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1 | 2011 G 3777 FACHZEITSCHRIFT DES BDP ZEITSCHRIFT DES BERUFSVERBANDES DEUTSCHER PSYCHOLOGINNEN UND PSYCHOLOGEN E.V. 36. JAHRGANG JANUAR 2011 reportpsychologie WWW.BDP-VERBAND.DE STRESS! Psychotherapieausbildung jetzt und in Zukunft Psychische Probleme als Folge körperlicher Funktionsstörungen Mit Service-Scheckheft

RP 1-2011 Leseprobe

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Report Psychologie 1-2011 Leseprobe, Stress und Medien.

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G 3777FACHZEITSCHRIFT DES BDPZEITSCHRIFT DES BERUFSVERBANDES DEUTSCHERPSYCHOLOGINNEN UND PSYCHOLOGEN E.V.36. JAHRGANGJANUAR 2011

reportpsychologieW W W . B D P - V E R B A N D . D E

S T R E S S !

Psychotherapieausbildung jetzt und in Zukunft

Psychische Probleme als Folge körperlicher Funktionsstörungen

Mit Service-Scheckheft

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r e p o r t psychologie

2011J A N U A RLiebe Leserin, lieber Leser,mit Beginn dieses Jahres trete ich dasAmt als Präsidentin des größten deutschen Psychologenverbandes an.Der Zeitpunkt ist schwierig angesichtsnoch immer zurückgehender Mitgliederzahlen und der finanziellenSchieflage, in die wir nicht zuletztdadurch gekommen sind. Andererseitsist es ein guter Zeitpunkt, denn dieAnzahl tätiger Psychologinnen und Psychologen steigt aufgrund

zunehmender Absolventenzahlen kontinuierlich; wir müssen sienur erreichen und gewinnen. Gerade in einer Zeit großer Verunsicherung durch die Umstellung auf die Bachelor- und Master-Studiengänge sollte es dem Verband gelingen, Psycholo-gen davon zu überzeugen, dass nur ein starker BDP mit einer wachsenden Mitgliederzahl im Rücken ihre Interessen auf politischer Ebene vertreten und durchsetzen kann. Wir könnennur so stark und einflussreich wie die Zahl unserer Mitgliedersein. Das ist die Botschaft, die ich auch Sie bitte in Gesprächenmit Berufskollegen offensiv hinauszutragen.

Funktionieren wird das nur, wenn wir alle – und damit mei-ne ich neben den Vorstandsmitgliedern und dem diesbezüglichbereits sehr aktiven Referenten für Fachpolitik, Fredi Lang, einegroße Schar von kompetenten, aktiven Kolleginnen und Kollegenaus den Sektionen und Landesgruppen – mitwirken. Lassen Sieuns nicht nur systematisch und geballt eine stärkere Visibilität desVerbandes in die Öffentlichkeit tragen, sondern greifen Sie überallThemen auf, die Kolleginnen und Kollegen am Herzen liegen, um dabei die berufspolitischen Positionen des Verbandes deutlichzu machen. Nutzen Sie die Medien des Verbandes, lassen Sie uns aber auch gemeinsam neue Wege gehen, damit wir unsereAnliegen deutlicher und attraktiver nach außen darstellen können.Wir werden nur die Anerkennung erlangen, die wir uns täglicherarbeiten.

Ein neues Jahr hat begonnen, aber für den BDP ist dies kein Neuanfang, sondern ein Neustart. Ich möchte, dass wir aus unseren Erfahrungen lernen und ein stärkeres Augenmerk auf einegemeinsame Umsetzung von Vorhaben legen. Ich achte dieAnstrengungen meiner Vorgänger auf vielen Gebieten, werde fürKontinuität sorgen, wo wir Erfolge erreicht haben, aber auchandere kreative Lösungen suchen, z.B. zu einer nachhaltigen Konsolidierung unserer Finanzen.

Auf der DK wurde ich gefragt, wie ich das schaffen will. Ichbringe die Erfahrung einer erfolgreichen Unternehmerin mit vielen Kontakten in Politik und Wirtschaft ein. Ich bin stark in Verhandlungen, in Konfliktregelung und als Coach. Trotz diesesPotenzials werde ich die vor uns liegenden Aufgaben allein nichtlösen können. Ich brauche Sie, jeden Einzelnen. Ich bitte Sie um Ihre Unterstützung, Ihr Know-how, Ihre Mitwirkungund freue mich auf die Zusammenarbeit.

Ihre Sabine SieglPräsidentin des BDP

online-archivZugangsdaten für 1|2011 gültig vom 10.1.– 6.2.2011www.report-psychologie.de

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2 Nachrichten aus den Sektionen und Landesgruppen

8 »Ich bin dann mal off« – Über die Vergeblichkeiteines Silvesterversprechens Von Dr. Claas Triebel

9 »Smart Career« oder: Wie man seelische undkörperliche Kosten der beruflichen Entwicklung minimiert

12 Somatopsychologie: Psychische Probleme als Folge kö�rperlicher Funktionsstö�rungenVon Prof. Dr. Erich Kasten, Universitä�t zu Lü�beck

21 TBS-TK-Rezension Psychopathic Personality Inventory – Revised (PPI-R), deutsche Version

24 KBV erwä�gt Reform der Bedarfsplanung26 Kammerwahlen in Hamburg

28 Bewerber Nr. 1 war eine gute Wahl –Zum Ausscheiden von Hauptgeschä�ftsfü�hrerArmin Traute

29 Einer, der gern über den Tellerrand schaute: Armin Traute

30 Eine Verfechterin geistiger Freiheit Henriette Schwung

34 Unscharfe Kompetenzprofile schaden den Patienten – Interview mit Laszlo A. Pota

36 Zugang zur Psychotherapieausbildung auf der Basis des geltenden Rechts

38 Konsensusprozess zur psychosozialen Notfallversorgung nach schwieriger Annä�herung abgeschlossen

39 Neuerungen beim Deutschen Psychologiepreis

15 Akademie aktuell40 Leserbriefe33 Psychologie und Recht41 Marktplatz43 Stellenmarkt46 Fort- und Weiterbildungsangebote49 BDP-Termine52 Impressum

R U B R I K E N

S P E K T R U M

F O K U S

B D P - I N T E R N

PERSONALIA

FACHWISSENSCHAFTL ICHER TE IL

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»Das Internet ist verantwortlich dafür, dass wir uns nicht mehr konzentrieren können.«

»Das Smartphone ist schuld daran, dass die Grenze zwischen Berufs- und Arbeitswelt verwischt.« »Die digitale Revolution frisst ihre Kinder und sorgt fürmehr Stress und höhere Burnout-Raten.« So ungefähr lauten die kulturpessimistischen Allgemein-plätze, die man seit geraumer Zeit einnehmen darf, wennes um neue Medien geht. Seit erstmals Studien über dieFolgen ständiger Erreichbarkeit an die breitere Öffent-lichkeit gelangt sind, die belegen, dass es tatsächlich ei-nen Zusammenhang zwischen dem Stand-by-Modus desHandys und dem Leiden an Schlaflosigkeit gibt.

Die digitale KränkungIm Winter 2009 wurde das Buch »Payback« des FAZ-He-rausgebers Frank Schirrmacher zum Bestseller, und dieVorstellung begann uns zu beunruhigen, dass nicht mehrwir das Internet benutzen, sondern wir zu Agenten undInformationslieferanten weltweit agierender Konzernegeworden sind: die Algorithmen von Google, Facebook,Microsoft und Apple beginnen, unser Denken zu be-stimmen, die Software-Architektur unserer Computerzwingt uns zum Multitasking. Nirgendwo können wiruns mehr zurückziehen vor den Anfechtungen all derpraktischen Tools, die uns kostenlos zur Verfügung ge-stellt werden. Wir finden die Tür nicht mehr, um ausdem weltumspannenden Büro auszutreten, wir wissennicht, wann die Arbeitszeit vorüber ist, wir sind nichtmehr Herr im eigenen Haus. Nach Kopernikus, Darwin und Freud fügen uns nun In-ternet und Handy die vierte, die digitale Kränkung zu. Das alles klingt furchtbar dramatisch, und ich will nicht inAbrede stellen, dass die Folgen der Digitalisierung unse-rer Welt zuweilen auch dramatische Ausmaße anneh-men. Daran, dass ständige Erreichbarkeit per Mail undHandy Stress bedeutet, muss nicht lang gezweifelt wer-den. Und selbstverständlich kann man Menschen denRat erteilen, das Handy öfter einmal auszuschalten, dieGrenze zwischen Berufs- und Arbeitsleben klarer zu zie-hen und sich den Arbeitstag nicht durch ständiges Be-antworten belangloser E-Mails zu zerstückeln. Allein, hel-fen werden solche Ratschläge wenig. Sie nützen ungefährso wenig wie der Hinweis am Ende der KindersendungLöwenzahn, bei der Peter Lustig die jungen Zuschauer da-rauf hinwies, doch bitte nach Ablauf der Sendung denFernsehapparat abzuschalten. Hat sich dadurch der Me-dienkonsum verändert? Nein. Sich vorzunehmen, wenigerMails zu schreiben oder weniger zu telefonieren, bringtungefähr so wenig wie das ewige Silvesterversprechen ansich selbst, im kommenden Jahr doch etwas wenigerSchokolade zu essen und sich mehr zu bewegen.

Erweiterungen des MenschenAls Psychologen neigen wir dazu, die Ursachen für un-ser Denken und Handeln beim Individuum zu suchen

oder zumindest uns vor allem um das Individuum zukümmern, wenn es um das Verändern von Denken undHandeln geht. Wenn es um die Anfechtungen des modernen Men-schen durch die digitalen Medien geht, lohnt sich je-doch unbedingt ein Blick in andere Disziplinen. Ausge-hen möchte ich dabei von einer ganz simplen Frage, aufdie es eine ebenso simple Antwort gibt: Warum benut-zen wir das Handy, das Internet und all die digitalen Er-rungenschaften der vergangenen Jahrzehnte? Die zu-gegebenermaßen beinahe banale Antwort darauf lautet:Weil sie praktisch sind, weil sie uns das Leben erleich-tern, weil wir diese Dinge inzwischen brauchen.Warum aber fällt es uns so schwer, unseren Medienkon-sum einzustellen? Der Medientheoretiker Marshall McLu-han bezeichnete in den 1960er-Jahren Medien als »ex-tensions of man«, als Erweiterungen des Menschen. EinMedium dient McLuhan zufolge nicht dazu, etwas ande-res zu ersetzen, sondern dazu, die Möglichkeiten desmenschlichen Körpers zu erweitern. So ersetzt ein Fern-seher in keiner Weise Augen und Ohren des Menschen,sondern erweitert die körperlichen Möglichkeiten, in dieFerne zu blicken (und zu hören). Ein Telefon ist kein Er-satz für das direkte Gespräch, sondern eine Ausdehnungder Möglichkeiten, miteinander zu sprechen. Ein Handyentbindet diese Kommunikationsmöglichkeit des Kabels,das Internet ermöglicht es uns, unterschiedliche Kanälefür die Verbreitung von Informationen und deren Auf-nahme zu verwenden. Das mobile Internet stellt nocheine Eskalationsstufe dieser Erweiterungen des Menschendar.Wozu dient nun diese Feststellung? Wichtig an der Be-zeichnung von Medien als Erweiterungen des Menschenist die Erkenntnis, dass Medien aus einem Bedürfnis vonMenschen genutzt werden. Eine wesentliche Folge davonist, dass Medien nicht dazu dienen, ein menschliches Be-dürfnis zu schaffen, sondern dieses lediglich erweitern.Doch Medien erweitern nicht nur unsere Möglichkeitenzu kommunizieren, sondern auch die Möglichkeiten an-derer Menschen oder Organisationen.

Der flexible Mensch1998 veröffentliche Richard Sennett sein inzwischen zumsoziologischen Klassiker avanciertes Buch »Der flexibleMensch« (engl. »The corrosion of character«). Er beschriebdarin, wie der moderne Mensch durch Flexibilisierungs-prozesse in der Arbeitswelt dazu gezwungen wird, sich anunterschiedlichste Bedingungen anzupassen, flexibel zusein, und dabei Gefahr läuft, den roten Faden der eigenenIdentität und stetigen Entwicklung zu verlieren. DieseTendenz hat sich seitdem beschleunigt und verschärft.Atypische Beschäftigungen haben in den Nuller-Jahrensprunghaft zugenommen. Zeitarbeit, Teilzeitarbeit, be-fristete Arbeitsverhältnisse, das Hangeln von einem Pro-jekt zum nächsten – diese Phänomene sind so selbstver-ständlich geworden, dass sie heute kaum mehr erwäh-

»Ich bin dann mal off«Über die Vergeblichkeit eines Silvesterversprechens

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nenswert erscheinen. Hinzu kommen wachsende Anfor-derungen an die Mobilität von Menschen. 50% der ar-beitenden Bevölkerung Deutschlands verfügen über Er-fahrungen mit berufsbedingter Mobilität, damit also, eineFern- oder Wochenendebeziehung führen zu müssen, alsFernpendler auf Schiene oder Straße täglich mindestenszwei Stunden lang unterwegs zu sein oder einen Teil desJahres im Zimmer einer Hotelkette zu nächtigen. 80% der beruflich mobilen und flexiblen Menschenwünschen sich, dass dieser Zustand des Unterwegs-sein-Müssens nicht länger als etwa zwei Jahre andauert.Die wenigsten von ihnen erreichen dieses Ziel. Mobilität, Flexibilität und Erreichbarkeit sind großartige Er-rungenschaften der Moderne und funktionierten langeZeit als Synonym für unseren Freiheitsbegriff. Inzwischenjedoch kippt die Bedeutung dieser Trias. Mobilität, Flexi-bilität und Erreichbarkeit stellen attraktive und zugleich un-erlässliche Komponenten dessen dar, was unser Wirt-schaftsleben ausmacht. Und genau aus diesem Grund ge-lingt es uns nicht, den Rat Peter Lustigs zu befolgen oderunseren an Silvester gefassten Vorsatz, unsere Telefon-, In-ternet- oder Arbeitsgewohnheiten zu verändern, im Alltagumzusetzen. Wer sich der Notwendigkeit, mobil, flexibelund erreichbar zu sein, entzieht, der verzichtet auf die Teil-nahme an unserem wachstums- und wettbewerbsorien-tierten Wirtschaftssystem. Die meisten ziehen den Stressdem Nullwachstum vor. Meinhard Miegel hat in seinemBuch »Wohlstand ohne Wachstum« ausgeführt, dass eingrundlegendes Umdenken für eine Abkehr von dem unseingeimpften Wachstumsdenken notwendig wäre. Ehereine Generationenfrage als ein Thema, das von vielenwährend ihres Erwerbslebens angegangen werden wird.

Laufbahnberatung statt Offline-ModusDas Problem der technologischen Überforderung desMenschen, des Stresses, dem er sich durch die ständige Er-

reichbarkeit aussetzt, liegt nicht auf einer technologischenEbene. Die Lösung kann nicht darin gefunden werden, diekorrekte Funktionsweise des Offline-Modus herauszufin-den. Es handelt sich vielmehr um eine tief greifende ge-sellschaftliche Veränderung, die auf das Erleben und Ver-halten von uns modernen Menschen in der westlichenWelt wesentlichen Einfluss ausübt. Wenn wir unter diesenveränderten Bedingungen gesund bestehen wollen, wennwir unsere Leistungs- und Genussfähigkeit auftrechter-halten möchten, so ist für jeden von uns eine Auseinan-dersetzung mit den eigenen Werten und unseren Kom-petenzen notwendig. Wir müssen erkennen, was wir zuleisten imstande sind und was wir im Leben erreichen wol-len. Sofern sich diese Werte und Kompetenzen mit unse-rem Berufsfeld decken, werden wir auch einigermaßen mitden technologischen Erfordernissen dieses Feldes umge-hen können. Wenn wir uns jedoch einbilden, etwas an-deres tun zu müssen, als wir eigentlich wollen und können,dann werden wir von ständiger Erreichbarkeit und den Er-fordernissen, mobil, und flexibel sein zu müssen, bis zurUnkenntlichkeit verformt, dann leiden wir unter Stressund Schlaflosigkeit – und brennen aus. Bei aller soziologischen Erklärung für das Zustandekom-men der Situation des modernen Menschen tut sichdoch für Psychologen ein ganz wesentliches und gesell-schaftlich bedeutsames Betätigungsfeld auf, das unterden Begriffen »Laufbahnberatung« und »Coaching« fir-miert, aber letztlich ein viel umfassenderes Feld der psy-chologischen Beratung darstellt: die Bewältigung des Le-bens in einer komplexer gewordenen Welt, in der sichOrientierungspunkte wie etwa generationenweise gel-tende normative Entwicklungsaufgaben auf dem Rückzugbefinden und in der das Individuum selbst Pfeiler ein-schlagen muss, um den Weg in die eigene Zukunft nichtzu verfehlen. Claas Triebel

Keine Frage, unsere Gesellschaft, vor allem dieWirtschaft, ist in Bewegung geraten, in heftige Be-

wegung. Begleitet von Modethemen wie »Globalisierung«,»Arbeitsverdichtung«, »Ressourcenkonzentration«, »Ri-siko- und Innovationsbereitschaft«, überschlagen sich dieVeränderungen heute manchmal regelrecht: Was gesterngalt, gilt heute nicht mehr. Und ob das, was heute gilt,auch morgen noch gilt, ist höchst fraglich. Alle sind be-troffen: von freien Unternehmern über Manager und Kar-rieremacher bis hin zu einfachen Angestellten und Be-rufsanfängern. Manche bemerken es früher, andere später.Und auch in der Psychotherapie, in Supervision undCoaching werden wir zunehmend mit den »seelischenKosten der Karriere« konfrontiert. Im Psychologischen Fo-rum Offenbach (PFO) haben wir dafür spezielle Angebotefür unsere Klienten entwickelt. Schließlich ist eine guteKarriere ein Marathon und keine Ansammlung von (mehroder weniger wahllos) aneinandergereihten Sprints.

Neben den Sonnenseiten der »Top-Jobs« – Gehälter undEinkommen, die sich im sechsstelligen Bereich bewegen,Prestige, Ansehen, Macht, weiträumige Gestaltungsfreiheit– kommen irgendwann auch die Schattenseiten ins Blick-feld. Und so viel sollte jedem klar sein: Geschenkt be-kommt man nichts auf der Karriereleiter oder im Karrie-renetzwerk. So kann die für viele Berufe notwendige Selbst-disziplin leicht in Selbstverleugnung umschlagen. Über-triebene Außenorientierung und exzessive Anpassung füh-ren mitunter zu chronifiziertem Fassadenverhalten (»stoß-fest, bruchsicher, formschön und abwaschbar«). AndereAspekte des Lebens – neben dem Beruf – werden ver-nachlässigt. Kurzfristig können olympiareife Leistungen er-bracht werden, langfristig aber droht eine Bauchlandung.

Chronischer Stress »Der Zwang nimmt ab, aber der Druck nimmt zu«, sagtemir unlängst ein Coachingklient und meinte damit, dass ei-

r e p o r t fokus

»Smart Career« oder:Wie man seelische und körperliche Kosten der beruflichen Entwicklung minimiert

Dr. Claas Triebel (1974)ist Psychologe und Autor. Als Experte in Sachen Laufbahnberatung arbeitet er ander Universität der Bundeswehr,München, und als Gesellschafterder wissenschaftlichen Beratungsfirma »PerformPartner«.2010 erschien sein jüngstes Buch»Mobil, flexibel, immer erreichbar – Wenn Freiheit zum Albtraum wird« bei Artemis & Winkler.

KontaktDipl. Psych. Werner Gross

Psychologisches Forum

Offenbach (PFO)

Bismarckstr. 98

63065 Offenbach/Main

T 069 – 82 36 96 36E [email protected]

LiteraturGross, Werner (Hrsg.):»... aber nicht um jeden Preis –Karriere und Lebensglück« Freiburg 2010; Kreuz-VerlagWagner-Link, Angelika: Verhalten-straining zur Stressbewältigung. Ar-beitsbuch für Therapeuten und Trai-ner; Vollständig überarbeitete Neu-auflage mit CD; Klett-Cotta 2010

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Somatopsychologie: Psychische Probleme als Folge körperlicher

Funktionsstörungen

Erich KastenUniversität zu Lübeck

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Allgemeine Informationen über den Test,Beschreibung des Tests und seiner diagnostischen ZielsetzungDie deutsche Version des PPI-R basiert auf der engli-schen Originalfassung von Lilienfeld und Widows (Lili-enfeld, S. O. & Widows, M. R. [2005]. Psychopathic Per-sonality Inventory Revised [PPI-R]. Professional Manu-al. Lutz, F. L: Psychological Assessment Resources), wel-che zur Erfassung der Psychopathie als Persönlichkeits-konstrukt konstruiert wurde. Es handelt sich um einSelbstbeschreibungsinstrument mit 154 Items. Der Testkann als Einzel- und Gruppentest von geschultem Per-sonal durchgeführt werden; die Durchführungszeit wirdmit bis zu 45 Minuten angegeben. Der Schwerpunkt derderzeitig möglichen Anwendungen des Verfahrens liegtin der forensischen und klinischen Forschung, aufgrundausstehender Validitätsuntersuchungen jedoch wenigerin der forensischen Begutachtung. Psychopathie wird auf acht Skalen erfasst (Schuldexter-nalisierung, rebellische Risikofreude, Stressimmunität,sozialer Einfluss, Kaltherzigkeit, machiavellistischer Ego-ismus, sorglose Planlosigkeit, Furchtlosigkeit), hinzukommt eine Lügenskala (unaufrichtige Beantwortung).Zur deutschen Version gibt es erste Befunde zur Relia-bilität und Validität, vornehmlich an Studenten undeiner kleineren Stichprobe des Maßregelvollzugs.

Theoretische Grundlagen als Ausgangspunkt der TestkonstruktionDer PPI-R übernimmt die Psychopathiekonzepte vonCleckley und Hare. Grundlegend für die Skalenkonstruk-tion ist Checkleys Definition eines psychopathischenMenschen, der oberflächlich charmant, egozentrisch,unverbindlich und unehrlich ist, keine Reue zeigt, auchbei objektiver Bedrohung furchtlos ist und unfähig ist,vertrauensvolle Beziehungen einzugehen. Aufgrund derin herkömmlichen diagnostischen Verfahren fehlendengraduellen Abstufung von Psychopathie und deren aus-schließlicher Beurteilung mit Hilfe von Fremdeinschät-zungen entwickelten sich im englischen SprachraumSelbstbeurteilungsverfahren der Psychopathie. Die gra-duelle Messung des Konstrukts erlaubte in der Forschungdie Anwendung des PPI-R auch bei gesunden Proban-dengruppen. Die Originalfassung des PPI-R wurde vonden Autoren übersetzt, und die Struktur der Originalfas-sung des PPI-R wurde faktorenanalytisch repliziert.

ObjektivitätDie Voraussetzungen hinsichtlich der fachlichenQualifikation des Untersuchers sowie zur Untersu-chungssituation werden spezifiziert. Die Hinweisezur Durchführung des Tests enthalten mehrereAnweisungen zur motivationalen Beeinflussung desTestkandidaten, z.B.: »Der Testleiter sollte versu-chen, bei den Probanden eine möglichst positiveEinstellung gegenüber dem Test herzustellen.« Es istsomit anzunehmen, dass aufgrund der Interpretationund der Umsetzung dieser Instruktionen die Variabi-lität über verschiedene Testleiter hinweg zunimmtund die Beantwortung der Items beeinflusst, welcheszu einer Verringerung der Durchführungsobjektivitätführen kann. Die Auswertungs- und Interpretations-objektivität des PPI-R können aufgrund der Gestal-tung der Testmaterialien und der verständlichen Dar-stellungen im Testmanual zunächst angenommenwerden. Einschränkungen ergeben sich bei der Aus-wertungsobjektivität, da Hinweise zum Umgang mitausgelassenen Antworten und die Angabe der Gren-zen fehlen, ab wann von einer Interpretation desPPI-R abgeraten werden muss. Allerdings gibt esHinweise darauf, dass bei »Unaufrichtiger Beantwor-tung« mit T > 60 die Auswertung des PPI-R fraglichist. Hinsichtlich der Interpretationsobjektivität fin-den sich kurze Beschreibungen der einzelnen Skalen;Beispiele zur Interpretation und Integration der Ska-lenwerte fehlen allerdings.

Normierung (Eichung)Für den PPI-R in deutscher Übersetzung liegen T-Werte (auch umgewandelt in Prozentränge) einerstudentischen Stichprobe im Altersbereich von 18bis 25 Jahren und differenziert nach Geschlecht (N =352) vor. Die Normtabellen existieren sowohl für denGesamtwert »Psychopathie« als auch für die achtSkalen des PPI-R; klinische Normgruppen stehennoch aus. Zusätzlich ist auch eine Normtabelle zurBewertung der »Unaufrichtigen Beantwortung« ent-halten. Die Testautoren halten die Anwendbarkeitbei älteren Probanden für möglich und verweisenbei jugendlichen Probanden auf noch ausstehendeValidierungen. Untersuchungen zur Altersstabilitätder Testskalen im Erwachsenenalter werden nichtberichtet.

r e p o r t fachwissenschaftlicherteil

TBS-TKRezension

Psychopathic Personality Inventory –Revised, Deutsche Version(PPI-R)Dirk Hallner, Monika Hasenbring Medizinische Psychologieund Medizinische Soziologie, Ruhr-Universität BochumJürgen Hoyer , Institut für Klinische Psychologie und Psychotherapie,Technische Universität Dresden

Testbeurteilungssystem – Testkuratorium der Föderation deutscher Psychologenvereinigungen

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Zuverlässigkeit (Reliabilität, Messgenauigkeit)Das Testmanual weist die Ergebnisse zur internen Kon-sistenz des Gesamttests und zu den Testskalen des PPI-R aus. Die zugrunde liegende Stichprobe wird nichtberichtet. Die interne Konsistenz des Gesamttests kannmit α = 0,85 als ausreichend betrachtet werden, wäh-rend die internen Konsistenzen der jeweiligen Testskalennur teilweise ein ausreichendes Niveau erreichen. DieSpanne der internen Konsistenzen variiert von α = 0,65(»Unaufrichtige Beantwortung«) bis α = 0,88 (»Schuldex-ternalisierung«). Neben der Skala »Unaufrichtige Beant-wortung« zeigen vier weitere Skalen interne Konsisten-zen kleiner 0,80. Die Item-Trennschärfen der jeweiligenTestskalen liegen im Bereich von 0,01 bis 0,79. Zuguns-ten der Vergleichbarkeit mit der Originalversion desTests verzichteten die Testautoren auf die Streichungeiniger Items, welches aber aufgrund der zu erwarten-den Verbesserung der Reliabilitätsschätzungen notwen-dig erscheint. Angaben zur Retestreliabilität fehlen.

Gültigkeit (Validität)Die Inhaltsvalidität wird aus der in Wortlaut und Bedeu-tung möglichst kongruenten Überführung des deut-schen PPI-R aus der englischsprachigen Originalversionabgeleitet, jedoch nicht näher erläutert. Die faktorielleValidität ist aufgrund der mitgeteilten Informationennicht sicher beurteilbar. Zur Überprüfung der Kon-struktvalidität des PPI-R wurden die Mittelwertsunter-schiede der Testskalen einer studentischen Gruppegegen eine forensische Stichprobe getestet. Aufgrundvon Diskrepanzen zwischen textlichen und tabellari-schen Darstellungen sind die Ergebnisse nicht eindeutignachvollziehbar. Mindestens fünf der zur Überprüfungberechneten t-Tests weisen auf hypothesenkonformeErgebnisse hin, während in zwei Skalen (»Kaltherzig-keit« und »Sozialer Einfluss«) die studentische Gruppehöhere Werte erreichte. Diese hypothesenkonträrenBefunde werden nicht diskutiert. Es werden signifikan-te Korrelationen einzelner Testskalen mit anderenSelbstbeurteilungsinstrumenten (Trait-Angst, STAI;soziale Erwünschtheit, SDS; soziale Ängstlichkeit, SPAI)berichtet. Die konvergente Validität des Gesamttest-wertes mit dem Kieler Psychopathie Inventar – Revision(KPI-R) wird mit r = 0,78 angegeben. Darüber hinauskorrelieren mehrere Testskalen des PPI-R mit mehreren

anderen Testskalen des KPI-R. Ebenfalls konnten für dieSkalen »Kaltherzigkeit«, »Sorglose Planlosigkeit«,»Rebellische Risikofreude« und »Persönliches Leid« sig-nifikante Korrelationen zu Faktoren des SaarbrückerPersönlichkeitsfragebogens (SPF) gefunden werden. Diezugrunde liegende Stichprobe kann allerdings nichtermittelt werden. Ein Befund zur Kriteriumsvalidität(drei der acht Skalen des PPI-R sagen Verhalten ineinem »Gefangenendilemma-Spiel« vorher) wurde kürz-lich publiziert (Mokros, A. et al. [2008]. Diminishedcooperativeness of psychopaths in a prisoner's dilemmagame yields higher rewards. Journal of Abnormal Psy-chology 117, 406-413). Weitere Befunde zur Kriteriums-validität (insbesondere zur Übereinstimmung mit aufFremdeinschätzung beruhenden Standardmaßen derPsychopathie) sind dringend erforderlich. EmpirischeBelege für die prognostische Validität fehlen.

Weitere Gütekriterien (Störanfälligkeit, Unverfälschbarkeit und Skalierung)Zur Kontrolle der Verfälschbarkeit enthält das PPI-Reine Skala mit 23 Items, welche »systematisches Ankreu-zen oder Manipulationsversuche« aufdecken soll. Durchdie geringe Reliabilität dieser Skala ist die Zuverlässig-keit der Kontrolle allerdings beschränkt. Da gerade vonhoch psychopathischen Menschen behauptet wird, dasssie die Tendenz haben, häufig zu lügen und manipulativzu sein, können hohe Werte auf der Psychopathieskala(außer allenfalls in anonymen Untersuchungen) nur vonehrlichen Menschen oder Simulanten, aber nicht vonPsychopathen erreicht werden, was aber ein Wider-spruch in sich selbst ist. Zur Manipulierbarkeit und Vali-dität dieser Lügenskala finden sich keine ausreichendenAngaben, womit das angesprochene Paradoxon nichtüberzeugend beherrscht wird. Zur Minimierung derAntworttendenz in Richtung sozialer Erwünschtheit fin-den sich Hinweise zur Instruktion der Probanden. Durchnegierte Item-Formulierungen kann es zu Falschantwor-ten kommen, was die Handhabbarkeit einschränkt.

Abschlussbewertung/EmpfehlungDie bislang vorliegende deutsche Version des PPI-R istein neues Instrument zur graduellen Messung vonAspekten der Psychopathie mit Hilfe eines Selbstbeur-teilungsverfahrens, welches die diagnostischen Mög-lichkeiten in der klinischen Psychologie und Forensikerweitern soll. Die Vergleichbarkeit des Instruments mitder englischen Originalfassung lässt eine Verwendbar-keit besonders in Forschungskontexten erwarten. Indiesem Rahmen könnten Verbesserungen der bislangunzulänglichen Durchführungsobjektivität erarbeitetund Überprüfungen der Skalenkonstruktion im Hinblickauf die teilweise schwachen Reliabilitätsschätzungendurchgeführt werden. Ebenfalls stehen noch Untersu-chungen zur prognostischen Validität des Verfahrens inklinischen und forensischen Populationen aus. Hierzuscheint ergänzend eine Überarbeitung der Skala»Unaufrichtige Beantwortung« aufgrund der teilweisefehlenden Item-Trennschärfen notwendig. Einschrän-kend gilt ferner, dass die Ergebnisse zur Faktorkongru-enz nur oberflächlich berichtet werden. Untersuchun-

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PPI-R Die TBS-TK-Anforderungensind erfüllt

voll weit- gehend

teil -weise

nicht

Testbeurteilungssystem –Testkuratorium der

Föderation deutscher Psychologenvereinigungen

Allgemeine Informa-tionen, Beschreibungund diagnostischeZielsetzung

Objektivität • •Zuverlässigkeit • •Validität • •

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gen zur Altersstabilität der Testskalen und der Faktoren-lösung wären für die Verwendbarkeit des PPI-R in gut-achterlichen Kontexten eine wichtige Grundlage; einEinsatz in diesem Bereich scheint auf dem derzeitigenEntwicklungsstand des Verfahrens noch nicht möglich.Verbesserungen für eine revidierte Form sind durch dieTestautoren bereits angekündigt worden und sollenbesonders die Testnormierung und die Gütekriterienbetreffen.In der Praxis der klinischen und forensischen Diagnostikist momentan der Einsatz von validierten Fremdein-schätzungsskalen, insbesondere im Prognosebereich,weiter unverzichtbar und der diagnostische Zugewinndurch die PPI-R noch fragwürdig, wenngleich einigeArbeiten bereits auf eine Validität der Selbstberichts-skalen hinweisen.

Diese Testrezension wurde im Auftrag des Testkuratoriumsder Föderation deutscher Psychologenvereinigungen(DGPs und BDP) gemäß den TBS-TK-Richtlinien (Testku-ratorium, 2009, 2010) erstellt.Testkuratorium. (2009). TBS-TK. Testbeurteilungssystemdes Testkuratoriums der Föderation Deutscher Psycholo-genvereinigungen. Revidierte Fassung vom 09. September2009. Report Psychologie, 34, 470-478.Testkuratorium. (2010). TBS-TK. Testbeurteilungssystemdes Testkuratoriums der Föderation Deutscher Psycholo-genvereinigungen. Revidierte Fassung vom 09. September2009. Psychologische Rundschau, 61, 52-56.

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Alpers, G. W. & Eisenbarth, H. (2008). Psychopathic Personality Inventory – Revised, Deutsche Version (PPI-R). Göttingen: Hogrefe.

Bezugsquelle: Testzentrale Göttingen, Robert-Bosch-Breite 25, 37079 Göttingen.

Test komplett: 66 €. Manual: 48 €. 25 Fragebogen: 40 €. 50 Auswertungsbogen: 19 €.

Bitte zitieren Sie diesen Artikel wie folgt: Hallner, D., Hasenbring, M. & Hoyer, J. (2010). TBS-TK Rezension: »Psychopathic Personality Inventory– Revised, Deutsche Version (PPI-R)«. Report Psychologie, 36. Jahrgang, Heft 1, S. 23-25.

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Zu beziehen über: Deutscher Psychologen Verlag GmbH · Am Köllnischen Park 2 · 10179 Berlin · Tel. 030 - 209 166 410 · Fax 030 - 209 166 413 · [email protected]

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Anlässlich vieler Nachfragenaus der Bundesvereinigung

Psychologiestudierender im BDPsowie einer ganzen Reihe von Anrufen aus der Bevölkerung beider Chefredaktion hat »report psychologie« im November den damaligen Vizepräsidenten des Verbandes, Laszlo A. Pota, zumThema Psychotherapieausbildungund Novellierung des Psychothera-peutengesetzes (PsychThG) befragt.

Studenten wirken zum Teil verwirrt und besorgt, bereits im Beruf stehende Psy-chologen aus Wissenschaft und Praxis geben ihnen unterschiedliche, zum Teileinander widersprechende Antworten, wie denn künftig die Psychotherapie-ausbildung aussehen soll/wird, wer zugangsberechtigt sein wird und wer nicht.Woher kommt diese Verwirrung? Hintergrund für die Verwirrung ist der Unterschied zwischen aktuellerRechtslage und den Vorstellungen der verschiedenen Akteure. Im Rahmendes vom BMG beauftragten Forschungsgutachtens wurden verschiedene vonder aktuellen Regelung stark abweichende Modelle präsentiert und disku-tiert. Ein häufig vorgebrachtes Argument war die angeblich aufgrund der Ein-führung der neuen Studiengänge entstandene Unsicherheit bezüglich derkünftigen Zugangskriterien. Seitdem herrscht breite Verwirrung darüber,welche rechtlichen Kriterien aktuell gelten und welche anderen ab wann gel-ten könnten. Häufig nehmen Praktiker, Studierende und Lehrende an, dasseinzelne Vorschläge schon jetzt oder zumindest in naher Zukunft die Zu-gangsrealität darstellen. Psychologiestudierende befürchten, dass sie imRahmen einer deutlichen Erhöhung der Anteile in klinischer Psychologie auf30 oder 50 Leistungspunkte nicht nur eine inhaltliche Verdoppelung in derAusbildung haben würden, sondern aufgrund ihres Studienwegs mit Basis-fach klinischer Psychologie gar keinen Zugang erhalten.

Gibt es unter den vielen Vorschlägen und Überlegungen auch die, dass gleichnach dem Bachelor eine PT-Ausbildung zugelassen werden sollte?Aufgrund von Gerichtsurteilen haben die Länder die weite Interpretationdes Zugangs im Sinne der Aufnahme von Behindertenpädagogik, Religi-onspädagogik und anderen speziellen Studiengängen im Bereich der Sozi-alwissenschaften geändert. Im Forschungsgutachten wird jedoch ein ent-gegengesetzter Vorschlag gemacht, der letztlich dazu führen würde, dass dasVorwissen und die Vorkenntnisse sehr unterschiedlich wären. Der allen ge-meinsame Kern des Wissens würde – wenn man den Vorstellungen der Gut-achter folgte – auf ein bis zwei Jahre Hochschulstudium mit Kernthemen derPsychologie plus der theoretischen und praktischen Anteile in der Weiter-bildung schrumpfen. Dadurch würden die Kompetenzprofile sehr starkschwanken, ohne dass dies in der Berufsbezeichnung erkennbar wäre.

Welche Politik verfolgen die, die die BDP-Position nicht teilen?Obwohl sich erstens das Profil der psychologischen Psychotherapeutenqualitativ sehr gut bewährt, zweitens im Bereich der Qualität in der Kinder-und Jugendlichenpsychotherapie, bezogen auf Pädagogen, auch Kritik

Ein Blick ins Service-Scheckheft lohnt(ij) Auch in diesem Jahr bietet der BDP seinen Mitgliedern

konkrete Unterstützung im Berufsalltag. Das (dieser Ausgabe

beiliegende) Service-Scheckheft, das nun in der siebten Aufla-

ge vorliegt, ist der beste Beweis dafür. Neben zahlreichen

bewährten Leistungen gibt es interessante neue Angebote,

bei denen Mitglieder von geldwerten Vorteilen profitieren

können. Sie sind darüber hinaus eingeladen, den

Mitgliederbereich unserer Webseite zu besuchen. Unter

www.bdponline.de stehen im »Marktplatz« noch mehr

exklusive Angebote. Sollte das Service-Scheckheft in einer

Ausgabe wider Erwarten fehlen, genügt ein Anruf

beim Mitgliederservice: T 030 – 209 166 662.

Rückgang von Suiziden in Deutschland(cs) In den letzten 30 Jahren gab es einen Rückgang der Zahl

der Suizide in Deutschland von 18 000 auf zirka 9 400, mit

stärkstem Rückgang in den neuen Bundesländern nach der

Wiedervereinigung. Diese Zahlen wurden beim

7. Europäischen Depressionstag im Oktober 2010 in Berlin

mitgeteilt. Einer der wichtigsten Gründe für diesen starken

Rückgang dürfte die bessere Versorgung depressiv

Erkrankter sein. Trotz dieser Fortschritte werden auch heute

noch weniger als zehn Prozent der zirka vier Millionen

depressiv Erkrankten in Deutschland optimal behandelt,

so schätzen Experten. »Dies ist ein nicht tolerierbarer

Zustand, da Depressionen schwere, oft lebensbedrohliche Er-

krankungen sind und wirksame Behandlungen wie

Antidepressiva und kognitive Verhaltenstherapie zur

Verfügung stehen«, sagte Prof. Dr. Ulrich Hegerl, Direktor Kli-

nik und Poliklinik für Psychiatrie der Universität Leipzig, an-

lässlich der Veranstaltung.

Freie Berufe haben größten Anteilausländischer Auszubildenden(cs) Auch die freien Berufe werden künftig angesichts des de-

mografischen Wandels das Potenzial von Jugendlichen mit

Migrationshintergrund noch stärker erschließen müssen, um

ihre Ausbildungsstellen besetzen zu können. Vieles sei jedoch

bereits erreicht, so BFB-Präsident Dr. Ulrich

Oesingmann. Die freien Berufe haben mit 8,1 Prozent den mit

Abstand größten Anteil ausländischer Auszubildenden unter

allen Ausbildungsbereichen. Aus Perspektive der

Jugendlichen ist festzuhalten, dass 13 Prozent der mit

Ausländern besetzten Ausbildungsplätze in den

Zuständigkeitsbereich der freien Berufe fallen. Gerade in den

sensiblen Bereichen der freien Berufe mit direktem Kontakt

zu Patient, Klient, Mandant oder Kunde wird seit jeher Wert

auf eine kulturelle, ethnische sowie ethische

Balance gelegt. Indem sie Jugendlichen mit

Migrationshintergrund eine Perspektive bieten, tragen sie

alle auch in dieser Sicht gesellschaftspolitische

Verantwortung. Damit verknüpft sind zweifelsfrei ganz

praktische Gründe. Denn die mitgebrachten

Sprachkenntnisse sind eine Bereicherung für die Praxen,

Kanzleien, Büros und Apotheken. Allerdings werde es

zunehmend schwieriger, für anspruchsvolle

Ausbildungsberufe geeignete Jugendliche zu finden.

Unscharfe Kompetenzpro-file schaden den PatientenBDP will Qualität der Ausbildung erhöhenund Versorgung verbessern

Page 10: RP 1-2011 Leseprobe

reportpsychologie

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r e p o r t spektrum

durch die Supervisoren formuliert wird und drittens sich die Ab-schlussnoten Letzterer stark von denen der psychologischen Psy-chotherapeuten unterscheiden, wurde und wird von einigen Sei-ten weiter darauf hingearbeitet, das Niveau an Sozialpädagogenanzugleichen und diese dadurch zu integrieren. Die als Vertrau-ensschutz für den damals besonderen Studiengang »Psychagogen«eingeführte Zugangsregelung wird heute fälschlicherweise imKontext angeblich vorhandener besonderer Kenntnisse aller Pä-dagogen im Kinder- und Jugendbereich dargestellt. Wenn man dieAnteile an pädagogischer Psychologie, Entwicklungspsychologieund die auf Kinder bezogenen Themen in allgemeiner Psycholo-gie, Persönlichkeitspsychologie in klinischer Psychologie im Psy-chologiestudium dazu vergleichend betrachtet, ist die behauptetebesondere Kompetenz für diese Zielgruppe allerdings nicht nach-vollziehbar.

Wie lässt sich durch eine mögliche Neuregelung der PT-Ausbildungeine Verbesserung der Situation sowohl bezüglich der Qualität alsauch der Versorgungssituation erreichen? Oder ist Letzteres nach derErhöhung der KJP-Quote kein Problem mehr?Wenn die Zugangskriterien auch für KJP mehr Kompetenzen imBereich der Diagnostik, der Methoden, der allgemeinen Psycho-logie und der Persönlichkeitspsychologie vorsehen würden,könnte eine deutliche Qualitätsverbesserung erzielt werden. DieVersorgungssituation könnte durch eine Änderung der Bedarfs-planung oder eine stärkere Berücksichtigung der Kollegen mitDoppelapprobation verbessert werden, da die Behandlung vonKindern meistens nur in der Hälfte der Wochenarbeitszeit mög-lich ist. Die Erhöhung der KJP-Quote verringert daher – anders alshäufig behauptet – den Gesamtversorgungsgrad, indem ein vol-ler Sitz für Erwachsene durch einen nur halb auszufüllenden fürKinder und Jugendliche ausgetauscht wird. Es gibt daneben dasProblem, dass die am Geschehen oft nicht ganz unschuldigen El-tern, aber auch andere Erwachsene von Kinder- und Jugendli-chenpsychotherapeuten ohne entsprechende Fachkunde (mit)behandelt werden und Kassen dies sogar bei der Abrechnung ak-zeptieren. Ganz absurd ist auf diesem Hintergrund die Tatsache,dass die KV mit dem Argument besonderer Kompetenz die Kin-der- und Jugendlichenpsychotherapeuten den Psychologen mitDoppelapprobation vorzieht, auch ungeachtet eines höheren Ap-probationsalters.Wenn die Kompetenzen fair bewertet werden und es primär umdie Verbesserung der Versorgung gehen würde, müsste eigentlicheine Bevorzugung der vertiefter ausgebildeten psychologischenPsychotherapeuten mit zusätzlicher KJP-Fachkunde erfolgen. Inbeiden Berufsgruppen warten allerdings genügend Berufsange-hörige darauf, frei werdende Sitze einzunehmen beziehungsweisedie Unterversorgung durch Kostenerstattung abzubauen. AmNachwuchs mangelt es nicht.

Wo kollidieren Gruppeninteressen womöglich mit dem Interesseder Verbraucher bzw. Patienten?Als gemeinsam zu verfolgendes Ziel wird häufig eine Vereinheit-lichung des Berufsbildes genannt. Es stellt sich jedoch die Frage:Auf welchem Niveau? Im Sinne des Verbraucherschutzes und derErhaltung des Facharztstatus liegt es sicher im Interesse aller jet-zigen und zukünftigen Psychotherapeuten, den erreichten Statusder selbstständigen Ausübung und der direkten Abrechnung wei-ter zu erhalten. Eine Anhebung der Eingangsqualifikation für Pä-dagogen ist m.E. zur Erreichung dieser Ziele zwingend. Seitens der(Fach-)Hochschulen und der Berufsverbände im sozialen Bereich

werden zum Teil sachfremde Argumente und Kriterien wie im Ver-gleich zu Psychologen angeblich besondere Kenntnisse der Ab-solventen des Studiums sozialer Arbeit beim Thema Armut und inder Sozialisation angeführt. Die Fachhochschulen fürchten, nichtausreichend Master-Plätze zur Verfügung stellen zu können, unddie anderen Berufsverbände wehren sich gegen die Etablierunghöherer Anforderungen an ihre Mitglieder. Dies ist jedoch pro-blematisch, wenn man bedenkt, dass die pädagogische Psycho-logie an den psychologischen Instituten die neuen Wissensbe-stände bereitstellt, die dann mit einiger Verzögerung in die Cur-ricula von sozialer Arbeit und Pädagogik und schließlich in die Be-rufspraxis einfließen.

Durch die Debatte über die PT-Ausbildung sind andere Aspekte ei-ner Novellierung des PsychThG anscheinend in den Hintergrund ge-treten. An welchen Stellen sehen Sie diese?Der BDP hat schon im Jahr 2003 auf 15 Seiten eine Reihe von zuändernden Punkten in einem Brief an das BMG formuliert. Diesbetrifft beispielsweise die Zusammensetzung des wissenschaftli-chen Beirates, bei dem Ärzte über die Bedingungen für die The-rapie von Psychologischen Psychotherapeuten mitentscheiden.Das betrifft außerdem die Stellung und Vergütung der Psycho-therapeutinnen in Ausbildung, die Anrechnung von Theorie ausdem Studium sowie von praktischen Erfahrungen, die vor der Aus-bildung lagen. Wichtig wären auch die Verkürzung des soge-nannten Psychiatriejahres und eine entsprechende Erhöhung derStunden im ambulanten Bereich, die Öffnung für Therapiever-fahren über die Richtlinienverfahren hinaus, die Anrechnung vonErziehungszeiten in den Übergangsbestimmungen, die Änderungder Bedarfsplanung und des Bewertungsmaßstabes, und mankönnte noch einiges mehr nennen. Die Antwort damals lautete,man wolle das Gesetz noch eine Weile erproben, um möglichenÄnderungsbedarf zu prüfen.

Sind Ihnen aus dem zuständigen Ministerium Positionen bekannt,die ahnen lassen, in welche Richtung es zumindest im Punkt Psy-chotherapieausbildung voraussichtlich gehen wird? Das ist schwer einzuschätzen. Es erscheint nicht unwahrscheinlich,dass die Politik eher daran interessiert ist, das Niveau und damitauch die Gehälter und die Honorare abzusenken. Diesen Eindruckhabe ich jedenfalls in einem Gespräch mit dem Gesundheitsmi-nister (s.a. »Medizindominanz statt Teamarbeit«, S. 39), vor allemaber in vorangegangenen Gesprächen mit Gesundheitspolitikerngewonnen. Die Deutsche Gesellschaft und der BDP wollen ähn-lich wie das europäische Dach der PsychologenvereinigungenEFPA die hohe Kompetenz und damit auch die Mobilität inner-halb Europas erhalten. Es ist damit zu rechnen, dass bei einer No-vellierung auch die Organe der Ärzteschaft ihren Einfluss geltendmachen werden. In der Vergangenheit haben sich einige Arzt-gruppen kritisch gegenüber der neuen Profession und den Be-dingungen, unter denen sie zeitgebunden und damit für wenigerPatienten psychotherapeutische Versorgung erbringt, geäußert. Das Interview führte Christa Schaffmann.

Page 11: RP 1-2011 Leseprobe

Kann ich mit meinem Bache-lor-Abschluss in Psychologie

künftig Psychotherapeut werden?Kann ich mit jedem Psychologie-Mas-ter Psychotherapeut werden? Werdeich in der Ausbildung womöglich ne-ben Menschen sitzen, die gar nichtPsychologie studiert haben? Dieseund andere Fragen bewegen derzeitviele Studentinnen und Studenten derPsychologie. Antworten fallen derMehrheit praktizierender Diplom-Psy-chologen ebenso schwer wie ihrenwissenschaftlich tätigen Kollegen.Dazu beigetragen haben verschiedeneVorschläge zur Neuregelung der Zu-gangsvoraussetzungen für eine Psy-chotherapieausbildung, die in den zu-rückliegenden Jahren durch das For-schungsgutachten, Kammern undFachgesellschaften vorgelegt wordensind. Es besteht Verwirrung im Hin-blick auf die Gültigkeit dieser Vor-schläge und ihr mögliches Inkrafttre-ten. Die zur fachöffentlichen Diskus-sion vorgelegten Konzepte und Ta-bellen mit Fächern und Leistungs-punkten stellen jedoch lediglich Vor-schläge von Verbänden für eine Neu-regelung der Psychotherapieausbil-dung dar. Ob, wann und wie eine Ge-setzgebung erfolgt, ist offen; das Bun-desministerium für Gesundheit hatsich im Oktober 2010 diesbezüglichzurückhaltend geäußert.Diplom entspricht Bachelor plus MasterDer Maßstab zur Interpretation desGesetzestextes und der daraus fol-genden Kriterien ergibt sich aus demWortlaut des Gesetzes und den beiseinem Inkrafttreten gültigen Rege-lungen. Wenn also von einem »Stu-dium der Psychologie« die Rede ist,handelt es sich um das damals einzigvorhandene Psychologiestudium nachder Rahmenprüfungsordnung von1987. Da Bachelor- und Master-Studi-engänge der Psychologie zur Siche-rung der internationalen Vergleich-barkeit nach Vorgaben der Kultusmi-nisterkonferenz nicht schlechter seindürfen als die vorher bestehendenStudienprogramme, sollte es eigent-lich im Hinblick auf die Vergleichbar-

keit des alten Diplom-Abschlusses mitden neuen Abschlüssen keine Pro-bleme geben. Der Zugang zur Psy-chotherapieausbildung ist am Maß-stab des Diploms zu prüfen und zu ge-währen. Eine konkrete Unsicherheitim Hinblick auf die Zulassungskriterienzur Psychotherapieausbildung bestehtrechtlich gesehen also nicht.Solange das Gesetz nicht geändertist, muss die darin enthaltene For-mulierung »ein Studium der Psycho-logie (Kriterium 1), in dem das FachKlinische Psychologie eingeschlossenist (Kriterium 2)« nach der Rahmen-prüfungsordnung (RPO) von 1987 in-terpretiert werden. In konkreter Aus-deutung der RPO bedeutet dies, dassdie Klinische Psychologie als Basis-fach mindestens sechs Semesterwo-chenstunden und Prüfungsleistungenumfassen muss, d.h., ca. zehn Leis-tungspunkte sind als unterer Wertanzusetzen, der in einem fünfjährigenStudium der Psychologie enthaltensein muss. Das Studium der Psycho-logie bemisst sich an den Prüfungs-fächern im Grund- und Hauptstu-dium sowie einem Praktikum (ein-schließlich Abschlussarbeit) von sechsMonaten und einem entsprechen-dem Anteil an Psychologie. Dieneuen Bachelor- und Master-Studi-engänge, die den Empfehlungen derDeutschen Gesellschaft für Psycholo-gie (DGPs) entsprechen, erfüllen dasKriterium »Studium der Psychologie«. Probleme kann es in der Realität dennoch gebenDie beschriebenen Kriterien stellenjedoch nur die rechtliche Hürde zurErteilung der Approbation im An-schluss an die gesetzeskonforme Aus-bildung dar. Es ist zu unterscheidenzwischen den rein rechtlichen undden realen Möglichkeiten. So ist esbeispielsweise denkbar, dass ein Be-werber nicht genommen wird, weiler nach seinem Bachelor-Studien-gang mit ausreichend Kreditpunktenin Klinischer Psychologie einen Mas-ter beispielsweise in Wirtschaftpsy-chologie gemacht hat und das Aus-bildungsinstitut deshalb einen ande-ren Bewerber mit klinischem Schwer-punkt auch im Master vorzieht. In-

36

reportpsychologie

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Verunsicherung meist ohne NotZugang zur Psychotherapieausbildung aufder Basis des geltenden Rechts

Jury prüft eingereichte Arbeiten fürden Georg-Gottlob-Studienpreis(cs) Für den Georg-Gottlob-Studienpreis sind in der

Bundesgeschäftsstelle des BDP mehr als 50 Bewerbungen

eingegangen. Die Themen der eingereichten Arbeiten sind

überwiegend der klinischen, der pädagogischen und der

Wirtschaftspsychologie zuzuordnen. Mehrere Bewerber

befassen sich in ihren Arbeiten mit der möglichen Förderung

von Kindern, problematischem Verhalten von Jugendlichen

sowie mit Belastung, Beanspruchung und Erholung von

Arbeitnehmern. Alle Arbeiten wurden der Jury zur

Begutachtung übermittelt; sie traf eine Vorauswahl von 20

Bewerbern. Diese werden nun von Jury-Mitgliedern aufge-

sucht, um sie persönlich kennenzulernen. Mitglieder der Jury

sind Prof. Dr. Hans-Werner Bierhoff, Bochum, Prof. Dr.

Christian Loffing, Essen, Dipl.-Psych. Gertraud Richardt,

Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen,

und Hildegard Gottlob, geschäftsführende Vorsitzende und

Stifterin der Georg-Gottlob-Stiftung. Die Jury wird ihre Arbeit

bis etwa Ende Februar abschließen und jene Bewerber, die in

die engere Wahl für die Auszeichnung gekommen sind,

zu einer Präsentation einladen. Bei dieser Gelegenheit fällt

die endgültige Entscheidung, und es findet die

Preisverleihung statt.

Studie zeugt von verändertem Spielverhalten(cs) 24 Prozent der deutschen Bevölkerung ab 14 Jahren

spielen Computer- und Videospiele. Das hat die

Repräsentativstudie »GameStat« der Universität Hohenheim

ergeben, für die 2010 über 4500 Personen telefonisch befragt

wurden. Sie zeugt von einem veränderten Spielverhalten.

So befinden sich unter den Gamern überraschend viele

Erwachsene: 22 Prozent der Erwachsenen spielen

Computer- und Videospiele. Inzwischen finden sich noch bis

zum Alter von 50 Jahren relevante Spielergruppen. Viele

Spieler ziehen gemeinsames Spielen dem klassischen »Single

Player« vor. Zwar spielt ein Großteil der Gamer auch

manchmal allein gegen den Computer (81 Prozent), aber

ausschließlich tun dies nur 29 Prozent der Befragten.

Entgegen der üblichen Annahme sind nicht die Jüngeren die

Alleinspieler, sondern die Älteren, so wurde zudem festge-

stellt. Ein Blick in die Bildungsgruppen zeigt: Unter den Per-

sonen mit einem niedrigen Bildungsabschluss (unterhalb mitt-

lerer Reife) finden sich nur 19 Prozent Computer- und Video-

spieler, unter denen mit mittlerer Reife 22 Prozent, unter je-

nen mit Abitur 29 Prozent. Erst Personen mit Hochschulab-

schluss spielen wieder deutlich weniger. Ihr Anteil liegt bei

19 Prozent.

Eine klassische Vorstellung vom Gaming kann die Studie

hingegen nicht ganz widerlegen: Die Gamer sind immer noch

in der Mehrzahl männlich. Allerdings gibt es inzwischen

durchaus bemerkenswerte Anteile an Spielerinnen: So spielen

30 Prozent aller befragten Männer Computer- und

Videospiele, bei den Frauen sind es immerhin 19 Prozent.

http://online.uni-hohenheim.de

Page 12: RP 1-2011 Leseprobe

Gerichtsurteil in Sachen Rundfunkgebührenpflicht für internetfähige PCs(cs) Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat in drei

Fällen entschieden, dass für internetfähige PCs

Rundfunkgebühren zu zahlen sind. Die Rundfunkanstalten

halten die Besitzer von internetfähigen PCs für

gebührenpflichtig, weil sich mit diesen Geräten Sendungen

empfangen lassen, die mit sogenannten Livestream in das

Internet eingespeist werden. Im Rahmen der Zweitgeräte-

Befreiung wird die Rundfunkgebühr allerdings nicht verlangt,

wenn der Besitzer bereits über ein angemeldetes

herkömmliches Rundfunkgerät in derselben Wohnung oder

demselben Betrieb verfügt. Die Kläger waren zwei Rechtsan-

wälte und ein Student, die in ihren Büros bzw. in der Woh-

nung kein angemeldetes Rundfunkgerät bereithielten, aber

dort jeweils internetfähige PCs besaßen.

Der 6. Senat hat die Revisionen der drei Kläger gegen

abschlägige Urteile der Vorinstanzen zurückgewiesen: Bei

internetfähigen PCs handelt es sich um

Rundfunkempfangsgeräte im Sinn des Rundfunkgebühren-

staatsvertrags. Für die Gebührenpflicht kommt es nach dessen

Regelungen lediglich darauf an, ob die Geräte zum Empfang

bereitgehalten werden, nicht aber darauf, ob der Inhaber

tatsächlich Radio- bzw. Fernsehsendungen mit dem Rechner

empfängt. Ebenso wenig ist es erheblich, ob der PC mit dem

Internet verbunden ist, wenn er technisch nur überhaupt

dazu in der Lage ist.

Der Gleichheitssatz des Artikel 3 Abs. 1 Grundgesetz

verlangt für das Abgabenrecht, dass die Gebührenpflichtigen

durch ein Gebührengesetz rechtlich und tatsächlich gleich

belastet werden. Wird die Gleichheit im Belastungserfolg

durch die rechtliche Gestaltung des Erhebungsverfahrens

prinzipiell verfehlt, kann dies die Verfassungswidrigkeit der

gesetzlichen Gebührengrundlage nach sich ziehen. Die

Rundfunkanstalten können an der Gebührenpflichtigkeit von

internetfähigen PCs daher auf Dauer nur festhalten, wenn

diese sich auch tatsächlich durchsetzen lässt. Insoweit wird

der Gesetzgeber die Entwicklung zu beobachten haben.

wiefern ausreichende Kapazitätenangeboten werden, sodass diesereale Hürde keine Rolle mehr spielt,bleibt offen.Bei möglicher Gesetzesänderung greift Übergangsregelung In der Regel wird bei einer Verände-rung bestehender Gesetze Vertrau-ensschutz gewährt, das heißt, eineÜbergangsregelung wird in Kraft ge-setzt für diejenigen, die im Vertrauenauf die alte Regelung ihre Ausbildunggeplant haben. Meistens betragen dieÜbergangsfristen fünf bis zehn Jahre,

sodass Studierende von heute auf Ba-sis der bestehenden Regelungen pla-nen können. Zudem ist zu erwähnen,dass der aktuell von der DGPs emp-fohlene und in den Kammern disku-tierte Vorschlag Möglichkeiten ent-hält, fehlende Inhalte durch Brücken-kurse im Rahmen einer neu geregel-ten Ausbildung zu erwerben.Fredi Lang

r e p o r t spektrum

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reportpsychologie

‹36› 1|2011

Die Drogenbeauftragte derBundesregierung, Mechthild

Dyckmans (FDP), gab am 10. No-vember 2010 in der » Kalkscheune«in Berlin ihren Jahresempfang.Laszlo Pota, zu diesem ZeitpunktVizepräsident des BDP, nutzte dieVeranstaltung zu politischen Kon-takten und Gesprächen sowohl mitder Drogenbeauftragten und ihrempersönlichen Referenten als auchmit Bundesgesundheitsminister Phi-lipp Rösler. Er griff dabei die Ein-schätzung von Mechthild Dyckmansauf, wonach die von Sucht betroffe-nen Kinder und Jugendlichen im-mer jünger werden und die Experi-mente mit Alkohol, Computer- bzw.Spielsucht mehr und mehr selbst-gefährdend sind. Dyckmans hattesich in ihrer Rede von den Erwach-senen eine deutlich stärkere Vor-bildwirkung gewünscht und sich füreine bessere Finanzierung von Pro-jekten zur Prävention ausgespro-chen. Im persönlichen Gespräch mitihr ging es dann um Projekte, beidenen betroffene Jugendliche inSchulen und Freizeitheimen anderevon Drogen abhalten bzw. sie davorwarnen. Das seit 18 Jahren beste-hende » COME IN!«, wo Laszlo Potaselbst arbeitet, war ihr wohlbe-kannt.Mit Philipp Rösler ging Laszlo Pota indie Diskussion um ebensolche Pro-jekte, die von ihm »vermedizinalisert«werden, und sprach sich für eine bes-sere Vernetzung mit der Gemeinde-psychologie aus. Rösler dagegen setzt

auf Gesundheitszentren und Gemein-depsychiatrie. Da er in seinen Aus-führungen wiederholt der Ärzteschaftdankte, lenkte Pota im Gespräch mitihm die Aufmerksamkeit auch auf Psy-chologen und Psychotherapeuten.Rösler erkannte deren Leistungen an,blieb aber bei seiner Position, dassdie Ärzteschaft eine besondere Ver-antwortung für eine bessere Versor-gung trage. Nach der Novellierung des Psycho-therapeutengesetzes gefragt, erklärteRösler, man sei noch in der For-schungs- und Erhebungsphase. Erstwenn alle Daten und Vorschläge aus-gewertet seien, werde es unter Be-rücksichtigung modernsten medizini-schen Wissens angemessene Lösun-gen geben. Der BDP-Vize gewann denEindruck, dass es dem Bundesge-sundheitsminister ganz klar um dieMedizin und seinen Berufstand an derSpitze einer hierarchischen Pyramidegeht statt um heterogene Teamarbeit.Die gerade verabschiedete Gesund-heitsreform bezeichnete als die fort-schrittlichste Gesundheitsreform derBundesrepublik.

Medizindominanz statt TeamarbeitPolitische Gespräche am Rande des Empfangs der Drogenbeauftragten

Auch dieses Jahr besteht die Möglichkeit, Stifterbriefe zu erwerbenund damit die Förderung besonders talentierter Studierender imHauptfach Psychologie zu unterstützen. Den »Silbernen Stifterbrief«erhalten Spender und Spenderinnen, die an die Stiftung EUR 250,-überweisen, den »Goldenen Stifterbrief« erhält, wer EUR 500,-überweist. Diese Spenden dienen ausschließlich der Erhöhung desStiftungskapitals, die Zinsen werden nur für Stipendien verwendet.Selbstverständlich sind auch Einzelspenden in beliebiger Höhemöglich. Die Studienstiftung ist für jede finanzielle Unterstützungdankbar. Seit 1994 vergibt die Studienstiftung Deutscher Psycho-logen e.V. Stipendien an Studierende im Hauptfach Psychologie. DieStudienstiftung ist als gemeinnützige Einrichtung anerkannt.Spenden sind steuerlich absetzbar.

Studienstiftung:Konto-Nummer 045 815 099, Kreissparkasse Köln, BLZ 370 502 99

Stifterbriefe helfen bei der

Nachwuchsförderung

Page 13: RP 1-2011 Leseprobe

In Biografien erfinden Menschen sich selbst (cs) Wissenschaftler und Therapeuten haben jetzt an der

Universität Witten/Herdecke den Fachverband für

Biografiearbeit e.V. (FaBiA) gegründet. Der Fachverband hat

es sich zum Ziel gesetzt, Biografiearbeit in Deutschland im

Bereich Praxis und Wissenschaft zu fördern und

Qualitätsstandards zu entwickeln. In der aus diesem Anlass

veröffentlichten Pressemitteilung heißt es: Anders als noch im

vergangenen Jahrhundert sind die Biografien von

Menschen individueller und brüchiger geworden. Was in den

letzten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts überwiegend für

Frauen zutraf, gilt jetzt auch beinahe durchgängig für Männer:

Die Erwerbsbiografie der meisten Menschen in unserer

westlichen Kultur ist von zahlreichen Wechseln und Zeiten

der Arbeitslosigkeit geprägt. Die Notwendigkeit, sich selbst

zu »erfinden« und die Erfahrungen des eigenen Lebens,

insbesondere der Brüche, sinnvoll in das Ganze der Identität

einzuordnen, ist heute notwendiger denn je. Daher ist

Biografiearbeit heute in den unterschiedlichsten Kontexten

von großer existenzieller Bedeutung. Biografiearbeit bietet

eine schöpferische Auseinandersetzung mit dem eigenen

Leben oder Aspekten davon, in der Gegenwart,

Vergangenheit und Zukunft miteinander verknüpft werden.

Der Begriff »Biografiearbeit« ist ein Sammelbegriff für viele

verschiedene Formen professionell und wissenschaftlich

unterstützter Erinnerungsarbeit. Dies geschieht zum einen im

Kontext von Psychotherapie, aber auch in der Rekonstruktion

von Lebensgeschichten im Rahmen von Projekten oder in der

biografischen Forschung. Über die wissenschaftliche

Biografieforschung hinaus spielt Biografiearbeit heute eine

Rolle in zahlreichen Berufsfeldern, sei es im Bereich der

Seniorenarbeit, in der Trauerbegleitung, in der sich

ausweitenden Arbeit mit Pflegefamilien oder im Bereich der

Integration von Menschen mit Migrationshintergrund. Im

klinischen Bereich und in der therapeutischen Arbeit hilft sie

bei der Suche nach der Entstehung und Bedeutung von

Symptomen und kann heilende Prozesse unterstützen.

Angeleitete, bewusste Biografiearbeit setzt Wissen und eine

Haltung der Achtsamkeit voraus. Wer sich auf sie einlässt,

setzt Prozesse in Gang, die das Leben verändern. Daher ist

ein bestimmtes Maß an Professionalität zum Schutz des

Gegenübers und zum Selbstschutz eine Notwendigkeit.

Als Vorsitzende des Verbandes, der seinen Sitz in Kassel hat,

wurde Herta Schindler (systemische Lehrtherapeutin,

Systemisches Institut Kassel) von den Gründungsmitgliedern

gewählt.

Ansprechpartnerin an der Universität Witten/Herdecke ist

Dr. Christina Erdmann:

T 02302-926-535E [email protected]

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reportpsychologie

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Am 10. November mündeteeine dreijährige intensive

Diskussion in eine Reihe von Emp-fehlungen zur psychosozialen Not-fallversorgung. Mehr als 80 Teil-nehmer tauschten über 700 Mailsaus und fanden in zehn eintägigenTreffen und drei Konsensuskonfe-renzen Kompromisse in Form von25 Empfehlungen in sechs The-menfeldern. Die Empfehlungen derletzten Phase 2009 bis 2010 werdenim Frühjahr 2011 vom Bundesamtfür Katastrophenschutz publiziert.Unter www.bbk.bund.de könnendie Themen und eine Liste der Teil-nehmer, die sich aus einem breitenSpektrum von Hilfsorganisationen,Feuerwehr, Behörden, Wissen-schaft, Verbänden und anderen zu-sammensetzte, eingesehen wer-den. Keine Einigung hinsichtlich fachlicher KompetenzenIm Lauf des Prozesses näherten sichdie heterogenen Vorstellungen zuVersorgungsqualität und erforderli-chen Kompetenzen der Helfergrup-pen an. Hinsichtlich der Beschrei-bung fachlicher Kompetenzen, z.B.für Leitungsfunktionen im Stab, wiesie ein leitender Notfallpsychologebei Großschadensereignissen erfül-len würde, konnte zwischen Vertre-tern aus Feuerwehr, Seelsorge, Psy-chologie, und Psychotherapie Über-einkunft erzielt werden, sodass esbei eher formalen und allgemeinenBeschreibungen blieb. Im Vergleichzu der sehr hohen Heterogenität deranderen Curricula und Aufgabenzu-weisungen zu Beginn des Prozessessind jedoch deutliche Verbesserun-gen zu verzeichnen, auch wenn auspsychologischer Sicht mehr Qualitätwünschenswert ist. BDP unterstützt Kompromiss als Schritt in die richtige RichtungDie Reichweite der Empfehlungenist im Rahmen der Zuständigkeit desBBK auf die Gefahrenabwehr beiGroßschadenslagen bezogen. ZumEnde des dreijährigen Prozesseswurde in einem vom BBK beauf-

tragten Rechtsgutachten festge-stellt, dass im Unterschied zur me-dizinischen Versorgung bei extre-men Ereignissen die notfallpsycho-logische Versorgung keine Pflicht-aufgabe der zuständigen Regionendarstellt. Die Ergebnisse werdenvon den unterzeichnenden Organi-sationen als Standard für Großscha-denslagen freiwillig akzeptiert. Dieals Leitlinien bezeichnete Ergebnissesind ab 2009 in einem sogenanntenmodifizierten Delphi-Verfahren er-arbeitet worden. Die bei solchenVerfahren üblichen Feedback-Schleifen wurden durch eine ArtMeinungsbildung im Rahmen derDiskussion in der Großgruppe er-setzt. Während die Bundespsycho-therapeutenkammer diese Empfeh-lungen nicht unterzeichnete, wer-den die Kompromisse auch vomBDP im Sinne der Unterstützung ei-nes Schrittes in die richtige Rich-tung mitgetragen. Für die Erledi-gung verbliebener Aufgabenstellun-gen wie z.B. der Entwicklung undAbstimmung von Evaluationskrite-rien und Dokumentationsbögen fürdie Helfer sollen wie bisher Aufträgean im Arbeitsbereich einschlägigvorgebildete Wissenschaftler verge-ben werden. Fredi Lang

Schwierige AnnäherungKonsensusprozess zur psychosozialen Notfallversorgung abgeschlossen