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Neurorehabilitation von Schlaganfallpatienten Roboter wirksamer als konventionelle Physiotherapie? Fragestellung: Ist ein Roboter in der Rehabilitation von Schlaganfallpatienten der konventionellen Physiotherapie über- legen? Hintergrund: Lähmungen der oberen Extremitäten treten häu- fig nach einem Schlaganfall auf und sind für die Patienten funk- tionell sehr belastend. Es soll untersucht werden, ob ein Robo- ter der neuesten Generation mit Bewegungsgraden in drei Ebe- nen der üblichen Physiotherapie in der Rehabilitation der mo- torischen Einschränkung überlegen ist. Patienten und Methodik: In einer prospektiven, multizent- rischen, randomisierten Untersuchung wurden Patienten mit einer mittelschweren bis schweren Armparese sechs Monate nach einem Schlag- anfall eins zu eins zu entwe- der roboterunterstützter oder konventioneller Physiothera- pie randomisiert. Insgesamt wurden 24 erapieeinheiten über einen Zeitraum von acht Wochen (drei pro Woche à 45 min) absolviert. Als primäre Be- obachtungsvariabel wurde die Änderung des Fugl-Meyer Wer- tes der oberen Extremität (FMA-UE) betrachtet (Erhebung bei Einschluss, nach vier, acht, 16 und 34 Wochen). Ergebnisse: Insgesamt 77 Patienten (38 Roboter-, 35 konven- tionelle Physiotherapie) konnten in einem Zeitraum von über drei Jahren randomisiert werden. Die motorische Funktion des betroffenen Armes besserte sich hinsichtlich des FMA-UE in der Gruppe der Robotertherapie besser als in der Gruppe, wel- che die konventionelle Physiotherapie absolviert hatte (F = 4,1, p = 0,041; mittlerer Unterschied im Punktwert von 0,78, 95%-Konfidenzintervall [KI] 0,03–1,53). Schwerwiegende Ne- benwirkungen wurden nicht registriert. Schlussfolgerungen: Die Neurorehabilitation der oberen Ex- tremität nach einem Schlaganfall mit Hilfe eines Roboters kann die motorische Funktion im Vergleich zur konventionellen Phy- siotherapie verbessern. Der absolute Unterschied des Punkt- wertes des FMA-UE und die Signifikanzwerte sind allerdings gering, sodass der klinische Nutzen in Frage gestellt werden muss. Kla m roth-Marganska V, Blanco J, Ca m pen K, Curt A et al. Three-di m ensional, task-specific robot therapy of the ar m after stroke: a m ulticentre, parallel- group rando m ised trial. Lancet Neurol 2014; 13: 15 9– 66 -Kommentar von Klaus Gröschel, Mainz Diejenigen identifizieren, die profitieren können Nach einem Schlaganfall resultieren häufig motorische Behin- derungen der oberen Extremität, die Alltagsaktivitäten er- schweren können. Intensive neurorehabilitative Therapien können für den Betroffenen einen großen Teil an Selbststän- digkeit durch eine Verbesserung der motorischen Funktion und von Bewegungsabläufen erbringen. In der hier vorgestellten randomisierten Studie wurde der Effekt eines Rehabilitationsrobotors der neuesten Generation im Vergleich zur konventionellen neurorehabilitativen Physio- therapie untersucht. Die Ergebnisse sind ermutigend, da es in der chronischen Phase des Schlaganfalles (eingeschlossen wurden die Patienten fast ein Jahr nach dem Akutereignis) in beiden Gruppen zu einer Verbesserung des FMA-UE Punkt- wertes kam. Auch wenn der höhere Punktwert keinen funktionellen Vor- teil bringen dürfte (der maximale Punktzuwachs lag im Mittel bei 3,25 Punkten, als minimaler Nutzen für eine klinische Ver- besserung werden 5 Punkte angesehen), so bietet sich hier eine Methode an, die zukünftig eine größere Rolle spielen könnte: Denkbar wären hier zum Beispiel Therapieeinheiten, die der Patient zu Hause absolvieren könnte, wenn solch ein Roboter transportabel sein könnte. Aber auch repetitive Übun- gen, für die nach einer Anlernung nicht zwingend Physiothe- rapeuten vor Ort anwesend sein müssten, dürften ohne Prob- leme umsetzbar sein, sodass eine höhere Therapiefrequenz für den Patienten erreicht werden könnte und personelle Res- sourcen geschont werden. In beiden Gruppen gab es Patienten, die sich durch die in- tensive Therapie um mehr als fünf Punkte verbessert haben. Insbesondere diese gilt es zu identifizieren und für eine The- rapie zu motivieren; wenn dies mit Hilfe einer roboterunter- stützten Therapie besser möglich ist, könnten diese Patienten schon heute klinisch profitieren. PD Dr. med. Klaus Gröschel, Mainz Geschäftsführender Oberarzt der Klinik und Poliklinik für Neurologie, Universitätsmedizin Mainz E-Mail: klaus.groeschel@unimedizin- mainz.de journal club 11 In|Fo|Neurologie & Psychiatrie 2014; 16 (4)

Roboter wirksamer als konventionelle Physiotherapie?

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Page 1: Roboter wirksamer als konventionelle Physiotherapie?

Neurorehabilitation von Schlaganfallpatienten

Roboter wirksamer als konventionelle Physiotherapie?Fragestellung: Ist ein Roboter in der Rehabilitation von Schlaganfallpatienten der konventionellen Physiotherapie über-legen?

Hintergrund: Lähmungen der oberen Extremitäten treten häu-� g nach einem Schlaganfall auf und sind für die Patienten funk-tionell sehr belastend. Es soll untersucht werden, ob ein Robo-ter der neuesten Generation mit Bewegungsgraden in drei Ebe-nen der üblichen Physiotherapie in der Rehabilitation der mo-torischen Einschränkung überlegen ist.

Patienten und Methodik: In einer prospektiven, multizent-rischen, randomisierten Untersuchung wurden Patienten mit

einer mittelschweren bis schweren Armparese sechs Monate nach einem Schlag-anfall eins zu eins zu entwe-der roboterunterstützter oder konventioneller Physiothera-pie randomisiert. Insgesamt wurden 24 � erapieeinheiten über einen Zeitraum von acht

Wochen (drei pro Woche à 45 min) absolviert. Als primäre Be-obachtungsvariabel wurde die Änderung des Fugl-Meyer Wer-tes der oberen Extremität (FMA-UE) betrachtet (Erhebung bei Einschluss, nach vier, acht, 16 und 34 Wochen).

Ergebnisse: Insgesamt 77 Patienten (38 Roboter-, 35 konven-tionelle Physiotherapie) konnten in einem Zeitraum von über drei Jahren randomisiert werden. Die motorische Funktion des betro� enen Armes besserte sich hinsichtlich des FMA-UE in der Gruppe der Robotertherapie besser als in der Gruppe, wel-che die konventionelle Physiotherapie absolviert hatte (F = 4,1, p = 0,041; mittlerer Unterschied im Punktwert von 0,78, 95%-Kon� denzintervall [KI] 0,03–1,53). Schwerwiegende Ne-benwirkungen wurden nicht registriert.

Schlussfolgerungen: Die Neurorehabilitation der oberen Ex-tremität nach einem Schlaganfall mit Hilfe eines Roboters kann die motorische Funktion im Vergleich zur konventionellen Phy-siotherapie verbessern. Der absolute Unterschied des Punkt-wertes des FMA-UE und die Signi� kanzwerte sind allerdings gering, sodass der klinische Nutzen in Frage gestellt werden muss.

Klamroth-Marganska V, Blanco J, Campen K, Curt A et al.Three-dimensional, task-specifi c robot therapy of the arm after stroke: a multicentre, parallel-group randomised trial. Lancet Neurol 2014; 13: 159 –66

−Kommentar von Klaus Gröschel, Mainz

Diejenigen identifi zieren, die profi tieren könnenNach einem Schlaganfall resultieren häu� g motorische Behin-derungen der oberen Extremität, die Alltagsaktivitäten er-schweren können. Intensive neurorehabilitative Therapien können für den Betro� enen einen großen Teil an Selbststän-digkeit durch eine Verbesserung der motorischen Funktion und von Bewegungsabläufen erbringen.

In der hier vorgestellten randomisierten Studie wurde der E� ekt eines Rehabilitationsrobotors der neuesten Generation im Vergleich zur konventionellen neurorehabilitativen Physio-therapie untersucht. Die Ergebnisse sind ermutigend, da es in der chronischen Phase des Schlaganfalles (eingeschlossen wurden die Patienten fast ein Jahr nach dem Akutereignis) in beiden Gruppen zu einer Verbesserung des FMA-UE Punkt-wertes kam.

Auch wenn der höhere Punktwert keinen funktionellen Vor-teil bringen dürfte (der maximale Punktzuwachs lag im Mittel bei 3,25 Punkten, als minimaler Nutzen für eine klinische Ver-besserung werden 5 Punkte angesehen), so bietet sich hier eine Methode an, die zukünftig eine größere Rolle spielen könnte: Denkbar wären hier zum Beispiel Therapieeinheiten, die der Patient zu Hause absolvieren könnte, wenn solch ein Roboter transportabel sein könnte. Aber auch repetitive Übun-gen, für die nach einer Anlernung nicht zwingend Physiothe-

rapeuten vor Ort anwesend sein müssten, dürften ohne Prob-leme umsetzbar sein, sodass eine höhere Therapiefrequenz für den Patienten erreicht werden könnte und personelle Res-sourcen geschont werden.

In beiden Gruppen gab es Patienten, die sich durch die in-tensive Therapie um mehr als fünf Punkte verbessert haben. Insbesondere diese gilt es zu identi� zieren und für eine The-rapie zu motivieren; wenn dies mit Hilfe einer roboterunter-stützten Therapie besser möglich ist, könnten diese Patienten schon heute klinisch pro� tieren.

PD Dr. med. Klaus Gröschel, Mainz

Geschäftsführender Oberarzt der Klinik und Poliklinik für Neurologie, Universitätsmedizin MainzE-Mail: [email protected]

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