system regionaler Kompetenzzentren einzubinden, könnte zum Kristalli-sationspunkt der Entwicklung einer neuen Lernkultur in einer Region wer-den. Das nicht zu erwarten ist, dass sich Kompetenzzentren überall vonselbst implementieren und kontinuierlich und stabil arbeiten werden, zeigendiesbezügliche Projekterfahrungen (vgl. Dobischat/Husemann 1998). Bildungs-politisch ist der Handlungsbedarf bereits vielfach erkannt worden. Mitfinanzieller Hilfe wird die Entwicklung einer neuen Lernkultur angeregt,indem u.a. die Initiierung lernender regionaler Netzwerke gefördert wird(vgl. Bundesministerium für Bildung und Forschung 2000).

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5 Ausblick

Der Erfolg von Netzwerken in der beruflichen Weiterbildung ist in derMinderung der Transaktionskosten, des Nutzens von Synergien, der Erhö-hung des gemeinsam verfügbaren Wissens und in einer Standardisierung zufinden.

Dem Einzelnen soll mit Hilfe von regionalen Netzwerken die Entwicklung vonFähigkeiten, Methoden, Wissen, Einstellungen und Werten erleichtert wer-den, die zur Etablierung einer neuen Lernkultur für die gesamte Lebenszeiteines Menschen beitragen (vgl. Dehnbostel 2001). Somit gilt heute auch alszentrale Intention der Netzwerkförderung im Bereich der Weiterbildung,Motivation und die Befähigung zum selbstständigen Lernen anzuregen unddurch ein Netzwerk von Bildungsanbietern und Bildungsnachfragern (Indivi-duen, Betriebe usw.) sowie anderen Interessierten im regionalen Umfeldqualitative und quantitative Verbesserungen, im Sinne einer stärkerenNutzerorientierung, zu bewirken (vgl. Bundesministerium für Bildung undForschung 2000, S. 4).

Kompetenznetzwerke und Kooperationsverbünde in der Weiterbildungzum Aufbruch in eine lernende Gesellschaft zu nutzen (vgl. Faulstich 2001,S. 100) und diese als Regulationsmechanismen für ein weitestgehend deregu-liertes Weiterbildungssystem zu verstehen (vgl. Benzenberg 1999), wirdvielfach als Chance gesehen. Die regionalen Problemlösungsfähigkeitendieser Netzwerke im Auge behaltend sind auch überregionale Intentionenvon Netzwerken erkennbar. Besonders die Frage der Qualitätssicherungdurch die Etablierung von Qualitätsstandards, einhergehend mit der Profes-sionalisierung der Arbeit, des Personals und auch des Netzwerks selbst wirddiskutiert, um letztendlich auch für den Bildungsbereich der beruflich/betrieblichen Weiterbildung Qualitätsmerkmale zu entwickeln, wie sie z.B.für akademische Berufsfelder bekannt sind (vgl. Husemann 1998).

Die Förderung von regionalen Netzwerken wird sicherlich Impulse für dieKooperation in den Regionen geben. Ohne einen regionsübergreifendenRahmen werden zwar durchaus neue Dispositionschancen für einzelneregionale Netzwerke eröffnet werden können, aber für die Mehrheit,besonders für die nichtgeförderten Regionen, auch neue Risiken undVerunsicherungen hervorbringen. Diesem Manko zu begegnen und deneinzelnen Netzwerken einen professionellen regionsübergreifenden Trans-fer zu ermöglichen, ist vielfach Aufgabe von wissenschaftlichen Begleitun-gen. Auch das Bundesprogramm „Lernende Regionen – Förderung von

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Netzwerken“, mit dem ab dem Jahr 2002 ca. 80 regionale Netzwerkegefördert werden, um Impulse zur Weiterentwicklung des Bildungssystemsim Sinne der Förderung des lebenslangen Lernens zu geben, hat sich um einederartige Begleitung bemüht. Aufgabe dieser wissenschaftlichen Begleitungist es u.a. die geförderten, wie auch die nicht geförderten Netzwerkeneinem überregionalen Erfahrungsaustausch zuzuführen, aus dem sichwiederum ein gewisser Standard, eine gewisse Norm herausarbeiten lässt,mit der schließlich das Konzept des Lebenslangen Lernens auf eine organi-sierte, geregelte und vor allem auf eine von allen Beteiligten akzeptierteBasis gestellt werden kann.

Literatur

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Reorganisieren und Qualifizieren imUnternehmensverbund

Paul Fuchs-Frohnhofen / Elke Küppers / Ralf Schimweg

1 Kooperation in zwischenbetrieblichen Netzwerken

In diesem Beitrag wird über die Erfahrungen mit zwei überbetrieblichenUnternehmensnetzwerken berichtet, und es werden Erfolgsfaktoren fürüberbetriebliche Kooperationen aufgezeigt.

Die sich kontinuierlich verändernden Markt- und Wettbewerbsbedingungenfordern von vielen Betrieben Innovationen in den Bereichen Organisations-,Personal- und Produktentwicklung. Oft versuchen die Unternehmen, dieseInnovationen selbständig voranzubringen. Dabei fällt es gerade kleinen undmittleren Betrieben schwer, das notwendige Know-how zu organisieren,wenn sie ihre Organisation und Produkte modernisieren wollen. Die Erfah-rung zeigt, dass Unternehmen, die in zwischenbetrieblichen Netzwerkenkooperieren, voneinander lernen und Innovationen erfolgreicher gestaltenkönnen.

Als Beratungsunternehmen haben wir in der Vergangenheit zahlreicheErfahrungen auf diesem Gebiet sammeln können. An dieser Stelle möchtenwir nun genauer auf zwei Quatro-Projekte eingehen, an denen wir in denvergangenen Jahren verantwortlich beteiligt waren, und die die Bildungeines Netzwerkes bzw. eines Verbundes von Unternehmen zum Ziel hatten:„regioR.U.N“ und „Kompenetz“.

Netzwerke in unserem Sinne sind durch folgende Eigenschaften gekenn-zeichnet:

• Es handelt sich um offene Kooperationsformen, die auf einen bestimmtenZeitraum hin ausgelegt sind.

• Es gibt keine feste Organisation – Flexibilität der Struktur wie der Akteuresind von großer Bedeutung.

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• Eine wesentliche Voraussetzung für die Bildung eines Netzwerkes ist,dass sich die Akteure über die Ziele, die in einem solchen Kooperations-verbund angestrebt werden, verständigen müssen.

• Netzwerke sind auf die Mitarbeit aller Beteiligten angewiesen.

• Die Bildung eines Netzwerks bedarf eines hohen Maßes an sozialerKompetenz der beteiligten Akteure, d.h. insbesondere die Fähigkeit undBereitschaft der Beteiligten zu kooperieren und zu kommunizieren.

Im folgenden sollen die beiden genannten Projekte und die in ihnen entstan-denen Netzwerke vorgestellt werden. Abschließend werden wir unsereErfahrungen, die wir als Projektmoderatoren gemacht haben, darlegen undversuchen, übertragbare Aussagen über Kooperationen in zwischenbe-trieblichen Netzwerken zu treffen.

2 Das Beispiel „regioR.U.N“

Das Projekt „regioR.U.N“ (Regionaler Qualifizierungs- und Kooperations-verbund „Reorganisation von Unternehmen am Niederrhein“) war ein durchdie EU und das Land Nordrhein-Westfalen im Rahmen des Quatro-Pro-gramms gefördertes Verbundprojekt. Das Projekt lief von Oktober 1997 bisApril 2000. Seit Dezember 2000 läuft das Nachfolgeprojekt „regioR.U.N 2“.

Acht Unternehmen am Standort Niederrhein und zwei Unternehmensbera-tungen haben sich 1997 zu einem Unternehmensverbund für den StandortNiederrhein zusammengeschlossen. Eine Besonderheit war die Zusammen-setzung des Verbundes aus einem “Vorreiterbetrieb”, drei “Modellbetrieben”und zwei “Brückenbetrieben”. Sie trug dazu bei, den Erfahrungstransferinnerhalb des Verbundes ebenso wie nach außen fundiert und effektiv zugestalten.

Als Verbundpartner kooperierten die Unternehmen CLYDE BERGEMANNGmbH in Wesel, COLT International GmbH in Kleve, ESW RöhrenwerkeGmbH in Eschweiler, LEMKEN GmbH & Co. KG in Alpen, PINTSCH BAMAGAntriebs- und Verkehrstechnik GmbH in Dinslaken, STEINHOFF GmbH & Cie.OHG in Dinslaken, GEBRÜDER TROX GmbH in Neukirchen-Vluyn und IMINorgren GmbH in Alpen. Diesem Verbund standen wir, MA&T GmbH ausAachen sowie eine weitere Unternehmensberatung, die IABOS GmbH ausMinden zur Seite. Hinsichtlich des Ergebnistransfers (insbesondere durcheine CD-ROM) wurden die Partner von dem Institut IMA/HDZ der RWTHAachen unterstützt.

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Bild 1: Die Partner des Quatro-Projektes „regioR.U.N“

Wettbewerbsfähigkeit und humane Arbeitsplätze

Erklärtes und oberstes Ziel der Partner war es, auch zukünftig von Nord-rhein-Westfalen aus wettbewerbsfähig zu sein und humane Arbeitsplätze inder Region zu sichern. Um dieses Ziel zu erreichen, war die zentrale Aufgabedes Projektes, innovative Reorganisationsprozesse in den Unternehmen zuunterstützen, Erfahrungen der einzelnen Unternehmen im Verbund auszu-tauschen und den Partnerunternehmen zugänglich zu machen.

Typische Reorganisationsziele waren dabei u.a.

• die Schaffung produktorientierter Abläufe,

• eine verstärkte Ausrichtung auf den Kundennutzen,

• der Aufbau von Teamstrukturen,

• die Verbesserung interner Kooperationen und

ProjektleitungBeratung

Brückenbetrieb

Modellbetrieb

VorreiterbetriebModellbetrieb

Brückenbetrieb

Modellbetrieb

Modellbetrieb

Transfer & Workshops

Modellbetrieb

Modellbetrieb

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• die Kostensenkung ohne Abbau von Arbeitsplätzen,

• die Beteiligung der MitarbeiterInnen und

• die Schaffung humaner Arbeitsplätze und Arbeitsbedingungen.

Ein wesentliches Merkmal der Reorganisationsprozesse in „regioR.U.N“ wardie Nutzung unternehmensinterner Ressourcen in Form von Mitarbeiter-Know-how und Mitarbeiterbeteiligung. Dabei arbeiteten das Managementund die Betriebsräte intensiv zusammen.

Durch das Projekt wurden die Strukturänderungen in den einzelnen Unter-nehmen über den Verbund erleichtert und unterstützt. Neben der Beratungund Qualifizierung der einzelnen Unternehmen durch MA&T und IABOSwurde das Erfahrungswissen der Unternehmen gesammelt und den Verbund-partnern zur Verfügung gestellt. Dadurch, dass die Verbundworkshopsimmer in einem der beteiligten Unternehmen stattfanden, konnten schonauf diesem Wege – durch Betriebsbesichtigungen - Gemeinsamkeitenzwischen den Projektpartnern identifiziert werden.

Bild 2: Aktivitäten und Ziele des Quatro-Projektes „regioR.U.N“

Auf solchen und anderen überbetrieblichen Workshops – für Führungs-kräfte, für Meister und das mittlere Management - wurden Ideen, Anregun-gen und ebenso Probleme bei Umstrukturierungsmaßnahmen ausgetauschtund diskutiert. Begleitend hierzu und zu den diversen anderen Projekt-aktivitäten erschienen fünf Ausgaben der Projektzeitschrift „regiotransfer“.Zudem fanden auch zahlreiche überbetriebliche Qualifizierungsmaßnah-men statt, die wiederum als Foren zum Austausch genutzt wurden.

Projektaktivitäten:✔ Anstoß und Begleitung von Reorganisationsmaßnahmen in den Unternehmen✔ Überfachliche Qualifizierung in den Unternehmen✔ Überbetriebliche Workshops✔ Überbetriebliche Qualifizierungsmaßnahmen✔ Anregung und Durchführung von Erfahrungsaustausch und gegenseitigen

Betriebsbesuchen✔ Verbundzeitung

Projektziel: Sicherung von Arbeitsplätzen und Wettbewerbsfähigkeit durch vorbeugende

Beratung und Qualifizierung

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Erfahrungsaustausch auf Verbundworkshops

Der gegenseitige Erfahrungsaustausch lieferte Denkanstöße sowohl durchdie Diskussion über Schwierigkeiten bei den Reorganisationsprozessen alsauch über mögliche Lösungsansätze. Weiterhin bestand die Möglichkeit zudirekter Kooperation der Unternehmen miteinander, so dass gemeinsamebzw. identische Probleme oder Aufgaben auch gemeinsam gelöst werdenkonnten. Diese Form der Zusammenarbeit wurde häufig und mit Erfolggenutzt. Die Bandbreite reichte von der Weitergabe von Fachwissen überdie Durchführung gemeinsamer Seminare bis zum Austausch von Mitarbei-tern. Gegenseitige Hilfe bei technischen Problemen wurde ebenso prakti-ziert wie der Erfahrungsaustausch zwischen Prozessbegleitern, Betriebsrä-ten oder Führungskräften im Kontext der Umstrukturierungsprozesse.

Zu besonders wichtigen Themen im Verbund wurden Workshops durchge-führt:

• am 24.03.98 bei TROX GmbH, Anholt mit acht Betrieben „Arbeitszeit-modell und Prozessbegleitung“

• am 23.06.98 bei Clyde Bergemann, Wesel mit acht Betrieben „Meisterund mittleres Management in Neuen Formen der Arbeitsorganisation“

• am 21.07.98 bei MA&T, Aachen mit acht Betrieben „Entgeltsysteme“

• am 22.09.98 bei Pintsch Bamag, Dinslaken und Steinhoff, sechs Betriebe„Erfahrungen mit BVW und KVP auf dem Hintergrund sich ändernderArbeitsorganisationen“

• am 26.01.99 bei Lemken GmbH & Co. KG, Alpen mit fünf Betrieben„Betriebliche Kennzahlen und Selbststeuerungsprozesse in der Gruppen-arbeit“

• am 08.06.99 im Berufsinformationszentrum (BIZ) des Arbeitsamtes Weselmit acht Betrieben „Betriebliche Qualifizierungsbedarfe und wirtschaft-licher Strukturwandel: Welche Möglichkeiten bieten Ausbildungs-kooperationen?“

• am 23.11.99 bei IMI Norgren, Alpen mit acht Betrieben „Entgeltsysteme“.

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Diese Verbundworkshops zeichneten sich durch ein offenes Klima ebensoaus wie durch die Aktualität der jeweiligen Themen, weil diese von denPartnern relativ zeitnah gewählt werden konnten.

Insgesamt kam es zu vielfältigen Lernkooperationen, zu denen auch die vonbeiden Beratungsunternehmen angebotenen Qualifizierungsmaßnahmengehörten. Diese waren meist auf die verschiedenen Gruppen von Akteurenzugeschnitten, z.B. in Meister-Workshops, Betriebsräte-Workshops (mit derTechnologieberatungsstelle des DGB) oder Veranstaltungen für und mitGeschäftsführern und zweiter Hierarchieebene (Führungskräfteseminare).Des weiteren fanden aber auch Moderatoren-Schulungen statt sowieErfahrungsaustausche und Netzwerktreffen. Zusätzlich fand im Rahmendes Projektes eine Prozessbegleiterausbildung statt.

Neben diesen organisierten Veranstaltungen gab es noch diverse andere,teils unkonventionellere Aktivitäten; so z.B. bilaterale Beratungen vonAkteuren aus verschiedenen Betrieben zu Themen wie Energiemanagement,Härteverfahren, Disziplinierung von „Betonköpfen“. Nicht zuletzt diesenicht organisierten Kontakte trugen dazu bei, dass es bspw. zu gemeinsa-men Produktentwicklungen zwischen Unternehmen kam.

In einzelnen Unternehmen fanden zudem auch intern ähnlich ungewöhnli-che Aktivitäten statt wie bspw. Suppenrunden (d.h. ein regelmäßigesTreffen von Führungskräften zum gemeinsamen Mittagessen als Kommuni-kationsforum); „Weißer-Rauch“-Workshops (gemeinsame Workshops vonBetriebsrat und Unternehmensleitung zu strittigen Themen, die erst dannbeendet werden, wenn eine Vereinbarung erzielt wurde) oder Betriebsver-sammlungen am Baggersee.

Positive Gesamtbilanz

Insgesamt kann sich der Erfolg des Projektes sehen lassen – denn dieBilanzen der beteiligten Unternehmen können sich sehen lassen. So ließensich bei der Clyde Bergemann GmbH eine pro Kopf-Umsatzsteigerung, eineerhebliche Steigerung der Umsatzrendite sowie eine verbesserte Zusam-menarbeit und höhere Mitarbeiterzufriedenheit verzeichnen. Die LemkenGmbH & Co. KG konnte neue MitarbeiterInnen einstellen, erzielte einedeutliche Umsatzsteigerung und konnte eine bessere Zusammenarbeit undKommunikation in und zwischen Teams in der Fertigung feststellen. Bei derGebrüder TROX GmbH kam es zu einer Verbesserung der Zusammenarbeit

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zwischen Fertigung und Auftragssteuerung sowie zu einer Steigerung derTermintreue. Die ESW Röhrenwerke GmbH stellte 25 neue MitarbeiterInnensowie 4 neue Auszubildende ein und konnte eine Reduzierung des Stadt-wasserverbrauchs um 30% verzeichnen. Und auch bei den anderen Projekt-partnern konnten zum Teil neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Bei denwirtschaftlichen Erfolgen ist aber zu bedenken, dass nur schwer zwischendirekten Projektergebnissen und Verbesserungen aufgrund allgemeinerkonjunktureller Entwicklungen unterschieden werden kann.

Allen Betrieben gemeinsam war eine rege Teilnahme an überbetrieblichenSeminaren und Workshops; alle zeigten eine hohe Zufriedenheit bezüglichder Seminarinhalte, der Seminarabläufe und der Umsetzbarkeit in die Praxis,sowie ein großes Interesse an überbetrieblichem Austausch.

Es ließen sich aber auch Entwicklungen beobachten, die sicher nicht zu denErfolgen des Projektes zu zählen sind. Trotz aller Kooperationsbereitschaftließen sich Eifersüchteleien zwischen manchen Projektpartnern beobachten– nicht zuletzt, wenn es um die Außen-Präsentation der Unternehmen, alsoPressemitteilungen u.ä. ging. Zudem hat die Einordnung der Betriebe inVorreiter-, Modell- und Brückenbetriebe Vorbehalte erzeugt, die sich nurschwer abbauen ließen. Ein etwas unsystematisches Berater-Benchmarkingschließlich führte dazu, dass auch in diesem Bereich Eifersüchteleien ent-standen.

Die Versuche, zusätzliche Ausbildungsplätze durch überbetriebliche Lern-Kooperation zu erzeugen, führten nicht im gewünschten Ausmaße zumErfolg, obwohl der Bedarf und die Kapazität vorhanden waren. FachlicheQualifizierungen im Verbund fanden nicht in nennenswertem Umfang statt,obwohl die Potentiale vorhanden und gemeinsame Interessen offenkundiggeworden waren.

3 Das Beispiel „Kompenetz“

Betriebliche Modernisierungsmaßnahmen haben im Laufe der vergangenenJahre eine solche Dynamik und Komplexität erreicht, dass die bestehendenStrukturen der Gewerkschaften zur Unterstützung der Betriebsräte nichtmehr ausreichen. Zudem nehmen in vielen Betrieben die Betriebsräte eineneue Rolle ein, indem sie sich – z.T. sogar mit Unterstützung der Arbeitgeber- aktiv an Reorganisationsprozessen beteiligen und Gestaltungsspielräumeim Sinne der Beschäftigten ausschöpfen. Die Unterstützung für Betriebsräte

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zur Mitarbeit an Reorganisationsprozessen einerseits, andererseits aberauch die Unterstützung für Betriebe und betriebliche Führungskräfte zurkooperativen Gestaltung von Veränderungsprozessen waren die Schwer-punkte des Projektes „Kompenetz“, das im November 1998 als QUATRO-Projekt aus der Taufe gehoben wurde.

Bild 3: Die Betriebe des „Kompenetz“

Die Geschichte von „Kompenetz“ reicht allerdings viel weiter zurück: Demvor sieben Jahren initiierten „Netzwerk Arbeit und Technik“ des damalsnoch bestehenden Bezirks Wuppertal lag die Idee zugrunde, innovativeKonzepte zu entwickeln, mit denen Betriebsräte und Verwaltungsstellenden neuen Anforderungen gerecht werden können (vgl. Bild 4).

Rhein

Ems

Weser

Wülfrath

Düren

Sundern

Wuppertal

Stolberg

Alpen

Bochum

Kreuzau

Oelde

Lünen

Mettmann

Eschweiler

Düsseldorf

Aachen

UNTERNEHMENSGRUPPE

HOESCH

ESW Röhrenwerke GmbH

IG MetallBezirksleitungNordrhein-Westfalen

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Bild 4: Projektverlauf von „Kompenetz“

Neue Wege in der Qualifizierung und Beratung von Betriebsräten

Auf diese neuen Anforderungen wurde reagiert, indem den BetriebsrätenGestaltungs-Know-how und Methoden vermittelt wurden, die für die Be-gleitung betrieblicher Veränderungsprozesse wichtig sind. Den Akteurenwurden Werkzeuge an die Hand gegeben, mit deren Hilfe sie in die Lageversetzt wurden, in ihren Unternehmen kompetent und flexibel zu reagieren.

Mit Unterstützung und Weiterentwicklung des regionalen Beratungs- undQualifizierungsnetzwerkes der IG Metall wurde im Projekt „Kompenetz“eine entsprechende Ausbildung, die „Multiplikatorenausbildung“ ange-boten. Hierbei wurden Qualifizierungen durchgeführt, die fachliche undfachübergreifende Themen (Projektmanagement, KVP, EFQM, ModerneEntgeltsysteme u.ä.) zum Inhalt hatten. Die spezifischen „Module“ wurdenvon den Multiplikatoren selbst in den jeweiligen Kick off-Workshops ausge-wählt.

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Während der Projektlaufzeit fanden drei Schulungsdurchläufe statt, andenen jeweils 12 bis 15 Personen – wo möglich je ein Vertreter desBetriebsrats und eine Führungskraft aus jedem Projektbetrieb – teilnahmen.Diese Qualifizierungen wurden vom Projekt inhaltlich und didaktisch unter-stützt und weiterentwickelt. Die bereits bestehenden Kompetenzen inner-halb des Netzwerkes (TBS, Know-how der Netzwerkakteure) wurde immereinbezogen. Zusätzlich ergänzten Betriebsworkshops zu den entsprechen-den Themen die Seminare. Die Schulungen wurden so konzipiert, dass dieteilnehmenden Netzwerkakteure in die Lage versetzt wurden, ihr Wissen inBeratungen und innerbetrieblich weitergeben zu können.

Die Multiplikatorenausbildung richtete sich allerdings nicht nur an Betriebs-räte, sondern ebenso an Führungskräfte aus den teilnehmenden Betrieben.Und auch Akteure der IG Metall-Verwaltungsstellen in NRW nahmen an derSchulung teil.

Wesentliche Merkmale der Multiplikatorenausbildung waren:

• Kombination von fachlichen mit methodischen Modulen;

• 26 Tage gemeinsamer Ausbildung in drei heterogenen Gruppen;

• Betriebe entsandten Pärchen aus BR und Management in die Ausbildung;

• auch Hauptamtliche nahmen teil;

• die Teilnehmer wurden als Co-Referenten in Folgeseminare und Kurz-beratungen einbezogen;

• die Ausbildung begleitete reale Projekte in den Betrieben und warhandlungsorientiert angelegt.

Die Beteiligung aller Interessenvertreter war jedoch nicht nur Bestandteil derStruktur der Ausbildung, sondern Hauptziel des ganzen Projektes. Diesstellte keinen Selbstzweck dar, sondern folgte dem Bedarf der Betriebe undder gewerkschaftlichen Organisationen nach einer neuen, effizienterenForm der Mitbestimmung und der problemangemessenen Bildungsarbeit.Neben der Vermittlung von Gestaltungskompetenz war ein wesentlicherAspekt der Multiplikatorenausbildung die Orientierung der Seminarinhaltean den praktischen, in den Betrieben aktuell sich abspielendenReorganisationsprozessen. Den Teilnehmern wurde also nicht nur „trocke-

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ne Theorie“ vermittelt, sondern – ebenso wichtig – ihnen wurde darüberhinaus die Möglichkeit gegeben, sich durch den Praxisbezug über eigeneErfolge und Misserfolge auszutauschen und somit aus den Erfahrungen deranderen zu lernen.

Durch die Entwicklung eines zusammenhängenden Ausbildungskonzeptesfür die Multiplikatoren wurden diese in die Lage versetzt, ehrenamtlich vorOrt in den Betrieben beratend tätig zu werden. Dabei konnten die Beraternicht nur auf ihr erworbenes Know-how, sondern auch auf die Erfahrungenzurückgreifen, die sie selbst bereits in ihrem Unternehmen mit Reorgani-sationsmaßnahmen gemacht hatten. Dieses Konzept konnte aber nur aufder Basis von Gegenseitigkeit funktionieren. Kontinuität und Verbindlichkeitder Akteure waren also grundlegende Anforderungen.

Ermittlung und Transfer von Erfolgs- und Misserfolgskriterien

Ein weiteres Element des Projektes „Kompenetz“ waren die Ermittlung undder Transfer von Erfolgs- und Misserfolgskriterien für betrieblicheReorganisationsprozesse.

Es gibt überaus erfolgreiche Unternehmen, die ohne Versuche, Modetrendswie z.B. „lean production-Konzepte“ oder „Business Reengineering-Projek-te“ zu kopieren, ihren eigenen Weg gefunden haben. Sie zeichnen sichdurch eine überaus starke Stellung am Markt, flexible und für die Beschäf-tigten attraktive Arbeitsstrukturen, durch hohe Qualitätsstandards, Kunden-nähe und hohe Wirtschaftlichkeit aus.

Im Rahmen des Projektes sollten beispielhafte Unternehmen der Metall-,Textil- sowie Holz- und Kunststoffindustrie Nordrhein-Westfalens hinsicht-lich ihrer hauptsächlichen Erfolgskriterien und Misserfolgskriterien bzw.Überwindungsstrategien ermittelt und bewertet werden. Einerseits wurdenbesonders erfolgreiche Unternehmen und deren „exzellente Praktiken“durch gezielte Workshops den Netzwerkakteuren vorgestellt, andererseitswurde aber auch eine geringere Anzahl von Unternehmen analysiert, derenReorganisationsprojekte tendenziell gescheitert waren.

Im Rahmen von Workshops wurden diese Erfahrungen und entsprechendeFirmenbeispiele den Netzwerkakteuren und beteiligten Unternehmen kom-muniziert.

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Begleitung von betrieblichen Reorganisationsprojekten

Als weiteres Erfahrungsfeld im Projekt „Kompenetz“ wurden in sechsBetrieben Reorganisationsprojekte mit unterschiedlichen Zielsetzungen undSchwerpunkten begleitet. In diesen Betrieben fand eine beratende Prozess-begleitung durch die Antragsteller und Netzwerkakteure statt. Es handeltesich dabei um Betriebe, die entweder generell unerfahren mit der Einführungneuer Managementkonzepte oder aber nur mit neuen Teilaspekten vonReorganisationsprozessen befasst waren.

Die ausgewählten Betriebsprojekte fußten alle jeweils auf einem weitge-henden Grundkonsens zwischen Arbeitnehmervertretungen und Manage-ment über die betrieblichen Ziele und die gestalterische Rolle der Betriebs-räte und des Netzwerkes. Es wurde auch als Chance begriffen, von denErfahrungen und Erfolgskriterien anderer Betriebe zu profitieren. Dabeistanden nicht nur Gruppenarbeitsprojekte im Mittelpunkt der Reorgani-sationsprozesse, sondern unterschiedlich gelagerte umfassendere Maßnah-men. Die Vorgehensweisen in den einzelnen Betriebsprojekten warenabhängig von der Ausgangssituation, den betrieblichen Zielen undGestaltungsgegenständen sowie einer sinnvollen „Synergiebildung“ imProjektverbund.

Darüber hinaus wurden Erfahrungen aus Reorganisationsprojekten undErfolgskriterien systematisch identifiziert. Eine spezielle Rolle spielten dabeibesonders erfolgreiche Unternehmen in NRW - innerhalb und außerhalb desNetzwerks. Auch andere durch das QUATRO-Programm geförderte Betrie-be kamen dafür in Frage.

Den drei Stützpfeilern des Projektes lag gemeinsam ein Gedanke zugrunde:die Vernetzung der einzelnen Akteure und ihr kontinuierlicher Erfahrungsaus-tausch, der u.a. über regelmäßige, halbjährlich stattfindende Klausurtagun-gen (Konzeptions-Workshops) sichergestellt wurde. Die Erkenntnisse ausden Betriebsprojekten wurden über Betriebsworkshops an die Netzwerkak-teure vermittelt. Weiterhin wurden diese Erfahrungen systematisch in dieQualifizierungskonzepte eingearbeitet und kontinuierlich weiterentwickelt.Für die Projektbeteiligten war hierbei ein Kriterium von wesentlicher Bedeu-tung, wenn es nach Abschluss von „Kompenetz“ im Herbst 2000 darumgehen sollte, den Erfolg des Projektes zu bemessen: die Nachhaltigkeit undFortführung der geschaffenen Strukturen, ohne dass es noch einen orga-nisierenden „Motor“ durch die Projektleitung geben würde. Das Netzwerk„Kompenetz“ sollte sich dann durch sich selbst tragen.

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Daher lag ein besonderes Augenmerk darauf, schon im Laufe des Projektesentsprechende Strukturen zu schaffen, die dazu in der Lage sein würden,den Kontakt, den Erfahrungsaustausch der Akteure zu erleichtern unddadurch sicherzustellen.

Hierbei standen insbesondere die neuen Medien im Mittelpunkt. Dennneben Schulungen, Workshops und Netzwerktreffen nutzte das Projekt„Kompenetz“ auch neue Kommunikationsmöglichkeiten wie Email oder dasInternet – auch um einen Beitrag dazu zu leisten, dass diese zukunftsträch-tigen Technologien auch in die gewerkschaftliche Betriebspolitik Einzughalten. Hierzu konnten sich die Netzwerker ausbilden lassen und – etwa beider Einrichtung eines Internet-Zuganges – technische Unterstützung inAnspruch nehmen. Unter „www.kompenetz-nrw.de“ konnte und kann sichjeder Interessierte über das Netzwerk informieren. Zusätzlich verfügt die

Bild 5: Die „Bausteine“des Projektes

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Website über zugangsbeschränkte Bereiche, die den Akteuren vorbehaltensind und die einen Ort bieten, an dem diese sich treffen und austauschenkönnen.

Nachhaltigkeit kann aber nur dann erreicht werden, wenn ein Netzwerk füralle Beteiligten von erkennbarem Nutzen ist. Durch die oben genanntenMaßnahmen wurde erreicht,

• dass die Betriebsräte schneller an Unterstützung in ihrem Alltagsgeschäftkommen,

• dass den Betrieben anschauliche Beispiele für die beteiligungsorientierteModernisierung von betrieblichen Strukturen im Konsens zwischen Ma-nagement und Betriebsräten geliefert wurden,

• dass die Hauptamtlichen in der IG Metall bei ihrer Arbeit in der Region aufdie Gestaltungskompetenz zahlreicher Multiplikatoren zurückgreifenkönnen und

• dass die Verwaltungsstellen als eines der wichtigsten Ziele des Projekteszu Koordinationsstellen werden, die Informationen geben können, werwann und wie beratend und helfend zur Verfügung stehen kann.

Eine vorläufige Bilanz des Projektes „Kompenetz“

Nachdem das Projekt nun seit einigen Monaten abgeschlossen ist, kann imRückblick auf die stattgefundenen Projektaktivitäten ein erstes Fazit gezo-gen werden:

• Die Multiplikatorenschulung kann, bezogen auf die Beteiligung und dieRückmeldungen der Teilnehmer über das Gelernte, als voller Erfolggewertet werden. Auch die Bildung von betrieblichen Pärchen ausFührungskraft und Betriebsrat innerhalb dieser Ausbildung hat sich be-währt. Von den Teilnehmern der ersten Multiplikatorenausbildung wur-den bezüglich der Inhalte, des didaktischen Konzepts und der formalenRahmenbedingungen einige Verbesserungsvorschläge erarbeitet, die inden folgenden zwei Lehrgängen umgesetzt werden.

• Die Verbindung zwischen IG Metall-internem Netzwerk und einemFörderprojekt, das im wesentlichen von den Beratungsfirmen MA&T undBIT getragen wurde, erscheint als geeignetes Mittel, dem Netzwerk

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einen neuen Schub und eine gute Basis für ein selbständiges Funktionie-ren in der Zukunft zu geben. Es wurde aber bis zum Projektendeweiterhin dynamisch darüber diskutiert, ob die professionellen und dafürbezahlten „Projektmanager“ der Beratungsfirmen den Betriebsräten imNetzwerk genügend Raum lassen.

• Die Frage, ob nach Abschluss des Förderprojektes der Selbstläufereffekttatsächlich eintritt oder ob es einer weiteren bezahlten Netzwerk-moderation z.B. durch Hauptamtliche der IG Metall bedarf, kann zudiesem Zeitpunkt noch nicht abschließend beantwortet werden. ErsteEntwicklungen nach Projektende geben aber Anlass zu Optimismus.

• Die produktive Auseinandersetzung darüber, wieweit „Co-Manage-ment“ denn gehen darf, wird sicherlich im „Kompenetz“ Gegenstandweiterer Debatten sein.

• Ein weiterer Diskussionsbedarf besteht in der Frage, ob das Konzept,Betriebsräte als „Berater“ in anderen Betrieben zu engagieren, wirklichtragfähig ist.

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass „Kompenetz“ in denBetrieben, bei den Betriebsräten und in der IG Metall dazu beigetragen hat,dass wichtige Zukunftsthemen auf die Tagesordnung gekommen und durchgut ausgebildete „Netzwerker“ kompetent und engagiert angegangenworden sind – dass also das Projekt seine wesentlichen Ziele erreicht hat.

4 Fazit - Erfolgsfaktoren überbetrieblicher Kooperation

Hier sollen nun abschließend die Erfahrungen, die wir mit der Leitung bzw.Moderation dieser beiden beschriebenen Projekte gemacht haben, darge-legt und versucht werden, daraus allgemeingültige Aussagen über Koope-rationen in zwischenbetrieblichen Netzwerken abzuleiten.

Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Kooperation muss sein, dass fürjeden Partner ein Zusatznutzen erfahrbar ist, ob nun finanzieller, zeitlicheroder sonstiger Art. Ohne die Motivation zur Teilnahme durch einen ganzpraktischen Effekt werden die Akteure nicht lange bei der Stange bleiben.Ein weiteres wesentliches Kriterium für den Erfolg und die Nachhaltigkeitbetrieblicher Zusammenarbeit ist, dass die Verbundpartner sich ausreichend„kennen“ müssen. Je intensiver und persönlicher der Kontakt während derProjektlaufzeit war, umso eher ist damit zu rechnen, dass er auch nach

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Projektende aufrechterhalten bleibt. Persönliche Kontakte aus denselbenRessorts können dabei helfen. Allerdings funktioniert eine überbetrieblicheKooperation nur dann gut, wenn es gemeinsame Themen, aber keinedirekten Konkurrenzbeziehungen gibt.

Betriebsworkshops können als „Türöffner“ dienen. Zu einem Erkenntnis-gewinn auf solchen Begegnungen kann es aber nur kommen, wenn eineVertrauenskultur vorherrscht – und das braucht meist Zeit. Bemühen sich dieAkteure aber um Offenheit einerseits und andererseits um den Verzicht aufEitelkeiten und Nabelschau, so kann der Besuch in einem anderen Unterneh-men ein erster Anknüpfungspunkt für die erfolgreiche Kontaktaufnahmesein.

Unsere Erfahrung mit Unternehmensnetzwerken hat uns zu dem Schlussgeführt, dass eine kontinuierliche Netzwerkmoderation von einer Stelle ausunabdingbar ist. Vor-Ort-Besuche, Workshops und unternehmensüber-greifende Qualifizierungen helfen, Kontakte und Kooperationen zu initiierenund zu stabilisieren. Diese müssen aber organisiert und moderiert werden –Aufgaben, für die im betrieblichen Alltag der Akteure häufig keine Zeitbleibt.

Für eine erfolgreiche externe Moderation von Verbünden sollten folgendeKriterien berücksichtigen werden:

• Es ist notwendig, Verbindlichkeit zu erzeugen. Hier hat es sich als hilfreicherwiesen, zum Auftakt eines Kooperationsprojektes mit einem ganztägi-gen Workshop zu starten, auf dem die gemeinsamen Spielregen, d.h. dievon allen Akteuren gewünschten Verhaltensweisen verbindlich festge-legt werden. Abwanderungserscheinungen müssen dabei in Kauf ge-nommen werden.

• Es sollte schon zu Beginn zu einer Terminierung von Workshops (zunächstohne Inhalt) über einen größeren Zeitraum hinweg – bspw. für zwei Jahreim voraus – stattfinden. So wächst einerseits die Verbindlichkeit;andererseits erhalten die Akteure einen ersten Eindruck über den zeitli-chen Aufwand, der auf sie zukommen wird.

• Der externen Moderation sollte immer bewusst sein: die Kooperationgehört nicht zum Kerngeschäft der Betriebe. Das Ausmaß der Aktivitätenbzw. des zeitlichen Aufwandes sollte sich daran orientieren.

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• Eine externe Moderation bzw. Projektleitung muss sich darüber im klarensein, dass sie eine Gratwanderung zu meistern hat zwischen festerStruktur und Zentralismus (der die Beteiligten zu Statisten werden lässt)einerseits und einer vollkommenen Offenheit des Verbundes andererseits,der wegen mangelnder Zielorientierung und Verbindlichkeit ins Leerelaufen kann.

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Lernen in Netzwerken – KoevolutionäreKooperationsverbünde als regionaleLernnetzwerke

Jürgen Howaldt

1 Einleitung

Im Kontext der Herausbildung der Wissensgesellschaft erfährt der Begriffdes Lernens wieder eine zunehmende gesellschaftliche Bedeutung. Zugleichverschiebt sich jedoch die Perspektive. Wenn wir heute über Lernen spre-chen, dann geht es dabei verstärkt um organisationale und interorgani-sationale Lernprozesse. Begriffe und Konzepte wie die „Lernende Organi-sation“, das „Lernende Unternehmen“ oder die „Lernende Region“ symbo-lisieren diesen Wandlungsprozess. Vor diesem Hintergrund werden – someine These – organisationsübergreifende Netzwerke immer mehr zu einerwichtigen Arena für erfolgreiche Lernprozesse.

Organisationsübergreifende Netzwerke tragen insbesondere der erhöhtenInterdependenz zwischen den Teilsystemen von Wirtschaft, Wissenschaft,Politik und Bildung Rechnung und ermöglichen teilsystemübergreifendekoevolutionäre Veränderungsprozesse (vgl. Weber, Sauerwein 1998;Howaldt, Kopp, Martens 2000). Am Beispiel erfolgreicher „KoevolutionärerKooperationsverbünde“ sollen Probleme und Chancen für die erfolgreicheGestaltung von Arbeits- und Lernprozessen in Netzwerken dargestelltwerden.

2 Ein Zukunftsszenario – Lernen in Netzwerken

In den letzten Jahren erfahren Netzwerk als Lernarenen für interorgani-sationale Lernprozesse wachsende Aufmerksamkeit. Wie Prange zeigt,werden bedingt durch Faktoren wie den wachsenden Innovationsdruckverbunden mit kürzer werdenden Halbwertzeiten des Wissens immer stär-ker Kooperationen eingegangen, in denen interorganisationales Lernenzum eigentlichen Kooperationszweck wird (1996, 164ff.). „Die Zusammen-arbeit zwischen Unternehmen wird zur Lernarena für fundamentaleWandlungsprozesse“ (Müller Stewens; Hillig 1997, 250). Netzwerke entste-

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hen, „wo Organisationen an ihre Grenzen stoßen. Sie helfen gleichsam,diese Grenzen zu überwinden, indem sie zwischen Mitgliedern aus verschie-denen Organisationen, Personen aus unterschiedlichen Wertsystemen undauch zwischen verschiedenen sozialen Systemen sinnvolle Verknüpfungenermöglichen. Sie erfüllen damit eine Querschnittfunktion zu bestehendenStrukturen und eröffnen einen Experimentierraum für Themen, deren sichdie Organisationen nicht annehmen können oder wollen“ (Boos u. a. 1992,59f.). Aber nicht nur für Organisationen werden Netzwerke zur Vorausset-zung künftiger Prozesse der Wissensgenerierung, sondern ebenso für Bera-ter und Wissenschaftler. „Berater, die in der Regel über keine Management-praxis verfügen, müssen diese Managementpraxis beobachten und erschlie-ßen, um - wiederum gemeinsam mit dem Klienten - einen Prozess in Gangzu bringen, der für beide Seiten neues Wissen hervorbringt“(Willke 1997, 13).

Aber auch die Ebene der Politik ist, wie am Beispiel regionaler Lern-netzwerke bzw. der Diskussion um Konzepte der „Lernenden Region“erkennbar, sowohl inkrementeller Bestandteil als auch (Mit)Initiator derarti-ger Verbünde. Entscheidend ist dabei, dass es sich bei den skizziertenGrenzauflösungen bzw. Grenzüberschreitungen nicht vorrangig um ökono-misch motivierte „Geschäftsfelderweiterungen“ handelt, sondern dassNetzwerke zur unabdingbaren Voraussetzung der Wissensgenerierung unddes Wissensaustausches werden. Qualitative Weiterentwicklungen derjeweiligen Wissensbestände und innovative Ideen entstehen künftig weni-ger innerhalb einzelner Systeme, Organisationen, Institutionen, sondern indem „Dazwischen“ der Netzwerke.

3 Koevolutionäre Kooperationsverbünde als regionaleLernnetzwerke

Vor diesem Hintergrund lässt sich die wachsende Bedeutung eines Netzwerk-typs verstehen, den wir als „Koevolutionäre Kooperationsverbünde“ (KoKo)bezeichnen (vgl. Howaldt, Kopp, Martens 2000, 2001) und im Rahmenunseres Projektes „Erfolgreich im Verbund“ gemeinsam mit Netzwerk-praktikern beschrieben und analysiert haben (Flocken u. a. 2001).

Koevolutionäre Kooperationsverbünde sind Netzwerke, in denen Akteureaus unterschiedlichen gesellschaftlichen Teilsystemen zusammenkommen,um gemeinsam organisationale oder organisationsübergreifende Innovations-prozesse zu bewältigen. Wir finden in diesen Netzwerken Vertreter aus

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Unternehmen, Weiterbildungs- und Beratungseinrichtungen, Kammern,Wirtschaftsförderungen, Verbänden, Gewerkschaften usw.

Diese Kooperationsverbünde lassen sich folgendermaßen charakterisieren:

• Die thematischen Schwerpunkte dieser Verbünde sind vielschichtig. Siereichen von „Qualifizierung“, „Personal- und Organisationsentwicklung“über Themen wie „Marketing und Vertrieb“, „Technologie- und Produkt-entwicklung“ bis hin zur „Branchen- und Regionalentwicklung“.

• Zur Bearbeitung dieser Themen führen die Kooperationsverbünde Ak-teure aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Teilsystemen zum Aus-tausch von Dienstleistungen sowie zu gemeinsamen Lern- undEntwicklungsprozessen zusammen.

• Sie werden heterarchisch gesteuert und arbeiten ohne ausdrücklicheVerfügungsgewalt einzelner Partner. Die Mitwirkung ist freiwillig.

• Persönliche Beziehungen und Vertrauen spielen als Koordinations-mechanismus eine zentrale Rolle.

• Zudem werden solche Verbünde häufig durch öffentliche Förderunginitiiert und gestützt und sind insofern Element regionaler Innovations-politik.

Das Bild 1 gibt einen Überblick über konkrete Beispiele solcher Kooperations-verbünde1.

Diese Kooperationsverbünde sind eine effektive Organisationsform, um denvom Wirtschaftssystem ausgehenden - verstärkt auch andere gesellschaft-liche Teilsysteme erfassenden - wachsenden Innovations- und Moderni-sierungsdruck zu bewältigen. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf kleinereund mittelgroße Unternehmen, deren Ressourcen in der Regel nicht ausrei-chen, die wachsenden Innovationsanforderungen aus eigener Kraft zubewältigen (vgl. Wassermann 1997). „Wo die großen fusionieren, müssendie Kleinen kooperieren“.

1 Weitere Beispiele solcher Verbünde sind in der Projektbörse unseres Handlungsleitfadensbeschrieben (vgl. Flocken u. a. 2001)

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Bild 1: Beispiele für das breite Spektrum von KoevolutionärenKooperationsverbünden

Der besondere Charme solcher Kooperationsverbünde liegt in vier Teil-aspekten:

• In Bezug auf Innovationsprozesse, für die kein Rezeptwissen verfügbar istund die deshalb mit hohen Unsicherheiten und Risiken verbunden sind,ermöglichen sie die Bündelung unterschiedlicher Kompetenzen und Res-sourcen sowie gemeinsame Lern- und Entwicklungsprozesse, die helfenkönnen, Unsicherheiten zu reduzieren.

• Im Hinblick auf die wachsende Bedeutung regionaler Standortfaktorenfür die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen - wie sie bspw. von dersich auf „industrial districts“ oder „cluster“ konzentrierenden regional-ökonomischen und –soziologischen Forschung betont werden - erlaubensie eine abgestimmte Entwicklung von (Produktions-)Unternehmen, unter-nehmensnahen Dienstleistern (Beratung, Weiterbildung, Marketing, neueMedien usw.) und regionalen Akteuren (Weiterentwicklung des Rollen-verständnisses von Kammern, Verbänden und Wirtschaftsförderern).

Regio R.U.N.- regionaler Qualifizierungs-und Kooperationsverbund

Projekt Zulieferer Netzwerk (PZN) -

PE /OE, Marketing und Vertrieb

Vom traditionellen Druckbetrieb

zum Multimedia-Dienstleister

Unternehmensvernetzung

im Handwerk

Weiterbildung und

Personalentwicklung im Verbund

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• Durch die gemeinsame Arbeit tragen Sie zur Entwicklung einerKooperationskultur, gemeinsamer Sichtweisen und (regionaler, sek-toraler) Identitäten bei. So ermöglichen Sie eine Einbettung wirtschaftli-cher Effizienzkriterien in einen erweiterten Referenzrahmen („arbeits-orientierte Modernisierung“).

• Schließlich und endlich stellen sie aus Sicht der Politik ein Erfolg verspre-chendes Modell moderner Innovationspolitik dar, welches eine Beeinflus-sung von Entwicklungsprozessen durch gezielte Impulsgebung, Netzwerk-bildung und Aktivierung der Akteure jenseits traditioneller Formen politi-scher Steuerung ermöglicht (vgl. Verbund SozialwissenschaftlicherTechnikforschung 1997).

Die Zusammenarbeit in diesen Kooperationsverbünden stellt jedoch nichtnur eine erfolgreiche Bewältigungsstrategie im Hinblick auf den zunehmen-den Innovations- und Modernisierungsdruck dar. Zugleich konfrontiert siedie beteiligten Akteure mit neuen Anforderungen. Die bewusste Koordinierungvon Akteuren in Netzwerken bietet nicht nur Chancen, sondern ist zugleichmit Kosten und Risiken verbunden. Dies gilt bereits für die Arbeit in reinenUnternehmensnetzwerken (vgl. bspw. Sydow 1999, 291). Umso problema-tischer ist die Koordination von Akteuren aus unterschiedlichen gesellschaft-lichen Teilsystemen mit je spezifischen Interessenlagen, Erwartungshaltungen,Sprachen usw. „Deshalb können die korporativen Akteure nicht einfachmiteinander kommunizieren, als wären Sie per du“ (Willke 1995, 94).

4 Die praktische Gestaltung von Lernprozessen imNetzwerk – eine offene Frage

So interessant diese Überlegungen zur gesellschaftlichen Relevanz solchernetzwerkförmigen Strukturen auch sein mögen, es gilt theoretische Entwür-fe und die Praxis derartiger Netzwerke zusammenzuführen. Insbesonderedie praktischen Befunde hinken derzeit den hochgespannten, theoretischbegründeten Erwartungen hinterher. Flexibilität, Selbstorganisationsfähigkeit,Innovationskraft, Entwicklungsoffenheit gehören zu den positiven Eigen-schaften, die Netzwerken zugeschrieben werden. Ungelöste Probleme, dieaus der hohen Eigenkomplexität und der tendenziellen Unterdeterminationvon Netzwerken resultieren, treten genauso in den Hintergrund, wie Aspek-te der konkreten Gestaltung von Netzwerken.

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Dieses Manko gilt umso mehr im Hinblick auf die Gestaltung von organisations-übergreifenden Lernprozessen in Netzwerken. Wie ein Blick auf die umfang-reiche Literatur zur regionalen Innovations- und Netzwerkforschung (vgl. u.a. Sydow 1999, 304) zeigt, sind solche organisationsübergreifenden Lern-prozesse höchst voraussetzungsreich. Sie vollziehen sich weder im Selbst-lauf, noch lassen sie sich durch die Politik verordnen. Vielmehr setzen sie dieSchaffung eines gemeinsamen Erfahrungskontextes voraus.

4.1 Erfolgsfaktoren

Wie aber müssen solche Netzwerke strukturiert sein, damit sie gemeinsa-mes Lernen ermöglichen? Welche Rahmenbedingungen, Strukturen undRegelsysteme sind zu schaffen? Welche Arbeits- und Lernformen sind fürsolche kollektiven Lernprozesse geeignet? Mit diesen Fragen beschäftigtesich das Projekt „Erfolgreich im Verbund“ (vgl. Flocken u. a. 2001). ImMittelpunkt des von der NRW-Landesregierung aus dem Programm Quatromit Mitteln der EU kofinanzierten Projektes stand die Auswertung vonerfolgreichen Verbünden und Netzwerken in NRW. Von besonderem Inter-esse war die Frage nach den Erfolgsfaktoren und der konkreten Gestaltungder Netzwerkarbeit sowie der angemessenen Arbeits- und Lernformen. ImRahmen der Untersuchungen unseres Projektes konnten wir folgendeFaktoren herausarbeiten, die wichtige Voraussetzungen für eine erfolgrei-che Praxis der Netzwerkarbeit darstellen.

Erfolgsfaktor ‚Promotoren‘

Koevolutionäre Kooperationsverbünde weisen per Definition eine heteroge-ne Partnerstruktur auf. Die verschiedenen Akteure verfolgen in Kooperations-verbünden z.T. unterschiedliche Ziele und gehen eine Interessenallianz ein.Zum Aufbau brauchen Kooperationsverbünde ‚Promotoren‘ mit einer über-zeugenden Idee, einem langen Atem und ausreichenden Ressourcen. In derVerbundidee sollten konkretes Eigeninteresse der Promotoren, die Handlungs-probleme möglicher Kooperationspartner und übergreifende Zielsetzungenverbunden sein.

Erfolgsfaktor ‚Kompetentes Netzwerkmanagement‘

Kooperationsverbünde benötigen ein kompetentes Netzwerkmanagement,welches in der Lage ist, der Komplexität der Netzwerkarbeit gerecht zuwerden und eine hohe Effizienz und Effektivität der gemeinsamen Arbeitsicherzustellen.

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Erfolgsfaktor ‚Stabile Kerne‘

Erfolgreiche Verbünde haben stabile Kerne herausgebildet. Diese überneh-men arbeitsteilig wichtige Funktionen des Netzwerkmanagements. Nebenden Promotoren gehören hierzu wichtige Leitorganisationen und Multiplika-toren.

Erfolgsfaktor ‚Vertrauensvolle Kooperation undpersönliche Kontinuität‘

Das Netzwerkmanagement kann in der Regel nicht auf das in Organisatio-nen verfügbare Arsenal an Anreiz- und Sanktionsmitteln zurückgreifen.Hohe Bedeutung für eine erfolgreiche Arbeit kommt deshalb einer vertrau-ensvollen Kooperation und persönlicher Kontinuität der Netzwerkpartnerzu.

Erfolgsfaktor ‚Flexible Regelsysteme‘

Um den unterschiedlichen, z.T. divergierenden Interessenlagen, Zielsetzun-gen und Kontexten der Verbundpartner gerecht zu werden, müssen flexibleRegelsysteme geschaffen werden, die unterschiedliche Beteiligungsinten-sitäten und -tiefen zulassen.

Erfolgsfaktor ‚Entwicklungsspielraum für Innovationen‘

Die Arbeit in Kooperationsverbünden ist offener und gestaltbarer als die inbestehenden Organisationen. Neue Arbeits- und Kooperationsformen wer-den (mit unterschiedlichen Partnern) erprobt und eine kontinuierliche Über-prüfung der Arbeitsschwerpunkte ist notwendig. Insofern sind Kooperations-verbünde so zu gestalten, dass sie Entwicklungsspielraum für Innovationenschaffen.

Erfolgsfaktor ‚Identitätsbildende Maßnahmen‘

Gemeinsame Orientierungen und Zielbindungen müssen sichergestellt wer-den. Identitätsbildende Maßnahmen - wie z. B. Veranstaltungen, gemeinsa-me Produkte, öffentliche Anerkennung - sind wichtige Erfolgsfaktoren in derVerbundarbeit.

Erfolgsfaktor ‚Professionelle Arbeit‘Mit der Sicherstellung der professionellen Arbeit steht und fällt der Erfolg imVerbund. Die Dienstleistungen für den einzelnen Betrieb müssen stimmen,die Arbeitsformen und Methoden auf der einzel-, zwischen- und über-betrieblichen Ebene müssen angemessen sein, Beratung und Weiterbildungmüssen problem- und adressatengerecht durchgeführt werden.

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Erfolgsfaktor ‚Praxiswissen und Erfahrungsaustausch‘

Koevolutionäre Kooperationsverbünde, selbst von hoher Komplexität ge-kennzeichnet, bergen die Chance, die Komplexität ‚verdaubar‘ zu machen,die betriebliche und regionale Modernisierungsprozesse mit sich bringen.Um den Anforderungen des schnellen Wandels in Markt und Technologiesowie neuen Kunden- und Qualifizierungsbedürfnissen gerecht zu werden,ist „Lehrbuchwissen“ nicht mehr ausreichend. Praxiswissen aus anderenBetrieben und Bereichen erweitert die Perspektive aller Mitwirkenden nichtnur für das konkrete Verbundthema, sondern erhöht nachhaltig ihreKooperationsbereitschaft und -fähigkeit.

4.2 Arbeits- und Lernformen

Damit sind wesentliche Rahmenbedingungen für die erfolgreiche Gestal-tung der Arbeit von Verbünden und organisationsübergreifenden Lern-netzwerken beschrieben. Welches aber sind geeignete Arbeits- und Lern-formen, die kollektive Lernprozesse im Rahmen solcher Netzwerke initiierenund befördern können? Wie lässt sich die gemeinsame Praxis so gestalten,dass ein gemeinsamer Erfahrungskontext entsteht? Dabei ist zunächstfestzuhalten, dass die Organisation von gemeinsamen Lernprozessen zwi-schen den Akteuren in Verbünden höchste Anforderungen an das Manage-ment stellt. Informationsflüsse sind nicht nur auf Ebene einer einzelnenOrganisation zu steuern, sondern in mehreren gleichzeitig. Hinzu kommt dieOrganisation des Austauschs von Erfahrungen auf den unterschiedlichenNetzwerkebenen.

Dies setzt die Fähigkeit voraus, verschiedenste Organisationskulturen nichtnur miteinander ‚ins Gespräch’, sondern in einen gemeinsamen Arbeits-zusammenhang zu bringen. Die Verzahnung von Arbeit und Lernen, dasEinweben von Lernprozessen in konkrete Arbeitsvorhaben und Verbund-aktivitäten ist die zentrale Voraussetzung für erfolgreiche Lernprozesse.Über die Netzwerkebenen sind strategische und operative Aufgaben somiteinander zu verzahnen, dass gemeinsame Lernprozesse möglich wer-den. Und zu allem Überfluss hat dies ohne Anweisungsbefugnis und ohnenennenswerte Durchsetzungsmacht der Verbundmanager zu erfolgen.

Zentrale Aufgabe des Netzwerkmanagements ist es, das im Netzwerkvorhandene Wissen als „Netzwerkwissen“ (Sydow, van Well, 206ff.) für dieNetzwerkbeteiligten verfügbar zu machen. Diese Aufgabe der Wissens-organisation beschreiben Sydow/van Well folgendermaßen: „Die Organisa-

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tion von Wissen ...umfasst dabei notwendig die reflexive Überwachung undeher intentionale Gestaltung interorganisationaler Praktiken, die dafürsorgen, dass das erforderliche Wissen zu angemessenen Kosten zur rechtenZeit und am richtigen Ort generiert und gespeichert, ggf. transferiert oderauch vor dem Zugriff durch Dritte geschützt wird.“ (ebd. 207)

Dazu sind gemeinsam mit den Netzwerkakteuren verschiedenste neueorganisationsübergreifende Arbeits- und Lernformen (Arbeitskreise, Work-shops, Schulungen, Erfahrungsrunden, Transferveranstaltungen, bilateraleAbstimmungen usw.) zu initiieren und entsprechende Dialogstrukturen zubilden. Das Bild 2 gibt einen Überblick über die im Rahmen der Arbeit in denvon uns untersuchten Netzwerken angewandten Arbeits- und Lernformen(angeordnet nach ihrer von den Netzwerkmanagern eingeschätzten Bedeu-tung).

Bild 2: Arbeits- und Lernformen inKoevolutionären Kooperationsverbünden

Ein Blick auf diese Arbeits- und Lernformen nährt zunächst einmal den

- Thematische Workshops

- Erfahrungsaustausch

- Überbetriebliche Qualifizierungsmaßnahmen

- Beratung und Qualifizierung vor Ort

- Kontinuierliche Arbeitsgemeinschaften

- Geschäftsbezogene Kooperat ionen

- Medialer Informationsaustausch

- Personaltransfer

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Verdacht, dass die Arbeit in Netzwerken weitestgehend auf in anderenKontexten „Bewährtes“ zurückgreift. Feststellen lässt sich, dass es einbreites Spektrum von Arbeits- und Lernformen gibt, bei denen Formen derdirekten Kommunikation und die ‚Arbeit vor Ort’ im Vordergrund stehen. DieOrganisation thematischer Workshops und Arbeitskreise, der Einbezugverschiedener Perspektiven (Erfahrungsaustausch) bei der Problem-bearbeitung, die Notwendigkeit der Sicherstellung zeit- und arbeitsplatz-naher Unterstützung (Beratung sowie Qualifizierung) dürften zu Routine-tätigkeiten betrieblicher Praktiker aus den Bereichen interner Organisati-ons- und Personalentwicklung gehören. Aber auch zur Initiierung der viel-schichtigen Prozesse des Erfahrungsaustauschs und Erfahrungslernens inNetzwerken gehören Formen der direkten Kommunikation und des unmit-telbaren Dialogs zum Alltagsgeschäft.2

Netzwerkspezifisch ist aber die Errichtung eines Systems an Kommunikations-kanälen sowie die Koordination der Informationsflüsse zwischen den Ebe-nen. Während seitens des Verbundmanagements auf der überbetrieblichenEbene der Dialog über den Verbund hinaus, d. h. zwischen verschiedenengesellschaftlichen Institutionen einer Region/einer Branche sicherzustellenist, geht es auf der zwischenbetrieblichen Ebene eher um die Gewährleis-tung eines Erfahrungsaustauschs innerhalb eines Netzwerkes. Ein Stückweit handelt es sich darum, einen Beratungs- und Qualifizierungsprozesszwischen verschiedenen Betrieben bzw. ihren Vertretern nach dem Motto‚Betriebspraktiker beraten Betriebspraktiker‘, zu organisieren. Hier stehenproblemorientierte Impulse, gemeinsame Problembearbeitungen, gemein-same Schulungen usw. im Mittelpunkt. Aber auch die strategische Ausrich-tung und Thematisierung der Verbundarbeit selbst, die Integration verschie-dener Zielperspektiven (inklusive der Projektförderer), die Klärung derVorgehensweise usw. müssen auf dieser Ebene ausgehandelt und regelmä-ßig neu justiert werden.

2 Interessant scheint die Tatsache, dass den technisch vermittelten Kommunikations- undLernformen eine nachgeordnete Bedeutung zukommt. Hier ist nach meiner Einschätzung eingroßer Nachholbedarf bei der Entwicklung, Erprobung und Anwendung neuer, elektronischerund internetbasierter Lehr- und Lernformen erkennbar.

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5 Fazit

Die Wissensorganisation bzw. das Wissensmanagement gehört zu einer derbedeutenden Funktionen des Netzwerkmanagements. Kooperations-verbünde sind Erfahrungsdrehscheiben, die nur in Schwung bleiben, wennthemenbezogene Transparenz über die Wissensbestände auf den dreiNetzwerkebenen hergestellt wird. Für den Wissens- und Informationsflusssind die jeweiligen Wissensträger bzw. Wissensgeber und potenziellenWissensempfänger bzw. Wissensnehmer zu identifizieren, zu aktivieren undzu ‚verlinken’, d. h. miteinander in Beziehung zu bringen. Die ‚linking-pins’sind auf Unternehmensseite überwiegend Geschäftsleitungen, Führungs-kräfte sowie ausgewählte Funktionsträger und -gruppen, auf Seiten derAus- und Weiterbildungsinstitutionen die konkreten betrieblichen Beraterund auf Seiten der übrigen Institutionen wichtige Kontaktpersonen. DieseBeziehungen sind durch eine hohe Dynamik, in der die Rollen von Wissens-gebern und Wissensempfängern kontinuierlich wechseln können, geprägt.Entsprechende kommunikative Situationen und Anlässe zur effektivenWissenszirkulation müssen organisiert und methodisch unterstützt werden.

Im Hinblick auf die netzwerktypischen Anforderungen an die erfolgreicheGestaltung von Lernprozessen stellt sich die Verzahnung von individuellenLernprozessen der Netzwerkteilnehmer einerseits und organisationalenLernprozessen auf Ebene der von Ihnen repräsentierten Organisationenandererseits dar. Prange definiert interorganisationales Lernen als „eine ausSicht des jeweiligen fokalen Systems vorgenommene Identitätsveränderung“und führt aus: „Die ‚Anschlussfähigkeit“ von Lernprozessen ist an bestehen-des Wissen gebunden, und die Lernmöglichkeiten aus der Umwelt müssenin die Sprache des Systems übersetzt werden bzw. werden erst in solcherwahrgenommen. ‚Wissenstransfer‘ hat in dieser Terminologie die Funktionder Übersetzung in systemeigene Sprache.“ (1996, 174)

Dies setzt voraus, dass die Netzwerkteilnehmer in die Lage versetzt werden– ggf. mit Unterstützung weiterer Akteure – ihre individuellen Lernerfahrungenin ihre jeweiligen Organisationen zu transferieren und dort notwendigeVeränderungsprozesse zu initiieren und zu begleiten. Eine wichtige Voraus-setzung für das Gelingen dieser Verzahnung ist die Entwicklung von Arbeits-und Lernformen, die die unterschiedlichen Ebenen der beteiligten Organisa-tionen einbezieht. Kooperation ist dann nicht mehr nur eine Sache ausge-wählter Vertreter des Managements, sondern wird auch auf den operativenEbenen der an den Netzwerken beteiligten Organisationen eingeübt undweiterentwickelt (vgl. Endres 2001, 108).

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Kompetenzentwicklung in Netzwerken

Gudrun Keilbar / Yvonne Wolf / Jana Voigt

Netzwerke als Zukunftsmodell

Die aktuellen Rahmenbedingungen unternehmerischen und marktorientiertenHandelns sind durch eine hohe Wettbewerbsintensität, anspruchsvollereKunden sowie einen rasanten technologischen Fortschritt charakterisiert.Zukunftsweisende Trends der Wirtschaft sowie die zunehmendeDynamisierung von Märkten aber auch Komplexitätsanforderungen bezüg-lich von Leistungsbereichen verlangen von Unternehmen und Institutionen:

Dies führt dazu, dass Zielsetzungen wie höhere Wirtschaftlichkeit, Kunden-orientierung und Flexibilität gleichzeitig realisiert werden müssen. Im Hin-blick auf die synchrone Erfüllung dieser drei Ziele erscheinen ständig neueManagementkonzepte. Konzentrierten sich diese in der Vergangenheit aufdie Optimierung interner Prozesse, werden Organisationen in Zukunft neuePotentiale durch Kooperationen in Form von Netzwerken erschließen. Durchdie Initiierung ebendieser Organisations- und Kooperationsformen könnenvorhandene Ressourcen besser genutzt, Kosten reduziert und Synergienentwickelt werden.

Interne wie externe Kommunikations- und Kooperationsstrukturen bieteneine Möglichkeit zum Austausch von strategischem und methodischemKnow-how. Durch Netzwerke können nicht nur organisationsinterne Akti-vitäten weiterentwickelt werden, sondern auch institutionsübergreifendeBeziehungen zu externen Partnern auf- und ausgebaut werden.

Innovationsgeist

Flexibilität Kreativität

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Funktionsweise und Möglichkeiten von Netzwerken

Gerade KMU sind auf Grund ihres Ressourcenmangels zunehmend aufKooperationen angewiesen, um ihre Wettbewerbsstellung zu halten undauszubauen. Bei konsequenter Konzentration auf das Kerngeschäft wirdder Blick nur einseitig auf Produktion und Marktstellung gerichtet. Synergienbleiben häufig unerkannt und somit ungenutzt. Netzwerke erschließen einebreite Vielfalt von Lernmöglichkeiten und können durch Offenheit, Transpa-renz und vielfältige Serviceleistungen ein ausschließlich anlassbezogen-begrenztes und somit uneffektives ad-hoc Lernen vermeiden helfen undeinen optimalen Lernerfolg sichern.

Durch die Bündelung verschiedenster Kompetenzen in Netzwerken könnenUnternehmen und Institutionen vermehrt branchenfremde Alternativen fürdie Lösung ihrer Probleme nutzen. Dabei sollte die Zusammenführunggleichartiger Kompetenzen nicht unterschätzt werden, denn auftretendeMultiplikationseffekte können das gemeinsame Lernen erheblich erleich-tern.

Arbeitschwerpunkte eines Netzwerkes können unter anderen sein:

• Gezielte Bündelung verfügbarer regionaler Ressourcen durch dieNetzwerkpartner und dadurch Steigerung der Wettbewerbsfähigkeitdes Wirtschaftsraumes auf dem lokalen und globalen Markt.

• Aufbau eines Wertschöpfungsnetzwerkes als zukunftsorientierter Wegfür eine neue und positive Beschäftigungsdynamik.

• Durchführung von Workshops zur Förderung des Informations- undErfahrungsaustausches zwischen den Unternehmen und Organisatio-nen.

• Vermittlung und Anwendung zukunftsorientierter Methoden und Model-le des Lernens und der Personalarbeit.

• Teilnahme an aktuellen Fachdiskussionen durch Netzwerktreffen bzw.Fachveranstaltungen.

• Aufbau einer Kommunikationsschnittstelle bzw. Marketingplattform.

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• Sensibilisierung für den Fachkräfte- und Qualifizierungsbedarf der Zu-kunft sowie Aufgreifung entsprechender Trends und Bedarfe in derNetzwerkarbeit.

• Vermittlung von Experten, Trainern und Beratern zu Personal- undOrganisationsfragen.

• Entwicklung branchenübergreifender Weiterbildungskonzepte sowieUnterstützung von Unternehmen bei der Entwicklung von Personal-kompetenz.

• Unterstützung in der Prozess- und Produktinnovation.

• Moderation von außer-, inner- und überbetrieblicher Projektarbeit

Oben genannte Punkte stellen Möglichkeiten dafür dar, wie der Netzwerk-gedanke umgesetzt werden kann: Zur Unterstützung und Erweiterung derMedien-, Lern- und Lebenskompetenz sowie als spezifische Interessen-vertretung von Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen, des Unternehmensals lernende Organisation und der Region als kooperativem Lernnetzwerk.

Als Kriterien der Arbeit in Netzwerken und Kooperationsbündnissen sind zunennen:

• richtiges Mischungsverhältnis der Kompetenzen der Partner, d.h. desVerhältnisses zwischen Homogenität und Heterogenität der Netzwerk-partner,

• eine auf gemeinsamer Vertrauens- und Wertekultur basierende Zusam-menarbeit,

• die Partner müssen über Fähigkeit und Bereitschaft zum Wissensaus-tausch und zur Wissensnutzung verfügen,

• Gleichberechtigung der Partner und die Bereitschaft, sich temporär aufdie unterschiedlichen Rollen einzustellen – als Gebender und Nehmender(klare Regeln für alle Netzwerker),

• Nutzensfunktion des Netzwerkes: Win-Win-Strategie,

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• Qualitätssicherung der Netzwerkarbeit, kritische Reflexion der Netzwerk-arbeit – Was war gut? Was kann verbessert werden?,

• Evaluierung des Lernerfolgs und des Anwendungstransfers,

• der Netzwerkaufbau wird in die Hand eines “Wissensmanagers” gelegt,der später auch als Moderator des Netzwerkes fungiert, er hält alleNetzwerkfäden in der Hand und ist auf Grund seiner Kompetenz in derLage, auch neue Netzwerkfäden zu ziehen,

• Recherche durch den Netzwerkmanager: Welche innovativen Unterneh-men streben von sich aus eine Netzwerkarbeit an bzw. welche Unterneh-men können zur Mitarbeit gewonnen werden? Welche Experten (interneund externe) kommen für eine Zusammenarbeit in Frage?,

• Vertrauenswürdigkeit der zukünftigen Netzwerkpartner in der Vergan-genheit,

• Analyse der Probleme der Netzwerkarbeit zur Beseitigung von Hemmnis-sen,

• Erfassung von Qualifizierungsdefiziten bei den Unternehmen und denLernenden (Vergleiche Böhm 1999).

Erfahrungen mit der Arbeit in Netzwerken

Erste Erfahrungen mit kooperativen Zusammenschlüssen konnten bereits inden Netzwerken Unternehmerforum Saalfeld-Rudolstadt, “Diskussions-plattform für Personalleiter” und dem Frauennetzwerk “Frauen in Verant-wortung” durch das Bildungswerk der Thüringer Wirtschaft e.V. gesammeltwerden, welche nachfolgend kurz vorgestellt werden sollen:

Unternehmerforum Saalfeld - Rudolstadt

Die zunehmende Komplexität im Leistungsbereich, die Dynamisierung derMärkte sowie der Wertewandel von Gesellschaft und Arbeitswelt verlangenvon Unternehmen vor allem Flexibilität und Innovation.

Unternehmen erkennen in diesem Zusammenhang immer mehr das ge-meinsame Basisinteresse - Kommunikation und Kooperation.

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1994 wurde durch das Bildungswerk der Thüringer Wirtschaft e.V. die Ideezur Schaffung eines Netzwerkes geboren und der erste Unternehmer-stammtisch initiiert. Den beteiligten Firmen wird bis heute die Möglichkeitgeboten, sich außerhalb des eigenen Unternehmens zu orientieren, branchen-übergreifend auszutauschen, sich wechselseitig Kontakte zu vermitteln undneue Konzepte zu diskutieren.

Das gegenseitige Vertrauen, das durch den regelmäßigen Kontakt derUnternehmen während der Foren aufgebaut und verstärkt wurde, ermög-licht heute einen informell direkten Kommunikationsstil. Mitgliedsunter-nehmen bringen ihr Wissen systematisch zum Nutzen aller ein, berichtenüber Know-How, aber auch über Schwierigkeiten aus dem “Alltagsgeschäft”und entwickeln so unternehmensinterne Aktivitäten sowie unternehmens-übergreifende Beziehungen weiter.

Hierbei spielen vor allem die Kontakte und Kooperationen zu “Gleichgesinn-ten”, der Aufbau regionaler Geschäftsbeziehungen, neue Kenntnisse überpraxiserprobte Lösungen, Qualifizierung sowie das Lernen von anderenBetrieben eine große Rolle.

Auf der Grundlage gemeinsamer Grundinteressen stehen

• der branchenübergreifende Informations- und Erfahrungsaustausch,

• die Vermittlung von Kontakten zu Forschungs- und Entwicklungsinstitutensowie

• die Vorstellung neuer innovativer Personal- und Entwicklungskonzepte

im Mittelpunkt der regelmäßig stattfindenden Unternehmerstammtische.

Diskussionsplattform für Personalleiter

Im Rahmen der intensiven Firmen- und Personalarbeit des Bildungswerkesder Thüringer Wirtschaft e.V. bestehen vielfältige Kontakte zu Personallei-tern und Personalverantwortlichen.

Ziel der Arbeit im Rahmen der “Diskussionsplattform für Personalleiter”,welche von uns begleitet wird, ist es, Firmen der Region anzusprechen undmit ihnen Themen zur Entwicklung der Wirtschafts- und Arbeitsmarkt-struktur und der Organisations- und Personalentwicklung zu diskutieren.

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Hierbei treten vor allem Fragestellungen aus dem Prozess der Arbeit derPersonalleiter und Personalverantwortlichen in den Vordergrund derDiskussionsrunden, wie beispielsweise Fragen

• der Aus- und Weiterbildung,

• der qualitativen Personalplanung,

• der firmeninternen Nachfolgesicherung und

• zu Beurteilungsverfahren.

Der Gesprächskreis lebt jedoch nicht nur von aktuellen Themen sondernauch von den reichhaltigen Erfahrungen der Teilnehmerinnen und Teilneh-mer, die immer wieder Anregungen und Impulse für die Arbeit im eigenenUnternehmen gewinnen können. Auch der Aha-Effekt für die Bestätigungder Richtigkeit des eigenen Weges und des Wiedererkennens in der Verfah-rens- und Entscheidungsweise anderer Unternehmen ist ein wichtigesErgebnis für die Teilnehmenden.

Die konzeptionellen Schwerpunkte der Diskussionsplattformen liegen somitvordergründig im Erfahrungsaustausch und der Wissensvermittlung, derInitiierung von Gesprächsrunden und dem Informationsmanagement durchdas Bildungswerk.

Zudem werden Kontakte zu konkreten Ansprechpartnern in wissenschaft-lichen Einrichtungen, Fördereinrichtungen und arbeitsmarktbezogenen In-stitutionen geknüpft.

Frauennetzwerk “Frauen in Verantwortung”

Um die Vernetzung und den Austausch von engagierten Frauen zu fördern,initiierte das Bildungswerk der Thüringer Wirtschaft e.V. das FrauennetzwerkSaalfeld-Rudolstadt.

Das Netzwerk soll aus Gruppen aktiver Frauen der Region entstehen unddurch Gespräche, Erfahrungsaustausch, Veranstaltungen sowie aktive Mit-arbeit wachsen.

Gegenwärtig befindet sich das Netzwerk in seiner Gründungsphase. Bislangfanden vier Treffen interessierter Unternehmerinnen, Existenzgründerinnen,Freiberuflerinnen und Frauen in Führungspositionen statt.

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Netzwerkpartner

Im Rahmen der Netzwerkaktivitäten sind insbesondere folgende Koope-rationspartner integriert:

Regionale Kooperation

Universitäten, Fachhochschulen

Mit der Installation dieser Netzwerke wird das Ziel verfolgt, die Potenzialeder Region zu nutzen und eine stabile und dennoch flexible Vernetzung vonAktivitäten und Akteuren zu erreichen. Anliegen der moderierten Netzwer-ke aus Unternehmen und Institutionen ist es, die entsprechenden Belangeund Ressourcen der “Netzwerker” zusammenzufassen, den Informations-fluss in die richtigen Bahnen zu lenken sowie innovative Ansätze transparentzu machen und zu transportieren. Dadurch werden verfügbare regionaleRessourcen nicht nur gezielt gebündelt, sondern zusätzlich auch dieWettbewerbsfähigkeit der beteiligten Institutionen gesteigert.

Im Rahmen der Netzwerke soll die Durchlässigkeit zwischen den Bildungs-bereichen erhöht, allgemeine, politische, kulturelle und berufliche Bildungstärker verzahnt und die Zusammenarbeit zwischen Bildungs-, Beschäfti-gungs- und Arbeitsmarktpolitik sowie anderer Politikfelder mit dem Ziel

Arbeitskreis SCHULE WIRTSCHAFT

Einrichtungen derWirtschaftsförderungBildungswerk der

Thüringer Wirtschaft e.V.

Handwerkskammer

Schulen, Berufs- undberufsbildende Schulen

der Landkreise

Industrie- und Handelskammer

Bildungsträger der Region

GFAW

Arbeitsamt

Ministerien

Unternehmender Region

Innovativeregionale Akteure

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gestärkt werden, die Persönlichkeitsentwicklung und Handlungsfähigkeitder Menschen in der Region zu fördern und ihre Beschäftigungsfähigkeit zuverbessern. Zielsetzung der Netzwerke ist dem zur Folge neben der Schaf-fung verbindlicher Kooperationsbeziehungen auch der Aufbau von funktio-nierenden Transferstrukturen.

Literatur

Böhm, I. (1999): Wie entwickelt man ein Expertennetzwerk? In: ReportWissensmanagement, Düsseldorf.

Dohmen, G. (2000): Warum Lernnetzwerke? 20 Thesen zur Bedeutungregionaler Lernnetzwerke für die Verwirklichung eines lebenslangen Lernensaller., Universität Tübingen, Tübingen.

Keilbar, G./ Weitz, R. (2000): Regionale Unternehmensnetzwerke. Prozes-se, Projekte und Perspektiven. Eschborn.

Schöne, R. (2000): Kooperationen von kleinen und mittleren Unternehmen.Ein Leitfaden. 2. Auflage. Technische Universität Chemnitz. Chemnitz.

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Wissensaustausch unter Netzwerkpartnern

Bernd Helbich

1 Ausgangsüberlegungen und Praxishintergrund

Wenn Unternehmen - und gerade Mittelständler- sich zu Netzwerkenzusammenschließen, handeln sie wohlüberlegt und absichtsvoll. Sie wollenvon Synergieeffekten profitieren, d.h. Leistungen im Netzwerk günstigererbringen und/oder beziehen als dies in Eigenregie möglich wäre. Lernendurch Austausch von Wissen und Erfahrungen wird in vielen Netzwerken alswillkommenes Beiwerk propagiert. In arbeitsorientierten Netzwerken, z.B.beim Zusammenschluss von Bauhandwerkern oder Zulieferern entlangmehrerer Arbeitsschritte in einem Wertschöpfungsprozess, mag es eherNebenprodukt sein als in wissensorientierten Netzwerken. Vereinfachtausgedrückt lautet die These: In arbeitsorientierten Netzwerken wird mehrgearbeitet denn gelernt als in wissensorientierten. Darüber lässt sich strei-ten. Angegliedert an „MACH 1 Weiterbildung“, das Bildungswerk der Wirt-schaft im Kreis Herford, versteht sich „MACH 2 Personalentwicklung“ alsein wissensorientiertes Netzwerk, ein Zusammenschluss von mittelständi-schen Unternehmen zu einem Personalentwicklungsverbund. Dessen zen-trales Anliegen ist es, dass sich Mitarbeiter in den Verbundunternehmenqualifizieren und entwickeln können, gesteuert durch ein zentrales Netzwerk-management. Prozesse des Lernens und der Verteilung von Wissen sinddamit gewissermaßen Kernprozesse, um das Produkt „Qualifikation“ zuerzeugen. Und deshalb – weil wissensgetränkte Spuren gelegt sind -könnten der Austausch von Erfahrungen und gemeinsames Lernenvoneinander in einem wissensorientierten Netzwerk reibungsloser sein als ineinem arbeitsorientierten.

An dieser Stelle ist kein empirischer Vergleich vorgesehen, lediglich einigePlausibilitätsüberlegungen aufgrund praktischer Erfahrungen. Wir wollendrei Formen des Wissensaustausches vorstellen und „en passant“ zweiFragen diskutieren, die im RKW-Diskurs „Arbeiten und Lernen in Netzwer-ken“ als klärungsbedürftig formuliert wurden:

• Welche strukturellen Voraussetzungen müssen innerhalb der Organisa-tionen der Netzwerkpartner und im Netzwerk selbst geschaffen werden,um einen lernförderlichen Austausch von Wissen zu ermöglichen?

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• Sind Konflikte beim Wissensaustausch hinsichtlich notwendiger Transpa-renz und bestehender Konkurrenz- bzw. Marktverhältnisse erkennbar?

Zur ersten Diskurs-Frage ist vorab anzumerken, dass neben strukturellenVoraussetzungen etwas hinzukommen wird, das sehr stark an sozialeBeziehungen der Akteure anknüpft. Bei der zweiten Frage vermuten„Netzwerkforscher“ regelmäßig Probleme, die Konkurrenzproblematikscheint eine magische Anziehungskraft zu besitzen. Aber liegen die Proble-me dort oder ganz woanders? Wir werden den Dingen vor dem Hintergrundder Praxiserfahrungen von MACH 1 Weiterbildung und MACH 2 Personal-entwicklung nachgehen.

Das Netzwerk MACH 2 wurde 1993 im Kreis Herford von zehn mittelstän-dischen Unternehmen auf Initiative des Arbeitgeberverbandes gegründet.Zielführende Überlegung war: Weiterbildung und Personalentwicklung sindin Mittelbetrieben genauso notwendig wie in Großunternehmen, könnenjedoch oft mangels eigener Ressourcen wie z.B. Arbeitskapazität, Know-how und Zeit nicht systematisch bearbeitet werden. Die Ursache liegt in denspezifischen Handlungsbedingungen und der typischen Aufbau- und Ablauf-organisation mittlerer Unternehmen. Nur wenige Betriebe bis zu einer Größevon etwa 200 Mitarbeitern haben einen Personalleiter. Personalarbeit istChefsache oder Angelegenheit des Kaufmännischen Leiters bzw. für denProduktionsbereich des Betriebsleiters. Hier, wie auch in größeren Betriebenmit bis zu 1000 Mitarbeitern, beschränkt sich Personalarbeit noch zu sehr aufdie klassische Personalverwaltung. Sich um Personalentwicklung ihrer Mit-arbeiter zu kümmern, wäre Aufgabe jeder Führungskraft. Wie sie wahrge-nommen wird, bleibt oftmals offen und nebulös. Das Tagesgeschäft - dieProduktion und die Vermarktung von Gütern und Dienstleistungen - hatVorrang. In einer solchen Lage ist die Durchschlagskraft von Weiterbildungund Personalentwicklung sehr von Zufälligkeiten abhängig.

Wenn Unternehmen mit Eigenmitteln Personalentwicklung nicht etablierenkönnen oder wollen, kann eine Partnerschaft im Netzwerk eine professio-nelle Lösung sein, um angesichts der knappen personellen und finanziellenRessourcen Synergieeffekte zu erreichen. So können Mitarbeiter in gemein-samen Seminaren qualifiziert werden, wenn sich aus Kostengründen füreinen zu kleinen Teil der Mannschaft ein eigenes Seminar nicht lohnt.Instrumente zur Personalentwicklung können partnerschaftlich entwickeltund genutzt werden, und es ist möglich, von den Erfahrungen andererUnternehmen wechselseitig zu profitieren.

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Voraussetzung für eine kontinuierliche Arbeit ist, dass als Netzwerkmanagerhauptamtliche Personalentwickler tätig werden. Sie unterstützen als Ange-stellte des Verbundes die Unternehmen durch unmittelbare Vor-Ort-Arbeitbei der

• umfassenden Ermittlung des Qualifizierungsbedarfes der Mitarbeiter,der bedarfsgerechten Qualifizierung und Erfolgskontrolle sowie bei

• allen anderen Ansätzen zur Personalentwicklung wie der Einführung vonZielvereinbarungen, Förderprogrammen, Beurteilungssystemen etc.

Mittlerweile ist der Verbund MACH 2 auf 26 Unternehmen gewachsen, diefolgenden Branchen angehören: Maschinenbau, Möbelindustrie, Textil-veredelung, Elektrogeräte, Elektronik, Kunststoffverarbeitung, Farben/La-cke sowie Soziale Dienstleistungen. Das kleinste Unternehmen beschäftigtknapp 40 Mitarbeiter, das größte 1000. Insgesamt arbeiten im Verbund über5000 Menschen. Die Verbundunternehmen finanzieren als Mitgliedsbeitragüber eine von der Firmengröße abhängige Umlage ihre derzeit zwei Personal-entwickler, teilen sich also deren Arbeitskapazitäten und Kosten. Betriebli-che Weiterbildung in der bekannten Form der Tagesseminare oder Abend-kurse wickeln die Unternehmen primär über MACH 1 ab. MACH 1 verfügtüber die notwendige Infrastruktur eines modernen Bildungszentrums – vomDozentenpool über eine schlagkräftige Organisation bis zu den geeignetenRäumlichkeiten und Medien.

2 Welches Wissen für welche Akteure?

Wie wird nun Personalentwicklung in einem Netzwerk betrieben? DieTagesarbeit beschränkt sich zunächst auf Einzelunternehmen und Personal-entwickler. Der Personalentwickler berät und unterstützt ein einzelnesUnternehmen, er greift dabei auf sein persönliches Know-how und einenErfahrungsschatz zurück, welche sich im Laufe der Zeit angesammelthaben. Insofern unterscheidet sich das Vorgehen nur wenig von einertypischen Unternehmensberatung. Beraterwissen kumuliert sich und wirdverschiedenen Interessenten – in unserem Fall Vereinsmitgliedern – zurVerfügung gestellt. Dies allein wäre für ins Auge gefasste Synergieeffektein einem Netzwerk ein Anfang, aber noch zu wenig. Der Austausch vonWissen zwischen Unternehmen muss forciert werden. Dabei ist zu klären,um welche Art von Wissen und um welche Inhalte es sich handelt.

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Nimmt man die Inhalte, so ist es primär ein Wissen um Konzepte bzw.Methoden betrieblicher Personalentwicklung einschließlich Verfahren derUmsetzung. Also: Wie konzipiere ich ein Förderprogramm für Nachwuchs-kräfte? Wie führe ich Zielvereinbarungen ein? Wie gestalte ich einBeurteilungssystem? Wie baue ich eine Qualifikationsbedarfsermittlungauf? Diese Themen illustrieren die Bandbreite eines modernen Personal-managements, wie es heute erfreulicherweise im Mittelstand um sich greift.Daneben gibt es noch eine Vielzahl fachlicher Themenkomplexe, die fürUnternehmen im Verbund MACH 2 deshalb interessant sind, weil in ihnenimmer Qualifizierungsfragen angelegt sind: Küchenmöbelproduzenten wer-den sich interessiert an einem Wissensaustausch bei der Frage zeigen, wieman sich nach der neuen Norm DIN ISO 9000: 2000 zertifizieren lässt undwelche Qualifikationen Mitarbeiter benötigen, um interne Audits durchzu-führen. Ausklammern werden sie Angelegenheiten, bei denen ihre urei-gensten Kernkompetenzen berührt sind. Sie werden sich nicht mit anderenKüchenmöbelproduzenten um einen Austausch zu Fragen des Küchen-designs bemühen.

Für einen externen Wissenserwerb aus einem anderen Unternehmen lassensich genug Themen und Fragen finden: Welche Kennzahlen können für dasControlling erhoben und aufbereitet werden? Wie lassen sich per InternetLieferanten finden? Wie können innerbetriebliche Transportwege minimiertwerden? Unter welchen Bedingungen macht Telearbeit Sinn? In welchemMaß sollten auch kleine und mittlere Unternehmen Public Relations betrei-ben? Schaut man sich die Fragen genauer an, wird deutlich, dass dieHerausforderung speziell für Mittelständler aufgrund ihrer beschränktenRessourcen gar nicht so sehr in der eigenen Erzeugung des notwendigenWissens liegt. Sie liegt in der externen Beschaffung, d.h. darin, bereitsvorhandene Antworten und Problemlösungen zu identifizieren, zu sichtenund zu beurteilen. In Kooperationen mit anderen Unternehmen - mitPartnerfirmen, Kunden, Lieferanten, Wettbewerbern und Firmen in derNachbarschaft - liegt dazu ein heute noch wenig beachtetes Potenzial fürWissenserwerb. Es zu nutzen ist für viele Unternehmen ungewohnt. Dabeibietet sich gerade bei Fragen, die nicht mit aller Gewalt sofort detailliertgeklärt werden müssen, deren Antworten aber ein großes Reservoir fürmittelfristig notwendige Problemlösungen darstellen würden, ein Austauschan. Hier kommt der Begriff des bei anderen vorhandenen Erfahrungswissensins Spiel.

Erfahrungswissen in einem betrieblichen Kontext zielt ab auf Märkte,Produkte, Technik, Verfahrensabläufe, die Arbeitsorganisation. Als einweiterer nicht unerheblicher Aspekt kommen Erfahrungen im Umgang mit

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Mitarbeitern, Führungskräften, Kollegen, Kunden und Lieferanten hinzu. Siesagen etwas dazu aus, was mit wem im Unternehmen und Umfeld „geht“und was nicht. Erfahrungen beziehen sich auf frühere Handlungen oderEreignisse. Erfahrungen sind genauso wie Informationen Bausteine, die erstdurch Lernen, d.h. durch Auswahl, Beurteilung und Reflexion zu persönli-chem Wissen verarbeitet werden. Erfahrungswissen ist damit die Chance,neue Situationen und Ereignisse im Rückblick zu betrachten und zu verste-hen. Erfahrungswissen ist nicht an das Unternehmen, sondern immer anPersonen gebunden. Zum Tragen kommt es nur durch das individuelleHandeln jedes Einzelnen. Über Erfahrungswissen verfügen, heisst etwas inGang setzen zu können. Dieses in Gang setzen ist nichts anderes, als etwasselbst zu tun, oder sein Wissen einem anderen mitzuteilen, um ihn zumAgieren zu animieren. Durch die Ausführung wird es beim Anderen zumHandlungswissen. Darin liegt der große Ertrag eines Wissensaustauschesüberhaupt – und unter Netzwerkpartnern im besonderen. In einem Verbundist immer ein großer Schatz an Erfahrungswissen vorrätig, er muss nur ansTageslicht gefördert werden, um beim anderen als Handlungswissen wirk-sam werden zu können (Helbich 2001a).

Unternehmen, die Wissen abgeben, bezeichnen wir als Wissensgeber,Unternehmen, die Wissen aufnehmen, als Wissensnehmer und in der Phaseeiner möglichen Suche bezeichnen wir die potenziellen Wissensnehmer alsWissenssuchende. Mit diesen Begriffen etikettieren wir im Folgenden derEinfachheit halber auch die handelnden Akteure. Denn wer einen Aus-tausch von Erfahrungswissen zwischen Netzwerkunternehmen diskutiert,muss auf die Ebene der Personen gehen. Sind die handelnden Akteure dieInhaber bzw. angestellte Geschäftsführer oder die Mitarbeiter in der Pro-duktion an der Maschine bzw. in der kaufmännischen Sachbearbeitung –oder dazwischen? Manche Praxismodelle zum Wissensaustausch zwischenUnternehmen sehen Inhaber oder Geschäftsführer allein in der Rolle desWissensnehmers oder -gebers. Das allein wäre zu wenig, um Breitenwir-kung zu erzeugen. Beteiligungsorientierte Konzepte setzen auf die Basis,sind jedoch oft, was die praktische Durchführbarkeit angeht, realitätsfern.Hier soll der Blick auf Führungskräfte gelenkt werden: Personalleiter, Kauf-männische Leiter, EDV-Leiter, Betriebsleiter, Abteilungsleiter von Fachab-teilungen, Meister ebenso wie Beauftragte für Marketing, Qualitäts-management, Arbeitssicherheit, Umweltschutz. Sie, die Angehörigen desmittleren Managements, sind als „strategische Knotenpunkte“ zwischenUnternehmensführung und Basis die tragenden Säulen in einem Modell desWissensaustausches unter Netzwerkpartnern. Es sind Menschen, welchedie Mühseligkeiten und Frustrationen betrieblicher Innovationen kennen,von ihrer Gestaltungsfreude aber nichts eingebüßt haben.

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Um nicht missverstanden zu werden: Die Geschäftsführer fallen nicht durchden Rost, sind nicht unbeteiligt. Ein guter Geschäftsführer hat immerInteresse an der Frage: Wo sind wir als Unternehmen positioniert, wo stehenandere? Und er macht sich selbst schlau dazu. Ein guter Geschäftsführeranimiert aber mehr noch sein mittleres Management, über den Tellerrand zuschauen, Impulse für sein Unternehmen von anderen Unternehmen zubekommen oder dazu beizutragen, dass Betriebsblindheit abgebaut wirdoder gar nicht erst aufkommt. Seine Zeit für fachliche Detailarbeit ist aberzu kurz, er muss sich mit strategischen Fragen befassen.

Und worin besteht das Interesse der Führungskräfte an einem Austauschvon Erfahrungswissen? Führungskräfte suchen konkrete Praxishilfe zutechnischen, organisatorischen und sozialen Innovationen, und zwar vorallem dann, wenn sie für bestimmte Aufgaben Verantwortung übertragenbekommen haben, ohne gleichzeitig zusätzliche zeitliche Kapazitäten. Siestehen dann unter einem enormen Druck. Andererseits suchen Führungs-kräfte in manchen Fällen Argumente, um ihre Geschäftsführer oder Kolle-gen von der Machbarkeit von Innovationen zu überzeugen. Motto: Somachen es die anderen und sind erfolgreich damit. Der Blick über denTellerrand dient dazu, im Vergleich mit anderen seinen Standort zu bestim-men und Ungewissheit zu reduzieren. Im Wissensaustausch finden Führungs-kräfte Sparringspartner für die Diskussion eigener Ideen. Was sie schätzen,sind Erfahrungen von Kollegen, die Praktikabilitäten bewerten und aufgrundeigener guter Erfahrungen Mut für Aktionen machen können. Manchmalkommt noch ein weiterer Gesichtspunkt hinzu. Wissen aufzunehmen undweiterzugeben speist sich aus dem Motiv, einen gewissen Expertenstatus imeigenen Unternehmen aufzubauen. Auch wenn dafür kein monetäres Guteinzufordern ist, bekommt man als immaterielles „Ansehen“, mit dem sichmöglicherweise später materielle Ergebnisse erzielen lassen.

3 Organisatorische Kontexte und Effekte

Wer forciert und propagiert die Idee des Wissensaustausches in einemNetzwerk, wer organisiert ihn? Dass Impulse aus den Unternehmen kom-men – Vorschläge zu Themen und Wunschpartnern - ist der Idealfall. Dassdamit verbunden eine Bereitschaft bzw. Initiative zur Organisation desWissensaustausches signalisiert wird, ist nicht ausgeschlossen, aber eher dieAusnahme. Nun muss der Personalentwickler zum Netzwerkmanager mu-tieren. Seine Aufgabe ist es, Ideen aufzugreifen und Öffentlichkeit imNetzwerk herzustellen. Grundlage der Arbeit in jedem Netzwerk ist gutes

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Beziehungsmanagement (Helbich 2001b): An die entscheidenden Personenals Wissensträger herantreten, fragen, zuhören, sich von Geschäftsführerngrünes Licht für die Weitergabe von Wissen geben lassen, sich weitereAnsprechpartner aus den Unternehmen nennen lassen, diese persönlichansprechen, sie einladen, nach Themen fragen usw. In der Sprache desMarktes bzw. des Direktvertriebes wäre der Begriff „Klinken putzen“ amehesten für die Beschreibung dieses Vorgehens zutreffend.

Drei organisatorische Kontexte sollen vorgestellt und anhand praktischerErfahrungen erläutert werden (siehe folgende Tabelle):

1. Wissen indirekt durch dritte (z.B. durch Netzwerkmanager) weitergeben.

2. Einzelne Wissenssuchende mit einzelnen Wissensgebern direkt zusam-menbringen, z.B. bei den Wissensgebern.

3. Viele potenzielle Wissensgeber und -nehmer an „neutralem Ort“ zusam-menbringen und einen Austausch arrangieren.

Organisatori-scher Kontext

Transformati-onseffekt (vonErfahrungs- zuHandlungswis-sen)

Wissenszu-wachseffekt,Modi des Wis-senszuwachses

Netzwerkeffekt /Beratungseffekt

Rolle der Netz-werkmanager

Wissen indirektdurch dritte (z.B.durch Netzwerk-manager) weiter-geben

Erfahrungswissenwird zu Konzept-wissen des Netz-werkmanage-ments, fließt dannweiter mit zeitlicherVerzögerung

Wissensbestanddes Netzwerkeswächst, der Zu-wachs liegt aberprimär beim Netz-werkmanager

Unternehmens-beratungseffekt,allerdings mit aus-drücklicher Legiti-mation zur Wis-sensweitergabe,wenig oder keinedirekte persönlicheBegegnung derNetzwerkpartner

Sammler, Unter-nehmensberater,Übersetzer

Einzelne Wis-senssuchende miteinzelnen Wis-sensgebern direktzusammenbringen,z.B. bei den Wis-sensgebern

Erfahrungswissenzeigt sich im Ar-beitskontext, wirderlebbar, sichtbar.Sehr kurzfristigeTransformationmöglich

Unmittelbare Auf-nahme und Verar-beitung beim Wis-senssuchenden,hohe Authentizitätdes Erlebens amOrt der Wissens-nahme

Bei zwei PartnernEntwicklung guterbilateraler Bezie-hungen

Makler, Koordina-tor, Moderator

Viele potenzielleWissensgeber und–nehmer an neut-ralem Ort zusam-menbringen undeinen Austauscharrangieren

Gruppendynami-sche Effekte (Aha-Erlebnisse) lösenImpulse für mögli-che zukünftigeAktivitäten aus

Anregungen so-wohl für unmittel-bar als auch mit-telbar Interes-sierte, Speicher-effekt

Hoher Netzwerk-effekt, hoher Multi-plikatoreneffekt:Wissensangebotwird breit gestreut,Öffnung für weitereInteressierte istMöglichkeit zurAkquisition weite-rer Netzwerkpart-ner

Kundschafter, Mo-derator, Animateur

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3.1 Wissen indirekt durch dritte (z.B. durch Netzwerkmanager)weitergeben

Ein Unternehmen des Netzwerkes aus der Metallbranche möchte einZielvereinbarungssystem installieren. Seine Führungskräfte sollen mit ihrenMitarbeitern einmal jährlich im Einzelgespräch die in der Vergangenheitfestgelegten Ziele überprüfen und neue Ziele für die kommende Periodevereinbaren. Zusammen mit der Geschäftsführung erarbeitet der Personal-entwickler ein passendes Zielvereinbarungssystem und führt es im Unter-nehmen ein. Nach ersten Praxiserfahrungen wird ein anderes Unternehmendes Netzwerkes – aus dem Maschinenbau – vom Personalentwickler überdie Existenz des beim Metallunternehmen umgesetzten Zielvereinbarungs-systems informiert. Das Unternehmen der Branche Maschinenbau hatInteresse an einer Übertragung. Die Geschäftsführung des Unternehmensder Metallbranche erteilt grünes Licht, das Konzept beim Maschinenbauerund weiteren Interessenten bekannt zu machen. Im Maschinenbauunter-nehmen wird nun das vorhandene Konzept in geeigneter Form „übersetzt“und an dessen spezifische Rahmenbedingungen angepasst. Ein direkterKontakt zwischen Wissensgeber und –nehmer besteht nicht zwischen denhandelnden Akteuren. Aber beide wissen voneinander und kennen sichdurch das Netzwerk, z.B. über gemeinsame Weiterbildung oder Informations-veranstaltungen.

Die folgenden Voraussetzungen müssen bei Netzwerkpartnern und beimNetzwerkmanagement gegeben sein:

bei Netzwerkpartnern

• Bereitschaft zur Weitergabe beim Wissensgeber

• Interesse und Kenntnis existierender Erfahrungen beim Wissensnehmer

• Offenheit, von anderen zu lernen, bei beiden

• kurze Entscheidungswege, wie sie im Mittelstand typisch sind, umKonzepte abzustimmen und zu übertragen, ohne mögliche Urheberrech-te zu verletzen

beim Netzwerkmanagement

• Fähigkeit einzuschätzen, wo welches Wissen gebraucht werden kann

• Gespür dafür, wie, wann und wo Legitimation zur Abgabe von Wissenbesorgt werden muss

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• Fähigkeit, Konzepte in die Welt anderer Unternehmen übersetzen zukönnen

Der große Vorteil in der Realisierung eines solchen organisatorischen Kon-textes liegt darin, dass Lösungen für Wissensnehmer kostengünstig undeinfach zu beziehen sind. Der Wissensnehmer hat eine hohe Sicherheit,nicht dieselben Fehler machen zu müssen wie der Wissensgeber. DasVertrauen, das Wissensnehmer in ihren Netzwerkmanager setzen, nämlichdass er sie professionell und neutral berät und ihnen nichts verkaufen muss,ist ein großes Kapital. Die Gewissheit, auf ein bewährtes und erprobtesKonzept eines anderen Unternehmens zurückgreifen zu können – und nichtirgendeines, sondern eines Partners im Netzwerk – wirkt als Beschleunigerund Katalysator für Prozesse. Wissensgeber können darauf setzen, nachdem Gewinner-/Gewinner-Spiel zu einem späteren Zeitpunkt anderes Wis-sen zurück zu bekommen. Typische Probleme liegen darin, die richtigenZeitpunkte für die Weitergabe von Wissen zu erwischen.

3.2 Einzelne Wissenssuchende mit einzelnen Wissensgebern direktzusammenbringen, z.B. bei den Wissensgebern

Ein Unternehmen produziert Blechgehäuse für elektronische Steuerungenund erwartet einen Großauftrag über Gehäuse aus dem höherwertigenMaterial Edelstahl mit größeren Abmaßen als bisher üblich. Das Unterneh-men muss nun seine Blechbearbeitung optimieren. Zweifel bestehen, ob dieMitarbeiter über die notwendigen Qualifikationen verfügen, um mit moder-nen Verfahren umzugehen. Bei den Fertigungsverfahren ist das Optimumnicht erreicht. Bestimmte Vorgänge der Vor- und Nachbearbeitung könntenverbessert werden, darüber bestehen mehr oder weniger konkrete Vorstel-lungen. Ein Blick in eine vergleichbare bewährte Produktion eines anderenUnternehmens würde zu mehr Entscheidungssicherheit führen. Hier bestehteine Drucksituation der Betriebsleitung, Fertigungssteuerung und des Ver-triebes, und in einer solchen schicken sich Führungskräfte gerne an, Gren-zen zu anderen Unternehmen zu überschreiten.

Der Netzwerkmanager kennt die Situation aus Gesprächen, er weiß vondem Wunsch, sich in einem anderen Unternehmen Rat und Bestätigung zuholen. Da es im Verbund als potenziellen Wissensgeber einen größerenHersteller von Küchenherden und Dunstabzugshauben gibt, der sich alsMarktführer etabliert hat und damit seine Kompetenz auf dem Gebiet derBlechbearbeitung unterstreicht, liegt es nahe, bei diesem Unternehmen eine

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Betriebsbesichtigung mit anschließendem Fachgespräch zu arrangieren. Eindrittes kleineres Unternehmen - Hersteller von Rohren für Filtersysteme -wird vom Netzwerkmanager angesprochen, ob es an der Betriebsbesichtigungteilnehmen und sich in den Erfahrungsaustausch einreihen möchte. DemNetzwerkmanager war bekannt, dass dieses Unternehmen Interesse signa-lisiert hatte, grundsätzlich von größeren Unternehmen hinsichtlich modernerFertigungsverfahren zu lernen.

Betriebsbesichtigung und Fachgespräch finden kurzfristig statt, lange Vor-laufzeiten sind nicht nötig. Es nehmen Betriebsleiter, Mitarbeiter der Arbeits-vorbereitung, Beauftragte für Betriebsorganisation und ein Ausbildungs-leiter teil. Der Netzwerkmanager betätigt sich als Moderator im Fach-gespräch, setzt Visualisierungstechnik ein, um die Erfahrungen zu dokumen-tieren und für ein Protokoll festzuhalten. Der Wissensaustausch ist geglückt.Schilderungen, Vorführungen usw. sind die Medien für die Aufnahme undVerarbeitung von Wissen.

Die folgenden Voraussetzungen müssen bei den Netzwerkpartnern undbeim Netzwerkmanagement gegeben sein:

bei Netzwerkpartnern

• Bereitschaft, Türen zu öffnen für Besuche und dabei Zeit investieren, umWissen abzugeben

• Überwiegen von sinnbetontem Rechercheinteresse gegenüber einemeher analytischen beim Wissenssuchenden

• Fähigkeit zur schnellen Abstimmung auf dem kleinen Dienstweg ohnegroßen Formalismus und komplizierte Genehmigungsverfahren

beim Netzwerkmanagement

• Sensibilität für Signale aus den Netzwerkunternehmen, insbesondere fürdas Erkennen von „Druck“

• Überblick über betriebliche Stärken und aktuelle Innovationen in denUnternehmen

• Ansprechpartner kennen, um schnell und unbürokratisch Kontakt herzu-stellen

Die Vorteile liegen in den unmittelbaren Möglichkeiten, durch eigene An-schauung auch Detailfragen zu klären. In der Regel ergibt sich ein hoherErtrag für Wissenssuchende mit wenig Zeitaufwand.

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3.3 Viele potenzielle Wissensgeber und –nehmer an neutralem Ortzusammenbringen und einen Austausch arrangieren

In jedem Netzwerk lassen sich Themen für einen betriebsübergreifendenErfahrungsaustausch finden. Bei MACH 1 und MACH 2 sind es Themen ausdem Repertoire der Personalentwicklung, darüber hinaus aus verschiede-nen unternehmerischen Funktionsbereichen. Sowohl grobe Vorschläge alsauch Detailthemen kommen in der Regel aus den Unternehmen, undmeistens sind es Innovationsprozesse, die aufgrund ihres Neuheitscharaktersoder eines großen Aktualisierungsgrades in den Mittelpunkt des Interessesrücken. Weil vieles für die Unternehmen unbekannt ist, ist es natürlichgünstig, wenn sie Vorreiter finden, die ihre Erfahrungen preisgeben. Zuunterscheiden ist zwischen eher einmaligen Erfahrungsaustauschen – injüngster Zeit zu Telearbeit, Vergütungssystemen, Coaching – oder festinstallierten regelmäßigen über längere Zeiträume.

Bereits kurz nach Gründung des Netzwerkes kam aus dem mittlerenManagement eines Unternehmens der Vorschlag, Zirkel als Arbeitskreisezum Erfahrungsaustausch zu bilden und zwar zu den Themen „Qualitäts-management“, „Kontinuierlicher Verbesserungsprozess KVP“ und „Marke-ting“. Alle Zirkel bestehen nach wie vor, tagen zwei- bis viermal pro Jahr aneinem Nachmittag mit jeweils 15 bis 40 Teilnehmern: Qualitätsleiter, Beauf-tragte für Qualitätsmanagement oder KVP, Betriebsleiter, Meister, Marketing-leiter oder -beauftragte, Vertriebsleiter – und immer auch einige wenigePersonalleiter und Geschäftsführer. Es besteht hohe Kontinuität und Treuebei den Teilnehmern, die gerne Gebrauch von den kleinen Fluchten ihrestäglichen Betriebsalltages und möglicher Betriebsblindheit machen. DieTeilnehmerzahlen steigen – durch Öffentlichkeitsarbeit und Mund-zu-Mund-Propaganda. Veranstaltungen sind für das Netzwerk eine gute Werbung mitMöglichkeiten, Entscheidern aus potenziellen Netzwerkunternehmen einenEinblick in die Arbeitsweise eines Netzwerkes zu geben und die handelndenAkteure persönlich kennen zu lernen. Aus diesem Grund hat sich derVerbund auch Gästen aus Nichtmitgliedsfirmen geöffnet.

Am Beispiel einer Sitzung des Zirkels „Qualitätsmanagement“ soll ein kurzerEinblick in die Vorgehensweise gewährt werden: Nach DIN ISO 9000zertifizierte Unternehmen müssen sich künftig mit einer Normänderungauseinander setzen, die mehr Prozessorientierung fordert. Sie benötigenWissen, um das bisherige Qualitätsmanagementsystem an die neue Normanzupassen. In dieser Situation hat ein Qualitätsleiter erläutert, wie sichProzesse normkonform beschreiben lassen, unter anderem bei der Bearbei-

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tung von Kundenreklamationen, Materialbeschaffungen oder Warenein-gangsprüfungen. Sein Unternehmen war als erstes zum Zeitpunkt derPräsentation in der Region nach der neuen Norm zertifiziert. Das Wissen umdiese Vorgehensweise wurde von den anderen Teilnehmern als Wissens-suchende interessiert aufgenommen, weil diese das Verfahren derZertifizierung noch vor sich hatten.

Eine gute Methodenmixtur in den Zirkelsitzungen gewährleistet, dass derWissenstransfer einsetzt. Vorzugsweise werden zu Beginn Inputreferatevon Teilnehmern gehalten, die ihre Erfahrungen zu ihren betrieblichenProblemlösungen dem Kollegenkreis vorstellen. Daran kann sich Klein-gruppenarbeit anschließen. Oder: Die Teilnehmer teilen sich auf Gruppenauf und erarbeiten kleine Leitfäden für die Umsetzung in den eigenenUnternehmen, der Referent geht als Experte von Gruppe zu Gruppe. Pro-und Contra-Diskussionen werden geführt, Erkenntnisse über den Ist-Standin den beteiligten Unternehmen visualisiert.

Interessant sind Bestrebungen, das Wissensnetz noch enger zu ziehen.Dabei hilft ein vom Zirkel „Qualitätsmanagement“ erstellter Verteiler mit„Gelben Seiten“. Auf ihnen sind Themengebiete aus dem Qualitäts-management aufgeführt. Den Themengebieten sind Informationen überZirkel-Teilnehmer zugefügt, die über das entsprechende Wissen verfügen.Sie haben sich für dieses Themengebiet ausdrücklich als Ansprechpartnerangeboten, um ihr Wissen im persönlichen Gespräch mit Interessiertenweiterzugeben. Dazu sind auf den folgenden Seiten die Zirkel-Teilnehmermit ihrem Unternehmen, ihrer Funktion, Telefonnummer und Email-Adresseaufgeführt.

In jeder Veranstaltung ist oberstes Gebot, Anonymität erst gar nicht aufkom-men zu lassen. Wenn das Netzwerkmanagement in die Moderatorenrolleschlüpft und die Klaviatur der Moderationstechnik beherrscht, kommen dieTeilnehmer schnell miteinander ins Gespräch. Kurze Vorstellungsrunden zuBeginn jeder Veranstaltung oder Pausengespräche zum Kennenlernen leis-ten dazu eine gute Starthilfe. Schlecht wäre der Eindruck einer elitärenExpertenrunde, in der sich kein Normalsterblicher traut, das Wort zu ergrei-fen. Wichtig ist, dass Themen über mehrere Sitzungen behandelt werdenkönnen. Das ermöglicht es, bei einer Folgesitzung Erfahrungen über dieAnwendung des in der letzten Sitzung erworbenen Wissens zu schildern undzu diskutieren. Zur Nachbereitung werden die Texte der Referate, Kurz-protokolle sowie Fotos der Teilnehmer ins Internet auf die Homepage vonMACH 1 gestellt. Und wenn auch mancher Teilnehmer sich vielleicht die

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Protokolle nur anschaut, weil er erst über diese Seite an die Fotos gerät, ersich also zunächst nur sein Foto anschauen will, um kleine Eitelkeiten zubefriedigen, ist auch dies ganz im Sinne des Netzwerkes. Die Identifikationmit der Idee „Wissensaustausch“ wächst.

Manchmal fällt es dem Netzwerkmanagement nicht leicht, Referenten zufinden. Dann ist Erfindungsreichtum gefragt, um Mitstreiter zu bekommen.Nicht zu unterschätzen ist z.B. das folgende gern gebrauchte psychologischeArgument, mit dem sich schon mancher Referent als Ersttäter gewinnen ließ:Wissensgeber können ihre Präsentationstalente in einem Schonraum unterKollegen erproben, erhalten damit Testmöglichkeiten für spätere Präsenta-tionen zu anderen Anlässen. In dem Zusammenhang konnte auch schoneinigen Wissenssuchenden klar gemacht werden, dass sie immer auch mitihrem speziellen Wissen potenzielle Wissensgeber sind. Manchen ist nurnicht bewusst, dass sie über Erfahrungswissen verfügen, welches für andereinteressant ist.

Die folgenden Voraussetzungen müssen bei den Netzwerkpartnern undbeim Netzwerkmanagement gegeben sein:

bei Netzwerkpartnern

• Zeit und Interesse bei Angehörigen des mittleren Managements, sichüber Betriebs- und Branchengrenzen mit Kollegen anderer Unternehmenzu bestimmten Themen auszutauschen und voneinander zu lernen

• Bereitschaft, Wissen in Form von Kurzreferaten abzugeben

beim Netzwerkmanagement

• Fähigkeit, als Kundschafter Wissensgeber aufzuspüren, die bereit sind zureferieren

• Talent zum Aufspüren brandaktueller Themen

• eine gut funktionierende Organisation (Sekretariat) und Räumlichkeiten(großer Versammlungssaal) für die Vorbereitung und Durchführung derSitzungen

• hohe zeitliche Kapazitäten für Abstimmungen mit Referenten (vomersten Gespräch bis zur Generalprobe) und die Organisation (von Einla-dungen über die Vorbereitung der Räume und Medien bis zur Moderationund Dokumentation der Ergebnisse im Internet)

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Ein großer Vorteil aus Sicht der Teilnehmer liegt darin, dass Kontakte überdie Betriebsgrenzen hinaus auf- und ausgebaut werden können. Nach einerersten Anlaufphase funktioniert die Kommunikation auch auf dem kurzenDraht außerhalb aller Zirkel. Telefonische Hilfestellungen, der Austauschvon Papieren wie Formblätter und Checklisten, aber auch anschließendegegenseitige Betriebsbesuche vertiefen die Kontakte und helfen, sich mitexternem Wissen zu versorgen. Räumliche Nähe erleichtert den Zirkel- undBetriebsbesuch beim Kollegen. Die Kontinuität wird über die regelmäßigenSitzungen in überschaubaren Abständen sichergestellt.

Wenn es zu gegenseitigen Hilfestellungen gekommen ist, kann das Netzwerk-management den weiteren Verlauf der Dinge getrost einer sich einstellen-den Eigendynamik überlassen. Nun löst Selbstorganisation zwischenNetzwerkpartnern die Fremdsteuerung durch das Netzwerkmanagementab. Es bleibt gleichwohl in den Informationsprozess eingebunden. Angeneh-mer Nebeneffekt ist, dass einmal in Gang gekommene Selbstorganisation invielen Fällen eine breitere Themenpalette zum Vorschein kommen lässt, alsam ursprünglichen Ausgangspunkt zu vermuten gewesen wäre.

4 Schlussfolgerungen und Perspektiven

Mittelständler können einen Wissensaustausch allein nur schwer bewerk-stelligen, ihnen fehlen die Ressourcen. Dies gilt für ein Netzwerk, viel mehrnoch für nicht in ein Netzwerk eingebundene Unternehmen. Erforderlichsind Anstöße und kontinuierliche Hilfe von außen, z.B. durch das Netzwerk-management. Es muss dafür sorgen, dass Wissen an die richtige Stellegelangen kann, Wissensgeber ausfindig machen und mit Wissenssuchendenzusammenbringen sowie Kontexte schaffen, in denen sich Interessierteaustauschen können.

Wenn es dem Netzwerkmanagement in allen drei organisatorischen Kon-texten gelingt, sich in die Lage seiner Unternehmenspartner zu versetzen,deren Wünsche nach notwendigem Wissen zu erfahren und zu helfen,Wünsche wahr werden zu lassen, stehen die Chancen für eine langfristigefruchtbare Zusammenarbeit gut. Zufriedenheit stellt sich ein, wenn nebendem inhaltlichen Anspruch auch die Wohlfühlkomponente und kleinereAmbitionen nach Macht und Einfluss befriedigt werden. In der engenTuchfühlung zwischen Netzwerkmanagement und Unternehmensvertreternliegt sicherlich ein Erfolgsrezept im Sinne eines professionellen Beziehungs-managements (Seßler 1997).

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Auch wenn es nicht für alle Manager der Netzwerkpartner gilt und damitnicht verallgemeinert werden kann, sollte das mögliche Interesse an Machtund Einfluss noch einmal herausgestellt werden. Der Wissensaustauschbietet prinzipiell Chancen, beide Interessen zu befriedigen – für Wissens-geber und –nehmer. Jeder kann neben Wissen Argumente im Sinne vonEntscheidungshilfen, moralische Unterstützung und Anerkennung im Tausch-prozess beziehen und damit sein Einflusspotenzial im eigenen Unternehmenerhöhen (Bosetzky 1988). Wer auf diese Weise „Mikropolitik“ betreibt,möchte den eigenen Expertenstatus aufwerten, Wissenshoheit erzielen undmögliche Wissensvorsprünge anderer kompensieren.

Der persönliche Ertrag für den einzelnen Teilnehmer aber, so unterschiedlicher sein mag, wird für dessen Unternehmen erst nutzbar, wenn alle aufge-nommenen Erkenntnisse aus Berichten, Schilderungen und Besuchen inAktionen im eigenen Unternehmen einmünden und so erst zu einemwirksamen Wissen werden. Der externe Erfahrungsaustausch unterNetzwerkpartnern muss in einen internen übergehen – ein Kapitel für sich,in dem aber auch das Netzwerkmanagement seine Hilfe anbieten kann.Mittelständler sind auf diesen Fortschritt zutiefst angewiesen. Stellt er sichein, liegen die Erträge für das Unternehmen auf der Hand. Es spart Berater-kosten, nutzt und entwickelt eigenes Know-how, fördert und stärkt seinmittleres Management und betreibt so nebenbei eine Vorstufe vonBenchmarking, die je nach Anspruch ausgebaut werden kann.

Für das Netzwerkmanagement stellt sich ebenfalls die Frage nach einem zuerzielenden Nutzen. Sich diesen Wissensaustausch unmittelbar finanzierenzu lassen ist schwierig, die Finanzierung sollte mittelbar sein. In unserem Fallist für die Unternehmen das Angebot zum Austausch untereinander Be-standteil der Netzwerkarbeit und damit ein kostenloser Service und ein auchals solcher deklarierter Beitrag zur Mitgliederbindung. MACH 1 und MACH 2profitieren davon sehr, denn die Teilnehmer aus den Unternehmen sindwichtige Multiplikatoren in Sachen Weiterbildung in ihrem Betrieb. Durch dieguten Kontakte können betriebliche Anforderungen und Hinweise überneue Entwicklungen in der Arbeitswelt auf dem schnellsten Wege aus denUnternehmen in die Arbeit eines Bildungswerkes und Personalentwicklungs-netzes transportiert werden.

Obwohl ein endgültiger Beweis nicht erbracht werden kann, liegt dieVermutung nahe, dass in einem wissensorientierten Netzwerk der Aus-tausch unter Netzwerkpartnern leichter zu bewerkstelligen ist als in einemarbeitsorientierten. Dies belegen die vielen Rückmeldungen von Teilneh-

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mern des Austausches. Teilnehmer berichten, dass sie die betriebeneWeiterbildung – in einem Personalentwicklungsnetzwerk ein Hauptzweck– offener für ein Lernen voneinander gemacht hat. Lernbereite Menschenin wissensförderlichen Umgebungen bewegen sich auf der Wissensspiraleschneller nach oben, indem sie ein Lernen im Rahmen traditioneller Weiter-bildung in Seminarform mit einem Erfahrungslernen sinnvoll kombinieren.Sie stecken Rückschläge bei einem nicht so ertragreichen Erfahrungsaus-tausch schneller weg als Mitarbeiter aus arbeitsorientierten Netzwerken,für die ein wenig ertragreicher Austausch schnell die reinste Zeitvergeudungist und für weitere Veranstaltungen dieser Art demotiviert.

Welche Rolle spielen Intranet und Internet – die ungeahnten technischenMöglichkeiten, sich in Foren auszutauschen, nach Lust und Laune zukommunizieren und sich dabei nicht persönlich begegnen zu müssen? Wirkönnen die Frage nur für unser Netzwerk beantworten. Technik ist einInstrument und Managementwerkzeug. EDV lässt sich nutzen, um einenVerteiler zu erstellen, um Partner per Mail schnell zu erreichen. Ins Internetkönnen Ergebnisse gestellt und von Interessierten angesehen und verarbei-tet werden. In einem Netzwerk der kurzen Wege, in dem alle Mitarbeiter inkurzer Zeit erreichbar sind, bleibt die persönliche Begegnung entscheidend.Überzeugungsstärke und Ausstrahlungskraft, die Schilderung der eigenenErfahrungen mit der Möglichkeit nachzuhaken und kritisch zu hinterfragen,sind die wichtigeren Medien, die dafür sorgen, dass der Wissensaustauschgut funktioniert.

Aus organisatorischem Blickwinkel ist zweierlei zu unterscheiden: Dasdirekte Zusammenbringen einzelner weniger erfordert keinen großen orga-nisatorischen Aufwand, stellt nur hohe Anforderungen an die seismogra-phischen Fähigkeiten des Netzwerkmanagers – er muss Interessentenaufspüren. Das direkte Zusammenbringen vieler verlangt dagegen einenetwas höheren organisatorischen Aufwand, weil regelrechte Veranstaltun-gen zu organisieren sind. Die Anforderung ist dabei, ein gutes Thema undeinen engagierten Referenten zu finden. Ist das Thema nicht von großemInteresse, braucht man sich nicht zu wundern, wenn keiner kommt. Aberauch wenn nicht bestritten werden kann, dass das Thema hochaktuell ist,gibt es die Situation, dass manche Unternehmen die Möglichkeiten einesWissensaustausches nicht nutzen wollen – in einzelnen Fällen übrigens nichtaus Konkurrenzgründen, sondern eher aus Angst vor einer Blamage. DerEingeladene folgt der Einladung nicht, weil er aus seiner Sicht wenigVorzeigenswertes aufzuweisen hat bzw. befürchtet, der Diskussion unter

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Fachleuten nicht gewachsen zu sein. Der Netzwerkmanager muss dannbeharrlich am Ball bleiben und durch permanente Überzeugungsarbeit neueTeilnehmer zu gewinnen versuchen.

Zu der Frage, ob der Wissensaustausch durch Ängste vor Wettbewerbernbehindert wird, ist noch folgendes anzumerken. Unsere Erfahrung ist, dassdiese Frage schon viel früher entschieden wird – sie ist eine sehr akademi-sche. In der Begegnung von betrieblichen Praktikern wird ihr, frappierendgenug, wenig Platz eingeräumt. Mit der Mitgliedschaft in einem Verbund hatman sich als Unternehmen bereits geöffnet. Wer Ängste hat, schottet sichvorher ab. Und im übrigen sind Themen, welche die Kernkompetenzen einesUnternehmens berühren, nicht Gegenstand des Wissensaustausches.

Für einen Wissensaustausch müssen strukturelle Voraussetzungen geschaf-fen und in organisatorische Kontexte eingebunden werden. Aber das, wasmehr hinzukommt, was wichtiger ist, sind Aktivitäten im Bereich der Mikro-politik und des Beziehungsmanagements. Nicht an großen organisatori-schen und strukturellen Hebeln gilt es anzusetzen, sondern an den vielenkleinen Schräubchen und Rädchen im Bereich der mikropolitischenInteressendurchsetzung und der sozialen Beziehungen, an Bedürfnissen derMenschen nach Anerkennung, Gehörtwerden und Geborgenheit im KreiseGleichgesinnter. Diese Einsicht war einer Netzwerktheorie, die auf dieBetonung struktureller Gegebenheiten gesetzt hatte, lange verstellt. Dassind geradewegs aus der Praxis heraus zarte Pflänzchen und vielleicht auchBelege bekannter Konzepte in der Organisationssoziologie – an dieser Stellesicherlich noch nicht ausreichend erörtert. Es gilt eine Kultur der Offenheitzu schaffen. Begegnungen sind so zu inszenieren, dass ein Wissensaus-tausch sowohl Wissensgebern als auch Wissensnehmern Spaß macht undihre Interessen und Wünsche nach Ertrag und Wertschätzung erfüllt.

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Literatur

Bosetzky, Horst (1988): Mikropolitik, Machiavellismus und Macht-kumulation, in: Willi Küpper, Günther Ortmann (Hrsg.): Mikropolitik: Rationa-lität, Macht und Spiele in Organisationen, Westdeutscher Verlag, Opladen,27-37

Helbich, Bernd (2001a): Wissenstransfer zwischen mittelständischen Un-ternehmen, in: Karlheinz A. Geißler; Astrid Orthey (Hrsg.): Handbuch Personal-entwicklung, Kap. 5.21, Verlag Deutscher Wirtschaftsdienst, Köln

Helbich, Bernd (2001b): Beziehungspflege im Netzwerk – Erfolgsfaktor ineinem Personalentwicklungsverbund, in: Jürgen Howaldt; Ralf Kopp; PeterFlocken (Hrsg.): Kooperationsverbünde und gesellschaftliche Modernisierung,Gabler Verlag, Wiesbaden, 121-131

Seßler, Helmut (1997): Der Beziehungsmanager, Korter Verlag, Mannheim

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LernLandschaft Wartburgregion

Wissen schafft Perspektiven

Dietwald Neubauer / Roland Hormel

Überblick

„Wissen ist Macht“, dieses alte und altbekannte Zitat des britischen Philo-sophen und Politikers Sir Francis Bacon (1561-1626) ist aktueller als je zuvor.Die LernLandschaft Wartburgregion will die „Macht des Wissens“ vergrö-ßern – allerdings nicht im machtpolitischen Sinne. Die LernLandschaftWartburgregion will Bildung in all seinen Facetten fördern: Berufliche Bil-dung, aber gerade auch die – ökonomisch gesprochen – in einer „Rezession“befindliche allgemeine und kulturelle Bildung. Denn Bildung ist ein gar nichthoch genug einzuschätzendes Potential einer Region und damit die Basis zurSchaffung langfristiger Perspektiven.

Die LernLandschaft Wartburgregion ist eine Initiative von Institutionenund Unternehmen, die sich zum Ziel gesetzt hat, die Region wirtschaftlich,sozial und kulturell voranzubringen. Im Mittelpunkt der LernLandschaftstehen Bildung, Wissen und Kompetenzen der Menschen. Globale - gesell-schaftliche und ökonomische - Veränderungen erfordern lebenslanges Ler-nen des Einzelnen.

Das Netzwerk der LernLandschaft Wartburgregion ist kein neuer An-bieter von Bildungsdienstleistungen. Das Netzwerk will Bildungsbedarfe und-angebote analysieren, Lücken schließen und neue Formen der Zusammen-arbeit in allen Bereichen der Bildung eröffnen.

Damit diese Ziele verwirklicht werden können, sollen möglichst viele Men-schen, Institutionen und Unternehmen in die LernLandschaft Wartburg-region integriert werden.

Der Aufbau eines solchen Netzwerks erfordert viel Engagement allerBeteiligten. Deshalb ist es ein großer Vorteil, dass die Initiative in dasProgramm Lernende Regionen des Bundesministeriums für Bildungund Forschung (BMBF) eingebunden ist. Das BMBF fördert vorerst einePlanungsphase bis zum 31.5.2002. Danach besteht die Option einer Weiter-förderung bis 2006.

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Die Wartburgregion

Die Wartburgregion ist in Thüringen gelegen und damit im Herzen Europas.Industriebranchen wie Fahrzeugbau, Elektrotechnik oder Uhrenproduktionsind hier fest verankert, und insbesondere der Fahrzeugbau bestimmt seitder Wende maßgeblich die Wirtschaftkraft der Region. Geschichte undKultur sind mit Namen wie Luther oder Bach verbunden. Heute stellt z.B. dasLandestheater Eisenach eine über die Landesgrenzen hinaus geschätztekulturelle Institution dar. Die herrlichen Landschaften des Thüringer Waldes,der Rhön, des Heinich oder des Werra-Tales bieten Bewohnern wie Touris-ten einen außergewöhnlichen Erholungsraum. Und nicht zuletzt sind es diehier lebenden Menschen, die mit Engagement, Ausdauer und gegenseitigerUnterstützung die neuen Herausforderungen zu bewältigen versuchen.

Diese Voraussetzungen geben der Region ein markantes Profil und schaffendie Grundlage für die Gestaltung einer erfolgreicher Zukunft.

Dennoch blicken die Menschen der Region mit gemischten Gefühlen in dieseZukunft. Hohe Arbeitslosigkeit bei gleichzeitigem Fachkräftemangel, einerelativ einseitige Wirtschaftsstruktur und das Brachliegen innovativer Poten-tiale machen das deutlich. Hemmende Faktoren bilden zusätzlich die nachwie vor nicht ausreichenden Bildungs- und Freizeitangebote, die nur mäßigentwickelte Dienstleistungsbranche und vor allem die unvermindert anhal-tende Abwanderung von Fachkräften und jungen Leuten.

Lebenslanges Lernen mit der LernLandschaftWartburgregion

Deshalb haben sich Menschen aus zahlreichen Institutionen und Unterneh-men zusammengeschlossen, um die Wartburgregion zu einer LernLandschaftzu entwickeln, die wirtschaftliche, soziale und kulturelle Potentiale schnellerentdeckt und langfristig nutzt.

Lebenslanges Lernen wird in allen Bereichen immer wichtiger. Unsere Weltverändert sich immer schneller. Um diese Veränderungen verstehen und diedaraus resultierenden neuen Anforderungen bewältigen zu können, müs-sen wir lernen – lebenslang!

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Lernen findet aber nicht nur in Institutionen und unter formalisierten Bedin-gungen statt. Jeder lernt am Arbeitsplatz, in der Freizeit, im Gespräch mitFreunden und Bekannten. Die Frage ist aber, ob jeder immer die Möglichkei-ten hat, das für ihn Richtige und Notwendige zu lernen.

Fest steht, dass Weiterbildung, Kompetenzentwicklung oder wie immerman die verschiedenen Facetten des Lernens auch nennen mag, für Men-schen, Unternehmen und politische Institutionen immens wichtig sind:

• „Dran zu bleiben“ an den Entwicklungen und Neuerungen ist für vieleMenschen die zentrale Voraussetzung, Arbeit zu finden oder zu behal-ten.

• Unternehmen und Institutionen können nur effizient und wettbewerbs-fähig bleiben, wenn ihre Mitarbeiter kompetent und eigenverantwortlichagieren.

• Bildungsniveau der Menschen und Bildungsangebote sind ein wesentli-cher Standortfaktor im globalen Wettbewerb. Niedriges Bildungsniveauder Bevölkerung ist nicht nur ein Nachteil für den Arbeitsmarkt, sondernauch eine Gefahr für den sozialen Frieden.

Deshalb muss die Region in eine LernLandschaft verwandelt werden, in derjeder Mensch das für ihn richtige Angebot finden kann.

Was sind die Ziele der LernLandschaft?

Um das zu erreichen, verfolgt das Netzwerk LernLandschaft im wesentli-chen drei Ziele:

· Transparenz schaffen: Was gibt es eigentlich schon an Lern- undBildungsangeboten in unserer Region?

· Lücken schließen: Wo fehlen Angebote, wo sind bestehende Maßnah-men nicht effizient genug?

· Neue Potentiale erschließen: Wo können durch die Zusammenarbeitim Netzwerk neue Ideen und Bildungsangebote entwickelt werden?

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Das Netzwerk der LernLandschaft ist hierfür die Kommunikationsplattform.Anbieter und Nachfrager von (Weiter-)Bildung haben durch das Netzwerkmehrere Vorteile:

• Aktuelle Angebote werden in der Region schnell und umfassend be-kannt.

• Neue Ideen werden im Netzwerk diskutiert und auf die aktuellen Bedürf-nisse abgestimmt.

• Projekte mit mehreren Partnern sind oft sinnvoll. Das Netzwerk hilftPartner zu finden.

• Mit Hilfe des Netzwerks werden Förderanträge besser auf den konkre-ten Nutzen für die Zielgruppen und die Region hin konzipiert und habeneine höhere Realisierungschance.

Da das Feld des lebenslangen Lernens, der Bildungs- und Weiterbildungsan-gebote sehr groß und unübersichtlich ist, wurden drei Arbeitsgruppengebildet, um effizient arbeiten zu können:

Ein Arbeitskreis befasst sich mit allen Fragen der beruflichen Weiterbildung.Die berufliche Bildung und Weiterbildung stellt unter wirtschaftlichen Ge-sichtspunkten den unmittelbar wichtigsten Bereich dar. Wenn es nichtgelingt, Qualifikations- und Kompetenzanforderungen der Unternehmenbzw. der wettbewerbsrelevanten Tätigkeiten sowohl kurz- als auch mittel-und langfristig zu befriedigen, leidet die ökonomische Basis der Region. ImFeld der beruflichen Bildung und des regionalen Bildungsmarktes könnendeshalb folgende zentrale Aufgabenfelder unterschieden werden:

• Übergänge zwischen Schule/Hochschule und Beruf;

• Qualität und Effizienz von Erstausbildung und Weiterbildung erhöhen;

• „Passung“ von Angebot und Nachfrage optimieren.

Ein zweiter Arbeitskreis ist für die allgemeine, soziale und gesellschaftlicheBildung zuständig. Die Allgemeinbildung und die verschiedenen Facetten dersozialen, gesellschaftlichen und politischen Bildung sind der Rahmen für dentäglichen Umgang der Menschen miteinander. Lücken in diesen Bereichenführen zu Intoleranz, sozialen Spannungen und nicht zuletzt auch zu einer(neudeutsch formuliert) mangelnden „Employability“, also der Fähigkeit,

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einen Arbeitsplatz zu finden oder zu behalten. Die in diesem Arbeitskreisvereinten Bildungsbereiche und –inhalte werden politisch oft vernachlässigt,weil der unmittelbare ökonomische Nutzen nicht immer erkennbar ist.Aufgabe des Netzwerkes muss es auch sein, diese verkürzte und in seinenKonsequenzen fatale Sichtweise zu korrigieren. Der Arbeitskreis 2 befasstsich deshalb mit folgenden Inhalten:

• Sicherung und Ausbau überfachlicher Kompetenzen;

• Bildungsangebote zur Teilhabe benachteiligter Gruppen an der Wissens-gesellschaft;

• Aufbau neuer Bildungsangebote;

• die Schulen stärker für gesellschaftliche und wirtschaftliche Belangesensibilisieren.

Der dritte Arbeitskreis kümmert sich um Wirtschaftsförderung und Regional-entwicklung unter dem Gesichtspunkt Lernen und hat zwei Hauptauf-gaben:

• Aufgreifen und „Promoten“ von Projekten im regionalen Zusammen-hang (z.B. durch Veranstaltungen oder Veröffentlichungen);

• Anstoßen von regional wichtigen Themen in den Arbeitskreisen 1 und 2.Eine besondere politische Verantwortung besteht hier für soziale Rand-gruppen.

Der Arbeitskreis 3 kann deshalb noch weniger als die anderen beidenArbeitskreise „isoliert“ arbeiten, sondern er ist vielmehr gleichzeitig Um-setzer und „Antreiber“ für die anderen Arbeitskreise. An Einzelaufgabenobliegen ihm dabei alle übergreifenden Aspekte von Bildung wie z.B.:

• Analysieren der Strukturen im Bildungsbereich und Optimieren nach denZielen der Regionalentwicklung;

• System der Bedarfserhebung seitens der Politik, Wirtschaft und Bürgernverbessern;

• Sichern der regionalen Bedarfsdeckung;

• Vernetzung der gleichgerichteten Initiativen der Regionalentwicklung;

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• Kooperationsstrukturen fördern und durch Beratung und Qualifikationunterstützen;

• Hinwirken auf einen Einstellungswandel, auf eine Änderung der kulturel-len Haltung zum Lernen.

Es steckt viel Arbeit im Aufbau und dem „laufenden Betrieb“ eines Netzwer-kes. Informationen müssen gesammelt, aufbereitet und zur Verfügunggestellt werden, Maßnahmen werden koordiniert und eine kontinuierlicheÖffentlichkeitsarbeit ist dringend geboten. Die LernLandschaft Wart-burgregion wird sich nicht als „Selbstläufer“ entwickeln, sondern vomEngagement vieler regionaler und auch überregionaler Akteure aus Wirt-schaft, Politik und Bildung abhängen.

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Regionales Bildungsnetzwerk fürlebensbegleitendes Lernen: VIEL – Arbeit

Gerhard Prätorius / Reinhard Zabel

1 Der Anlass: BMBF-Wettbewerb „Lernende Regionen“

„Von der Region lernen_In der Region lernen_Eine Lernende Region - VIEL“ist der Titel des Projektes, mit dem sich die Region Südostniedersachsen amProgramm des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) „Ler-nende Regionen - Aufbau von Netzwerken“ beteiligt. Das Programm ist Teilder Initiativen der Bundesregierung zur Umsetzung des Beschlusses der EU-Kultusminister von 1996: „Lifelong Learning for All“. Ausgangspunkt ist dieErkenntnis, dass Bildung die entscheidende Ressource der Wissens-gesellschaft, ein wichtiger Wachstumsgenerator und damit ein differenzie-render Faktor im globalen Standortwettbewerb ist. Bildung wird als sozialeFrage begriffen und die Bildungsmotivation vor allem bislang bildungsfernerBevölkerungsgruppen als Programmziel hervorgehoben. Es zeigt sich, dassunser Bildungssystem nicht nur die Lösung sozialer Probleme bereithaltenkann, sondern zunächst einmal auch ein Teil des Problems selbst ist als Formsozialer Ausgrenzung. Gerade das Programm „Lernende Regionen“ will hiermit der Schaffung einer nachhaltigen Infrastruktur als ein regionaler Bildungs-raum für lebensbegleitendes Lernen gegensteuern.

2 Die Region und das Projekt

Das BMBF-Programm stützt sich dabei auf die Tatsache, dass die Regioninzwischen als wirtschaftsräumlicher Bezugsrahmen zwischen kommunalerEbene und den Bundesländern in ihrer Bedeutung anerkannt ist. Projekt-träger für die Region Südostniedersachsen ist die regionale Entwicklungs-

1 Als Verein organisiert, zählen zu den Mitgliedern der Agentur die führenden Unternehmen derIndustrie und des Verkehrssektors - so die Konzerne Volkswagen AG und Salzgitter AG mit Sitzin der Region, dazu Siemens, Bosch und Alstom LHB mit ihren regionalen Standorten sowiezahlreiche weitere Unternehmen -, und die Gewerkschaften. Weiterhin gehören dazu dieHochschulen der Region sowie die Gebietskörperschaften. Neben Braunschweig sind dieses nochdie kreisfreien Städte Salzgitter und Wolfsburg, die Landkreise und Städte Helmstedt, Peine undWolfenbüttel sowie die Landkreise Gifhorn und Goslar.

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agentur reson.1 Gemeinsam mit der Bezirksregierung Braunschweig unddem Zweckverband Großraum Braunschweig (ZGB) hat reson in einemoffenen, dialogorientierten Prozess das regionale Entwicklungskonzept fürSüdostniedersachsen (REK) erstellt2 und damit einen wesentlichen Beitragzur wirtschaftlichen Profilierung der Region geleistet. Eine Verpflichtungunterschiedlicher Interessen auf die Erarbeitung gemeinsamer Strategienzur Regionalentwicklung konnte erreicht werden. Dieser Konsens mussjedoch immer wieder durch die Umsetzung der Leitziele in konkreteKooperationsprojekte in den etablierten Sektoren von Wirtschaft und For-schung neu hergestellt werden. Für die bislang noch wenig bearbeitetenSektoren Kultur und Bildung gilt das erst recht. Gleichwohl kann inzwischenauch dafür in der Region auf ein Netz von Entscheidungsakteuren zurück-gegriffen werden, das die Implementierung neuer regionaler Entwicklungs-vorhaben erleichtert, zumal die Thematik „Arbeit und Qualifikation“ als einprioritäres Handlungsfeld im regionalen Entwicklungskonzept verankert ist.Allerdings kann es im Rahmen des Programms „Lernende Regionen“ nichtnur darum gehen, für identifizierte regionale Entwicklungspfade - wie z.B.Automobilzulieferindustrie, Biotechnologie oder Tourismus - die entspre-chenden branchenrelevanten Qualifikationen bereitzustellen. Gleichzeitigmuss die Entwicklung neuer Lernarrangements und die bereichsübergreifendeKooperation weiter gefördert werden. Da reson auch Geschäftsstelle für einlokales Bündnis für Arbeit ist, ist ein Problembewusstsein und eine Lösungs-kompetenz für Fragen, die Bildung und Ausbildung betreffen, vorhanden.Die Beteiligten, insbesondere der Allgemeine Arbeitgeberverband, der DGBund die IG Metall sowie die Arbeitsverwaltung, sind schon mit innovativenBeschäftigungs- und Qualifizierungsmaßnahmen zum Beispiel für Jugendli-che hervorgetreten (vgl. Prätorius 2001).

Die Region Südostniedersachsen ist einerseits - geprägt durch groß- undteilweise altindustrielle Strukturen - durch erhebliche wirtschaftlicheEntwicklungsdefizite gekennzeichnet, andererseits zählt sie zu den europä-ischen Teilräumen mit der höchsten F&E-Intensität (gemessen am Anteil derF&E-Ausgaben am BIP). Mit der gewachsenen Industriekonzentration vorallem von Großbetrieben in den Bereichen Fahrzeugbau, Verkehrstechnikund Mobilität sowie Stahlerzeugung und -verarbeitung weist sie eine hoheWeltmarktintegration auf (vgl. Prätorius 2002). Im Rahmen globalisierterMärkte und Konkurrenzen mit stark verkürzten Innovationszyklen bestehenimmense Anforderungen an die Produktivität und Innovationsfähigkeit der

2 Das regionale Entwicklungskonzept für Südostniedersachsen findet der interessierte Leser unterwww.reson-online.de.

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Betriebe und damit ein permanenter Bedarf an qualifizierten und hochqua-lifizierten Arbeitskräften. Nur mit ausreichend großem Potenzial an qualifi-zierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern können die Betriebe in Koopera-tion mit den Forschungseinrichtungen ihrer Rolle als Beschäftigungs- undInnovationsmotor der Region gerecht werden.

Eine wesentliche Aufgabe ist, die bislang unterdurchschnittliche Innovations-kraft kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU) insbesondere im verarbei-tenden Gewerbe der Region, aber auch im Dienstleistungsbereich und imHandwerk zu verbessern, um hier für die Zukunft eine Stabilisierung undStärkung der Beschäftigungsentwicklung zu erreichen.

Dabei spielt der Bildungsbereich eine ganz wesentliche Rolle. Hier bestehtjedoch - nicht nur in Bezug auf unsere Region - ein grundlegenderModernisierungsbedarf, wie zuletzt die internationalen VergleichsstudienPISA und TIMMS gezeigt haben. Allerdings braucht gerade die RegionSüdostniedersachsen entsprechend flexible und innovative Bildungsan-gebote, um im Rahmen der starken Weltmarktintegration mit ihren Qualifi-kationen mithalten zu können. Es gilt nicht zuletzt der Gefahr zu begegnen,dass es zu einer dauerhaften Polarisierung des Arbeitsmarktes und infolgedessen auch des privaten Raumes kommt: Hochqualifizierte Moderni-sierungsgewinnerInnen stehen Personen gegenüber, die als Langzeitar-beitslose, ältere Arbeitnehmer oder Jugendliche, auch als Migranten undMigrantinnen nur über geringe Qualifikationen verfügen und damit aufDauer vom Arbeitsmarkt und von der gesellschaftlichen Teilhabe ausge-schlossen sind.

Mit der Beteiligung am Bundesprogramm „Lernende Regionen“ nutzt dieRegion Südostniedersachsen die Chance, im Rahmen der bundesweitenInitiativen zur Reformierung des Bildungssystems ein Netzwerk von Bildungs-institutionen aufzubauen, das eine kooperative Entwicklung und die Imple-mentierung einer zukunftsfähigen Lernkultur und -infrastruktur für dieRegion zum Ziel hat. In einem gemeinsam gestalteten Prozess wurdenwährend der Planungsphase des Projektes Stärken und Schwächen derregionalen Bildungsangebote und -strukturen analysiert und zukunfts-orientierte Ansätze einer innovativen Bildungslandschaft entwickelt. Mit deranstehenden Durchführungsphase sollen nun in mehreren Teilvorhaben undProzessschritten bis 2006 neue Lernorte, Curricula und Beratungssettingsentwickelt und eingesetzt werden, die es der Region ermöglichen, sich vordem Hintergrund der spezifischen regionalen Ausgangslage sowie durchNutzung aller Netzwerkressourcen den Veränderungen in Wirtschaft undGesellschaft zu stellen.

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Das Projekt VIEL passt in das Aufgabenspektrum der regionalen Entwicklungs-agentur, indem es die Ziele des BMBF-Programms “Lernende Regionen” mitden Besonderheiten des wirtschaftlichen und wissenschaftlich-technischenProfils der Region verbindet. Vier Handlungsfelder wurden dazu zunächstidentifiziert:

Die Verbesserung der Lernkultur durch neue Lernarrangements und Lern-zentren für selbstgesteuertes Lernen

Hier beschäftigten sich kontinuierliche Arbeitsgruppen u.a. mit der Lern-beratung, der Schul- und Ausbildungssituation, den Bildungseinrichtungenals lernende Organisationen sowie Fragen eines regionalen Bildungs-marketing.

Die Steigerung der naturwissenschaftlich-technischen Attraktivität über alleStufen des Bildungssystems in der Region

In dieser Arbeitsgruppe wurden als wesentliche Defizite erkannt:

• Die Erneuerung von Curricula in Aus- und Weiterbildung hält nicht mitdem Tempo wissenschaftlicher und technischer Innovationen mit.

• Anreize, sich mit Naturwissenschaft und Technik zu beschäftigen, wer-den mit zunehmender Distanz zu deren Weiterentwicklung geringer.

• Die Konsumhaltung verdrängt Neugier und selbsttätiges Erkunden undEntdecken von Umwelt und Technik.

• Firmen und Universitäten berücksichtigen die Zielgruppe der Mädchenund Frauen in ihrer Öffentlichkeitsarbeit und ihrem Personalmarketing(Werbung, Stellenanzeigen, Internetpräsenz) nicht systematisch genug.

Der Aufbau eines Wissensservers und Bildungsportals

Als technische Infrastruktur wurde ein Wissensserver aufgebaut (www.viel-wissen.de), der als Wissens- und Bildungsmarktplatz der Region zur Verfü-gung stehen soll. Transparenz des regionalen Bildungsangebots, Mitwirkungan der Entwicklung der Bildungslandschaft Südostniedersachsen sowieAngebote des E-learning gehören zum Leistungsspektrum. Zudem wird dieDokumentation der Netzwerkaktivitäten und die Netzwerkkommunikationauch anderen zugänglich sein.

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Erprobung von Werkzeugen für ein intermediäres Netzwerkmanagementim Landkreis Peine

Die Ergänzung von organisierten und informellen Lernprozessen exempla-risch für die Handlungsfelder „interkulturelles Lernen“ und „intergene-rationales Lernen“ wird hier modellhaft für die gesamte Region erprobt.Dazu gehört die gezielte Zusammenarbeit von Bildungseinrichtungen, Ver-waltungen, Betrieben, sozialen Einrichtungen und Vereinen als eine gemein-same Unterstützungsstruktur für lebensbegleitendes Lernen und Kompetenz-entwicklung.

Mit dem VIEL-Prozess soll die Arbeit des Bildungsnetzwerks als Infrastrukturfür lebensbegleitend lernende Menschen und lernende Organisationen aufDauer gestellt werden. Das Projekt soll der Region ermöglichen, überkoordinierte Kooperationen die Vielfalt und Bedarfsorientierung der Bildungs-angebote zu erhöhen sowie die Reaktionszeiten hinsichtlich innovativerLern- und Schulungskonzepte zu reduzieren. Die Erkenntnisse aus derPlanungsphase führten für die Beantragung der Durchführungsphase zueiner Konkretisierung des Vorhabens in drei Teilprojekte und zweiQuerschnittsaufgaben, die über ein gemeinsames Steuergremium verbun-den sind:

• Die „Arbeitsstelle für selbstgesteuertes Lernen (Selbstlernzentrum)“ ent-wickelt Ansätze zur Unterstützung selbstverantworteten Lernens in derRegion weiter. Dazu wird ein integrierter Lernort in einer öffentlichenBücherei gemeinsam mit der städtischen VHS als Modell aufgebaut, andem sich weitere Partner der Weiterbildung beteiligen. Zum Beispielgehören dazu Themen der gerontopsychiatrischen Beratung einer Sozial-station und ein regionales Umweltzentrum.

• Das „Intermediäre Management – Schwerpunkt intergenerationalesund interkulturelles Lernen“ wird vor allem von den Partnern der imLandkreis Peine entstandenen Netzwerke getragen. Es werden Unter-stützungsstrukturen für interkulturelle und intergenerationale Zugängein bestehenden Arbeits- und Lebenszusammenhängen aufgebaut.

• Das „Weiterbildungsnetz Lernende KMU“ versteht sich als Lern- undInnovationsnetzwerk, das Weiterbildungskonzepte, -instrumente und-angebote für den Lernort KMU entwickelt, um individuelles und organi-satorisches Lernen zu fördern. Der Innovations- und Weiterbildungs-bedarf von KMU soll besser als bisher identifiziert und gedeckt werden.Träger des Teilvorhabens ist ein Transferinstitut der TU Braunschweiggemeinsam mit dem Arbeitgeberverband und den Gewerkschaften.

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• Das Querschnittsprojekt „Regionale Bildungskonferenz – Geschäftsstel-le und Koordinierung“ wird von reson betreut. Damit sollen bedarfsge-rechte Angebote für selbstverantwortlich lernende Bürger sowie fürBetriebe, Verwaltungen, Schulen und Weiterbildungseinrichtungen alslernenden Organisationen in einer Bildungsinfrastruktur zur Verfügunggestellt werden. Die Geschäftsstelle Regionale Bildungskonferenz hat –neben der Vorbereitung und Durchführung jährlicher Bildungskonferenzenentsprechend den Empfehlungen des Bildungsrates beim Ministerpräsi-denten des Landes Niedersachsen - die Aufgabe, die Region als Lernortzu erschließen. Der Austausch zwischen Schulen und Berufsschulen, denUniversitäten und Forschungseinrichtungen, den Weiterbildungsträgernund den Betrieben soll intensiviert werden und in die Entwicklunggemeinsamer Curricula für praxisorientiertes Lernen münden. Durch dieGeschäftsstelle werden Kammern, Verbände, Verwaltungen und Politikin das Netzwerk einbezogen.

• Die Querschnittsaufgabe „Aufbau VIEL-Server: Wissensmarktplatz undBildungsportal“ sorgt für eine E-learning-Plattform, die eine Transparenzdes Bildungsangebots herstellt und allen Bürgern zielgerichtete Lernan-gebote zur Verfügung stellt.

3 Vernetzung: ein Selbstversuch

Die im Aufbau befindlichen Bildungsnetzwerke haben während der Planungs-phase ausdrücklich den Auftrag, die Akzeptanz bei Kommunen und Ge-bietskörperschaften sowie den Ländern sicherzustellen. Ob von den Initia-toren gewollt oder ungewollt, es haben sich alle Beteiligten damit in eineLernsituation begeben, die die Steuerung von Veränderungsprozessen impolitischen wie im wirtschaftlichen Raum betrifft. Schließlich geht es darum,sich im Netzwerk ein neues Verständnis von Bildung zu erarbeiten undanzueignen mit möglicherweise nicht unerheblichen Auswirkungen auf dieRahmenbedingungen und das institutionelle Gefüge des gesamten Bildungs-sektors. An dieser an sich trivialen Erkenntnis ist gleichwohl interessant, dassdie mit der grundsätzlichen Unsicherheit verbundenen Erfahrungendiskutierbar und damit öffentlich und transparent werden. Die Mitarbeit istfür die Beteiligten an Gegenleistungen gebunden, die sich aber erst imProzess ergeben, so dass bewährte Pfade der Programmplanung undRefinanzierung natürlich nur ungern verlassen werden. Mit dieser Offenheitund Transparenz wird ein wesentliches Element der Netzwerkarbeit be-

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nannt: es wird ein Lernfeld geschaffen für Reflexivität, die überall dort einenOrt findet, also institutionalisiert werden muss, wo gelernt werden soll. Dasgilt für Organisationen wie für Regionen. Jeder braucht sie zum Lernen undLernen lernen (vgl. Siebert 2001). Erst die Durchführungsphase wird allerdingserweisen, ob die initiierten Lernprozesses bei den Beteiligten mehr alsProjektroutine sind und damit Impulse einer Bildungsreform von unten gebenkönnen.

4 Cluster - Projekte - Kooperationen - Kartelle:Alles Netzwerke?

Die Anforderung an jeden Einzelnen, sein Selbstmanagement ständig zuoptimieren, beinhaltet den Aufbau eines persönlichen Netzwerkes (vgl.Schubert 1998) und natürlich die ständige Bereitschaft, sich neu zu orientie-ren, sein Lernen zu organisieren. Als soziale Verhaltensweise ist das nichtneu, konnte doch bis vor nicht allzu langer Zeit fast jeder auf die Familie undFreunde im privaten Bereich, auf Kollegen am Arbeitsplatz zurückgreifen,um kritische Situationen und neue Herausforderungen zu bewältigen, wenner dabei verlässliche Institutionen - die Schule, das Arbeitsamt, die betrieb-liche Hierarchie u.a. - im Hintergrund hatte. Die Netzwerkdiskussion ist auchein Anzeichen dafür, dass das Vorhandensein und das Funktionieren vonderartigen Netzwerken nicht mehr einfach vorausgesetzt werden kann.

Für einen Bereich an der Schnittstelle zwischen privatem und sozialem Lebenhat z.B. das Enschede Coach Projekt in Holland deutlich gemacht, das derWegfall fördernder persönlicher Netzwerke für Jugendliche nicht den dau-erhaften gesellschaftlichen Ausschluss zur Folge haben muss (vgl. Riekerink2001). Innerhalb eines halben Jahres wird ein neues soziales Netz geknüpft,indem Verwandte, Nachbarn, Freunde als sozial stabilisierende Faktorengewonnen werden, die dem Jugendlichen helfen, sich wieder eine Perspek-tive zu erarbeiten. Dafür greifen die Sozialarbeiter selbst auf ein Netz ausLehrern, Behördenmitarbeitern, Firmeninhabern, Beratungseinrichtungen,Sportvereinen usw. zurück, wobei immer klar ist, dass der Sozialarbeiter fürden Jugendlichen erster Ansprechpartner ist. Netzwerke können - wie dasBeispiel zeigt - durchaus neu geschaffen werden. Sie werden damit Gegen-stand der Reflexion, können also auch in ihrer Funktion und Zusammenset-zung verändert werden. Gleichwohl ist die Frage einer gezielten Planungvon Netzwerken in der Literatur umstritten.

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Informelle Netzwerke garantierten bislang das gesellschaftliche wie dasbetriebliche Miteinander. Gestiegene technologische Anforderungen, be-schleunigter gesellschaftlicher wie wirtschaftlicher Wandel sowie häufigallein das Erreichen kritischer Größenordnungen (der Sozialhilfeempfänger,der Firmenmitarbeiter) waren zunächst eine Herausforderung der Hierarchi-en und Institutionen, die sich die Fähigkeit zur Selbstorganisation zuneh-mend zunutze machen wollten (vgl. Heintel/Krainz 1990). Projekte undProjektmanagement sind Ansätze bei der Lösungssuche für die Hierarchie-krise. Die unterschiedlichen Reengineering- und Wissensmanagement-konzepte sind weitergehende Versuche, selbstorganisiertes Arbeiten undLernen mit den Unternehmenszielen über Controllingverfahren zu verbin-den. Die Problemanzeigen mangelhafter Steuerung und Wissenszurück-haltung sind auch aus solchen, nicht immer gelingenden Umstruktu-rierungsversuchen gespeist.

Networking als systematischer Bestandteil der Organisationsentwicklung imRahmen unternehmerischen Handelns wird als Erweiterung der selbst-organisierten Aufgabenerledigung durch die Mitarbeiter zunehmend alsnotwendig angesehen, stellt aber auch hohe Anforderungen an das Ma-nagement lernender Organisationen. Dabei sind Netzwerke nicht leicht vonanderen Formen informellen Austauschs einerseits, formaler Kooperationandererseits zu unterscheiden. Erfolgreiche Clusterbildung in der Regional-entwicklung funktioniert nur begrenzt durch gezielte Steuerung, entschei-dend ist allerdings das Vorhandensein einer „kritischen Masse“ an hochqua-lifizierten Experten eines speziellen Segmentes sowie einer kommunikations-fördernden Infrastruktur. Cluster haben mit Netzwerken gemein, dass sieauf dem Austausch von Ideen und Know how basieren.

Im Unterschied zu Clustern sind Netzwerke inhaltlich nicht homogen,sondern vielfältig. Vertrauen spielt in Netzwerken eine so große Rolle, weildie Netzwerkkommunikation in der Regel zwar ziel- und umsetzungs-orientiert ist, aber nicht immer alle Netzwerkteilnehmer den Nutzen dergemeinsamen Arbeit für sich verbuchen können - zumindest nicht immerunmittelbar. Netzwerkkommunikation fördert das Zustandekommen vonKooperationen einzelner Netzwerkpartner. Der Nutzen für alle stellt sicheher langfristig in Form eines Ringtausches ein. Deshalb bilden eher wenigeBeteiligte den Kern eines Netzwerkes mit der Möglichkeit, auf weitere,latent vorhandene Beziehungen im Netz zurückzugreifen und weitereTeilnehmer zu mobilisieren, um für konkrete Projekte Kooperationen zubilden. Dabei besteht sicherlich auch immer die Gefahr, sich abzuschließenoder sich in Kartelle zu verwandeln (vgl. Gnahs/Schubert 1998).

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5 Von der Lehre zur Lernbegleitung und -beratung -Veränderungen in den (Weiter)-Bildungseinrichtungen

Weiterbildungseinrichtungen haben große Anstrengungen unternommen,sich zu professionalisieren und ihr Profil zu schärfen - bei gleichzeitigemKostendruck. Letzterer hat oft auch prekäre Beschäftigungsverhältnisse -Honorarverträge, Zeitverträge, Scheinselbständigkeit - und damit eine hoheFluktuation zur Folge. Für die Weiterbildungslehrer bietet der ArbeitsmarktBildung häufig zwar ein soziales Netzwerk mit einem zum Teil hohen Aus-tausch mit den Kollegen und den Einrichtungen als Knotenpunkten (vgl.Schäffter 1994). Als Basis für ein funktionierendes Bildungsnetzwerk istdiese Infrastruktur jedoch insofern unzureichend, als die Erfahrungen derMitarbeiter nicht ausreichend in Organisationswissen umgewandelt werdenkönnen und einrichtungsübergreifende Partnerschaften und Kooperationendarunter leiden, dass die Ansprechpartner häufig wechseln. Lebens-perspektiven für Lernende im Sinne des oben genannten Beispiels müssenebenso wie Personalentwicklungskonzepte für kleinere Unternehmen alsein neues Geschäftsfeld der Weiterbildung im Rahmen verlässlicher Netzwerk-beziehungen erarbeitet werden (vgl. Bosch 1999). Sie können nicht im Sinneeinfacher Entsprechung von Angebot und Nachfrage am Markt befriedigtwerden. Die neuen Anforderungen, etwa die individuelle Bildung im Kontextsozialer Umweltbezüge und in betrieblichen Praxisfeldern, jedoch mit Bezugauf konkrete persönliche bzw. betriebliche Anforderungen zu organisieren,erfordern neue Formen von Kooperationen mit Schulen, Jugendhilfeträgern,Beratungseinrichtungen und Betrieben und neue Formen des agenda settingsgegenüber Auftraggebern (Betrieben, Kommunen, Arbeitsverwaltung). InBezug auf letzteres ist der Sinn der Netzwerkarbeit durchaus schon erkannt,zumal durch die Förderbedingungen bestimmter Geldgeber die Beteiligungan Netzwerken zwingende Voraussetzung ist (vgl. Priddat 2001). DieseNetzwerke müssen offen für neue Mitglieder und Inputs von außen sein. Siesollten ständig aktiv und nicht nur für bestimmte Projekte oder Kooperatio-nen aktivierbar sein. Bildungseinrichtungen können in diesen Netzwerkenihre Kompetenzen und Ressourcen sowohl für ihre eigene als auch für dieRegionalentwicklung gewinnbringend umsetzen. Die Erfahrung in unseremProjekt zeigt, dass hier bilaterale Kooperationen schnell an ihre Grenzenstoßen. Viele Träger und Weiterbildungslehrer teilen diese Erfahrungen undvermissen, dass von ihren gewachsenen fachlichen und sozialen Kompeten-zen auch entsprechend Gebrauch gemacht wird.

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6 Aufwand und Ertrag in offenenVeränderungsprozessen

Networking gehört zum Handwerk des (Bildungs-)Unternehmers (vgl. Baecker1999). Im Kontakt mit Kunden und Konkurrenten, aufgrund der Beurteilungvon Lebensstilen und gesellschaftlichen Trends festzustellen, was fehlt, umdann neue Produkte zu finden, sichert die eigene Marktposition - durchpermanenten Wandel. Eine solche Haltung, gekennzeichnet durch Offen-heit und Neugier, wird heute als eine so wesentliche Qualifikation für vieleMitarbeiter eingeschätzt, dass es Stimmen gibt, die bereits den Kindergartenzur Vorbereitung auf ein „Lebensunternehmertum“ reklamieren (vgl.Elschenbroich 2001). Generell geht es allerdings nicht um einfaches Lernen,um Entwicklung und Kompetenzzuwachs, sondern eher um aufwendigeVeränderungsprozesse, die Gewinnen und Verlieren, Risiko und Vertrauenbergen. Die Veränderungen der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, wieder gesellschaftlichen Anforderungen lassen für den Bildungsbereich einenModernisierungsbedarf sichtbar werden, dem die betreffenden Institutio-nen nur gemeinsam und in Abstimmung mit Auftraggebern und Kundengerecht werden können. Die notwendige Öffnung von Bildungseinrichtungenzu anderen gesellschaftlichen Bereichen und die zunehmend nur durchgemeinsame Ressourcennutzung zu erfüllende Aufgabenerledigung benö-tigen offene Netzwerkstrukturen. Der hohe Aufwand für gelingendeNetzwerkarbeit ist eine Investition in zukunftsfähige Strukturen, also in einejetzt notwendige Veränderung, die erst zu beständigem Wandel befähigtund damit den gegenwärtigen Herausforderungen auch des Bildungs-bereichs gerecht wird.

7 Voraussetzungen gelingender Netzwerkarbeit

Für den beschriebenen Prozess braucht die regionale Weiterbildung eininstitutionelles „Zuhause“ (vgl. Bosch 1999) im Kontext einer träger-unabhängigen Institution, die dafür sorgt, dass die Interessen austariertwerden, die Offenheit und Transparenz sicherstellt, eine Vernetzung mitanderen Projekten in den Bereichen Schulentwicklung, Weiterbildung,Regionalentwicklung, Kultur und Soziales usw. herstellt.

Der Umgang mit konfligierenden Interessen und der permanenten Ambiva-lenz von Kooperation und Konkurrenz sollte ebenso wie die eigenen Lern-prozesse als koordinierende Institution deutlich werden und auch dokumen-tiert werden. Natürlich gibt es, insbesondere am Anfang eines Netzwerk-

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prozesses auch Zurückhaltung von Informationen und Beziehungen, es gibtUnterschiede in Bezug auf die Durchsetzungsfähigkeit sowie den Zugang zuRessourcen. Damit hat das Projekt Anteil an den allgemeinen Problemen derRegionalentwicklung, aber auch an ihren möglichen Lösungen im Rahmender geschaffenen Institutionen.

Für die Teilnehmer heisst dies, dass sie ein Bewusstsein über die Bedeutungihrer Rolle als Personen und als Vertreter einer Institution in einem Netzwerkentwickeln sollten. Die Ambivalenz, sowohl als Person als auch als Vertretereiner Organisation im Netz zu handeln, stellt hohe Anforderungen an dieHierarchien in den Einrichtungen, weil sie die Vertrauenswürdigkeit derPersonen in den offenen Aushandlungsprozessen im Netz sichern. Dahersollten die am Netzwerk beteiligten Personen ein Wissen über die eigenenGrenzen und die Möglichkeiten der anderen (und umgekehrt) besitzen unddarüber auch zur Auskunft bereit sein. Diese Fragen in Bezug auf dieNetzwerkarbeit können nicht auf einer Metaebene verhandelt werden.

Literatur

Dirk Baecker, Organisation als System. Frankfurt am Main 1999

Gerhard Bosch, Bildung und regionaler Kontext; in: Schöni / Sonntag 1999

Peter Brödner / Ileana Hamburg / Thomas Schmidtke (Hrsg.), Strategi-sche Wissensnetze: Wie Unternehmen die Ressource Wissen nutzen. Gelsen-kirchen 1999 (Institut Technik und Arbeit im Wissenschaftszentrum Nord-rhein-Westfalen)

Donata Elschenbroich, Weltwissen der Siebenjährigen. Wie Kinder dieWelt entdecken können. München 2001

Friedrich Hagedorn, Sabine Jungk, Mechthild Lohmann, Heinz H.Meyer (Hrsg.), Anders Arbeiten in Bildung und Kultur. Kooperation undVernetzung als soziales Kapital. Weinheim / Basel 1994

Peter Heintel / Ewald E. Krainz, Projektmanagement. Eine Antwort auf dieHierarchiekrise? 2.Auflage Wiesbaden 1990

Dietrich Hoß / Gerhard Schrick (Hrsg.), Die Region. Experimentierfeldgesellschaftlicher Innovation. Münster 2001

ies – Institut für Entwicklungsplanung und Strukturforschung an der Univer-sität Hannover. Humanpotential und Landesentwicklung. Hannover 1998

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Gerhard Prätorius, Südostniedersachsen: Regionale Entwicklungskoalitionzwischen industriellem Establishment und Sozialexperiment; in: Hoß / Schrick2001

Gerhard Prätorius, Global Player und regionale Entwicklung: Auflösung -Hegemonie - Partnerschaft? in: Ulrich Mückenberger / Marcus Menzl(Hrsg.): Der Global Player und das Territorium, Opladen 2002

Birger P. Priddat, Neue Formen der Zusammenarbeit in der Region: Net-Policy; in: Hoß / Schrick 2001

Frank Riekerink, Coach Project Enschede. Expose zum Workshop „Jugend-arbeitslosigkeit. Blick über die Grenzen – Vorbild Niederlande?.“ am 9. Mai2001 in Braunschweig

Ortfried Schäffter, Weiterbildungsorganisation – ein locker verkoppeltesNetzwerk; in: Hagedorn u.a. 1994

Walter Schöni / Karlheinz Sonntag (Hrsg.), Personalförderung im Unter-nehmen. Bildung, qualifizierende Arbeit und Netzwerke für das 21. Jahrhun-dert. Chur / Zürich 1999

Herbert Schubert, Entwicklungsperspektiven privater Beziehungsnetzeund regionaler Akteursnetzwerke; in: ies 1998

Horst Siebert, Selbstgesteuertes Lernen und Lernberatung. Neue Lern-kulturen in Zeiten der Postmoderne. Neuwied; Kriftel 2001

Hans-Jürgen Weißbach, Wissensorientierte Dienstleistungsnetzwerke:Wissensarbeit zwischen Emanzipation und Vereinnahmung; in: Brödner /Hamburg / Schmidtke 1999

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Qualifikation und Lernprozesse insozio-ökonomischen Netzwerken

Birgit Stecker

Netzwerkeln in der Lernenden Region

Die Wirtschaftsförderungsgesellschaft Güstrow mbH hat sich an der Aus-schreibung „Lernende Regionen“ des Bundesministeriums für Bildung undForschung beteiligt und ist eine von derzeit 54 Projekten in Deutschland.Unter dem Projektnamen „Lernende Region Mittleres Mecklenburg-Küste“werden im Rahmen einer einjährigen Planungsphase ca. 100 Netzwerk-partner zusammenarbeiten. Das Netzwerk, in dem Bildungsanbieter, Schu-len, Unternehmen, kulturelle Einrichtung und viele andere mitarbeitenwerden, existiert bereits in der Grundstruktur und erstreckt sich auf dieLandkreise Güstrow, Bad Doberan, Nordvorpommern, Rügen und die Han-sestädte Rostock und Stralsund.

Ziel der Lernenden Region ist die Entwicklung einer neuen Lernkultur.Hauptsächlich geht es um die nachhaltige Förderung des lebensbegleitendenLernens für alle Personengruppen und die Stärkung der Weiterbildung.Lernen ein Leben lang bedeutet nicht nur eine höhere Bildungsbeteiligung,

Landkreise: Güstrow Bad Doberan Nordvorpom-

mern Rügen

Hansestädte: Rostock Stralsund

Lernende RegionMittleres Mecklenburg-Küste

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sondern es geht darum, dass jeder Einzelne für sich das Lernen als einenstetigen Prozess begreift und auch die Chance bekommt, seine persönlichenund individuellen Fähigkeiten zu entwickeln. Mit der Lernenden Region solldas Konzept der „lernenden Gesellschaft“ in größerer Breite als bisherverwirklicht werden. Um dieses Ziel zu erreichen, muss sowohl die Bildungs-beteiligung aller Menschen gestärkt, als auch die Nutzerorientierung derAngebotsstrukturen verbessert werden. Dabei sollen zum einen die klassi-schen Lernmethoden, zum anderen auch die Nutzung der neuen Medien zurAnwendung kommen.

Grundlegende Voraussetzung für die Erreichung dieser Ziele ist die Entwick-lung einer solchen Bildungsinfrastruktur, die den Anforderungen einerzukunftsfähigen Gesellschaft entspricht. Der Aufbau regionaler Netzwer-ke, in denen verschiedene Institutionen, aber vor allem auch die Bürger, dieihren Wunsch nach Weiterbildung verwirklichen wollen, integriert sind,bietet dafür eine günstige Basis. Gemeinsam mit allen Netzwerkpartnernwurde die Vision für unsere Lernende Region entwickelt, die als Leitbild fürdie vierjährige Durchführungsphase dienen soll:

Vision:Wir werden vorhandene Einzelaktivitäten und Teilnetzwerke in derBildung, der Beschäftigungs- und Wirtschaftsentwicklung zur Förde-rung des lebensbegleitenden Lernens in der Region MittleresMecklenburg - Küste nachhaltig verknüpfen und effizient gestalten.Wir werden bestehende Defizite in der Bildungslandschaft identifizie-ren und daraus neue Projekte und Maßnahmen bedarfsgerecht ent-wickeln und umsetzen.

Um dieser Vision und den dargestellten Zielen Rechnung zu tragen, ergibtsich ein hoher Anspruch an die Netzwerkstrukturen. Unser Netzwerk„Lernende Region“ ist innerhalb weniger Monate von ursprünglich 54Netzwerkpartnern auf derzeit ca. 100 Partner angewachsen, und es istständigen Veränderungen unterworfen. Sicher ist diese breite Resonanz aufdie geleistete Öffentlichkeitsarbeit zurückzuführen. Aber ich sehe aucheinen Schwerpunkt darin, dass die Beteiligten die Schwierigkeit erkannthaben, Entwicklungen im bildungspolitischen Bereich im Alleingang umzu-setzen, dass es leistungsfähiger Zusammenschlüsse bedarf, um zukünftigerfolgreich zu sein. Von Anfang an haben wir das Netzwerk offen gestaltet,d.h. offen für neue Netzwerkpartner aber auch offen für neue Ideen. Und

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wir haben versucht, die Arbeitsweise des Netzwerkes transparent zugestalten. In den zurückliegenden Wochen und Monaten ist uns klargeworden, dass diese Vorgehensweise auch ein Umdenken unter denNetzwerkpartnern erfordert. Sich in den Arbeitsgruppentreffen öffnen,Kompromissbereitschaft, die Bereitschaft neue Wege zu gehen, der Abbauvon Hierarchiedenken und Konkurrenzverhalten sind nur einige Schlagwor-te, die ausdrücken, wie stark diese Verhaltensweisen die Netzwerkbildungbeeinflussen. Aus diesem Grund ist die Entwicklung einer neuen Lernkulturstets in Einklang mit der Entwicklung einer neuen Netzwerkkultur zu sehen.Die besondere Situation unseres Netzwerkes, die in der großen Anzahl derNetzwerkpartner, der großen regionalen Ausdehnung und dem Aufeinan-dertreffen verschiedenster Kompetenzen und Charaktere zu sehen ist, stellthohe Ansprüche an das Management und die Netzwerkstruktur.

Das Netzwerk setzt sich in der Planungsphase aus den folgenden Einrichtun-gen/Erfahrungsträgern zusammen:

Projektmanagement WirtschaftsförderungsgesellschaftGüstrow mbH, ATI Küste GmbH

Projektbeirat Vertreter aus dem Bildungsbereichund Wirtschaft

wissenschaftliche Begleitung - Universität Rostock, Wirtschaftspädagogik

Externe Moderation - Firma MA&T, Magdeburg

Netzwerkpartner z.Zt. ca. 100 Partner

Arbeitsgruppen z.Zt. 9 Arbeitsgruppen (jeweils einAG-Leiter)

Das Projektmanagement trägt die Verantwortung für die Lenkung undLeitung des Projektes, sowohl inhaltlich, terminlich, personell und finanziell.Treffen des Managements finden im 14-tägigen Rhythmus statt. In regelmä-ßigen Abständen werden die Arbeitsgruppenleiter (Moderatoren der einzel-nen Arbeitsgruppen) hinzu gezogen. Diese Vorgehensweise hat sich be-währt, da aufgrund der Rahmenbedingungen der Planungsphase einestraffe zeitliche und inhaltliche Arbeitsweise notwendig ist.

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Der Projektbeirat setzt sich aus zehn Personen aus dem Bildungs- undUnternehmensbereich zusammen und hat hauptsächlich eine beratende,begleitende und empfehlende Funktion. Über die Einbringung von Fach-kompetenzen der einzelnen Beiratsmitglieder erhält das Management Un-terstützung bei der Bewertung der Einzelprojekte. Der Beirat soll abergleichzeitig als Multiplikator auftreten und Lobbyarbeit gegenüber Politik,Verwaltung, Verbänden leisten.

Darüber hinaus bedienen wir uns einer wissenschaftlichen Begleitung undeiner externen Moderation. Die Wissenschaftliche Begleitung ist in ersterLinie mit einem direkten Nutzen für die Region, den darin integriertenNetzwerkpartnern und für den Projektträger verbunden. Durch die Zusam-menarbeit mit der Universität Rostock / dem Institut für Human ResourceDevelopment können wir auf langjährige Erfahrungswerte zurückgreifen.Mit dem Einsatz unterschiedlicher Methoden / Instrumente, die in Absprachemit der Projektleitung eingesetzt werden, wird es möglich, IST-Zustände zudokumentieren und Maßnahmen im Projektverlauf für den Projektträgerund alle Netzwerkpartner transparent zu machen. Effektivität derKapazitätennutzung und Effizienz des Mitteleinsatzes werden hierdurchnachvollziehbar. Nicht zu unterschätzen ist die Rolle der wissenschaftlichenBegleitung als neutraler Beobachter.

Aufgrund der Größe und der räumlichen Ausdehnung unseres Netzwerkeshaben wir uns für eine externe Moderation entschieden, die daraufausgerichtet ist, gemeinschaftliches Handeln unterschiedlicher Netzwerk-partner zu organisieren und zu unterstützen. Schwerpunkte sind dabei dieZiel- und Strategiefindung im Netzwerk, die Unterstützung der Ideen- undProjektentwicklung bzw. die Problemlösung und die Vernetzung von Akteu-ren und Problemstellungen. Die Umsetzung erfolgt über die Durchführungund Gestaltung von Workshops, die für alle Netzwerkpartner offen sind. Zielder Workshops ist, auch die Vertrauensbildung zwischen den Akteuren zubeschleunigen. Sie tragen somit auch zum gegenseitigen Kennenlernen undzur Erhöhung der Qualität des Netzwerkes bei. Denn die Lernende Regionerhebt auch den Anspruch an alle Beteiligten, die Planungsphase dafür zunutzen, dass die Grundlagen und ersten Schritte für ein arbeitsfähigesNetzwerk gelegt werden.

Den Netzwerkgedanken in die Köpfe der Partner zu transportieren, isteiner der Schwerpunkte unseres Projektes. Es muss uns gelingen, Verständ-nis für den Netzwerkgedanken zu erzeugen und die Arbeitsweise sotransparent zu gestalten, dass die Mitwirkung im Netzwerk als Zukunfts-

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investition angesehen wird und nicht für jede erbrachte Leistung eineGegenleistung erwartet wird. Jeder Netzwerkpartner muss sich mit derVision, dem Leitgedanken identifizieren. Deshalb ist es um so wichtiger, dassnicht nur die Arbeitsgruppen arbeitsfähig sind, sondern auch das Gesamt-projekt durch die Mitwirkung aller getragen und gestaltet wird.

Eine weitere Schwierigkeit liegt auch darin begründet, dass der Nutzeneines Netzwerkes häufig nur erkannt wird, wenn er materiell begründet ist.Für mich von großem Wert und auch ein Zeichen dafür, dass wir auf demrichtigen Wege sind, sind die Einschätzungen von Netzwerkpartnern zu derProjektarbeit der vergangenen Monate. Obwohl alle Partner in Vorleistunggehen und der Erfolg für ein Weiterkommen in die Durchführungsphasenicht garantiert werden kann, sehen viele Mitstreiter die bisherige Arbeitpositiv, besonders in der Hinsicht, dass neue Kontakte geknüpft werdenkonnten und sich Kooperationen angebahnt haben, die außerhalb derLernenden Region liegen. Die entwickelten Projektideen sind es wert, auchweiterhin verfolgt zu werden und andere Finanzierungsquellen zu erschlie-ßen, sollte unser gemeinsames Projekt nicht zum Erfolg führen.

Damit sich Netzwerke erfolgreich entwickeln können, spielt die Kommuni-kation eine sehr entscheidende Rolle. Wir bedienen uns von Beginn derProjektlaufzeit an einer geschützten Kommunikationsplattform, die onlineverfügbar ist. Jeder Partner hat über ein selbst gewähltes Passwort Zugangzu dieser Plattform und kann alle das Netzwerk betreffenden relevantenInformation abrufen. Diese Vorgehensweise macht Sinn, da die Fülle derInformationen, das Netzwerk betreffend, täglich zunimmt und ein Versandauf den herkömmlichen Wegen (Post, Fax) zu kosten- und zeitintensiv ist.Was hier so simpel klingt, ist in Wirklichkeit in der Umsetzung mit Problemenund Startschwierigkeiten behaftet gewesen. Nicht für jeden ist die Kommu-nikation per E-Mail selbstverständlich. Auch der Umgang mit demKooperationsserver ist gewöhnungsbedürftig. Und jeder durchlebt in dieserHinsicht auch einen Lernprozess, denn als registriertes Mitglied einer solchenKommunikationsebene hat man eine Holepflicht. Das heisst, jeder Partnermuss sich eigenständig mit den Informationen versorgen, die für seineweitere Mitwirkung im Projekt notwendig sind. Aktive Mitarbeit im Netz-werk heisst auch, Kommunikationsbereitschaft zu zeigen. Auf der anderenSeite müssen die Bedingungen für einen guten Informationsfluss durch dasProjektmanagement geschaffen werden. Beide Seiten haben sowohl eineBringe- als auch Holepflicht.

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Auch eine gezielte Öffentlichkeitsarbeit trägt zum Netzwerkverständnisbei. Von Anfang an haben wir Pressearbeit geleistet und somit Interesse anunserem Projekt geweckt. Unter dem Namen www.lernburg-kueste.de istdas Projekt im Internet präsent und bietet allen Beteiligten und Interessiertenumfassende Informationen zum Projekt an.

Ich bin mir der Herausforderung bewusst, was es heisst, ein arbeitsfähigesNetzwerk zu installieren und dabei die Erwartungshaltung möglichst vielerPartner zu erfüllen, denn die Erwartungshaltung ist sehr hoch. Jedoch mussauch jeder Beteiligte ein gutes Stück dazu beitragen, indem er nicht nur seineKompetenzen mit einbringt, sondern auch solche Eigenschaften wieKompromissbereitschaft, Engagement, Offenheit, die Bereitschaft, neueWege zu gehen und nicht nur das „Ich“ sondern das „Wir“ im Vordergrundsieht. Der nachstehende Ausspruch von Henry Ford begleitet unser sichformendes Netzwerk von Beginn an und ist ein Stück Anleitung zumHandeln.

Zusammenkommen ist der Beginn,Zusammenbleiben ist ein Fortschritt,

Zusammenarbeit ist ein Erfolg.(Henry Ford)

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Das RKW-Beraternetzwerk zurUnterstützung von KMU in derWirtschaftsregion Berlin-Brandenburg

Ulrich Hoffmann / Wolfgang Horlamus / Karsten Koitz

1 Das RKW-Beraternetzwerk als Lernergebnis

In der kleinteiligen Wirtschaft, die in der Region Berlin-Brandenburg vor-herrscht, besteht ein Überlebensmotiv kleiner und mittlerer Unternehmendarin, innovative Strukturen und neue Wege der Zusammenarbeit zu finden,um sich den stets neuen und härteren Anforderungen des Wettbewerbs zustellen.

Sowohl bei Unternehmen als auch Beratern ist bereits die Erkenntnisgewachsen, dass man besser den vielfältigen neuen Anforderungen desMarktes gerecht werden kann, wenn in Verbünden mit anderen Unterneh-men die unterschiedlichen Kompetenzen vernetzt und kundengerecht an-geboten werden. Die Herausforderungen und Problemstellungen der Auf-trageber werden komplexer und/oder gehen mehr in die Tiefe. SpezielleBranchen- und Marktkenntnisse werden vorausgesetzt, die das einzelneUnternehmen oder den Berater überfordern.

Kooperation in Netzwerken ist hier das moderne Zauberwort. Vieles hängtaber davon ab, wie diese Einsicht umgesetzt wird. Arbeiten und Lernen imNetzwerk hat damit ein permanentes und dynamisches Moment. Der Erfolgeines Netzwerkes wird darin bestehen, wie es gelingt, die Balance zwischenklarer Zielstellung und Struktur einerseits sowie zwischen Anpassungs-fähigkeit und Offenheit in diesem für alle gewinnbringenden Wirtschafts-organismus zu meistern.

Das RKW-Beraternetzwerk für die Wirtschaftsregion Berlin-Brandenburg istseit gut einem Jahr dabei, diese Balance in einem konstruktiven Miteinanderder Beteiligten immer wieder neu zu finden. Alle Beteiligten wissen, derMarkt für Beratung und Training wird auch in den nächsten Jahren weiterabsolut wachsen. Und der Wettbewerb in diesem Dienstleistungsbereicherfordert eine hohe Fitness des eigenen Leistungsvermögens. Die Initiatoren

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des RKW-Beraternetzwerk waren sich zumindest in diesem Punkt schnelleinig, dass man diesen Anforderungen mit einer gebündelten Kompetenzam besten gerecht wird. Hierzu gibt es klare Aussagen:

Das RKW fördert Innovationen, Rationalisierungsprozesse und die Berufs-bildung im Sinne der Anpassung von Qualifikationen an sich änderndeAnforderungen und Rahmenbedingungen. Im Mittelpunkt aller Aktivitätensteht die Entwicklung der Wettbewerbsfähigkeit von kleinen und mittlerenUnternehmen in Brandenburg. Beratung, Coaching, Training und Weiterbil-dung für Führungskräfte und Mitarbeiter werden von erfahrenen Beraternund Trainern in großem Umfang geleistet. Der freiberufliche Markt, Institute,wissenschaftliche Einrichtungen, Universitäten, Fachhochschulen oder Un-ternehmen selbst bieten einen reichhaltigen und vielseitigen Wissens- undErfahrungsschatz. Dieser wird mit dem Netzwerk weiterentwickelt und denUnternehmen noch besser zugänglich gemacht. Die Situation und dieAnforderungen gerade von den kleinen und mittleren Unternehmen in derWirtschaftsregion Berlin-Brandenburg erfordert schnelle und ganzheitlicheAntworten, spezielle Lösungen und Mut für innovative Ideen, die demAnspruch auf Praxisorientierung und Nachhaltigkeit gerecht werden.

Andererseits waren viele Fragen offen: Werden die Berater, die vielfach als„Einzelkämpfer“ agieren die erforderliche Teamfähigkeit und das Vertrau-en für die gemeinsame Arbeit aufbringen? Welche Kompetenzen sollen dieAkteure des Netzwerkes besitzen, um ein ausgewogenes Verhältnis vonKooperation und Wettbewerb zwischen den Akteuren zu ermöglichen? Wiemuss die Kompetenzmatrix eines solchen Netzwerkes strukturiert sein?Die Initiatoren waren nicht unvorbereitet: Die Vorbereitungsphase für dieFormierung des RKW-Beraternetzwerkes umfasste knapp ein Jahr. In mehr-stufigen Diskussionsrunden verschaffte man sich Klarheit über Selbstver-ständnis, Zielsetzung, Struktur und Kompetenzprofil des Netzwerkes. Auchdie Akteursebenen des Netzwerkes wurden definiert.

2 Grundverständnis des Netzwerkes und Zielgruppen

Das Netzwerk versteht sich als eine Plattform für den Erfahrungsaustausch,die Weiterbildung und die Zusammenarbeit von Berater(innen) undTrainer(innen) im Wirtschaftsraum Berlin-Brandenburg. Die Inhalte der Ar-beit werden bestimmt durch die speziellen Anforderungen und Aufgabender Zielgruppe kleine und mittlere Unternehmen (KMU).

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Im Netzwerk wirken kompetente und professionelle Teilnehmer, Akteureund Partner, die an der Ausprägung von seriösen, qualitativ guten undspeziell für KMU ausgerichteten Dienstleistungen interessiert sind. DieAktivitäten sind in besonderem Maße auf die KMU der Wirtschaftsregionkonzentriert. KMU-gerechte Beratungs-, Coaching- und Trainingsleistungen- orientieren sich am strategischen Unternehmenserfolg, - sichern Objekti-vität, Integrität und Seriosität, - berücksichtigen den praktischen Handlungs-bedarf und die realistischen Möglichkeiten, - nutzen KMU-adäquate Orga-nisations- und Erfolgsmodelle, - werden mit einem straffen und transparen-ten Projektmanagement realisiert und - sichern ein angemessenes Preis-Leistungsverhältnis.

Es wird ein ganzheitlicher Beratungs-, Coaching- und Trainingsansatz ver-treten, der konzentriert auf den praktischen Unternehmenserfolg dieHandlungskompetenz und eigene Kooperationsbereitschaft des Beratersausprägt. Das Netzwerk ist gleichzeitig auch ein Angebot an Politik, öffent-liche Verwaltungen und wirtschaftsnahe Organisationen. Entsprechendderen Aufgabe - nachhaltig und dauerhaft Wirtschaftswachstum und-erfolg zu befördern - unterstützt das Netzwerk durch Vorschläge, Projekteund Ideen eine mittelstandsorientierte Wirtschaftspolitik. Diese Aktivitätenerfolgen politisch neutral und unabhängig. Das Netzwerk agiert als Kommu-nikations-, Wissens-, Handlungs- und Erfolgspartnerschaft für Analyse,Strategieentwicklung, Lösungsfindung und -umsetzung. Es realisiert selbstund lebt durch die Anwendung von modernen Formen des Wissens-managements. Schrittweise wird für das Netzwerk als lernender Organisa-tion eine detaillierte Kompetenzmatrix aufgebaut.

Die Mitarbeit im Netzwerk ist für alle Mitwirkenden durch die Bildungleistungsstarker Beratungsteams, die Wissenserweiterung, den projekt-konkreten Vergleich mit Berufskollegen und die Organisation kontinuierli-cher Lern- und Verbesserungsprozesse von messbarem Vorteil, realisiertjedoch keine „automatische Geschäftsbesorgungsfunktion“. Das Netz-werk setzt die beschriebenen Synergien selbstfinanziert um. Für die Betei-ligten (Teilnehmer, Akteure, Partner) bildet die Bereitschaft, in das Netzwerkzu investieren und z.B. konkrete Bildungsleistungen zu bezahlen genausoeine Basis, wie die Zielstellung des Netzwerkmanagements, vor allem ausProjekterlösen Refinanzierungsfunktionen zu gewährleisten. Das Netzwerkist interessiert am Leistungsvergleich mit anderen Organisationen dieser Artund offen für sinnvolle Kooperationen.

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Bild 1: Kompetenzfelder für einen Unternehmensberater1

3 Die Mitglieder des Netzwerkes

Im Netzwerk können mitarbeiten: Berater, Trainer, Dozenten, Projekt-manager, Wissenschaftler, Erfahrungsträger aus Wirtschaft und Gesell-schaft sowie weitere Personen, die ihre inhaltliche Beziehung zu o.g.Zielstellungen plausibel begründen können. Das RKW-Beraternetzwerk isteine Organisation von natürlichen Personen. Firmen, Organisationen usw.können das Netzwerk aktiv unterstützen. Für den Zugang, die Mitarbeit undden Austritt aus dem Netzwerk sind gesonderte Regelungen und Bedingun-gen definiert. Grundsätzliche Bewertungskriterien für die Mitarbeit imNetzwerk sind Qualifikationen, Kompetenzen, Berufspraxis und Referen-zen. Ergänzend werden für interessierte Personen zur Vorbereitung derMitarbeit Assessment-Center und/oder geführte Praktika angeboten.

1 Albrecht Fridrich: „Beratungsqualität und Qualitätsmanagement für Berater“, RKW-Verlag 2000

Wahrnehmung

Selbstbild Verhalten

Verant-wortung

Verständigung

Führung,Motivation

Moderation

Analyse-,Diagnose-techniken

Projektsteuerung

Projektcontrolling

Praxiserfahrung

Lehre,Studium

Persönlich-keitskompe-

tenz

Sozial-kompetenz

Methoden-kompetenz

Fach-kompetenz

HANDLUNGS-KOMPETENZ

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Die Mitarbeit im Netzwerk vollzieht sich in drei qualitativen Ebenen:

• als Teilnehmer an Aktivitäten des NetzwerkesTeilnehmer nutzen das Leistungsangebot des Netzwerkes z.B. für dieeigene Weiterbildung, die Angebote der KMU-Beraterakademie oder ingeförderten Projekten die Möglichkeiten zur aktiven Mitarbeit zu dendefinierten Bedingungen. Die Inanspruchnahme der Angebote der KMU-Beraterakademie ist kostenpflichtig.

• als Akteur in NetzwerkprojektenAkteure arbeiten aktiv in konkreten Projekten des Netzwerkes mit. Siebieten eigene Ideen für Entwicklungsarbeiten an und nutzen diesbezüg-liche Angebote ihrer Berufskollegen. In dieser Projektarbeit werden in derRegel Leistungsverträge abgeschlossen. Voraussetzung für die Mitarbeitsind Kompetenznachweise oder Referenzen/Empfehlungen zur Einbindungin die konkreten Projekte. Die Mitarbeit in Projekten mit definiertenAufgabenstellungen kann auch Gegenstand von Praktika zur Vorberei-tung der Aufnahme in das Netzwerk sein. Die Akteure werden ziel-gerichtet über die Arbeit des Netzwerkes informiert und leisten einenjährlichen finanziellen „Akteursbeitrag“.

• als Partner des Netzwerkes mit einer aktiven Einbeziehung in Organisations-aufgabenDie Netzwerkpartner sind die fördernden und entwickelnden Mitgliederdes Netzwerkes. Sie anerkennen Selbstverständnis und Statut des Netz-werkes und leisten einen eigenen Beitrag zu seiner Organisations-entwicklung. Andererseits werden sie zielgerichtet über Projektideen,-entwicklungen und -realisierungen informiert und einbezogen. Sie leis-ten einen jährlichen finanziellen „Partnerbeitrag“. Der Ausweis „Partnerim Beraternetzwerk des RKW-Brandenburg ...“ kann im Außenverkehrverwendet werden. Das Kollegium der Partner steuert die Arbeit desNetzwerkes und trägt die haushaltspolitische Verantwortung. In seinemAuftrag wird die operative Arbeit nach innen und ggf. auch nach außenvon einem Netzwerkmanager/Assistenten realisiert.

Als im September und Oktober 2001 Sondierungsgespräche mit Bewerbernfür das Netzwerk stattfanden, stand auch fest: Nicht jeder, der im Netzwerkmitarbeiten will, hat die Voraussetzungen für das Netzwerk. Kompetenz-profil und Teamfähigkeit waren wesentliche Entscheidungskriterien, umeinen Partner in das Netzwerk aufzunehmen. Beim Kennenlernen derAkteure stellte sich eine gewisse Stärken- und Schwächenübereinstimmungheraus, was dazu führte, dass noch neue Partner mit einer das Profil desNetzwerkes ergänzenden Kompetenz aufgenommen wurden. Derzeit agie-ren im Netzwerk zehn Partner und 20 Akteure.

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4 Erste Projekte und Aktivitäten des Netzwerkes

Eine sachliche Vorabinformation zur Absicht der Netzwerkbildung gab esauf dem RKW-Beratertag in Luckenwalde im Frühjahr 2001. Die Konsti-tuierung des Netzwerkes erfolgte im ersten Halbjahr 2001. Im nächstenSchritt entwickelten die Mitglieder einen konkreten Arbeitsplan, der sich aufdie Definition chancenreicher und ausstrahlungskräftiger Startprojekte kon-zentriert.

Inzwischen kristallisieren sich bereits drei Arten von Projekten im RKW-Beraternetzwerk heraus:

1. erste bilaterale Projekte: Anforderungen an das NW über einen Partner:Teamzusammenstellung. Inhalt sind klassische Beratungsprojekte, diedie Kapazitäten und Kompetenzen eines Partners übersteigen. Vertrau-en zwischen den Netzwerkpartnern entwickeln, um Akquise solcherProjekte voranzutreiben.

2. Gruppenprojekte:längerer Vorlauf erforderlich, momentan 3 Projekte mit 2monatigerVorbereitung, z.B. „QM für Multimedia-Unternehmen“. Es geht vor allemdarum, diese Projekte in den entsprechenden Gremien zu platzieren.

3. Großprojekte:Das sind Projekte, die für das Netzwerk eine Schlüsselfunktion haben.Hier geht es um Marktanalysen, die sich ein einzelnes KMU kaum leistenkann. Erfolgsfaktoren für Unternehmen. Präsentation erster Ergebnisseauf dem Unternehmertreffen im April/Mai 2001.

Ab 2001 wurde in Übereinstimmung mit den Zielsetzungen des Netzwerkesdas Lernen im Netzwerk durch Wissensvermittlung und Bildungsarbeitbegonnen. Die KMU-Beraterakademie bietet im II. Halbjahr 2001 ersteSeminare / Workshops an.

Zur weiteren Qualifizierung der Arbeit und Struktur des RKW-Berater-netzwerkes ist die Bildung von zwei speziellen Arten von Fachgruppenvorgesehen:

a) fachlich-methodische Ansätze mit sachbezogenem Focus;

b) problembezogene, aktionale Ansätze – Taskforce für Sanierungs- undKonsolidierungsberatung – SOS-KMU.

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Für das Jahr 2002 sind die Aufgaben im wesentlichen klar: Die Arbeit imNetzwerk muss sich weiter stabilisieren. Dabei geht es auch um die Motiva-tion, die Potenzen des Netzwerkes noch besser kennenzulernen und „aus-zubeuten“. Das ist kein formaler Prozess, den man erzwingen kann. Allesbraucht seine Zeit. Hier geht es um einen Lernprozess, der sich über dieinhaltliche Arbeit in konkreten Projekten realisiert. Als Plattform für denInformationsaustausch wird auch das Internet unter www.kmu-berater.netgenutzt.

Abbildung: Ebenen-/Zugangs-/Aufgaben-/Finanzierungstabellefür das RKW-Beraternetzwerk

Ebene Zugang durch Aufgaben/Tätigkeit Finanzierungs-beitrag/Kosten/Erlöse

Teilnehmer

FreieAnmeldung/Be-zahlung(inkl. ange-stellte Beraterund Trainer)

Organisation und Durchführung vonWeiterbildungsmaßnahmen

INFO-Dienst über Aktivitäten undErgebnisse des Netzwerkes („offenerBereich“),öffentliche Kongresse/Veranstaltungen

Bezug von Analyseergebnissen

Vollkosten +Netzwerkbeitrag

Frei

Teilnahmebeitrag(Rabattsystem)Vollkosten

Übergang Kompetenzentwicklung/Bewerbung/Bildung eines Bewerberpools

Akteur

Möglichkeitenwie Teilnehmerund zusätzlichReferenzen/EmpfehlungenLeistungs-verträge

Ausschreibung/Bewerbungen

Konkrete Projektarbeit (Beratungs-,Entwicklungs- und Transferprojekte...)

Praktika für Beraternachwuchs(Studenten,...)

VereinbarterLeistungsbezugaus der Projekt-finanzierung

Aufwandsent-schädigung

ZusätzlichA-Beitrag: 300 €€

Übergang Kompetenz + wirtschaftlicher Erfolg +Risikopotenz

Partner

Nur aufVorschlag desPartner-kollegiums(ohne aktiveGegenstimme!)

Marktbeobachtung und AnalyseAkquiseEntwicklung von Produkten und MarkenPolitikberatungKonferenzen/VeranstaltungenSponsoring

Erheblicher P-Beitrag: 1250 €€+Haftungsrisiko fürDefizite Netzwerk

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Regionale und sektorale Lern- undProjektportale als innovative Chanceim Rahmen eines Europasder vernetzten Regionen

Thomas Freye / Bernhard Rieke / Andreas Bäumer

Einleitung

Vor dem Hintergrund des Globalisierungsproblems entsteht gleichermaßeneine Tendenz zur Rückbeziehung auf gewohnte und gewachsene Struktu-ren lokaler und sektoraler Einheiten.

Durch ein Rekurrieren auf diese Strukturen bietet sich ein interessanter undvielversprechender Ansatzpunkt, die Herausforderung der Globalisierung invielfältiger Hinsicht anzunehmen, indem der (regionale) Netzwerkgedankestärker in den Vordergrund gerückt und dabei seinerseits neu definiert wird.

Dabei wird einerseits auf Bestehendes zurückgegriffen, auf gewachseneregional-soziale Infrastrukturen, die psychologische Ankerpunkte bilden,andererseits aber auch der Netzwerkgedanke vor dem Hintergrund seinerinnovativ-technologischen Dimension aktiv eingesetzt. Durch eine Kombi-nation dieser beiden Momente können neue synergetische Effekte entste-hen.

Die neuen regionalen und sektoralen Netzwerke verstehen sich nicht mehrals restriktiv-affirmative und abgeschottete Beziehungsnetze alter Proveni-enz, sondern zeichnen sich als locker geknüpfte Kooperations- undInteraktionssysteme vielmehr durch Flexibilität, Offenheit und flachere Hie-rarchien aus und entwickeln hieraus – verknüpft mit dem verstärktenEinsatz neuer webbasierter Informations- und Kommunikationsmethodensowie innovativer multimedialer Medien – ihre spezifische Dynamik. Dadurchkönnen sie dem regionalen Entwicklungsgedanken neue effiziente Impulsegeben.

Somit können entsprechende Voraussetzungen für die Erfordernisse derzukünftigen Kompetenzgesellschaft gebildet werden, die durch ihren life-

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long-learning Charakter neue Bildungsparadigmen – weg vom knowledge-on-stock hin zum knowledge-on-demand – transzendiert.

Dieser Paradigmenwechsel soll im folgenden an Hand eines exemplarischenund innovativen Projektes skizziert werden, das für sich genommen spezi-fische Anknüpfungspunkte an den o.g. Themenkomplex bildet und imRahmen der „lernenden Region“ verortet ist.

Lernende Region

Internet Bildungsportale & Wissensmarktplätze

Für die Umsetzung einer regionalen Netzwerkidee bietet sich der Aufbauvon Bildungsportalen und entsprechenden Wissensmarktplätzen an, die wirin Aufbau und Struktur im folgenden kurz skizzieren möchten.

1 Ziel und Aufbau des regionalen Bildungsportals

Das Bildungsportal versteht sich als Wissensmarktplatz und als Plattform zurZusammenführung regionaler Bildungsanbieter und ihrer Angebote sowieder Nachfrager mit ihrem lebenslangen Bildungsbedarf. Insbesondere sollenQualifizierung und Weiterbildung der regionalen Wirtschaft und hierbesonders die kleinen und mittleren Unternehmen, der zweite Arbeitsmarktsowie Endkunden mit Hilfe des Webportals gezielt gefördert werden.Es bietet Raum für Informationen zur Ausbildung, Weiterbildung und desTransfers von Praxislösungen aus der Praxis für die Praxis.

Neu und innovativ können Online-Schulungen im Virtuellen Lerncenter undOnline-Projektarbeit im Virtuellen Projektcenter stattfinden sowie Hybrid-Qualifizierungsmaßnahmen als Veranstaltung kombiniert mit E-LearningSequenzen als Vor- und Nachbereitung, Gruppenbindung und betreutembinnendifferenzierten Lernen angeboten und gebucht werden.

Zur Gliederung eines regionalen Bildungsportals bietet sich folgendeStrukturierung an:

Infoportal

Aktuelle Bildungsinformationen, News(letter) & Foren

Bildungsbedarfsforum- zielgruppen-/bereichsspezifisch

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Angebots- und Qualifizierungsportal

Darstellung aktueller Bildungsangebote der regionalen Anbieter mitAuswahl und Buchung über das Internet

Classroom Training, Online Schulungen und HybridlernenOnline/Offline

Online Projekt- und Telearbeit

Virtuelles Lerncenter

Lernorganisation

Individueller Lernbereich

Gruppenlernbereich

Virtuelles Projekt- und Telearbeitscenter

Projektorganisation

Individuelle Telearbeit

Projektarbeit in Arbeitsgruppen

2 Vorteile und Nutzen des Bildungsportalsfür die „Lernende Region“

Für die Region und die beteiligten Akteure ergeben sich durch ein vernetztesgemeinsames Portal folgende Nutzen:

Nutzen für die Region

Wissensmarktplatz und Webplattform für

eine regionale Qualifizierungsoffensive

Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit insbesondere der KMU

das Lernen mit modernster Bildungstechnologie

Kompetenzpartnerschaften, Projekte und Telearbeit

Nutzen für den Portalbetreiber

Preiswerte, bedarfsorientierte Bildungsangebote für die regionale Wirt-schaft on demand über das Web

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Firmenübergreifende Lernpartnerschaften und Lerngruppen

Kundenbindung über stets aktuelle Infos und Angebote

Finanzierung durch Partnerlizenzen und Werbeeinnahmen

Imagegewinn

Nutzen für die regionalen Bildungskunden

Jederzeit aktuelle Bildungsinformation und bedarfsorientierte E-Learning-Angebote „on demand“

Ortsunabhängige Bildungsinformation und -buchung

Individuelle Online-Lernberatung und Wissenscheck

Online lernen- zeit- und ortsunabhängig- individuell, in Lernpartnerschaften & Gruppen (E-Communities)Online-Plattform zur Unterstützung von Online-Projekten und Tele-arbeit

Nutzen für regionale Bildungsanbieter

Schneller Einstieg in den E-Learning Markt

stets aktuelle zielgruppenorientierte Bedarfsinfos

Portal-Plattform für passgenaue Zielgruppen-Angebote

neue Chancen durch bessere Marktdurchdringung und direktes Errei-chen der Zielgruppen

„on demand“ Nutzung der E-Learning Plattform

einfache und effiziente Anbieterkooperation

Fazit:

Eine für jedermann, jederzeit und an jedem Ort zugängliche Angebots- undNachfrage-Plattform mit vielfältigem Nutzen, d.h.:

„Lebenslanges Lernen“ leicht gemacht – mit modernster webbasierterBildungstechnologie und regionaler Vernetzung

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3 Rollenmodell

Regionales Bildungsportal und Wissensmarktplatz

Im Rahmen des skizzierten Projektes bietet sich zum Aufbau des regionalenOnline-Dienstes folgende Rollen- und Aufgabenverteilung an:

Wer Rolle Aufgaben /AktivitätenRegionaler Träger Portalbetreiber

ProjektmanagementVerantwortlicher Gesamtbetriebdes Portals, verantwortlicheGesamtredaktion und Qualitäts-kontrolle, Akquise und Lizenzen(Partner, Werbekunden,Bildungskunden), Bildungsbedarfs-erhebung, Marketing und Portal-bewerbung in anderen Medien

Learning ManagementSystemanbieter

System- und KompetenzpartnerASP PartnerProjektmanagementGU LernportalkonzeptionConsulting

Portalbetrieb als ApplicationService Providing (ASP) undBereitstellung- Contentmanagementsystem,Qualifizierungsmanagementsystem- E-Learning/E-Community/E-Knowledge-Komponenten- Service und Support

RegionaleBildungsdienstleister

Bildungsangebote Online Curricula und OnlineSchulungsangebote für verschiedene Bereiche,Branchen, ZielgruppenBildungsurlaubsangebote

Trainer Online Schulung undLerngruppenmoderation

Berater Qualifizierungsberatung, Tests undAssessments

Coach Individuelles Coaching( Führungskräfte... )

Medienpädagoge/Webeditor LehrmedienerstellungFachexperten Expertenberatung Fachinfos, ProblemlösungZielgruppen Unternehmen (KMU), öffentl. Orga.

Marketing Portalwerbung:Produkte/Diendleistungen

Personalentwicklung Bildungsbedarfsmeldung anPortalbetreiber,Auswahl und QualitätskontrolleBildungsanbieter

Mitarbeiter/Bildungsendkunden Teilnahme an Qualifizierungs-beratung, Pre-Tests ,Auswahl undBuchung von Lernangeboten undTeilnahme an (Online) Schulungenund -Projektgruppen

Vorgesetzte Genehmigung und Freistellung zurBildungsteilnahme

Kammern IHK/HWK Ausbildungspläne, Prüfungen undZertifizierung, Bildungsangebote

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4 Ausblick

Bewährt sich ein so gestaltetes Bildungsportalmodell im regionalen Maß-stab, wäre ein Transfer regionaler E-Learning Wissensmärkte unter dasDach einer gemeinsamen europäischen Portalplattform ein nächster sinn-voller Schritt zur Förderung von Kompetenzaustausch und –partnerschaften.

Durch den Aufbau eines gemeinsamen europäischen Kompetenzpools und–netzes zwischen den einzelnen regionalen Kompetenzträgern könntenzudem europäische Standards generiert und genutzt werden.

Eine Überprüfung und Beurteilung des Einflusses der verschiedenen europä-ischen Sprachen sowie insbesondere der unterschiedlichen Lern- und Arbeits-kulturen in Bezug auf netzgestützte E-Learning-Aktivitäten, Wissensaus-tausch und Partnerprojekte kann schließlich zu entsprechenden Synergienin Form einer multilingualen und interkulturellen netzgestützten Lern- undArbeitsplattform mit regionalen, aber auch europaweit nutzbaren, gemein-samen Lernangeboten und Projekten führen.

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... und zur sozialen und politischenIntervention

Erfahrungen mit regionalen Netzwerken zurSicherung und Schaffung von Beschäftigung

Manfred Muster

1 Vorbemerkungen

Mit diesem Bericht ziehe ich mehr ein subjektives Resümee als ein wissen-schaftliches aus dem Blickwinkel des Arbeits- und Organisationspsychologen.Als ich diese Erfahrungen machte, war ich in einer anderen Funktion,nämlich des Ersten Bevollmächtigten der IG Metall Bremen. Netzwerkehaben für mich immer den Reiz des Vorübergehenden, rein am Zweckmä-ßigen für die Lösung einer Aufgabe Orientierten gehabt. Sie sind frei vomZwang, sich nach Parkinsonschen Regeln selbst ohne sinnvollen Zweck zureproduzieren, sondern werden einfach beendet, wenn sie ihren Zweckerfüllt haben oder nicht erfüllen können. Kein Gang zum Gericht zwecksLiquidation, keine Abschiedsdramen, einfach Tschüss und gut ist es. Mankann mit Netzwerken zwar Karriere machen, aber nicht in Netzwerken. Esgibt keine wichtigen Posten zu vergeben sondern nur Arbeit, die man dazufreiwillig aus Interesse übernimmt. Folglich läuft man in Netzwerken beihalbwegs geklärtem Innenleben auch nicht Gefahr, in die Teufelkreiseneurotischer Inszenierungen zu geraten, die nach meinen Erfahrungenzwangläufige Begleiterscheinung der mehr oder weniger erzwungenenKooperationen in Organisationen zu sein scheinen. Die dramatische Zunah-me von Mobbing und anderem psycho-sozialem Elend in der Arbeitswelt der

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Organisationen sehe ich als Bestätigung meines latenten Misstrauens ge-genüber fest gefügten Organisationen. Daher üben Netzwerke den Reiz derFreiheit zu gehen auf mich aus, den ich aber im ersten der beiden berichtetenFällen kaum genießen konnte.

2 Kurzportrait der beiden Netzwerke und ihrerAusgangsituation

2.1 Der Zusammenbruch des Bremer Vulkan-Verbundes

Der erste Fall ist für die Freiheit des unverbindlichen auch völlig ungeeignetgewesen, handelte es sich doch um den Zusammenbruch des Bremer VulkanVerbundes, der die traditionsreiche Werft in Bremen-Vegesack verschwin-den ließ. Die Aufgabe des Netzwerkes in diesem Fall bestand in derSchadensbegrenzung. Die Vulkan-Krise traf nicht nur Bremen, sondernStädte wie Bremerhaven, Lübeck, Wismar, Rostock, Stralsund und Mönch-engladbach. Dreiundzwanzigtausend Beschäftigte überwiegend in struk-turschwachen Wirtschaftsregionen standen vor der bangen Frage, welcheZukunft sie noch zu erwarten haben. Nicht minder sorgten sich vieleGeschäfte und Betriebe der regionalen Ökonomie um ihren Fortbestand undschließlich Politiker um ihre Wiederwahl, für die sie professionelleKrisenmanagementfähigkeiten beweisen mussten. Bricht ein großes Unter-nehmen in einer Region zusammen, geht es nicht mehr nur um die Betrof-fenheit der Beschäftigten und der Zulieferer, die von ihm leben, sondern esgeht immer auch um die regionale Ökonomie. Im Fall des Bremer Vulkanwaren die betroffenen Bundesländer, vor allem die Länder Bremen undMecklenburg-Vorpommern, in ihrer ökonomischen Entwicklung betroffen.Beide Länder haben in ihrer Wirtschafts- und Arbeitmarktpolitik eine starkeAusrichtung auf den Schiffbau. Bremen hatte Bürgschaften in dreistelligerMillionenhöhe geleistet. Insgesamt 23.000 Arbeitsplätze gehörten zumZeitpunkt des Konkurses zum Bremer Vulkan-Verbund, davon allein ca.10.000 im Lande Bremen. Das Land hatte sich im Schiffbau sehr starkengagiert. Mit seinem Engagement hatte das Land Bremen, auch miterheblichem Engagement der IG Metall Bezirk Küste, die Strategie desVorstandsvorsitzenden Dr. Friedrich Hennemann unterstützt, mit dem größ-ten europäischen Werftenverbund eine industriepolitische Überlebens-strategie gegen die Übermacht der südkoreanischen und japanischen Werft-industrie zu schaffen. Diese Strategie finde ich auch heute noch richtig, dennEuropas Schiffbau war auf dem Weg in die Bedeutungslosigkeit. Weder dieeuropäische Union noch die damalige Bundesregierung zeigten industrie-

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politische Initiative, den europäischen Schiffbau vor den unfairen Subventions-praktiken besonders der südkoreanischen Schiffbauer zu schützen. Mankann sicherlich darüber streiten, ob es angesichts der Risiken des Schiffbausverwegen war, dass ausgerechnet das kleinste Bundesland, dazu noch einesder am meisten verschuldeten, sich entschlossen hatte, solche Risiken zuschultern. Ich habe diesen Mut mit großer Sympathie begleitet, mit dem dasLand Bremen weitgehend auf sich gestellt versuchte, sich gegen denverhängnisvollen Trend der Erosion dieser Industriebranche zu stemmen.Das Land Bremen und die IG Metall Küste haben sich dafür engagiert, dassder Bremer Vulkan sich nach der Wende bei den ostdeutschen Werftenengagierte, um die industriellen Kerne in Mecklenburg-Vorpommern zuerhalten und gemeinsam zu einer Größe wuchsen, welche die Chancebieten sollte, der erdrückenden Übermacht der südkoreanischen und japa-nischen Werftkonzerne nicht zu erliegen.

In Bremen hatte sich ein Entscheidungsnetzwerk zwischen Banken, Unter-nehmen, Landesregierung und Gewerkschaft entwickelt, das die Entwick-lung des Bremer Vulkan-Verbundes tatkräftig gefördert hat. Mit demAuftreten der Krise begann sich dieses Netzwerk an der Schuldfrageaufzulösen. Es war damit als Kriseninterventionspotenzial in dieser Konstel-lation nicht mehr verwendbar. Das zeigte sich im Lande Bremen unteranderem an dem Problem, welcher von den vier Standorten (Bremer Vulkan-Werft/Bremen-Vegesack, Lloyd-Werft/Bremerhaven und Schichau-Seebeck-Werft/Bremerhaven und einem bedeutenden Elektronikstandort (STN AtlasElektronik) eine Chance zum Überleben bekommen würde. Dazu kamennoch Kocks-Krane und die Diesel-Motorenwerke Rostock, die aus je einemStandort in Rostock und in Bremen-Vegesack bestanden. Die Situation imVerbund im Konkurs war wie bei einer Schiffshavarie, bei der jeder derSchiffbrüchigen weiß, dass nicht genug Platz für alle in den Rettungsbootensein wird.

Da das Entscheidungsnetzwerk völlig ausfiel, musste ein neues geschaffenwerden. Dafür übernahm die Senatskanzlei der Freien Hansestadt Bremenfür die Bremer Werften die Koordination. In der so genannten Freitagsrundetrafen sich die Betriebsratsvorsitzenden und Gewerkschaftsvertreter derbetroffenen Betriebe aus Bremen und Bremerhaven mit den Vertretern desSenates und der Fraktionen der Bürgerschaft sowie Experten, um dieaktuellen Informationen auszutauschen und Entscheidungen abzustimmen.In Bremen leitete ich ein IG Metall-Netzwerk der Betriebsräte und Vertrau-ensleute, an dem auch Menschen aus dem ehemaligen Management derWerft mitarbeiteten. Der Bezirk Küste organisierte das Netzwerk zwischenden unterschiedlichen Standorten.

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2.2 Die Reorganisation der Hersteller-Zulieferbeziehungen fürregionales Wachstum nutzen

Im zweiten Fall handelt es sich um ein Netzwerk zwischen den Autoherstell-ern Daimler-Benz (heute DaimlerChrysler) und Volkswagen mit ihren Stand-orten in Bremen und Emden mit Zulieferern, das von der Wirtschafts-förderungsgesellschaft Bremen und der Technischen Universität Hamburg-Harburg initiiert wurde, um die Kooperation mit Systemlieferanten zustärken und durch Ansiedlung von Werken die regionale Wertschöpfungund Beschäftigung zu steigern.

In der Weser-Ems-Region wurden 1995 mit 420.000 Fahrzeugen zehnProzent der deutschen PKW-Produktion montiert (Daimler-Benz Bremenund Volkswagen Emden zusammen mit 24.000 Beschäftigten). Im Vergleichzur gesamten schwedischen Automobilindustrie waren das zwanzig Pro-zent mehr. In der Region waren in diesem Zeitraum zweiundzwanzigAutomobilzuliefererbetriebe mit insgesamt 6.500 Beschäftigten tätig. Derregionale Wertschöpfungsanteil für die beiden Herstellerwerke betrug abernur zwei Prozent. Die Wirtschaftsförderungsgesellschaft Bremen etablierteein Netzwerk, um zu überlegen, wie die regionale Wertschöpfung durchAnsiedlung von Zulieferbetrieben gesteigert werden kann. Sie veranstaltetein unregelmäßigen Abständen Workshops mit den beteiligten Akteuren, umdas Interesse zu eruieren, sich in der Region anzusiedeln und um dieKooperationsbedingungen in der Region zu verbessern. Dabei war eserforderlich, die Aktivitäten der Wirtschaftsförderungsgesellschaften in derRegion Weser-Ems in dieser Frage zu bündeln und abzustimmen. Das gelangnicht einmal mit den unmittelbar an Bremen grenzenden Städten, so dassder Anspruch, für die Weser-Ems-Region zu agieren, fallen gelassen werdenmusste. Zusätzlich war die Unterstützung und das Interesse der IG Metall imBezirk und der Verwaltungsstellen der IG Metall in der Region ebenfallsunterentwickelt, so dass die ganze Veranstaltung zu einer bremischenAngelegenheit schrumpfte. Volkswagen hat sich vermutlich deshalb relativfrüh aus dem Netzwerk verabschiedet.

3 Warum kommen Netzwerke zustande?

In beiden Fällen handelte es sich um institutionelle Akteure, die sich durchunterschiedliche und teilweise gegensätzliche Interessen abgrenzen lassenund sich durch eigene Positionen, Strategien und Beziehungen definieren,die eine Zusammenarbeit in einem Netzwerk nur als Ausnahmefall erlauben.

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Beide Beispiele weisen das Merkmal der gleichzeitigen Existenz von forma-len Beziehungen der Akteure als Vertragspartner auf. Offensichtlich wardies nötig, weil die formalen Beziehungen nicht ausreichten, um die gestell-ten Aufgaben zu lösen. Deshalb würde ich die beiden Netzwerke alskompensatorische Organisationsformen bezeichnen, mit denen die Akteureinnovative Lösungen erzeugen wollten, die mit den Ressourcen eines einzel-nen Akteurs nicht zu erzielen sind. Die Akteure überschreiten ihre instituti-onellen Grenzen zu gemeinsamem Handeln, das die Interessen aller mehroder weniger befriedigt, weil sie sich davon einen Nutzen versprechen, derhöher ist als der Schutz der Abgrenzung. Netzwerke nivellieren nicht dieunterschiedlichen Machtpotenziale ihrer Akteure. Doch im Unterschied zuinstitutionalisierten Kooperationsformen spielen Machtpotenziale und Hie-rarchien wegen der Angewiesenheit aufeinander eine geringere Rolle. Dasmag auch damit zusammenhängen, das die Akteure sozusagen im exterri-torialen Raum wirken, also außerhalb der eigenen Hierarchie und der Aspektdes Lernens neuer Handlungsmöglichkeiten der Problemlösungskompetenzden Vorrang vor der hierarchischen Kompetenz einräumen muss. Dabei gehtes bei der Problemlösungskompetenz keineswegs nur um fachliche Kompe-tenz, sondern um humane, soziale und methodische Kompetenzen, also umdie Fähigkeiten, Werte, Interessen, Ziele und Strategien offen zu kommuni-zieren und Vertrauen zu schaffen, dass die Ergebnisse für alle einen Vorteilbringen, den alle Seiten respektieren und bewahren helfen. In beiden Fällenversprachen sich die Akteure, den Nutzen dieses Vertrauens in die Sicherheitumzusetzen, dass die mit den Partnern ausbalancierten Interessen ohneReibungsverluste (z.B. durch plötzliche Störmanöver) umgesetzt werdenkönnen. Deshalb sind Netzwerke auch provisorische Koalitionsbildungen,die später in stabile münden können.

4 Klärungsprozesse, ohne die Netzwerke nichterfolgreich sind.

Netzwerke, die in politischen Räumen wirken, handeln auf drei Ebenen:

• Der makro-sozialen Ebene (Unternehmen – Staat – Verbände): Aufdieser Ebene sind sie nicht vertraglich bindend wirksam, weil sie keinerechtlichen Subjekte darstellen, sondern höchstens aufklärend und vor-bereitend.

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• Der meso-sozialen Ebene (Interessengruppen innerhalb des Netzwer-kes): Auf dieser Ebene haben sie „interfraktionellen“ Charakter, derEntscheidungen vorbereitend in die Hierarchie der „Heimatorganisation“wirkt.

• Der mikro-sozialen Ebene (interpersonelle Ebene): Auf dieser Ebeneentstehen mehr oder weniger starke persönliche Bindungen, die Einflussauf die Gruppendynamik des Netzwerkes haben.

Ungeklärte Konflikte wirken sich auf allen Ebenen aus. Die handlungs-leitenden Interessen müssen auf allen Ebenen kongruent sein, um Glaub-würdigkeit und Stimmigkeit herzustellen. Deshalb müssen auf allen Ebenedes Netzwerkes folgende Klärungsprozesse stattfinden:

a Klärung der Werte, Interessen und Ziele

b Klärung der systemischen Zusammenhänge der zu lösenden Aufgabe

c Klärung der mentalen Modelle und Deutungsmuster der beteiligtenAkteure

d Klärung der Kommunikation und Führung des Netzwerkes

e Klärung der Spielregeln.

Die Qualität dieser Klärungsprozesse entscheidet darüber, ob ein Netzwerkerfolgreich arbeiten kann oder nicht. Diese Erfahrung habe ich besondersmit dem Netzwerk zum Bremer Vulkan gemacht. Das entzündete Konflikt-klima von Schuldigensuche, Verdrängung eigener Versäumnisse, Besserwis-serei und Selbstmitleid hat diese Klärungsprozesse oft sehr erschwert.Phasenweise drohte das Netzwerk daran zu zerbrechen. Es bedurftemanchmal einer energischen Konfrontation, um erforderliche Sachlichkeitzu bewahren. Das hat sich aber letztlich ausgezahlt, weil sich durchbeharrliche Orientierung an der Sache die „Problemfälle“ selbst aus demNetzwerk katapultierten.

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5 Situations- und konstellationsanalytische Betrachtungder beiden Fälle

Welche Aufgaben von den Akteuren zu lösen waren und welche Konflikt-konstellationen dabei zu bewältigen waren, soll im Folgenden im Überblickvereinfacht dargestellt werden. Die Komplexität der Aufgabenstellung lässtsich damit nur unzureichend abbilden, aber wenigstens eine Positions-bestimmung der Akteure ermöglichen.

5.1 Der Bremer Vulkan-Konkurs

Der Konkurs des Bremer Vulkan hatte für das Land, über dessen staatlicheSelbstständigkeit angesichts seiner chronischen Finanzkrise schon vorheröffentlich debattiert wurde, eine existenzielle Dimension. An die Politik desSenates wurden seitens der Betroffenen in ihrer Verzweiflung Forderungengestellt, die diese objektiv nicht erfüllen konnte. Am 11. Dezember kam esbei einer Demonstration von 2.500 Werftarbeitern vor dem Bremer Rathauszum Ausbruch der Verzweiflung und Verbitterung. Es half dem Senats-präsidenten nicht, dass das Land in der Vergangenheit hohe Risiken für denSchiffbau im Lande Bremen eingegangen war. Von ihm wollten die Men-schen die Erlösung, die er objektiv nicht leisten konnte. In dieser Situationkonnte das best gemeinte Handeln und auch die unter den obwaltendenUmständen durchgesetzten Erleichterungen, wie die Auffanglinie, die be-troffenen Arbeitnehmer nicht zufrieden stellen. In einer Situation wie dieserwar allen Akteuren im Netzwerk klar, dass sie selbst bei meisterlicher Arbeitan der Schadensbegrenzung in den Augen der Betroffenen immer als „dieda oben“ eingestuft würden, die „ja irgendwie alle unter einer Deckestecken“. Diese Drucksituation wirkte sich auch auf das verhalten mancherAkteure im Netzwerk deutlich aus.

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1 BQG = Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft

Akteure VorherrschendeVerhaltens-muster

Interessen FormulierteZiele/Strategien

Konflikte mitüber...

Rolle imProzess

A1

Beschäftigte Verzweiflung,Wut, Protest,Resignation

Erhalt derArbeitsplätze

„Das darf nichtsein!“

Partiell mit allen Opferrolle

A2

Betriebsrat Protest, Versuchedie Führung zubehalten

Erhalt derArbeitsplätze

Uneinheitlich,„Senat mussmachen“

Besonders mit A4 und A 6„tauchen ab“

Uneinheitlich,zerstritten,nur durchFührung vonA 3funktionsfähig

A3

IG Metall KoordinierendStrategischplanend;Netzwerke undBündnisseaufbauend;Beratend undführend

Erhalt derArbeitsplätze oderErsatzarbeitsplätze

Auffanglinie durchBQG1;Schadens-begrenzung fürdie BeschäftigtenEntwicklung vonWeiterführungs-Konzepten;Revitalisierungs-strategie

Mit A 2 überVorgehen;Mit A 6 späterüberRevitalisierungs-Strategie;Mit A 4 lohntesich keinKonflikt mehr

Betriebsüber-greifenderIntegrations-faktor

A4

Unter-nehmens-leitung

Beschwichtigung Heile davon zukommen

keine Mit A 6; fühltensich im Stichgelassen

Täterrolle

A5

Konkurs-verwalter

Souverän,kompetent,mitfühlend,integrierend,ausdauernd

Seinem Ruf alsSanierer gerechtwerden

SanierungskonkursstattZerschlagungs-konkurs

Mit denAuftraggebernder Schiffe bzw.den Käufernwegen desVertrages

„KlugerKapitän“

A6

Senat/Politik Umsichtigkeit,Souverän,pragmatisch,verbindlich,unterstützend

Die Bürgschaftennicht notleidendwerden zu lassen;Krisenkompetenzzu beweisen

Schadens-begrenzung fürdas LandReorganisationdes Schiffbaus imLande Bremen

Partiell mit A 2;sonst mit derEU-KommissionüberNotifizierungvonBürgschaften

ReaktiveRolleauf die EU-Schiffbau-richtlinie;konstruktivesKrisen-management

A7

Presse/Medien Mitfühlend mit denOpfern, hart mitden „Tätern“

Auflage,Einschaltquote;bei Radio Bremenund Weserkurierherrschtesachliche undmitfühlendeBerichterstattungvor.

k.A. A 4 besondersüberHennemann

Insgesamtspielte diePresse eineRolle, dieihrem Auftragangemessenwar

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5.2 Das regionale Hersteller-Zulieferer-Netzwerk

Das Netzwerk kam auf die Initiative der TU Hamburg-Harburg, Daimler-Benz Bremen und den bereits angesiedelten Zulieferern zustande. Es wardarauf orientiert, die strategische Restrukturierung der Hersteller-Zuliefer-Beziehungen regional umzusetzen und Chancen für alle Beteiligten zurealisieren. Das Klima der Zusammenarbeit war konstruktiv, Vertrauenfördernd und Ziel führend.

Akteure VorherrschendeVerhaltens-muster

Interessen Formulierte Ziele/Strategien

Konflikte mitüber...

Rolle imProzess

A1

Daimler-BenzBremen

KreativitätOffenheitKonstruktivitätSachlichkeit

Sichere Just-in-Time-AnbindungvonSystemzulieferern;Überlegungen zurIntegration insWerk

Senkung derFertigungstiefe,Modularisierung,Optimierung derKooperationKostensenkung

Latent mitBetriebsrat undIG Metall beimThemaIntegration derZulieferer

Führungsrolle

A2

VolkswagenEmden

KreativitätOffenheitKonstruktivitätSachlichkeit

Sichere Just-in-Time-AnbindungvonSystemzulieferern;Überlegungen zurIntegration insWerk

Senkung derFertigungstiefe,Modularisierung,Optimierung derKooperationKostensenkung

Nicht bekannt Eher abwartendeRolle, obKooperation inder Regionmöglich undsinnvoll

A3

bereitsangesiedelteZulieferer

KreativitätOffenheitKonstruktivitätSachlichkeit

Festigung derKunden-Lieferanten-Beziehung

Optimierung derKooperation mit demHersteller

Latent mitHersteller überPreisgestaltungund Abwälzungvon Risiken aufZulieferer

Abhängigkeitzum Herstellerwurde sichtbar imVerhalten

A4

Ansiedlungs-willigeZulieferer

KreativitätOffenheitKonstruktivitätSachlichkeit

Realisierung neuerMarktchancen

Erhöhung desUmsatzes

Latent mit WfGüberAnsiedlungs-Beihilfen und mitIG Metall wegenTarifbindung

Abhängigkeitzum Herstellerwurde sichtbar imVerhalten

A5

WfG1 Initiativ Ansiedlungserfolge Kooperation in derRegion

Nicht bekannt Koordination

A6

TU Hamburg-Harburg2

KreativitätOffenheitKonstruktivitätSachlichkeitStrategischinnovativVoran treibend

Umsetzung desentwickeltenKooperations-konzeptes

Entwicklung vonPartnerschaftlichkeit inden Hersteller-Zuliefer-Beziehungen

Nicht bekannt Wissens- undKonzept-promotor,Kommunikationund Integration;Berater

A7

IG MetallBremen

KreativitätOffenheitKonstruktivitätSachlichkeit imfremden Netzwerk;im eigenenNetzwerkuninteressiert,unterschwelligeBefürchtungen undKonflikte

Akzeptanz alsregionaler Akteurfür die regionaleWirtschaftsent-wicklung erreichen

Mehr Beschäftigung indie Region bringen;Tarif gebundeneArbeitsplätze bei denZulieferern erreichen

Latent mit A 3wegen derTarifbindung;mit den eigenenLeuten,besonders demBR Daimler-Benz

Ich agierte alsVertreter der IGMetall ohneInteresse undRückhalt dereigenenOrganisation

2 Wirtschaftsförderungsgesellschaft Bremen3 Vertreten durch Dr. Egon Endres und Prof.Dr. Theo Wehner

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6 Verlaufsmerkmale und Resultate der Netzwerke

Beide Netzwerke weisen entsprechend des Zwecks ihres Zustandekommensunterschiedliche Verlaufsmerkmale auf, die im Folgenden kurz skizziertwerden sollen.

6.1 Phasen und Resultate des Bremer Vulkan-Netzwerkes

Ein Kriseninterventionsnetzwerk wie das beim Bremer Vulkan kam unterdem Zwang der Verhältnisse zustande und hatte keinen Planungsvorlauf.Ausschlaggebend für sein Entstehen war der Schock der Pleite und dieEinsicht, das ein solches Problem von einem einzelnen Akteur nicht erfolg-reich bewältigt werden kann. Es war eine Notgemeinschaft, die schnellerkennen musste, das gegenseitiges Bekämpfen den Schaden für alle nurvergrößert. Der fehlende Gegnerbezug war übrigens ein Problem für man-che Gewerkschafter. Er taugte in dieser Frage zu keiner Lösung.

Phasen VorherrschendesVerhaltensmuster

Lern- undHandlungs-anforderungen

Resultate

1. Auftreten derKrise

Schock, Abwehr,Verharmlosung,Schuldigensuche

Aushalten von Zweifelnund Unsicherheit;Klären der eigenenRolle

Weder der Senat nochdie IG Metall tauchtenab und konnten daherdie Lähmungverkürzen

2. Orientierung Klärung der eigenenVerantwortung für denProzess,Informationsgewinnung,Ursachenforschung,Prognose über weiterenVerlauf

Informations- undKommunikations-management;Führungsstärke

Sofort nach Auftretender Krise haben Senatund IG Metall effizienteKommunikations-strukturen etabliert

3. Reorganisation Schadensbilanz,Suche nachHandlungsoptionen,singuläresKrisenmanagement

Entwicklung undPositionierung dereigenenProblemlösungs-ressourcen

Die Umsetzung einerAuffanglinie in Formeiner BQG wurdesofort eingeleitet.

4. Koalitions-bildung Klärung dergemeinsamenInteressen, Ziele,Optionen undRessourcen

Vernetzung vonProblemlösungs-Ressourcen;Vertrauensbildung

Das Netzwerk war insehr kurzer Zeit aktivund nach Trennung„von Spreu undWeizen“ auch effektiv

5. Leistungsphase RegelmäßigerInformationsaustausch,Koordination,Strategieentwicklung,Umsetzung,Erfolgskontrolle

Beständigkeit undVerlässlichkeit;

Alle wesentlichenSchritte wurden imNetzwerk vorbereitet.

6. Rückkehr in dieNormalität

Restabwicklung,Rückzug,Auflösung desNetzwerkes

Abschied nehmen undsich bedanken

Das Netzwerk endeteunspektakulär unddiskret, wie esgearbeitet hatte

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Es war wichtig, dass die IG Metall in der Lage war, ihr Netzwerk in derKoordination der Krise im Gesamtverbund erfolgreich zu handhaben unddabei vor allem verhinderte, dass die Rettungsversuche des einen nicht zuLasten des anderen Standortes gingen. Entscheidend war, dass sie dieBeschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaften in enger Kooperation mitden Arbeitsressorts der betroffenen Länder und den Konkursverwalternverwirklichte. Die rasche Realisierung einer wirksamen arbeitsmarkpolitischenFlankierung der Großhavarie hat eine strategisch nicht zu überschätzendeBedeutung. Ohne diese Auffanglösung wären die Standorte ins Bodenlosegefallen, weil der Konkurs mangels Masse in einen masselosen Konkursgemündet wäre und damit der sofortigen Entlassung aller Beschäftigtenohne Sozialplan gefolgt wäre. Ohne Beschäftigungs- und Qualifizierungs-gesellschaft hätte die nötige Zeit gefehlt, für die verschiedenen StandorteWeiterführungskonzepte zu entwickeln. Die Beteiligten haben mit derraschen Umsetzung der arbeitsmarkpolitischen Auffanglinie wesentlichdafür gesorgt, dass einige der betroffenen Regionen nur mit „einem blauenAuge“ aus der Krise gekommen sind, weil die unmittelbarste Gefahr für diesoziale Existenz abgewendet werden konnte.

Für alle Standorte konnte eine Weiterführungslösung erreicht werden. Daswar die Arbeit der jeweiligen lokalen Netzwerke. Im Bremer Netzwerk ginges um die drei Werften und STN Atlas Elektronik. Von den vier Standortenüberlebte die Vulkan-Werft in Bremen-Vegesack das Desaster nicht. Sowurde die Werft am 15. August 1997 geschlossen. In der Folge ging es derIG Metall Bremen darum, eine Industriebrache zu verhindern und denwirtschaftlichen Niedergang von Bremen-Nord. Es gelang durch die Koope-ration des Netzwerkes, eine Revitalisierungsstrategie zu entwickeln undumzusetzen. Eine Projektentwicklungsgesellschaft wurde gegründet, wel-che die Neuorganisation und die Bewirtschaftung des Geländes aufnahm. ImErgebnis davon sind heute nach dem Verlust von 2.000 Arbeitsplätzenwieder 1.250 Menschen auf dem Gelände in 44 kleinen Unternehmen tätig.Die meisten „Vulkanesen“ haben wieder Arbeit gefunden oder sind in denVorruhestand gegangen. Bremen-Nord blieb das Schicksal des wirtschaftli-chen Niedergangs erspart.

6.2 Phasen und Resultate des Hersteller-Zulieferer-Netzwerkes

Das Hersteller-Zulieferer-Netzwerk ging vom wissenschaftlichen Projektder TU Hamburg-Harburg aus. Das kann als die erste Phase bezeichnetwerden, in der im Daimler-Benz Werk Bremen und seinen Just-in-Time-Zulieferern in und um Bremen die Kooperationserfahrungen und ihreOptimierungsmöglichkeiten untersucht wurden.

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Darauf folgte die zweite Phase, in der die Kooperation mit der Wirtschafts-förderungsgesellschaft in Bremen begonnen wurde, um auf der Grundlagedes neuen Kooperationsmodells weitere Ansiedlungen zu ermöglichen.Diese Phase wurde im wesentlichen durch Workshops mit den Akteuren undInteressenten gestaltet.

Es lässt sich nur noch eine dritte Phase identifizieren, in der Ergebnisse inräumlich kleinerem Rahmen umgesetzt wurden, nämlich nur auf Bremenbeschränkt. Dort siedelten sich in Folge der Aktivitäten des Netzwerkes zweiweitere Zulieferer für das DaimlerChrysler-Werk Bremen an.

Das parallele Netzwerk der IG Metall war in Ermangelung ausreichenderUnterstützung erfolglos. Es konnte lediglich durch eine Person konstruktivan dem Projekt mitarbeiten. Die Aktivitäten spielten weder in der Politik desBetriebsrates des DaimlerChrysler-Werkes in Bremen noch im Bezirk eineRolle. Ein Kooperationsseminar im April 1996 brachte zwar wichtige Strategie-ansätze, die aber betrieblich nicht verfolgt wurden. Zwar war das Interesseder Betriebsräte in den Zulieferbetrieben an einer koordinierten Vorgehens-weise und am Informationsaustausch groß, es erstarb aber am Desinteressedes Betriebsrates des Hersteller-Werkes in Bremen.

7 Schlussfolgerungen

Beide Netzwerke haben nicht das Optimum erreicht, aber mehr, als mit demHandeln eines einzelnen Akteurs erreicht worden wäre. Sie waren erfolg-reich für das Lernen und Handeln ihrer Akteure. Wenn ich meine persönli-chen Schlussfolgerungen ziehe, dann wäre die wichtigste, dass Netzwerkeohne gemeinsame Visionen und Werte nicht zustande kommen. Es war imFall des Bremer Vulkans nicht einfach, Visionen zu fordern, weil dem allzuvisionären Friedrich Hennemann Realitätsverlust zugeschrieben wurde undder Kurs von Visionen nicht gerade hoch stand. Doch in diesem Fall habe ichan das hanseatische Selbstverständnis und die damit verbundenen Tugen-den appelliert. Die Hanse war letztlich selbst ein frühes Netzwerk, bei demohne Telekommunikation Waren mit hohen Werten über gefährliche Rou-ten und lange Zeiträume ausgetauscht wurden auf der Grundlage vonVerträgen, die im Vertrauen und zu gegenseitigem Nutzen abgeschlossenwurden. In beiden Fällen wurden die Netzwerke zwar auch vom handfestenNutzen für die jeweiligen Akteure getragen, aber das Verbindende war dieVerantwortung für die Region und die Menschen, die es wahrzunehmengalt. Jedenfalls habe ich es so gesehen, mag es mancher auch vielleicht nichtso ernst genommen haben.

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Literatur

Coelho, Paulo: Handbuch des Kriegers des Lichtes. Diogenes, Zürich 2001(empfehlenswert für Krisenmanagement in Netzwerken)

Endres, Egon/Theo Wehner (Hrsg.): Zwischenbetriebliche Kooperation –Die Gestaltung von Lieferbeziehungen. Belz-Verlag Weinheim, 1996)

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SCHULE und WIRTSCHAFTgemeinsam erfolgreicher

Anette Morhard / Elke Seidler

Durch die Globalisierung der Wirtschaft und das Vordringen der Informa-tionstechnologien in alle Bereiche unseres Lebens sind Kenntnisse zurWirtschafts- und Arbeitswelt unabdingbar. Sozial-ökonomisches und tech-nisches Wissen helfen beim Begreifen der Zusammenhänge und solltendaher noch stärker Bestandteil des täglichen Schulunterrichts sein. Schülerin-nen und Schüler müssen in der Lage sein, eine klare Berufsperspektive zuentwickeln und ihre Chancen auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt zuerkennen und für sich zu nutzen.

Seit fast fünfzig Jahren ist dies Anliegen von SCHULE WIRTSCHAFT. Mit demgegenseitigen Informations- und Erfahrungsaustausch wird der lebendigeDialog zwischen Bildungs- und Wirtschaftssystem gefordert und intensiviert.Die freiwillige Zusammenarbeit von Pädagogen, Schulleitern und Schulamts-leitern mit regionalen Betrieben und Wirtschaftsorganisationen sowie ver-schiedenen Ausbildungs- und Arbeitsmarktakteuren passiert in Form einesNetzwerkes. Schule kann durch praxisnahe Einblicke in die Wirtschaftsweltden Schülerinnen und Schülern eine realitätsnahe Berufsorientierung ver-mitteln. Wirtschaftsvertreter lernen im Austausch mit Lehrerinnen undLehrern, Schülerinnen und Schülern Qualifikationen und Kompetenzen vonSchulabgängern einzelner Schularten kennen, wissen um eingesetzte Me-thoden und Inhalte des Schulunterrichts. Die Schülerinnen und Schülerfinden durch Betriebserkundungen oder Unternehmenspraktika Zugang zurArbeits- und Unternehmenswirklichkeit und damit zu komplexen wirtschaft-lichen und technischen Abläufen. Schule lernt Wirtschaft und Wirtschaftlernt Schule besser kennen und verstehen.

1 Das Netzwerk SCHULE WIRTSCHAFT

Das Netzwerk SCHULE WIRTSCHAFT besteht bundesweit aus ca. 450regionalen Arbeitskreisen. Seit 1965 wird die Arbeit auf Bundesebene durchdie Bundesarbeitsgemeinschaft SCHULE WIRTSCHAFT vertreten, deren

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Geschäftsführung seit 1976 gemeinsam vom Institut der Deutschen Wirt-schaft (IW) und der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände(BDA) wahrgenommen wird.

SCHULE WIRTSCHAFT ist eine freiwillige Kooperation in Form eines Netz-werkes – mit langer Tradition. SCHULE WIRTSCHAFT1

initiiert und gestaltet den Dialog und die Kooperation zwischen Schulenund Wirtschaft;

fördert die ökonomische und technische Bildung;

ermöglicht den Lehrern und Schülern, Kenntnisse über die Wirtschafts-und Arbeitswelt zu erhalten und zu vertiefen;

vermittelt Unternehmen den Einblick in Auftrag, Methoden und Möglich-keiten der Schulen;

hilft, das Wirtschafts-, Beschäftigungs- und Sozialsystem in seinen Grund-lagen zu verstehen.

und das seit fast 50 Jahren.

1 Vgl. website der Bundesarbeitsgemeinschaft SCHULE WIRTSCHAFT: www.schule-wirtschaft.de

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In den Bundesländern wurden jeweils Landesarbeitsgemeinschaften/Studien-kreise als Koordinierungs- und Kontaktstelle für die regionalen ArbeitskreiseSCHULE WIRTSCHAFT gebildet, die bei den Landesarbeitgeberverbändenbzw. den Bildungswerken der Wirtschaft ansässig sind. Auch hier ist derVorsitz paritätisch, sowohl schul- als auch wirtschaftsseitig besetzt.

Diese Gremien bieten die Gelegenheit zum Erfahrungsaustausch, gebenneue Impulse für die inhaltliche Arbeit. In Arbeitsgruppen werden wirtschafts-pädagogische Fragen behandelt, Publikationen und Handreichungen erar-beitet.

Die Landesarbeitsgemeinschaft hält den Kontakt zum jeweiligen Kultusmi-nisterium und zu Verbänden, Institutionen, Gremien auf Landesebene.2

2 Regionale Arbeitskreise SCHULE WIRTSCHAFT inThüringen

Die konkrete Durchführung der Zusammenarbeit von Schule und Wirtschaftpassiert auf regionaler Ebene (Landkreis, kreisfreie Städte) in den Arbeits-kreisen SCHULE WIRTSCHAFT. Die Arbeitskreise setzen sich paritätisch ausdem Vorstandsvorsitzenden schulseitig (Schulamt, Schulleitung, Pädagoge)und wirtschaftsseitig (Geschäftsführer, Personalleiter, Mitarbeiter) sowieeinem Geschäftsführer zusammen. Weitere Mitwirkende im Arbeitskreissind Vertreter aus Schulen, Arbeitsämtern, Gewerkschaften, Kammern,Verbänden, Schulverwaltung, Elternvertretern und weitere Akteure. DieArbeit basiert ausschließlich auf ehrenamtlichem Engagement. NotwendigeSachmittel werden von den Akteuren eingebracht oder durch Sponsorenrealisiert. Das Thüringer Kultusministerium erklärt die SCHULE WIRTSCHAFTArbeit als „Chefsache“. Erster Ansprechpartner für die Wirtschaft ist daherder Schulamtsleiter.

Aktivitäten und Projekte der regionalen Arbeitskreise werden als Fortbil-dung anerkannt. Trotz dieser förderlichen Rahmenbedingungen stehen undfallen die initiierten und erfolgreich durchgeführten Projekte der Arbeits-kreise mit dem Engagement jedes einzelnen Mitgliedes.

2 Zitat Hrsg. Thüringer Institut für Lehrerfortbildung, Lehrplanentwicklung und Medien, HeftImpulse Nr. 19, 6 Jahre SCHULE WIRTSCHAFT in Thüringen, S. 8

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„Durch die steten Kontakte vor Ort kann zum Abbau von Informations-defiziten beigetragen werden. Diese Interaktion auf regionaler Ebeneschafft gute Bedingungen für die Organisation unterschiedlicher Aktivitä-ten. Hier werden z.B. Betriebserkundungen vorbereitet und durchgeführtoder die Betriebspraktika der Schüler begleitet und deren Vorbereitung undAuswertung unterstützt. Auch Seminare zur Fortbildung der Lehrerinnenund Lehrer zur Vorbereitung und Vertiefung des wirtschafts-kundlichenUnterrichts werden angeboten. Die Organisationsform der Arbeitskreisekann regional recht unterschiedlich sein.“3

3 Landesarbeitsgemeinschaft SCHULE WIRTSCHAFTThüringen

Die 1991 auf Landesebene gegründete Landesarbeitsgemeinschaft SCHU-LE WIRTSCHAFT koordiniert, befördert und berät die regionalen Arbeits-kreise. Initiiert wurde die Landesarbeitsgemeinschaft von den ThüringerArbeitgeber- und Wirtschaftsverbänden. Jeweils im Frühjahr und im Herbsteines jeden Jahres finden für und mit den regionalen Arbeitskreisen Tagun-gen zum Zwecke des Informations- und Erfahrungsaustausches statt. DieLAG nimmt SCHULE WIRTSCHAFT- Aufgaben auf Landesebene wahr. Zielist es, gegenüber dem Thüringer Kultusministerium und dem ThüringerInstitut für Lehrerfortbildung, Lehrplanentwicklung und Medien (ThILLM)bildungspolitische Positionen der Landesarbeitsgemeinschaft und der Wirt-schaft anzusprechen und gemeinsam an deren Umsetzung zu arbeiten. DieLandesarbeitsgemeinschaft SCHULE WIRTSCHAFT Thüringen versteht sichals Plattform für Diskussionen, wie z.B. das Thema „Anforderungen derWirtschaft an Schulabgänger“. Sie will den Dialog zwischen Ausbildern,Personalleitern, Unternehmern, Führungskräften, Betriebsräten und Arbeit-nehmern auf der Wirtschaftsseite und Lehrern, Schulleitern, Schulaufsicht,Schülern und Eltern auf der Schulseite fördern.

Damit werden insbesondere folgende Ziele angestrebt:4

Bei den Schulen ein besseres Verständnis und eine vorurteilsfreie Einstel-lung zur Wirtschafts- und Arbeitswelt zu erreichen;

3 siehe ebenda, S. 94 siehe ebenda, S. 24

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bei den Unternehmen ein besseres Verständnis für den Bildungs- undErziehungsauftrag der Schule sowie ihre Belange und Probleme zubewirken;

bei den Schülerinnen und Schülern ein realistisches Urteilsvermögen überArbeitsplatzbedingungen und Qualitätsanforderungen der Betriebe zuentwickeln und das Interesse und die Fähigkeit der Jugendlichen FürBerufsorientierung und Berufswelt zu fördern.

Wichtige Kooperationspartner in diesem Kontext sind das Thüringer Kultus-ministerium und das Thüringer Institut für Lehrerfortbildung, Lehrplan-entwicklung und Medien. Seit vielen Jahren basiert die Zusammenarbeit aufVertrauen, gegenseitiger Unterstützung und auf der Umsetzung gemein-sam entwickelter Projekte, wie z.B. dem Thüringer Projekt „Berufswahl-entscheidung als Bestandteil des Lebenskonzeptes“. Über dieses Koopera-tionsprojekt hinaus initiiert und führt die Landesarbeitsgemeinschaft SCHU-LE WIRTSCHAFT Thüringen weitere innovative und interessante Projektethüringenweit durch. Hierzu gehören die Gründungen von Schülerfirmensowie die Beteiligung am Thüringer Schülerfirmenwettbewerb sowie derAufbau und die Durchführung des Projektes „Betriebliche Informations-praktika für Pädagogen an allgemein bildenden Schulen“ (siehe auchGeschäftsbericht 2000/2001).

4 Kooperationsprojekt „Berufswahlentscheidung alsBestandteil des Lebenskonzeptes“

Das Thüringer Projekt „Berufswahlentscheidung als Bestandteil des Lebens-konzeptes“ ist Teil der Initiative „Schule-Wirtschaft/Arbeitsleben“ des Bundes-ministeriums für Bildung und Forschung. Das gemeinsam von der Landes-arbeitsgemeinschaft SCHULE WIRTSCHAFT, dem Thüringer Kultusministe-rium und dem ThILLM durchzuführende Projekt hat zum Ziel, den Übergangvon Schülerinnen und Schülern von der Schule in den Beruf zu erleichtern.Erreicht wird dies durch Verbesserung des Berufswahlverhaltens und derArbeits- und Berufsfähigkeit sowie durch Unterstützung der Schüler bei ihrerEntscheidungsfindung und Entscheidungsumsetzung. Im Vordergrund stehtdas Erlernen einer Berufswahlkompetenz (Lern-, Sach-, Methoden, Sozial-und Selbstkompetenz) durch intensive Auseinandersetzung mit den Anfor-derungen der Arbeits- und Berufswelt “vor Ort”, d.h. in den Betrieben.

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Um die Berufswahlentscheidung von Jugendlichen zu unterstützen, aberauch um mehr Wissen über die Arbeits- und Berufswelt zu erlangen, werdenfolgende Module an Thüringer Regelschulen durchgeführt:

Modul 1: (Info-)Plattform online, Infobörse,

Modul 2: Berufswahl leicht gemacht (durch einAssessmencenterverfahren),

Modul 3: Berufswahl entsprechend der Wirtschaftsstruktur,

Modul 4: Typisch Mädchen.

Mehr Informationen zu diesem und zu weiteren Projekten der Landes-arbeitsgemeinschaft finden Sie auf der Webseitewww.schule-wirtschaft-thueringen.de

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Das Projekt „Netzwerk für SozialeUnternehmen und Stadtteilökonomie“ NEST

Karl Birkhölzer

1 Einführung

Das Netzwerk für Soziale Unternehmen und Stadtteilökonomie (NEST)ist ein Verbund von Stadtteilinitiativen, Netzwerken, gewerkschaftlichenOrganisationen, Beschäftigungsgesellschaften sowie Bildungs- und For-schungseinrichtungen. Die Partner haben sich zusammengeschlossen, umdie Umsetzung von innovativen, beschäftigungswirksamen Projektideenauf der Stadtteilebene zu befördern, insbesondere durch den Aufbau einerBerliner Entwicklungsagentur für Soziale Unternehmen und Stadtteil-ökonomie (BEST).

Hintergrund ist die Erfahrung der Partner des Netzwerks, dass eine Vielzahlerfolgversprechender Projektideen nicht zur Umsetzung gelangt, weil

• zum einen die zur Verfügung stehenden Fördermöglichkeiten quantitativwie qualitativ unzureichend sind und

• zum anderen die Rahmenbedingungen der i.d.R. lokal oder sozial be-grenzten Märkte für solche Projekte eine Realisierung im Rahmen tradi-tioneller Unternehmensstrukturen nicht zulassen.

Darüber hinaus mangelt es an der Koordinierung, der Erfahrungs- undWissensvermittlung zwischen den politischen Instanzen und den lokalenAkteuren sowie zwischen den lokalen Akteuren untereinander.

Hier bietet der Ansatz „Soziale Unternehmen“ – wie erfolgreiche Beispie-le insbesondere aus dem europäischen Ausland belegen – eine innovativeLösung. Die Gründung Sozialer Unternehmen ist überall dort angezeigt, woPrivatunternehmen und öffentlicher Sektor nicht allein in der Lage sind,Beschäftigung und soziale Stadtentwicklung zu gewährleisten, insbesonderein den von der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung benachteiligtenQuartieren. Dass dies möglich ist, haben die im Rahmen des Innovations-forums vorgestellten Initiativen eindrucksvoll belegt. Dies gilt sowohl für

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soziale Kooperativen in Italien wie für Stadtteilunternehmen in denNiederlanden und nicht zuletzt auch für gemeinwesen-orientierte Sozia-le Unternehmen in Deutschland.

NEST entstand zunächst als informelles Netzwerk. Durch die Initiative desBundesministeriums für Bildung und Forschung “Interregionale Allianzen fürdie Märkte von morgen” konnte im Rahmen des Innovationsforums zumeinen die Konsolidierung des Netzwerkes mit einer gemeinsamen professi-onellen Öffentlichkeitsarbeit erreicht und zum anderen ein umsetzungs-reifes Konzept für eine entsprechende Berliner Entwicklungsagentur erar-beitet werden.

Um neue Erkenntnisse für das Innovationsfeld innerhalb, aber vor allenDingen auch außerhalb des Netzwerkes zu gewinnen, haben wir Expertenaus den Niederlanden, Italien und Deutschland nach Berlin eingeladen, umErfahrungen über den Aufbau, das Management und die Finanzierung vonSozialen Unternehmen auszutauschen.

Gleichzeitig wurden innerhalb wie außerhalb des Netzwerks innovativeProjektideen, die nicht zur Umsetzung gelangt sind, ermittelt und nachfolgenden Kriterien ausgewählt:

• Gebietsbezogenheit

• Grad des Entwicklungsbedarfs

• Erfolgsaussichten/Nachhaltigkeit

• Beschäftigungspotential und

• Eignung für den Aufbau eines Sozialen Unternehmens bzw. Stadtteil-betriebs.

Die Auswahl der Projektideen war nicht immer leicht, da die Projektträgernicht ganz zu unrecht befürchteten, dass ihre Ideen abgeschöpft oder gar„geklaut“ werden könnten. Um so mehr ist es anzuerkennen, dass demInnovationsforum 15 Projektideen zur Bearbeitung zur Verfügung gestelltwurden, wovon drei als Fallbeispiele ausgewählt wurden.

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Anhand der ausgewählten Projektideen wird im folgenden beispielhaftaufgezeigt, wie eine künftige Entwicklungsagentur durch

• Beratung

• Begleitung

• Qualifizierung

• Projektentwicklung

und insbesondere durch

• die Bündelung von Ressourcen und

• hierdurch erzielte Synergieeffekte

den Aufbau Sozialer Unternehmen realisieren kann.

Die Fallstudien gliedern sich methodisch in drei Arbeitsschritte:

• Potentialanalyse, d.h. mögliche positive Effekte für Beschäftigung undStadtteilentwicklung

• Engpassanalyse, d.h. bestehende Hemmnisse und erforderlicherEntwicklungsbedarf

• Handlungsempfehlungen zur Umsetzung der Projektidee in einem Sozi-alen Unternehmen.

Künftige Aufgabe von NEST wird es sein, das bestehende Netzwerk zuerweitern und das entwickelte Konzept umzusetzen. Dazu wäre als nächs-ter Schritt eine Modell- bzw. Erprobungsphase einzuleiten.

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2 Soziale Unternehmen und Stadtteilökonomie –eine Innovation für Gebiete mitbesonderem Entwicklungsbedarf

Bereits vor fünf Jahren erschien eine Studie der Europäischen Kommission,in der neue Wege der Beschäftigungsförderung aufgezeigt wurden. Anhandvon Best-Practice-Beispielen aus ganz Europa wurde nachgewiesen, dassvor allem lokale Entwicklungs- und Beschäftigungsinitiativen in der Lagesind, Arbeitslosen und/oder sozial Benachteiligten im Bereich der SozialenÖkonomie eine Existenz zu schaffen (Europäische Kommission, SEK [96]2061:Erster Bericht über lokale Entwicklungs- und Beschäftigungsinitiativen,1996, S. 8). Seit Anfang der 80er Jahre findet diese Entwicklung europaweitin einer Vielzahl von Neugründungen Sozialer Unternehmen ihren Nieder-schlag (Technologie-Netzwerk Berlin e.V. (Hrsg.): ÖkonomischeGemeinwesenentwicklung und Soziale Unternehmen, 2. Aufl. Berlin 2001).

Der innovative Charakter dieser Entwicklungen wird im folgenden in dreiThesen vorgestellt:

2.1 Die Märkte von morgen befinden sich in der Nähe

Mit dem Programm „Interregionale Allianzen für die Märkte von morgen“wird unter anderem die Frage aufgeworfen, wo sich diese Märkte befinden.

Die Wirtschaft in der Bundesrepublik Deutschland ist weitgehend export-orientiert und damit abhängig von einer Weltkonjunktur, die sich unmittelbarpositiv wie negativ auf die wirtschaftliche Lage und die Beschäftigungauswirkt. Aber selbst bei wirtschaftlichem Wachstum bieten die Export-märkte keineswegs für alle ausreichende Arbeits- und Einkommens-möglichkeiten, weshalb die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung immerwieder an bestimmten Quartieren und ihren Bewohnern vorbeigeht. Dasbedeutet, dass sich zum Beispiel in bestimmten Quartieren der Stadt BerlinArmut und Arbeitslosigkeit (bis zu 35%) konzentrieren, während gleichzeitigsowohl der Bedarf an sozialen bzw. sozial nützlichen Dienstleistungen steigt,und viele Bedürfnisse aufgrund mangelnder Kaufkraft bzw. mangelndenZugangs zu Ressourcen unversorgt bleiben.

Deshalb wird im Bereich der personenbezogenen und gemeinwesen-orientierten Dienstleistungen auf der lokalen bzw. Stadtteilebene ein erheb-

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liches Potential an zusätzlicher Beschäftigung prognostiziert. In der genann-ten EU-Studie werden insgesamt 19 Wachstumsfelder aufgezeigt, die sichaus unserer Sicht wie folgt zusammenfassen lassen:

· die Versorgung der Grundbedürfnisse wie Ernährung und Wohnen,· kleinräumige technische Systeme in den Bereichen Energie, Verkehr,

Ver- und Entsorgung,· gemeindenahe Dienstleistungen in sozialer und produktiver Hinsicht,· die Förderung der lokalen Kultur,· die Naherholung und Freizeitgestaltung,· Umweltreparatur und Umweltprävention,· und nicht zuletzt die kommunale Infrastruktur.

2.2 Wertschöpfung durch die Entwicklung vonAngebot und Nachfrage in der lokalen Ökonomie

Ein wirksamer Abbau von Arbeitslosigkeit setzt eine Erweiterung desArbeitsmarkts voraus, d.h. eine Entwicklung zusätzlicher Arbeitsplätze, dienicht an anderer Stelle wieder verloren gehen. Eine Erweiterung desArbeitsmarktes verlangt notwendiger Weise eine Erweiterung der Produk-tions- und Dienstleistungsmärkte. Lokaler Arbeitsmarkt und lokale Waren-und Dienstleistungsmärkte treffen aber nicht automatisch aufeinander. Diezu erschließenden Märkte haben im Gegenteil ein wesentliches Handicap:

• auf der Nachfrageseite besteht ein Mangel an Kaufkraft und

• auf der Angebotsseite ein Mangel an Eigenkapital und Zugang zuRessourcen.

Zur Erschließung dieser Märkte sind deshalb Innovationen aufunternehmerischer Ebene erforderlich: Da der Versuch klassischer privaterUnternehmensgründungen in der Regel an der mangelnden Kaufkraft und/oder mangelnden Profitaussichten scheitert, während für die Versorgungmit ausschließlich staatlichen Mitteln die Knappheit öffentlicher FinanzenGrenzen setzt, kann nur eine Kombination aus privater unternehmerischerInitiative und öffentlicher Investition aus der Sackgasse herausführen. ImKonzept der Sozialen Unternehmung werden diese Anforderungen erfüllt:

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• Soziale Unternehmen versuchen, spezifische soziale Ziele durchökonomische Betätigung zu realisieren.

• Es sind “not-for-profit”-Organisationen in dem Sinne, dass alleerwirtschafteten Überschüsse entweder in ökonomische Aktivitä-ten des Unternehmens investiert oder in anderer Weise so genutztwerden, dass sie den gesetzten sozialen Zielen des Unternehmensdienen.

• Ihre Strukturen sind so angelegt, dass das gesamte Vermögen undder akkumulierte Reichtum des Unternehmens nicht Privatperso-nen gehören, sondern dass sie treuhänderisch zum Wohl derjeni-gen Personen oder Gebiete verwaltet werden, welche als Nutz-nießer der Sozialen Unternehmen bestimmt worden sind.

• Ihre Organisationsstrukturen zielen auf gleiche Rechte für alle undermutigen alle Beteiligten, auf kooperativer Basis zu arbeiten. Einweiteres Kennzeichen des Sektors der Sozialen Unternehmen ist,dass er die wechselseitige Kooperation zwischen Sozialen Un-ternehmen und anderen Organisationen der Sozialen Ökonomieund lokalen Ökonomie fördert.

Soziale Unternehmen unterscheiden sich von anderen durch die Art undWeise des Wirtschaftens, insbesondere durch ihre Not-for-Profit-Orien-tierung, die eine private Gewinnaneignung (und damit bestimmte Mitnahme-effekte) weitgehend verhindert. Für den wirtschaftlichen Erfolg konstitutivist vielmehr ein spezifischer Finanzierungsmix aus

• Einnahmen aus wirtschaftlicher Tätigkeit,

• öffentlichen Mitteln, soweit öffentliche Aufgaben übernommen werdenoder Aufgaben im öffentlichen Interesse liegen und, last not least,

• zusätzlicher Investition von Arbeitszeit (oder auch Geld) durch Dritte(Eigenarbeit von Betroffenen, Nachbarn, Bürgern, privaten Unterneh-men) auf der Basis eines in der Regel nicht-monetären Gegenseitigkeits-verhältnisses (Arbeitszeittausch, Ehrenamt, Investition in die Zukunft,soziale Dividende).

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Richtig angewandt trägt das Konzept zweifellos zur Entlastung der öffent-lichen Haushalte bei, gleichwohl ist vor der Illusion zu warnen, es seigleichsam “zum Nulltarif”, d.h. ohne jedes öffentliche Engagement zuhaben. Im Gegenteil beruht der Erfolg gerade auf einer geschickten Kombi-nation von öffentlichen und privaten Mitteln, die sich am sozialen Netto-nutzen orientiert. Bekanntermaßen ist die Finanzierung von Arbeit stattArbeitslosigkeit gesellschaftlich in etwa kostenneutral; sie erzeugt zudemneue Angebote und zusätzliche Nachfrage – damit also Multiplikator-effekte, die sich positiv auf die lokale Ökonomie auswirken.

2.3 Herstellung von Rahmenbedingungen für eineneue Unternehmenskultur

Die im Rahmen des Innovationsforums vorgestellten Beispiele aus Italien undden Niederlanden, aber auch die positiven Erfahrungen aus Belgien, Frank-reich, Großbritannien, Irland, Schweden und Spanien belegen eindeutig, inwelcher Weise der Erfolg in Gestalt von mehr Beschäftigung und sozialerIntegration von zwei externen Faktoren abhängig ist:

• der gesellschaftlichen und politischen Akzeptanz von sozialen Unterneh-men als vollgültige wirtschaftliche Organisationsform und legitimer Be-standteil unserer Wirtschaftsordnung (als Dritter Sektor oder DrittesSystem) und

• den rechtlichen und politischen Rahmenbedingungen sowie der Ausge-staltung einer spezifischen Förderlandschaft mit unterstützenden inter-mediären Strukturen (die den tradierten Wirtschaftsformen selbstver-ständlich zur Verfügung stehen).

Der Förderung der Akzeptanz dient die Entwicklung eigenständiger Rechts-formen (wie z.B. in Belgien und Italien) bzw. die Schaffung politisch verant-wortlicher Institutionen oder Abteilungen auf Minister- oder Senatsebene(wie z.B. in Belgien, Frankreich, Spanien).

Davon sind wir in Deutschland noch weit entfernt. Gleichwohl existiertbereits eine breite sozialökonomische Bewegung, die nicht zuletzt auch anältere, wenngleich oft verschüttete Traditionen der Genossenschafts- undSelbsthilfebewegung anknüpfen kann. Sie bewegt sich derzeit noch inverschiedenen Szenen oder Milieus und muss ein gemeinsames Selbstver-ständnis erst noch entwickeln. Andererseits ist der dringende Bedarf an

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Koordination, Vernetzung und unterstützenden intermediären Strukturen inden Veranstaltungen und Diskussionen des Innovationsforums immer wiederartikuliert worden.

3 Das Innovationsproblem: BrachliegendesEntwicklungspotential für Beschäftigung undStadtteilentwicklung

Ausgehend von der These, dass wir das Rad nicht neu erfinden müssen,sondern dass in den verschiedenen Initiativen, Organisationen und Einrich-tungen bereits genügend entwicklungsfähige und entwicklungswürdigeProjektideen vorhanden sind, haben wir fünfzehn Fallbeispiele ausgewählt,welche belegen:

Das Innovationsproblem liegt nicht im Mangel an Ideen, sondern im Mangelan geeigneter Entwicklungshilfe.

Dabei geht es im kleinen wie im großen nicht in erster Linie (aber auch) umsGeld, sondern um die gezielte Förderung brachliegenden Entwicklungs-potentials, d.h. um Hilfe zur Selbsthilfe durch die Übernahme speziellerEntwicklungsaufgaben, die von den Betroffenen fachlich oder finanziellnicht aus eigener Kraft bewältigt werden können.

Die Untersuchung der Projektideen hat ergeben, dass sich die Engpässe undentsprechend die Entwicklungsaufgaben in gewisser Weise wiederholenund auf einen Set von typischen Arbeitsaufgaben konzentrieren lassen:

• Mediations- und Mobilisierungsaufgaben;

• befristete Explorationsaufgaben fachspezifischer Art;

• Erstellung von Machbarkeitsstudien;

• Erstellung von Marketinganalysen und Business Plans;

• Entwicklung von Konzepten für eine soziale Unternehmensgründung;

• Beratung und Begleitung zu Aufbau, Struktur und BetriebswirtschaftSozialer Unternehmen;

• Entwicklung von Finanzierungskonzepten im Non-Profit-Bereich.

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4 Konzept einer Berliner Entwicklungsagentur fürSoziale Unternehmen und Stadtteilökonomie BEST

Die Ausgangslage Berlins ist bestimmt von wirtschaftlicher und sozialerUngleichentwicklung in beiden Stadthälften, die zur Herausbildung vonbenachteiligten Stadtteilen mit hoher Konzentration von Arbeitslosigkeit,Armut und sozialer Ausgrenzung führt.

Das Programm Soziale Stadt und die Einrichtung von Quartiersmanagementsträgt diesem Umstand Rechnung; es besteht jedoch erheblicher Bedarf anunternehmerischen Initiativen, die zugleich soziale Bedürfnisse erfüllen undeinkommenswirksame Arbeit schaffen. Durch Kooperation und Vernetzungvon sozialen Unternehmen untereinander und mit anderen lokalen Akteu-ren aus der privaten und öffentlichen Wirtschaft sollen schließlich dieGrundlagen für eine Rekonstruktion funktionierender Stadtteilökonomiengelegt werden.

Das Konzept “Entwicklungsagentur” ist Teil einer Strategie zur Erschließungneuer zusätzlicher Beschäftigungsfelder auf der lokalen und regionalenEbene im Sinne der europäischen Strategie „Acting Locally for Employment“.Auch in Berlin existieren in den jeweiligen Gebieten jene von der Europäi-schen Kommission identifizierten Wachstumsfelder für zusätzliche Beschäf-tigung (s.o.). Im Rahmen der Versorgung bislang unbefriedigter Bedürfnissekönnen zusätzliche sich selbst langfristig tragende Erwerbsarbeitsplätze imRahmen von sozialen Unternehmen geschaffen werden.

Derartige Aktivitäten entwickeln sich nicht naturwüchsig, sondern bedürfender Hege und Pflege durch intermediäre Einrichtungen, welche geeignetsind, das lokale soziale Kapital zu stärken und zu entfalten. Hierfür schlagenwir die Gründung einer Berliner Entwicklungsagentur für Soziale Unterneh-men und Stadtteilökonomie (BEST) vor.

Die Charakterisierung als “Agentur” soll zum Ausdruck bringen, dass dieLösungen in einem sozialen Prozess nicht von den Experten für, sondernvon bzw. mit den Betroffenen vor Ort, d.h. „bottom up“ erarbeitet werden.Das Projekt Entwicklungsagentur versteht sich dabei als Initiator, Moderatorund tatkräftiger Förderer dieses sozialen Prozesses mittels Wissenstransfer,Qualifizierung und Ressourcenvermittlung.

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Im Prozess Entwicklungsagentur kommt es folglich darauf an:

• die vorhandenen Potentiale zu ermitteln und zu mobilisieren,

• sie lokal und regional miteinander zu vernetzen,

• zur Zusammenarbeit an gemeinschaftlichen lokalen Entwicklungsprojektenanzuregen

• und die Gründung Sozialer Unternehmen bzw. Betriebsteile voranzu-treiben.

Dies soll im Rahmen des Netzwerkes NEST und mit Hilfe von lokalenPartnerschaften in den benachteiligten Gebieten geschehen.

Dabei soll die Zusammenarbeit vom Gedanken der Gegenseitigkeit ge-prägt sein, d.h. es soll nicht nur Gebende oder Nehmende geben, sonderndie Beteiligten werden sich abwechselnd in der Rolle des Lehrenden oderLernenden, des Experten oder des Klienten wiederfinden. Insbesondere dieTräger des Entwicklungsagenturprozesses sind nicht als die eigentlichenProblemlöser anzusehen; ihre Rolle ist eher die einer Vermittlungsagentur,welche den Raum bereitstellt und Ressourcen für Problemlösungen vermit-telt. Das bedeutet nicht zuletzt, dass die Leistungen des Entwicklungs-agenturprozesses i.d.R. nicht oder nur in untergeordnetem Maße gegenBezahlung erfolgen können und für alle zugänglich sein müssen.

Die Entwicklungsagentur versteht sich als nicht-staatliche Einrichtung zurErfüllung von Aufgaben im öffentlichen Interesse.

Ihr Leistungsprofil umfasst

• Erfassung von Problemen und Problemlagen;

• Bereitstellung eines Ideen- und Ressourcenpools;

• Übernahme von Mediationsaufgaben;

• Erstellen von Defizit- und Ressourcenanalysen, Machbarkeits- undMarketingstudien;

• Beratung und Qualifizierung bei der Entwicklung von Projektideen;

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• Organisation des Entwicklungsprozesses;

• Unterstützung bei der Umsetzung, insbesondere bei

• Gründung und Betrieb Sozialer Unternehmen.

Der Aufbau der Entwicklungsagentur erfolgt in einem Kooperations-verbund, der sich aus dem derzeit informellen Netz NEST heraus gründetund dem weitere Mitglieder aus Hochschulen, kommunalen Einrichtungen,Trägern von Bildungs- und Beschäftigungsprojekten, Stadtteil- undGemeinweseninitiativen u.a. beitreten sollen.

5 Partner von NEST

• Berufsfortbildungswerk Berlin/Brandenburg GmbH (bfw)

• Berliner Verband der Arbeitsförderungs- und Beschäftigungsgesell-schaften e.V. (BVAB)

• Deutscher Gewerkschaftsbund, Bezirk Berlin-Brandenburg (DGB)

• Kommunales Forum Prenzlauer Berg

• Kommunales Forum Wedding

• Technische Universität Berlin, Zentraleinrichtung Kooperation (ZEK)

• Technologie-Netzwerk Berlin e.V. (TechNet)

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NEST ist auf Erweiterung angelegt.

Zielgruppen sind:

Quartiersmanagements, lokale Beschäftigungsinitiativen, Arbeitsförder- undBeschäftigungsgesellschaften, Nachbarschafts- und Selbsthilfegruppen,Lokale-Agenda-Initiativen, lokale Foren, territoriale Pakte und Partner-schaften, soziale Projekte, Tauschringe, sozial orientierte Genossenschaf-ten, Handwerk und lokales Gewerbe, nicht zuletzt die Bürger selbst,insbesondere Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger.

(Dieser vorstehende Text ist ein Auszug aus der Dokumentation zumInnovationsforum für Soziale Unternehmen / Quartiersmanagement. Dervollständige Text ist zu beziehen über:Netzwerk für Soziale Unternehmen und Stadtteilökonomie NEST,Koordinierungsstelle c/o Technologie-Netzwerk Berlin e.V., Wiesenstraße29, 13357 Berlin, Tel.: 030/46 98 82 27 oder per E-Mail: [email protected])

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Nachbetrachtungen

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Netzwerke – Ein Essay

Reinhard Stransfeld

Netze begegnen uns in vielfältiger Gestalt. Spinnen weben ihre Netzezwischen Zweigen und in Kellerecken; Fischer knüpfen ihre Netze, um sie imSee auszuwerfen; Artisten spannen ein Netz in der Zirkuskuppel auf, umbeim riskanten Salto nicht alles zu riskieren. Das Stromnetz hat inzwischendas ganze Land durchwoben und gewährt den komfortablen Zugang zurEnergie. Netze sind Mittel, derer man sich bedient, um seine Zwecke zuverfolgen. Sie existieren und warten darauf, genutzt zu werden – Folien, aufdenen Akteure ihren erfolgreichen Auftritt haben.

Dies alles sind materielle Netzwerke, die man sehen und anfassen kann. IhreBesonderheit gegenüber anderen Gestaltungsformen liegt in der Mehrfach-verknüpfung jedes einzelnen Knoten. Das gibt dem Netz bei großer Durch-lässigkeit und Leichtigkeit gleichzeitig eine hohe Festigkeit und Elastizität.

In sozialen Zusammenhängen sprechen wir ebenfalls von Netzwerken: vomNetz der Familie, das dem Einzelnen Halt gibt und ihn gegebenenfallsauffängt, von Beziehungsnetzwerken unter Freunden oder Geschäftspart-nern, schließlich vom Netz der Mafia, das ominös und bedrohlich wie einKrake die Gesellschaften zu durchdringen scheint. Diese Netzwerke entzie-hen sich dem Sinneseindruck. Sie sind virtueller Natur. Erst wenn ihreMitglieder in einer abgestimmten Weise aktiv werden, kann der aufmerksa-me Außenstehende auf die Existenz eines Netzwerks schließen.

Gleich ihren materiellen Namensvettern sind soziale Netzwerke stabile undleistungsfähige Verknüpfungen. Wie kommen sie zustande, und was machtihren besonderen, wirksamen Zusammenhalt aus?

Soziale Netzwerke stellen eine spezifische Form eines Subsystems bzw.einer Organisation dar. Die ursprünglichste Form sozialen Zusammenhalts istdie Gruppe oder Horde. Deren Mitglieder sind, wie es der Soziologe DieterClaessens einmal formuliert hat1, einander „direkt motiviert“ zugewandt. Es

1 Dieter Claessens: Das Konkrete und das Abstrakte. Soziologische Skizzen zur Anthropologie.Suhrkamp, Frankfurt/M 1980, S. 179.

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bedarf keiner formalen Organisation und keiner vertraglichen Regulierun-gen, um koordiniert zu agieren (selbstverständlich aber Regeln und Rituale,die die Beziehungen immer wieder bestätigen). Die Größe der primärmotiviert agierenden Gruppe ist auf etwa 12 Mitglieder beschränkt. Hierliegt die übliche Grenze der „emotionalen Ausdehnungsfähigkeit“ desEinzelnen (S.179).

Das Charakteristikum eines Netzwerks liegt wie gesagt darin, dass jedereinzelne Knoten mit mehreren anderen Knoten verbunden ist, die wiederummit weiteren Knoten verbunden sind usw. Jeder Knoten ist also mehrfachangebunden. Die Beziehung zu Knoten außerhalb der unmittelbaren Umge-bung erfolgt vermittelt über andere Knoten. In Netzwerken gibt es alsodirekte und indirekte Beziehungen. Je größer ein Netzwerk ist, desto größerwird der Anteil der (latenten) indirekten Beziehungen. Latent deshalb, weiles Beziehungen geben kann, die nie aktiv werden, nichtsdestoweniger imBewusstsein der Beteiligten als Möglichkeit vorhanden sind.

In diesem Licht stellt die kleine Gruppe noch kein Netzwerk im eigentlichenSinne dar, denn jeder hat mit jedem eine direkte Beziehung. An ihr lässt sichjedoch ein weiterer Aspekt deutlich machen, der für soziale Netzwerkeebenfalls von konstitutiver Bedeutung ist. Jeder ist mit jedem nicht nur imHinblick auf ein „Thema“, sondern in vielfältigen Lebenserfordernissenverbunden. In der Urhorde geht man gemeinsam zur Jagd, fertigt gemein-sam oder tauscht Werkzeuge, verteidigt sich gemeinsam, teilt den Lebens-raum, nimmt gemeinsam die Sicherung des Nachwuchses wahr usw.

Dieses harmonische Bild wird in der Realität durch Rivalitäten undUnverträglichkeiten getrübt. Mit dem Einen kann man besser, mit demAnderen schlechter. Entscheidend ist jedoch das Bewusstsein aller Beteilig-ten, aufeinander angewiesen zu sein. Und aus der Erfahrung der Funktions-fähigkeit der Gruppe erwächst Vertrauen. Keiner der Beteiligten wird diesesVertrauen leichtfertig aufs Spiel setzen. Denn jeder weiß: Verschafft er sicheinen ungerechtfertigten Vorteil, kann ihn die Gruppe in anderen Lebens-und Handlungszusammenhängen „abstrafen“.

Wenn die kulturelle Entwicklung des Menschen nicht auf diesem Niveauverharrte, dann aus zwei Gründen: Die kleine Gruppe bleibt in ihrer Über-lebensfähigkeit relativ stark von Zufälligkeiten, etwa der Unversehrtheitihrer Mitglieder, abhängig. Zum anderen wissen wir um die Wirksamkeit derArbeitsteilung in größeren organisatorischen Zusammenhängen. GroßeGruppierungen haben sich als durchsetzungsfähiger erwiesen und die kleineGruppe als vorherrschende gesellschaftliche Strukturform überlagert.

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Nichtsdestoweniger gibt es auch in modernen Zeiten Formen der noch rechtpersönlichen Netzwerke. Man kennt sich aus geschäftlichen Verbindungen,teilt den Klub. Die Frauen spielen miteinander Bridge und gehen zumgleichen Frisör, und die Kinder singen zusammen im Chor. Schließlich treffensich alle in der Kirche. Damit wären wesentliche Klischees zur großbürgerlichenLebensweise aufgereiht.

Wenn Menschen nicht primär motiviert agieren, muss ein anderes Bindungs-prinzip wirken: Organisation. Organisationen unterscheiden sich von Grup-pen durch hierarchische Entscheidungsstrukturen, dass Handlungszusammen-hänge geregelt sind und dass sie über ausgewiesene Sanktionssysteme zurBehandlung von konformem und abweichendem Verhalten verfügen. Siesind in einem Wort „formal“. Ihre Vorteile liegen in der aufgaben- undzeitspezifischen Synchronisation von Handlungen, darüber hinaus in derErmöglichung von kritischen Massen, um aufwändige oder komplexe Aufga-ben zu bearbeiten.

Formale Organisationen haben im allgemeinen definierte Aufgaben, diestets nur einen Teilaspekt der menschlichen Handlungs- und Lebens-zusammenhänge abdecken. Die wechselseitigen Bezüge der Mitgliederentspringen nicht einer primären Motivation sondern sind zur Gewährleis-tung der Funktionsfähigkeit der Organisation angeordnet. Diese Beziehun-gen können durch informelle Beziehungen überlagert werden, etwa, wennMenschen lange zusammenarbeiten und dadurch sehr vertraut miteinandersind, oder wenn eine entsprechende Unternehmenskultur bewusst gepflegtwird. Letztlich wird aber stets die Unternehmensräson prioritär sein.

Die Beziehungen zwischen formalen Organisationen sind im wesentlichebenfalls formaler Natur, sind also durch Verträge oder andere Rechts-konstitute geregelt. Die Beziehungen zwischen Organisationen, beispiels-weise Unternehmen, sind zweckbezogen, oft monothematisch. Zuweilenschließt man sich zusammen, um einen gemeinsamen Vorteil wahrzuneh-men - man kooperiert. Kooperationen unterscheiden sich also von Netzwer-ken durch eine definierte, oft monothematische Zweckhaftigkeit. Sie kön-nen zeitlich befristet, aber auch ohne zeitliche Befristung sein und „schla-fen“ dann ein, wenn zumindest einer der Beteiligten keinen erkennbarenVorteil mehr aus der Kooperation ziehen kann.

Der vergleichsweise formale Charakter von Kooperationen bedingt klarevertragliche Regelungen. Bevor die Vorteile einer Kooperation von deneinzelnen Beteiligten wahrgenommen werden können, müssen sie also

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zunächst einmal Vorleistungen erbringen. Das geschieht gewöhnlich nurdann, wenn ein deutlicher Nutzen herausspringt, der anders nicht zuerreichen ist. Selbst dann scheuen viele Einzelunternehmer Kooperationen.Sie befürchten, ob zurecht oder unberechtigt, ihre Unabhängigkeit einzubü-ßen, ausspioniert oder direkt finanziell übervorteilt zu werden.

Das gilt für Kooperationen zwischen nicht bekannten oder wenig miteinandervertrauten Partnern. Je größer das wechselseitige Vertrauen ist, destogeringer der Widerstand gegen und der Aufwand durch Kooperationen. Hierkommt der große Nutzen existierender Netzwerke ins Spiel. Sie stellen einezunächst virtuelle Struktur dar, in der dieses Vertrauen besteht (und sinddamit gleichzeitig sehr real). Auf dieser Basis können dann mit geringemAufwand sehr rasch Kooperationen für ein spezifisches gemeinsames Zielzustande kommen.

Netzwerke sind also Strukturen, Kooperationen sind Aktionsformen, die imgünstigen Fall auf Netzwerken aufsetzen können. Wenn dies möglich ist,sind aus den genannten Gründen verschiedene Vorteile, etwa Kostenvor-teile zu erzielen.

Die Frage drängt sich auf, wie Netzwerke sich bilden bzw. gebildet werdenkönnen. Kristallisationselemente können beispielsweise räumliche Nähe,verwandtschaftliche Gegebenheiten oder die Zugehörigkeit zu einer be-stimmten Fachcommunity sein. Sie können absichtslos, durch Erfahrung undGewöhnung entstehen, dies in einer lang währenden Entwicklung. IhreExistenz ist den Mitgliedern ab einem bestimmten Reifegrad aber bewusst.

Das Netzwerk wird subjektiv als existent erlebt, wenn es den einzelnenjenseits rechtlicher oder vertraglicher Verpflichtungen auffängt bzw. dien-lich ist, gleichzeitig natürlich auch die Bereitschaft erzeugt – oder dasverpflichtende Gefühl vermittelt - gegebenenfalls selbst verfügbar zu sein.Hier wird eine besondere Stärke von Netzwerken sichtbar. Geben undNehmen erfolgen nicht in proportionaler gegenseitiger Inanspruchnahmewie etwa bei vertraglichen Beziehungen im Rahmen einer Kooperation.Vielmehr nützt man dem Einen, um gegebenenfalls später von einemAnderen Nutzen zu erfahren. Dadurch sind Netzwerke sehr flexibel reakti-onsfähig und können in unterschiedlichsten Kontexten wirksam werden.

Dies funktioniert um so besser, je größer ein Netzwerk ist. Je größer, destoanonymer ist es. Die Wirksamkeit muss dann über eine stark verinnerlichteHaltung aller Mitglieder, durch eine Netzwerkkultur gewährleistet werden,die sozusagen den „Kitt“ darstellt.

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Es versteht sich, dass derartige Netzwerke eine lange Reifezeit benötigen.Sind sie erst einmal existent, sind sie auch sehr stabil – in ihrem weiterenBestand von einzelnen Mitgliedern weitgehend unabhängig. Es scheidenbeispielsweise alterungsbedingt Mitglieder aus, neue treten hinzu. Letzteresind entweder in der generativen Nachfolge in die Netzwerkkultur hinein-sozialisiert, oder sie haben als Externe diese Kultur angenommen undnachgewiesen. Ab einer bestimmten Größe bedarf ein solches Netzwerkeiner gewissen „Pflege“. Bei sich verändernden oder instabilen Rahmen-bedingungen ist anderenfalls die Erosionsgefahr groß.

Netzwerke stehen sozialpsychologisch betrachtet also zwischen derGruppe mit ihren primär motivierten Beziehungen und der formal struk-turierten Organisation. Ihre Bindungskräfte entspringen dem Vertrauenund dessen Kehrseite, dem Eingebundensein in Verpflichtungen, sowohl aufeiner persönlicher Ebene als auch dem Empfinden und Erleben einer gemein-samen „Kultur“.

In der ökonomischen Sphäre weisen Porters Cluster Merkmale von Netz-werken auf2. Ob die Schuh- und Lederindustrie in Norditalien oder dieErnährungsindustrie in Dänemark – es handelt sich um gewachseneGeflechte, die speziell in Norditalien ihren Rückhalt in traditionellen Sozial-strukturen familiärer Kleinstbetriebe finden. Als flexibles Netzwerk habensie eine Leistungsfähigkeit herausgebildet, dank derer sie auf den Welt-märkten bestehen können. Andere Ansätze beruhen auf sogenanntenBarter-Konzepten, das sind Verrechnungssysteme auf der Basis des Tausch-handels im Rahmen eines Netzwerkes. Der „Wir-Ring“ in der Schweiz hat70.000 Mitglieder, 17% aller Schweizer Unternehmen, und schlägt jährlich3 Mrd. Schweizer Franken um. Das größte Bartersystem in Deutschland, derBCI in Berlin, hat 6000 Mitgliedsfirmen und bewegt ein Umsatzvolumen vonjährlich gut 50 Mill. Euro. Vor allem fiskalische Restriktionen stehen inDeutschland einer Ausweitung derartiger Konzepte entgegen. Dies ver-weist auf die Notwendigkeit günstiger Rahmenbedingungen für die Entste-hung und die Stabilisierung von Netzwerken.

In der aktuellen organisationsstrukturellen und förderpolitischen Diskussionsteht der Netzwerkbegriff oft in einer unscharfen Beziehung zur „Koopera-tion“. Die Begriffe werden in einer Weise verwendet, die sie gegenseitigaustauschbar erscheinen lassen.

2 Porter: Nationale Wettbewerbsvorteile. Droemer Knaur, München 1991

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Eine saubere Definition ist jedoch wichtig, weil anderenfalls mit missver-ständlichen Begriffen Ziele verkündet und Projekte initiiert werden, derenErfolgschancen von vornherein gemindert sind.

Wie bereits angedeutet, liegt ein wesentlicher Unterschied zwischen Netz-werk und Kooperation darin, dass das erstere gewachsen, die letzteregrundsätzlich aktuell initiiert ist. Kooperationen können allerdings auch eineDauerhaftigkeit erlangen. Sie werden sich dann gewöhnlich schleichend mitKulturelementen anreichern, die ihren Status dem Netzwerk annähern.

In schematischer Übersicht lassen sich die verschiedenen Organisations-formen folgendermaßen charakterisieren:

Tritt man mit diesem Verständnis an das heran, was gegenwärtig alsNetzwerkbildung und Netzwerkarbeit propagiert wird, kann man sich einesErstaunens ob des wuchernden Begriffsgebrauchs nicht verwehren. Aus derHüfte geschossen: Mindestens 90 Prozent aller sogenannten Netzwerkeverdienen ihren Namen nicht. Man muss sich nur einmal folgendes Bild vorAugen halten: Auf der einen Seite das Entstehen von Netzwerken in einemlangen, stetigen, vertrauensbildenden Prozess, auf der anderen Seite derdramatische Strukturzusammenbruch in den neuen Bundesländern, in des-sen Strudel große Teile des Gewachsenen verschlungen wurden. Die(Wieder-)Herstellung von Vertrauen ist eine essentielle Herausforderung,vor der diese ganze Landschaft, wörtlich und im übertragenen Sinne, steht.

Was gewöhnlich als Netzwerk propagiert wird, ist im besten Fall Koopera-tion. Im besten Fall deshalb, weil auch gelingende Kooperation alles andereals unambitionös ist. Die Erfahrungen mit Kooperationsprojekten der letzten10 Jahre zeigen, dass diese oft mit naiven Vorstellungen in die Welt gesetztwurden, die persiflierend charakterisiert werden können als: „Nun koope-riert mal schön!“

Merkmale

OrganisationsformPräsenz Dauer Bindung

Netzwerk Latent Unbefristet Mehrfachbindungenin Beziehungen undThemen

Kooperation Akut Befristet/Unbefristet Im allgemeinen di-rekte Beziehungen/monothematisch

Projekt Akut Befristet direkte Beziehungen/monothematisch

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Kooperation als solche bringt für alle Beteiligten zunächst einmal Reibungs-verluste. Dies wird man nur hinnehmen, wenn der zu erlangende Vorteilrasch und deutlich erkennbar ist. Daran scheiterten bisher viele Kooperations-projekte: differierende Zeitvorstellungen in den Erfolgserwartungen, keineWin-Win-Situation im Hinblick auf alle Partner (möglicherweise überhauptkeine klare Vorteilschance für auch nur einen der Beteiligten) und die Sorgevor ungleichen Beanspruchungen bzw. unfairen Praktiken von Kooperations-partnern.

Dann, und nur dann, wenn für jeden einzelnen Partner ein nennenswerterund deutlicher Vorteil aus der Kooperation erlangt werden kann, der durchindividuelles Vorgehen nicht zu gewinnen ist, ist eine notwendige Bedingungfür Kooperation erfüllt – also eine Win-Win-Situation geschaffen. Dies mussbereits zum Start herausgearbeitet sein. Anderenfalls ist mit rasch abneh-mender Motivation einzelner Partner zu rechnen, und das Ganze wirdsinnlos.

Mit dem Netzwerkbegriff verbindet sich stärker eine Bestands- bzw. Struktur-vorstellung, mit dem Kooperationsbegriff eine Aktionsvorstellung. Das legtnahe, beide Begriffe nicht in einem Gegensatz, sondern durchaus komple-mentär zu betrachten. Es liegt auf der Hand, dass die Startwiderstände einerKooperation viel geringer sind, wenn diese auf der Basis eines bestehendenNetzwerkes initiiert wird.

Dies also sind die Vorzüge von Netzwerken: hohe Motivation der Beteiligtensowie geringe Startwiderstände und Reibungsverluste, ferner ein geringerKontrollaufwand wegen wirksamer Mechanismen der Selbstregulierung.Und nicht zuletzt werden aufgrund des gegebenen Vertrauens Dingemöglich, die sonst nicht angepackt würden.

Wenn heute der Netzwerkbegriff in der Förderszene in aller Munde ist, danndeshalb, weil man sich davon einen Heilerfolg verspricht, wo andere Mittelversagen: bei der Stärkung der regionalen Ökonomien. Angesichts der oftprekären Voraussetzungen in den neuen Bundesländern wird die Schieflagedeutlich. Man will Netzwerke dort knüpfen, wo heute die Voraussetzungenfür thematisch definierte Kooperationen oft genug unzureichend sind.Andererseits dürften gelungene Kooperationen im ökonomischen Bereichoft Ausgang einer sich allmählich vollziehenden Netzwerkbildung sein.

Können Netzwerke überhaupt gezielt stimuliert werden? Bei einer Verneinungmüsste man geduldig zwei oder drei Jahrzehnte warten, bis sich in den

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neuen Bundesländern genügend große Netzwerke gebildet haben. Diegegenwärtig mit diesem Begriff geflaggte Förderung wäre somit obsolet.

Es gibt allerdings ein Argument, das für eine aktive Politik in diesem Feldspricht. Das auf allen Gebieten hohe Innovationstempo lässt eine „natürli-che“ Netzwerkbildung, die ja in ein stabiles Milieu eingebettet sein muss, imGrunde kaum noch zu. Somit hat sich ein Druck aufgebaut, das, was sichvormals naturwüchsig herstellte, planvoll zu stimulieren und in seiner Reife-zeit abzukürzen – irgendwie.

Wie immer man es angeht – zwei Grundvoraussetzungen müssen erfülltsein, damit eine Netzwerkperspektive begründet werden kann. Erstensmuss eine Substanz, eine Win-Win-Situation, für gelingende Kooperationenvorhanden sein, möglichst auf der Basis von Wertschöpfungsbeziehungen.Anderenfalls öffnet man Subventionsfässer ohne Boden. Zweitens müssenauf der individuellen sowie institutionellen Ebene Mehrfachbindungen er-zeugt und gesichert werden. Anderenfalls bricht mit dem Auslaufen derFörderung alles wieder zusammen.

Damit ist zugleich ein Hinweis auf die Dauer des notwendigen Anschubsgegeben. Die herkömmlichen Projektstrukturen und Planungszeiträumesind völlig unzureichend. Ohne eine Art Institutionalisierung wird es nichtgehen. Diese wiederum darf nicht zum Selbstzweck geraten, sondern mussin engen Bezügen zu Wertschöpfungsprozessen angelegt sein.

Ob in diesem Lichte heutige Ansätze als angemessen angelegt oder gar alsausgereift gelten können, mag dahingestellt bleiben.

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Workshopergebnisse

Jürgen Howaldt / Rudolf Husemann / Anette Morhard /Jörg Hentrich / Dietrich Hoß

Am 24./25. Januar 2002 fand in Erfurt ein workshop zur Diskussion derDiskurs-Beiträge statt. Die mit großem Engagement geführte Debattediente nicht nur einer Vertiefung und Konfrontation der in den schriftlichenBeiträgen dargelegten Praxiserfahrungen und theoretischen Verallgemei-nerungen, sondern erzielte darüber hinaus einen zusätzlichen Erkenntnis-gewinn, der sich vor allem auf die Identifizierung unterschiedlicher Netzwerk-typen, ihre jeweiligen Charakteristika und Schnittstellen bezog. Darüberhinaus wurden Handlungsfelder identifiziert, die aus Sicht der Teilnehmervorrangig zu bearbeiten sind. Der folgende abschließende Beitrag unseresBandes fasst in knapper Form diese Überlegungen und Ergebnisse desworkshops zusammen. Er stützt sich auf Protokollnotizen von RudolfHusemann, Jürgen Howaldt und Anette Morhard, die sich freundlicherweiseals Protokollanten zur Verfügung gestellt hatten, und wurde von denModeratoren der Veranstaltung, Jörg Hentrich und Dietrich Hoß, redigiert.

1 Die gesellschaftlichen Kontext- undAusgangsbedingungen von Netzwerken

Der workshop begann mit einer Debatte zu der ersten im „call for papers“gestellten Frage, welches denn die gesellschaftspolitische Bedeutung vonNetzwerken heute sei, inwieweit „Netzwerke tendenziell als ‚Netzwerk-ökonomie’ verallgemeinerbar“ seien oder „begrenzte Konzepte für außer-gewöhnliche Konstellationen und Herausforderungen“ bleiben, die sich von„den vorherrschenden Austauschbeziehungen (Markt und Hierarchie)“abgrenzen.

Die Debatte wurde eingeleitet von Dietrich Hoss, der die Beiträge vonSemlinger und Priddat zum Ausgangspunkt seines Strukturierungsvorschlagesdes weiteren Gedankenaustausches nahm. In diesen Beiträgen wird über-einstimmend festgestellt, dass eine Konstitutionsbedingung von Netzwer-ken heute in der „Tendenzwende“ bezüglich der Erzeugung und Ausprä-

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gung von Wissen besteht. Seit der beginnenden Industrialisierung war diefortschreitende Ausdifferenzierung und Spezialisierung von ExpertenwissenGrundlage des Produktivitätsfortschrittes. Die von A. Smith festgestellteProduktivität der Arbeitsteilung bestimmte bis weit in die zweite Hälfte des20.Jhd. sowohl die Entwicklung von Wissenschaft und Technik allgemein, alsauch besonders die Organisation der „science-based-industries“ im Rahmendes auf die Spitze getriebenen tayloristisch-fordistischen Modells horizonta-ler und vertikaler Arbeitsteilung. Erst die Wende der Produktions- undKonkurrenzbedingungen auf dem Weltmarkt in den letzten Jahrzehnten,das Entstehen eines neuen „turbulenten“ Umfelds industrieller Produktionund Distribution, d.h. die neue Komplexität der Anforderungen an Diversifi-kation, Flexibilität und permanente Innovation, stellten dieses traditionelleModell der Wissenserzeugung und des Wissensmanagements in Frage.Verbunden mit der Transformation der produktionszentrierten, zentralisti-schen, großbetrieblichen Strukturen in Richtung dezentralisierter, kunden-orientierter Produktionseinheiten traten neue Anforderungen an Wissens-generierung und -verarbeitung in den Vordergrund: neben formalisiertemExpertenwissen erkannte man die Bedeutung informellen Erfahrungswissens,neben die Vermittlung professionellen Fachwissens trat die Einübung soge-nannter „Schlüsselqualifikationen“ wie soziale Kompetenzen ( Team- undKommunikationsfähigkeit) und kreative Kompetenzen ( wie z.B. Problem-lösungs- und Improvisationsfähigkeit).

Die Entwicklung und Anwendung derartiger Wissens- und Lernformenglaubte man einerseits gefördert durch eine neue Marktorientierung tradi-tioneller betrieblicher Strukturen, bezeichnet durch Schlüsselbegriffe wie„interner Kundenbezug“, „profit center“, „learning organization“, Struktu-ren, in denen im Prinzip alle Betriebsangehörigen unternehmerisch handeln,„intrapreneurs“ werden. Andererseits sah man diese neue Orientierunggewährleistet durch eine vielgestaltige Neukonstituierung formell unabhän-gig am Markt agierender Organisationseinheiten, eine Entwicklungstendenz,die mit Begriffen wie „outsourcing, virtuelle Organisation und neuer Selb-ständigkeit“ verbunden ist, hier werden alle wirtschaftlichen Akteure zu„extrapreneurs“, die der „Prosumtion“, d.h. der Verschmelzung von Pro-duktion und Kundeninteressen, dienen.

Zwischen den Polen des (reformierten) traditionellen Betriebes und dem derneuen dezentralen Einheiten – nach Williamson zwischen Hierarchie undMarkt – ist der Aufschwung neuer Netzwerkformen anzusiedeln. Diesekönnen produktions- und wertschöpfungszentriert sein, wie im Fall der inden achtziger Jahren (wieder)entdeckten „industrial districts“, regionalen

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Netzwerken beispielsweise in der Textilindustrie der Emiglia Romana oderder Automobil- und Maschinenbauindustrie Baden-Württembergs, aberauch vielfältige strategische Allianzen und Branchenverbünde (siehe indiesem Band beispielsweise die Typen 1 und 2 im Beitrag von Gärtner unddas Beispiel des Beitrags von Bieber/Rumpel). Da solche Strukturen zwischenKooperation und Wettbewerb angesiedelt sind, spricht man auch von„coopetition“ als neuem Regulationsprinzip. Netzwerke können jedochauch als lockerer, eher informeller Verbund strukturiert sein, um vorwett-bewerblich durch Verbesserung der allgemeinen institutionellen Infrastruk-tur – Ausbildungs- und Bildungseinrichtungen, soziale und kulturelle Einrich-tungen, Bürgerarbeit usw. – die Voraussetzungen für Wettbewerbsfähigkeitund marktrelevante Innovation zu verbessern. In diesem Fall wäre eher vonNetzwerken jenseits von traditionellen hierarchischen und Marktbeziehungenzu sprechen. Lassen sich mit Habermas die sozialen Beziehungen im hierar-chisch organisierten Betrieb in erster Linie als durch das Medium Machtvermittelt bestimmen, die Austauschformen zwischen den Wirtschafts-einheiten auf dem Markt durch das Medium Geld, so wäre die Regulations-form dieses letzteren Netzwerktypes (Typ 3 in der Definition von Gärtner)durch verständigungsorientiertes, „kommunikatives“ Handeln gekennzeich-net. Das Regulationsmedium wäre hier Vertrauen. Bei diesem Netzwerktypgehen soziales Engagement im Sinne von „überschüssigen“ Visionen undErwartungen sowie soziales Lernen ineinander über. Mit der Verständigungs-bereitschaft steigert sich die Verständigungsfähigkeit der im Netzwerkhandelnden „Kommunikatoren“ (Frevel). Vor allem hier wird das in jüngsterZeit vielbeschworene Sozialkapital erzeugt. Und es ließen sich hier eventuellAnsatzpunkte einer neuen emanzipatorischen Dimension von Netzwerkenausmachen, die darin bestehen könnte, dass bei den im Netzwerkbildungs-prozess Engagierten eine Ablösung von entfremdenden Markt- und Tausch-beziehungen zugunsten einer neuen Identifikation mit der Herstellunggesellschaftlich nützlicher Produkte und Dienstleistungen stattfindet. Einalternativer Begriff von „Netzwerkgesellschaft“ deutet sich hier an. Zusam-menfassend lässt sich folgendes Schema aufstellen (siehe Bild 1):

Ausgehend von diesem idealtypischen Denkmodell ergab sich eine breiteund lebhafte Diskussion, die sich in verschiedenen Aspekten bündeln lässt.Fragen der Definition dessen, was denn nun ein Netzwerk kennzeichnet,bildeten den Ausgangspunkt. Wenn wir unter Netzwerken im weiterenSinne Zweckbündnisse verstehen, dann bietet sich ein Blick in die Geschich-te an. Waren nicht schon die Hanse und die Gewerbehöfe des zünftischenHandwerks funktionierende Netzwerke mit einer hohen Organisations-qualität, langdauerndem Bestand und hohem Grad an Institutionalisierung?

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Sind Netzwerke also verlorengeglaubte Formen der Kooperation, die eswiederzuentdecken gilt? Überschätzen wir also die Aktualität des Netzwerk-gedankens? Jedenfalls tragen solche historischen Beispiele Züge von Allian-zen, Kartellen und Verbünden, sind daher in ihren Machtstrukturen mit einerTendenz zur Oligopolisierung zu erkennen. Ein Blick auf die Entstehungsge-schichte der gastgebenden Einrichtung (RKW) scheint die Funktion desNetzwerks als Zweckbündnis zu bestätigen, ging es doch in der Gründungs-phase darum, Wirtschaftsinteressen auf nationaler Ebene zu erkennen undzu bündeln gegenüber internationalen Wettbewerbern. Insofern könntenNetzwerke als verlorengegangene bzw. durch Hierarchie- und Markt-mechanismen in den Hintergrund gedrängte Formen der Kooperation ange-sehen werden, die einen neuen Aufschwung erfahren und die es in ihreraktuellen weitreichenden Bedeutung neu zu entdecken gilt.

Bild 1: Formen des Wissensaustauschs,Akteure und Regulierungsmedien

Da generelle, abstrakte Definitionen des Netzwerksbegriffs und allgemeineTypologisierungen eher problematisch erscheinen, bleibt die Möglichkeit derBestimmung über Erkennungsmerkmale. Solche lassen sich zahlreich be-nennen, sind jedenfalls aber ergänzungsbedürftig um eine Beobachtung derEntstehungs- und Entwicklungsprozesse von Netzwerken, die ihrerseits erstden Hintergrund abgeben für das Verständnis von Merkmalen. Hier wurde

Hierarchie Markt

Netzwerk

„intrapreneur“ „extrapreneur“

„Kommunikator“

„co-opetitor“

Macht Geld

Vertrauen

wertschöpfungsorientiertes Wissen

vor-wettbewerbliches Wissen

learning organizationErfahrungswissen

strategisches Wissen

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bemerkt, dass sich in der gegenwärtigen Praxis „Dualisierungen“ oder„Polarisierungen“ abzeichnen, wie etwa globale / regionale Netzwerke,Großbetriebs-Netzwerke / KMU-Netzwerke, Spezialisierungen / Generali-sierungen (in den Zielstellungen) usw. Die Probleme einer rein klassifika-torischen Definition waren damit deutlich aufgezeigt, und es stellte sich dieFrage, ob eine normative Bestimmung dessen, was ein Netzwerk ist,überhaupt möglich ist oder ob nicht vielmehr intentionale Aspekte heranzu-ziehen sind. Intention oder auch Funktion von Netzwerken könntebeispielsweise sein, als Antwort auf Krisen der Verarbeitung von Wissen inherkömmlichen Strukturen innovative Regulationsformen zu entwickeln.Dies wäre einer politischen Instrumentalisierung des Begriffs entgegenzu-halten. Als Beispiel wurde auf die Forschungsförderung verwiesen, die dieKooperation in Netzwerken als massives Selektions- bzw. Zugangskriteriumfür die Mittelvergabe eingeführt hat.

Im Hinblick auf das Regulationsprinzip Vertrauen wurde bemerkt, dass nochweitgehende Unklarheit über seine „empirische“ Bestimmbarkeit zu kon-statieren sei, was seine Handhabbarkeit im Vergleich zu den Regulations-prinzipien Markt und Hierarchie beeinflusst. Hier sei nochmals auf diekorrespondierenden Medien Geld und Macht Bezug genommen, die jeweilseine einfache graduelle oder strukturelle Bestimmbarkeit aufweisen. DieDifferenz von „intern“ und „extern“ erlaubte eine weitere Präzisierungdahingehend, dass einerseits von schwer durchschaubaren (internen) Kom-munikations- und Steuerungsprozessen auszugehen ist, andererseits vonder Möglichkeit klarer (externer) Vereinbarungen bezüglich der Zusammen-arbeit und Leistungserstellung. Es ist auch in Rechnung zu stellen, dassGrenzverschiebungen bezüglich der Informationstransparenz angenom-men werden können, wenn mit dem Regulationsprinzip Vertrauen dieAusdehnung der Kommunikation im Netzwerk auf sonst interne Sachverhal-te („Betriebsgeheimnisse“) gemeint ist.

Eine mehr instrumentelle Perspektive auf das Netzwerk eröffnet die Frage,„ ... was denn dabei herauskommt.“ In dieser Sicht stehen weniger dieinternen Funktionen und Strukturen im Blickpunkt als vielmehr eine wieimmer messbare Leistungsfähigkeit des Netzwerks, implizit gedacht sicherlichim Vergleich mit anderen Organisationsformen von Leistungserstellungs-prozessen. In die weiteren Überlegungen zur Entwicklung von Netzwerkensollte deshalb die Frage nach Erfolgskriterien Eingang finden. Das Netzwerkkann als „Handlungsoption“ für sonst autonome wirtschaftliche Einheitenangesehen werden, was die Frage aufwirft, ob Netzwerke für diese generellerweiterte Handlungsoptionen implizieren oder ob sie in der gegenwärtigen

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Vielfalt nicht vielmehr den Rahmen für ökonomisch gelagerte Macht-konstellationen darstellen, wenn etwa die großen Branchen mit ihrenZulieferbetrieben gemeint sind? Jedenfalls bleibt (im Einzelfall) zu klären, obNetzwerke für, mit oder gegen marktförmige Regulierungen wirken und obsie einen neuen Typ von Ökonomie darstellen. Für eine solche Möglichkeitwürden sicherlich die in den Eingangsstatements angedeuteten Formen der„Coopetition“ als Kombination von Kooperation und Kompetition und der„Prosumtion“ sprechen.

Aus mehr existentialistischer Perspektive wurde gefragt, „... ob man ohneNetzwerke überhaupt leben könne“ oder ob Netzwerke nicht „Verzweif-lungstaten“ seien, Strohhalme, an die man sich in letzter Hoffung klammere.Ausgelöst wurden solche Statements durch die Polarität von Euphorie undSkepsis, die offensichtlich nicht nur strukturbezogen, sondern auch imZeitablauf erkennbar ist. Den Ausgangspunkt für derartige Überlegungenboten vor allem Erfahrungsberichte aus der Netzwerkarbeit, die nachdenk-lich stimmen. So zeigten sich in Netzwerkprojekten deutliche Polarisierun-gen in Vor- und Nachteile, Gewinner und Verlierer, was im Verlauf derNetzwerkarbeit zu unübersehbaren Haftungs- und Organisationsproblemenund zu drastischen Reduzierungen im Anspruch an die Netzwerkarbeitgeführt hat.

Zusammenfassend wurde gesagt, Netzwerke könnten geeignet sein beigegebenen Defiziten bezüglich der Bewältigung von Zukunftsproblemenmit den Regulationsformen Markt und Hierarchie proaktiv zu neuen Formender Problemlösung zu gelangen, die sowohl in der Verbindung mit denbisherigen Regulierungsformen als auch „jenseits“ von ihnen Handlungs-möglichkeiten bieten. Darüber hinaus sind Marktmechanismen undHierarchieprinzipien eher als Modellkomponenten für die Beschreibung vonWirtschaftsprozessen zu verstehen, die in der empirischen Ausprägungvielfach von Interessen- und Handlungskonstellationen überlagert bzw.durchdrungen werden, die sich aus Netzwerkstrukturen herleiten.

Das Netzwerk ist (noch) ein Phänomen, das sich ohne empirischen Zugriffnur vage, jedenfalls nur recht abstrakt bestimmen lässt. Die Diskussion bleibtoffen und damit in Gang, weil mit ihm mehr als eine Kritik an den Regulations-möglichkeiten Markt und Hierarchie und auch mehr als Hoffnungen aufKooperationen mit hoher Ertragserwartung verbunden sind. SoweitKooperationsstrukturen vor-wettbewerbliche Züge tragen – und das kannz.B. im Bereich der Wissensproduktion durchaus der Fall sein – scheint dasNetzwerk eine der Möglichkeiten zu sein, in denen sich längerfristige, eben

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auf Vertrauen gegründete Arbeitsbeziehungen ergeben, die ohne die Alter-nativen Markt und Hierarchie auskommen (müssen) und daher auchRegulationsformen entwickeln, die andere Optionen verkörpern. Einer derDiskutanten befand, dass mit der Organisation von Arbeit in Netzwerken derGrad an Entfremdung der Arbeit reduziert werden könne, d.h. es finden sichSichtweisen, die eine rein ökonomische Betrachtung des Ertrags vonNetzwerkkonfigurationen ergänzen um die Einbeziehung qualitativer undemotionaler Ansprüche an Arbeitsorganisation. Darin drückt sich ein Wan-del einer reinen Output-Orientierung zu einer Prozessorientierung aus, dieden Beteiligungsaspekt an Arbeitsprozessen einbezieht. So gesehen bedarfdas Netzwerk offensichtlich keiner „produktivistischen“ Legitimation oderBegründung.

Hier noch ein Nachtrag des Protokollanten Rudolf Husemann, der in dieDiskussion gepasst hätte: In der Darstellung ihrer Geschichte erwähnt dieUniversität Jena ein frühes Netzwerk in den „klassisch-romantischen Wunder-jahren“, in denen Persönlichkeiten wie Hegel, Fichte, Schelling, Schiller undandere an dieser Universität versammelt waren. Wo immer sich Arbeits- undLebensbedingungen und gemeinschaftliche Werte und Ziele verbindenlassen und zu Kommunikation verdichtet werden können, ohne dabei demZwang formaler Organisation ausgesetzt zu sein, könnte man positiveBedingungen für Netzwerke annehmen.

2 Typen und Entwicklungsformen von Netzwerken

In einer zweiten Diskussionsrunde stand zunächst die Frage nach Stabilitätund Dynamik von Netzwerken im Vordergrund. Dabei gab es eine weitrei-chende Übereinstimmung in der Einschätzung, dass stabile Netzwerke sichkontinuierlich wandeln und weiterentwickeln. Anhand zahlreicher Beispielewurden solche Wandlungsprozesse im Hinblick auf die Netzwerkpartner,die Ziele der Netzwerkarbeit, konkrete Handlungsweise und Strukturenbeschrieben. „Gesunde Netzwerke“ – so eine These – „sind flexibel unddynamisch“.

Darüber hinaus wurde auf die Bedeutung von bestimmten Faktoren hinge-wiesen, die Voraussetzung für die erfolgreiche Arbeit von Netzwerken sind.Hierzu gehören u.a. klare Strukturen und Regelsysteme, ein gewisses Maßan interner oder externer Steuerung, Promotoren und Netzwerkmanagersowie eine ausreichende Transparenz über die Arbeit des Netzwerkes.Anschließend wurde mit der Frage nach unterschiedlichen Typen von

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Netzwerken ein Diskussionsstrang der ersten Gesprächsrunde wieder auf-genommen und vor dem Hintergrund der Fragestellung nach Stabilität undDynamik von Netzwerken weiterentwickelt. In der Diskussion gelangte manzu einer entscheidenden Klarstellung: Es wurde für notwendig erachtet,grundsätzlich zwei bzw. drei Netzwerktypen zu definieren, die sich imHinblick auf Lebenszyklen, Erfolgsfaktoren, Zielstellungen usw. deutlichvoneinander unterscheiden.

Der erste Typ, auf der Tagung als Optionsnetzwerk bezeichnet, ist zieloffenund konzentriert sich auf die Bereitstellung unterschiedlicher Kompetenzen.Er ist beschreibbar als eine „latente Struktur“, die sich in der Regel in einemlangen zeitlichen Prozess herausgebildet hat. Informelle Aspekte stehen hierim Vordergrund. Vertrauen zwischen den Netzwerkpartnern ist wichtigeVoraussetzung für die Funktionsfähigkeit der Netze.

Der zweite Typ, als Projektnetzwerk bzw. zielorientierte Kooperation imengeren Sinne bezeichnet, orientiert sich an klaren Zielvorgaben und hat diegemeinsame „produktorientierte“ Bearbeitung von definierten Aufgabenzum Inhalt. Im Gegensatz zum ersten Typ geht es hier um konkreteAktivitäten. Solche Kooperationen werden bewusst strukturiert und häufigauch vertraglich geregelt (siehe Handwerkskooperationen). Im Gegensatzzum erstgenannten Typ sind solche Kooperationen „ökonomiefähig“. Ver-trauen kann hier durch detaillierte „vertragliche“ Regelungen z.T. ersetztwerden.

Ein dritter Netzwerktyp – politische Aktionsnetzwerke bzw. Bündnisse –wurde wegen seiner klaren Aufgaben- und Zielorientierung grundsätzlichdem zweiten Typ zugerechnet. Da er jedoch weniger auf ökonomischeVerwertungszusammenhänge als auf sozio-ökonomische und politischeRahmensetzungen hin orientiert ist, wurde den politischen Aktions-netzwerken in der Diskussion eine eigenständige Rolle zugewiesen. AlsBeispiele für diesen Netzwerktyp wurden regionale Bündnisse für Arbeitsowie Kriseninterventionsnetzwerke (siehe M. Muster) angeführt.

Diese Netzwerktypen in sind in der Praxis häufig eng mit einander verzahnt.Optionsnetzwerke bilden in der Regel eine gute Grundlage für die Entwick-lung konkreter Kooperationsprojekte oder politischer Aktionsnetze, da diebeteiligten Partner bereits über entsprechende Netzwerkerfahrungen ver-fügen und eine gemeinsame Vertrauensbasis entwickeln konnten.Vor dem Hintergrund dieses Diskussionsergebnisses ließe sich das obenwiedergegebene Schema wie folgt modifizieren:

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Bild 2: Netzwerktypologie

D.h. der in der Vergangenheit der kapitalistischen Industriegesellschafteneher zurückgedrängte Netzwerkpol hätte die Tendenz, sich in zwei Richtun-gen auszudehnen und im oben umrissenen Sinne mit den beiden anderenRegulierungsformen zu vermischen: entweder in Richtung politischer undbetrieblicher Machtstrukturen durch die Ausprägung „politischer Aktions-netzwerke“ oder in Richtung marktförmigen Handelns durch die Ausprä-gung von Projektnetzwerken.

3 Lernprozesse und der Umgang mit Wissen inNetzwerken

Im Mittelpunkt der Diskussion zum dritten Themenfeld stand die Frage nachden notwendigen Kompetenzen für die Arbeit in Netzwerken und nach derLernrealität innerhalb von Netzwerken.

Das im Vergleich zu marktförmigen und hierarchischen Kooperationsformengeringe formale Regulationsniveau sowie die hohe Flexibilität und Dynamikgesunder Netzwerke fordern von den Akteuren spezifische Kompetenzen.Diese in der Diskussion als Netzwerkkompetenz bezeichneten Fähigkeitensind im wesentlich darauf gerichtet, die relativ komplexen und dynamischen

Projektnetzwerke(Kooperationen)

politische Aktionsnetzwerke

(Bündnisse)

politische und ökonomische Verwertungszusammenhänge

Optionsnetzwerke

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Austauschbeziehungen innerhalb des Netzwerkes herzustellen und so zuregulieren, dass der von den Akteuren erwartete Nutzen eintritt.

Als Elemente von Netzwerkkompetenz wurden in der Diskussion Koopera-tions- und Beziehungsfähigkeit, Kommunikationsfähigkeit, Politikfähigkeitund Problemlösungskompetenz herausgearbeitet. Diese eher affektivenund emotionalen Komponenten sind erforderlich, um „Vertrauen“ alsRegulationsprinzip von Netzwerken herzustellen. In diesem Zusammenhangwurde darauf verwiesen, dass die Kategorie „Vertrauen“ als Regulations-prinzip sehr unscharf und die Aneignung entsprechender Kompetenzencurricular nur schwer beschreibbar ist.

Im Hinblick auf die Lernrealität innerhalb von Netzwerken ist es unstrittig,dass die Beteiligten in Netzwerken lernen, wobei dies in der Regel hierarchie-frei geschieht und im besten Fall von Sach- und Fachpromotoren sowieLernmanagern unterstützt wird. Anknüpfend an die Diskussion im zweitenThemenfeld wurde zwischen drei grundlegenden Netzwerktypen unter-schieden. Danach sind Optionsnetzwerke, die eher personengebunden sindund biographische Züge haben, eher intrinsisch motiviert und stärken dieBeziehungsfähigkeit, während Aktions- und Projektnetzwerke eher extrin-sisch motiviert sind. Aktionsnetzwerke prägen dabei eher die Politikfähigkeitund Projektnetzwerke eher fachliche Kompetenzen aus. Gemeinsam istallen Netzwerktypen, dass sie wichtige Impulse für Lernprozesse geben unddass in ihnen über „soziales Lernen“ wichtige Schlüsselqualifikationenerworben werden.

Als wichtige, weiter zu bearbeitende Handlungsfelder wurden in der Diskus-sion herausgearbeitet:

• Beschreibung der Regeln der Netzwerkarbeit. Das Regulativ „Vertrauen“ist eine Hilfskonstruktion, die für eine nachvollziehbare Beschreibung undGestaltung sozialer Prozesse nicht hinreichend ist. Erforderlich sind sozio-ökonomische Kategorien zur Beschreibung der Mechanismen komplexerAustauschprozesse in Netzwerken, die geeignet sind, das konkreteNetzwerkgeschehen zu objektivieren und gegebenenfalls zu korrigieren.

• Methodik und Didaktik zur Vermittlung von Netzwerkkompetenz.Netzwerkkompetenz wird in der Regel in Netzwerken erworben. Wiekann dieser Aneignungsprozess methodisch und didaktisch systemati-siert und gefördert werden?

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• Kompetenzen des Netzwerkmoderators. Bei der Entstehung und Stabi-lisierung von Netzwerken, aber auch in kritischen Entwicklungsphasenund in Konfliktsituationen hat die Rolle des Netzwerkmoderators eineerhebliche Bedeutung. Häufig ist diese Rolle nicht bewusst definiert undwird – quasi naturwüchsig – von einem der Akteure wahrgenommen.Welche Kompetenzen sind für eine erfolgreiche Netzwerkmoderationerforderlich? Wie können sie vermittelt und erworben werden? Gefragtwurde auch nach einer geeigneten Moderationstechnik für langfristige,offene und komplexe soziale Prozesse.

• Förderung von Netzwerken. Netzwerke erscheinen in der Förderpolitikdes Bundes und der Länder vorwiegend als befristete, zielorientierteProjektnetzwerke, deren Erfolg oder Misserfolg an den vereinbartenmarkt- oder politikorientierten Zielen gemessen wird. Die Förderpolitiksollte Netzwerke in stärkerem Maße auch als Lernfeld zur Aneignung vonNetzwerkkompetenz wahrnehmen und eine kontinuierliche Unterstüt-zung gerade von Optionsnetzwerken ermöglichen. Die strukturbildendeIntention von Netzwerken, ihre Entwicklungsdauer und die erforderli-chen Stützungsmaßnahmen im Rahmen staatlicher Förderpolitik hatR. Stransfeld in seiner abschließenden Betrachtung des Diskurses über-zeugend dargelegt.

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Autoren

Bäumer, Andreas Baeumer Unternehmensentwicklung,Berlin

Benzenberg, Dr. Ingo Universität Gesamthochschule Duisburg,Duisburg

Berteit, Dr. Herbert SÖSTRA SozialökonomischeStrukturanalysen, Berlin

Bieber, Dr. Daniel VDI/VDE Technologiezentrum, Teltow

Birkhölzer, Dr. Karl Technische Universität Berlin, Berlin

Diettrich, Dr. Andreas Universität Jena, Jena

Dobischat, Prof. Dr. Rolf Gerhard-Mercator-Universität Duisburg,Duisburg

Ernst, Dr. Gerd DLR Projektträger des BMBF, Bonn

Finke, Sabine Bildungswerk der Thüringer Wirtschaft,Erfurt

Frevel, Alexander Berater für Organisations- undPersonalentwicklung, Hamburg

Freye, Thomas H.U.T. GmbH, Offenbach

Fuchs-Frohnhofen, Dr. Paul Mensch, Arbeit & Technik - Sell & Part-ner GmbH, Aachen

Gärtner, Dr. Petra Stiftung Innovation und Arbeit Sachsen(IAS), Regionalbüro Leipzig, Leipzig

Gersten, Dr. Klaus TOP Heidenau, Heidenau

Gülker, Silke Institut für Organisationskommunikation(IFOK), Bensheim

Heinecke, Dr. Sigrid Bildungswerk der Thüringer Wirtschaft,Apolda

Helbich, Dr. Bernd MACH 2 Personalentwicklung, Herford

Hempe, Manfred DLR Projektträger des BMBF, Bonn

Hentrich, Jörg RKW Bundesgeschäftsstelle, Eschborn

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Hilpert, Dr. Markus Universität Augsburg, Sozial- u.Wirtschaftsgeographie, Augsburg

Hoffmann, Dr. Ulrich RKW Brandenburg GmbH, Potsdam

Horlamus, Dr. Wolfgang EuroNorm GmbH, Neuenhagen

Hormel, Dr. Roland Gesellschaft für Arbeitsgestaltung undOrganisationsentwicklung mbH,München

Hornschild, Dr. Kurt Deutsches Institut für Wirtschafts-forschung (DIW), Berlin

Hornyak, Harald Institut für Organisationskommunikation(IFOK), Bensheim

Hoß, Prof. Dr. Dietrich Universität Lyon, Lyon

Howaldt, Dr. Jürgen Landesinstitut SozialforschungsstelleDortmund (sfs), Dortmund

Huber, Andreas INIFES, Stadtbergen

Husemann, Prof. Dr. Rudolf Universität Erfurt, Institut fürBerufspädagogik, Erfurt

Jacob, Prof. Dr. Klaus CORE BUSINESS DEVELOPMENT GmbH,Berlin

Keilbar, Gudrun Bildungswerk der Thüringer Wirtschaft,Außenstelle Saalfeld, Saalfeld

Koitz, Dr. Karsten EuroNorm GmbH, Neuenhagen

Küppers, Elke Mensch, Arbeit & Technik - Sell & Part-ner GmbH, Aachen

Lederer, Dr. Werner Koordinator für Regionale Innovations-förderung beim BMBF (KORIF), BerlinDLR Projektträger des BMBF, Bonn

Morhard, Anette Bildungswerk der Thüringer Wirtschaft,Erfurt

Muster, Manfred Muster Consulting, Norderstedt

Neubauer, Dietwald Bildungswerk Eisenach gGmbH (BWE),Eisenach

Oehlke, Dr. Paul DLR Projektträger des BMBF, Bonn

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Prätorius, Dr. Gerhard Regionale Entwicklungsagentur fürSüdostniedersachsen (reson),Braunschweig

Priddat, Prof. Dr. Birger P. Universität Witten/Herdecke, Witten

Reddig, Barbara DLR Projektträger des BMBF, Bonn

Rieke, Bernhard H.U.T. GmbH, Offenbach

Rückert-John, Jana Universität Hohenheim, Stuttgart

Rumpel, Beatrix VDI/VDE-Technologiezentrum GmbH,Teltow

Schimweg, Dr. Ralf Mensch, Arbeit & Technik - Sell & Part-ner GmbH, Aachen

Schmachtenberg, Dr. Rolf Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesund-heit und Frauen, Brandenburgjetzt:Bundesministerium für Arbeit undSozialordnung, Bonn

Seidler, Elke Bildungswerk der Thüringer Wirtschaft,Erfurt

Semlinger, Prof. Dr. Klaus Fachhochschule für Technik und Wirt-schaft, Berlin

Stecker, Birgit Wirtschaftsfördergesellschaft Güstrow,Güstrow

Stieler-Lorenz, Prof. Dr. Brigitte CORE BUSINESS DEVELOPMENT GmbH,Berlin

Stransfeld, Dr. Reinhard VDI/VDE Technologiezentrum, Teltow

Swoboda, Dr. Jan Deutsche Vernetzungsstelle LEADER II,Frankfurt/Main

Tscheulin, Jochen Institut für Organisationskommunikation(IFOK), Bensheim

Voigt, Jana Bildungswerk der Thüringer Wirtschaft,Außenstelle Saalfeld, Saalfeld

Wolf, Yvonne Bildungswerk der Thüringer Wirtschaft,Außenstelle Saalfeld, Saalfeld

Zabel, Reinhard Regionale Entwicklungsagentur Südost-niedersachsen (reson), Braunschweig

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Düsseldorfer Straße 4065760 Eschborn

RKW-Nr. 1443ISBN 3-89644-190-6

Layout: RKW, EschbornDruck:Druck Partner Rübelmann, Hemsbach