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JOT 2 | 2002 42 der gleichen Einstellung lackiert wer- den, weisen die klein geschnittenen Einzelbleche Farbunterschiede auf. Aber nur identische Vorlagen werden vom Automobilhersteller als Referenz- muster für die Zulieferer akzeptiert. Was auf den ersten Blick wie eine einfache Aufgabe aussieht, die jeder Lohnbeschichter erledigen kann, stellt sich bei näherer Betrachtung als sehr komplexe Aufgabenstellung heraus – eine Aufgabe für Spezialisten mit viel Geduld, gutem Auge und aufwändiger Lackiertechnik. Bis die Anlage realisiert und instal- liert war, dauerte es einige Monate. Rund eine halbe Million Euro haben die beiden Jungunternehmer inves- tiert. Seit Herbst vergangenen Jahres ist die Anlage in Betrieb. Bis dahin war die Anfertigung einschlägiger Farb- muster eine Sache der Lackhersteller. Doch die Einstellung eines bestimm- ten Farbtones ist zeitintensiv. Bis die Musterkarten exakt der Farbvorlage des Automobilherstellers entsprechen, dauert es zwei, drei Tage, manchmal eine Woche. Jeder Parameter des gesamten Lackierprozesses kann aus- schlaggebend sein. Nachvollziehbare Regelgrößen sind deshalb ein unbe- W ie attraktiv ein Auto ist, hängt von persönlichen Vorlieben ab. Die Farbgebung steht dabei ganz oben in der Werteskala. Im schwäbi- schen Kusterdingen hat sich ein Unter- nehmen auf die Herstellung von Lackierungen spezialisiert, bei denen es auf die Gleichmäßgikeit von Farbe, Schichtdicke und Glanz ankommt, und dafür eine beträchtliche Summe in eine neue, vollklimatisierte und auto- matisierte Lackieranlage investiert. Die erforderliche gleichmäßige Be- schichtung übernimmt ein Roboter. Absolute Farbgleichheit gefordert Worin besteht die Schwierigkeit beim Beschichten von kleinen Blech- tafeln? Claude Oughourlian, Lackinge- nieur, und Baljinder Singh, Lacktech- niker, haben im Dezember 2000 das Unternehmen COBS in Kusterdingen gegründet, das sich bislang ausschließ- lich mit der Herstellung von Farbtafeln und 3D-Modellen beschäftigt – ein Job für Spezialisten. Die Farbtafeln und Modelle erhalten Zulieferer der Auto- mobilindustrie, die Anbauteile für Fahrzeuge beschichten. Diese Farbta- feln dienen als Referenz für den vorge- gebenen Farbton. Voraussetzung dafür ist eine „absolute“ Farbgleichheit. Denn beispielsweise ein Außenspiegel soll ja den selben Farbton haben wie die Karosserie und nicht nur einen ähn- lichen. Zwischen 80 und 250 identische Farb- tafeln, die etwa die Größe eines Reise- passes haben, liefert COBS an den jeweili- gen Automobilherstel- ler. Dazu werden 600 x 600 mm große Aluble- che beschichtet, an- schließend klein ge- schnitten. Und obwohl die Bleche mit jeweils Roboter lackiert exakte Farbmuster Um Farbmuster-Bleche für die Automobilindustrie nach strengsten Vorgaben flexibel beschichten zu können, hat sich ein junges schwäbi- sches Unternehmen für eine neue vollklimatisierte Lackieranlage mit Roboter entschieden. Ein- und Auslauf der Lackieranlage liegen nebeneinander und sind damit von einer Person gleichzeitig zu bedienen COBS setzt in seiner Lackierkabine einen ex-geschützten Roboter vom Typ RX Paint 90 ein NASSLACKIEREN

Roboter lackiert exakte Farbmuster

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der gleichen Einstellung lackiert wer-den, weisen die klein geschnittenenEinzelbleche Farbunterschiede auf.Aber nur identische Vorlagen werdenvom Automobilhersteller als Referenz-muster für die Zulieferer akzeptiert.

Was auf den ersten Blick wie eineeinfache Aufgabe aussieht, die jederLohnbeschichter erledigen kann, stelltsich bei näherer Betrachtung als sehrkomplexe Aufgabenstellung heraus –eine Aufgabe für Spezialisten mit vielGeduld, gutem Auge und aufwändigerLackiertechnik.

Bis die Anlage realisiert und instal-liert war, dauerte es einige Monate.Rund eine halbe Million Euro habendie beiden Jungunternehmer inves-tiert. Seit Herbst vergangenen Jahres

ist die Anlage in Betrieb. Bis dahin wardie Anfertigung einschlägiger Farb-muster eine Sache der Lackhersteller.Doch die Einstellung eines bestimm-ten Farbtones ist zeitintensiv. Bis dieMusterkarten exakt der Farbvorlagedes Automobilherstellers entsprechen,dauert es zwei, drei Tage, manchmaleine Woche. Jeder Parameter desgesamten Lackierprozesses kann aus-schlaggebend sein. NachvollziehbareRegelgrößen sind deshalb ein unbe-

Wie attraktiv ein Auto ist, hängtvon persönlichen Vorlieben

ab. Die Farbgebung steht dabei ganzoben in der Werteskala. Im schwäbi-schen Kusterdingen hat sich ein Unter-nehmen auf die Herstellung vonLackierungen spezialisiert, bei denenes auf die Gleichmäßgikeit von Farbe,Schichtdicke und Glanz ankommt, unddafür eine beträchtliche Summe ineine neue, vollklimatisierte und auto-matisierte Lackieranlage investiert.Die erforderliche gleichmäßige Be-schichtung übernimmt ein Roboter.

Absolute Farbgleichheit gefordert

Worin besteht die Schwierigkeitbeim Beschichten von kleinen Blech-tafeln? Claude Oughourlian, Lackinge-nieur, und Baljinder Singh, Lacktech-niker, haben im Dezember 2000 dasUnternehmen COBS in Kusterdingengegründet, das sich bislang ausschließ-

lich mit der Herstellung von Farbtafelnund 3D-Modellen beschäftigt – ein Jobfür Spezialisten. Die Farbtafeln undModelle erhalten Zulieferer der Auto-mobilindustrie, die Anbauteile fürFahrzeuge beschichten. Diese Farbta-feln dienen als Referenz für den vorge-gebenen Farbton. Voraussetzung dafürist eine „absolute“ Farbgleichheit.Denn beispielsweise ein Außenspiegelsoll ja den selben Farbton haben wiedie Karosserie und nicht nur einen ähn-lichen.

Zwischen 80 und250 identische Farb-tafeln, die etwa dieGröße eines Reise-passes haben, liefertCOBS an den jeweili-gen Automobilherstel-ler. Dazu werden 600 x600 mm große Aluble-che beschichtet, an-schließend klein ge-schnitten. Und obwohldie Bleche mit jeweils

Roboter lackiert exakte FarbmusterUm Farbmuster-Bleche für die Automobilindustrie nach strengsten Vorgaben flexibel beschichten zu können, hat sich ein junges schwäbi-sches Unternehmen für eine neue vollklimatisierte Lackieranlage mitRoboter entschieden.

Ein- und Auslauf der Lackieranlage liegen nebeneinander und sind damit voneiner Person gleichzeitig zu bedienen

COBS setzt in seiner Lackierkabineeinen ex-geschützten Roboter vom TypRX Paint 90 ein

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dingtes Muss. Deshalb sind auch ent-sprechende Abschnitte der Anlage kli-matisiert. Die Zuluft wird mit engenToleranzen geregelt, wobei die Tem-peratur konstant zwischen 20 und24°C und die Luftfeuchtigkeit bei60% liegt. Immerhin zwölf Kubikme-ter Luft müssen pro Stunde aufbereitetwerden. Im Vergleich dazu arbeitenkonventionelle Lackieranlagen ledig-lich mit einer Heizung der Zuluft ohnedie Möglichkeit, auch die Luftfeuch-tigkeit beeinflussen zu können.

Allerdings gibt es durchaus Farben,die leichter einzustellen sind.Oughourlian: „Dunklere Farben sindimmer einfacher als helle. Nicht ganzeinfach sind seidenglänzende odermatte Farben, wie sie bei neuerenModellen immer wieder einmal vor-kommen.“ Bei den Musterkarten gehtes deshalb nicht nur um glatte, sondernauch um strukturierte Oberflächen mitsogenanntem Softfeel-Touch und spe-ziellen, von Hersteller zu Herstellerunterschiedlichen Narbungen.

Farbennur mit einem Verfahren prüfen

Was zählt, ist einzig die optischeWirkung. Über den Schichtaufbaubraucht man sich bei COBS keineGedanken zu machen. Denn den hatder Automobilhersteller zusammen mitdem Lacklieferanten schon festgelegt,bevor die Zulieferer ihre Farbmuster-karten bekommen. Mit der Festlegungdes Schichtaufbaus sind auch die phy-sikalischen Eigenschaften der Lack-oberfläche, wie beispielsweise Kratz-festigkeit, definiert.

Wie gut die Farbmuster sind, prüfenOughourlian und Singh mit dem Auge.Geprüft, oder besser: verglichen, wirdbei Tageslicht in einem weiß gestriche-nen Raum mit Nordfenster. Den bes-ten Vergleich erhält man, indem mandie Farbkarten wie ein Kartenspiel auf-fächert und Stück für Stück vergleicht.Auch die meisten Automobilherstellerprüfen nach diesem Verfahren. Audiallerdings misst mit einem 5-Winkel-Messgerät, wertet die einzelnen Mes-spunkte statistisch aus und kommt sozu vergleichbaren Ergebnissen.

Angaben schon gebaut – und doch istdie Anlage mit ihren Besonderheitenein Einzelstück.

Die Bleche oder 3D-Modelle wer-den von Hand aufgelegt. Anschließendwerden sie mit ionisierter Luft abge-blasen und kommen via Staurollenför-derer in den Reinraumbereich. In dieLackierkabine werden die Teile auto-matisch eingezogen und dort vomRoboter beschichtet. Dann folgt eineZwischentrockung und je nach Prozessbekommen die Teile eine weitereLackschicht oder werden in den Kon-vektionstrockner transportiert. DieTeile kommen dann staub- und griff-trocken aus der Anlage.

Den wesentlichen Unterschied zueiner konventionellen Anlage be-schreibt Thomas Häußler so: „DasSpritzgut bleibt auch bei mehrschichti-gem Aufbau im Reinraumbereich, bisder Lackierprozess inklusive Trock-nung abgeschlossen ist.“ Schon einegeringe Änderung der Luftfeuchtig-keit, weiß Oughourlian aus Erfahrung,kann bei einer solchen Farbtonvorlageeine Veränderung im Glanzgrad bedeu-

Claude Oughourlian weiß aber ausErfahrung, dass ein gemessenes, exak-tes Ergebnis durchaus von der visuel-len Einschätzung abweichen kann:„Beide Verfahren parallel einzusetzenfunktioniert nicht.“ Um auf Dauer einemöglichst gute Vergleichbarkeit zuhaben, sollte man sich auf eine einheit-liche Methode einigen.

Aus Standardmodulen maßgeschneidert

Thomas Häußler, der die Anlage beiSprimag konzipiert hat, behauptet:„Mit dieser Anlage ist ein Maximum anOberflächenqualität erreichbar.“ Des-halb sei das Konzept auch hervorra-gend geeignet für diesen Anwendungs-fall. Eine solche Anlage kann zwangs-läufig keine Standardanlage sein.

Kann sie doch, wenigstens in weitenTeilen! Zu mindestens 70 Prozentbesteht die Anlage aus Standardmodu-len; Einheiten, wie sie sich schonbewährt haben. Etwa 50 vergleichbareAnlagen hat Sprimag nach eigenen

3D-Lackierungen sindnur mit dem flexiblenRoboter zu schaffen.Anhand der „Frösche“,stilisierten Autokarosse-rien, ist die Farbwir-kung bei Rundungenund Übergängen gut zubeurteilen

Die beidenCOBS-Inha-ber BaljinderSingh undClaude Oug-hourlainbeurteilenzusammenmit ThomasHäußler,Sprimag, einfertig lackier-tes 3D-Modell (vonrechts nachlinks)

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steuerung ablegen, während man beieiner starren Achse – die für 3D-Modelle ohnehin nicht geeignet wäre –manuelle Einstellungen vornehmenmüsste.

Zur Flexibilität der Anlage gehörtauch die enorme Bandbreite unter-schiedlicher Lackarten, die verarbeitetwerden können. Oughourlian: „DieAnlage ist multifunktional ausgelegt.“Wässrige Lacke können ebenso verar-beitet werden wie Ein- oder Mehr-komponentenlacke. Dies, so Häußler,entspreche der Mehrzahl modernerProduktionsanlagen, die jetzt in Be-trieb gehen: „Es macht keinen Sinn,eine Anlage nur auf eine ganz be-stimmte Lackart auszulegen.“

Ebenso flexibel ist die Farbversor-gung. In den meisten Fällen wird derRoboter mit Farbe aus kleinen Druck-behältern (zirka 1 bis 1,5 Liter) ver-sorgt. Außerdem ist eine Ringleitunginstalliert, so dass mit Hilfe einerMembranpumpe auch aus Hobocks (25 kg) dosiert werden kann.

Bernhard Foitzik

wiegt das lange auf. Aufgrund der hän-genden Anordnung bietet der Raumrund um die zu beschichtenden Plat-ten und Modelle entsprechende Freiheiten. Die hängende Anordnunghat noch einen weiteren Vorteil: Da die Zuluft von oben kommt und dieFarbnebel unten aus der Zelle abge-saugt werden, bleibt der Roboter langesauber.

Die Reichweite des Roboters istgerade ausreichend bemessen, ebensodie Kabine um den RX Paint 90. Eingrößeres Gerät hätte eine größereKabine bedeutet und damit auch einengrößeren Volumenstrom aufbereiteterLuft – bei der notwendigen Qualitätder aufbereiteten Luft ein enormerKostenfaktor.

Ganz entscheidend für die zahlrei-chen Lackierversuche ist die Reprodu-zierbarkeit und Flexibilität des Robo-ters. So muss bei bestimmten Farbtö-nen die erste und zweite Lackschichtmit unterschiedlichem Pistolenabstandaufgetragen werden. Solche Parameterlassen sich einfach in der Roboter-

ten. Bei COBS ist das normalerweisegleichbedeutend mit Ausschuss.

Im Gegensatz zu Anlagen mit Mas-sendurchsatz spielen bei der Sprimag-Anlage bei COBS die Durchlaufzeitenkeine Rolle. Singh: „Wenn wir für eineCharge drei, vier Tage Einstellarbeitenbetreiben, dann ist es von untergeord-neter Bedeutung, wie viel Zeit wir fürdas Lackieren der Platten brauchen.“

Die Auswahl des Roboters habendie beiden COBS-Inhaber dem Anla-genbauer Sprimag überlassen. Für die wesentlichen Kriterien, nämlichReichweite und Ex-Schutz, habe eszum RX Paint 90 von Stäubli kaumAlternativen auf dem Markt gegeben,begründete Thomas Häußler die Aus-wahl. Geschwindigkeit und Wiederhol-genauigkeit hätten dagegen, wie beivielen Lackieranwendungen, eher kei-ne Rolle gespielt.

In der Lackierzelle ist der Roboterhängend angeordnet. Das schränktzwar die Reichweite des Roboters imVergleich zu einer Bodenmontagegeringfügig ein, aber der Platzgewinn

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Gleichmäßige Bedingungen in der Lackierkabine haben einen entscheidenden Anteil an der Reproduzierbarkeit derLackierungen. Hier ein Teil der Luftaufbereitungsanlage.

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