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S280 Trauma und Berufskrankheit · Supplement 2 · 2001 Unter den auf der 16. Murnauer Un- falltagung am 1.7.2000 diskutierten Ver- fahren und therapeutischen Alternati- ven ist wohl keines, das in den vergan- genen 2 Jahren so kontrovers diskutiert wurde wie der Einsatz des Operations- roboters in der Chirurgie des Hüftge- lenkersatzes. Die Gründe hierfür sind vielfältig. Dazu gehören eine natürliche, emotional begründete Skepsis gegen- über dem Einsatz „unmenschlicher“, computergesteuerter Systeme am Men- schen, der aggressiv geführte Kampf um Markt- und Patientenanteile auf diesem Sektor und nicht zuletzt eine Grauzone bisher zahlenmäßig nicht erfasster spe- zifischer Komplikationen beim Einsatz des Operationsroboters. In den zahlreichen Diskussionsfo- ren um das Pro und Kontra des roboter- gestützten Hüftgelenkersatzes wurden mittlerweile die gängigen Argumente ausgetauscht, die sich auf die folgenden wesentlichen Punkte reduzieren lassen: 1. Für das robotergestützte Operations- verfahren [1, 2, 3] sprechen die dreidimensionale präoperative Operationsplanung, die exakte Umsetzung in das Opera- tionsergebnis [6], die Knochen schonende Fräsung des Schaftsitzes und eine verbesserte Osteointegration des Fremdmaterials; 2. Als Argumente gegen den Einsatz [7] werden genannt: die hohen Investitionskosten, die zusätzliche operative (Pinverfah- ren) und radiogene Belastung (CT), längere Operationsdauer und das damit verbundene erhöhte Infek- tionsrisiko, muskuläre und nervale Schäden der Glutealregion sowie schleichender Blutverlust. Im Eifer des Gefechts wird häufig eine zentrale Frage aus den Augen verloren: Führt die durch Planung und Fräsung erzielte höhere Kongruenz zwischen Implantatlager und Implantat über eine verbesserte Osteointegration des Implantats letztendlich zu einer längeren Standzeit der Prothese? Dann nämlich, so sind sich Gegner und Befürworter einig, wären die Investition und der persönliche Einsatz auf Seiten des Patienten und Operateurs auf jeden Fall gerechtfertigt. Diese Frage, auch darüber herrscht Einigkeit, kann erst nach einem Zeitraum der Erfahrung von 10–15 Jahren beantwortet werden. Es erschien uns daher wichtig, die- ses Verfahren elektiv schon jetzt dort zu nutzen, wo auch bereits nach den heuti- gen Kenntnissen eindeutige Vorteile des robotergestützten Verfahrens zu erken- nen sind. Es sind dies die Situationen mit völlig veränderten anatomischen Verhältnissen des proximalen Femurs Trauma Berufskrankh 2001 · 3 [Suppl 2]: S280–S285 © Springer-Verlag 2001 Therapeutische Alternativen Rudolf Beisse · Matthias Militz · Volker Bühren BG-Unfallklinik Murnau Robotergestützter Hüftgelenkersatz bei posttraumatischer Arthrose Dr. Rudolf Beisse Chirurgie/Unfallchirurgie, BG-Unfallklinik Murnau, Prof.-Küntscher-Straße 8, 82418 Murnau (E-Mail: [email protected], Tel.: 08841-482400, Fax: 08841-482600) Zusammenfassung Die Diskussion um die Sinnhaftigkeit des Einsatzes computergestützter Verfahren des Hüftgelenkersatzes bei der primären Kox- arthrose ist in vollem Gang und wird erst in 10–15 Jahren durch die dann vorliegenden Spätergebnisse abgeschlossen werden kön- nen. Zu den wesentlichen, auch heute schon unbestrittenen Vorteilen computergestütz- ter Verfahren der Robotik und Navigation gehören die detailgenaue Planung des ope- rativen Eingriffs und deren Realisierung in der eigentlichen Operation durch Fräsung des Prothesensitzes. Gerade posttraumati- sche oder postoperative Fehlstellungen, ehe- malige Implantatlager und Sklerosezonen des proximalen Femurs, die dem Operateur bei herkömmlicher manueller Implanta- tionstechnik in der Planung und Durchfüh- rung des Eingriffs Probleme bereiten kön- nen, stellen hier ein geeignetes Einsatzge- biet des Operationsroboters dar. Schlüsselwörter Hüftgelenkersatz · Operationsroboter · Operationsplanung

Robotergestützter Hüftgelenkersatz bei posttraumatischer Arthrose

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Page 1: Robotergestützter Hüftgelenkersatz bei posttraumatischer Arthrose

S280 Trauma und Berufskrankheit · Supplement 2 · 2001

Unter den auf der 16. Murnauer Un-falltagung am 1.7.2000 diskutierten Ver-fahren und therapeutischen Alternati-ven ist wohl keines, das in den vergan-genen 2 Jahren so kontrovers diskutiertwurde wie der Einsatz des Operations-roboters in der Chirurgie des Hüftge-lenkersatzes. Die Gründe hierfür sindvielfältig. Dazu gehören eine natürliche,emotional begründete Skepsis gegen-über dem Einsatz „unmenschlicher“,computergesteuerter Systeme am Men-schen, der aggressiv geführte Kampf umMarkt- und Patientenanteile auf diesemSektor und nicht zuletzt eine Grauzonebisher zahlenmäßig nicht erfasster spe-zifischer Komplikationen beim Einsatzdes Operationsroboters.

In den zahlreichen Diskussionsfo-ren um das Pro und Kontra des roboter-gestützten Hüftgelenkersatzes wurdenmittlerweile die gängigen Argumenteausgetauscht, die sich auf die folgendenwesentlichen Punkte reduzieren lassen:

1. Für das robotergestützte Operations-verfahren [1, 2, 3] sprechen– die dreidimensionale präoperative

Operationsplanung,– die exakte Umsetzung in das Opera-

tionsergebnis [6],– die Knochen schonende Fräsung des

Schaftsitzes und– eine verbesserte Osteointegration

des Fremdmaterials;2. Als Argumente gegen den Einsatz [7]

werden genannt:– die hohen Investitionskosten,– die zusätzliche operative (Pinverfah-

ren) und radiogene Belastung (CT),

– längere Operationsdauer und dasdamit verbundene erhöhte Infek-tionsrisiko,

– muskuläre und nervale Schäden derGlutealregion sowie

– schleichender Blutverlust.

Im Eifer des Gefechts wird häufig einezentrale Frage aus den Augen verloren:

Führt die durch Planung und Fräsungerzielte höhere Kongruenz zwischenImplantatlager und Implantat übereine verbesserte Osteointegrationdes Implantats letztendlich zu einerlängeren Standzeit der Prothese?

Dann nämlich, so sind sich Gegner undBefürworter einig, wären die Investitionund der persönliche Einsatz auf Seitendes Patienten und Operateurs auf jedenFall gerechtfertigt. Diese Frage, auchdarüber herrscht Einigkeit, kann erstnach einem Zeitraum der Erfahrung von10–15 Jahren beantwortet werden.

Es erschien uns daher wichtig, die-ses Verfahren elektiv schon jetzt dort zunutzen, wo auch bereits nach den heuti-gen Kenntnissen eindeutige Vorteile desrobotergestützten Verfahrens zu erken-nen sind. Es sind dies die Situationenmit völlig veränderten anatomischenVerhältnissen des proximalen Femurs

Trauma Berufskrankh2001 · 3 [Suppl 2]: S280–S285 © Springer-Verlag 2001 Therapeutische Alternativen

Rudolf Beisse · Matthias Militz · Volker BührenBG-Unfallklinik Murnau

Robotergestützter Hüftgelenkersatzbei posttraumatischer Arthrose

Dr. Rudolf BeisseChirurgie/Unfallchirurgie,BG-Unfallklinik Murnau,Prof.-Küntscher-Straße 8, 82418 Murnau(E-Mail: [email protected],Tel.: 08841-482400, Fax: 08841-482600)

Zusammenfassung

Die Diskussion um die Sinnhaftigkeit desEinsatzes computergestützter Verfahren desHüftgelenkersatzes bei der primären Kox-arthrose ist in vollem Gang und wird erst in10–15 Jahren durch die dann vorliegendenSpätergebnisse abgeschlossen werden kön-nen. Zu den wesentlichen, auch heute schonunbestrittenen Vorteilen computergestütz-ter Verfahren der Robotik und Navigationgehören die detailgenaue Planung des ope-rativen Eingriffs und deren Realisierung inder eigentlichen Operation durch Fräsungdes Prothesensitzes. Gerade posttraumati-sche oder postoperative Fehlstellungen, ehe-malige Implantatlager und Sklerosezonendes proximalen Femurs, die dem Operateurbei herkömmlicher manueller Implanta-tionstechnik in der Planung und Durchfüh-rung des Eingriffs Probleme bereiten kön-nen, stellen hier ein geeignetes Einsatzge-biet des Operationsroboters dar.

Schlüsselwörter

Hüftgelenkersatz · Operationsroboter ·Operationsplanung

Page 2: Robotergestützter Hüftgelenkersatz bei posttraumatischer Arthrose

Trauma und Berufskrankheit · Supplement 2 · 2001 S281

nach Trauma oder Korrektureingriffen,bei denen der präoperativen Planungund der exakten Umsetzung in das Ope-rationsergebnis die wesentliche Bedeu-tung für den späteren Sitz der Prothesezukommt.

Planung und Operationstechnik

Bei komplexen Fehlstellungen und Ver-formungen des Femurs empfiehlt sichdie Verwendung von Pins, die dem Fräs-computer als sichere Referenzpunktezur Umsetzung der Planung in die in-traoperative Fräsform dienen. Der ge-samte operative Vorgang vollzieht sichdemnach in den Schritten

∑ Implantation von 2 Pins, knie- undtrochanternah

∑ CT-Untersuchung mit standardisiertenSchnitten

∑ dreidimensionale Planung am Planungs-computer

∑ eigentlicher operativer Eingriff mit Frä-sen des Prothesenlagers

Pinimplantation

Die Pinimplantation (Abb. 1) wird inSpinalanästhesie oder Vollnarkose vor-genommen und dauert etwa 15 min. Beidem häufig zerklüfteten Knochen nachTrauma oder Korrektureingriffen ist da-bei auf eine sichere Verankerung derSchrauben im proximalen Femurab-schnitt zu achten, um Differenzmessun-gen durch eine Lockerung der Schraubezu vermeiden, was letztendlich zum Ab-bruch der computerunterstützten Ope-ration führen würde. Starke Beugekon-trakturen des Hüftgelenks können dazu

führen, dass sich der proximale und derdistale Pin außerhalb eines definiertenKorridors für die CT-Untersuchung be-finden und so die CT-Vermessung derPins erschweren oder unmöglich ma-chen.

CT-Untersuchung mit standardisierten Schnitten

Zur CT-Untersuchung sollte der Patientwach sein, um Bewegungsartefakte zuvermeiden und um eine exakte Erhe-bung der patientenbezogenen Femur-daten im CT hinsichtlich Länge, Durch-messer, Stärke der Kortikalis, Antekur-vation,Antetorsion,Schenkelhalswinkel,Drehmittelpunkt des Femurkopfs undder Knochendichteverteilung [2] zu er-möglichen. Diese Daten werden auf ei-nem magnetoptischen Medium gespei-chert, um sie in den Planungscomputereinzulesen.

Dreidimensionale Planung am Planungscomputer (Orthodoc)

Bei der Planung wird vom Operateur ei-ne Prothese aus einem Katalog verschie-dener virtueller Prothesen ausgesuchtund in das dreidimensionale Modell desOberschenkels eingesetzt (Abb. 2). Nocheinliegende Metalle und deren CT-Arte-fakte müssen herausgerechnet werden.Die ausgewählte, größenadaptierte Pro-these kann nun so lange exakt durch Dre-hung, Kippung, Translation und Höher-oder Tiefersetzen positioniert werden,bis ein für die individuelle Situation op-timaler Sitz resultiert. Die Planungsge-nauigkeit liegt nach Herstellerangabenbei 0,1° für die Rotation und 0,1 mm für

R. Beisse · M. Militz · V. Bühren

Computer-assisted hip arthroplasty in posttraumatic arthrosis

Abstract

Discussion on the use of computer-assistedprocedures in hip arthroplasty are in fullswing, and will not be closed for another10–15 years when the late results becomeavailable.The detailed planning of the oper-ation and its realisation during the operationitself through milling of the seat of the pros-thesis are some of the essential and stillundisputed advantages of the computer-as-sisted robotic and navigation techniques.Use of the operation robot is particularly ap-propriate in the presence of posttraumatic orpostoperative sequelae and malalignments,when former implant bearing sites are in-volved, and when there are zones of sclerosisin the proximal femur, which could causeproblems for a surgeon using the conven-tional implantation technique.

Keywords

Hip arthroplasty · Robotics · Computer-assisted surgery

Trauma Berufskrankh2001 · 3 [Suppl 2]: S280–S285 © Springer-Verlag 2001

Abb. 1 � a Ankylose des Hüftgelenks nach Umstellungsosteotomie mit einliegender Winkelplatte,b implantierter Pin vor computerassistiertem Hüftgelenkersatz

a b

Page 3: Robotergestützter Hüftgelenkersatz bei posttraumatischer Arthrose

die axiale Verschiebung und korreliertmit tierexperimentellen Studien [6].

Nach Beendigung der Planung wer-den die Daten auf ein Magnetband ge-schrieben und präoperativ in den com-puterunterstützten Fräsroboter eingele-sen (Abb. 3).

Operativer Eingriff mit Fräsen des Prothesenlagers

Der Patient wird in einer durch 4-Punkt-Abstützung gesicherten Seitenlage gela-gert. Standardmäßig wird ein hintererZugang zum Hüftgelenk verwendet. Ab-weichend vom Vorgehen beim konven-tionellen Hüftgelenkersatz werden nacheiner streng subkapitalen Osteotomie desSchenkelhalses zuerst der Schaft gefrästund dann die Pfanne implantiert. Es wirdsomit dem computerunterstützten Fräserüberlassen, die definitive Höhe der Oste-otomie des Schenkelhalses in Überein-stimmung mit der präoperativen Planunganzulegen. Gleichzeitig wird ein optima-ler Zugang zur Hüftpfanne geschaffen.

Um das Femur während des Fräs-vorgangs stabil zu halten, muss diesesunterhalb des Trochanter minor mit einerspannzangenartigen Vorrichtung um-fasst und starr an den Fräsroboter ange-koppelt werden. Zur Vermeidung vonNervenschäden wird strikt die zunächstempfohlene rechtwinklige Beugung desOberschenkels in der Hüfte vermiedenund auch auf eine Beugung des Kniege-lenks von etwa 40° zur Zugentlastungdes Ischiasnervs geachtet.

Nach dem Vermessen der Pins kannder eigentliche Fräsvorgang beginnen,der je nach Prothesentyp zwischen 17und 25 min dauert und unter ständigerKühlung und Spülung des Werkzeugsund des Knochens vonstatten geht. Nachder manuellen Vorbereitung des Pfan-nenlagers und der Implantation der Hüft-pfanne wird die Schaftprothese dann inden vom Fräser geschaffenen Hohlraumeingesetzt und dort mit einem leichtenHammerschlag in die endgültige Posi-tion gebracht.

Klinische Erfahrungen

In unserer Klinik wird der computer-unterstützte Hüftgelenkersatz seit 1 Jahran einem selektierten Krankengut durch-geführt. Der traumatologischen Ausrich-tung unserer Klinik entsprechend befin-den sich in unserem Klientel überwie-gend Situationen nach unfallbedingterZerstörung des Hüftkopfs und/oder derPfanne oder nach Korrekturosteotomiennach Trauma. Die meisten Patientenweisen eine komplexe und tief greifen-de Veränderung der Knochenform und -struktur und der räumlichen Ausrich-tung des proximalen Femurabschnittsauf. Primäre Koxarthrosen stellen denkleineren Anteil unseres Krankenguts.Als Schaftkomponente wird eine anato-mische Schaftprothese verwendet.

2 Fallbeispiele seien hier angeführt,um das praktische Vorgehen und die er-zielten Ergebnisse zu erläutern.

Kasuistik

Fall 1

Der 52-jährige Mann mit posttraumati-scher Femurkopfnekrose und nachfol-gender Rotations- und Valgisierungs-osteotomie mit Winkelplatte wies einefortgeschrittene Koxarthrose rechts mitBeinverkürzung von 1 cm und Außen-drehfehler von 30° auf. Klinisch bestan-den ein stark rechtshinkendes Gangbildsowie nahezu unerträgliche Dauer-schmerzen. Die Planung hatte hierbei

S282 Trauma und Berufskrankheit · Supplement 2 · 2001

Therapeutische Alternativen

Abb. 2 � Präoperative Planung:Optionen der virtuellen Positionie-rung des Prothesenschafts

Abb. 3 � Fräsvorgang

Page 4: Robotergestützter Hüftgelenkersatz bei posttraumatischer Arthrose

insbesondere die Korrektur der Dreh-fehlstellung zu berücksichtigen, diedurch Gegendrehung der Prothese zu er-zielen war. Dabei zu berücksichtigenund limitierend war die ausreichendeknöcherne Einbettung des Schafts imHinblick auf die veränderten anatomi-schen Verhältnisse. Die 2-stündige Ope-ration verlief komplikationslos, dieBeinlänge und die Rotation konntenkorrigiert werden.

Die 1-Jahres-Kontrolle zeigt den in-zwischen wieder voll im familienbetrie-

benen eigenen Restaurant tätigen Mannbei unauffälligem Gangbild schmerzfrei.Die 1-Jahres-Vergleichsaufnahmen desrechten Hüftgelenks lassen gegenüberden unmittelbar postoperativ erstellenRöntgenaufnahmen keine Sinterung derProthese erkennen (Abb. 4).

Fall 2

Die 33-jährige Motorradfahrerin hatte1998 ein Polytrauma mit zentraler Le-berruptur, Azetabulumfraktur rechts,

Beckenverletzung Typ C, drittgradigoffener Oberschenkelfraktur mit Abrissder A. und V. femoralis und Tibiakopf-fraktur links erlitten. Es wurden eineinitiale Notfalllaparotomie, Fixateur-externe-Anlage am Becken und am Ober-schenkel und Rekonstruktion der Ober-schenkelgefäße vorgenommen. Spätererfolgten der Verfahrenswechsel auf Ver-riegelungsmarknagel und die Osteosyn-these des Azetabulums. Es entwickeltesich eine posttraumatische Koxarthroserechts.

Die Indikation zum computerassis-tierten Verfahren wurde 1 Jahr nach demUnfall in Anbetracht der vorausgegan-genen Verriegelungsmarknagelung desOberschenkels mit sklerosiertem Nagel-lager gestellt.Gleichzeitig mit der Metall-entfernung des Nagels wurden die Pinsimplantiert. Die Operation verlief kom-plikationslos, die Operationszeit betrug110 min.

Die Kontrolle 8 Monate nach demHüftgelenkersatz zeigte die Patientin be-schwerdefrei von Seiten des rechten Beinsmit hinkfreiem Gangbild. Die Röntgen-aufnahmen des rechten Hüftgelenks 8Monate nach durchgeführtem Hüftge-lenkersatz zeigten eine regelrechte Im-plantatlage ohne Sinterungsnachweis(Abb. 5).

Ergebnisse

In einem 1-Jahres-Zeitraum wurden 25Eingriffe geplant, davon wurden 23 Pa-tienten computerassistiert operiert. Derjüngste Patient war 24 Jahre, der älteste68 Jahre alt.Verwendet wurde eine ana-tomische Schaftkomponente, die übereinen dorsalen Zugang zum Hüftgelenkimplantiert wurde. Die Indikation zumHüftgelenkersatz wurde 19-mal auf-grund posttraumatischer Folgezuständeund/oder Korrektureingriffen am pro-ximalen Femur und nur 6-mal wegen ei-ner primären Koxarthrose gestellt. In 2Fällen konnte die Operation nach er-folgter Pinimplantation und CT-Pla-nung nicht durchgeführt oder erfolg-reich beendet werden. In 1 Fall lag eintechnischer Defekt der Verbindungsstel-le von Computer und Fräsroboter zu-grunde, im anderen Fall die Feststellungeiner Messdifferenz bei der Pinvermes-sung, vermutlich wegen Pinlockerung.In beiden Fällen wurde die geplante Pro-these manuell implantiert.Bei den Kom-plikationen ist ein lokaler Infekt im Be-

Trauma und Berufskrankheit · Supplement 2 · 2001 S283

Abb. 4a–e � Fall 1, a klinische Drehfehlerbestimmung, b Koxarthrose nach Femurkopfnekrose undUmstellungsosteotomie, c CT-Transversalschnitt mit Planungsfigur, Klingenlager im proximalen Femur, d abgeschlossene präoperative Planung mit Längenausgleich und Drehfehlerkorrektur,e 1-Jahres-Vergleich des Prothesensitzes

a

c

b

e

dd

Page 5: Robotergestützter Hüftgelenkersatz bei posttraumatischer Arthrose

reich einer kniegelenknahen Pineintritts-stelle zu nennen. Die durchschnittlicheOperationszeit lag bei 2 h und 10 min.Sie liegt damit über dem in der Literaturangegebenen Durchschnitt von 90 min.Dies wird durch die z. T. erhebliche Aus-dehnung des Eingriffs durch die vorge-gebenen posttraumatischen Folgezu-stände, wie periartikuläre Ossifikatio-nen oder eine Ankylose des Hüftge-lenks, erklärt.

Diskussion

Der Einsatz des Operationsroboters inder Hüftchirurgie steht seit dessen er-stem Einsatz im Jahr 1994 in der Diskus-sion. Befürworter des Verfahrens sehen

im System Roboter die konsequenteUmsetzung anerkannter Lehrmeinun-gen bei der Vorbereitung und Durch-führung des Hüftgelenkersatzes:

∑ Erhöhung der Planungsqualität unterAusschöpfung der heute maximal mög-lichen Information,

∑ Verfeinerung und Standardisierung deroperativen Durchführung unter Mini-mierung des Gewebetraumas [5].

Gegner robotergestützter Verfahren stel-len dem

∑ das größere Trauma des Gewebes durchdie Notwendigkeit einer übermäßigenExposition des proximalen Femurs,

∑ die längere Operationszeit und die da-durch möglichen Schäden durch Infek-tion und

∑ das Muskel-, Nerven- und Gefäßtrauma

gegenüber.Dem Argument der 99%igen Pass-

genauigkeit des computergestützten Ver-fahrens und der dadurch zu erwarten-den Verbesserung der Osteointegrationwird entgegengehalten, dass eine derarthohe Kongruenz nicht erforderlich sei[7], da die Versagerquote auch bei derkonventionellen Technik ohnehin nur bei2% läge. Der für den Schritt der Schaft-lagervorbereitung erforderliche Auf-wand mit CT, Pinplatzierung und derausgedehnte operative Eingriff seien so-wohl vom Kosten- als auch vom Zeitauf-wand unverhältnismäßig hoch.

Einig sind sich Kritiker und Befür-worter des Verfahrens darin, dass es der-zeit kein anderes System gibt, das einederart genaue dreidimensionale Opera-tionsplanung und deren detailgenaueUmsetzung in das Operationsergebnisermöglicht wie das computerunterstütz-te Fräsverfahren. Die Folgen einer unge-nügenden Implantationstechnik im Be-reich des Gelenkersatzes sind hinläng-lich bekannt:

∑ veränderte Kraftverteilung,∑ negative Beeinflussung der Knochen-

reaktion mit der Folge des∑ vorzeitigen Materialabriebs und -ver-

schleißes [4].

Zur Vermeidung der eingriffsspezifi-schen Risiken, wie Fehlfräsung und demauf eine muskuläre, nervale oder knö-cherne Schädigung zurückzuführendenTrendelenburg-Hinken erscheinen unsdie folgenden Punkte wesentlich:

∑ Die Verwendung anatomischer Prothe-sen vermeidet eine unnötige Ablösungvon Muskulatur und die Resektion wich-tiger knöcherner Ansätze am Trochanterund damit die muskuläre Glutealinsuffi-zienz.

∑ Es sollte eine „moderate“ Lagerung desBeins mit 60° Beugung der Hüfte und40° Beugung des Kniegelenks zur Ver-meidung einer Überdehnung des N. ischiadicus und des N. gluteus super-ior (M. gluteus medius und M. tensorfasciae latae) gewählt werden. Mögli-cherweise ist hier auch der dorsale Zu-gang von Vorteil, der eine gute Exposi-

S284 Trauma und Berufskrankheit · Supplement 2 · 2001

Therapeutische Alternativen

Abb. 5a–e � Fall 2, a Polytrauma mit komplexer Verletzung des Beckens und des rechten Oberschen-kels, b Ausheilungsergebnis nach Oberschenkelnagelung und Gefäßrekonstruktion, c Sklerose derNagellagerung nach Metallentfernung, d Planungsfigur, e 8-Monats-Vergleich des Prothesensitzes

a

b

e

c

d

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Trauma und Berufskrankheit · Supplement 2 · 2001 S285

tion des proximalen Femurs ohne extre-me „Verrenkung“ des Oberschenkels er-möglicht.

∑ Der Verzicht auf die Pinlessmethode beikomplexen anatomischen Veränderun-gen des proximalen Femurs hilft Fehl-fräsungen zu vermeiden.

Resümee

Zu den schon heute unbestrittenen Vor-teilen des computer-assistierten Ge-lenkersatzes gehören die detailgenauepräoperative Planung und deren exakteUmsetzung in das operative Ergebnis.Die Kombination von fortgeschrittener

Koxarthrose und posttraumatischer Fehl-stellung der hüftgelenknahen Femur-region oder ein Zustand nach Korrek-turosteotomie stellen ein geeignetes Ein-satzgebiet für das computergestützteVerfahren dar, bei dem die Besonder-heiten dieser Technik in vollem Umfanggenutzt werden können.

Literatur1. Börner M (1997) Computerunterstützte Chi-

rurgie. Unfallchirurg 100: 689–6912. Börner M, Bauer A, Lahmer A (1997) Rechner-

unterstützter Robotereinsatz in der Hüftendo-prothetik. Orthopäde 26: 251–257

3. Börner M, Bauer A, Lahmer A (1997) Computer-unterstützter Robotereinsatz in der Hüftendo-prothetik. Unfallchirurg 100: 640–645

4. Hein W, Birke A, Hube R (2000) Roboterchi-rurgie – Weg in die Zukunft oder Fehlinvesti-tion. Implant 1: 3–4

5. Hennig F (1998) Computergestützter Gelenk-ersatz – Pro und contra. 62. Jahrestagung derDGU, Berlin, 1998

6. Jerosch J, Hasselbach C von, Filler T, Peuker E,Rahgozar M, Lahmer A (1998) Qualitätssteige-rung in der präoperativen Planung und intra-operativen Umsetzung durch die Verwendungvon computerassistierten Systemen und Ope-rationsrobotern – eine experimentelle Unter-suchung. Chirurg 69: 973–976

7. Kirschner P (1998) Computergestützter Ge-lenkersatz – Pro und Contra. 62. Jahrestagungder DGU, Berlin, 1998