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Röm. VIII 18 ff als exegetisches Problem der Dogmatik Author(s): Uwe Gerber Source: Novum Testamentum, Vol. 8, Fasc. 1 (Jan., 1966), pp. 58-81 Published by: BRILL Stable URL: http://www.jstor.org/stable/1560160 . Accessed: 14/06/2014 14:11 Your use of the JSTOR archive indicates your acceptance of the Terms & Conditions of Use, available at . http://www.jstor.org/page/info/about/policies/terms.jsp . JSTOR is a not-for-profit service that helps scholars, researchers, and students discover, use, and build upon a wide range of content in a trusted digital archive. We use information technology and tools to increase productivity and facilitate new forms of scholarship. For more information about JSTOR, please contact [email protected]. . BRILL is collaborating with JSTOR to digitize, preserve and extend access to Novum Testamentum. http://www.jstor.org This content downloaded from 91.229.229.49 on Sat, 14 Jun 2014 14:11:58 PM All use subject to JSTOR Terms and Conditions

Röm. VIII 18 ff als exegetisches Problem der Dogmatik

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Röm. VIII 18 ff als exegetisches Problem der DogmatikAuthor(s): Uwe GerberSource: Novum Testamentum, Vol. 8, Fasc. 1 (Jan., 1966), pp. 58-81Published by: BRILLStable URL: http://www.jstor.org/stable/1560160 .

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ROM. VIII I8 ff ALS EXEGETISCHES PROBLEM DER DOGMATIK

VON

UWE GERBER Tiibingen

Einleitung Wenn viele der Schiiler R. BULTMANNS heute den existenzial-

ontologischen Ansatz des Lehrers von exegetischen und dogmati- schen Gesichtspunkten her zu iiberwinden suchen, dann geschieht das auf dem Felde der Phanomene wie der Anthropologie: Indi- vidualismus und Selbstverstandnis gegeniiber der Person als leibhaftiger Existenz in der Kommunikation, wie der Geschichte: Punktualismus gegeniiber einem Sinnzusammenhang von Ver- gangenheit, Gegenwart und Zukunft, wie des Weltverstandnisses: Entweltlichung gegeniiber Sendung in die eschatologisch bestimmte Welt, des Verstandnisses von Rechtfertigung: ausschlieBlich Sote- riologie, also die Gerechtigkeit Gottes als Genetivus obiectivus verstanden, gegeniiber einer soteriologisch ausgelegten Christologie, d.h. Gerechtigkeit Gottes als Genetivus subiectivus und obiectivus verstanden. Man k6nnte noch auf den paradoxalen Dualismus von Faktum und Bedeutsamkeit, Natur und Geschichte (Geschicht- lichkeit), letztlich von Gesetz und Evangelium hinweisen. Getragen werden diese Kritiken zuvorderst von einer dem Neuen Testament entsprechenden Interpretation von Geschichte, welche die Pro- bleme der Anthropologie und des christlichen Weltverstandnisses mit auslegt.

Wir wollen an Hand einer Exegese von R6mer viii 18-22 den

exegetischen Hintergrund dieser Kritik aufweisen, um das Gesprach fiber das Problem der Eschatologie zu begriinden. Denn, wird Theologie hier und jetzt im Horizont der futurischen Eschatologie getrieben, dann erhalten die Anthropologie und die Interpretation der Welt (nicht als Weltbild!) einen eschatologisch-universalen Charakter.

I) Exegese von Romer viii 18-22

Diese Verse gehoren in den Gesamtkomplex VV I8-30: Die

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ROM. VIII ALS EXEGETISCHES PROBLEM DER DOGMATIK

siegreich inmitten der Leiden des gegenwartigen Kairos sich

behauptende Herrlichkeitshoffnung der Glaubenden wird durch 4 Hinweise theologisch begriindet und verstandlich gemacht 1). Diese

4 Strukturmomente des Seins des Glaubenden im Geiste als Stand in der Herrlichkeitshoffnung legt Paulus in VV. I9-22: der Mensch und die Sch6pfung, VV. 23-25: der Mensch in der Hoffnung, VV. 26-27: die g6ttlichen Vollendungskrafte sind jetzt schon durch den Geist am Werk, und in VV. 28-30 dar: die vollendete Herr- lichkeit der auf Hoffnung Berufenen ist als VerheiBung jetzt schon vollzogen, aber noch nicht offenbar 2).

Paulus parallelisiert in diesem ganzen Abschnitt Pneuma und Pistis bzw. Elpis unter dem Aspekt des Schon-Jetzt und Noch-

Nicht, ein fur den Hellenisten wie fiir den Juden unertragliches Theologumenon. Denn fur Ersteren ist allein das Pneuma himmlisch, und zwar jetzt schon als vollendetes, wenn auch noch im Leibe

gefangenes Pneuma; fur Letzteren bleibt die Geistgabe eine rein futurische Erwartung. Gegen die Hellenisten betont nun Paulus teilweise mittels hellenistischer Terminologie 3), daB die Gegenwart des Heiles nicht in Erlebnissen aufgeht, sondern der Mensch hier und jetzt auf die Zukunft Gottes hin ausgerichtet bleibt, zum Gehorsam und zur Hoffnung aufgerufen wird gerade in den gegen- wartig anfechtenden Leiden. Er durchbricht die rein prasentische Pneuma-Mystik der Hellenisten von der futurischen Eschatologie resp. der Elpis her 4). Gerade weil das Eschaton schon angebrochen

1) Vgl. 0. Kuss, Der R5mer-Brief, Regensburg I959, S. 619; C. H. DODD, The Epistle of Paul to the Romans, London 1954, S. 132 ff. (VV. 18-25: The

hope of Glory); E. GAUGLER, Der Brief an die Romer, Zurich I958 (I. Teil), S. 293 ff. zu VV. I8-30: Die Unterpfander der christlichen Hoffnung; K. BARTH, Der Romerbrief, Ziirich I963, S. 231, teilt ein in VV 12-27: Das

Gegenwartige; A. SCHLATTER, Gottes Gerechtigkeit. Ein Kommentar zum Romerbrief, Stuttgart 1935, S. 267 ff. zu VV I8-30: Das Hoffen der Glau- benden; 0. MICHEL, Der Brief an die Romer, G6ttingen I963, S. 200 ff. zu VV. 18-27: Geist und Erlisung (S. 201 Anm. I); vgl. G. BORNKAMM, Ges. Aufsdtze II, Miinchen 1959, S. 209 f. zu R6m. viii, 18; 0. CULLMANN, Die

Christologie des Neuen Testaments, Tiibingen I963, S. 282, 300; dagegen W. GRUNDMANN, ZNW 47 (1956) S. 113 ff., liber 'Sohn Gottes'.

2) 0. Kuss, S. 620 f.; E. GAUGLER, S. 296; A. SCHLATTER, S. 269. 3) Vgl. J. MOLTMANN, Theologie der Hoffnung, Miinchen 1964, S. 148 f.:

"Zuletzt ist zu beachten, daB Paulus weniger um einen Ausgleich von prasentischer und futurischer Eschatologie, also um einen Ausgleich von Apokalyptik und Hellenismus bemiiht ist. Der Sinngehalt der hellenistischen Vorstellung von der Gegenwart des Ewigen wird von ihm vielmehr futuri- siert und auf das noch ausstehende Eschaton angewendet"; R. BULTMANN, Glauben u. Verstehen III, S. 35, 39, 47, 50, 199 ff.

4) Vgl. RGG3 II, Sp. 670 (H. CONZELMANN, Eschatologie"): "Auf der

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ist, stehen die Glaubenden sowohl in der Hoffnung unter der VerheiBung Gottes als auch im Glauben und in der Liebe, und das heiBt in der Gefahrdung durch das kommende Gericht Gottes.

Dem Juden gegeniiber weist Paulus auf das Schon-Jetzt, auf das Angeld des Geistes hin, auf das Pneuma als Stellvertreter der mit Seufzen Hoffenden. Die jiidische rein futurische Eschatologie durchbricht Paulus von der soteriologisch ausgelegten Christologie her, von dem Skandalon des gekreuzigten Erlisers, dem Christus praesens als dem Christus praedicatus her. In diese Heilsgeschichte - diesen Begriff muB die Exegese erst prazisieren und die dogma- tische Theologie in den Konsequenzen ausweisen - reiht Paulus den Menschen mit seiner gesamten Umwelt ein: Mensch und Welt (Natur) sind als Sch6pfung Gottes geschichtlich-theologisch zu verstehen.

So ergeben sich fur unsere Einzelexegese drei Eckpunkte, die unloslich miteinander verbunden sind: Geschichte, Mensch und Natur (Welt) als Setzungen Gottes 1).

Vers i8

V. I8 ist mit V. 17 zusammen Uberleitung von dem Abschnitt VV. I0-I7 her: Das Sein im Geiste als Leben der Gotteskindschaft. Zugleich aber ist V. I8 UJberschrift fiir VV. I9-30: Das Sein im Geist als Leben der Gotteskindschaft in der Hoffnung 2). Der im Kommen begriffenen, erhofften Herrlichkeit gegeniiber sind die gegenwartigen Leiden bedeutungslos, fallen sie nicht ins Gewicht. Hier droht bei Paulus die Erl6sungsvorstellung der jiidischen Apokalyptik die theologia crucis zu iiberspielen. Diesen Wider- spruch kann Paulus in dieser Perikope (und auch sonst!) nicht aufheben.

SaLoq hat demzufolge nicht einen moralischen Sinn, sondern eminent eschatologischen: die noch verbleibende, kurze gegen- wartige Zeit wird durch das Leiden um Christi willen bestimmt 3).

anderen Seite wirkte das Festhalten am zeitlichen Ausblick auf die Parusie immer wieder der gnostischen Entgeschichtlichung des Welt- und Erlisungs- verstandnisses entgegen"

1) Vgl. O. CULLMANN, Christus und die Zeit, Ziirich 1962, S. I00 ff. 2) 0. MICHEL, S. 200 mit Anm. I, S. 201; gegen E. GAUGLER, S. 295. 3) 0. MICHEL, S. 20I mit Anm. 2; vgl. G. BORNKAMM, Ges. Aufsdtze I,

S. 209: Aus der promissio Dei erwacht ,,der Gehorsam, der sich auch unter Gottes unbegreiflichen Willen beugt, aber auch die Freude und die Hoffnung, die dem Kommenden sich entgegenstreckt"; A. SCHLATTER, S. 268 f.; K. BARTH, 238 f.

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Und zwar bedeuten diese messianischen Wehen nichts gegeniiber der erhofften, weil verheissenen Herrlichkeit.

,,Die gegenwartige Zeit ist nicht einfach ,Gegenwart'. Das ware ein v6llig unbestimmter, im besten Fall philosophischer Begriff, dem eine ebenso unbestimmte Zukunft wieder entsprache. ,Die gegenwartige Zeit' ist die Zeit, die mit dem Kommen des Herrn ihr Ende nimmt. Damit sind auch ihre Leiden von Gott im Sinne der festen VerheiBung begrenzt". (E. GAU- GLER, S. 296).

Das Mit-Christus-Leiden und -Sterben wird den Hoffenden zum Mit-Christus-Verherrlichtwerden fiihren 1). Mit Christus ist namlich fur Paulus nicht das Ende der Geschichte, also auch nicht des Gesetzes prasent; im Glauben an den schon Auferstandenen lebt die christliche Existenz noch nicht im Eschaton, in der Vollen-

dung 2). Paulus erwartet das Eschaton als die Parusie des Gekom- menen, als die nach dem v5v xacp6o hereinbrechende Verherr-

lichung nicht aus einer Zukunft, die sich als Zukiinftigkeit je meiner Existenz erweist. Er erwartet das Eschaton als futurisch-

eschatologische Zukunft 3). Diese Zukunftshoffnung laBt dem Glaubenden gerade die gegenwartige Existenz ertraglich und sinn- voll werden 4). Die gegenwartige Offenbarung des Evangeliums und des Zornes Gottes (i I7 f.) wird nur verstandlich von der zukiinftigen Offenbarung der Herrlichkeit Gottes und seiner S6hne her. Die Parusie des Kyrios wird als Zukunft Gottes ,anderes' fiber das

1) Vgl. O. Kuss, S. 619; LEENHARDT, L'Epitre de Saint Paul aux Romains, Neuchatel/Paris 1957 (Commentaire du NT VI), S. 124; E. GAUGLER, S. 297; K. BARTH, S. 238-241; A. SCHLATTER, S. 268 f.; E. FUCHS, Ges. Aufsdtze I, Tiibingen I959, S. 192 f., 259; 0. CULLMANN, Christologie des NT, S. 282, 300.

2) Vgl. R. BULTMANN, Geschichte und Eschatologie, Tiibingen 1958, S. I64-184, S. I69: ,,Offen aber ist die Zukunft, weil sie den Gewinn oder Verlust des eigentlichen Seins bringt und die Gegenwart zu einem Augenblick der Entscheidung macht"; S. 182 ff. zeigt sich ebenfalls diese Reprasentierung der Eschatologie als Verkiirzung der futurischen Eschatologie; Eschatologie (T,& XCaTCa) bedeutet zunachst das futurisch-zukiinftig Letzte. Wir nehmen zur Verdeutlichung des verhandelten Problems die uns geeignet scheinenden Termini ,prasentische' und ,futurische' Eschatologie im Sinne des Schon- Jetzt und Noch-Nicht; vgl. O. CULLMANN, Christus und die Zeit, S. 72, 93 (Kritik an BULTMANN); G. HASENHtUTTL, Der Glaubensvollzug. Eine Be- gegnung mit R. BULTMANN aus katholischem Glaubensverstandnis, Essen 1963, S. 69-74 (Darstellung von BULTMANNS Geschichtsbegriff).

3) DaB Paulus in i Thess. sein Apostolat im Rahmen der Naherwartung versteht, in R6m. nicht mehr in diesem Sinne, tut hier nichts zur Sache.

4) K. BARTH, S. 293 (es handelt sich hier um die i. Aufl. von I919, denn in der 2. von 1921 treten die dynamischen und kosmologischen Aussagen der Eschatologie erheblich zuriick; vgl. J. MOLTMANN, Theologie der Hoffnung, S. 43 f.).

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hinaus offenbaren, was der Glaubende jetzt schon im Geiste ist: Kind und Sohn Gottes. Doch restringiert Paulus die dahinterste- henden Gedanken der jiidischen Apokalyptik fiber die Gescheh- nisse der Parusie auf die Korrelatbegriffe Geist und Glaube bzw.

Hoffnung. Doch geht es Paulus dabei wiederum nicht um die einfache Reparation und Restitution der Sch6pfungszeit, des Urstandes, des Paradieses. Dann verbliebe er im Schema der jiidi- schen Apokalyptik. Es geht um die Offenbarwerdung der 'neuen

Sch6pfung', der v6llig neuen Sch6pfung.

,,GewiB ist die xoCLv3 &lac0OxY auch eine 8tca Lx0 , gewiB ist das (jPLa 7veu.aTL- xov auch ein oaica, und gewiB ist auch die XOCLv31 xraoLq eine XTLCGq. Aber entschei- dend in alien diesen spannungsgeladenen Formulierungen ist nicht der Zusammenhang mit dem 'Alten' (,r& &pXaca), nicht die Identitat, Kontinuitat oder gar Restitution, sondern entscheidend ist das Neue, der Bruch, die Antithese, die Inkommensurabilitat, das totaliter aliter". (W. SCHRAGE, ZThK 6I (1964) S. I52). Vgl. hiergegen R. BULTMANN, Theologie des NT, Tiibingen 1958, S. 193 ff., Begriff des a7opa in der Theologie des Paulus; Glauben u. Verstehen I, S. 38-64: Karl Barth 'Die Auferstehung der Toten', v.a. S. 52: "Es erscheint mir nun ebenso sicher, daB Paulus in i Kor. xv von einer solchen Schlul3geschichte redet, wie, daB er in Wahrheit nicht von ihr reden kann und will. M.a.W. man kommt bei i Kor. xv nicht ohne durch- gehende Sachkritik aus... Was fur spatere christliche Eschatologen von BARTH zugestanden wird, daB sie aus dem biblischen Material eine in Wahr- heit gar nicht endgeschichtliche SchluBgeschichte konstruieren, gilt auch fiir Paulus, der sein Material der jiidischen bzw. jiidisch-gnostischen (sc. wie in Rom. viii I8 ff.) Apokalyptik entnimmt.... DaB auch wir als Kritiker vielleicht nicht weiter kommen als er, entbindet nicht von der Pflicht zur Kritik"; vgl. Kerygma und Mythos I, 1948, S. 206.

VV. I8 ff diirfen so weder als Privatmeinung noch als Parainese noch als apokalyptischer Lehrsatz verstanden werden, sondern als Glaubensbekenntnis des Menschen im Stande der Hoffnung 1). Es sind auch keine ,,dunklen Worte", die auf einen jiidischen bzw.

jiidisch-gnostischen Mythos zuriickgehen und denen keine existenz- iale Bedeutung abzugewinnen ist 2). Sie miissen fiir BULTMANN und DODD ,dunkel' bleiben, weil sie von der futurisch-eschatolo-

gischen Qualifizierung des prasentisch-eschatologischen Glaubens, von der Hoffnungsqualitat des Glaubens, von dem Offenbarwerden

1) 0. Kuss, S. 616: Der parainetische Komplex VV. 12-17 lauft in eine theologische Explikation aus (VV. I8-30); CALVIN versteht den Text als Parainese, Institutio S. 666 (Deutsch von 0. WEBER, Neukirchen 1955); F.-J. LEENHARDT, S. 124: ,,Paul ne donnera pas seulement une opinion, mais un einseignement dont il a pese les donnees"; 0. MICHEL, S. 201 (zu VV. 19-23).

2) Gegen R. BULTMANN, NT-Theologie, S. I77, 230; vgl. ebenso C. H. DODD, S. 134.

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der im Glauben hoffenden Gotteskinder am Ende der Zeit mit der Ankunft Jesu Christi, weil sie vom Sichtbarwerden der VerheiBung Gottes in der Neuschbpfung sprechen 1); weil sie davon reden, da3 das neue Leben in der Herrlichkeit schon jetzt in Gott und von ihm her fur die Gotteskinder real existiert und erst mit der Parusie des Herrn offenbar, sichtbar, anschaulich werden wird. (vgl. I Kor. xiii 12 f, I Kor. xv I2 ff) 2).

Paulus expliziert die Anthropologie zwar im Rahmen der Apoka- lyptik, wodurch er eine ausschlieBlich am Individuum orientierte und nur von der Zukiinftigkeit her qualifizierte, letztlich geschichts- lose Anthropologie korrigiert 3). Gegen die enthusiastischen Gnos- tiker in Korinth, die sich jetzt schon ihres Besitzes der Pneuma-

Auferstehung briisten, stellt Paulus den eschatologischen Vor- behalt. Von der Apokalyptik her schlagt er sie zuriick. Die jiidische vornehmlich kollektivistisch orientierte, rein futurische und apo- kalyptisch bestimmte Eschatologie weist er aber wiederum von

1) K. BARTH, S. 241 schlieBt so V. I8 ab: ,,Gottvertrauen und Escha- tologie sind nicht voneinander zu trennen".

2) Vgl. R. BULTMANN, Das Evangelium des Johannes, G6ttingen 1962, wo die futurisch-eschatologischen und sakramentalen Elemente als sekundare Interpolationen eliminiert werden, um die Reinform der prasentischen Eschatologie eruieren zu k6nnen; Rezension durch E. KXSEMANN, Verk. und Forschung I946, S. I82-20I; O. CULLMANN, Urchristentum und Gottes- dienst, Zurich I962, V.a. Vorwort zur 2. Auflage.

3) Vgl. hiergegen R. BULTMANN, ,,Geschichte und Eschatologie im NT", Glauben u. Verstehen III, S. 99-I02, S. I02: ,,Die einzige Stelle, die iber diese individuelle Hoffnung hinausgeht, ist Rom. viii I8-25 ... Aber es ist charak- teristisch, daB hier die Natur anthropomorph gesehen ist; und auch hier wird nicht nach der Zukunft des Volkes oder der Volker gefragt. Dieser Blick in die Zukunft ist nicht der Blick in eine neue Geschichte. Christus, der das Ende des Gesetzes ist, ist gleichzeitig das Ende der Geschichte ... In der jiidischen Apokalyptik wird die Geschichte vom Standpunkt der Eschatologie aus interpretiert. Bei Paulus ist die Geschichte in die Eschatologie unter- gegangen. Damit hat aber die Eschatologie ganzlich ihren Sinn als Ziel der Geschichte verloren und ist im Grunde als Ziel des individuellen mensch- lichen Seins verstanden"; vgl. P. VOLZ, Die Eschatologie der jiidischen Gemeinde im neutestamentlichen Zeitalter, I934, v.a. S. I ff.+I2I ff.; O. CULLMANN, Christus und die Zeit, S. 146 f.; STRACK-BILLERBECK, Exkurse II (I928), v.a. S. 992 f.; G. FOHRER, Prophetie und Geschichte, ThLZ 89 (I964) Sp. 48I ff. (mit Literatur); J. MOLTMANN, Theol. d. Hoffnung, v. a. S. I20 ff.; W. PANNENBERG, Offenbarung als Geschichte, G6ttingen I96I, v.a. S. Io3 ff.; wahrend v. RAD (Theologie des AT, Bd. II, S. 125 ff.) die apokalyptische Eschatologie als Aktualisierung alterer kosmologisch- mythologischer Schemata bezeichnet (v.a. S. 320 ff.), spricht PANNENBERG von einem ersten, genuin prophetisch-eschatologischen Entwurf in welt- geschichtlich-universalem Rahmen (S. Io3 f.).

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der Christologie her zuriick, von der in Jesu Christi Tod und Aufer-

stehung geschehenen Aonenwende her.

,,So wie Paulus von der Christologie her die Apokalyptik korrigierte, so korrigiert er von der Apokalyptik her eine allein am Individuum und an der Erl6sung des einzelnen orientierte, ja iiberhaupt eine rein anthropologisch ausgerichtete Soteriologie (vgl. R6m. viii i8 ff.)". (W. SCHRAGE, ZThK

1964, S. I27 f.).

Betrachten wir die Ethik des Paulus unter diesem Aspekt, dann heiBt es nicht, daB das Weltende fur den Christen da ist, daB er

jetzt schon als ,Entweltlichter' lebt. Im Gegenteil hat nach Paulus der Christ die Welt in ihrem Vergehen (7rapaysLv), in ihrer Quali- fizierung durch das Eschaton (Neue Erde) 1) zu sehen und sie '(s [z' zu beniitzen in der Verantwortung angesichts des Eschaton. 2) Die

futurisch-eschatologischen Motive des Schopfungsglaubens, des

eschatologischen Vorbehaltes und des apokalyptisch verstandenen Weltendes sind die drei Strukturmomente der Verantwortlichkeit des Christen den Mitmenschen und der Welt gegeniiber. So stellt Paulus in V. I8 die Anthropologie, dann in V. 19 die ganze Welt

(Mensch und auBermenschliche Welt als Sch6pfung Gottes) in diesen Geschichtsrahmen.

Vers I9

Was bedeutet die 'xTLatq' in diesem Zusammenhang? Zunachst

jedenfalls nicht 'xK6aoq' als die unerloste Welt im hamartiologisch qualifizierten Sinne, sondern die Sch6pfung, das geschaffene Ord-

nungsgefiige im Sinne von R6m. i I8 ff; also nicht den 'x6atoq ov'roq' als 'To vvv xoup6', als Epoche und Raum der Verfallenheit des Menschen auBerhalb Christus, sondern eben das ,ex nihilo' Geschaf- fene. A. Schlatter sieht in der 'x%TirL' die Personifikation der Menschenwelt im Gegensatz zum nicht - bzw. auBermenschlichen Kosmos 3). ALTHAUS, BARDENHEWER, GAUGLER, LIETZMANN, TAY-

1) Vgl. H. SASSE, ThWB III, S. 885 (,,Kosmos"), zeigt, daB bei Paulus und im ganzen NT nirgends der Begriff 'x6apLoq' fur die Umschreibung der zukiinftigen Welt beniitzt wird, so daB das apokalyptische Schema von Protologie-Eschatologie im NT (aber sicher bei Paulus) fehlt; so muB also auch die Diskontinuitat von ,aC[ca' und ,atoca 7rvzuctxLzxov' gegen BULTMANN herausgestellt werden (v.a. Glauben u. Verstehen I, S. 38 ff.; NT-Theologie, S. I93-203); vgl. W. SCHRAGE, ZThK 1964, S. 136 f. Anm. 28.

2) Vgl. W. SCHRAGE, ZThK I964, S. 125 ff. (Die Stellung zur Welt bei Paulus, Epiktet und in der Apokalyptik).

3) A. SCHLATTER, S. 269 ff.; vgl. W. GUTBROD, Die paulinische Anthro- pologie, 1934, S. 17; E. GAUGLER, S. 299 (Sichtbare, unverniinftige Kreatur;

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LOR u.a. interpretieren auf die Gesamtsch6pfung unter AusschluB des Menschen.

W. FOERSTER, ThWB III, S. 999 ff., z. Stelle S. 1027: Ktisis kann be- deuten a) den Akt des konkreten Schaffens (R6m. i 20); b) das Gesch6pf (R6m. viii 39; Kol. i 15), und c) die Sch6pfung, und zwar entweder mit dem Akzent auf der Menschheit wie 6fter im Rabbinat (vgl. Mk. xvi 15; Kol. i 23) oder auf der belebten und unbelebten, aber auBermenschlichen Natur (R6m. i 25, viii 19-22) - SO gegen GUTBROD und A. SCHLATTER in Anm. 196: ,,Dieser auch in LXX auftretende Sprachgebrauch bietet ein grofBes Ratsel, da er weder Parallelen im Griechischen noch im Rabbinischen hat"; S. 1030 f. zu R6m. viii I9 f. Im NT kommt 'xrtaqS' I9 mal vor: Mk. x 6 ent-

spricht Genesis i; Mk. xvi 15: alle Menschen; R6m. i 20: als Akt der Sch6p- fung (Gen. I); R6m. i 25: als Sch6pfungswelt; Rom. viii 19, 20, 21, 22 als

Schbpfungswelt; 2 Kor. v 17: als Gesch6pf wie in Gal. vi 15; Kol. i 15: Erstgeborener der Sch6pfung, d.h. Gen. i wird hier kosmisch-christologisch interpretiert; Kol. i 23: Menschenwelt und die Damonen; Hebr. iv I3: verweist auf Gen. i; Hebr. ix ii bleibt unklar; I Petr. ii I3: Menschenwelt; 2 Petr. iii 4: entspricht Gen. i wie Apok. iii 14. Vgl. O. Kuss, S. 623 ff. Neben FOERSTER interpretieren auch E. BRUNNER, LEENHARDT, A. VIARD die XTiCaL unter EinschluB des Menschen.

Man mag also hier im Sinne des Paulus auch die Damonen und Engelmachte hinzuzahlen (vgl. Kol. i 23) 1). BULTMANN hingegen nennt die ,xrTL<s' das Kreatiirlich-Vergangliche, die ihre ,,Selb- standigkeit, die sie Gott gegeniiber hat, dem Menschen selbst" verdankt. ,,Klar ist jedoch schon: das Verstandnis der Schipfung ist wie das des Schopfers von dem Gesichtspunkt aus gegeben, was sie fur die Existenz des Menschen bedeutet; sie ist unter diesem Aspekt eine zweideutige Gr6Be..., indem sie einerseits die von Gott dem Menschen zum Gebrauch und GenuB zur Verfiigung gestellte Erde ist (I Kor. x 26), andererseits das Wirkungsfeld boser damonischer Machte" 2). Die xrT[l hat nur Bedeutung ,,hinsichtlich ihrer Bedeutsamkeit fur den Menschen und seine Geschichte" 3). Sicher legt Paulus den Akzent vornehmlich auf die Menschenwelt, so daB z.B. der Begriff ,x6o[jos' mit personalen bzw. anthropologischen Begriffen wechseln kann 4). Und sicher sieht

Beleg aus Genesis Rabba 12); O. Kuss, S. 623 ff. fiber die verschiedenen Thesen (auch Patristik); H. LIETZMANN, S. 84: Unbeseelte Welt (r&a ouXa).

1) E. FUCHS, Die Freiheit des Glaubens, 1949, S. Io9; Ges. Aufsdtze II, S. 93 f.; O. CULLMANN, Christus und die Zeit, S. IoI f.

2) NT-Theologie, S. 231/230. 3) A.a.O., S. 23I. 4) Vgl. 2 Kor. v 19; E. KXSEMANN, Leib und Leib Christi, 1933, S. o16 f.;

N. MESSEL, Die Einheitlichkeit der jiidischen Eschatologie, I915, S. 29 ff. (BZA W 30), wonach ,xTatq' (creatura) in der Apokalyptik vornehmlich, aber nicht ausschliefBlich die Menschenwelt meint.

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Novurnm Testamentum VIII 5

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Paulus das Schicksal der Welt als der Sch6pfung Gottes durch die Verantwortlichkeit des Menschen bestimmt 1). Aber gerade von Rom. i I8 ff her ist doch Paulus so zu verstehen, daB die Schop- fungswelt einschlieBlich den Menschen selbst nicht nur durch den Menschen, der sich ja selbst entzogen ist, der selbst in einer Ge- schichte steht, qualifiziert und definiert wird, sondern durch die im Rahmen der Apokalyptik explizierte und durch die Auslegung der Christologie bestimmte Geschichte sinnvoll wird. Von hierher ist auch LEENHARDTS Interpretation der ,xTinl' abzulehnen:,,Le mot designera ici le monde en tant qu'il se distingue de l'Eglise" 2).

Sch6pfung, Ktisis, bedeutet hier die gesamte Weltwirklichkeit - wie sie in Geneses i f als Setzung Gottes aufgewiesen wird. Und Paulus nimmt, wie LIETZMANN, BILLERBECK, FOERSTER u.a. zeigen, einzelne Motive aus der jiidischen Apokalyptik auf von der Restau- ration des Paradieses als der ,Neuen Erde' (vgl. Baruch Apok I5, 7 ff; IV Esra 7, II ff.) 3). Aber gerade diese zyklische Entsprechung von Protologie und apokalyptisch beschriebener Eschatologie nimmt Paulus, wie wir sahen und noch weiter ausfiihren miissen, nicht auf, sondern er spricht von Gen. i und 3 von her dem Harren des Geschaffenen auf die ganz andere Neusch6pfung mit dem Offenbarwerden der Kinder Gottes 4).

Wiirde man ,x'rcqs' nur auf die unerloste Menschenwelt beziehen und der auBer- bzw. untermenschlichen Kreatur gegeniiber- stellen 5), dann tragt man einen Natur-Existenz-Dualismus in die paulinische Theologie hinein, die doch gerade diesen Dualismus als

1) Vgl. O. CULLMANN, Christus und die Zeit, S. III, 170. 2) F.-J. LEENHARDT, S. I25 Anm. 2; vgl. A. VIARD, ,,Expectatio crea-

turae", Revue Biblique 1952, S. 335 ff. 3) 0. MICHEL, S. 202: ,,Es zeigt sich, daB alte jiidische und apokalyptische

Denkformen von Paulus iibernommen sind"; E. GAUGLER, S. 300 f. 4) Vgl. A. SCHLATTER, S. 270: ,,Nun aber erhalten wir eine Aussage, die

das Verhaltnis des g6ttlichen Schaffens zur VerheiBung bestimmt. Durch diese ist den Geschaffenen gesagt, daB sie noch nicht vollendet sind", in Absetzung gegen FOERSTER (ThWB II, S. 999 ff.); S. 273 stellt SCHLATTER die Doppelseite der Offenbarung heraus (wobei aber ,xc'tSa' Menschenwelt bedeutet, S. 274 f.): a) herrliche Freiheit fir die Kinder Gottes, und b) Tod wird von der Menschheit genommen werden, was I Kor. xv 22-24 entspricht; 0. CULLMANN, Christus u. die Zeit, S. IoI: ,,Denn auch dieses Seufzen driickt nach Paulus beides aus: den Schmerz fiber das Nochaus- stehen der Erfiillung, wo der Geist auch die Leiber erfassen wird (R6m. viii ii), und das freudige Wissen um den schon entschiedenen Sieg".

5) Vgl . . MICHEL, S. 201 f., der ,XT'cL' iibersetzt als ,,die Fiille des Ge- schaffenen (ohne Begrenzung)", dann aber stellt er sie den Gottess6hnen gegeniiber, die ,,offenbar bevorrechtet sind".

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ROM. VIII ALS EXEGETISCHES PROBLEM DER DOGMATIK

Grundlegung von Spekulationen fiber die menschliche Seele, ihre Unsterblichkeit, ihre Auferstehung und damit die Konsequenzen des Chiliasmus und der Apokatastasis Panton ablehnt 1). Die

Schopfung ist um des Menschen willen geschehen - das ist gut jiidisch-pharisaisches Erbe bei Paulus - und wartet deshalb auf die Offenbarung der Gottessohne, um dann selbst in ihre rechte, neue Ordnung zu kommen2). Die zukiinftige Offenbarung der allumfassenden Herrschaft Gottes, des Sch6pfers, fiber die ganze Welt (und die Damonen) umgreift die einzelne Existenz, den Glau- ben und die Hoffnung des Einzelnen; sie umfasst den einzelnen

Christen, die Kirche und die Welt (vgl. Phil. iii 21, ii Io f.). Die Welt wird nicht bleiben, sie geht ihrem Ende entgegen (7rcxpysLv), das mit der Ankunft des jetzt schon verborgen herrschenden Chris- tus Kosmokrator offenbar werden wird. Aber Gott verlaBt seine

Sch6pfung nicht, sondern bewahrt sie auf bis zur Offenbarung der Gottess6hne in Herrlichkeit (86ao). Weder ein Dualismus - und

1) Vgl. O. CULLMANN, Immortalite de l'dme ou resurrection des morts?, 1956 (deutsch 1962).

2) ,&c7roxopao8oxLac im NT: Rom. viii I9, Phil. i 20 als Sehnsucht nach dem Ende, ausspaen; vgl. LIETZMANN, S. 84; LEENHARDT, S. 125 Anm. 3. Das oben iiber die ,reparatio' Gesagte gilt auch gegen LIETZMANNS Interpretation der ,creatura nova', ,,die mit dem Menschen zugleich den Fluch empfing, ohne eigene Verschuldung Gen. iii 17, i8, und dementsprechend beim v6lligen Schwinden des Fluches auch ihre alte paradiesische Herrlichkeit wiederge- winnen wird" (S. 84 f. mit Belegen aus der jiidischen Apokalyptik); vgl. O. MICHEL, S. 202; E. GAUGLER, S. 298: ,,Nicht, daB die Kreatur sich qualvoll angste. Nicht, was ein jeder erkennen k6nnte, daB Angst und Sehnsucht Urphanomene alles natiirlichen Lebens sind. Nicht ein Satz 'natiirlicher Theologie' will Paulus hier ins Gedachtnis zuriickrufen. Sondern etwas v6llig selbst schon nur durch Offenbarung zu Ergreifendes sagt hier der apostolische Kunder: Das sehnsiichtige Harren der Kreatur warte, sei ungeduldig zu sehen, was uns, den S6hnen Gottes, verheissen sei, die Ent- hillung der Herrlichkeit"; vgl. CALVIN, Institutio S. 679 (Abwehr iiber- fliissiger Fragen!); E. GAUGLER, S. 305 ff., fiber die 'Verwandlung der Natur'; vgl. Th. VRIEZEN, Theologie des AT in Grundziigen, I957, S. 311: ,,Das Heil ist universal geworden, wenn es auch israelitisch ist und fiber Israel seinen Weg in der Welt nimmt", und damit verbindet sich die ,,Missionsaufgabe Israels" - ein Rom. viii I9 analoger Gedanke; J. MOLTMANN, Theologie der Hoffnung, S. 118 zur alttestamentlichen Eschatologie (nicht Apokalyptik): ,,Die Erwartungsgehalte in den ,Weissagungen' sind also einerseits ange- fiillt mit Erinnerungen und Analogien an gute Erfiillungsgeschichte Jahwes in der Vergangenheit des eigenen Volkes, deren Wiederkehr man erhofft; andrerseits sind sie angefiillt mit Negationen des Negativen der neuen Gerichtserfahrungen. Daffir k6nnen dann auch Vorstellungen aus anderen Volkern vom V6lkerfrieden usw. aufgenommen werden, sofern sie eschato- logisiert werden k6nnen".

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UWE GERBER

Marcion hat bekanntlich VV. I8-22 gestrichen 1)-, noch ein zyklisch verstandener Monismus als Schipfungsrepristination haben in der Theologie des Paulus Platz 2). Das erweist deutlich V. 20.

Vers 20

Die Schipfung wurde dem ,,Leerlauf" unterworfen. ,LocToa6-' steht betont am Satzanfang 3). Dieser Verkehrtheit und der Un- ordnung ist die Sch6pfungswelt - von Gen. iii her - durch Gottes einmaligen Gerichtsakt unterworfen: ,,Gott liefert die Sch6pfung an einen verderbenden ProzeB aus (unter Anspielung auf Gen. iii I6)" 4). DaB eine ,,gnostische Mythologie... hinter dem in Andeutungen verlaufenden und daher, im einzelnen schwer zu erklarenden Satz vom Fall der Schopfung Rm. viii 20 ff., die T oaLo-Ta6rTl x7T- ay7, die der 8ouXLa Tc cpy9'opi. verfallen ist und unter Seufzen der Befreiung harrt" 5), stecke, ist nicht einzusehen. Und diesen Sachverhalt gilt es ja gerade Paulus gemaB zu inter- pretieren. R6m. i I8 ff. bzw. i 21 ff. wurde das ,?[oaTlocio6av' in Aufnahme von Gen. iii gebraucht, d.h. der Hintergrund ist eindeutig die jiidische Apokalyptik mit dem Gedanken des auf der ganzen Menschheit und iiberhaupt der ganzen Sch6pfungswirklichkeit lastenden Siindenfalls Adams. Gen. iii spricht von dem Fluch fuir den Menschen und seine Welt 6). Selbst die Hamartiologie wird also ganz im apokalyptischen Rahmen als die Menschheit und die

1) 0. MICHEL, S. 201 Anm. i.

2) Vgl. R. BULTMANN, Glauben u. Verstehen III, S. 26: ,,Welchen Sinn hat also die Gottesgerechtigkeit, die Siindenvergebung ?... Sie besteht darin, daB das urspriingliche Sch6pfungsverhaltnis wie- derhergestellt wird, daB der Zusammenhang der Siinde, in dem ich immer schon stehe, der Zusammenhang des Fleisch-Seins, des Welt-Seins abgebrochen wird, daB die alte Offenbarung wieder sichtbar gemacht wird" -das entspricht der paulinischen Theologie aber ganz und gar nicht.

3) ,[taoctoCT76-q' im NT: Eph. iv 17; 2 Petr. ii i8 (die Heiden als Irrlehrer in der Eitelkeit ihres Denkens); vgl. O. MICHEL, S. 202 mit Anm. 2; H. LIETZMANN, S. 85, spricht von ,,verganglichen kosmischen Machten"; E. GAUGLER, S. 30I f: ,,Mangel an jener ,Herrlichkeit', die sie urspriinglich hatte"; LEENHARDT, S. 125 mit Anm. 5: ,,La corruption parait 6tre la consequence de la ,vanite'; plutot que la vanite elle-meme".

4) 0. MICHEL, S. 202 f.; LEENHARDT, S. 125.

5) R. BULTMANN, NT-Theologie, S. I77; so auch C. H. DODD, S. 132-135. 6) So O. MICHEL, S. 202 f., der von einem 'apokalyptischen Lehrsatz'

spricht; H. LIETZMANN, S. 85; E. GAUGLER, S. 301 ff.; LEENHARDT, S. 125; gegen R. BULTMANN, NT-Theologie, S. 177: ,,Ganz im gnostischen Sinne ist Adams Fall, der (Siinde und) Tod iiber die Menschheit gebracht hat, Rm. v 12 ff. interpretiert".

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ROM. VIII ALS EXEGETISCHES PROBLEM DER DOGMATIK

ganze Schopfung qualifizierende Verfluchung expliziert. Wir konnen so dem als Exegese paulinischer Theologie zustimmen, wenn R. BULTMANN schreibt (zu dem ,ucrry-'): ,,, In dunklen Worten, die offenbar auf einen Mythos zuriickgehen, deutet Paulus

an, daB das nicht von jeher so war (sc. der Zustand des ,?ypcp6ov', Rom. i 23), sondern daB die xtLatL unfreiwillig der [,cpTaCO6T... unterworfen wurde, und zwar cro TOv u'orTaocvroc, daB sie aber der- einst - wie die Kinder Gottes - vom Fluch der Verginglichkeit befreit werden soil (Rm. viii 20 f.)". Wir stimmen zu bis auf die

Behauptung, es lage ein gnostischer Mythos vor. Dem Folgenden k6nnen wir allerdings nicht als Moment der paulinischen Theologie zustimmen: ,,Da nicht klar ist, wen Paulus unter dem u7rTroc6as versteht (Gott? den Satan? Adam?) ,so ist Genaueres nicht zu erkennen und nur soviel deutlich, daB die x'tLat eine mit den Menschen gemeinsame Geschichte hat -was wiederum zeigt, wie sehr fur Paulus die kosmologische Betrachtung hinter der geschichts- theologischen zuriicktritt" 1).

Richtig ist, daB nach Paulus der Mensch und die Welt in einer

gemeinsamen Geschichte stehen, daB aber gerade die kosmologische und geschichtstheologische Betrachtung bei Paulus im Horizont der Apokalyptik zusammenfallen, weil sie in Christus als dem

Haupt der glaubenden Gemeinde und als Erstling der Sch6pfung, als dem Kosmokrator zusammenfallen. Fur Paulus ist also der ,Unterwerfende' Gott selbst - wie in Rom. i I8 ff. 2).

Das ,ojX ?xoo7a' meint hier ,,ohne den eigenen Willen", also daB der Gerichtsakt Gottes ,,sich nicht schuldhaft, sondern schicksalhaft

vollzog, ohne daB die Gesch6pfe durch eigene Tat an diesem Fall

beteiligt waren. Die Schuld trifft ganz den Menschen, die Sch6pfung dagegen ist an das Schicksal des Menschen gebunden" 3). Und zwar ist sie insofern an das Schicksal des Menschen gebunden, als der Mensch Verantwortung tragt fiir die Welt angesichts des

Endgerichtes 4).

1) R. BULTMANN, NT-Theologie, S. 230; vgl. C. H. DODD, S. I34. 2) 0. MICHEL, S. 203: ,,Der Unterwerfende kann nur Gott selbst sein,

dessen Name hier aus jiidischer Gottesscheu vermieden wird" (mit Anm. 2); E. GAUGLER, S. 303; C. H. DODD, S. I34; LEENHARDT, S. 125 (mit einem Verweis auf BENGEL); LIETZMANN, S. 85, mit Verweis auf Gen. iii I7; GODET und DUBARLE beziehen auf den Satan, ZAHN, JULICHER auf Adam (vgl. bei LEENHARDT, S. 126, Anm. I).

3) 0. MICHEL, S. 203 mit Anm. i (Patristik, Rabbinat); E. GAUGLER, S. 302; DODD, S. I34; K. BARTH, S. 243-245.

4) LEENHARDT, S. 125: ,,C'est l'homme qui est responsable de ce que la

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Paulus greift hier auf ein Theologumenon innerhalb der jiidisch- apokalyptischen Tradition zuriick. Und warum? Hatte er in Rom. i: 20 ff. diesen apokalyptischen Topos aufgenommen, um die Un- entschuldbarkeit des Menschen (Juden und Heiden) aufzuweisen, so will er hier die Hoffnung als Geschenk Gottes umschreiben. Hatte er in Rom. i 20 ff (iiberhaupt in Rom. i-iii) die Begriffe stoisch-natiirlicher Theologie von der Apokalyptik her durchbrochen, so korrigiert er jetzt den jiidisch-apokalyptischen Topos der

,reparatio' des Urfalles von der Christologie her: die Verfluchung (Gen. iii) hat mit Christus insofern ein Ende, als diese auf Hoffnung hin geschehene Unterwerfung in der Hoffnung der Gottessihne als durch Jesus Christus offenbarte VerheiBung abgetan ist.1) Aber diese Hoffnung bleibt wesenhaft Hoffnung auf das Offenbar- werden der Gottess6hne und der damit gegebenen Neuschaffung der Schopfungswelt. Als Hoffende stehen die S6hne in der Schuld und seufzen -als Schuldigen ist ihnen dennoch in ihrem Seufzen mit der gesamten Sch6pfung die gewisse Hoffnung geschenkt.

So stehen nach R6m. i-iii und Rom. viii I8 ff. die Glaubenden in einer Dialektik von vor Gott unentschuldbarer Siindigkeit, unter Gottes gerechtem Gerichtsurteil, und zugleich im Stand der von Gott in Jesus Christus gegebenen Hoffnung. Paulus hat so diesen

apokalyptischen Topos von Gen. iii und dem Weltende deshalb

aufgenommen, um das 'Harren des Geschaffenen' und die gewisse Hoffnung der Gottess6hne aufzuweisen. In R6m. i I8 ff steht Gottes Zorn fiber dem Menschen, hier steht der Mensch als Repra- sentant des Geschaffenen mit dem Geschaffenen zusammen vor Gottes Zukunft als dem Ende der Welt. Die ganze Sch6pfung ist in ihrer angestrengten Sehnsucht VerheiBungstrager des Kommenden, ob sie es weiB (wie die Glaubenden) oder nicht (wie die Nicht- Glaubenden bzw. die auBermenschliche Sch6pfung). Die ,oaoxpoc- 8oxio' ist so die Kehrseite, die reziproke Handlungsweise zur

Hoffnung. Die ganze Sch6pfung ist vom Eschaton her qualifiziert, in Unruhe, Erwartung und Ahnung versetzt, unwissend um ihre

creation soit soumise a cette condition, contraire a sa destination, faute de l'avoir finalis6e".

1) E. GAUGLER, S. 303: Gott dachte bei dem Gerichtsakt der Verfluchung ,,schon an die Hoffnung, an die Zeit der Aufhebung dieses Zustandes"; S. 304 iiber den ,Neuen Himmel' und die ,neue Erde': ,,Die Stufenordnung wird nicht aufgehoben, das Dienen fallt nicht einfach dahin, aber der Dienst, den dann die ,Natur' noch leistet, ist nimmermehr Knechtschaft, sondern selbst Teil der Freiheit, die die Gotteskinder geniessen".

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ROM. VIII ALS EXEGETISCHES PROBLEM DER DOGMATIK

eigentliche Situation, aber mitsamt den darum wissenden Christen. Die Welt nimmt also unabhangig von dem menschlichen Tun und Lassen ihren Lauf auf das Ende zu, wie der Mensch unabhangig von seinem Tun und Lassen in der Welt auf das Ende zugeht. Beide, Mensch und Welt, stehen gewissermaBen als Struktur- momente der Sch6pfung in der einen Geschichte Gottes, die auf die

Endoffenbarung des Kosmokrators mit den Gotteskindern und der

gesamten Sch6pfung hinfiihrt 1). So wie ,,Gottvertrauen und

Eschatologie... nicht voneinander zu trennen" sind, so gilt auch das andere: ,,L6sung des Weltratsels und Eschatologie sind nicht voneinander zu trennen" 2). Das fiihrt Paulus in V. 21

weiter.

Vers 21.

Der Unterschied zwischen den Glaubenden (Kinder Gottes) und der sonstigen Sch6pfung liegt allein darin, daB erstere auf ihre

Verherrlichung hoffen trotz und gerade in ihrem Weiterleben in der

,cpOopo', daB letztere in der ,8ouXac r (cpOopa' verbleibt und darin das angespannte Harren nur als Leiden, als Tragik verstehen kann

(V. 24). Wenn Paulus die prasentische Eschatologie geschichts- theologisch auslegt, dann nicht als Zukiinftigkeit, sondern gerade als ,Teil' der futurischen: zwischen dem ersten und zweiten Kommen

1) LEENHARDT, S. 126: ,,Alors se r6alisera la prophetie d'une nouvelle creation, dans laquelle Dieu sera tout en tous, oh il n'y aura plus de corrup- tion" (in Anm. 3 Belege aus dem AT), d.h. also nicht Restitution der ersten Sch6pfung trotz der Adam-Christus-Typologie; der Tod geh6rt also nicht ,an sich' zur guten Schopfung, sondern zu dem vergehenden Aon; vgl. M. GOGUEL, ,,Le caractere et le role de l'6elment cosmologique dans la soterio- logie paulinienne", RHPR I935, S. 335-359; vgl. F. GOGARTEN, Die Verkiin- digung Jesu Christi, Heidelberg 1948, S. 206: ,,Der Dualismus, in dem Paulus denkt, geht deshalb zuletzt auf diesen Ungehorsam des Menschen zuruck. Fur Paulus ist darum auch die Welt, die nach der Lehre der Gnostiker schlechthin verwerflich ist, weil sie aus gottfremder Materie geschaffen wurde, Gottes Sch6pfung. Spricht er von ihr als der widerg6ttlichen, dann tut er es, weil in ihr infolge des Ungehorsams der Menschen die Siinde herrscht. Und wie die Sch6pfung sehnsiichtig auf die Offenbarung der S6hne Gottes wartet, um von der Sklaverei der Verganglichkeit befreit zu werden, der sie unterworfen ist, und zu der Freiheit der Herrlichkeit der Kinder Gottes zu gelangen, so ist auch, wer immer es sein mag, der sie nach Paulus dieser Nichtigkeit unterstellt hat (Rm. viii I9 ff.), die Siinde der Menschen der eigentliche Grund fiir ihre Unterwerfung. Der Dualismus, der das paulinische Denken beherrscht, ist darum nicht der Gegensatz zweier aus einander entgegengesetzten Substanzen gebildeten, sondern zweier personalen Welten"; vgl. CALVIN, Institutio S. 136.

2) K. BARTH, S. 246.

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des Herrn harrt die Welt auf die Erl6sung, auf Befreiung aus ihrer

Verkehrtheit, Verganglichkeit (cp0opo) als Teilnahme an der Freiheit der Herrlichkeit der Kinder Gottes 1). Von I. Kor. xv her wird man sagen miissen: die Verherrlichung geschieht als ProzeB nach einer gewissen Ordnung, einem g6ttlichen Heilsplan, namlich zuerst Christus, dann die S6hne Gottes als Miterben Christi, dann die gesamte iibrige Sch6pfung. Deshalb harrt die ganze Welt auf die Enderl6sung.

Erst von diesem kosmologischen Aspekt her wird eigentlich die

paulinische Dialektik von Indikativ-Imperativ klar, die durch die ,nichtwissenden' Gesch6pfe im Gegensatz zu den S6hnen Gottes

genau umgekehrt und damit miBverstanden wird, bzw. ausschlieB- lich als, a7coxapa8oxta' zum Ausdruck kommt. Der Glaubende hofft in seinem Seufzen wider das Seufzen, im Hineingenommenwerden in die messianischen Wehen auf die Vollendung der Endzeit als Offenbarwerden der Freiheit der S6hne Gottes. Die Endzeit ist in Christus angebrochen, sie steht aber noch aus in ihrer Erfiillung. Die jetzige Hoffnung der Kinder Gottes und die Erwartung der

Sch6pfung weisen auf die erfiillte Endzeit hin - und das Ziel dieser Zeit des Harrens und Hoffens inmitten der messianischen Wehen ist das Offenbarwerden der Gotteskinder. Aus dieser Aporie, die Ktisis als Gesamtschipfung zu verstehen und doch die Glaubenden nicht nur in dem ,sehnsiichtigen Harren' zu belassen, kommt Paulus nicht heraus. Darin kommt der Widerspruchscharakter der Escha-

tologie in der Interpretation einer theologia crucis zum Vorschein. Paulus kann hier die Erfahrung des Harrens, die sich im mensch- lichen Leben als Vorentwerfen auf Zukunft hin konkretisiert, nur durch die Schriftstelle Gen. iii als auf das Ende der Sch6pfung aus-

gerichtetes Sehnen des Menschen und ineins damit der Gesamt-

sch6pfung verdeutlichen. Damit iiberschreitet er aber die Grenze der erfahrungsmaBig verantwortbaren Aussagen und versteht das Eschaton als ,Losung' der Widerspruchssituation von Mensch und Welt. Diese Interpretation wird aber bei Paulus einzig durch die

Erfahrung der Treue Gottes zu seinem Heilsplan, seiner VerheiBung, erm6glicht. Der Bezug zur gegenwartigen Erfahrung des Glaubens in seiner Angefochtenheit bleibt somit gewahrt -ob aber die Grenze zur Zukunftsspekulation (in der Form der jiidischen Apokalyptik!) gewahrt bleibt, oder ob nicht eine Prolongation der

1) Vgl. O. MICHEL, S. 203 mit Anm. 2; S. 204 mit Anm. i.

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ROM. VIII ALS EXEGETISCHES PROBLEM DER DOGMATIK

gegenwartigen Zeit in eine Negation (Ende und Neusch6pfung als Aufhebung der Widerspruchssituation) stattfindet, muB sich in der dogmatischen Besinnung erweisen.

Die Endzeit ist mit Christus angebrochen, der Sohn Gottes ist schon offenbart durch das Evangelium, das seine S6hne und Miterben, die noch offenbart werden sollen inmitten der Neu- sch6pfung, angenommen haben. Die Welt wartet auf ihre Freiheit, mit welcher Gott seine S6hne in seinem Sohn Jesus Christus jetzt schon beschenkt hat. So darf bei Paulus die Anthropologie nicht als ,Selbstverstandnis' interpretiert werden, denn diese Freiheit praktiziert der Christ jetzt schon konkret im ,;q pt' der Welt

gegeniiber inmitten dieser Welt 1). Nicht Selbstverstandnis und Entweltlichung, sondern die Treue Gottes und seine Gabe der Freiheit in der Welt definieren die paulinische Anthropologie. Wiirde Paulus die Anthropologie im Selbstverstandnis der Exi- stenz begriinden, dann wiirde er gerade hier mit den Stoikern und letztlich mit den Gnostikern Korinths einig sein. Er ist aber mit ihnen nur darin einig, daB der Mensch (auch der Christ und gerade er!) in dieser Welt verbleibt bis zu seinem Tode, daB der Mensch die Enderlosung (wenn auch nicht als Befreiung des Pneuma aus dem materiell-widerg6ttlichen Leibe) erwartet. Diese Gedanken fiuhrt Paulus weiter aus in VV. 22-23.

Vers 22

Paulus begriindet in V. 26 das Seufzen des Glaubenden mit der gesamten Sch6pfung vom Gebet her: allein der Geist Gottes, der fiur den Stammelnden eintritt, 1aBt den Glaubenden als Sohn Gottes

1) Vgl. hierzu den von einer Exegese des Textes I Kor. vii 29 ff. aus- gehenden, fur unseren Zusammenhang hier instruktiven Aufsatz von W. SCHRAGE, ,,Die Stellung zur Welt bei Paulus, Epiktet und in der Apokalyp- tik", ZThK 6i (I964), S. 125- I54,ders. ,,Die konkreten Einzelgebote in der paulinischen Paranase", I96I, RGG3 Sp. I88 f., G. BORNKAMM, Paulus, wo allerdings der SchluBsatz thetisch lautet: ,,Dies (sc. die Auferstehung des ganzen Menschen gegeniiber den Gnostikern; I Kor. xv 12) schlieBt fur Paulus auch die Dimension einer das Heute umgreifenden Zukunft und nicht nur die Existenz des Glaubenden, sondern auch die Welt als Sch6pfung mit ein (R6m. viii I8 ff.)"; hier miisste gezeigt werden, warum die ,,Escha- tologie kein selbstandiges 'Lehrstiick' (ist), auch wenn es angesichts der breiten Ausfiihrungen in I Thess. iv f.; I Kor. xv; 2 Kor. v; Rom. viii i8 ff. (vgl. auch Phil. iv 4 ff. u.a.) zunichst so erscheint". Allein mit der Andeutung, dass Paulus das christliche Dasein als eschatologisches versteht, ist noch nichts iiber den Geschichtsbegriff des Paulus entschieden, wie wir oben schon andeuteten.

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erkennen und sich selbst als solchen erfahren. Der Glaubende

fragt nach dem vor Gott Wohlgefalligen, die Welt nach der Offen-

barung der Kinder Gottes, also nur ,mittelbar' nach Gott dem Vater und Sch6pfer. Die Kinder aber stehen gerade im Seufzen fest durch die geistgewirkte Hoffnung. Dieses Warten auf die Verherr-

lichung als Kind Gottes laBt das Christenleben zum Stand der

Bewahrung (7ropvovY) werden (so VV. 26 ff.). Denn die Sohnschaft in der Herrlichkeit wird erst mit der Befreiung aus dem Vergang- lichen erscheinen (V. 23). Paulus meint damit weder Befreiung vom

Verganglichen als Auferstehung der Seele, noch aber Befreiung des Leibes als Konstatierung der Kontinuitat der ,Form' des Leibes

(gegen R. BULTMANN). Er versteht Auferstehung als creatio ex nihilo von Gott her, Versetzung in den ,Herrlichkeitsstand der vollkommenen Sohnschaft'. Auf diesen ProzeB wartet die unerloste

Schopfung mit Seufzen - und die Erlisten seufzen auch in dieser ihrer gewissen Hoffnung wegen der Leiden der messianischen Wehen der Endzeit 1).

1) ,CTUCTrT?aVLu' kommt im NT nur in R6m. viii 22 SO vor; ,aCTea'Ev' im NT: Mk. vii 34 von Jesus; Rom. viii 23 im Sinne von V. 22; 2 Kor. v 2, 4 als Seufzen in der Beschwerung durch die irdisch-leibliche Hiitte (entspricht R6m. viii 22, 23, obwohl Paulus in 2 Kor. v hellenistisch-gnostische Termini und Gedankengange beniitzt, sie aber mit diesem apokalyptischen Terminus durchbricht; vgl. Kommentare zu 2 Kor. v, wo Paulus den Gnostikern zweifellos sehr nahe kommt); Hebr. xiii 17 als Gegensatz zur Freude (oapa; nicht die typisch eschatologische &XyacXXraCt); Jak. v 9 als Verbot, gegene einander zu seufzen und zwar mit dem Hinweis auf das mit jiidisch-apo; kalyptischen Begriffen und Vorstellungen bezeichnete Gericht, auf di- baldige Parusie des Weltenrichters; vgl. H. LIETZMANN, S. 85 mit Belegen- zu ,686uvt', das nur noch in Gal. iv I9; Apok. xii 2 vorkommt: ,,scheint aus c8[iv?( statt auvtcoSiv entstanden zu sein" (Origenes: condolet; Augustin: dolet); A. SCHLATTER, S. 274: an diesem auvoLveiLv ,,haftet nicht nur die Vorstellung, daB die Schmerzen heftig sind, sondern auch, daB sie den Anfang des Neuen anzeigen", S. 275 versucht Schlatter das eben auf die Mensch- heitssolidaritat zu interpretieren; ,&0rapX' in V. 23 kommt in NT 8x vor, und ist hier mit 2 Kor. i 22, v 5 zusammenzusehen. ThWB I, S. 483 f. (DEL- LING): ,,R viii 23 ist aroapXq im Unkehrung des Verhaltnisses von Geber und Empfanger Erstlingsgabe Gottes an den Menschen (vgl. 2 K. v 5); die Pneumabegabung des Menschen ist bisher nur eine vorlaufige, sie ist nur der Anfang, an dessen Ende die uLo0eria, die Begabung mit dem aO[ca 7rveulartxoc v steht. Diese stellt also die endgiiltige Pneumatisierung des Menschen dar. -Zeigt sich schon R. viii 23 auch eine zeitliche Bedeutung von &acapX7, so tritt diese I K. xv 20, 23 ganz in den Vordergrund (v. 23 im Gegensatz zu reXoq, in fast adverbialer Erstarrung): Christus ist als Erster auferweckt". (S. 484); ,&a7oXu'rpcota' in V. 23 kommt im NT 9 x vor und erweist sich von der Formel R6m. iii 24 f. her als urchristliches Gemeindegut aus dem hellenistischen und palastinensischen Judentum (v.a. dann bei den

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ROM. VIII ALS EXEGETISCHES PROBLEM DER DOGMATIK

Wie kann Paulus die erl6sten, inmitten der Sch6pfung auf ihre

endgiiltige Verherrlichung hoffenden Kinder Gottes und die un- erliste Sch6pfung in dieselbe Geschichte stellen, die beide nur seufzen laBt ? Gibt es hier iiberhaupt noch einen Unterschied zwischen Erlisten und Unerl6sten, wie ihn Paulus doch in Rom. vi, wenn auch ohne den kosmologisch-apokalyptischen Aspekt von Rom. viii I8 ff., so doch deutlich auf der anthropologischen Ebene markiert hat ? Vom Menschen her laBt sich allerdings dieser Unter- schied nicht eindeutig zeigen. In Rom. vi argumentierte Paulus

insbezug auf die Anthropologie christologisch-soteriologisch und

zeigt den Unterschied gerade nicht von der Taufhandlung (sichtbare Kirche), sondern von der Zugehirigkeit zum umgreifenden Leib Christi (eschatologische Kirche) her. Hier in R6m. viii I8 ff. argu- mentiert Paulus inbezug auf die Anthropologie im apokalyptischen Geschichtsbild und will und kann deshalb den Unterschied wiederum nicht als definit vollzogen beweisen. Der Unterschied liegt eben darin, ob Mensch und Welt in der d&roxopa8oxaoc als ungewuBter Hoffnung (V. 20) verbleiben, oder ob der Mensch die Geistgabe, das

Angeld der zukiinftigen Verherrlichung als Sohn Gottes in der seufzenden und sehnsiichtigen, aber doch gewissen Hoffnung ergreift. Das Erl6ste und Unerloste liegt mit Seufzen in den Geburts- wehen der messianischen Zeit - das Erliste steht ebenso vor dem

Endgericht Gottes und wartet auf seine Erlisung. Der Apokatastasis Panton geht Paulus aber nicht durch die Konstruktion eines meta-

physischen Dualismus aus dem Wege, sondern allein dadurch, daB er in der Solidaritat mit den Unglaubenden und der verkehrten Welt die Freiheit der Gotteskinder, ihren Glauben und ihre gewisse Hoffnung heraushebt, allerdings allein als Geistgabe von Gott.

Apost. Vatern); vgl. ThWB IV, S. 329-359 (PROCKSCH/BUCHSEL), v.a. S. 355: in Rom. viii 23 (Eph. i 14; iv 30) im eschatologischen Sinne; ,,Die &atoXu,rpooLC ist R. viii 23 nicht die Erl6sung vom Leibe, sondern die Erlosung des Leibes. Das beweist der Vergleich mit v. 21 unweigerlich"; S. 357, 359: ,,Beachtlich ist, dalB Paulus &aroX6rpctas nicht verwendet, wo er von der Befreiung vom Gesetz und vomi Zwang des Siindigen-miissens redet... Von der Bedeutung, die der Begriff ,Erl6sung' spater in der Kirchenlehre gewinnt, unterscheidet sich die im NT durch das starke Gewicht der in ihm enthaltenen eschatologischen Gedanken. Von einer physischen (d.h. durch naturartig wirkende Mittel sich vollziehenden) Erl6sung ist in dem'aoXDoburpoca Gedanken des Paulus nichts enthalten"; vgl. RGG3 II, Sp. 588 ff. (Ph. VIEL- HAUER, Erlosung), Sp. 589: ,,Christi Tod ist ein kosmisches Ereignis, Rettung aus diesem Aion (Gal. i 4). Trotzdem betont Paulus die Zukiinftigkeit (Nicht: Zukunft!!) der Erl6sung und dies, daB sie nicht nur den Menschen, sondern die ganze Sch6pfung umfasst (R6m. viii 18-24)". (Mit weiterer Literatur).

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Das hat er in R6m. ii mit dem Gericht, das ohne Ansehen der Person von Gott durchgefiihrt wird, schon gezeigt 1).

Das Stehen in der Kindschaft unterscheidet die Christen von der Welt. Aber beide seufzen, die einen fiber die Offenbarwerdung der jetzt schon verheissenen, mit dem Unterpfand der Geistgabe versiegelten Offenbarung der Kindschaft in Freiheit und Herr- lichkeit und fiber den m6glichen Verlust dieses Hoffnungsgutes, die anderen, weil sie auf diese Offenbarung ohne gegenwartige GewiBheit ausschauen. Was mit der verkehrten Welt, der Sch6p- fung, geschehen wird, das sagt Paulus mit der ,Neuen Erde' aus. Was mit den Unglaubenden geschehen wird, das sagt Paulus (wie fiir die Glaubenden) mit der Auferstehung des Leibes zum Gericht aus. Ob sie in die Herrlichkeit und Freiheit der Sohnschaft gelangen werden, dariiber spricht Paulus nicht. Was er sagen kann, fasst er zusammen: Wir miissen alle offenbar werden vor dem Richter- stuhl Christi, damit ein jeder empfange gemaB dem, was er im Leibe (in seinem irdischen Leben) getan hat, es sei gut oder fibel (2 Kor. v IO). Und wenn er scheinbar anthropomorph vom ,Neuen Himmel' und der ,Neuen Erde' und dem ,Herrlichkeitsstand' redet, dann um zu zeigen, daB das Seufzen der irdisch Angefochtenen in der zukfinftigen Herrlichkeit fiberwunden sein wird.

II) Romer viii I8 f. im Corpus Paulinum.

Versuchen wir nun, die Einzelexegese in Bezug auf das Corpus Paulinum zu umreissen, um so die Konsequenzen fiir eine dogma- tisch-systematische Besinnung anzuzeigen. Als Hauptpunkte hatten wir v.a. im Gegenfiber zu R. BULTMANNS Paulus-Interpretation herausgestellt: der futurisch- und prasentisch-eschatologisch struk- turierte Geschichtsbegriff im Rahmen einer von der Christologie her

1) ,aToxocT0ocTacLS' im ThWB I, S. 388-392 (OEPKE), S. 39I:,,Gerade Paulus betont auch die Gnadenwahl aufs starkste (R. viii 29 ix II, I7; Eph. i 4, II u.6.). Er weil von einem doppelten Ausgang des Gerichts (R. ii 7 ff; 2 Kv Io) und erwartet die Verwirklichung des 6 06eoq trav'voc v TrcLv von der gewalt- samen Niederwerfung jeglichen Widerstandes (I K. xv 25 ff.). So bleibt im ganzen NT die Spannung kraftvoll aufrechterhalten, und bei allem grund- satzlichen Universalismus fallt der Nachdruck in paranetischem Interesse eher darauf, daB wenige gerettet werden (Mt. xxii 14, vii I3 f.; Lk. xiii 23 ff.; I K. ix 24 ff.)."; vgl. RGG3 VI, Sp. 1693 ff (C. ANDRESEN/P. ALTHAUS; Wiederbringung); W. KRECK, Die Zukunft des Gekommenen, Miinchen I96I, S. I39 ff.; D. BONHOEFFER, Widerstand und Ergebung, Miinchen I959, S. 125 (recapitulatio); E. STAEHELIN, Die Wiederbringung allev Dinge, I960 (Basler Universitatsreden No. 45).

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ROM. VIII ALS EXEGETISCHES PROBLEM DER DOGMATIK

korrigierten und restringierten Apokalyptik; die dadurch aus dem Individualismus herausgefiihrte Anthropologie; die geschichtlich- apokalyptische Qualifizierung der gesamten Weltwirklichkeit, der

Sch6pfung, durch den jetzt schon verborgen, dann am Ende der Zeit offenbar herrschenden Christus Kosmokrator; die aus einer

einseitig anthropologisch orientierten Auslegung befreite und in den futurisch- und prasentisch-eschatologischen Horizont der

Neusch6pfung gestellte Soteriologie. Bedeutsam ist, daB Paulus in Rom. viii I8 ff. weder von Christus,

noch vom Glauben derer spricht, die (durch die Taufe) in den ,Leib Christi' eingegliedert, somit S6hne und Kinder Gottes, Miterben Christi sind. Rufen wir uns kurz das Thema des Briefes an die Gemeinde zu Rom ins Gedachtnis: die Gerechtigkeit Gottes in seinem Sohn Jesus Christus 1). Mit E. KASEMANN verstehen wir, wie sich von dem oben Gesagten her ergibt, diese Genetivverbin-

dung sowohl als ,genetivus obiectivus' (die Gott eigene und von ihm forensisch ausgehende Gerechtigkeit) wie als ,genetivus subiectivus' (die uns von Gott gegebene und daher vor ihm geltende Gerechtigkeit) 2). Stellen wie R6m. v 17; Phil. ii 9 u.a. zeigen erstere, R6m. i I6, x 3; I Kor. i 30 (Christus selbst als Gerechtigkeit); 2

Kor. v 21 (die Gemeinde als Realisierungsort der Gerechtigkeit); Rom. iii 5, 25 zeigen letztere Bedeutung an. Anders gesagt: die Dialektik von Phil. i II; 2 Kor. ix 9 als Aussagen der Prasenz der

Gerechtigkeit Gottes in und fur die Glaubenden, und von Phil. iii I2; Gal. iii 6, 8 als Feststellung der ausstehenden Gerechtigkeit, verweist auf die christologisch konzipierte Apokalyptik mit dem futurisch- und prasentisch-eschatologischen Geschichtsaspekt. Kei- ner von beiden darf verabsolutiert werden, denn die Gerechtigkeit Gottes ist sowohl ein forensischer Akt als auch ein gewisses Sein der Glaubenden in Christus -ersteres in Antithese gegen einen Enthusiasmus, letzteres gegen den Nomismus. Insofern laufen die

1) LUTHER, Romer-Brief (hrsg. ELLWEIN), S. 9: ,,Summa und Absicht des Apostels in diesem Brief ist: alle eigene Gerechtigkeit und Weisheit zu zerst6ren und umgekehrt Stinden und Torheit, die nicht vorhanden waren (d.h. die um solcher Gerechtigkeit willen von uns geachtet wurden, als waren sie nicht da), festzustellen, zu mehren und gewiBzumachen (d.h. zu bewirken, daB man erkenne, daB sie immer noch bestehen und viel und groB sind), und so vollends zu zeigen, daB zu ihrer wahren Zerst6rung Christus und seine Gerechtigkeit uns n6tig sind".

2) E. KXSEMANN, ,,Gottesgerechtigkeit bei Paulus", ZThK 58 (I96I) S. 367-378.

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Begriffe wie Gerechtigkeit Gottes, Gnade (charis), Geist (pneuma) und Herrlichkeit (doxa) parallel. Sie bringen zum Ausdruck, daB Gottes Geschenk der Rechtfertigung im Glauben, die Geistver-

leihung, die VerheiBung der Herrlichkeit und Freiheit dem Menschen nie habituell-substanziell iibereignet werden, sondern diesen in das stets zu bewahrende Handeln des Glaubens stellt.

Siinde, Gesetz, Tod, Geschichte, Welt sind mit Christus resp. dem Glauben an ihn nicht zu Ende, wohl aber ist die Verfallenheit und Gebundenheit des Menschen an diese Machte zu Ende als Er-

6ffnung des Lebens im Glaubensgehorsam. So geh6ren Glaube, Liebe und Hoffnung als Strukturmomente des Stehens vor Gott in- einander: der Glaube als gegenwartiges Vertrauen auf Gottes Liebe zum Menschen in Jesus Christus, die Liebe als Realisierung des ,Christus in uns' und die Hoffnung als Vertrauen auf die Treue Gottes, die sich am Glaubenden in der Verherrlichung zur Sohn- schaft in der Freiheit erweisen wird. So setzt Paulus den Gedanken von Rom. v her in R6m. viii 18-22 voraus bzw. man muB R6m. viii so verstehen, daB VV. IO-I7 den Stand der S6hne Gottes im geist- gewirkten Glauben, VV. I8-22 bzw. bis V. 30 den Stand der Sihne Gottes in der geistgewirkten Hoffnung, und VV. 31-39 den Stand der S6hne Gottes im geistgewirkten Gehorsam, also in der Liebe, bezeichnen. Oder anders gesagt: der Glaube halt sich an den Christus

praesens (praedicatus), die Hoffnung an den Christus venturus

(Kosmokrator und Erstling der Auferstehung )und die Liebe an den Christus incarnandus und incarnatus (Sch6pfungsmittler und Mensch wie wir). Aber alle drei Strukturmomente fallen ineins, wie der Christus incarnandus zugleich der incarnatus, der praesens- praedicatus zugleich der venturus ist. Paulus geht nicht von einem

irgendwie intellektualistisch oder mystisch verstandenen Glaubens-

begriff aus, dem dann nachtraglich noch eine Ethik und ein Locus

'Eschatologie' angehangt werden miiBte. Der Glaube ist wesenhaft Liebe und Hoffnung - sonst ist er nicht Glaube an Gott in Jesus Christus.

Warum spricht Paulus hier aber nicht von Christus? Er handelt in Rom. v I-viii 39 von der Wirklichkeit der Gerechtigkeit aus dem Glauben, in R6m. iii 2I-iv 25 hatte er von der Erm6glichung dieser

Glaubensgerechtigkeit mit belegenden Thesen gesprochen. Die

,arOXuorpwaL' aus V. 23 erschien schon in iii 24 (in einer fibernomme- nen Formel): alle ... werden gerechtgesprochen ohne Verdienst

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durch seine Gnade in der Erlisung, die in Christus Jesus ist 1). Die

Glaubensgerechtigkeit wird durch den Glauben, den das Siihnopfer Jesu erm6glicht hat (2 Kor. v i6 ff.), als Gabe des Geistes zuge- sprochen (R6m. viii I ff, v 14). Und dieser Geist bezeugt mit unserem Geiste zusammen, daB wir als die Glaubenden Kinder Gottes sind. Wenn wir aber Kinder Gottes sind, so auch Erben, namlich Gottes und Miterben Christi, wenn wir mit ihm leiden, damit wir auch mit ihm verherrlicht werden. (R6m. viii I6 f.) 2). V. 17 bildet also den

Ubergang zu VV. I8 ff., d.h. das ,Innere' des Menschen weiB um seine Sohnschaft als Hoffnungsgut einzig und allein durch den Geist des Sohnes, des Erstlings der Entschlafenen (I Kor. xv 20). Paulus argumentiert also in VV. I8 ff. gerade von der Christologie her (wie in I Kor. xv I2 ff.). Fiir die Begriindung der ,iX=ic' sowohl der um diese nicht wissenden Sch6pfung als auch der diese im

gegenwartigen Glauben annehmenden S6hne Gottes beniitzt Paulus die Christologie.

Das wird aber aus Rom. viii I8 nicht ganz deutlich. Hier argu- mentiert Paulus explizit nur mit dem Gerichtsakt Gottes, der

zugleich auf Hoffnung - auf die Erlisung in Jesus Christus - hin

geschah. Doch ist aus dem Corpus Paulinum deutlich, daB der

Apostel gerade diesen apokalyptischen Horizont in seiner die

Sch6pfungswirklichkeit umgreifenden Universalitat gegeniiber dem

Judentum exklusiv christologisch begriindet 3). Deshalb seufzen auch die Glaubenden, weil ihr Leben im vergehenden Aion von ,,vornherein Gegenstand der Auseinandersetzung zwischen Gott und den Gewalten dieser Welt" ist, weil ihr Leben noch in den messianischen, man miiBte sogar sagen: christologischen Wehen

liegt wie die gesamte Sch6pfung. Die Glaubenden bekunden aber darin ihre gewisse Hoffnung, indem sie heute ,,schon das Stiick Welt, das sie selber sind, dem Christus in leiblichem Gehorsam ausliefern", und damit ,,bezeugen sie seine Herrschaft als die des Kosmokrators und nehmen damit die letzte Zukunft der Aufer-

1) Vgl. E. KASEMAN, ,,Zum Verstandnis von Rom. iii 24-26", in: Exege- tische Versuche und Besinnungen Bd. I, G6ttingen 1960, S. 96 ff.

2) Kind und Erbe sind hier identisch (vgl. Gal. iv 7). 3) Vgl. E. KXSEMANNN, ,,Zum Thema der urchristlichen Apokalyptik",

ZThK 59 (1962) S. 257-284; Die Anfange der urchristlichen Theologie", ZThK 57 (I96o) S. I62-185; als Diskussionsvoten vgl. G. EBELING ZThK 58 (1961) S. 227-244: ,,Der Grund christlicher Theologie"; E. FUCHS a.a.O., S. 245-267: ,,Uber die Aufgabe einer christlichen Theologie", vgl. O. CULLMANN, Die Christologie des Neuen Testaments, Tiibingen 1963, s. 300.

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stehungswirklichkeit und des uneingeschrankten regnum Christi zeichenhaft vorweg" 1). MiiBte auch gerade der Begriff ,zeichenhaft' bei Paulus naher geklart werden, so ist doch klar, daB Mensch und Welt in der Solidaritat unter dem Christus Kosmokrator, unter der

VerheiBung der ,Neuen Erde' und des ,Neuen Himmels' stehen 2).

So hat sich der Text Rom. viii 18-22 (23) als gewisser neuralgischer Punkt in der gesamten paulinischen Theologie erwiesen. Er hat sich dabei auch als gewisser Indikator fiir unsere heutigen theo-

logischen Besinnungen v.a. liber Geschichte, Anthropologie und Weltverstandnis (Ethik) aufgedrangt 3).

III) Abschliessende Thesen.

Versuchen wir nun, die exegetischen Ergebnisse in Thesen zusammenzufassen, die eine folgende dogmatische Besinnung begriinden und leiten sollten. Es miiBte um die Auslegung dieser Thesen gehen.

These i: Die prasentische Eschatologie wird in einem unum- kehrbaren Gefalle von der futurischen umgriffen, d.h. der jetzt noch verborgen herrschende, nur dem Glaubenden begegnende, bekannte Christus Kosmokrator wird mit dem Ende dieses Aions die Neue Sch6pfung Gottes herauffiihren. Die Offenbarung des

Evangeliums deckt also nicht die Geschichtlichkeit der Gesamt-

sch6pfung auf in der Weise, daB mit dem Glauben die Geschichte

1) E. KASEMANN, ,,Zum Thema der urchristlichen Apokalyptik", ZThK 59 (1962) S. 283/282.

2) A.a.O., S. 280: ,,Der Apostel verkiindet hier die GewiBfheit unserer Auferweckung, tut das aber merkwiirdigerweise so, daB die anthropolo- gische Hoffnung von vornherein in einen umfassenderen Zusammenhang hineingestellt wird. In der Auferweckung handelt es sich gar nicht primir um einen anthropologischen, sondern um einen christologischen Sachverhalt"; vgl. dagegen H. BRAUN, ,,Die Problematik einer Theologie des Neuen Testa- ments", ZThK 58 (I96I) S. 3-18, v.a.S. 17 f. (Beiheft i).

3) Von hierher sind interessant zu lesen: W. HEISENBERG, Das Naturbild der heutigen Physik, rowohlts deutsche enzyklopadie No. 8, 1963; J. R. OPPEN- HEIMER, Wissenschaft und allgemeines Denken, aa.O. No. 6; A. MARCH, Das neue Denken der modernen Physik, a.a.O. No. 37; die Schriften von P. TTEILHARD DE CHARDIN (siehe: Verf. liber , Katholischer Glaubens- begriff'). vgl. E. GAUGLER, S. 304 ff. liber die Frage nach dem ,,Neuen Himmel" und der ,,Neuen Erde"; S. 308: ,,Er (sc. der Theologe) behauptet nur, dass die Wissenschaft ihre Grenze verkenne, wenn sie selbst zur Offen- barung werden wolle, wie die Theologie ihrerseits ihre Aufgabe verkennt, wenn sie dilletierend spekulative Naturwissenschaft treibt." Sch6pfungs- glaube und Evolutionstheorie, Stuttgart 1955 (Ein Gesprach zwischen Naturwissenschaftlern und Theologen im Studio Heidelberg).

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ROM. VIII ALS EXEGETISCHES PROBLEM DER DOGMATIK

an ihr Ende gekommen ist, sondern sie bringt die Sch6pfung erst in ihre VerheiBungsgeschichte, in das Hoffen inmitten des Seufzens hinein. Der Ansatzpunkt fiir die theologische Reflexion ist fur Paulus der gegenwartig begegnende Kyrios, nicht das Todesproblem oder die Zukunft, die sich dem gegenwartigen Glauben erst als die Zukunft der VerheiBung erweist.

These 2: In diesem durch die jiidische Apokalyptik bestimmten, aber von der Christologie her korrigierten Geschichtshorizont wird die Anthropologie - gegeniiber einer individualistischen und

einseitig an der prisentisch-eschatologischen Soteriologie orien- tierten Konzeption - im Rahmen der Gesamtsch6pfung, die unter Gottes VerheiBungswort und seinem Gericht steht, expliziert. Leib

(soma) bedeutet demnach bei Paulus nicht das Verhaltnis, das der Mensch zu sich selbst hat, das er selbst ist, sondern Kommunikation, Relation zum Mitmenschen und zur Welt innerhalb der gesamten Sch6pfungswirklichkeit. Es geht um die von Gott gesetzte Soli- daritat der Menschen in der ihrer Verantwortung anheimgegebenen Welt.

These 3: Von diesem Geschichtsbegriff und der ihm entsprechen- den Anthropologie aus ist der metaphysische Dualismus, der sich in den Antithesen wie Geist-Leib (pneuma-sarx), Geist-Welt

(pneuma-kosmos) und Geist-Natur (pneuma-ktisis) zeigt, abge- wehrt von einem umfassenden Verstandnis der gesamten Welt- wirklichkeit her. Der Mensch ist selbst ein relationales Moment dieser vergehenden, unter Gottes VerheiBungswort stehenden

Sch6pfungswirklichkeit. Daraus folgt, die Solidaritat mit der

gesamten Menschheit (Mission) wie die Verantwortung der auBer- menschlichen Gesch6pflichkeit gegeniiber. Der Glaubende tragt Verantwortung fiir die Gesamtwelt; dem Mitmenschen gegeniiber hat er in Liebe als dem Vollzug der Solidaritat in der Agape zu

begegnen.

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