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Langenbecks Arch. Chir. 332 (KongreBbericht 1972) © by S10ringer-Verlag 1972 Rundgespriich zum Thema Der kindliche Unfall Teilnehmer: Leiter: A. Flach, Tiibingen -- I. Joppich, Mfinchen -- H. Penzholz, Heidel- berg -- W. Vahlensieck, Bonn R. Daum, Heidelberg Die Traumatologie im Kindesalter nimmt einen relativ breiten Raum ein. Da aus Zeitgriinden nieht die gesamte Problematik des Unfalls im Kindesalter tangiert werden kann, werden einige Probleme herausge- griffen und Schwerpunkte gesetzt. Wegen der besonderen Problematik werden zun/~chst die gelenknahen Frakturen im Kindesalter diskutiert, wobei das Ellenbogengelenk, das Hfiftgelenk und Kniegelenk herausgegriffen werden. Eine typische Fraktur im Kindesalter ist die supra- oder trans- condyl/~re Humerusfraktur. Sowohl die konservative als auch die opera- tive Therapie hat Anh/~nger. Flach tritt ffir die Baumannsche Dreipunkteextension ein, da seiner Meinung nach durch dieses Verfahren eine isch/imische Kontraktur weit- gehend vermieden werden kann. Nur bei Repositionsschwierigkeiten und bei Verdacht auf Nerven- oder Gef/~lM/ision legt er die Fragmente frei und fixiert sie mit Bohrdr~h- ten. Joppieh hat mit der percutanen Bohrdrahtfixation gute Ergebnisse erzielt. Die Bohrdr/thte werden im Sinne gekreuzter Bohrdr/~hte fiber die Epicondylen eingeschlossen. Da bei dicser Methode Nervenli~sionen, wenn auch passager, be- schrieben wurden, propagiert Daum eine modifizierte Methode, die darin besteht, nach Reposition der Fraktur unter dem Bildwandier die Bohr- dr~hte oberhalb der Olecranonspitze in den Humerus einzuschieBen. Nach den supracondyliiren Humerusfrakturen werden die Condylen- Frakturen des Humerus diskutiert. Wegen der Abkippung und erhebli- chen Dislokation besonders des Condylus radialis humeri, ist man ein- hellig der Meinung, diese Frakturen freizulegen, zu reponieren und das abgesprengte Fragment durch Bohrdr~hte zu fixieren. Die konservative Behandiung dieser Frakturen ffihrt zu ganz erheblichen Gelenkdefor- mierungen. Ebenso sind sich alle Diskussionsteilnehmer darfiber einig, dab auch die RadiuskSpfchenfraktur bzw. Halsfrakturen im Kindesalter operativ versorgt werden sollten.

Rundgespräch zum Thema Der kindliche Unfall

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Page 1: Rundgespräch zum Thema Der kindliche Unfall

Langenbecks Arch. Chir. 332 (KongreBbericht 1972) © by S10ringer-Verlag 1972

Rundgespriich zum Thema

Der kindliche Unfall

Teilnehmer:

Leiter:

A. Flach, Tiibingen -- I. Joppich, Mfinchen -- H. Penzholz, Heidel- berg -- W. Vahlensieck, Bonn

R. Daum, Heidelberg

Die Traumatologie im Kindesalter n immt einen relativ breiten Raum ein. Da aus Zeitgriinden nieht die gesamte Problematik des Unfalls im Kindesalter tangiert werden kann, werden einige Probleme herausge- griffen und Schwerpunkte gesetzt.

Wegen der besonderen Problematik werden zun/~chst die gelenknahen Frakturen im Kindesalter diskutiert, wobei das Ellenbogengelenk, das Hfiftgelenk und Kniegelenk herausgegriffen werden.

Eine typische Fraktur im Kindesalter ist die supra- oder trans- condyl/~re Humerusfraktur . Sowohl die konservative als auch die opera- tive Therapie hat Anh/~nger.

Flach t r i t t ffir die Baumannsche Dreipunkteextension ein, da seiner Meinung nach durch dieses Verfahren eine isch/imische Kont rak tur weit- gehend vermieden werden kann.

Nur bei Repositionsschwierigkeiten und bei Verdacht auf Nerven- oder Gef/~lM/ision legt er die Fragmente frei und fixiert sie mit Bohrdr~h- ten.

Joppieh hat mit der percutanen Bohrdrahtfixation gute Ergebnisse erzielt. Die Bohrdr/thte werden im Sinne gekreuzter Bohrdr/~hte fiber die Epicondylen eingeschlossen.

Da bei dicser Methode Nervenli~sionen, wenn auch passager, be- schrieben wurden, propagiert Daum eine modifizierte Methode, die darin besteht, nach Reposition der Fraktur unter dem Bildwandier die Bohr- dr~hte oberhalb der Olecranonspitze in den Humerus einzuschieBen.

Nach den supracondyliiren Humerusfrakturen werden die Condylen- Frakturen des Humerus diskutiert. Wegen der Abkippung und erhebli- chen Dislokation besonders des Condylus radialis humeri, ist man ein- hellig der Meinung, diese Frakturen freizulegen, zu reponieren und das abgesprengte Fragment durch Bohrdr~hte zu fixieren. Die konservative Behandiung dieser Frakturen ffihrt zu ganz erheblichen Gelenkdefor- mierungen.

Ebenso sind sich alle Diskussionsteilnehmer darfiber einig, dab auch die RadiuskSpfchenfraktur bzw. Halsfrakturen im Kindesalter operativ versorgt werden sollten.

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672 Rundgespr~ch:

Eine besondere Bedeutung kommt der Schenkelhalsfraktur im Kin- desalter zu. Wegen der relativ hohen Zahl yon Kopfnekrosen (20--60°/0) t r i t t Flach daffir ein, die Schenkelhalsfrakturen im Kindesalter nach dem Vorschlag yon Boitzy akut operativ anzugehen und mit Schrauben zu versorgen. Daum ist ebenfalls der Auffassung, bei der Schenkelhals- fraktur im Kindesalter eine Kompressionsosteosynthese durchzuffihren, da durch eine stabile Osteosynthese die im Periost verlaufenden Gef~Be weniger liidiert werden.

AbschlieBend befal3t sich das Gespr~ch mit den subtrochant~ren und supracondyl~ren Femurfrakturen.

Flach bevorzugt bei den subtrochant~ren Frakturen die Draht- extension, Joppich tr i t t mehr ffir die geschlossene Kfintscher-Mark- nagelung ein. Daum hiilt einen konservativen Versuch mit der vertikalen Heftpflasterextension zun~chst fiir angezeigt, ffihrt jedoch in den meisten F~llen ebenfalls eine Kfintscher-Marknagelung durch, die nach seinen Erfahrungen in 90°/0 geschlossen vorgenommen werden kann.

Bei den supracondyliiren Femurfrakturen bevorzugt Flach mehr als konservative Verfahren. Gelegentlich ffihrt er eine Bohrdrahtfixation mit anschliei3endem Beckenbeingips durch.

Joppich und Daum treten bei diesen Frakturen fiir die Plattenosteo- synthese ein, da ein anatomisch exakter Fragmentstand dadurch erzielt werden kann und Subluxationen ebenso wie Ante- oder Rekurvation vermieden werden k6nnen.

Abschliel3end zu diesem Thema wird betont, dal3 die Behandlung der Knochenbrfiche im Kindesalter grunds£tzlich konservativ erfolgen sollte. Die Disknssion hat jedoch gezeigt, da~ bei gewissen Frakturformen -- Condylenabbrfiche, Schenkelhalsfrakturen, supraeondyl~re Femur- frakturen -- die operative Therapie Vorteile gegenfiber dem konser- vativen Verfahren bietet.

Aus dem Gebiet der stumpfen Bauchverletzung im Kindesalter wird das Problem der Nierenverletzung diagnostiziert. Die Behandlung der Nierenrupturen hat in den letzten 10 Jahren insofern einen Wandel erfahren, als heute nicht mehr kritiklos bei einer Parenchymverletzung die Nephrektomie durchgeffihrt wird.

Vahlensieck pr£zisiert in Erg~nzung zu seinem Referat noch einmal den diagnostischen Gang. Bei Verdacht auf leichte und mittlere Nieren- verletzungen ist nach seiner Meinung bei stabilem Kreislauf primer ein Urogramm oder Infusionsurogramm angezeigt. Wo eine Szintigraphie mSglich ist, kann sie das Urogramm erg~nzen. Bei unvollst~ndiger Dar- stellung der Niere ist eine Angiographie angeraten, wenn die technischen Gegebenheiten es gestatten und das Verfahren auch sonst zur Routine gehSrt.

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Der kindliche Unfall 673

Bei schweren Kombinationstraumen hi~lt Vahlensieck die Angiogra- phie yon vornherein ffir angezeigt, wenn es die Situation erlaubt. Ist eine Laparotomie dringlich, sollte immer der Retroperitonealraum beiderseits inspiziert werden. Zur Freflegung empfiehlt Vahlensieck den Flanken- schnitt, der notfalls im Sinne eines Rippenbogenrandschnittes bzw. eines queren Oberbauchschnittes erweitert werden kann. Nach schneller Ausr~umung des Hi~matoms ist die Orientierung am Gef~Bstiel anzu- streben. Die Erhaltung des Organs ist eine vordringliche Aufgabe. Nach Aussage von Vahlensieck kann der Gef~Bstiel der Niere ohne Gefahr einer tubuli~ren Sch~digung bis zu 10 min abgeklemmt werden. Darfiber hinausgehende Ischi~miezeiten verursachen zunehmende, aber bis zu 11/2 Std reversible Tubulussch~den mit entsprechend langen Wieder- belebungszeiten.

Sekund~re Nekrosen, Urinpseudocysten, Infektionen und ttoch- druck sind nur dann zu erwarten, wenn primer das AusmaB der Verlet- zung diagnostisch nicht ausreichend erfaBt und die konservative Behand- lung fiberspitzt wird. Vahlensieck ist der Auffassung, dab bei konsequen- ter und rechtzeitiger Diagnostik und Therapie die bisher mit 10--20°/0 bezifferten Si~tze ffir Dauerschiiden zweifellos niedriger zu halten sind.

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