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Robert Bellarmin Ausführliche Erklärung des christlichen Glaubens Für den heutigen Gebrauch übersetzt und aufbereitet von Andreas Wollbold echter

Robert Bellarmin - download.e-bookshelf.de · Robert Bellarmin echter Ist Glaube kompliziert? Muss man dafür dicke Bücher lesen, Ausführliche Erklärung des christlichen Glaubens

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Robert Bellarmin

Ausführliche Erklärungdes christlichen Glaubens

Für den heutigen Gebrauch übersetzt und aufbereitetvon Andreas Wollbold

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sIst Glaube kompliziert? Muss man dafür dicke Bücher lesen,

nur um am Ende zu sagen: Verstanden habe ich immer noch

nicht viel? Vor 400 Jahren hat der heilige Robert Bellarmin

(1542–1621) seinen großen Katechismus vorgelegt, der das

Gegenteil beweist. Der Jesuit, Kardinal und Kirchenlehrer

verfasste ein kleines Meisterwerk, das bis heute nichts von

seiner Frische verloren hat. Knapp, klar und klassisch ist, was

er zu Glauben, Gebet, Sakramenten und Moral zu sagen hat.

Er ergänzt seine Erläuterungen mit Hinweisen auf Stellen der

Bibel, der Kirchenväter und der Konzilien. Wer wissen will,

was die Kirche im großen Strom der Geschichte geglaubt

und gelehrt hat, ist hier an der besten Adresse.

Behutsam bereitet diese Ausgabe Bellarmins Katechismus

für den heutigen Gebrauch auf. Die Strukturen des Werkes

werden hervorgehoben und die Gedankenschritte in Schau-

bildern zusammengefasst. In der Tradition des Bellarmin’schen

Katechismus schließt ein Gebetsteil das Werk ab.

Andreas Wollbold, Dr. theol., geboren 1960, Studium in Trier, Rom, Poona (Indien) und München, Priesterweihe 1984; 1997–2003 Professor für Pastoraltheologie und Religionspädagogik in Erfurt, seit 2003 Professor für Pastoraltheologie an der Universität München.

www.echter.deISBN 978-3-429-03578-5

Bellarmin_Katechismen_Umschlag_2013.indd 1 25.01.13 11:51

Robert Bellarmin

Ausführliche Erklärung des christlichen Glaubens

Für den heutigen Gebrauch übersetzt und aufbereitet von Andreas Wollbold

echter

Robert Bellarmin

Ausführliche Erklärung des christlichen Glaubens

Für den heutigen Gebrauch übersetzt und aufbereitet vonAndreas Wollbold

Bibliografische Information der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über ‹http://dnb.d-nb.de› abrufbar.

© 2013 Echter Verlag GmbH, Würzburgwww.echter-verlag.deUmschlag: Peter HellmundUmschlagmotiv: Bildnis des Kardinals Robert Bellarmin SJ am Schreibtisch, nach 1600© Augsburg, Priesterseminar St. Hieronymus / Foto: Richard HarlacherSatz: Hain-Team, Bad Zwischenahn (www.hain-team.de)Druck und Bindung: CPI – Clausen & Bosse, LeckISBN978-3-429-03578-5 (Print)978-3-429-04687-3 (PDF)978-3-429-06086-2 (ePub)

Inhalt

1. Kapitel: Was ist die christliche Lehre und welche wichtigsten Teile hat sie? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7

2. Kapitel: Erklärung des Kreuzzeichens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9

3. Kapitel: Erklärung des Glaubensbekenntnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13

4. Kapitel: Erklärung des Vater Unser (Gebet des Herrn) . . . . . . . . . . . . . 43

5. Kapitel: Erklärung des ‚Gegrüßet seist du, Maria (Ave Maria)‘ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58

6. Kapitel: Erklärung der zehn Gebote Gottes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63

7. Kapitel: Erklärung der Kirchengebote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97

8. Kapitel: Erklärung der evangelischen Räte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98

9. Kapitel: Erklärung der Sakramente der heiligen Kirche . . . . . . . . . . . . 100

10. Kapitel: Die Tugenden im Allgemeinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121

11. Kapitel: Die göttlichen Tugenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123

12. Kapitel: Die Kardinaltugenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126

13. Kapitel: Die sieben Gaben des Heiligen Geistes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129

14. Kapitel: Die acht Seligpreisungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131

15. Kapitel: Die sieben leiblichen und die sieben geistlichen Werke der Barmherzigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134

16. Kapitel: Die Laster und die Sünden im Allgemeinen . . . . . . . . . . . . . . . 136

17. Kapitel: Die Erbsünde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138

18. Kapitel: Die Todsünde und die lässliche Sünde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140

19. Kapitel: Die sieben Hauptsünden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142

20. Kapitel: Die Sünden gegen den Heiligen Geist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149

21. Kapitel: Die himmelschreienden Sünden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150

22. Kapitel: Die vier letzten Dinge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151

Gebete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153

Nachwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172

1. Kapitel: Was ist die christliche Lehre und welche wichtigsten Teile hat sie?

Schüler (= S): Mir ist klar, dass ich für mein Heil die christliche Lehre kennen muss. Bitte erklären Sie mir darum diese Lehre!

Lehrer (= L): Die christliche Lehre ist eine Kurzfassung bzw. Zusam-menfassung all dessen, was Christus, unser Herr, uns für den Weg zum Heil gelehrt hat.

S: Was sind die wichtigsten und notwendigsten Teile dieser Lehre?L: Es sind vier, nämlich:

1. das Glaubensbekenntnis,2. das Vater Unser,3. die zehn Gebote und4. die sieben Sakramente.

S: Warum sind es gerade vier?L: Weil es zunächst einmal drei Haupttugenden gibt: Glaube, Hoffnung

und Liebe.1. Das Glaubensbekenntnis ist notwendig für den Glauben, weil es uns lehrt, was wir glauben müssen.2. Das Vater Unser ist notwendig für die Hoffnung, weil es uns das lehrt, was wir hoffen müssen.3. Die zehn Gebote sind notwendig für die Liebe, weil sie uns das leh-ren, was wir tun müssen, um Gott zu gefallen.4. Die Sakramente sind schließlich notwendig, weil sie die Werkzeuge sind, mit denen man die Tugenden empfängt und bewahrt, die wie gesagt notwendig sind, um gerettet zu werden.

S: Ich hätte gern von Ihnen einen Vergleich, um die Notwendigkeit die-ser vier Teile der christlichen Lehre besser zu begreifen.

L: Der hl. Augustinus gibt uns den Vergleich mit einem Haus.Beim Hausbau legt man zuerst das Fundament, dann zieht man die Wände hoch und deckt es am Ende mit einem Dach ab; dazu braucht man auch einige Werk-zeuge. Auch in der Seele soll ein Gebäude des Heils entstehen.

„Durch Gesang wird das Haus erbaut, durch Glauben begründet, durch Hoffen errichtet und durch Lieben vollendet.“ (Augustinus von Hippo, 5. Jh., einer der größten Kirchenlehrer)

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Dazu braucht man das Fundament des Glaubens, die Mauern der Hoff-nung, das Dach der Liebe sowie Werkzeuge, nämlich die heiligen Sa-kramente.

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2. Kapitel: Erklärung des Kreuzzeichens

S: Bevor wir zum ersten Teil der Lehre kommen, würde ich mich freuen, wenn Sie mir einen Vorgeschmack dessen geben könnten, was man zu glauben hat.

Könnten Sie mir dazu zusammenfassend und in groben Zügen die notwendigsten Geheimnisse erklären, die im Glaubensbekenntnis ent-halten sind?

L: Ihr habt recht, so will ich es auch halten.Ihr müsst also wissen, dass es zwei Hauptgeheimnisse unseres Glau-bens gibt und dass beide im Kreuzzeichen enthalten sind.1. Das erste Geheimnis ist die Einheit und Dreifaltigkeit Gottes.2. Das zweite ist die Fleischwerdung und Passion des Heilands.

S: (1) Was bedeutet „EINHEIT UND DREIFALTIGKEIT GoTTES“?

L: Diese Dinge sind überaus erhaben, und sie werden nach und nach im Lauf dieser Lehre erklärt. Fürs Erste wird es genügen, wenn ihr die Bedeutung der Worte kennenlernt und etwas Weniges davon, so weit es möglich ist, versteht.Einheit Gottes bedeutet, dass über allen erschaffenen Dingen ein We-sen steht, das keinen Anfang gehabt hat, sondern immer schon gewe-sen ist und immer sein wird; das alle anderen Dinge gemacht hat; das sie erhält und lenkt und über allen das höchste, edelste, schönste und mächtigste Wesen ist und über alles uneingeschränkt herrscht. Die-ses Wesen heißt Gott. Er ist einer, weil es nur eine einzige wahre Gott-heit geben kann, das heißt eine einzige Natur oder Wesen, das un-endlich mächtig, weise, gut usw. ist.Dennoch befindet sich diese Gottheit in drei Personen, die Vater, Sohn und Heiliger Geist heißen. Diese drei Personen sind ein einziger Gott, da sie dieselbe Gottheit und dasselbe Wesen haben.Das ist, als ob hier auf der Erde drei Personen namens Peter, Paul und Johannes dieselbe Seele und denselben Leib hätten. Dann würde man sie doch als drei Personen bezeichnen, weil eine Peter, eine Paul und eine Johannes wäre. Trotzdem wären sie ein einziger Mensch und nicht drei Menschen, weil sie nicht drei Leiber und auch nicht drei Seelen hätten, sondern nur einen Leib und eine Seele. Bei den Menschen ist das nicht möglich, denn das Sein des

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Menschen ist gering und endlich. Es kann deshalb nicht in mehre-ren Personen sein. Aber das Sein Gottes und seine Gottheit ist un-endlich, und darum kann sich dasselbe Sein und dieselbe Gottheit im Vater, im Sohn und im Heiligen Geist befinden und befindet sich auch tatsächlich in ihnen.Es sind also drei Personen, denn die erste ist der Vater, die zweite der Sohn und die dritte der Heilige Geist. Trotzdem sind sie nur ein Gott, denn sie haben dieselbe Gottheit, dasselbe Sein, dieselbe Macht, Weis-heit, Güte usw.

S: (2) Jetzt sagen Sie mir bitte, was „FLEISCHWERDUNG UND PASSIoN

DES HEILANDS“ bedeutet!L: Die zweite göttliche Person, die wie gesagt Sohn heißt, hat außer ih-

rem göttlichen Sein, welches sie schon besaß, bevor die Welt erschaf-fen wurde, ja sogar von Ewigkeit her, auch noch menschliches Fleisch und eine menschliche Seele, also unsere ganze menschliche Natur, im Schoß einer ganz reinen Jungfrau angenommen.So fing der, der zuvor nur Gott war, an, Gott und Mensch zugleich zu sein. Nachdem er etwa 33 Jahre unter den Menschen geweilt hatte, wobei er sie den Weg zum Heil gelehrt und viele Wunder getan hatte, ließ er sich schließlich ans Kreuz nageln und starb an ihm, um Gott für die Sünden der ganzen Welt Genugtuung zu leisten. Doch nach drei Tagen erstand er vom Tod zum Leben und fuhr nach 40 Tagen zum Himmel auf. Davon werden wir noch bei der Erklärung des Glau-bensbekenntnisses sprechen.Das also ist die Fleischwerdung und die Passion des Heilands.

S: Warum sind das die Hauptgeheimnisse des Glaubens?L: 1. Weil im ersten die erste Ursache und das letzte Ziel des Menschen ent-

halten ist und im zweiten das einzige und sehr wirksame Mittel, um diese erste Ursache zu erkennen und zu diesem letzten Ziel zu gelan-gen.2. Ein weiterer Grund ist, dass wir uns, indem wir diese beiden Ge-heimnisse glauben und bekennen, von allen falschen Parteiungen, d. h. von Heiden, Türken, Juden und Irrgläubigen, unterscheiden.3. Und schließlich kann niemand gerettet werden, ohne diese beiden Geheimnisse zu glauben und zu bekennen.

S: Wie sind diese beiden Geheimnisse im Kreuzzeichen enthalten?L: Das Kreuzzeichen macht man, indem man sagt: „IM NAMEN DES VA-

TERS UND DES SoHNES UND DES HEILIGEN GEISTES“ und sich gleich-

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zeitig in Form eines Kreuzes be-zeichnet. Dabei führt man die rechte Hand zuerst zur Stirn und spricht: „Im Namen des Va-ters“, dann hinab zur Brust un-ter den Worten: „und des Soh-nes“, und schließlich von der linken zur rechten Schulter un-ter den Worten: „und des Heili-gen Geistes“.Der Ausdruck „im Namen“ zeigt uns die Einheit Gottes, weil man sagt „im Namen“ und nicht „in den Namen“. Unter dem Namen versteht man aber die göttliche Macht und Autori-tät, die in den drei Personen eine einzige ist.Die Worte „des Vaters und des

Sohnes und des Heiligen Geistes“ zeigen uns die Dreifaltigkeit der Personen. Sich in Form eines Kreuzes zu bezeichnen führt uns die Passion und darum auch die Fleischwerdung des Sohnes Gottes vor Augen.Die Hand von der linken zur rech-

ten Seite zu führen und nicht von der rechten zur linken bedeutet, dass wir durch die Passion des Herrn von den vergänglichen Dingen zu den ewigen gebracht worden sind, von der Sünde zur Gnade und vom Tod zum Leben.

S: Zu welchem Zweck macht man dieses Kreuzzeichen?L: 1. Erstens macht man es, um zu zeigen, dass wir Christen sind, das

heißt Soldaten unseres höchsten Feldherrn, Christus. Denn dieses Zei-chen ist wie ein Banner oder eine Uniform, wodurch sich die Solda-ten Christi von allen Menschen außerhalb der Kirche unterscheiden:

„Bei jedem Schritt und Tritt, bei jedem Eingehen und Ausgehen, beim Anlegen der Kleider und Schuhe, beim Waschen, Essen, Lichtanzünden, Schlafengehen, beim Niedersetzen und welche Tätigkeit wir immer ausüben, drücken wir auf un-sere Stirn das kleine Kreuzeszeichen.“ (Tertullian, um 200, nordafrikani-scher Kirchenschriftsteller)„Überall steht dieses Zeichen des Sieges uns zur Seite. Deshalb zeichnen wird es voll Eifer auf die Häuser, Wände und Fenster, auf die Stirn und auf das Herz. […] Man darf das Kreuz aber nicht einfach nur mit dem Finger ma-chen, sondern zuerst mit dem Herzen, voll innigen Glaubens. Wenn du es in dieser Weise auf deine Stirne zeichnest, dann wird dir kein unreiner Geist na-hen, weil er die Waffe sieht, die ihm die Wunde geschlagen, das Schwert, das ihm den tödlichen Streich versetzte. […] Dieses Zeichen hatte schon zur Zeit un-serer Vorfahren und hat auch jetzt noch die Kraft, verschlossene Türen zu öff-nen, Giftmittel unschädlich zu machen, dem Schierling seine Wirkung zu neh-men, vom Biss giftiger Tiere zu heilen; denn wenn es die Pforten der Vorhölle erschloss, das Tor des Himmels öffnete, den Eingang zum Paradies wieder auf-tat und die Fesseln des Teufels sprengte, was braucht man sich da zu wundern, dass es mächtiger ist als giftige Getränke und Tiere und alles andere der Art?“ (Johannes Chrysostomus [„Gold-mund“], um 400)„Es wagen solche Geister nicht, Zeichen dieser Art zu verkennen: Sie zittern vor ihnen, wo immer sie sie erblicken.“ (Au-gustinus)

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den Heiden, den Juden, den Muslimen und den Christen in anderen Konfessionen.2. Außerdem macht man dieses Zeichen, um die Hilfe Gottes bei un-serem Tun anzurufen. Denn mit diesem Zeichen ruft man die aller-heiligste Dreifaltigkeit kraft der Passion des Heilands zu Hilfe. Aus diesem Grund haben die guten Christen die Gewohnheit, dieses Kreuz über sich zu schlagen, wenn sie sich vom Bett erheben, wenn sie das Haus verlassen, wenn sie sich zu Tisch setzen, wenn sie sich schlafen legen und auch am Beginn jeder anderen Sache, die sie zu tun haben.3. Schließlich macht man dieses Zeichen, um sich gegen jegliche Ver-

suchung des Teufels zu wappnen. Denn der Teufel erschrickt vor diesem Zeichen und flieht vor ihm, so wie es die Verbrecher machen, wenn sie das Zeichen der Polizei sehen.4. Häufig entgeht jemand mittels dieses Zeichens des heiligen Kreu-zes vielen Gefahren für Leib und Seele, wenn er es mit Glauben macht und mit Vertrauen auf die göttliche Barmherzigkeit und die Verdienste Christi, unseres Herrn.

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3. Kapitel: Erklärung des Glaubensbekenntnisses

S: Jetzt kommen wir zum ersten Teil der Lehre. Ich würde gern das Glaubensbekenntnis lernen.

L: Das Glaubensbekenntnis ent-hält 12 Teile. Sie heißen Arti-kel, und 12 sind es entspre-chend der Zahl der 12 Apostel, die es verfasst haben. Sie lauten so:

1. Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen, den Schöpfer des Him-mels und der Erde.2. Und an Jesus Christus, seinen eingeborenen Sohn, unsern Herrn,3. empfangen durch den Heiligen Geist, geboren von der Jungfrau Maria,4. gelitten unter Pontius Pilatus, gekreuzigt, gestorben und begraben,5. hinabgestiegen in das Reich des Todes, am dritten Tage auferstanden von den Toten,6. aufgefahren in den Himmel; er sitzt zur Rechten Gottes, des allmächti-gen Vaters;7. von dort wird er kommen, zu richten die Lebenden und die Toten.8. Ich glaube an den Heiligen Geist,9. die heilige katholische Kirche, Gemeinschaft der Heiligen,10. Vergebung der Sünden,11. Auferstehung des Fleisches12. und das ewige Leben. Amen.

Erklärung des ersten Glaubensartikels:„Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen, den Schöpfer des Himmels und der Erde.“

S: Erklären Sie mir bitte den ersten Artikel Wort für Wort.Was heißt „ICH GLAUBE“?

L: Es heißt: Ich halte all das, was in diesen 12 Artikeln enthalten ist, für gewiss und für ganz wahr. Der Grund dafür ist der: Gott selbst hat

„Wie eine alte Tradition meldet, gab der Herr nach seiner Himmelfahrt den Apo-steln […] den Auftrag, einzeln zu den verschiedenen Nationen hinauszuzie-hen, um ihnen das Wort Gottes zu pre-digen. Im Begriffe nun, voneinander zu scheiden, stellten sie sich vorher gemein-sam eine Norm ihrer zukünftigen Pre-digt auf, damit sie nicht etwa, wenn der Eine vom Andern getrennt wäre, denen, welche zum christlichen Glauben einge-laden werden sollten, etwas Verschiede-nes vortrügen. Indem so alle vereint und vom Heiligen Geist erfüllt ihre gemein-samen Überzeugungen zusammenstell-ten, setzten sie, wie wir sagten, jenes kurze Erkennungszeichen ihrer zukünf-tigen Predigt fest und fanden darin eine feste Regel, welche sie den Gläubigen zu geben beschlossen.“ (Rufinus von Aqui-leia, 4. Jh.)

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diese Sätze die heiligen Apostel gelehrt, die heiligen Apostel haben sie die Kirche gelehrt, und die Kirche lehrt sie uns. Und weil es un-möglich ist, dass Gott lügt, deshalb glaube ich diese Dinge fester als das, was ich mit den Augen sehe und mit den Händen berühre.

S: Was heißt „AN GoTT“?

L: Es heißt, dass wir fest glauben müssen, dass es Gott gibt, auch wenn wir ihn nicht mit den leiblichen Augen sehen.Dieser Gott ist einer, denn man sagt ja „an Gott“ und nicht „an die Götter“.Auch dürft ihr euch Gott nicht so ähnlich wie etwas Körperliches vor-stellen, so groß und schön es auch sein mag. Vielmehr müsst ihr den-ken, dass Gott etwas Geistiges ist, das immer war und immer sein wird, das alles gemacht hat, alles erfüllt und alles regiert. Er weiß und sieht alles. Kurz und gut, wenn ihr irgendetwas vor Augen habt oder es euch vorstellt, so müsst ihr sagen: Was mir da jetzt vor Augen steht, ist nicht Gott, weil Gott etwas unendlich Besseres ist.

S: Warum heißt es dann, dass Gott VATER ist?L: 1. Weil er wirklich der Vater seines eingeborenen Sohnes ist, von dem wir

im zweiten Artikel sprechen werden.2. Des Weiteren, weil er Vater aller rechtschaffenen Menschen ist, freilich nicht der Natur nach, sondern dadurch, dass er sie sozusagen adop-tiert hat.3. Schließlich weil er Vater aller Geschöpfe ist, jedoch weder der Natur nach noch dadurch, dass er sie an Kindes statt angenommen hat, son-dern durch die Schöpfung, wie wir es im selben Artikel gleich sagen werden.

S: Warum sagt man „DEN ALLMäCHTIGEN“?

L: Weil dies ein nur Gott zukommender, ihm eigener Titel ist. obwohl Gott viele ihm eigene Titel hat, wie zum Beispiel ewig, unendlich, un-ermesslich usw., ist an dieser Stelle doch der passendste, dass er all-mächtig ist. So fällt es uns leicht zu glauben, dass er den Himmel und die Erde aus nichts geschaffen hat, wie es ja in den folgenden Worten gesagt wird. Denn für den, der alles tun kann, was er will, und somit allmächtig ist, muss alles leicht sein.Wenn ihr mir jetzt aber sagen würdet, dass Gott ja nicht sterben und nicht sündigen kann und er so anscheinend nicht alles kann, würde ich euch Folgendes antworten: Sterben und sündigen können ist kein Ausdruck von Macht, sondern von ohnmacht.

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Bei einem überaus tapferen Soldaten, der alle besiegen kann und selbst von niemandem besiegt werden kann, setzt man doch nicht seine Stärke herab, indem man sagt, er könne nicht besiegt werden. Denn besiegt werden zu können ist keine Stärke, sondern eine Schwäche.

S: Was heißt „SCHöPFER“?L: Es bedeutet, dass Gott alle Dinge aus nichts gemacht hat und dass er

allein sie auch wieder zu nichts machen kann. Wohl können die En-gel und die Menschen wie auch die bösen Geister etwas machen oder vernichten. Aber sie können es nur aus einer Materie machen, die schon vorher vorhanden war. Ebenso können sie es nur zerstören, in-dem sie es in etwas anderes verwandeln.Es ist wie bei einem Maurer, der ein Haus nicht aus nichts machen kann, sondern aus Steinen, Kalk und Holz, und es auch nicht zu nichts werden lassen kann, wenn er es niederreißt, sondern nur wieder zu Steinen, Staub, Holz und dergleichen. Darum heißt nur Gott Schöpfer und ist es, weil nur er keine Materie braucht, um die Dinge zu machen.

S: Warum sagt man „SCHöPFER DES HIMMELS UND DER ERDE“? Hat Gott nicht auch die Luft, das Wasser, die Steine, die Bäume, die Men-schen und alles Übrige gemacht?

L: Unter Himmel und Erde versteht man hier auch alles, was im Him-mel und auf Erden ist.Wenn jemand sagt, dass der Mensch Leib und Seele hat, meint er da-mit ja auch, dass er alles hat, was sich im Leib befindet, also Adern, Blut, Knochen, Nerven usw., sowie alles, was sich in der Seele befin-det, wie Verstand, Willen, Gedächtnis, innere und äußere Sinne usw.Ebenso versteht man unter Himmel auch die Luft, die Vögel und alle Dinge, die noch weiter oben sind, dort, wo die Wolken und die Sterne sind – darum spricht man ja auch von den Vögeln des Himmels, den Wolken am Himmel, den Sternen am Himmel –, und schließlich die Engel.Unter Erde versteht man alles, was von der Luft umschlossen ist wie das Wasser des Meeres und der Flüsse, die in den niedrigeren Teilen der Erde gelegen sind, und auch alle Tiere, Pflanzen, Steine, Metalle und alles Übrige, was sich in der Erde oder im Meer befindet.Man spricht also von „Gott, dem Schöpfer des Himmels und der Erde“, weil dies die beiden Hauptteile der Welt sind, ein oberer, in dem die Engel, und ein unterer, in dem die Menschen wohnen. Dies sind näm-lich die beiden Geschöpfe, die edler als alle anderen sind und denen

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alle anderen dienen, so wie die beiden wiederum die Pflicht haben, Gott zu dienen, der sie aus nichts geschaffen und ihnen eine so hohe Würde verliehen hat.

Erklärung des zweiten Artikels:„Und an Jesus Christus, seinen eingeborenen Sohn, unsern Herrn.“

S: Erklären Sie mir jetzt bitte den zweiten Artikel. Was heißt „UND AN

JESUS CHRISTUS, SEINEN EINGEBoRENEN SoHN, UNSEREN HERRN“?

L: 1. Gott, der Allmächtige, von dem wir im ersten Artikel gesprochen haben, hat einen wahren Sohn, der seiner Natur entstammt und Jesus Christus heißt.Damit ihr aber einigermaßen versteht, wie Gott diesen Sohn gezeugt hat, nehmt den Vergleich mit dem Spiegel. Wenn jemand sich in ei-nem Spiegel anschaut, bringt er im gleichen Moment ein Bild von sich selbst hervor, das ihm selbst so ähnlich ist, dass man überhaupt kei-nen Unterschied feststellen kann, weil es nicht nur im Aussehen, son-dern auch in der Bewegung ähnlich ist, so dass sich, wenn der Mensch sich bewegt, auch das Bild bewegt. Und dieses Bild wird nicht mit Mühe, mit Zeitaufwand oder mit einem Werkzeug erzeugt, sondern sofort und durch einen einzigen Blick. So also habt ihr euch zu den-ken, dass Gott sich selbst mit dem Auge des Verstandes im Spiegel seiner Gottheit anschaut und dabei ein ihm selbst vollkommen glei-ches Bild erzeugt. Weil Gott diesem seinem Bild aber sein ganzes We-sen und sein ganzes Sein gegeben hat, wozu wir, wenn wir uns im Spiegel anschauen, nicht in der Lage sind, ist dieses Bild der wahre Sohn Gottes, während unsere Bilder, die wir in den Spiegeln sehen, nicht unsere Kinder sind. Daran müsst ihr begreifen, dass der Sohn Gottes wie der Vater Gott ist und ein und derselbe Gott mit dem Va-ter, weil er dasselbe Wesen wie der Vater hat.2. Weiterhin sollt ihr verstehen, dass der Sohn Gottes nicht jünger ist

als der Vater, sondern immer war, so wie der Vater immer war, weil er allein dadurch gezeugt wurde, dass Gott sich selbst anschaut, und Gott schaute sich selbst von Ewigkeit her an.3. Schließlich sollt ihr begreifen, dass der Sohn Gottes nicht mit der

Hilfe einer Frau, in einer bestimmten Zeitdauer, unter niedriger fleisch-

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licher Begierde oder unter anderen Unvollkommenheiten gezeugt wurde, weil er wie gesagt allein vom Vater durch den einfachen Blick auf sich selbst vom allerreinsten Auge des göttlichen Verstandes ge-zeugt wurde.

S: Warum wird dieser Sohn JESUS CHRISTUS genannt?L: Der Name Jesus bedeutet Heiland, und Christus (also sein Beiname)

bedeutet Hoherpriester und König aller Könige. Denn wie ich euch bei der Erklärung des Kreuzzeichens sagte, wurde der Sohn Gottes Mensch, um uns mit seinem Blut loszukaufen und uns zum ewigen Heil zu führen.1. So nahm er, als er Mensch wurde, diesen Namen „Heiland“ an, um zu zeigen, dass er gekommen ist, um uns zu retten.2. Daraufhin wurde er vom Vater mit dem Titel des höchsten Priesters

und des obersten Königs geehrt.Dies beides bedeutet der Name Christus, und nach ihm heißen wir Christen.

S: Aus welchem Grund nimmt ein Geistlicher in der alten Liturgie seine Kopfbedeckung ab oder verneigt sich, wenn der Name Jesus genannt wird, was bei den anderen Namen Gottes nicht geschieht?

L: 1. Der Grund ist, dass dies der Eigenname des Sohnes Gottes ist, alle an-deren Namen aber gemeinsam sind.2. Außerdem weil dieser Name uns vor Augen führt, wie Gott sich für

uns erniedrigt hat, indem er Mensch geworden ist. Darum verneigen wir uns aus Dankbarkeit vor ihm.Doch nicht nur wir Menschen, sondern auch die Engel des Himmels und die Dämonen der Hölle verneigen sich vor diesem Namen, die ei-nen aus Liebe, die anderen gezwungen. Denn Gott wollte, dass alle vernunftbegabten Geschöpfe sich vor seinem Sohn verneigen, weil dieser sich aus Liebe zu uns erniedrigt hat bis zum Tod am Kreuz.

S: Warum heißt es, dass Jesus Christus unser Herr ist?L: 1. Weil er uns gemeinsam mit dem Vater erschaffen hat, ist er unser

Gebieter und Herr ebenso wie der Vater.2. Darüber hinaus hat er uns noch mit seiner Mühsal und seinen Leiden aus der Gefangenschaft des Teufels befreit, wie wir gleich erläutern werden.

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