3
1738 KLINISCHE WOCHENSCHRIFT2 i. JAHRGANG. Nr. 35 78 Reaktionen waren also zweifelhaft unter 1358! Der zweifelhafte Ausfall war bedingt durch Eigenhemmung in 33 F~llen, durch ungleichm/~Bigen Ausfall -- teils negativ, teils positiv (geringe Hemmung) -- mit verschiedenen Anti- genen in 45 F~llen. Um klinisch sichere Lues handelte es sich bei diesen zweifelhaften Reaktionen in nur 13 F~llen; das waren meist: vorbehandelte FMle oder Lues des Zentralnerven- systems. Die iibrigen F~lle waren nicht luetisch oder zweifet- haft in bezug auf die endgiiltige klinische Diagnose. 6o F5lle konnten durch Nachuntersuchungeli gekl~rt werden. Die 18 ungeklXrten F~lle verteilen sich auf 14 klinisch negative Lues, 2 klinisch zweifelhafte Lues, 2 klinisch sichere Lues, darunter ein vorbehandelter Fall. Die zweifelhaften F~lle w~ren also nur bei klinisch einwandfreier Erkrankung im positiven Sinne zu deuten. i,ung16ichm~Big positiv" mit ,erschiedenen Antigenen waren 59 F~lle. Meist waren das v0rbehandelte F~lle. In 3 F~llen war die klinische Diagnose Lues zweifelhaft, in nur 3 F~llen wurde eine Lues yon klinischer Seite ausgeschlossen. -Es handelte sich also in 53 yon 59 F~lleli um einwandfreie ~Lues: Man mus also fordern -- da es vorkommt, dal3 unter noeh nicht aufgekl~rten Verh~ltnisseli ein Serum 0der Liquor mit einem Antigen Vollst~ndig negativ oder nur mit geringer Hemmling reagieren kann --, dab zum mindesten 2, am besten 3 oder mehr verschiedene Extrakte zu jeder Reaktion ver- wandt werden miissen. Anch die Anwendung abgestufter Komplemen*mengen fiihrt bei ein- und demselben Antigen angewandt, nicht immer zum Ziel. Das verschiedenartige Verhalten eines und desselben Luetikerserums gegeniiber verschiedenen EXtrakten wird verst/~ndlieh, wenn wir be- denken, dab die WaR. im Gegensatz zu ihrer urspriinglichen theoretischen Deutung nicht ausschliel31ich Antigen-Anti- k6rper Reaktion darstellt, sondern -- wenigstens zum Tell -- eine Lipold-Globulinbindnng ist, und durch die unter Um- st~nden bei einzelnen Extrakten wechselnden kolloid-chemi- schen Verh~ltnisse in entscheidender Weise beeinfluBt Werden kann. Nach P. Schlitz ~) spielen bier die Dispersit~tsgrade eine groBe Rolle. fJbersieht man die einzelnen Krankheitsbilder, so ergeben sich -- was von anderen Autoren beschrlebene positive, nicht spezifische Ausf~lle der Reaktion anbetrifft -- n0ch folgende Einzelheiten: i. Ein Leprafall gab negative Reakti0n (Lepra tuberosa). 2. Unter 23 Carcinomf~llen war die Reaktion 19 mal nega- tiv; in 4 F~llen war sie voriibergehend zweifelhaft. 3. In I5 schweren Tuberkulosef~llen war die Reaktion mit Ausnahme eines Falles mit Eigenhemmung framer negativ. 4. 12 FMIe yon Angina Plaut-Vincenti reagierten immer negativ. 5. 5 F~lle von Scarlatina gaben, im Exanthemstadium untersucht, negative Reaktion. 6. 2 F~lle von Morbilli und i Fall yon Erythema nodosum gabenl vo}iibergehend ,,sehwach positive" IReakt{on (Gef~Bst6rungen ?). 7. Unter 9' F~!len yon entzfindlichen Nierenver~nderuligen gaben 3 zweifelhaften 1Reaktionsausfall (St6rung des i EiweiBst9 ff~vechsels) 8. i Fall roll-Schwerer Sepsis~ und i Fall yon puerperaier ~sep'tischer!Parametritis gaben ,,un.gleichm~Big positive" 1Reakti0n. 'im i, Falle wurde das Resultat allerdings als-~zweifelhaft abgegebeni da die 1Reaktionen mit -4~Nntig6nen 'Sehr nng!eiehm~Bigen Ausfall zeigten. 9:.: ~geiLUes des:Zen• 'Paralyse und Tabes is.~ d:ie WaI~Y im Blut unter 3~ untersuchten F~llen nut 5 mal:von gleieher St~rke wie im Liquor. In den fibrigen F~lleri ist~ie negativ oder Schw~cher ~positiv. IO, 2: F~iie tier Kinderklinik best~tigeli die Tatsache, dab die :WaR~ t3ei Kindern der ersten Lebensmonate tr0tz bestehende~:k0ngenitaler Lues negativ sein kann. Nach dem- 4. his 5' Monat schl~gt die 1Reaktios ins Positive urn. Zusammenfassend kann ich betreffs der Ziiverl~ssig- keit und praktisehen Verwertbarkeit der t{eaktion feststellen: P. SCHMIDT~ Z~itsehr. L Chemieu. Industrieder Konoide. 10, H. L 26.AUGUST 1922 Unter 1118 Krankheitsf~tllen, bei denen die Reaktion jedesmal mit verschiedenen Antigenen, unter Umst~nden zu wiederholten Malen, nach der Original-Wassermannmethode ausgeffihrt win-de, zeigen die Reaktionen in 47 F~llen Un- stimmigkeiten mit der klinischen Diagnose bzw. fiihrten nicht zu deren Kl~rung. Diese 47 F~lle setzen sich zusammen aus: A. 2o Fitllen, in denen die WaR. dem Kliniker keine aus- reichende Kl~rung des Krankheitsbildes braehte und B. 27 F~llen, in denen die WaR. die ursprtinglich gestellte Diagnose trotz des zweifelhaften bzw. gegenteiligen Ergeb- nisses nicht umstogen konnte.~ Unter diesen 27 F~llen linden sich nur Ii direkte Wider- spriiche, darunter 4 vollst~ndig ungekl~rte Differenzen, also nur o,4% der Gesamtzahl der untersuchten F~lle. Fal3t man Gruppe A. und B. zusammen, so erh/~It man einen ,,Nutzeffekt" f/ir den Praktiker yon 95,9%, d. h. der Material einsendende Arzt hat damit zu rechnen, dab ihm unter IOOO F~llen 959 mal richtige, einwandfrei negative oder positive Resultate gegeben werden k6nnen -- ftir den Praktiker gewil3 ein ermutigendes Ergebnis, das allerdings nut unter Beobach- tung aller technischen Kalite!en und dutch das: ?erst~ndnis- volle Zusammenarbeiten zwisehen Bakteriologen und Nliniker erreicht werden kann. RUDIMENT~RE ENTWICKLUNG DER LINKEN, BEI KROPF DER RECHTEN SCHILDDROSENHALFTE. Von Dr. CARL t{OHDE, : Assistent der chirurgischen Universit~tsklinik Freiburg i. Br. (Direktor: Geh. Rat ProfessorDr. E. LEXER). Fehlen oder mangelhafte Ausbildung einer Schilddrfisen- h&lfte kann bedingt sein: I. durch Anomalien in der Ent- wicklungsgeschichte der Schilddrfise; 2. durch entzfindliche Vorg&nge. Sind dabei die fibrigen Schilddrfisenteile (andere H&lfte, Isthmus oder Schilddrfisenanteile im Verlalife des Ductus thyreoglossus)hinreichend entwickelt, so treten Aus- Iallserscheinungen nicht auf, In derartigen Fallen ist die DiagnoSe ,,Aplasie, Atrophie, Hypoplasie eines Lappens" vor der Freilegung nur vermutungsweise zu stellen. Die groBe praktische Bedeutung besteht nach den Ver~Sffentlichungen STIERLINS darin, dab man bei solchen F/illen nach der 'Opera- tiven Verkleinerung der kropfig entarteten ~H&lfte~ Ausfalls- erscheinungen erleben kann, wenn man in Unkenntnis des Zustandes der anderen H/ilfte znviel Schilddrfisenparenchym entfernt hat. STIERLIN gibt deshMb den Rat,. vor Entfernung einer Schilddriisenh/ilfte sich zuvor fiber den Zustand der anderen Seite zu vergewissern. Bei alien Kropfoperati0nen i~vird dies wohl heutzutage stets durchgefiihrt. Wenn so auch die rein praktische Bedeutung dieser Zust/inde auf Grund der iiblichen Operationstechnik zurficktritt, so haben der- artige F/ille doch grol3es theoretisches Interesse, Die Angaben in der Literatur sind /~uBerst sp~rlich. L~JSCI~I~A sezierte einen Neugeborenen, bei dem er nur die normal entwickelte rechie Schilddrtisenh~lfte land; die linke H~lfte fehlte vollkommen. Zugleich waren die Art. thyr. sup. und inf. der linken Seite rudi- ment&r entwickelt. Einen /ihnlichen Fall hat nach den Angaben MERKt~LS HAND- FIELD JONES beobachtet.- " MEIXNE~ 15eobachtete einen Fall, bei dem man ebenfalls nur die rechte Schilddrfisenh/~lfte feststellte; .eine zugleich am Zungen- grund befindliche Geschwulst wurde entfernt; naeh i Jahre zeigten sich Anzeichen yon Myx6dem. Hier batten also offenbar nach Reduktion des Schilddriisengewebes (Struma lingualis) wegen nicht hinreichender Drfisensubstanz Ausfallserscheinungen einge- gesetzt. STIERLIN stellte 1912 auf Grund einer 1Rundfrage bei Schweizer Chirurgen unter 7ooo Strunfaoperationen 5 real einen voltst/~ndigen Nangel eines SchHddrfisenlappens lest (o,?~ und zwar fehlte 3 real der linke, 2real der rechte Lappen. Darunter befinden sich 2 yon STIERLIN selbst beobachtete F/~lle, wobei i real der rechte, I mal der linke Lappen fehlte; im letzteren Falle (Fehlen des linken

Rudimentäre Entwicklung der Linken, bei Kropf der Rechten Schilddrüsenhälfte

Embed Size (px)

Citation preview

1738 K L I N I S C H E W O C H E N S C H R I F T 2 i. J A H R G A N G . Nr. 35

78 Reaktionen waren also zweifelhaft unter 1358! Der zweifelhafte Ausfall war bedingt durch Eigenhemmung in 33 F~llen, d u r c h ungleichm/~Bigen Ausfall -- teils negativ, teils positiv (geringe Hemmung) -- mit verschiedenen Anti- genen in 45 F~llen. Um klinisch sichere Lues handelte es sich bei diesen zweifelhaften Reaktionen in nur 13 F~l len; das waren meist: vorbehandelte FMle oder Lues des Zentralnerven- systems. Die iibrigen F~lle waren nicht luetisch oder zweifet- haft in bezug auf die endgiiltige klinische Diagnose. 6o F5lle konnten d u r c h Nachuntersuchungeli gekl~rt werden. Die 18 ungeklXrten F~lle verteilen sich auf 14 klinisch negative Lues, 2 klinisch zweifelhafte Lues, 2 klinisch sichere Lues, darunter ein vorbehandelter Fall. Die zweifelhaften F~lle w~ren also nur bei klinisch einwandfreier Erkrankung im positiven Sinne zu deuten. �9 i,ung16ichm~Big positiv" mit ,erschiedenen Antigenen waren 59 F~lle. Meist waren das v0rbehandelte F~lle. In 3 F~llen war die klinische Diagnose Lues zweifelhaft, in nur 3 F~llen wurde eine Lues yon klinischer Seite ausgeschlossen. -Es handelte sich also in 53 yon 59 F~lleli um einwandfreie ~Lues: Man mus also fordern -- da es vorkommt, dal3 unter noeh nicht aufgekl~rten Verh~ltnisseli ein Serum 0der Liquor mit einem Antigen Vollst~ndig negativ oder nur mit geringer Hemmling reagieren kann --, dab zum mindesten 2, am besten 3 oder mehr verschiedene Extrakte zu jeder Reaktion ver- wandt werden miissen. Anch die Anwendung abgestufter Komplemen*mengen fiihrt bei ein- und demselben Antigen angewandt, nicht immer zum Ziel. Das verschiedenartige Verhalten eines und desselben Luetikerserums gegeniiber verschiedenen EXtrakten wird verst/~ndlieh, wenn wir be- denken, dab die WaR. im Gegensatz zu ihrer urspriinglichen theoretischen Deutung nicht ausschliel31ich Antigen-Anti- k6rper Reaktion darstellt, sondern -- wenigstens zum Tell -- eine Lipold-Globulinbindnng ist, und durch die unter Um- st~nden bei einzelnen Extrakten wechselnden kolloid-chemi- schen Verh~ltnisse in entscheidender Weise beeinfluBt Werden kann. Nach P. S c h l i t z ~) spielen bier die Dispersit~tsgrade eine groBe Rolle.

fJbersieht man die einzelnen Krankheitsbilder, so ergeben sich -- was von anderen Autoren beschrlebene positive, nicht spezifische Ausf~lle der Reaktion anbetrifft -- n0ch folgende Einzelheiten:

i. Ein Leprafall gab negative Reakti0n (Lepra tuberosa). 2. Unter 23 Carcinomf~llen war die Reaktion 19 mal nega-

t iv; in 4 F~llen w a r sie voriibergehend zweifelhaft. 3. In I5 schweren Tuberkulosef~llen war die Reaktion

mit Ausnahme eines Falles mit Eigenhemmung framer negativ.

4. 12 FMIe yon Angina Plaut-Vincenti reagierten immer negativ.

5. 5 F~lle von Scarlatina gaben, im Exanthemstadium untersucht, negat ive Reaktion.

6. 2 F~lle von Morbilli und i Fall yon Erythema nodosum gabenl vo}iibergehend ,,sehwach positive" IReakt{on (Gef~Bst6rungen ?).

7. Unter 9' F~!len yon entzfindlichen Nierenver~nderuligen gaben 3 zweifelhaften 1Reaktionsausfall (St6rung des i EiweiBst9 ff~vechsels) �9

8. i Fall roll-Schwerer Sepsis~ un d i Fall yon puerperaier ~ sep'tischer!Parametritis gaben ,,un.gleichm~Big positive"

1Reakti0n. ' i m i, Falle wurde das Resultat allerdings als-~zweifelhaft abgegebeni da die 1Reaktionen mit

-4~Nntig6nen 'Sehr nng!eiehm~Bigen Ausfall zeigten. 9:.: ~geiLUes des:Zen• 'Paralyse und Tabes

is.~ d:ie WaI~Y im B l u t unter 3 ~ untersuchten F~llen nu t 5 mal:von gleieher St~rke wie im Liquor. In den fibrigen F~lleri i s t~ ie negativ oder Schw~cher ~positiv.

IO, 2: F~iie tier Kinderklinik best~tigeli die Tatsache, dab die :WaR~ t3ei Kindern der ersten Lebensmonate tr0tz bestehende~:k0ngenitaler Lues negativ sein kann. Nach dem- 4. his 5 ' Monat schl~gt die 1Reaktios ins Positive urn.

Zusammenfassend kann ich betreffs der Ziiverl~ssig- keit und praktisehen Verwertbarkeit der t{eaktion feststellen:

P. SCHMIDT~ Z~itsehr. L Chemie u. Industrie der Konoide. 10, H. L

26. AUGUST 1922

Unter 1118 Krankheitsf~tllen, bei denen die Reaktion jedesmal mit verschiedenen Antigenen, unter Umst~nden zu wiederholten Malen, nach der Original-Wassermannmethode ausgeffihrt win-de, zeigen die Reaktionen in 47 F~llen Un- st immigkeiten mit der klinischen Diagnose bzw. fiihrten nicht zu deren Kl~rung. Diese 47 F~lle setzen sich zusammen aus:

A. 2o Fitllen, in denen die WaR. dem Kliniker keine aus- reichende Kl~rung des Krankheitsbildes braehte und

B. 27 F~llen, in denen die WaR. die ursprtinglich gestellte Diagnose trotz des zweifelhaften bzw. gegenteiligen Ergeb- nisses nicht umstogen konnte.~

Unter diesen 27 F~llen linden sich nur I i direkte Wider- spriiche, darunter 4 vollst~ndig ungekl~rte Differenzen, also nur o,4% der Gesamtzahl der untersuchten F~lle. Fal3t man Gruppe A. und B. zusammen, so erh/~It man einen ,,Nutzeffekt" f/ir den Praktiker yon 95,9%, d. h. der Material einsendende Arzt hat damit zu rechnen, dab ihm unter IOOO F~llen 959 mal richtige, einwandfrei negative oder positive Resultate gegeben werden k6nnen -- ftir den Praktiker gewil3 ein ermutigendes Ergebnis, das allerdings nu t unter Beobach- tung aller technischen Kalite!en und du t c h das: ?erst~ndnis- volle Zusammenarbeiten zwisehen Bakteriologen und Nliniker erreicht werden kann.

RUDIMENT~RE ENTWICKLUNG DER LINKEN, BEI KROPF DER RECHTEN SCHILDDROSENHALFTE.

Von

Dr. CARL t{OHDE, : Assistent der chirurgischen Universit~tsklinik Freiburg i. Br.

(Direktor: Geh. Rat Professor Dr. E. LEXER).

Fehlen oder mangelhafte Ausbildung einer Schilddrfisen- h&lfte kann bedingt sein: I. durch Anomalien in der Ent - wicklungsgeschichte der Schilddrfise; 2. durch entzfindliche Vorg&nge. Sind dabei die fibrigen Schilddrfisenteile (andere H&lfte, Isthmus oder Schilddrfisenanteile im Verlalife des Ductus thyreoglossus)hinreichend entwickelt, so treten Aus- Iallserscheinungen nicht auf, In derartigen Fallen ist die DiagnoSe ,,Aplasie, Atrophie, Hypoplasie eines Lappens" vor der Freilegung nur vermutungsweise zu stellen. Die groBe praktische Bedeutung bes teh t nach den Ver~Sffentlichungen STIERLINS darin, dab man bei solchen F/illen nach der 'Opera- t iven Verkleinerung der kropfig entar te ten ~H&lfte~ Ausfalls- erscheinungen erleben kann, wenn man in Unkenntnis des Zustandes der anderen H/ilfte znviel Schilddrfisenparenchym entfernt hat. STIERLIN gibt deshMb den Rat,. vor Entfernung einer Schilddriisenh/ilfte sich zuvor fiber den Zustand der anderen Seite zu vergewissern. Bei alien Kropfoperati0nen i~vird dies wohl heutzutage stets durchgefiihrt. Wenn so auch die rein praktische Bedeutung dieser Zust/inde auf Grund der iiblichen Operationstechnik zurficktritt, so haben der- artige F/ille doch grol3es theoretisches Interesse,

Die Angaben in der Literatur sind /~uBerst sp~rlich. L~JSCI~I~A sezierte einen Neugeborenen, bei dem er nur die normal entwickelte rechie Schilddrtisenh~lfte land; die linke H~lfte fehlte vollkommen. Zugleich waren die Art. thyr. sup. und inf. der linken Seite rudi- ment&r entwickelt.

Einen /ihnlichen Fall hat nach den Angaben MERKt~LS HAND- FIELD JONES beobachtet.- "

MEIXNE~ 15eobachtete einen Fall, bei dem man ebenfalls nur die rechte Schilddrfisenh/~lfte feststellte; .eine zugleich am Zungen- grund befindliche Geschwulst wurde entfernt; naeh i Jahre zeigten sich Anzeichen yon Myx6dem. Hier batten also offenbar nach Reduktion des Schilddriisengewebes (Struma lingualis) wegen nicht hinreichender Drfisensubstanz Ausfallserscheinungen einge- gesetzt.

STIERLIN stellte 1912 auf Grund einer 1Rundfrage bei Schweizer Chirurgen unter 7ooo Strunfaoperationen 5 real einen voltst/~ndigen Nangel eines SchHddrfisenlappens lest (o,?~ und zwar fehlte 3 real der linke, 2real der rechte Lappen. Darunter befinden sich 2 yon STIERLIN selbst beobachtete F/~lle, wobei i real der rechte, I mal der linke Lappen fehlte; im letzteren Falle (Fehlen des linken

26. AUGUST I922 K L I N I S C H E W O C H E N S C H

Lappens) warde auf die Gefs geachtet nnd keine Art. thyr. inf. gefunden.

DUBS ver6ffendichte aus dem Spiral STIE~LINS 2 weitere Fs und zwar handelte es sigh in beiden F/~llen um ein Fehlen der linken Schilddrfisenh/ilfte. Im ersten Falle wurde ant die Gef/il3- versorgung geaehtet und keine Pulsation seitens einer Art. thyr. sup. oder inf. gefunden. In einem der 4 F~lle aus der STIERLIN- schen Abteilnng fand sieh vor der Operation ein Intelligenzdefekt.

Diesen 7 F/tllen yon hMbseitigem Schilddrfisenmangel k6nnen wir 2 /~hnliche FXlle anreihen, in denen allerdings kein Mangel, sondern eine rudiment/ire Entwicldung (Hypo- plasie) vorlag.

Fall I: R. U., 22 Jahre a l l In der Umgegend (Lahr) und in der Familie viel KropL K6rperliche und geistige Entwicklung normal. Seit der Schulzeit Atembeschwerden und Dickerwerden des Halses. In den letzten Monaten sehr groBe Atembeschwerden, teichte Erregbarkeit, Schwitzen, Heiserkeit. Kr/~ffiger, gesunder, geistig und k6rperlich normal entwickelter Mann. Rechte Hals- seite eingenommen yon einem faustgrol3en, derbweichen Kropf. Links keine Vergr6Berung festzustellen. Keine retrosternale D/imp- tung. Reflexe leicht erh6ht Leichter Tremor. Dermographismus. Atmung erschwert, deshalb Cyanose des Gesichts.

30. III. .t922. Operation (Dr. RO~DE) in lokaler Angsthesie dutch Bogenschnitt Rechte Schilddr/isenhglfte eingenommen yon einem faustgrogen, gefgBreichen, derbweichen, Meinknotigen Kropf mit stark entwickelter Art. thyr. sup. und inf. Die linke Seite stellt ein kirschkerngr0Bes, derbweiches Gebilde dax yon der Beschaffenheit normalen Schilddrfisengewebes. Zu diesem Knoten zieht eine ganz feine, etwa I mm dicke Art. thyr. sup. sin. ; yon einer Art. thyr. inf. sin. oder ima ist trotz genauesten, vorsichtigen Pr/iparierens keine Spur zu entdecken. An der Hinterwand dieses Gebildes und etwa I cm unterhalb seines unteren Poles, nicht in Zusammenhangmit ihm, zeigt sichje I lin- sengroBes, gelbbr/iunliches, weiches Kn6tchen (offenbar Epithel- k6rperchen). Die rechte and linke Schilddriisenhglfte werden durch einen etwa 2 mm breiten, zarten, soliden, gef/tBlosen Stiel (Isthmus) verbunden. Ligatur der Art. thyr. sup. dext und Enffernung der rechten H~lfte bis auf einen genfigend groBen Rest hinten und seit- lich. Links keinerlei Eingriff. Parenehym-Kapseln~ihte. SchluB ohne Drainage.

Mikroskopisch: Typische Struma nodosa colloides partita paren- chymatosa ohne Anhalt ffir Basedow.

Heilung p.p. Nachuntersuchung IO Wochen p.o. ergibt, dag Pat. seit der Operation yon allen Beschwerden vollkommen geheilt ist, und dab keinerlei Ausiallserscheinungen aufgetreten sing Ein Wachstum der rechten oder linken Hglfte ist nicht fest- zustellen.

Fall 2: O. U., 19 Jahre alt, Bruder des vongen Patienten operiert am 31. III. 1922 (Dr, ROI~D]~).

Es handelt sich in Vorgeschichte, Befund, Operationsbefund anatomischen Verh/iltnissen, Operationstechnik, histologischem Befund, Verlauf und Endresultat um ganz den gleichen Fall, nur dab die rechte Schilddrfisenhglfte etwas !deiner (tdeinapfelgroB) wie in Fall I war. Die VerhS]haisse der linken Seite und des Isthmus waren, um das noeh einmal ausdrticMieh hervorznheben, genau die gleichen wie in Fall I. Eine genaue Ausffihrnng der Kranken- geschichte erfibrigt sich daher.

Wir haben es also bei unseren beiden F~llen mit 2 geistig und k6rpeflich normal entwickelten Brfidern zu tun, die in den Entwicklungsjahren unter den typischen Erscheinungen des Kropfes, besonders wegen Atembeschwerden , zur Opera- tion kamen. Vor de}r Operation wurde auch nicht vermutungs- weise an eine Hypoplasie der linken Hfilfte gedacht. In beiden Fgllen handelte es sich rechts um eine typisehe Struma nodosa colloides part im parenchymatosa mit normaler Gef/iB- versorgting, links um eine tiochgradige Hypoplasie. Dabei zeigte sich die kaum kirschkerngroBe, linke H~lffe als ein derbweiches Gebilde yon der Beschaffenheit normalen Schilddrfisengewebes und hatte nur eine sp/irliGh entwiekelte feinkalibrige Art. thyr. sup., w/thrend die Art. thyr. inf. oder eine Art. thyr. ima vollkommen fehlte. Verbunden waren die beiden Sehilddrfisenh/~lften dutch einen solidefi, zarten, gef/iglosen Stiel (Isthmus) v o n d e r Dicke eines dfinnen Bind- fadens . . In Rficksicht auf diesen Befund wurde von der krop- fig entarteten rechten H/tlffe genflgend Parenchym zurfick- gelassen und die arterielle Versorgung aus der Art. thyr. inf., wie wir das fiberhaupt im allgemeinen zu tun pflegen, voll- s t / indig erhalten. Eine Entfernung der hypoplastisehen linken H~il i te unterblieb, zugleich wurden die mit Wahr-

R / F T . i. J A H R G A N G . Nr. 35 i739

scheinlichkeit als linksseitige Epithelk6rperchen anzusehenden Gebilde geschont Kompensatorische Entwicklung yon Schilddrfisengewebe an anderen Stellen (Zungengrund usw.) konnten wir nicht feststellen. Der postoperative Verlauf war ungest6rt. Beide Brfider sind vollkommen beschwerde- frei und geheilt und haben dank der sorgf/iltigen Erhaltung von genfigend Paryenehm keinerlei St6rungen erlitten.

Atiologisch schalten ffir unsere beiden F/~lle entzfindliche Vorg/~nge aus; erstens liegen in der Vorgeschichte keinerlei Anhaltspunkte daiiir vor, zweitens legt das gleichzeitige Vorkommen bei 2 Brfidern den Gedanken eines Formiehlers nahe, und drittens sprieht die Anomalie der arteriellen Ver- sorgung der l inken Seite mit Bestimmtheit f fir eine St6rung in der Entwicklungsgeschichte des Organs, w i e sie auch in den Iriiher beschriebenen FSllen angenommen wird.

Um diese zu verstehen, mfissen wir einiges fiber die ent- wic!dungsgeschichtlichen Vorggnge vorausschicken.

Nach der frfiher herrschenden Ansicht, die besonders yon MI~CKEL, ]~'LEISCttMANN und STIEDA vertreten wurde, soll die Schilddrfise aus einer paarigen Anlage hervorgehen. REMAK und K6LLIKER und neuerdings wieder MAURER stellten dem- gegenfiber test, dab die Schilddriise aus einer unpaaren, medi- anen An]age stamme, die ursprfinglich eine groBe scharf begrenzte, vom embryonalen Bindegewebe eingehfillte Blase darstelle, deren Wand aus langen, zylindrischen, kernhaltigen Zellen bestfinde. Durch Absehniirung solle sich diese Blase in 2 Anteile trennen, die zu beiden Seiten der Luftr6hre sich lagerten. L~JSCHKA ffihrt in Anlehnung an diese l~EMAgschen Untersuchungen die Hemiaplasie der Schilddriise darauf zu- rfick, dab yon den abgeschnfirten Teilen der prim/ir medianen Anlage nur ein Teil zu einer weiteren Entwicldung gelangt ist.

W6LFLER und BORN vertraten auf Grund ihre# Unter- suchungen die Lehre yon der dreifachen Schilddriisenanlage, emer unpaaren medianen, vom Boden des:Kiemendarmes, und zweier paariger, yon den Schlundspalten ausgehender Anlagen.

BROMAN leitet die Thyreoidea ab aus einer medianen An- lage, die sich bald in'zwei caudalw/~rts gerichtete Lappen teilt; und zwei lateralen Ahlagen, die sich nachtr/iglich den Lateral- lappen der medianen Anlage anschlieBen. Von diesen drei Anlagen bildet die mediane Anlage den Hauptantei l der Schilddriise; sie entsteht auBerdem bedeutend frfiher als die lateralen Anlagen.

STIERLIN und DUBs weisen darauf hin, dab das Zustande- kommen der Hemiaplasie nach der Theorie der paarigen Anlage der Schilddrfise sehr einfaeh' so zu deuten sei, dab eine der paarigen lateralen Anlagen aus irgendeinem Grunde nicht zur Entwictdung gekommen sei.

Nach BROMAN, dessen Theorie STIERLIZq ebenfalls erw~hnt, mfil3te man sich die I-Iemiatrophie embryologisch so vorstellen, dab entweder prim/~r mangelhaftes Wachstum der betreifen- den Anlage vorlag, oder dab im Verlaufe der entwicklungs- geschichtlichen Vorg/inge zusammen mit der physiologischen Atrophie des oberen Anteiles vom Ductus thyreoglossus auch ein seitlicher Lappen der medianen Anlage atrophierte. STIER- LIN weist darauf hin, dab man bei dieser Erkl~rung annehmen mfisse, dal? gleichzeitig auch die betreffende paarige An!age nicht zur Entwicklung gelangt sei, oder nu t als rudimentgrel laterale Nebenschilddrfise sigh ausgebildet habe. Eine be{riedi- gende Erkl/irung ffir das Zustandekommen 6er I-Iemiatrophie konnte DIJBs auch nicht geben, er IieB deshalb die Frage offeni

Nach den neusten Untersuchungen (GRoSS~R, E~DHEIM, GETZOWA, SOBOTTA) steht test, dal3 die gesamte Schilddrfise aus einer einheitliehen, vom Entoderm stammenden Anlage hervorgeht (mediane Thyreoideaanlage) und ziemlich fr/ih= zeitig, etwa zusammen mit der Ents tehung der ersten Schlund tasche, sieh ausbildet. Sie entspring~ dabei aus der Yentralen Scblundwand als Ausstfilpung zwischen de n beiden ersten Schlundfurchen. Anfangs massig, als ein. gestieltes Bls angelegt, verliert die Anlage bald ihr Lumen w~hren.d ihr Stiel eine Zeit lang hohl bleibt (Ductus thyreoglosstis). Bis ant das Foramen coecum am Zungengrunde, den d r : sprfingtiche n Ausgangspunkt der Schilddriise, obli~eriert' im Verlaufe der Weiterentwicklung auch der Stiel. Glelckzeitig

115,

174o K L I N I S C H E W O C H E N S C H

mit der Obliteration des t31/ischens wird die Anlage zweilappig. Von diesem Zeitpunkte an (6 mm lange Embryonen) w/ichst die Schilddriisenanlage caudalw/irts aus und stellt einen queren, etwa hufeisenf6rmig gestalteten K6rper dar. Dabei bilden sich die dorso-kranial gerichteten, seitlichen Schenkel zu den sp/iteren Seitenlappen aus, w/ihrend der mittlere, ventro- caudal gerichtete Anteil zum Isthmus wird. An die Seitenlap- pen legt sich jederseits der aus der 5. Schlundtasche stammende post- oder ultimobronchiale K6rper (frfiher als laterale Schild- drfisenanlage angesehen) an, der aber sich an der t3ildung yon Schilddrfisengewebe nicht beteiligt und restlos zugrunde geht. Weiterhin ist das Wachstum der Seitenlappen dem Isthmus gegenfiber in der Folgezeit dauernd vermehrt. SchlieBlich sind in der fertig entwickelten Schilddrfise ein verh/iltnism/iBig schmaler Isthmus und zwei grol3e Seitenlappen vorhanden. Die Seiteniappen selbst sind normalerweise meist verschieden grol3 und verschieden gestaltet.

Die auBerordentlich selten vorkommenden Abnormit~ten der Seitenlappen, also Aplasie, Atrophie und Hypoplasie, m6chten wir auf Grund dieser entwicklungsgesehichtlichen Vorg/inge f01gendermaBen erkl/iren. Die Teilung der medianen Schilddriisenanlage in zwei Lappen erfolgt fiberhaupt nicht, oder der eine Seitenlappe n wird nur unvol lkommen angelegt. Gleichzeitig damit kommt es fiberhaupt nicht zur Bildung eines Isthmus, oder er wird nu t rudiment/ir ausgebildet. Die Gef/iBversorgung kommt in gleicher Weise auf der einen Seite fiberhaupt nicht zur Ausbildung, oder sie entwickelt sich nur in sp/irlichem AusmaBe. Die Abnormit/i ten in der Gef/iBversorgung (Fehlen beider oder einer Arterie, rudimen- t/ire Entwic!dung der Arterien) tragen mit dazu bet, d a b ein nachtr/igliches Wachstum der prim/ir mangelhaft angelegten Anlage nicht in einem derartigen MaBe eriolgen kann, dab das Zurfickbleiben nachgeholt werden kann. Vielmehr wird bet dem weiteren Wachstum des K6rpers der Unterschied in der Gr613e der beiden Lappen immer deutlicher hervor- treten.

Auffgllig ist die Tatsache, dab mit Vorliebe der linke Schilddrfisenlappen betroffen ist, weiterhin, dab dabei wieder- um die Art. thyreoidea inf. am h/iufigsten Iehlt, w/ihrend die Art. thyr. sup. allein niemals fehlt, wohl aber beide zusammen nicht entwickelt sein k6nnen. Eine Erkl/irung Ifir diese auf- f/illige Tatsache k6nnen wir nicht geben, wir m6chten sie abet nicht als Zufall hinstellen. Es ist m6glich, dab besonders die linke Schilddrilsenanlage und hier wiederum besonders die linke Art. thyr. inf. entwicklungsgeschichtlichen Hemmungen irgendwelcher Art leichter ausgesetzt ist. Das Fehlen einer oder beider Arterien legt die Vermutung nahe, dab es sich in den meisten F/illen um eine prim~ir mangelhafte Anlage (s. oben) und nicht um ein nachtr/igliches Atrophieren einer normal angelegten Anlage zusammen mit der physiologischen Rfickbildung des Schilddrfisenstieles handel t ; fiir die letztere Ents tehungsart k6nnten jene F/ille, in denen beide Arterien mangelhaft ausgebildet sind, eine Stfitze abgeben, obwohl es auch hierbei wahrscheinlicher ist, dab prim/it schon mit der mangelhaften Schilddrfisenanlage zugleich eine mangelhafte Anlage ihrer Gef/iBe vorhanden gewesen sein wird. Aus der gleichzeitigen Hypoplasie yon linkem Lappen und Isthmus, verbunden mit dem Fehlen der Art. thyr. inf. sin., m6chten w i r den Eint r i t t der Entwieklungshemmung fiir derartige F/ille wie die unsrigen (rudiment/ire Entwicklung) in die Zeit der Zweilappung der Schilddrfisenanlage, also in die Entwicldungsperiode eines etwa 6 mm langen Embryo ver- legen, Bet vollst/indigem Fehlen einer H/ilfte mul3 die ent- wicklungsgeschichtlich e St6rung etwas frfiher eingesetzt haben, ehe die Zwefiappung fiberhaupt erfolgt, oder es muB eine yollst/indige Atrophie ether bereits angelegten Lappenanlage erfolgt sein.

Bet derartigen Hemmungsfehlern t r i t t die andere Seite in d er Regel kompensatorisch ein. Vielleicht ist die kropfige Enta r tung in vielen dieser F~lle als eine fiber das Mag hinaus- schieBende tIypertrophie des anf/inglich normal entwickelten ~Lappens aufzufassen. I n anderen F/illen sind bet mangel- hafter Ausbildung ether Sehi!ddrfisenh/ilfte neben der nor- ma len anderen H/ilfte im Verlauf des Ductus thyreoglossus

R I F T . i. J A H R G A N G . Nr. 35 26. AUGUSTI922

sogenannte aberierende Schilddrfisen beobachtet worden, die hypertrophiert kompensatorisch eintreten k6nnen. Be- sonders bei doppelseitiger Aplasie sind solche aberierenden Schilddrfisenanlagen yon allergr6Bter Bedeutung. Sie k6nnen sich zu groBen Strnmen entwickeln und haben oft Veran- lassung zu operativer Entfernung gegeben ; hat man in solchen F/illen in Unkenntnis der mangelhaften Ausbildung der Schilddrtise zu vie1 Parenchym entfernt, so treten postopera- tive Ausfallserscheinungen ein; eine Anzahl derartiger F/ille sind in der Bearbeitung yon STIERLIN zusammengestellt. STIERLIN r/it im Anschlul3 an diese F/ille bet der Entfernung yon Zungenstrumen zu ganz besonderer Vorsicht nnd fordert vorherige, genaue operative Feststellung yon genfigend Schilddr/isengewebe an normaler Stelle.

Das geistige und k6rperliche Verhalten war in unseren F/illen und in denen der Literatur (mit Ausnahme des oben- erw/ihnten STIXRLINschen Falles) bet einseitiger mangelhafter Ausbildung eines Schilddrfisenlappens normal, eben weil eine genfigende Kompensation von der anderen Seite aus eingetreten war. Ist eine solche nicht vorhanden, oder t r i t t eine hoch- gradige kropfige En ta r tnng mit weitgehender Degeneration des Parenchyms ein, so werden Ausfallserscheinungen die Folge sein (s. Fall 4 yon STIERLIN),

Von Bedeutung ist noch hervorzuheben, dab bet der man- gelhaften Ausbildung eines Schilddrfisenlappens die Ent- wicklung der Epithelk6rperchen ungest6rt vor sich geht. Die aus der 3. und 4. Schlundtasche s tammenden Epithel- k6rperchen werden eben yon der entwicklungsgeschichtlichen St6rung der Schilddrfisenanlage nicht betroffen. Dies ist ein weiterer Grund zu der Annahme der Thyreoaplasie, -atrophie und -hypoplasie als einer isolierten und frfihzeitigen entwicklungsgeschichtlichen St6rung der Schilddrfisenanlage zu einer Zeit, wo ihre Verschmelzung mit den Epithelk6rper- chen noch nicht erfolgt ist.

L i t e r a t u r : Asc~oFF, Pathologische Anatomie. 2, Jena 1911. - - BROMAN, Normale und abnorme Entwicklung des Men- schen. Wiesbaden 1 9 1 1 . - DUBS, rgber Hemiaplasie der Schild- driise, Zentralbl. f. Chirurgie. 1918 , Nr. 42, S. 744. - - HENLE, Handbuch der Eingeweidelehre des Menschen 2, S. 538. Braunschweig 1866. - - LUSCHKA, Die Anatomie des Menschen. r, S. 294. Tiibingen 1862. - - SOBOTTA, Anatomie der Schilddrfise. Jena 1915. - - SrlER- LIN, Uber morphologische Anomalien der Schilddriise, Schweize- rische Rundschau fiir Medizin 1912, Nr. 26, S. 7 3 7 . - - STIERLIN, Verhandl. der Schweizer Gesellschaft filr Chirurgie, IO. III. I7. l~orrespondenzbl, f. Schweizer Arzte 1917, Nr. 49, S. 1695.

ABHEILENDE TUBERKULOSE PRIM.~R- UND REINFEKTE UND BRONCHOGENE METASTASEN IN DER LUNGE UND IHRE BEZIEHUNG ZUR

TERTI~REN LUNGENPHTHISE. Von

Oberarzt Dr. H. GRASS z. Z. Leiter der Tuberkulosefiirsorge in Bremen.

und

Assistenzarzt Dr. FR. SCHEIDEMANDEL. Aus dem Tuberkulosekrankenhaus Waldhaus CharIottenburg, Sommerfeld (Osthavelld.)

('4rztlicher Dir. Dr. H. ULRICL)

Seit einigen Jahren interessieren uns eigentfimliehe derb- k/isige oder verkalkte Lungenherde mit bindegewebiger Kapsel, die hanfkorn- bis kirschgroB sind und bis zu fiber 15 bei einem Phthisiker gefunden wurden. Meist sind es wenige, I - - 5 ; nicht selten fehlen sie ganz. Sie sind kugelig oder 1/inglich rund. Wir suchen seit etwa anderthalb Jahren systematisch nach ihnen und zerschneiden dazu die in situ geh/irteten Lungen mit den zugeh6rigen Lymphknoten in feine Scheiben. In den regio- n/iren Hilusdrfisen finden sich nicht selten Kalk- oder K~se- herde, oft yon rundlicher Form. Diese Lungenherde haben wir zun/ichst f fir tuberkul6se Prim~raffekte gehalten und in diesem Sinne ihr I3ild auf der 1R6ntgenplatte aufgefaBt, mit dessen Deutung sich eine Ver6ffentlichung yon BALLIN 1) und der entsprechende Abschnit teiner Arbeit yon H. und E. GRASS 2)