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BERICHTE AUS DER RHEINISCH- WESTFÄLISCHEN TECHNISCHEN HOCHSCHULE AACHEN AUSGABE 2/2007 ISSN-NR. 0179-079X Computational Engineering Science – Ein neues Ingenieurprofil

RWTH-Themen Computational Engineering Science - Ein neues Ingenieurprofil

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Berichte aus der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen

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Page 1: RWTH-Themen Computational Engineering Science - Ein neues Ingenieurprofil

BERICHTEAUS DERRHEINISCH-WESTFÄLISCHENTECHNISCHENHOCHSCHULEAACHEN

AUSGABE 2/2007

ISSN-NR.0179-079X

Computational Engineering Science – Ein neuesIngenieurprofil

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Page 3: RWTH-Themen Computational Engineering Science - Ein neues Ingenieurprofil

ImpressumHerausgegeben

im Auftrag des Rektors:

Dezernat Presse- und Öffentlichkeitsarbeit

der RWTH Aachen Templergraben 55

52056 AachenTelefon 0241/80-94327Telefax 0241/80-92324

[email protected]

Redaktion:Sabine Busse

Angelika Hamacher

Verantwortlich:Toni Wimmer

Titel:Wissenschaftler des Aero-

dynamischen Instituts diskutieren das Lärmreduktions-

potenzial für Tragfläche und Triebwerk eines Passagierflugzeugs.

Wichtigstes Werkzeug ist hierbei die numerische Strömungssimulation.Foto: Peter Winandy

Rücktitel:Computersimulationen und

neue Visualisierungstechniken helfen die Ursachen von

Blutschädigungen in mechanischenAssistenzsystemen für Herzen zu untersuchen, insbesondere

für diese miniaturisierteaxiale Blutpumpe.

Foto: Peter Winandy

Fotos:Martin Lux (Seite 4)

Peter Winandy

Anzeigen:print´n´press, Aachen

[email protected]

Art direction:Klaus Endrikat

DTP:ZAHRENDesign,

Aachen

Druck: PrintProduction GmbH,

Aachen

Gedruckt auf chlorfrei gebleichtem

Papier

Das Wissenschaftsmagazin „RWTH-Themen” erscheint einmalpro Semester. Nachdruck einzelner

Artikel, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung der Redaktion. Für den Inhalt

der Beiträge sind die Autoren verantwortlich.

Wintersemester 2007

Vorwort des Rektors 4Simulation – virtuelle Lösungen für reale Probleme 6

Handshake zwischen Methoden und Materialsystemen 8

Minireaktoren im Schlepptau aufsteigender Gasblasen 10

Mathematik für Tropfen ist alles andere als trocken 14

Welchen Einfluss besitzen Modellparameter? 18

Geometrieverarbeitung für die numerische Simulation 22

Numerische Strömungssimulation in Natur und Technik 26

Hochleistungsrechnen und Visualisierung 30

Lückenlose Qualitätskontrolle bei der Medikamentenherstellung 32

Produktivität versus Performanz in der Simulation 38

Neue Wege bei der Nutzung von Erdwärme und Speicherung von Kohlendioxid 40

Virtueller Test für Biowerkstoffe 44

Rechnen auf Zehntausenden von Prozessoren – wo muss ich klicken? 48

Simulation an der RWTH Aachen 52

Namen und Nachrichten 54

THEMEN 2/2007AUS DEM INHALT

Computational Engineering Science –

Ein neuesIngenieurprofil

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Groß ist die Freude an der „Exzellenzhochschule“RWTH Aachen: Der Bewilligungsausschuss für die Exzellenzinitiative von Bund und Ländern hat am 19.Oktober einstimmig die Finanzierung des Zukunfts-konzepts der RWTH beschlossen. Zusätzlich wurdenMittel für einen weiteren Exzellenzcluster „Maßge-schneiderte Kraftstoffe aus Biomasse“ genehmigt.

Laut Deutscher Forschungsgemeinschaft werdenfünf Jahre lang für die Förderung eines Zukunftskon-zeptes durchschnittlich 13 Millionen Euro pro Jahr, füreinen Exzellenzcluster rund 6,5 Millionen und für eineGraduiertenschule etwa eine Millionen Euro zur Verfü-gung gestellt. Neben dem jüngsten Ergebnis in derzweiten Antragsrunde wurden für die RWTH im Jahr2006 bereits zwei Exzellenzcluster und eine Graduier-tenschule bewilligt. Damit steht die Aachener Hoch-schule – gemessen am Fördervolumen von jährlich et-wa 33,5 Millionen Euro – gemeinsam mit der LMUMünchen auf dem vordersten Listenplatz der jetzt ins-gesamt neun „Exzellenzhochschulen“ in Deutschland.Nur diese beiden Hochschulen werden die Mittel zurFinanzierung für drei Exzellenzcluster erhalten.

Außerdem geht die RWTH als ein besonderer natio-naler Spitzenreiter aus dem Wettbewerb hervor – alleExzellenzcluster und die Graduiertenschule werden beifakultätsübergreifender Beteiligung vieler Institute – inden Ingenieurwissenschaften koordiniert. Dieses Ergeb-nis wurde nicht nur in der Hochschule, sondern auch inihrem Umfeld begeistert aufgenommen.

Wir freuen uns über die Fördergelder, wissen darü-ber hinaus, dass wir als „Exzellenzhochschule“ unser An-sehen im In- und im Ausland weiter steigern müssen.

Grundlage für die Förderung ist das in der so ge-nannten dritten Linie beantragte Zukunftskonzept –überschrieben mit dem englischen Titel „RWTH 2020:Meeting Global Challenges“. Die RWTH Aachen wirddie globalen Herausforderungen jetzt forciert in Angriffnehmen. Dabei wollen wir mit vier Maßnahmenbün-deln existierende Defizite beheben und vorhandeneStärken ausbauen:

An erster Stelle steht die Schärfung des wissen-schaftlichen Profils: Die naturwissenschaftliche Grund-lagenforschung soll gestärkt, die interdisziplinäre Zu-sammenarbeit – vor allem die aller Fakultäten mit denIngenieur- und den Naturwissenschaften – ausgebautwerden.

Eine zweite bedeutende Maßnahme wurde bereitsim August 2007 mit der Unterzeichnung von JARA –der „Jülich Aachen Research Alliance“ – eingeleitet.Dieses Modell einer Partnerschaft zwischen universitä-rer und außeruniversitärer Forschung ist von hoher in-ternationaler Ausstrahlung. Die Allianz ist bereits inden drei Sektionen JARA-BRAIN Translational BrainMedicine (Neurowissenschaften), JARA-FIT Fundamen-tals of Future Information Technology (Informations-technologie) und JARA-SIM Simulation Sciences (Simu-lationswissenschaften) aktiv.Vo

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Staatssekretär Dr. Michael Stückradt und Andreas Pinkwart, Minister für Innovation, Wissenschaft, Forschung und Technologie des Landes Nordrhein-Westfalen, freuen sich gemeinsam mit Rektor Burkhard Rauhut und AachensOberbürgermeister Dr. Jürgen Linden (von links) über die Entscheidung des Bewilligungsausschusses für die Exzellenzinitiative von Bund und Ländern. Foto: Martin Lux

THEMEN 2/2007

Beim dritten Maßnahmenpaket wird davon ausge-gangen, dass eine erfolgreiche Universität Menschenfür Ideen wie Projekte begeistern und in Bewegungsetzen muss. Um herausragende Studierende, Lehren-de und Forscherinnen wie Forscher in die Hochschuleholen und halten zu können, wird eine nachhaltigeFörderung des wissenschaftlichen Nachwuchses umge-setzt sowie langfristig die Auswahl der besten Studie-renden angestrebt. Besondere Anstrengungen werdendabei zur Gewinnung von Frauen unternommen – vonStudentinnen, Nachwuchsforscherinnen und Professo-rinnen.

Der vierte Bereich umfasst die Schritte zur Stärkungder Managementqualitäten und der Etablierung neuerFührungsstrukturen. Es sollen Freiräume für unterneh-merisches Handeln geschaffen und eine effiziente Res-sourcenverteilung erleichtert werden. Der notwendigeTransformationsprozess der universitären Organisationist strategisch geplant. Zudem werden künftig die be-stehenden Entscheidungsebenen wie Rektorat und Fa-kultätsleitungen um einen Strategierat erweitert.

Im Exzellenzcluster „Maßgeschneiderte Kraftstoffeaus Biomasse“ wollen die Wissenschaftlerinnen undWissenschaftler einen interdisziplinären Ansatz unterVerwendung optimierter Syntheseprozesse zur Erfor-schung neuer, auf Biomasse basierender, synthetischerKraftstoffe nutzen, um das Potenzial hinsichtlich mo-derner verbrennungsmotorischer Technologien zu be-stimmen und gleichzeitig die Abhängigkeit von fossilenEnergien zu verringern. Das langfristige Ziel ist die Be-stimmung einer optimalen Kombination von Kraftstoff-komponenten und deren Herstellungsprozessen, dieauf nachwachsenden Rohstoffen und neuen Verbren-nungsprozessen basiert. Univ.-Prof. Dr.-Ing. Stefan Pischinger vom Lehrstuhl für Verbrennungskraftmaschi-nen ist Koordinator des Exzellenzclusters.

Bereits 2006 bewilligt wurden der Exzellencluster„Integrative Produktionstechnik in Hochlohnländern“,der Exzellenzcluster „Ultra High-Speed Mobile Infor-mation and Communication“ sowie die Graduierten-schule „Aachen Institute for Advanced Studies inComputational Engineering Science“.

Univ.-Prof. Dr. Burkhard Rauhut

www.rwth-aachen.de/exzellenz

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Nicole Faber

berücksichtigt werden. Hierzubilden mathematische Modelledie Grundlage, die mittlerweilefür viele Problemstellungen exis-tieren, aber teilweise auch erstnoch entwickelt werden müs-sen. Je komplexer eine Simula-tion ist, um so mehr Rechenleis-tung wird benötigt, damit siedie Realität abbilden kann. Wer-den komplexe Vorgänge simu-liert, benötigen diese unter Um-ständen viele zehntausend Pro-zessoren, da sonst zu lange Re-chenzeiten die Folge wären.Häufig ersetzen Simulationenreale Experimente. Dabei gibtes zwei Möglichkeiten, Pro-blemlösungen zu generieren: Inder „direkten“ Vorgehensweisewerden Simulationen unterVerwendung bestimmter Rand-bedingungen und anderer Pa-rameter durchgeführt. Manversucht zunächst ein Experi-ment mit messtechnisch erfasstenErgebnissen zu reproduzieren,um die Genauigkeit der Si-mulation einschätzen zu kön-nen. Hierbei spricht man vonValidierung. Anschließend kannman die Simulation auf Berei-che ausdehnen, in denen eskeine Messdaten gibt. Die er-zielten Ergebnisse werden danngenau wie experimentelle Mess-werte benutzt. Die andereMöglichkeit beinhaltet, dassman Lösungswege rückwärtssucht, das heißt man forschtnach einzugebenen Daten, dieein bestimmtes gewünschtesErgebnis produzieren würden,oder nach möglichen Modellen,die besonders realitätsnahe Re-sultate liefern könnten. Hierbeispricht man von „inversen“Problemen.

Die vorgestellten Forschungs-projekte sollen die Bandbreiteder Simulation an der RWTHAachen zeigen. So werden nichtnur Funktionen von Herzpum-

pen oder anderen mechani-schen Geräten simuliert, son-dern auch Produktionsabläufebeispielsweise bei der Medika-mentenherstellung zur Opti-mierung nachgebildet, mathe-matische Modelle weiter- undneuentwickelt und Material-beziehungsweise Werkstoffent-wicklungen simuliert. Die Zu-sammenstellung der Beiträgeverdeutlicht, dass sich die wis-senschaftliche Auseinanderset-zung mit der Thematik der Si-mulation hauptsächlich aus dreiBereichen speist: der Mathema-tik, der Informatik und den In-genieurwissenschaften. An derSchnittstelle zwischen diesenFachdisziplinen ist das For-schungsgebiet ComputationalEngineering Science angesie-delt. Dieses zukunftsweisendeThema ist an der RWTH Aachenmit mehreren Schwerpunktenvertreten: dem Studiengang„Computational EngineeringScience“, der im Rahmen derExzellenzinitiative eingerichtetenGraduiertenschule „Aachen In-stitute for Advanced Study inComputational EngineeringScience“, kurz AICES, sowiedem„Center for ComputationalEngineering Science“, kurzCCES. Diese Einrichtungen er-gänzen die bereits seit Jahrenbestehenden interdisziplinärenKooperationen im BereichComputational EngineeringScience durch die Ausbildungvon Studierenden, die Förde-rung von Graduierten und dieBündelung bestehender For-schungskooperationen. Die Au-toren der Beiträge in diesen„RWTH-Themen“ sind Mitglie-der der Graduiertenschule AICES.

www.aices.rwth-aachen.de

Autorin:Nicole Faber M.A. ist Geschäftsführerin der Graduier-tenschule „Aachen Institute forAdvanced Study in Compu-tational Engineering Science”.

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DDer Begriff „Simulation” stehtim Mittelpunkt dieser Ausgabeder „RWTH-Themen“. Wasversteht man darunter undwarum simuliert man etwas?Definitionen des Begriffs findetman viele, die man wie folgtauf den Punkt bringen kann:Simulation versucht die Realitätbeziehungsweise reale Abläufemit Hilfe des Computers zu vi-sualisieren, um Vorgänge zuanalysieren und zu verstehen,Tendenzen vorherzusagen oderEigenschaften zu verbessern.Natürlich sind Simulationenheute Standard in vielen Desi-gnprozessen. Wer kennt nichtdie Luftströmungssimulationenbei Formel1–Wagen, die zurVerbesserung der Chassisstruk-tur herangezogen werden? Diemeisten wissenschaftlichen Si-mulationen sind in einem Maßezum Standard geworden, dassuns nicht bewusst ist, in wel-chen Bereichen sie überall ein-gesetzt werden. Wenn ein Pro-dukt Einzug in unseren Alltaghält, hat es zuvor viele Entwick-lungsschritte durchlaufen, zudenen immer häufiger auch dieSimulation gehört. Als Compu-ter noch nicht mit der heutigenLeistungsstärke zur Verfügungstanden, wurden in größeremUmfang Prototypen entwickeltund gebaut. Da diese teuer, re-lativ unflexibel und aufwändigsind, werden die Prototypenheute häufig durch Simula-tionsprogramme abgelöst. Nunhat man auf der einen Seite dierealen Vorgänge oder Begeben-heiten und auf der anderen ei-nen Computer, der zur Simula-tion eingesetzt werden soll. Diegroße Herausforderung bestehtsomit in der Umsetzung derRealität in ein Computerpro-gramm, welches die Simulationso abbildet, dass die in der Rea-lität vorhandenen Parameter

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Simulation – virtuelle Lösungen für reale Probleme

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Heike Emmerich

fachsten denkbaren Modellsys-teme für heterogene kristallineOrdnung zu schließen.

Das Schwerpunktprogrammwurde vom Lehr- und For-schungsgebiet Modellbildung inder Werkstofftechnik initiiertund wird auch von diesem koor-diniert. Der Inhalt des Pro-gramms zeigt zum einen, dassdie fundamentalen Fragen funk-tionalen Materialdesigns heuteangehbar sind. Weiterhin machter deutlich, dass sich diesen zustellen ein Umdenken erfordert.Die klassische „Try-and-Error“-Methodik in der Materialtechnikist für Hochtechnologienationenwie Deutschland schon lange zuzeit- und kostenintensiv gewor-den. Ein systematisches Vorgehen,das eine solche Herangehens-weise überwindet, bedeutetaber auch, Grenzen zwischenden klassischen materialwissen-schaftlichen und material-tech-nischen Disziplinen überwindenzu lernen und die notwendigeExpertise für das eine Ziel „Ver-stehen-Kontrollieren-Designen“gemeinsam zusammenzubringen.Im Schwerpunktprogramm istdas wie folgt vorgesehen: Umzu einem system- und skalen-übergreifenden detaillierten Ver-

ständnis der Energetik und Kinetikheterogener Keim- und Mikro-strukturbildung zu gelangen,werden einerseits drei für unter-schiedliche Längen- und Zeit-skalen entwickelte theoretischebeziehungsweise Computersi-mulationsmethoden zum Einsatzkommen. Andererseits sollenzwei unterschiedliche experi-mentelle Modellsysteme, binäreKolloide und binäre metallischeLegierungen, untersucht wer-den. Dadurch verbinden sich dieim Zentrum des Interesses ste-henden physikalischen Phä-nomene je nach Modellsystemmit unterschiedlichen Längen-skalen. Dies stellt einen wichtigenAusgangspunkt für das ange-strebte methodische Ziel auftheoretischer Seite dar, eine ri-gorose Verbindung zwischenden Methoden der Thermody-namischen Rechnung, der Dich-tefunktionaltheorie, der Moleku-laren Simulation sowie der Pha-senfeldmethode zu schaffen.

Für das Erreichen des Ge-samtzieles ist die Zusammenar-beit zwischen Theorie und Expe-riment essenziell. Einerseits ba-siert die Entwicklung physika-lisch relevanter Modelle zur Be-schreibung von Keimbildungs-

mechanismen auf der verlässli-chen Kenntnis von Schlüsselpa-rametern wie der Grenzflächen-energie zwischen Kristallkeimund Schmelze. Diese Grenz-flächenenergie experimentell zubestimmen war bisher nichtmöglich und kann erstmalig aufBasis des aktuell in der Kolloid-physik erreichten Stands derForschung in Angriff genommenwerden. Angestrebt wird daherein symbiotisches Vorgehen derexperimentellen Metallphysikmit der experimentellen Kolloid-physik. Andererseits bedarf jedeModellweiterentwicklung derverlässlichen Verifikation vontheoretischen Voraussagendurch geeignet ausgelegte Ex-perimente. Darüber hinaus be-sitzen die entwickelten und veri-fizierten Modelle aber auch eineKontrollfunktion für noch nichtvoll etablierte und weiterzuent-wickelnde Messverfahren und -techniken.

Die beabsichtigte theoreti-sche Methodenweiterentwick-lung profitiert maßgeblich vonzwei Besonderheiten, die geradedas gemeinsame experimentelleVoranschreiten mit den beidenModellsystemen „Kolloid“ und„Metall“ mit sich bringt. Zum

Handshake zwischen Methoden

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Der Weg zur Materialentwicklung von morgen

Bild 1: Systematisierung des beabsichtigten interdisziplinärenVorgehens.

WTHEM

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Wünschen Sie sich nicht auch,Ihr Kind könnte vor bruchsiche-ren Fensterscheiben Fußballspielen, Ihre wunderschönenneuen Keramikteller würden ei-nen Aufschlag auf den Bodenunbeschadet überstehen oderIhre gesamte Lieblingsmusikließe sich auf einem kleinen Da-tenmedium speichern – und soabwechslungsreichen Musikge-nuss auch bei vier WochenSchlecht-Wetter-Urlaub ermögli-chen?

Diese Wünsche liegen im Trendeiner konkreten Herausforderung,der sich die Materialwissenschaftlerbereits stellen: den maßgeschnei-derten Materialien mit verbessertenfunktionalen Eigenschaften. Die Auf-gabenstellung ist auch von höchs-tem wirtschaftlichen Interesse,denn praktisch jedes neue Produktbasiert auf der Weiterentwick-lung eines Werkstoffes. Daherbergen bereits moderate Fort-schritte ein großes wirtschaftli-ches Potenzial. Die Werkstoff-entwicklung wurde in den letztenJahren begleitet durch breit ge-fächerte Anstrengungen, die Struk-turierung relevanter Materialienauf immer kleineren Skalen kon-trollieren zu können. Trotz in-tensiver Bemühungen gelten dieanfänglichen Stadien dieserStrukturbildungsprozesse immernoch als weitestgehend unver-standen, so zum Beispiel dieKeim- und Mikrostrukturbildungin einem heterogenen Medium.Dies gilt für die anfängliche Struk-turierung an metallischen Ober-flächen, die insbesondere in derMikroelektronik und -system-technik wichtig ist, ebenso wiefür die kleinskaligen Strukturent-wicklungen im Volumen metalli-scher Legierungen, beispielswei-se für die Entwicklung neuerMaterialien in der Medizintech-nik oder für die im Hinblick aufzukünftige photonische Kristallebedeutenden Kolloide.

In einem Schwerpunktpro-gramm der Deutschen For-schungsgemeinschaft, demSchwerpunktprogramm „Hete-rogene Keim- und Mikrostruk-turbildung: Schritte zu einemsystem- und skalenübergreifen-den Verständnis“ sollen dahergrundlagenorientierte Anstren-gungen geleistet werden, dieseLücke anhand einer interdiszi-plinären Erforschung der ein-

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und Materialsystemen

einen rückt gerade das Aufhe-ben einer strikten Längenskalen-bezogenheit je Phänomen durchBetrachten beider Modellsyste-me, Kolloide wie Metalle, einaus theoretischer Sicht bedeu-tendes „Handshaking“ derDichtefunktionaltheorie-, Mole-kularsimulations- und Phasen-feldmethode in den Bereich desErreichbaren, siehe Bild 1. Ande-rerseits wird die Chance, diesenMehrskalensimulationszugangzu entwickeln, zusätzlich durchdie Möglichkeit unterstützt, inKolloiden strikt zweidimensiona-le Systeme zu präparieren unddamit gezielt von zweidimensio-nalen Untersuchungen zu korres-pondierenden dreidimensionalenStudien überzugehen. DiesesVorgehen wird auf Grund derKomplexität des Problems auchauf theoretischer Seite gewähltund ermöglicht dabei einen ex-perimentellen Abgleich. Das ex-perimentelle Vorgehen profitiertdarüber hinaus von der Theoriein dem Sinne, dass bei der Wei-terentwicklung von Messver-fahren und -techniken für Me-tallsysteme theoretische Modell-vorhersagen Aufschluss über dieGüte erlauben, mit der neueVerfahren die obigen physikali-schen Schlüsselparameter zu be-stimmen gestatten. Für die Kol-loidsysteme besteht die gleicheKontrollfunktion hinsichtlich ei-ner theoretischen Verifikation

der Phasendiagramme dieserModellsysteme. Das „Handsha-king“ zwischen Methoden undMaterialsystemen ist der Schlüs-sel dazu.

Programme, wie das obigeSchwerpunktprogramm derDeutschen Forschungsgemein-schaft zeigen, dass die klassischeingenieurwissenschaftliche Ma-terialentwicklung zunehmendvon Bemühungen ergänzt wird,durch allein theoretisches Vorge-hen von modelltheoretischenGrundlagen auf kleinster Skala,über mathematisch rigoroseWeiterentwicklung dieser Mo-delle, verbunden mit einer nu-merischen Umsetzung durchMethoden des Höchstleistungs-rechnens, ebenfalls einen Beitragzu ingenieurwissenschaftlichrelevanten Fragestellungen zuleisten. Diese Bemühungen sollenkeine Alternative zum traditio-nellen ingenieurwissenschaftli-chen Vorgehen darstellen, son-dern sich angesichts der Größeder Herausforderung synerge-tisch mit diesem ergänzen undsukzessive das wissenschaftlicheGebiet um neue systematische,mechanismenorientierte Er-kenntniszugänge erweitern.Grundlage, um die für ein sol-ches interdisziplinäres Vorgehennotwendigen Gespräche führenzu können, ist natürlich auch ei-ne entsprechend angelegte in-terdisziplinäre Ausbildung. Dazu

gehört einerseits, StudierendenModellierungsmethoden in derWerkstofftechnik im Überblickzu vermitteln, damit diese einVerständnis für Grenzen undEinsetzbarkeit von verschiede-nen Methoden erlangen, ande-rerseits, sie mit Trends und Her-ausforderungen der heutigenWerkstoffentwicklung vertrautzu machen. Ergänzt wird dasSpektrum notwendiger Metho-denkompetenz durch numeri-sches und informationstheoreti-sches Know-how. Dieses Spek-trum wird an der RWTH Aachenin Zukunft auf verschiedenenNiveaus, vom Undergraduate biszum Postgraduate Level, erwor-ben werden können. Das Inter-esse der Werkstoffindustrie andiesen Absolventen ist schonheute hoch. Ebenso groß istaber ihr Interesse daran, dass dieoben angesprochenen mecha-nismenorientierte Methoden-weiterentwicklung nicht alleineine prinzipielle Methodenent-wicklung bleibt, sondern in in-dustrieller Zusammenarbeit zurOptimierung konkreter Prozess-und Materialsysteme zielgerichteteingesetzt wird – Optimierung,die die dynamischen Prozess-wechselwirkungsmechanismenzwischen den Skalen in einerWeise berücksichtigen, wie klas-sische Lösungen es bisher nichterlauben. Da diese mechanismen-orientierte, skalenübergreifende

Material- und Prozessoptimierunguntrennbar an Methoden desHöchstleistungsrechnens und derHöchstleistungsvisualisierung ge-bunden ist, ist die entsprechendeForschung an der RWTH Aachenkonsequenterweise in das inter-disziplinäre „Center for Compu-tational Engineering Science”eingebunden und wird gleichzei-tig eines der zukünftigen Kom-petenzfelder dieses Zentrumsdarstellen.

http://www.ghi.rwth-aachen.de/www/

Autorin:Univ.-Prof. Dr.-Ing. Heike Emmerich betreut das Lehr- undForschungsgebiet Modellbildungin der Werkstofftechnik.

Bild 2: Wissenschaftler ent-wickeln mathematische Modelle, die die Skalenunterschiedezwischen Computersimula-tionen und Anwendungen in der Praxis überbrücken. Hierwird eine Kristallstruktur, dievon einer Computersimulation vorhergesagt wurde, mit einemvon Experimenten abgeleitetenKristallmodell verglichen.Foto: Peter Winandy

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Dieter Bothe

hänge auf größere Maßstäbemöglich ist. Dieses so genannteScaling Up ist notwendigerwei-se modellbasiert. Dabei spielensich selbst einstellende Größenwie Gasgehalt und Strömungs-zustand sowie Form, Größeund Aufstiegsverhalten der Bla-sen eine wesentliche Rolle. Hin-zu kommen lokale Phänomeneauf Längenskala der Blasen unddarunter wie Konzentrations-und Wirbelschleppen sowiestarke Abhängigkeiten desübergehenden Stoffstromesvon der Position auf der Blase-noberfläche. Tatsächlich stelltder Nachlauf einer einzelnenBlase eine Art Minireaktor dar:aus der Blase wird durch Stof-fübergang einer der Reaktions-partner zur Verfügung gestellt,

der zweite Reaktand befindetsich in der Flüssigkeit und um-strömt mit dieser die Blase. Inder Nähe der Blasenoberflächeund in der Blasenschleppekommen beide in Kontakt undreagieren miteinander. Die Bla-senschleppe stellt dabei denReaktionsraum dar. Abhängigvon Größe und Aufstiegsge-schwindigkeit der Blase stellensich verschiedene Strömungs-formen im Nachlauf der Blaseein, wie in Bild 1 gezeigt. Diesebewirken eine unterschiedlicheVermischung der Reaktanden.Die Güte der Vermischung unddie Geschwindigkeit, mit derdie Reaktionspartner vermischtwerden, bestimmen die Aus-beute und die Qualität des Pro-duktes.

An dieser Stelle setzen mo-derne numerische Simulations-techniken an, mit denen diePhasengrenzfläche in ihrerForm und Lage dreidimensionalund unter Berücksichtigung ih-rer Dynamik und Physikalitäterfasst wird. Dies gelingt mitder „Volume of Fluid“-Methode,kurz VOF-Methode. Grundideeist hier die implizite Erfassungder Grenzfläche zwischen flüssi-ger und gasförmiger Phasedurch Bilanzierung des Volu-menanteils der Flüssigkeit. Die-se zusätzliche Volumenanteils-funktion hat also den Wert 0 inZellen, die ganz mit Flüssigkeitgefüllt sind und den Wert 1 insolchen, die vollständig in derGasphase liegen. Dadurch kön-nen die unterschiedlichen Dich-

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GGas-Flüssig-Reaktionen bildendie Grundlage für bedeutendeProzesse der chemischen Indus-trie mit Umsätzen im Bereichmehrerer Millionen Jahreston-nen. Bei dieser Art chemischerUmwandlungen kommt einerder Reaktionspartner aus derGasphase, wie zum BeispielLuftsauerstoff als Oxidations-mittel. Dieser geht aus denGasblasen in die Flüssigkeitüber, wo er auf den zweitenPartner trifft und die chemi-schen Reaktionen stattfinden.Als konkreter industrierelevan-ter Prozess sei die Partialoxida-tion von aus Erdöl gewonnenemCyclohexan zur Adipinsäure genannt. Die Adipinsäure ist wiederum ein wichtiger Roh-stoff zur Herstellung vonKunststoffen – speziell Nylon –sowie Weichmachern. Damitein solcher Prozess überhauptstarten kann, sind also Gas undFlüssigkeit in Kontakt zu brin-gen. Dies geschieht in so ge-nannten Kontaktapparaten. Ei-ne wichtige Klasse solcher Kon-taktapparate bilden die Bla-sensäulen, bei denen am Fußeiner Säule Luft oder ein ande-res Gas in eine umgebendeFlüssigkeit gepumpt wird. DieFlüssigkeit strömt entweder indieselbe Richtung oder im Ge-genstrom. Durch Auftrieb stei-gen die Blasen in der Flüssig-phase auf und vermischen die-se dabei. Es kann deshalb aufverschleißanfällige mechanischeRührelemente verzichtet wer-den. Die durch Blasenbewe-gung erzeugte Vermischung er-folgt zudem unter geringer me-chanischer Beanspruchung, sodass in biochemischen Prozes-sen vorhandene Enzyme oderMikroorganismen nicht geschä-digt werden. Deshalb kommtden reagierenden Zweiphasen-strömungen in Blasensäulen ei-ne hohe verfahrenstechnischeBedeutung zu.

Sowohl die Auslegung alsauch der optimale Betrieb indus-trieller Blasensäulen sind extremanspruchsvolle Aufgaben. Daumfangreiche experimentelleUntersuchungen nur im Labor-und im Technikumsmaßstabsinnvoll sind, werden Metho-den benötigt, mit denen eineÜbertragung der Zusammen-

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Minireaktoren im Schlepptau aufsteigender Gasblasen

Rechnergestützte Intensivierung von Gas-Flüssig-Prozessen

Bild 1: Experimentelle Aufnah-men des Sauerstoffgehaltes in Blasenschleppen bei unter-schiedlicher Nachlaufform. Die regellose Blase rechts istverkleinert dargestellt. Quelle: Institut für Umweltverfahrenstechnik, Universität Bremen.

Bild 2: Beispiel einer möglichen Verteilung der Volumenanteilsfunktion in den Gitterzellen des Rechen-gebietes bei einer Volume of Fluid-Simulation.

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ten und Viskositäten beiderFluide in der Strömungsberech-nung berücksichtigt werden. Inallen Zellen, die Phasengrenz-fläche enthalten, besitzt die Vo-lumenanteilsfunktion einenWert zwischen 0 und 1. Bild 2zeigt eine typische Verteilungder Werte. Aus der gesamtenVerteilung der Volumenanteilekönnen sowohl Lage und Ori-entierung der Phasengrenze alsauch die Krümmung der Grenz-fläche näherungsweise berech-net werden. Letzteres ist für ei-ne physikalisch korrekte Simu-lation extrem wichtig, da dieaus der Grenzflächenspannungresultierenden Kräfte proportio-nal zur Krümmung sind. DieseKräfte bewirken – ähnlich wiebei Seifenblasen – eine Mini-

mierung und dadurch Glättungder Grenzfläche. Kleine Blasennehmen deshalb annäherndKugelform an, werden mitwachsendem Durchmesser zu-nehmend ellipsoid bis die Bla-sen schließlich eine regellose,zeitlich variable Form anneh-men.

In Kombination mit effizien-ten Rechentechniken und unterEinsatz paralleler Algorithmengelingt durch Verwendung derVOF-Methode eine numerischeBeschreibung der physikalisch-chemischen Vorgänge, die ohnevereinfachende Annahmen aus-kommt und alle auftretendenStrukturen erfasst. Man sprichtdann von einer Direkten Nume-rischen Simulation. Solche Be-rechnungen bestätigen zu-

nächst die experimentelle Be-obachtung, dass bereits einzel-ne Blasen hinsichtlich Form undBewegungsbahnen alles andereals langweilig sind: sie könnengeradlinig vertikal aber auchschräg aufsteigen, zick-zack-förmige Bahnen nehmen oderauf einer helikalen Kurve – wiebei einem DNA-Strang – auf-steigen. Gelegentlich bleibenBlasen sogar kurz stehen, bevorsie weiter aufsteigen – etwas,das nur im Zusammenspiel mitder Flüssigkeitsströmung zu er-klären ist. Bei ihrem Aufstiegstreifen größere Blasen an ihrerUnterseite regelmäßig Wirbelab, die eine Zeit lang in derFlüssigkeit weiter bestehen undzur Vermischung beitragen, bissie schließlich durch die innere

THEMEN 2/2007

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Reibung aufgezehrt werden;siehe Bild 3. All dies ist mathe-matisch noch nicht rigoros odernur in Ansätzen verstanden,kann aber mittels numerischerSimulationen eingehend unter-sucht werden. Dabei werdenlokale Informationen überDruck und Geschwindigkeitenim Umfeld und aus dem Inne-ren der Blase gewonnen, dieexperimentell überhaupt nichtzugänglich sind. Als Beispiel seider Vorzeichenwechsel der Auf-triebskraft genannt: Wenig ver-formte Blasen, die in einerScherströmung aufsteigen,wandern in die Richtung dergrößeren Geschwindigkeit. Dieskehrt sich bei stärker verform-ten Blasen unerwartet um,wofür es keine einfache Er-

Bild 3: Direkte Numerische Simulation des gemeinsamenAufstiegs zweier wobbelnderLuftblasen mit Wirbelabstrei-fung. Die Farbkodierung gibtden Betrag der Geschwindig-keit wieder.

Bild 4: Berechnete Druckfelderum eine asymmetrisch verform-te Blase bei Aufstieg in einemSchergeschwindigkeitsfeld.

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Grenzfläche ausgetauscht wirdund bilden damit eine wesentli-che Kenngröße zur Beurteilungder Effizienz des Kontaktappa-rates bei den zugrunde liegen-den Stoffdaten und Betriebsbe-dingungen. Die Rechnungenbestätigen die experimentellgestützte Vermutung, dass of-fene Blasenschleppen mit Ablö-sung von Wirbeln zu einer Ver-besserung des Stoffübergangsführen. Die in realen Systemenauftretenden chemischen Pro-zesse sind in der Regel sehrkomplex mit einer Vielzahl be-teiligter Spezies und ablaufen-der Reaktionen. Dabei sind diegewünschten Produkte oft Zwi-schenprodukte in einer ganzenKette chemischer Umwandlun-gen, das heißt gleichzeitig auf-

tretende Folgereaktionen lassendie gewünschten Substanzenzu unerwünschten Nebenpro-dukten weiter reagieren; sieheBild 5. Daher ist das Maß fürdie Güte solcher technisch-che-mischen Prozesse neben demUmsatz vor allem die Selekti-vität bezüglich des gewünsch-ten Produktes. Das längerfristi-ge Ziel dieser Forschungsarbei-ten ist daher die direkte nume-rische Berechnung von Selekti-vitäten lokal im Umfeld einzel-ner Gasblasen, um daraus Hin-weise für eine optimierte Pro-zess- und Reaktionsführung ab-zuleiten.

Diese Forschungsarbeitenfinden im Rahmen eines Paket-projektes in enger Kooperationmit dem Institut für Thermody-

namik der Luft- und Raumfahrtder Universität Stuttgart sowiemit experimentell arbeitendenGruppen statt. Zur numerischenSimulation wird der in Stuttgartentwickelte VOF-code FS3D(Free Surface 3D) eingesetzt,gemeinsam erweitert und wei-terentwickelt.

www.mathcces.rwth-aachen.de/doku.php

Autor: Univ.-Prof. Dr.rer.nat. DieterBothe ist Inhaber des Lehrstuhlsfür Mathematik und Stellvertre-tender Geschäftsführer des„Center for Computational En-gineering Science”, kurz CCES.

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klärung gibt. Tatsächlich zeigennumerische Berechnungen, dassnicht nur Druckkräfte aus-schlaggebend sind, sondernauch ein komplexes Zusam-menspiel zwischen asymmetri-scher Verformung und Scher-kräften; siehe Bild 4.

Durch Erweiterung derVOF-Methode um Transport-gleichungen für die Konzentra-tion chemischer Spezies ist auchdie Simulation des Stoffüber-gangs in Gas-Flüssig-Strömun-gen mit anschließender chemi-scher Reaktion möglich. Insbe-sondere erlaubt dies erstmalsdie numerische Berechnung sogenannter Stoffübergangskoef-fizienten. Letztere geben dieRate an, mit der eine chemi-sche Komponente über die

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Bild 5: Simulierte Konzentra-tionsfelder im Umfeld einerformdynamischen Luftblasemit komplexer chemischerReaktion. Die Übergangs-komponente A reagiert mit Bzum Produkt P, das wieder-um mit A zum NebenproduktQ weiterreagiert.

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Sven Groß, Arnold Reusken

urteilung von Modellkandida-ten zumeist einige Simulationendes neuen Modells mit demComputer durchgeführt unddann mit entsprechenden Mes-sungen aus einem realen Expe-riment durch „scharfes Hin-schauen“ miteinander vergli-chen. Der MEXA-Arbeitsprozesshingegen bringt die beiden Be-reiche der Simulation und Mes-sung durch die Formulierungund Lösung inverser Problemezusammen und ermöglicht soeine objektive Bewertung un-terschiedlicher Modellstruktu-ren. Bei der Lösung inverserProbleme wird aus Beobach-tungen auf die Ursachenzurückgeschlossen. Diese The-matik spielt auch eine zentraleRolle in der im Rahmen der Ex-zellenzinitiative gegründetenGraduiertenschule „Aachen In-stitute for Advanced Study inComputational EngineeringScience“, kurz AICES.

Eine Unteraufgabe dabei istdie numerische Simulation derbetrachteten Zweiphasensyste-me, welche in diesem Fall ausder Verfahrenstechnik stammen.Dies ist zum einen ein organischer

Einzeltropfen in einer mit Wasser durchströmten Messzel-le, an dem Stofftransport vonder organischen in die wässrigePhase untersucht werden soll,siehe Bild 1. Solche Einzeltrop-fensysteme werden am Lehr-stuhl für Thermische Verfah-renstechnik untersucht. Ein an-deres Beispiel ist ein Rieselfilm,an dessen Phasengrenze Wär-meaustausch von der Flüssig- indie Gasphase stattfindet. DieModellierung und Simulationvon Transportvorgängen imRieselfilm ist ein wichtiges For-schungsthema am Lehrstuhl fürWärme- und Stoffübertragung.

Numerische Simulation vonZweiphasenströmungenAus den Erhaltungssätzen fürMasse und Impuls in den bei-den Phasen erhält man die be-kannten Navier-Stokes-Glei-chungen mit einem zusätzli-chen Term auf der Phasengren-ze, der die Oberflächenspan-nung modelliert. Da die Pha-sengrenze mit der Strömungtransportiert wird, ist ihre Posi-tion eine unbekannte und zuberechnende Größe. Die inter-

Mathematik für Tropfenist alles andere als trocken

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DDie Simulation von Strömungenin einer Flüssigkeit oder einemGas ist durch die Fortschritteder Computertechnik und nu-merischen Methoden inzwi-schen zu einem zuverlässigenWerkzeug gewachsen, das ausden Entwicklungsabteilungen inder Industrie nicht mehr weg-zudenken ist. Anders hingegensieht es auf dem Gebiet vonMehrphasenströmungen aus,also zum Beispiel dem Aufstei-gen von Gas- oder Öltropfen inWasser. Hier sind die numeri-schen Verfahren noch nichtgenügend ausgereift, um sol-che Probleme standardmäßigzu lösen. Eine Herausforderungstellt beispielsweise die Verfol-gung der Phasengrenze dar, diedie beiden Phasen Öl/Wasseroder Luft/Wasser voneinandertrennt. Die Behandlung derOberflächenspannung ist einweiteres heikles Thema, das esin Zukunft zu lösen gilt.

Motiviert durch die Zusam-menarbeit mit Ingenieuren imRahmen des Sonderforschungs-bereiches „Modellgestützte ex-perimentelle Analyse kinetischerPhänomene in mehrphasigenfluiden Reaktionssystemen”wird am Lehrstuhl für Numeri-sche Mathematik Grundlagen-forschung in diesem Bereichbetrieben. Durch theoretischeUntersuchungen werden neueMethoden entwickelt und inein Software-Paket namensDROPS implementiert. DieTauglichkeit der Algorithmenmuss sich im Einsatz beweisen,wenn sie auf reale Zweiphasen-probleme der am Sonderfor-schungsbereich beteiligten In-genieure angewandt werden.Der Nutzen liegt dabei auf bei-den Seiten: Die Ingenieure kön-nen neue Erkenntnisse aus denSimulationen gewinnen, dieMathematiker wiederum Rück-schlüsse ziehen, welche nume-rischen Komponenten weitererVerbesserung bedürfen.

Im Rahmen des Sonderfor-schungsbereiches wird ein neuermethodischer Ansatz zur syste-matischen Modellierung kineti-scher Phänomene in Mehr-phasensystemen entwickelt, dieso genannte Modellbasierte Ex-perimentelle Analyse, kurzMEXA. Bislang werden zur Be-

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essanten Phänomene findengerade an der Phasengrenzestatt, daher ist es besonderswichtig, ihre Position möglichstgenau zu verfolgen.

Solche mathematischen Mo-delle können mit der Standard-Software nicht realistisch simu-liert werden, weil geeignete nume-rische Verfahren nicht zur Verfü-gung stehen. Die Entwicklungsolcher Verfahren sowie die Im-plementierung in das Program-mpaket DROPS ist ein Kernthe-ma am Lehrstuhl für Numeri-sche Mathematik. Bei der Im-plementierung ist die Paralleli-sierung ein wichtiger Aspekt.Die Entwicklung einer paralle-len Version des DROPS-Paketeswird in enger Zusammenarbeitmit dem Lehrstuhl für Informa-tik 12 (Hochleistungsrechnen)durchgeführt.

Numerische VerfahrenDie allgemeine Vorgehensweiseist in Bild 2 dargestellt. Auf ei-nem Ausgangsgitter werden diezu lösenden Differentialglei-chungen diskretisiert. Dazuwerden jedem Gitterpunkt Un-bekannte zugeordnet und da-

Bild 1: Einzeltropfen in einerMesszelle: links das reale Expe-riment, rechts die numerischeSimulation.

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mit das unendlichdimensionaleProblem auf ein endlichdimen-sionales zurückgeführt. Dabeientstehen große lineare Glei-chungssysteme mit bis zu meh-reren Millionen Unbekannten.Diese werden im nächstenSchritt mit iterativen Verfahrengelöst. Da die Lösungsverfah-ren typischerweise den Großteilder Rechenzeit ausmachen,liegt hier ein großes Potenzialzur Verbesserung von bekann-ten Methoden.

Die erhaltene Lösung kannnun mit Fehlerschätzern beur-teilt werden, um die Bereichezu lokalisieren, in denen dieGenauigkeit noch zu gering ist.Im Falle von Zweiphasenströ-mungen möchte man eine ho-he Auflösung an der Phasen-grenze erreichen, weil dort dieinteressanten Phänomene statt-finden. Das Gitter wird dann indiesem Bereich durch einen Git-terverfeinerungsalgorithmus lo-kal verfeinert. Bild 3 zeigt einsolches angepasstes Gitter rundum einen Tropfen.

Da das Gitter nicht überall,sondern nur lokal verfeinert ist,können viele Unbekannte und

damit Rechenzeit eingespartwerden. Gleichwohl kann dieverbleibende Rechenlast eineneinzelnen Computer schnellüberfordern, wenn eine hoheGitterauflösung erforderlich ist.Durch Parallelisierung muss dieRechenlast dann auf mehrereProzessoren verteilt werden.Aus diesem Grund wird DROPSzurzeit parallelisiert, um zukünf-tig die Rechen- und Speicher-kapazität des SunFire-Clustersam Rechen- und Kommunika-tionszentrum oder anderer Su-percomputer nutzen zu kön-nen. Dabei wird das Gitter aufdie verschiedenen Prozessorenverteilt, wie in Bild 4 zu sehenist.

AnwendungBei der Untersuchung des er-wähnten Einzeltropfens steigtder Tropfen aufgrund seinergeringeren Dichte im Gegen-strom des Wassers auf. Auf-grund der Verjüngung der inBild 1 dargestellten Messzellefindet er dabei eine Gleichge-wichtslage, in der er stehenbleibt und für Messungen zu-gänglich ist. Mit Hilfe von

Numerische Methoden zur Simulation von Zweiphasenströmungen

Bild 2: Adaptives Lösungsverfahren.

Bild 3: Lokal verfeinerte Gittererhöhen die Auflösung an derPhasengrenze.

Bild 4: Ein auf mehrere Prozessoren verteiltes Gitterder Messzelle. Jede Farbe stehtfür einen anderen Prozessor.

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NMR, kurz für Nuclear Magne-tic Resonance, wird am Lehr-stuhl für MakromolekulareChemie die Tropfenform undGeschwindigkeitsverteilung in-nerhalb des Tropfens gemes-sen. Zur Simulation dieserGleichgewichtslage wurden dienumerischen Methoden ausDROPS mit Erfolg auf diesesZweiphasensystem angewen-det. Ein Ergebnis ist in Bild 5dargestellt.

Als nächster Schritt sollauch der Stofftransport vomTropfen in die wässrige Phasesowie die Anlagerung von Stoffen auf der Phasengrenzemit DROPS simuliert werden.Die entsprechenden Gleichungenfür die Konzentration in denFluiden sowie auf der Phasen-grenze werden zurzeit imple-mentiert. Eine interessante Modellierungsfrage ist, wie dieKonzentrationsverteilung auf derPhasengrenze die Oberflächen-spannung beeinflusst. Die obenbeschriebene MEXA-Vorgehens-weise soll diese Frage beantwor-ten helfen – im Wechselspielvon NMR-Messung undDROPS-Simulation.

www.igpm.rwth-aachen.de/DROPS

Autoren:Dipl.-Math. Sven Groß ist Wis-senschaftlicher Mitarbeiter amLehrstuhl für Numerische Ma-thematik. Univ.-Prof. Dr.rer.nat. ArnoldReusken ist Inhaber des Lehr-stuhls für Numerische Mathe-matik.

Bild 5: DROPS-Simulation der Gleichgewichtslage desTropfens. Links die Tropfen-form, rechts das Geschwindig-keitsfeld.

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Bild 6: Wissenschaftler desLehrstuhls für Numerische Mathematik diskutieren die Ergebnisse einer numerischenSimulation eines aufsteigen-den Öltropfens in Wasser, die mit dem Paket DROPS berechnet wurden.Fotos: Peter Winandy

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Christian H. Bischof, H. Martin Bücker

Zum einen haben Computer-modelle meistens Modellpara-meter, die man mittels einerso genannten Parameterschät-zung anpassen muss, um zumBeispiel experimentelle Mes-sdaten bestmöglich zu repli-zieren und so die Gewissheitzu haben, dass beim Ändernvon durch den Nutzer beein-flussbaren Größen wie derGestalt der Schüssel oder derViskosität der Flüssigkeit dieVorhersage der Computersi-mulation gültig ist. Auch ist eswichtig herauszufinden, wel-che Modellparameter das Ver-halten des Computermodellsam meisten beeinflussen, oderob es Abhängigkeiten zwi-schen den Parametern gibt.Da man viele Parameter nichthundertprozentig genau messenkann, ist auch die Frage wichtig,wie das nächste Experiment ge-plant ist, um die Unsicherheit inden Modellparametern zu mini-mieren.

Verfahren zur Beantwor-tung dieser Fragestellungen be-ruhen wesentlich auf der Ver-fügbarkeit von Änderungsraten,die auch Ableitungen genanntwerden. Ableitungen beant-worten die Frage nach der Än-derung einer Größe bei Variati-on eines Parameters. Mathe-matisch ist die Ableitung einerFunktion f in Bezug auf einenParameter x definiert als derGrenzwert von (f(x+h)-f(x))/h,wobei die Schrittweite h gegenNull geht. Am Beispiel der mitWasser gefüllten, sich drehen-den Schüssel interessiert mansich zum Beispiel für den Ein-fluss eines Modellparameters,der die Turbulenz der Strömungim Kontext des so genanntenk-�-Turbulenzmodells be-schreibt. In mathematischerNotation wird hier die Ablei-tung , also die Änderungdes Geschwindigkeitsfeldes umit Variation des Turbulenzpara-meters C1� gesucht. Die Schwie-rigkeit besteht nun darin, dassdie Geschwindigkeit u nicht alsFormel in Abhängigkeit des Mo-dellparameters C1� darstellbar ist,sondern FLUENTTM nach Einga-be eines Wertes für den Turbu-lenzparameter C1� die resultie-rende Geschwindigkeit u be-rechnet. Numerisches Differen-

zieren bietet in diesem Falle dieMöglichkeit, die Ableitung

durch mehrfaches Auf-rufen des Programms FLUENTTM

mit leicht geänderten Wertenfür C1� zu berechnen. Aller-dings handelt es sich dabei ledig-lich um eine Approximation,deren Güte stark von der ge-wählten Perturbation in C1�-vergleichbar der Schrittweite h -abhängt und im besten Fall dieHälfte der signifikanten Ziffernder Vorwärtsrechnung als Ge-nauigkeit erreichen kann.Hier bieten Techniken des so

genannten Automatischen Diffe-renzierens Abhilfe. Dabei wirdein Computerprogramm durchein Transformationswerkzeug inein neues Computerprogrammtransformiert, das die gewünsch-ten Ableitungen berechnet. AmLehrstuhl für Informatik 12(Hochleistungsrechnen) werdenim Rahmen des Sonderfor-schungsbereichs „Modellge-stützte experimentelle Analysekinetischer Phänomene in mehr-phasigen fluiden Reaktionssys-temen“ Techniken des Automa-tischen Differenzierens ent-

WWie bewegt sich Wasser, wennman es in einer sich drehendenSchüssel herumschwenkt? Jedervon uns hat dieses „Experi-ment“ sicher schon einmal voll-zogen, ohne aber den Effektvon Änderungen im „Ver-suchsaufbau“ auf das Verhaltendes Wassers wirklich vorhersa-gen zu können. Eine solcheVorhersage erlauben beispiels-weise die Grundgleichungender Strömungsmechanik, dienach dem französischen Physi-ker Claude Navier (1785-1836)und dem irischen MathematikerGeorge Stokes (1819-1903)benannt sind. Diese Gleichun-gen beschreiben die Geschwin-digkeit einer Strömung und dieVerteilung des Drucks in Flüs-sigkeiten und Gasen.

Nach der Modellierung ei-nes zu untersuchenden Pro-blems müssen robuste und effi-ziente numerische Verfahrenzur Lösung der kontinuierlichenGleichungen gefunden werden.Hierzu wird mit einer so ge-nannten Diskretisierung die Lösung einer kontinuierlichenGleichung mit Hilfe einer end-lichdimensionalen Konstruktionapproximiert. Typische Vertretervon solchen Diskretisierungs-techniken sind zum Beispiel dieMethoden der finiten Elementeoder finiten Volumina sowie dieRandelement-Methode. Letzt-endlich entsteht schließlich un-ter Wahl von geeigneten Algo-rithmen und Datenstrukturensowie softwaretechnischen Um-setzungsstrategien ein Compu-termodell zur Berechnung vontechnisch-naturwissenschaftli-chen Vorgängen. Ein Beispiel istdas Softwarepaket FLUENTTM,das die Navier-Stokes-Gleichun-gen auf Basis der Methode derfiniten Volumina löst. Es be-steht aus einer Folge von etwa1,6 Millionen Zeilen von Befeh-len der ProgrammiersprachenFortran 77, Fortran 90 und C.Bild 1 zeigt in den ersten bei-den Spalten die Ergebnisse dernumerischen Simulation einerStrömung von Wasser und Luftin einer sich drehenden Schüs-sel mittels FLUENTTM.

Die im Allgemeinen rechtaufwändige Erstellung einesComputermodells ist aber typi-scherweise nur der erste Schritt.

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Welchen Einfluss besitzen Modellparameter?

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wickelt und angewendet. DasProgramm FLUENTTM konntemit dem Software-Werkzeugzum Automatischen Differen-zieren ADIFOR erfolgreich ineine „differenzierte Version“transformiert werden, die ausetwa 2,2 Millionen Programm-zeilen besteht. Die letzte Spaltein Bild 1 zeigt die so gewonnenenAbleitungen des Geschwindig-keitsfeldes nach dem Turbu-lenzparameter. Für den Zeit-punkt t=1.75 s erkennt man ander roten Farbe beispielsweisedeutlich, dass dieser Turbulenz-

parameter den größten Einflussauf die Geschwindigkeit imäußeren Schüsselbereich knappoberhalb der Wasseroberflächebesitzt.

Aus Sicht der Informatikhandelt es sich beim Automati-schen Differenzieren um eineProgrammtransformation. Bild2 stellt schematisch den Aufbaudes am Lehrstuhl für Informatik12 (Hochleistungsrechnen) ent-wickelten Werkzeugs ADiMatdar. Dieses Werkzeug imple-mentiert Automatisches Diffe-renzieren für Programme in der

Programmiersprache MATLAB,die besonders im technisch-wis-senschaftlichen Bereich breiteVerwendung findet. Ein gege-benes MATLAB-Programm wirdvon ADiMat unter Einbezie-hung von gewissen Verarbei-tungsparametern zunächst ein-gelesen, in eine interne Reprä-sentation umgewandelt unddann analysiert, wobei zusätzli-che Datenstrukturen angelegtwerden, um diese Informationzu speichern. Auf Basis dieserstrukturierten Darstellung desProgramms werden gewisse

Programmkonstrukte umge-schrieben, welche für dieanschließend folgende Ablei-tungsberechnung problema-tisch wären. In diesem Kern-schritt wird die Kettenregel derDifferentialrechnung auf dieseinterne Repräsentation ange-wendet, wobei über eine Da-tenbasis die Ableitungsregelnfür Elementarfunktionen vonMATLAB, zum Beispiel Lösunglinearer Gleichungssysteme, zurVerfügung gestellt werden.Nach einer Optimierung wirdschließlich ein neues MATLAB-

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Bewertung und Auslegung von Computermodellen durch Automatisches Differenzieren

Bild 1: Ergebnisse der numeri-schen Simulation von Wasserund Luft in einer rotierendenSchüssel zu den Zeitpunktent=0.75 s (oben) und t=1.75 s(unten). Die Spalten zeigen

(links) den Volumenanteil mitder Farbcodierung blau fürWasser und weiß für Luft. Diemittlere Spalte zeigt die Strö-mungsgeschwindigkeit, dierechte Spalte die Sensitivität

der Strömungsgeschwindigkeitbezüglich eines Modellparame-ters mit jeweils der Farbkodie-rung rot für hohe und blau fürniedrige Werte.

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von Parallelismus in den gene-rierten Programmen, da paral-lele Programme aufgrund desnachhaltigen Trends zu Parallel-architekturen, zum Beispiel mitso genannten multi-core Chips,zukünftig eher die Regel als dieAusnahme sein werden. Ab-schließend sei eine Anwendungdes Automatischen Differenzie-rens in der Medizininformatikerwähnt. Magnetoenzephalo-graphie ist ein nicht-invasivesVerfahren zur Messung desMagnetfeldes, das durch dieneuronale Aktivität desmenschlichen Gehirns verur-sacht wird. Die sehr präzisenMessungen werden durch Sen-soren vorgenommen, die an ei-nem helmartigen Körper ange-bracht sind. Ziel der neurologi-

Univ.-Prof. Christian H. Bischof,Ph.D., ist Inhaber des Lehrstuhls für Informatik 12 (Hochleistungsrechnen) undLeiter des Rechen- und Kommunikationszentrums. Privatdozent Dr.-Ing. H. Martin Bücker ist Akademischer Oberrat am Lehrstuhl für Informatik 12 (Hochleistungsrechnen).

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Programm mit der Funktiona-lität der Ableitungsberechnungerzeugt.

Die Kettenregel ist assozia-tiv und erlaubt bei einem nicht-trivialen Code viele möglicheAnwendungsszenarien, die sichnicht im berechneten Ergebnis,wohl aber im hierfür benötigtenRechen- und Speicherbedarfunterscheiden. Algorithmen,welche unter Einbeziehung vonInformation über den zugrun-deliegenden Quellcode hiergute Transformationsstrategienberechnen, sind mit eines derKernstücke von Werkzeugendes Automatischen Differenzie-rens. Aktuelle Forschungsarbei-ten befassen sich mit der Trans-formation von parallelen Pro-grammen und der Ausnutzung

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schen Untersuchungen ist es,diejenigen Hirnregionen inner-halb des Kopfes zu bestimmen,die ein Magnetfeld außerhalbdes Kopfes verursachen. Aus derbeobachteten Wirkung, demMagnetfeld im Außenraum desKopfes, wird auf dessen Ursache,der neuronalen Aktivität im In-nenraum des Kopfes, zurückge-schlossen und abnorme Aktivitä-ten, die zum Beispiel durch einenHirntumor verursacht werden,identifiziert. Bild 3 zeigt die akku-rate Lokalisation von neuronalerAktivität mit Hilfe der BESATM-Software unter Einbeziehung vonmittels Automatischen Differen-zierens berechneten Gradienten.

www.sc.rwth-aachen.de

Autoren:

Bild 2: Schematischer Aufbaudes Software-Werkzeugs ADiMat zum automatischenDifferenzieren von MATLAB-Progammen.

Bild 3: Lokalisation abnormerHirnaktivitäten.

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ELeif Kobbelt

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Eine der wichtigsten Vorausset-zungen für die zuverlässige undeffiziente numerische Simulati-on beispielsweise von Strö-mungs- oder Deformationspro-zessen ist die Verfügbarkeit vonqualitativ hochwertigen 3-D-Modellen. Durch die ständigsteigende Leistungsfähigkeitder Berechnungsalgorithmensowohl auf der Hardware- alsauch auf der Software-Ebenekönnen dabei immer detaillier-tere 3-D-Modelle eingesetztwerden. Während aber heutzu-tage die eigentliche Simulati-onsrechnung weitgehend auto-matisiert ist, müssen bei der Er-zeugung von digitalen 3-D-Modellen immer noch vieleSchritte manuell durchgeführtwerden. Dies führt zu Anwen-dungsszenarien, in denen fürdie Vor- und Nachbereitung derSimulation mehr (Kosten-) Auf-wand betrieben werden mussals für die eigentliche Berech-nung.

Die geometrischen Rohda-ten für die Generierung von 3-D-Modellen stammen typi-scherweise aus CAD-Systemenoder sie resultieren aus der di-rekten Vermessung von realenObjekten, beispielsweise mittels3-D-Laserscanner oder medizi-nischer Bildgebung. In jedemFall werden sie zunächst in einemathematische Flächen-Reprä-sentation konvertiert, die sichbesonders gut für Simulations-berechnungen eignet. DieseRepräsentation besteht aus ei-ner großen Zahl kleiner Drei-ecke oder Vierecke, mit deneneine gegebene Oberfläche be-liebig genau angenähert wer-den kann. Der Vorteil dieserRepräsentation als Polygon-Netz besteht darin, dass selbstextrem komplexe Formen wieeine Auto-Karosserie oder einmenschliches Gehirn durch sehreinfache Elemente im Rahmender vorgegebenen Genauig-keitsanforderungen dargestelltwerden können. Steigende An-forderungen können durch eineerhöhte Anzahl von Polygonenbefriedigt werden, ohne dassder Rechenaufwand überpro-portional wächst. 3-D-Modellemit einer Million Polygone undmehr sind in heutigen Anwen-dungen keine Seltenheit.

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Während die einfache Um-wandlung der Rohdaten in einPolygon-Netz in der Regel kei-ne großen Schwierigkeiten be-reitet, liegt die Problematik dar-in, bestimmte vorgegebeneQualitätsanforderungen zu er-füllen. Diese Anforderungen be-ziehen sich beispielsweise aufdie Form der einzelnen Polygo-ne, möglichst gleichseitig oderrechteckig, auf die Anordnungund Ausrichtung der Polygonesowie auf die Konsistenz derDaten, keine Löcher oder Selbst-durchdringungen.

Die Konsistenz eines Poly-gon-Netzes ist notwendig, da-mit das Netz überhaupt ein ge-schlossenes Objekt mit einerwohldefinierten Innen- undAußenseite beschreibt. Obwohldie Forderung nach Konsistenz

offensichtlich ist, erfüllen diemeisten geometrischen Modellediese Eigenschaft zunächstnicht. Die Gründe hierfür liegenin Rechenungenauigkeiten bei-spielsweise bei Schnittberech-nungen oder im Auftreten vonMessungenauigkeiten. NeuereMethoden zur „Reparatur” vonPolygon-Netzen, das heißt Me-thoden zur Herstellung der Kon-sistenz, greifen auf so genanntevolumetrische Darstellungenzurück. Hierbei wird der Raumin kleine Zellen, die Voxel, un-terteilt. Auf der Basis einer Reihevon geometrischen Regeln wirddann für jede Zelle bestimmt, obsie im Inneren oder außerhalbdes Objektes liegt. Aus der Vo-xel-Darstellung kann an-schließend ein konsistentes Poly-gon-Netz extrahiert werden.

Geometrieverarbeitung für die numerische Simulation

Bild 1: Digitales 3-D-Modelleiner Karlsbüste mit etwa 1,5Millionen Dreiecken.

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Nachdem die Konsistenz si-chergestellt ist, können weitereOptimierungsalgorithmen an-gewendet werden, um dieQualität der einzelnen Polygo-ne zu verbessern. Hierbei sindzum Beispiel Dreiecke mitschlechtem Seitenverhältnisoder großen Innenwinkeln zueliminieren, da diese zu schlechtkonditionierten Berechnungenführen.

Über die geometrischeQualität einzelner Polygonehinaus ist deren Orientierungund Anordnung wichtig für dieGesamtqualität des 3-D-Mo-dells. Hierbei kommt zum Tra-gen, dass durch die richtige An-ordnung der Polygone bei glei-cher Anzahl von Elementen ei-ne deutlich verbesserte Appro-ximation erreicht werden kann.

Dieser Effekt basiert zum einendarauf, dass durch eine adapti-ve Vernetzung in flachen Berei-chen der Geometrie relativgroße Polygone eine hinrei-chend gute Approximation lie-fern und dadurch Elemente ein-gespart werden können. Zumanderen können scharfe Kanteneines Objektes nur dann kor-rekt abgebildet werden, wennsie exakt mit den Kanten zwi-schen den Polygonen zusam-menfallen.

Um alle diese Verarbei-tungsschritte zu automatisieren,sind Algorithmen notwendig,die die geometrische Strukturdes Eingabemodells analysierenund die Vernetzung entspre-chend steuern. Unter dem Be-griff der „diskreten Differential-geometrie” sind in den letzten

Bild 2: 2-D-Beispiel der Modell-Reparatur: Ausgehendvon einer inkonsistenten Beschreibung (a) wird ein volumetrisches (Voxel-) Modellerzeugt (b), das jedem Voxeleinen Status „innen”, „außen”oder „Oberfläche” zuordnet.Aus dem Voxel-Modell wirddann wieder ein konsistentesPolygon-Netz extrahiert.(c)

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Bild 3: Beispiel eines 3-D-Modells vor (links) und nach (rechts) der Reparatur.

Bild 4: Für die uniforme Ver-netzung (links) wird nur dieForm der einzelnen Dreieckeoptimiert. Bei der adaptivenVernetzung (Mitte) wird dieGröße der Dreiecke an die lo-kale Oberflächenkrümmungangepasst. Zur Erhaltung schar-fer Kanten müssen die Polygo-ne an den Objektkanten ausge-richtet werden (rechts).

(a) (b) (c)

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Bild 5: Aus den Rohdaten(links) können optimierte Poly-gon-Netze erzeugt werden, in-dem die Form einzelner Ele-mente verbessert wird (Mitte).Durch Ausrichtung der Poly-gonkanten an den Krümmungs-richtungen entstehen Netze, dieoptimal an die Struktur der zu-grunde liegenden Geometrieangepasst sind (rechts).

Bild 6: Durch Analyse der Ein-gabegeometrie (a) kann eineSegmentierung in verschiedeneZusammenhangskomponentenberechnet werden (b). Auf derBasis dieser Struktur wird dieVernetzung gesteuert (c), wo-durch man bereits mit sehr wenigen Polygonen eine guteAnnäherung an die Originalda-ten erhält (d).

Jahren innovative Methodenentwickelt worden, die es er-lauben, geometrische Konzeptewie Krümmungen oder Haupt-krümmungsrichtungen auf Po-lygon-Netze zu übertragen. Mitder so gewonnenen Informati-on kann die Größe der Polygo-ne an die lokale Krümmung an-gepasst werden und die Orien-tierung der Polygonkanten andie Krümmungsrichtungen.

Soll die Simulation zur For-moptimierung eingesetzt wer-den, zum Beispiel zur Optimie-rung des Luftwiderstandes,müssen verschiedene Variantender Eingabegeometrie mitein-ander verglichen werden. Inden meisten Anwendungenmüssen diese Varianten explizitmodelliert werden und dann je-de für sich gemäß der obigenProzedur in ein Polygon-Netzkonvertiert werden. Um die Ef-fizienz und die Flexibilität einesSimulationssystems zu steigern,werden daher Verfahrenbenötigt, mit denen Form-Vari-anten direkt aus einer Polygon-Repräsentation generiert wer-den können. Darüber hinaussollten diese Varianten idealer-weise direkt durch die Simulati-on gesteuert werden, um einensimulationsgetriebenen Opti-mierungsprozess zu realisieren.Die Problematik liegt hierbeidarin, die Anzahl der Freiheits-grade effektiv zu reduzieren,um „sinnvolle” Modifikationendes Eingabemodells mit wenigenParametern zu kontrollieren.Hierfür hat sich das „BoundaryConstraint Multiresolution Modeling“ etabliert, bei demdas Biegeverhalten einer dünnenelastischen Platte imitiert wird,um die Eingabegeometrie zudeformieren. Die globale De-formation wird dabei so be-rechnet, dass die lokalen Detailsder Geometrie erhalten bleiben.

(a) (b)

(c) (d)

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Ähnlich einer Frequenzanalyseerreicht man dies, indem mandas 3-D-Modell in die globaleForm (= niedrige Frequenzen)und die lokalen Details (= hoheFrequenzen) zerlegt und danndie einzelnen Frequenzbänderseparat modifiziert.

Mit den beschriebenen Ver-fahren zur Erzeugung, Repara-tur, Optimierung und Deforma-tion von Polygon-Netzen lässtsich ein kompletter Workflowzur Analyse und Optimierungvon komplexen Bauteilen reali-sieren, der keine weitere kos-ten- und zeitintensive Konver-tierung zwischen verschiedenenGeometrie-Repräsentationenerfordert. Hierdurch lässt sichder Automatisierungsgrad unddamit auch die Effizienz bei dersimulationsgestützten Entwick-lung deutlich erhöhen.

Während in den heute eta-blierten Entwicklungsabläufenimmer noch eine strenge Tren-nung zwischen Design (woNURBS-Darstellungen der Stan-dard sind) und Simulation (woPolygon-Netze der Standardsind) vorherrscht, könnenzukünftig rein polygonbasierteSysteme eingesetzt werden.Mit diesen Systemen könnenfast alle Phasen der industriel-len Entwicklung integriert wer-den: vom Konzept-Design,über Reverse Engineering unddie Analyse von Bauteil-Varian-ten durch Simulation bis hinzum Rapid Prototyping.

http://www-i8.informatik.rwth-aachen.de/

Autor:Univ.-Prof. Dr.rer.nat. Leif Kobbelt ist Inhaber desLehrstuhls für Informatik 8(Computergraphik und Multimedia).

Bild 7: In diesem Beispiel wird dieMotorhaube eines Fahrzeuges mo-difiziert. Das 3-D-Modell bestehtaus weit über 100.000 Dreiecken.Mit den grünen Regionen an derFront und den Radkästen wird dieDeformation kontrolliert. Pro Be-reich ergeben sich sieben Parame-ter (3 x Translation, 3 x Rotation,1 x Skalierung). Der blaue Bereichder Oberfläche verformt sich ent-sprechend der Bewegung der grü-nen Bereiche (boundary constraints)und verhält sich dabei wie eineelastische Gummi-Haut. Dadurchergibt sich eine natürliche Defor-mation, bei der die geometrischenDetails erhalten bleiben.

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Rainhill Freitas, Stephan Klumpp, Daniel König, Matthias Meinke,Peter Renze, Wolfgang Schröder

Ihre Schuppen weisen kleineRillen in Längsrichtung auf, de-ren Breite nur wenige zehntelMillimeter beträgt. Seit Beginnder 80er Jahre des letzten Jahr-hunderts werden Auswirkungendieser so genannten „Riblets”strömungsmechanisch unter-sucht. Es hat sich herausge-stellt, dass eine Widerstandsre-duzierung durch eine solcheOberfläche möglich ist, falls dieBreite der Rillen ein gewisses,vom jeweiligen Anwendungsfallabhängiges Maß unterschreitet.Die Erklärung dafür, ist in derStruktur der Strömung über ei-

ne Körperoberfläche zu finden.Bewegt sich ein Körper durchWasser, Luft oder ein anderesFluid wird er entweder laminaroder turbulent umströmt. Beinahezu allen technischen An-wendungen oder über der Hautdes Hais stellt sich eine turbu-lente Strömung ein. Turbulentbedeutet dabei, dass sich in derStrömung viele unregelmäßigeWirbel bilden, die den Rei-bungswiderstand der Ober-fläche erhöhen. In Bild 1 sinddiese Wirbel über einer Ribleto-berfläche dargestellt. DieseWirbel haben einen vom jewei-

ligen Strömungszustand abhän-gigen typischen Durchmesser.Ist die Breite der Rillen kleinerals dieser Durchmesser, könnendie Wirbel nicht in die Rilleneindringen, wie in Bild 2 deut-lich zu erkennen ist. Die Tälerder Rillen kommen somit nichtmit den Wirbeln in Kontakt,was zu einer Widerstandsredu-zierung führt. Bisher ist es auf-grund der nötigen kleinen Di-mensionen der Rillen nichtmöglich gewesen, diesen Effekttechnisch zu nutzen. Lediglicheinige Prototypen wurden ver-wirklicht, wie beispielsweise ein

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DDas Aerodynamische Institut,kurz AIA, beschäftigt sich seitJahrzehnten mit der Entwicklungund Anwendung numerischer Lösungsverfahren zur Simulationund Analyse von Strömungs-problemen. Zu den verschiede-nen Vorteilen der Simulationgegenüber dem Experimentgehören die geringeren Kostenund die Möglichkeit, Zuständezu simulieren, die im Experimentschwierig oder gar nicht erfasstwerden könnten. Der Ablauf einer numerischen Simulationbeginnt mit der Definition derphysikalischen Problemstellungund der Auswahl eines geeignetenmathematischen Modells. Da im Allgemeinen eine analy-tische Lösung dieser Gleichun-gen nicht möglich ist, wird eineiterative Lösung an diskretenPunkten im betrachteten Strö-mungsgebiet nötig. In Berei-chen, in denen sich die Strö-mungsgrößen, wie Dichte, Ge-schwindigkeit und Energie, rä-umlich stark ändern, ist einehöhere Punktdichte zur Auflö-sung der Strömung erforderlich.Dies führt in vielen Fällen zu ei-ner sehr großen Anzahl vonPunkten, was mit einem hohenRechenaufwand verbunden ist.Durch Parallelisierung lässt sichdieser Aufwand auf mehrereProzessoren verteilen, wodurchdie Gesamtrechenzeit reduziertwird.

Im Folgenden wird eineAuswahl der am AIA bearbeite-ten Projekte vorgestellt, die,wenn nicht anders erwähnt,von der Deutschen Forschungs-gemeinschaft gefördert werden.Die ersten drei Vorhaben be-schäftigen sich mit der Wider-standsreduzierung durch Ober-flächenstrukturierung und derVerringerung des Tragflächen-und Triebwerkslärms, währenddas vierte Projekt auf Anwen-dungen in der Biofluidmechanikeingeht.

BionikDie Idee der gezielten Struktu-rierung von Oberflächen mitdem Ziel der Reduzierung desStrömungswiderstandes stammtaus Beobachtungen von Haien.Diese perfekt an ihren Lebens-raum angepassten Schwimmerhaben keine glatte Oberfläche.

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Numerische Strömungssimulation in Natur und Technik

Bild 1: Wirbelstrukturen über einer Ribletoberfläche.

Bild 2: Einzelner Wirbel über einer Ribletoberfläche.

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mit einer Spezialfolie beklebtesPassagierflugzeug, was aberaufgrund der kurzen Lebens-dauer der Folie und dem zu-sätzlichen Gewicht enormeNachteile mit sich bringt. In ei-nem von der Volkswagenstif-tung geförderten Projekt ist esdaher das Ziel, dieses Verfahrenzur Widerstandsreduzierunggemeinsam mit dem Laborato-rium für Werkzeugmaschinenund Betriebslehre, kurz WZL,und dem Institut für BildsameFormgebung, kurz IBF, zur An-wendungsreife zu bringen. Da-bei ist es Aufgabe des AIA mit-

tels Strömungssimulationen eine möglichst widerstandsre-duzierende und trotzdem nochfertigbare Ribletgeometrie zuermitteln, mit der die Ober-fläche der jeweiligen Bauteilevom IBF und vom WZL mit spe-ziell entwickelten Fertigungsver-fahren strukturiert wird. Damitwäre es beispielsweise möglich,bei Passagierflugzeugen eineenorme Treibstoffeinsparung inder Größenordnung von etwadrei Prozent und somit natür-lich auch eine Verminderungdes Ausstoßes von CO2 undStickoxiden zu erreichen.

Reduzierung von TragflächenlärmDer Auftrieb eines Flugzeugsdefiniert sich im Wesentlichenaus der Fluggeschwindigkeitund der Flügelgeometrie.Während der Landephase wirdder Auftriebsverlust aufgrundder relativ niedrigen Geschwin-digkeit durch Änderung derTragflächenform kompensiert.Diese Anpassung erfolgt durchAusfahren von Vorflügeln undHinterkantenklappen. Nachteiligdaran ist allerdings, dass dieseHochauftriebskomponenten einestarke Lärmquelle darstellen.

Während des Landeanflugsverursachen sie den gleichenGeräuschpegel wie die Trieb-werke. Die Ursache dafür liegtin der vermehrten Bildung tur-bulenter Strömungsstrukturen,siehe Bilder 3 und 4, die durchdie Interaktion untereinander,die Wechselwirkung mit derFlugzeugoberfläche und beimÜbergang von der überström-ten Körperoberfläche in dieNachlaufströmung Schall erzeu-gen. Für das Design geräusch-armer Hochauftriebselementefolgt daraus, dass eine fundier-te Kenntnis des instationären

Bild 3: Wirbelstrukturen um den Tragflügel.

Bild 4: Wirbelstrukturen in derNähe der Tragflügeloberfläche und im Spaltbereich zwischen Vor- und Hauptflügel.

Am Aerodynamischen Institut werden Methoden für die Berechnung technischer und medizinischer Strömungen entwickelt

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Strömungsfeldes erforderlichist. Aus diesem Grund wird amAIA im Rahmen eines von derDeutschen Forschungsgemein-schaft geförderten Projekts dieStrömung um eine Tragfläche,bestehend aus Vor- und Haupt-flügel simuliert. Damit auch derEinfluss der kleineren Struktu-ren auf die Schallemission er-fasst wird, muss das Rechenge-biet ausreichend hoch aufgelöstwerden. Dies führt auf eine Ge-samtpunktanzahl von 55 Millio-nen, was wiederum einen enor-men Rechenaufwand bedeutet,der durch Parallelisierung aufviele Prozessoren verteilt wird.Bild 3 zeigt die turbulentenStrukturen im Vorflügelbereichanhand einer Momentaufnah-me. Durch Optimierung derFlügelgeometrie kann das Strö-mungsfeld so beeinflusst wer-den, dass möglichst wenigLärm entsteht. Dabei ist zu be-achten, dass dies zu keiner Ver-schlechterung des Auftriebsver-haltens führt. Die Optimierungbenötigt eine hohe Anzahl anSimulationen, was mit einemgewaltigen Rechenaufwandverbunden ist. Aus diesemGrund arbeitet das AIA an der

Entwicklung numerischer Ver-fahren, die es ermöglichen, mitdeutlich geringerem Aufwand,aber ausreichender Genauig-keit, Strömungen zu berech-nen. Die Entstehung und Aus-breitung des Schalls wird ausden instationären Strömungs-felddaten ermittelt. Zu deroben beschriebenen Simulationzeigt Bild 5 das Schallfeld an-hand von Druckfluktuationen.Deutlich erkennbar ist die Do-minanz des im Vorflügelbereichentstehenden Lärms.

Numerische Simulation von Triebwerkslärm Im Rahmen des von der EU ge-förderten Projektes CoJeN, kurzfür Coaxial Jet Noise, sollenneue Simulationsmethoden fürdie Luftfahrtindustrie entwickeltund validiert werden, die es er-lauben, den Lärm von Strahl-triebwerken zu berechnen. Diegewonnenen Erkenntnisse sollen genutzt werden, um dieEntstehung des Strahltrieb-werkslärms besser zu verstehenund Wege zu finden, wie mandiesen Lärm reduzieren kann.Die Untersuchungen beinhaltendie Identifikation und die

Verbesserung der dazu geeig-neten CFD-Methoden, kurz fürComputational Fluid Dynamics-Methoden, zur Vorhersage desStrömungsfeldes, das sich hin-ter einem koaxialen Triebwerkvon beliebiger Geometrie ein-stellt. Zusätzlich sollen aeroakus-tische Lösungsverfahren ent-wickelt werden, die basierendauf den Strömungsdaten dasentstehende akustische Feldberechnen können. Die typischeTriebwerkstrahlkonfiguration istin Bild 6 dargestellt. Bild 7 vi-sualisiert die Wirbelstrukturenin einem turbulenten Trieb-werkstrahl. Die Farbverteilungentspricht der Temperaturver-teilung.

Biofluidmechanik Neben einer Vielzahl von nu-merischen Grundlagenuntersu-chungen und Simulationen fürindustrielle Anwendungen be-schäftigt sich das AIA auch mitbiofluidmechanischen Proble-men, wie sie zum Beispiel in derMedizintechnik auftreten. EinSchwerpunkt liegt dabei auf dernumerischen Simulation derDurchströmung der menschli-chen Atemwege. Deren Ver-

Bild 5: Schallfeld des umströmten Tragflügels.

Bild 6: Typische Triebwerksstrahlkonfiguration.

Bild 7: Wirbelstruktur innerhalb eines Treibwerksstrahls.

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ständnis liefert eine neue Di-mension an Erkenntnissen beieiner Vielzahl von medizini-schen Fragestellungen. Als Bei-spiel sei hier die Strömungdurch die Nase genannt, dieGegenstand einer von derDeutschen Forschungsgemein-schaft geförderten Kooperationzwischen dem Rechen- undKommunikationszentrum, derKlinik für Radiologische Dia-gnostik, dem AIA sowie demInstitut für Medizinische Statistik,Informatik und Epidemiologieder Universität zu Köln ist. DieNase ist ein multifunktionalesOrgan, das heißt sie ist nichtnur für den Atemlufttransportund das Riechen zuständig,sondern auch für die richtigeTemperierung, Befeuchtungund Reinigung der Atemluft.Zur Erfüllung dieser Funktionenbesitzt die Nase eine komplexegeometrische Beschaffenheit,was extrem komplizierte Luft-strömungen zur Folge hat.Für eine numerische Simulationdieser Luftströmungen werdenzunächst die exakten geometri-schen Informationen einer Nasebenötigt. Die hierfür erforderli-chen Daten liefert eine Compu-

tertomographie, kurz CT. Siedienen als Grundlage zur Erstel-lung eines für die Simulationgeeigneten Rechengitters. Diegenaue Abbildung der Nasen-geometrie führt dabei zu sehrfeinen Gittern und langen Re-chenzeiten, wodurch der Spei-cher- und Rechenaufwand derSimulation eine Größenordnungannimmt, die nur durch dieKombination moderner Höchst-leistungsrechner und fortschritt-licher numerischer Methodenbewältigt werden kann. Als Re-sultat erhält man ein genauesAbbild des zeitlichen und räum-lichen Verlaufs der Luftströ-mung in der Nase, wie in denBildern 8 und 9 dargestellt. Alleeingesetzten Methoden, dasheißt die Erzeugung von Ober-flächendaten aus CT-Scans, dieautomatische Generierung vonGittern für die numerische Si-mulation und die eigentlichenBerechnungsalgorithmen, sindaktuelle Forschungsgebiete undein Resultat der numerischenForschung am AIA.

Die gewonnenen Ergebnisseliefern Medizinern nicht nur ei-ne neue Grundlage für die Un-tersuchung und Ursache ver-

schiedener Atemwegserkran-kungen, sondern erlauben esbeispielsweise, den Einflussoperativer Veränderungen ander Nase zu beurteilen, ohnediesen Eingriff tatsächlichdurchzuführen. Die Anwen-dung der beschriebenen Me-thoden ist natürlich nicht aufdie Nase beschränkt, sondernkann in Zusammenhang mitzahlreichen biofluidmechani-schen Fragestellungen desmenschlichen Körpers genutztwerden.

www.aia.rwth-aachen.de

Autoren:Dipl.-Ing Rainhill Freitas, Dipl.-Ing. Stephan Klumpp, Dipl.-Ing. Daniel König,Dipl.-Ing. Matthias Meinke undDipl.-Ing. Peter Renze sindWissenschaftliche Mitarbeiteram Aerodynamischen Institut.Univ.-Prof. Dr.-Ing. WolfgangSchröder leitet das Aerodyna-mische Institut.

Bild 8: Nasengeometrie aus CT-Daten.

Bild 9: Stromlinien in der Nase.

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Christian Bischof

Hochleistungsrechnen und VisualisierungMöglichkeiten für die computer-gestützte Wissenschaft über den Arbeitsplatzrechner hinaus

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NNeben der Modellbildung unddem Experiment hat sich dieComputersimulation zum drit-ten Standbein der Wissenschaftentwickelt. Dies bedeutet auch,dass der wissenschaftlichenProgrammentwicklung unddem Einsatz dieser Möglichkei-ten in einer geeigneten Hard-ware-Umgebung sowie demVerständnis der Rechenergeb-nisse eine Schlüsselrolle beidem wissenschaftlichen Er-kenntnisgewinn durch Simulati-on Science zukommt. Vor die-sem Hintergrund arbeitet dasRechen- und Kommunikations-zentrum darauf hin, durch ent-sprechende infrastrukturelleMaßnahmen in Bezug auf The-men wie High-PerformanceComputing, immersive Visuali-sierung, Netzanbindung undSpeicherung großer Datenmen-gen die Institute in die Lage zuversetzen, ihre Anwendungenüber die Grenzen des Desktop-Rechners hinaus zu skalieren.

Hierzu unterstützt das Re-chen- und Kommunikations-zentrum Anwender auch mitder Entwicklung von Softwarezur Visualisierung wissenschaft-licher Daten, bietet Kurse anund berät zur Parallelisierungund Leistungsverbesserung vonProgrammen. Weiter liefert esKnow-how in Bezug auf dieNutzung von räumlich verteil-ten Ressourcen wie Computer,Datenbanken oder experimen-telle Gerätschaften in so ge-nannten Grid-Umgebungen.Gerade diese methodischenUnterstützungsaktivitäten spie-len eine große Rolle bei der Si-cherung der wissenschaftlichenWettbewerbsfähigkeit derRWTH Aachen, da diesesKnow-how den Studierendenund Mitarbeitern im Rahmeneiner universitären Ausbildungtypischerweise nicht vermitteltwird. Andererseits werden aberin Zukunft so gut wie alle Pro-gramme sowohl parallel alsauch verteilt organisiert seinund die Entwicklungszeit vonSoftwaresystemen die Standzeitvon Rechnern im Allgemeinenweit überschreiten.

Paralleles RechnenDie Bereitstellung von Rechen-kapazitäten gehörte immerschon zu den Kernaufgaben ei-nes „Rechenzentrums“, mit

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Hochleistungsrechnern als tra-ditionelle Flagschiffe der loka-len Infrastruktur. Hochlei-stungsrechner sind aber nichtmehr singuläre Installationen,sondern die Spitze einer „Rech-nerpyramide“, die von den Ar-beitsplatzrechnern über Lehr-stuhl-Cluster, in der Regel vonder Größe eines Computer-Schrankes, bis hin zu Hochlei-stungsrechnern reicht. Ein Bei-spiel hierfür ist der aktuelle Clu-ster der RWTH Aachen vonSun Microsystems, der insge-samt 1.900 Prozessorkerne be-inhaltet und eine aggregierteLeistung von 5,5 TFlops sowie3,5 TByte Hauptspeicher zurVerfügung stellt. Die Spitze die-ser Pyramide bilden die Höchst-leistungsrechner an den Bun-deszentren, wie beispielsweisedie massiv parallele IBM BlueGene Installation des For-schungszentrums Jülich.

Eine Konsequenz dieser Py-ramide ist, dass die Durchgän-gigkeit der Software-Nutzungfür die Programmentwickler ei-ne immer größere Rolle spielt,da ein Programm auf mehrerendieser Ebenen gleichzeitig zurAnwendung kommt. Deshalbwird der Großteil des Clustersauch unter Solaris, der Unix-Variante von Sun, betrieben.Diese ermöglicht zum Beispieleine unproblematische Portie-rung von Linux, enthält aberfür die Nutzung großer Parallel-systeme eine erweiterte Funk-tionalität, wie bei der Verwal-tung von parallelen Jobs. Sosetzen aktuell im Schnitt proMonat circa 200 Nutzer denParallelcluster im so genanntenbatch-modus ein, der Jobs jenach Ressourcenanforderungenbestmöglich auf die zur Verfü-gung stehende Hardware ver-teilt. Darüber hinaus ist aberauch Windows als Rechen-Plattform im Kommen. Aktuellnutzen 20 Institute im Batch-Betrieb diese Plattform. Paral-lelsysteme basierend auf Stan-dard-Chips können für mehrereBetriebssysteme genutzt wer-den, was die Flexibilität der An-wendung erhöht. So ist zumBeispiel der in Bild 1 gezeigteCluster der Firma Sun Microsy-stems, der auf AMD OpteronProzessoren basiert, unter Li-nux, Solaris und Windows imEinsatz.

Die flächendeckende Ver-fügbarkeit von so genanntenmulti-core Chips, das heißtRechnern, bei denen mehrere

Rechnerkerne, oder auch cores,eng integriert auf einen ge-meinsamen Speicher zugreifen,macht paralleles Rechnen mitt-lerweile zu einer Notwendig-keit, will man nicht riskieren,dass die Programmleistung ab-nimmt. Viele Hersteller senkennämlich die Taktraten ihrer Sy-steme, um die Betriebstempera-tur der Rechner zu mindern,und realisieren Leistungssteige-rungen durch mehrere Rech-nerkerne auf einem Chip. Fürsolche Shared Memory Multi-processing Systeme, kurz SMP,bietet sich OpenMP als paralle-le Programmiermethodik an, daman die Parallelisierung durchdas Einfügen von Direktiven inden Code erreicht, die dannvon einem entsprechendenCompiler interpretiert werden.So kann man Programmeschrittweise unter Beibehaltungeines zugrunde liegendenQuellcodes parallelisieren. Beigrößeren Systemen ohne ge-meinsamen Speicher muss manCodes allerdings so strukturie-ren, dass die Daten auf Prozes-soren aufgeteilt werden unddiese durch den Austausch vonBotschaften, im Englischen„message passing“, die paralle-le Programmbearbeitung reali-sieren. Hierfür wird dann die sogenannte Message Passing In-terface Bibliothek, kurz MPI,benutzt. Das Rechen- undKommunikationszentrum bietetregelmäßig Kurse zur Program-mparallelisierung an, wobei ei-ne besondere Expertise im Be-reich OpenMP entwickelt wur-de, da sich hiermit der oft un-vermeidbare Umstieg von derseriellen auf die parallele Pro-grammierung am einfachstenrealisieren lässt.

Immersive VisualisierungVon dem amerikanischen Ma-thematiker Richard Hammingstammt der Ausspruch: „Thepurpose of computing is insi-ght, not numbers“. Es geht alsoum mehr als nur Zahlen undmittlerweile ist die Nutzung derVirtuellen Realität, kurz VR, ei-ne sehr mächtige Technologie,um den Erkenntnisgewinn ausgroßen Simulationsrechnungenzu fördern. VR wird charakteri-siert durch die Einbeziehungdes Nutzers in die simulierteWelt, die Navigation und Mani-pulation in dieser Welt in Echt-zeit, sowie durch intuitive drei-dimensionale und multimodale,also visuelle, akustische und

taktile, Interaktionsmöglichkei-ten. Insofern ist VR eine inno-vative Mensch-MaschineSchnittstelle, die über Compu-tergraphik bei weitem hinausgeht. Im Virtual Reality CenterAachen, kurz VRCA, das von42 Instituten der RWTH Aa-chen, zehn Firmen und vier ex-ternen Forschungsinstitutionenmitgetragen wird, werden diemethodischen Grundlagen so-wie Anwendungsszenarien vonVR vorangetrieben. Die im Vir-tual Reality Labor installierten,großen Rückprojektionssysteme,insbesondere die so genannteCAVE, erlauben eine interaktiveUntersuchung komplexer tech-nisch-naturwissenschaftlicherZusammenhänge. Anwen-dungsbeispiele reichen von dervirtuellen Begehung geplanterProduktionssysteme, wie Bild 2am Beispiel einer Gießwalzan-lage der Firma SMS Demag AGzeigt, bis hin zur Analyse kom-plexer Strömungsphänomene,was Bild 3 mit der Simulationder Luftströmung durch diemenschliche Nase verdeutlicht.Die CAVE-Rechner sind auchmit dem Hochleistungsrechnerüber ein schnelles Netzwerk ge-koppelt, so dass diese zum Bei-spiel bei der Berechnung vonStromlinien in turbulenten Strö-mungen eingesetzt werdenkönnen, um die Interaktivitätder Darstellung zu ermöglichen.Der am Rechen- und Kommu-nikationszentrum entwickelteVR-Toolkit ViSTA, kurz für Vir-tual Reality for Scientific Tech-nical Applications, integriertviele VR-Algorithmen unterNutzung von community stan-dards und bietet vielfältige Ein-satzmöglichkeiten auf VR-Dis-plays vom Bildschirm bis hin zurCAVE unter vielen gängigenBetriebssystemen. Insofern istdie CAVE auch kein „weißerElefant“, sondern die Spitze ei-ner breit angelegten Palettevon Displaysystemen, die allemit der gleichen Software be-trieben werden können.

Kein Rechner ist eine Insel Die Computersimulation erfor-dert oft große Datenmengen,entweder wenn komplexe Si-mulationsrechnungen viel Out-put generieren oder wenn Er-gebnisse von langen Versuchs-reihen als Input von so genann-ten Assimilationsrechnungenbenötigt werden, wo Compu-termodelle durch Abgleich mitExperimentalergebnissen kali-

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briert werden, um dann alsVorhersageinstrument oder De-signwerkzeug zu dienen. Umgroße Datensätze langfristig zuspeichern, bietet das Rechen-und Kommunikationszentrumein Archiv mit einer Kapazitätvon mehreren hundert TBytean, das auch von Wissenschaft-lern anderer UniversitätenNordrhein-Westfalens genutztwerden kann, wie übrigens 20Prozent der Kapazität des Aa-chener Hochleistungsrechnersdiesen Nutzern offen steht. DieNutzung dieser Ressourcen ge-schieht für den Anwender sehrkomfortabel im Kontext desRessourcenverbundes NRW,kurz RV-NRW, einer Ressour-cen-Kooperative der univer-sitären Rechenzentren in NRW.In diesem Rahmen können sicheingetragene Nutzer über eineSelf-Service Nutzerverwaltung

Dienste selbst frei schalten.Diese Ressourcen sind zum Teilauch im Rahmen von Grid-Pro-jekten nutzbar. So ist beispiels-weise geplant, einen Teil desArchivs in das CMS-Grid zurVerarbeitung von Experimental-daten des neuen Beschleunigersam CERN einzubringen. AlsPartner des vom Forschungs-zentrum Jülich im Rahmen desD-Grid Projektes verantworte-ten Prototyp-Grids wird ein Teildes Aachener Hochleistungs-rechners eingebracht. Mit die-sen Mitteln lassen sich auchüber mehrere geographischeStandorte verteilt anspruchsvol-le wissenschaftliche Workflowsrealisieren.

Die RWTH ist in Bezug aufdie Anbindung an das Wissen-schaftsnetz mit aktuell zehnGBit/sec Bandbreite und un-limitierter Nutzungskapazität

Top-Nutzer in der DeutschenWissenschaftslandschaft. DieseGeschwindigkeit ist circa 2.000Mal so schnell wie die upstre-am-Rate typischer DSL-Verbin-dungen. Eine dedizierte Glasfa-ser-Infrastruktur auf dem Cam-pus sowie zum Forschungszen-trum Jülich und den Universitä-ten Bonn und Köln sowie zurFraunhofer-Gesellschaft in St.Augustin sorgt für herausra-gende Verbindungsmöglichkei-ten auf dem Campus und zuausgewählten Partnern.

ZusammenfassungSimulation Science braucht eineumfassende Infrastruktur, umihr wissenschaftliches Potenzialzu erreichen. Die RWTH Aa-chen hat über viele Jahre indiesen Bereich investiert, um si-cherzustellen, dass die Wissen-schaftler und Wissenschaftlerin-

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Bild 3: Interaktive Verfolgung von Strömungsvorgängen in der menschlichen Nase.

Bild 1: Paralleles V40z Rechencluster der Firma Sun Microsystems.

Bild 2: Virtuelle Darstellung einer Gießwalzanlage in derCAVE.

nen nicht durch Ressource-nengpässe in ihrem Potenzialbeschränkt werden und eine imuniversitären Umfeld einzigarti-ge infrastrukturelle Landschaftgeschaffen. Gerade in Zeitenverstärkten universitären Wett-bewerbs um die besten Köpfeist dies ein nicht zu vernachläs-sigendes Standortmerkmal.

www.rz.rwth-aachen.de

Autor:Univ.-Prof. Christian Bischof,Ph.D. ist Inhaber des LehrstuhlsInformatik 12 (Hochleistungs-rechnen) und Leiter des Rechen-und Kommunikationszentrums.

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Heiko Briesen, Norbert Kail,

Wolfgang Marquardt

gewinnen, erfordert einen auf-wändigen verfahrenstechnischenProzess. Man müsste eine klei-ne Menge an Zuckerkristallenin die süße Lösung einbringenund nun langsam und unterständigem Rühren die Tempe-ratur absenken. Dies würde da-zu führen, dass die eingebrach-ten Zuckerkristalle langsam an-fangen zu wachsen. Einen solchen Prozess nennt man Lösungskristallisation. Für zusüß geratenen Kaffee lohnt sichso ein Prozess natürlich nicht,wohl aber für pharmazeutischeWirkstoffe.

In der Lösungskristallisationeines solchen Wirkstoffs ist dieReinheit sowie die Form- undGrößenverteilung der Kristalleentscheidend für die Produkt-qualität. Zu große Kristalle kön-nen nur schwer in eine Tablettegepresst werden, zu kleine las-sen sich nur mit großer Mühevon der Lösung trennen. Einähnliches Problem kennt man

bei der Benutzung eines Salz-streuers: Sind die darin enthal-tenen Kristalle zu groß, so kön-nen die Löcher im Deckel ver-stopfen. Kleine Kristallfragmen-te hingegen hängen oft an denWänden des Salzstreuers fest.Um die Produktqualität im Hin-blick auf die Kristallgröße ge-währleisten zu können, solltediese während des Kristallisati-onsvorgangs direkt in der Sus-pension - einer Mischung ausFeststoff und Flüssigkeit - ge-messen werden. Eine solcheMessung ist sehr anspruchsvoll,da die Kristalle ständig in Be-wegung sind und sich einigeHundert gleichzeitig innerhalbeines Kubikmillimeters aufhal-ten können.

Die MesstechnikEine optische Messtechnik, diein der Lage ist, direkt währendeines Kristallisationsvorgangsdie Größe der Partikel zu ver-messen, ist die Focused Beam

Reflectance Measurement, kurzFBRM, wie in Bild 1 dargestellt.Eine FBRM-Sonde funktioniertprinzipiell ganz ähnlich wie eineScannerkasse im Supermarkt,die einen Stichcode aus hellenund dunklen Streifen identifi-ziert. Die Scannerkasse nutztdabei den Effekt, dass schwarzePartien eines Strichcodes imGegensatz zu hellen kaum Lichtreflektieren. Die FBRM benutztebenfalls einen Laserstrahl, derallerdings aus Platzgründen ei-ne Rotationsbewegung im Me-dium ausführt. Wird ein Partikelvon diesem Laserstrahl getrof-fen, streut Licht in die Sondezurück.

Das ProblemAus der Dauer des Lichtimpul-ses und der Rotationsgeschwin-digkeit des Laserstrahls kann ei-ne Sehnenlänge auf dem Parti-kel errechnet werden. DieserWert gibt leider noch nicht dieexakte Größe eines Kristalls

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HHaben Sie sich schon einmalgefragt, warum Sie bedenken-los eine Schmerztablette neh-men und beim gleichen Pro-dukt immer die gleiche Wir-kung erwarten können? DieseSicherheit garantiert Ihnen einerigorose Qualitätskontrolle beider Tablettenherstellung. Heutewird standardmäßig nach je-dem Produktionsschritt eineEndkontrolle durchgeführt.Auch wenn dieses Vorgehenschon ein sehr hohes Maß anSicherheit bietet, so kann dieProduktionssicherheit durch ei-ne lückenlose Kontrollewährend des Produktionspro-zesses weiter gesteigert wer-den. Dies soll in Zukunft durchden Einsatz spezieller Mess-technik direkt im laufendenProzess gewährleistet werden.Am Lehrstuhl für Prozesstech-nik werden mathematischeModellierung und Simulationzur Verbesserung einer solchenMesstechnik eingesetzt.

Partikelgröße als QualitätsmerkmalEine Aspirintablette besteht bei-spielsweise zum größten Teilaus Füllstoffen und Bindemit-teln wie Milchzucker oderMaisstärke, und zu einem weit-aus kleineren Teil aus dem ei-gentlichen Wirkstoff Acetylsa-licylsäure. In jeder Tablettemuss eine genau definierteMenge dieses Wirkstoffs ent-halten sein. Da dieser möglichstrein und in fester Form vorlie-gen sollte, wird er nach derchemischen Synthese in einerso genannten Lösungskristalli-sation gewonnen. Die Umkeh-rung der Lösungskristallisation,also das Lösen von Kristallen,kennt jeder, der seinen Kaffeegerne mit Zucker trinkt. Schüt-tet man einen Löffel Zucker ineine Kaffeetasse und rührt um,so lösen sich nach einigen Mi-nuten alle Kristalle auf. Gibtman noch weitere Löffel dazu,so bleibt irgendwann ein RestZucker unten in der Tassezurück. Das Kaffeewasser istnun gesättigt, es kann keinweiterer Zucker mehr gelöstwerden. Dieser Auflösungspro-zess ist einfach. Ihn aber umzu-kehren, und den Zucker ausdem Kaffeewasser zurück zu

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Lückenlose Qualitätskontrolle bei der Medikamentenherstellung

Wie Messtechnik und Simulation den Alltag sicherer machen

Bild 1: Links ist der Aufbau des Messgeräts dargestellt. Das Messprinzip beruht auf der Rückstreuung von Laser-licht. Eine Längenmessung istmöglich, da die Rotationsge-schwindigkeit des Laserstrahls

genau geregelt ist. Das Mess-gerät kann nur Sehnen auf denKristallen messen. Diese Seh-nenlängen hängen oft starkvon der Orientierung des Parti-kels relativ zum Weg des La-serstrahls ab.

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Bild 2: Eine lückenlose Qualitätskontrolle bei der Wirkstoffherstellung in der pharmazeutischen Industrie ist das Ziel der Online-Charakterisierung von Kristallen.Foto: Peter Winandy

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Ort des Einschlags den Standortder Kanone zu berechnen, umein Vielfaches schwieriger.Nun zurück zum Problem derMessung von Partikeln mit Hil-fe einer FBRM-Sonde. In derRealität kann man nicht davonausgehen, dass jedes Partikeleinzeln gemessen wird. Eskommt zwangsläufig zu Über-lappungen. Unterschreitet derAbstand zwischen zwei Parti-keln einen Minimalwert, sowerden diese zwei fälschlicher-weise als ein größeres wahrge-nommen. Zusätzlich dazu be-wegen sich alle Partikel relativzur Sonde, so dass diese ausSicht des Messgeräts ver-schmiert wahrgenommen wer-den. Diese Effekte sorgen dafür,dass eine gemessene Sehnen-länge in einer charakteristischenWeise verfälscht wird, waszwar im Modell berücksichtigtwerden kann, aber gravierendeFolgen für die Lösung des in-versen Problems beinhaltet.Für Partikel einer einheitlichenGröße können Sehnenlängen

Das mathematische ModellIm Gegensatz zu einem Strich-code auf Verpackungen hängtdie Lichtrückstreuung einer Par-tikeloberfläche von ihrer Trans-parenz, Oberflächenrauigkeitund Orientierung relativ zumPfad des Laserstrahls ab.Außerdem sind die zu messen-den Partikel um ein Vielfacheskleiner als die Balken einesStrichcodes, deshalb hängt dieLichtstreuung zusätzlich nochvon der Form des Laserstrahlsab. Alle diese Faktoren müssenin einem Modell berücksichtigtwerden. Die simulierte Lichtrück-streuung eines einzelnen Kristallszeigt Bild 3.

In einer realen Messungwerden viele Tausend Partikelvom Laserstrahl überstrichenund die entsprechenden Seh-nenlängen gemessen. Um einesolche Messung zu simulieren,müssen daher einige TausendPartikel stochastisch, das heißtzufallsabhängig im Raum ver-teilt werden, ohne sich dabei zudurchdringen. Eine derartige Si-

mulation kann nur sinnvoll ein-gesetzt werden, wenn die Re-chenzeit zur Auswertung einesFeldes mit 100.000 Partikelnnur wenige Sekunden beträgt. Ein mathematisches Modell,das alle diese Faktoren berück-sichtigt, wurde am Lehrstuhl fürProzesstechnik entwickelt. MitHilfe dieses Modells ist es nunmöglich, eine Messung vonSehnenlängen zu simulieren,nicht aber aus einer realenMessung Partikelgrößen zu er-rechnen. Die Lösung eines sol-chen „inversen“ Problems ist umein Vielfaches schwieriger als dieSimulation einer Messung.

Die Realität: Ein „schlecht gestelltes, inverses Problem“Den Begriff eines „inversen“Problems kann man gut durchfolgendes Beispiel verdeutli-chen: Nach dem Abschuss einerKanonenkugel ist es relativ ein-fach zu berechnen, wo die Ku-gel einschlagen wird. Umge-kehrt ist die Lösung des „inver-sen“ Problems, also aus dem

wieder. Je nach Orientierungkönnen für ein einziges Parti-kel unterschiedlich lange Seh-nenlängen gemessen werden,wie in Bild 1 dargestellt. DieGröße eines Partikels lässt sichalso nicht direkt mit einerFBRM-Sonde messen.

Die ComputersimulationUm aus dem Messsignal derFBRM-Sonde indirekt Partikel-größen bestimmen zu können,muss zunächst die Physik derMessung im Detail verstandenwerden. Dazu kann man eineComputersimulation verwen-den. Eine solche Simulationstellt dabei ein virtuelles Expe-riment dar, in dem die physi-kalischen Abläufe einer realenMessung mit Hilfe eines ma-thematischen Modells imComputer nachgebildet wer-den. Ein gutes Modell zeichnetsich dadurch aus, dass die Er-gebnisse der Simulation mitdenen des Experiments untergleichen Randbedingungenübereinstimmen.

Bild 3: Im oberen Diagramm istdas Oberflächenmodell einesKristalls abgebildet. Der Laser-strahl des Messgeräts läuft indiesem Beispiel quer über denKristall. Die Lichtintensität, diedabei ins Messgerät zurückre-flektiert wird, ist stark von derOrientierung der Kristallober-fläche abhängig. Im unterenBild ist die simulierte Lichtin-tensität, die das Messgerätempfangen würde, dargestellt.

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im gesamten Messbereich ge-messen werden. Ändert sich diePartikelgröße, so ändern sichdie gemessenen Sehnenlängenin einem wesentlich geringerenMaß. Umgekehrt können klei-ne, zufällige Änderungen inden gemessenen Sehnenlängeneine große Änderung der Parti-kelgröße suggerieren. In derFachsprache bezeichnet manein solches Problem als„schlecht gestellt“.

Expertise gefragtAllgemein sind inverse Proble-me, die aus vielen Fragestellun-gen in der Physik, der Wirt-schaft und der Technik resultie-ren, leider sehr häufig solche„schlecht gestellten Probleme“.Ihre Lösung erfordert immerausgeklügelte mathematischeMethoden. Bei vielen Alltags-problemen zögert man deshalbheute noch, inverse Problemeüberhaupt zu formulieren undmathematische Lösungen anzu-gehen. Am Lehrstuhl für Pro-zesstechnik wird seit nunmehr

fünfzehn Jahren in allen Gebie-ten der Verfahrenstechnik ander Aufstellung und der Lösunginverser Probleme geforscht,um die Produktionssicherheit,den Prozessentwurf, den Betriebvon technischen Anlagen und dieAuswertung von Messdaten imLabor zu verbessern.

Beispiel MilchzuckerKommen wir noch einmal zumAnfangsproblem und der Her-stellung von pharmazeutischenWirkstoffen zurück. Aus Sicher-heits- und Kostengründen ist esim akademischen Umfeld nichtüblich, mit pharmazeutisch ak-tiven Substanzen zu arbeiten.Deshalb wurden die Studien zurRekonstruktion von Partikel-größen mit Milchzucker durch-geführt. Milchzucker wird inder Pharmaindustrie sehr oft alsFüllstoff verwendet, ist unge-fährlich und wird wie vieleWirkstoffe in einer Lösungs-kristallisation gewonnen, sieheauch Bild 3. Die Kristalle desMilchzuckers sind sehr spröde,

so dass sie sich zwar gut verar-beiten lassen, aber sichwährend des Kristallisationspro-zesses leicht abreiben. In einernachfolgenden Filtration zurGewinnung reinen Milchzuckers,sorgen diese Abriebsfragmentefür lange Filtrationszeiten und denRückhalt von Verunreinigungenim Produkt und damit zu hohenProduktionskosten. Ein optimalerKristallisationsprozess sollte des-halb dafür sorgen, dass möglichstwenig Abrieb und möglichstgroße Kristalle entstehen.

Bestimmung der PartikelgrößenEine Suspension aus kleinenAbriebspartikeln und großenKristallen wurde angesetzt undvermessen. Die gemessenenSehnenlängen deuten dabeinicht direkt auf die Präsenz vonkleinen Partikeln hin. Die Re-konstruktion der Partikelgrößendurch Lösung des inversenMessproblems zeigt hingegenklar die massive Präsenz vonkleinen Partikeln und damit die

geringe Qualität des Produkts,Bild 4. Wie in diesem Beispielgezeigt, kann die Kopplungvon ausgeklügelten mathemati-schen Methoden und speziellerMesstechnik die Qualität vonPharmazeutika überwachenund damit verbessern.

www.avt.rwth-aachen.de

Autoren:Dipl.-Ing. Norbert Kail ist Wissenschaftlicher Angestellteram Lehrstuhl für Prozesstechnik.Dr.-Ing. Heiko Briesen war Oberingenieur am Lehrstuhl für Prozesstechnik.Univ.-Prof. Dr.-Ing. WolfgangMarquardt leitet den Lehrstuhlfür Prozesstechnik.

Bild 4: Links sind Mikroskop-aufnahmen von einzelnenMilchzuckerkristallen zu se-hen, die an Kuchenstücke erin-nern. Rechts oben sind die vonder speziellen Technik gemes-senen Sehnen in blau darge-stellt. Die Grafik darunter zeigt

die daraus errechneten Parti-kelgrößen. Man sieht deutlich,dass ein sehr hoher Anteil derKristalle im Bereich von 20µmliegt. Für eine einfache Weiter-verarbeitung sind diese Kristal-le zu klein. Die Qualität desProdukts ist daher niedrig.

Rechts oben ist zur Kontrolledie Simulation der errechnetenPartikelgrößen aufgrund dergemessenen Sehnenlängeneingezeichnet. Beide Kurven,die Messung und die Simulati-on, zeigen sehr ähnliche Er-gebnisse.

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Bild 5: Verfahrenstechnisches Know-how ist erforderlich, damit ein Kristallisationspro-zess solche regelmäßigen Kristalle liefern kann. AmLehrstuhl für Prozesstechnikwird an der Überwachung von Kristallisationsprozessengeforscht, die Abweichungenvon der gewünschten Kristallgröße online detektiert.Foto: Peter Winandy

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Christian Bischof, Felix Wolf

bei deren Verwendung sichgerne Fehler einschleichen. Insbesondere auf sehr großenSystemen mit zehntausendenvon Prozessoren ist die Erstel-lung korrekter und effizienterProgramme extrem schwierigund zeitraubend. Auf Grundder technologischen Randbe-dingungen und zur Stillung desstetig wachsenden Bedarfs nachnoch mehr Rechenleistung zur Durchführung noch feinerer und längerer Simulatio-nen, wachsen die Prozessoran-zahlen dennoch in rasantemTempo weiter. Die Multicore-Revolution, wodurch mehr stattnoch schnellere Prozessorenzum Einsatz kommen, um ins-besondere den Energiever-brauch nicht noch weiter zusteigern, wirkt hierbei als Kata-lysator. Das Problem trägt denNamen Skalierbarkeit, womitdie Fähigkeit eines Programmsgemeint ist, auf einer großenMenge von Prozessoren effizi-ent arbeiten zu können. Skalier-barkeit wird allerdings nicht nurvon den Simulations-Codesselbst, sondern auch von denSoftwarewerkzeugen erwartet,die Wissenschaftler einsetzen,um ihre Programme zu analy-sieren und zu verbessern. Oft-mals sind die Werkzeuge abernicht in der Lage, die dabei an-fallenden enormen Datenmen-gen zu verarbeiten. Mal sinddie Verarbeitungszeiten zulang, so dass beispielsweise in-teraktives Arbeiten unmöglichwird, die Größe der Anzeigenreicht nicht aus, um dem Pro-grammierer sinnvolle Auskunftüber das Programmverhaltenzu geben, oder unzureichenderSpeicherplatz verhindert dieVerarbeitung völlig.

Dieser Problematik widmetsich seit etwa einem halbenJahr eine neue Kooperation mitdem Forschungszentrum Jülich,der Technischen UniversitätDresden, der University ofTennessee in Knoxville und derRWTH Aachen: Das VirtuelleInstitut High-Productivity Su-percomputing, kurz VI-HPS. Eswurde vom ForschungszentrumJülich initiiert und erhält Förder-mittel aus dem „Impuls undVernetzungsfonds“ der Helm-holtz-Gemeinschaft DeutscherForschungszentren. VI-HPS hat

sich zum Ziel gesetzt, die Qua-lität von komplexen Simulati-ons-Codes aus Wissenschaftund Technik zu verbessern undihren Entwicklungsprozess zubeschleunigen. Die vier Institu-tionen entwickeln modernsteintegrierte Programmierwerk-zeuge für Höchstleistungsrech-ner, die die Programmierer da-bei unterstützen sollen, Pro-grammfehler zu identifizierenund das Leistungsverhalten zuoptimieren. Den Schwerpunktbilden dabei Skalierbarkeit undeinfache Handhabung derWerkzeuge auf extrem großenRechnersystemen.

Dabei setzten die Partnerauf Technologien, die sie selbstim Rahmen langjähriger Projek-te entwickelt haben. Im Vorder-grund steht die Analyse vonKommunikationsmustern an-hand von Ereignisspuren, diedie Programmausführung inkleinsten Schritten protokollie-ren und die Aufdeckung vonineffizientem Verhalten erlau-ben. Ebenso sollen Central Pro-cessing Unit-interne Leistungs-indikatoren, so genannte Hard-ware-Zähler, bei der Diagnosevon Leistungsengpässen behilf-lich sein. Die Fehlererkennungzielt vorwiegend auf die inkor-rekte Benutzung von Kommuni-kationsmechanismen. Insgesamterhoffen sich die Partner, durcheine beschleunigte und qualitativverbesserte Programmoptimie-rung und Fehlerbehebung so-wohl den Entwicklungsprozesszu verkürzen als auch die späterbenötigte Rechenzeit zu mini-mieren. Das spart Kosten undsteigert gleichzeitig das Potenzialder Simulations-Programme, diedurch verbesserte Performanzund Skalierbarkeit auch an-spruchsvollere Ergebnisse hervor-bringen können. Um diese Visi-on möglichst effektiv umzuset-zen, sollen die im Rahmen desvirtuellen Instituts entwickeltenWerkzeuge den Endbenutzerndurch geeignete Trainings- undUnterstützungsangebote nähergebracht werden.

Virtuelle Institute sind einbewährtes Förderinstrumentder Helmholtz-Gemeinschaft.Helmholtz-Zentren und Univer-sitäten nutzen dieses Instru-ment zur Bündelung von For-schungskompetenzen, um da-

Produktivität versus Performanz in der Simulation

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Werden auf der Welt neueHöchstleistungsrechner ein-geweiht, so gibt man deren Leistung meistens in FLOPS, alsoFloating-Points, beziehungswei-se Gleitkomma-Operationenpro Sekunde, an. Aufgrund desbereits seit Jahrzehnten anhal-tenden exponentiellen Wachs-tums der Prozessorleistung –beschrieben und auch bekanntals Mooresches Gesetz – ver-folgt die Fachwelt heute ge-spannt die Ankündigungen er-ster Petaflop-Architekturen, dieschon bald mit mehr als einerBilliarde Rechenoperationen proSekunde bei der Suche nachLösungen für die dringendstenProbleme unserer Gesellschaftwie zum Beispiel dem Klima-schutz und der nachhaltigenEnergieversorgung neue Impul-se liefern werden. Am For-schungszentrum Jülich, demPartner der RWTH in der JülichAachen Research Alliance, kurzJARA, ist die Installation einerderart leistungsfähigen Maschi-ne für das Jahr 2009 geplant. Trotz beeindruckender Zahlenbleibt die effiziente Nutzungvon Höchstleistungsrechnerneine Herausforderung. In einerjüngeren Studie, die 2007 Leo-nid Oliker und seine Kollegenvom Lawrence Berkeley Natio-nal Laboratory in den USA vor-legten, wurde ein Spektrumvon Codes auf verschiedenenSystemen der Spitzenklasse un-tersucht. Dabei lag der Anteilder tatsächlich durch eine An-wendung erreichten Leistungim Vergleich zur theoretischenSpitzenleistung in der Mehrzahlder Fälle unter 20 Prozent. Ins-besondere bei der gleichzeiti-gen Nutzung einer hohen Zahlvon Prozessoren, beispielsweisemehr als tausend, ist auch einAnteil von weniger als zehnProzent keine Seltenheit. Die Produktivität eines Simula-tionsvorhabens, gemessen ander Zeit, die man zur Lösungdes zugrunde liegenden wis-senschaftlichen Problemsbenötigt, hängt allerdings nichtallein von der verwendetenHardware und deren optimalemGebrauch ab. Vielmehr ist derLösungsweg ein hochkomple-xer Prozess, der eine Vielzahlhauptsächlich von Menschendurchgeführter Schritte beinhal-

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tet: die Modellierung des zu si-mulierenden Sachverhalts, dieAuswahl geeigneter parallelerAlgorithmen, deren Implemen-tierung in einer Programmier-sprache, das Finden und Behe-ben von Fehlern, die Optimie-rung des Leistungsverhaltensund schließlich nach der Aus-führung des Programms aufdem Rechner die Analyse derErgebnisse. Freilich ist dieseswasserfallartige Modell des Lö-sungsprozesses eine sehr grobeVereinfachung. Oft kommt eszu Rückgriffen auf vorangehen-de Stufen, zum Beispiel wennsich Zwischenergebnisse als un-zureichend erweisen. Am Endeerfolgt nicht selten eine Verfei-nerung des ursprünglichen Mo-dells, wodurch sich der Kreisschließt und der Vorgang vonneuem beginnt.

Es bleibt festzuhalten, dassdie Produktivität und damit dieKosten von der Dauer all dieserSchritte abhängen. Versuche,den Prozess zu optimieren,müssen daher auch alle Teilakti-vitäten berücksichtigen. So ge-staltet sich die Programmierungder komplizierten hochparalle-len Systeme als ausgesprochenschwierig. Während im Bereichder betriebswirtschaftlichenSoftware die Komplexität derAnwendungen hinter hoch ent-wickelten Programmierumge-bungen verborgen bleibt, sta-gniert der Fortschritt in der Pro-grammiermethodik von Höchst-leistungsrechnern seit Jahrzehn-ten. Grund dafür ist das eng-maschige Zusammenspiel zwi-schen Hard- und Software. Somuss der Entwickler eines par-allelen Simulations-Codes in derRegel beides sein: Ein Expertein seiner Fachdisziplin, der diebesten Lösungsansätze für dasjeweilige wissenschaftliche Pro-blem findet, als auch ein Com-puterspezialist, der das System,für welches der Code entwor-fen wird, genau versteht unddessen Stärken optimal ein-setzt. Und das ist gar nicht soeinfach, da der Zugriff auf dieRessourcen eines hochparalle-len Rechners mit Hilfe zum Teilwenig intuitiver und umständ-lich zu erlernender Program-mierschnittstellen erfolgt, derenLeistungsverhalten häufigÜberraschungen bereithält und

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durch Kooperationen von inter-nationaler Bedeutung in denzentralen Forschungsbereichenzu fördern. Insgesamt fügt sichdas VI-HPS nahtlos ein in dielangfristige Kooperation unddie gemeinsamen Initiativenzwischen der RWTH Aachenund dem ForschungszentrumJülich im Bereich SimulationScience und Supercomputing.Die Helmholtz-Nachwuchs-gruppe in Jülich ist gleichzeitigMitglied der GraduiertenschuleAachen Institute for AdvancedStudy in Computational En-gineering Sciences, kurz AICES,die der RWTH Aachen im Rah-men der deutschen Exzellenzi-nitiative bewilligt wurde, umqualifizierten Studierenden imBereich Computational En-gineering Science die Promoti-on zu ermöglichen. Die von der

RWTH Aachen und dem For-schungszentrum Jülich gemein-sam geplante German ResearchSchool for Simulation Sciences,kurz GRS, wird begabten Stu-dierenden durch das Graduier-tenprogramm ComputationalScience and Engineering unddurch den Bezug zum Hochleis-tungsrechnen spannende Aus-bildungsmöglichkeiten bieten.Schließlich wird die bisher schonintensive Zusammenarbeit zwi-schen beiden Organisationendurch die Jülich Aachen ResearchAlliance, kurz JARA, weiter ver-tieft und strategisch ausgerichtet.

THEMEN 2/2007

Am Virtuellen Institut High-Pro-ductivity Supercomputing, VI-HPS, sind beteiligt:

Forschungszentrum Jülich gemeinsam mit der RWTH Aachen: Helmholtz-Nachwuchs-gruppe Leistungsanalyse paralle-ler Programmewww.fz-juelich.de/zam/helmholtz-group/

RWTH Aachen: Lehrstuhl fürInformatik 12 (Hochleistungs-rechnen) und das Rechen- und Kommunikationszentrumwww.sc.rwth-aachen.de

Technische Universität Dresden: Zentrum für Informa-tionsdienste und Hochleistungs-rechnen (ZIH)www. tu-dresden.de/zih

University of Tennessee, Knoxville, USA: Innovative Computing Laboratory (ICL)www.icl.cs.utk.edu

www.vi-hps.org

Autoren:Univ.-Prof. Christian Bischof,Ph.D., ist Inhaber des Lehr-stuhls Informatik 12 (Hochleis-tungsrechnen), Leiter des Re-chen- und Kommunikations-zentrums und StellvertretenderSprecher des Virtuellen InstitutsHigh-Productivity Supercompu-ting. Prof. Dr.rer.nat. Felix Wolf istJuniorprofessor für Leistungs-analyse paralleler Programme,Nachwuchsgruppenleiter amForschungszentrum Jülich undSprecher des Virtuellen InstitutsHigh-Productivity Supercompu-ting.

IhrWeiterbildungspartner (auch nachdem Erststudium) ZwW e.V. (FH Köln) mitaktuellenWeiterbildungsangeboten, z.B.:

Berufsbegleitendes Weiterbildungsstudium: Fachplaner/in undBauleiter/in Brandschutz; Brandschutzkoordinator/inEin berufsbegleitendes zweisemestriges Weiterbildungsstudiumfür die Bereiche Architektur, Ingenieurwissenschaften, Handwerkund Bauhandwerk. Ort: Fachhochschule KölnKursbeginn: März 2008 Kurskosten: Eur 2600,-

„Toleranzexperte/-in im Fahrzeug undMaschinenbau“Angesprochen sind Ingenieur/innen und Techniker/innen, die Toleranzenfestlegen, beurteilen und fertigungs- oder messtechnisch umsetzen oderüberwachen müssen. Die Kurse sind auch einzeln buchbar.Kurstermine: 14. + 15.2.08 Grundlagen der Toleranzfestlegung

10. + 11.3 08 Berechnungsmethoden zur Abstimmungvon Toleranzketten

10. + 11.4.08 Systematische ToleranzfestlegungOrt: Fachhochschule Köln

Bitte informieren Sie sich unter www.bildungsscheck.nrw.de über dieMöglichkeit einer Teilkostenerstattung der Kursgebühren (50% derKosten/maximal 500 Euro)

Informationen und Beratung: ZwW der Fachhochschule Köln e. V.Annette Grundmann · Tel.: 0221/[email protected] · www.fh-koeln.de (Weiterbildung)

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Christoph Clauser

höht werden können. Um die Fließraten erhöhen

zu können, muss das Strömungs-verhalten in den kompliziertenPoren- und Kluftsystemen derGesteine verstanden werden.Neben hydraulischen Testenund Markierungsversuchenzum Erkennen der Strömungs-pfade eröffnet die numerischeSimulation von Strömung undWärmetransport die Möglich-keit, den Einfluss verschiedenerParameter, unter anderenDruck und Temperatur, auf das

Systemverhalten zu untersu-chen. Auf diese Weise könnenunterschiedliche Optionen zurErhöhung der Fließraten unter-sucht und bewertet werden.Mit diesen Fragen beschäftigensich die Wissenschaftler amLehrstuhl Applied Geophysicsand Geothermal Energy desE.ON Energy Research Centerder RWTH Aachen. Die Bilder 2und 3 zeigen ein Beispiel für ei-ne solche Simulation. Die Un-tersuchungen belegen, dasswegen der eng begrenzten

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UUnsere Zivilisation bedarf vielerin der Erde befindlicher Res-sourcen. Einige Feststoffe wieSand, Kies und Steine könnendirekt an der Erdoberfläche ge-wonnen werden. Andere, wieKohle und Erze, müssen meistdurch Bergbau erschlossen wer-den. Öl, Wasser und Gas dage-gen sind in den Poren undSpalten der Gesteine gespei-chert, aus denen sie nur mitgroßem technischem Aufwandin Bohrungen gefördert werdenkönnen. Erdwärme schließlichist allgegenwärtig in der Erdeund sowohl in ihren festen wieflüssigen Bestandteilen enthal-ten. Daher kann sie unter an-derem durch die Förderung vonheißem Wasser oder Dampfgewonnen werden.

Länder wie Deutschland,die außerhalb der risikoreichenVulkanzonen der Erde liegen,besitzen keine natürlichenHeißdampffelder, die wie etwain Island oder Italien direkt zurStromerzeugung genutzt wer-den können. Dennoch enthältauch hier der Untergrund riesi-ge Mengen an Wärmeenergie.Diese in Strom zu wandeln er-fordert jedoch die Schaffungkünstlicher Wärmetauscher imtiefen Untergrund, was nachwie vor eine große geowissen-schaftliche und verfahrenstech-nische Herausforderung ist.Hierzu wird undurchlässiges,natürliches Festgestein in Tiefenvon etwa fünf Kilometerndurch Einpressen kalten Was-sers unter hohem Druck aufge-brochen, damit es danach vonWasser durchströmt werdenkann, welches ihm die Wärmeentzieht, siehe Bild 1. Wiewohldiese Technologie der „Reser-voirstimulation“ auch bei derÖl- und Gasförderung aus Se-dimentgesteinen verwendetwird, unterscheiden sich dieVerhältnisse im - meist kristalli-nen - Festgestein hiervon we-sentlich. Entscheidend für denErfolg oder Misserfolg der tech-nischen Reservoirstimulationsind die dadurch ermöglichtenFließraten zwischen den Ein-speise- und Förderbohrungenim System. Sind diese nicht hin-reichend für eine wirtschaftlicheStromerzeugung, müssen Wegeermittelt werden, wie diese er-

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Neue Wege bei der Nutzung von Erdwärme und Speicherung

von Kohlendioxid

Bild 1: Prinzipbild eines tech-nisch angelegten Untergrund-wärmetauschers zur Verstro-mung von Erdwärme in Regio-nen ohne natürlichen Dampfla-gerstätten (nach: www.geody-namics.com.au). Nach Aktivie-rung einer unter Scherspan-nung stehenden Kluft (linksunten: rot) entsteht neuer Po-renraum, der durch den seitli-chen Versatz der Kluft offengehalten wird (unten rechts:blau).

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Simulationen vermitteln Einsicht in Prozesse vom Mikrometer- bis Kilometermaßstab

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THEMEN 2/2007

Bild 2: Links: Horizontalschnittdurch ein Modell eines stimu-lierten Reservoirs in kristalli-nem Gestein. Graue Linie:technisch angelegte Kluft zwi-schen den drei Bohrungen (rotePunkte: Förderbohrungen GPK2und GPK4; blauer Punkt: Ein-speisebohrung GPK3); BlaueLinien: natürliche Kluftsystem;rote Linie: natürliche Störungs-zone; Grüne Bereiche: tech-nisch stimulierte Zonen im Be-reich der Bohrungen.

Rechts: Simulierte Verteilungdes Markierungsstoffs nach150 Tagen: Die Ausbreitungdes bei der Bohrung GPK3eingespeiste Markierungsstoffs(Konzentration: Grautöne) er-folgt vorwiegend entlang derangelegten verbindendenKluft, wenig in der großennatürlichen Störung und prak-tisch gar nicht durch die Mi-kroklüfte des Gesteins. (Blum-enthal, 2007).

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Hilfe von „inversen“ Simulatio-nen die Erkundung, Erschlie-ßung und Nutzung neuer geo-thermischer Felder optimiertwerden. Diese Berechnungengestatten es beispielsweise, dieDurchlässigkeit des Unter-grunds aus Temperatur undDruckdaten zu schätzen oderdie Lage und Tiefe neuer Er-kundungsbohrungen zu opti-mieren. In beiden Fällen ist esmöglich, auch die Unsicherheitder ermittelten Zielgrößen zuschätzen. Dies ist für Sicher-heits- und Finanzierungsaspek-te von großer Bedeutung. Beisolchen Berechnungen müssen

die wirksamen Prozesse teilwei-se über mehrere Größenord-nungen von Skalenlängen be-trachtet werden, siehe Bild 4,was eine große Herausforde-rung für numerische Simulatio-nen darstellt.

Aber nicht nur als Quellevon Rohstoffen oder Energiewird die feste Erdkruste auf derwir leben genutzt, sondernauch als Speicher für Stoffe, diegefährlich oder schädlich fürMensch und Umwelt sind. Ne-ben giftigem und radioaktivemAbfall wird derzeit auch für kli-maschädliches Kohlendioxid in-tensiv nach Wegen gesucht,

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Strömungswege nur ein gerin-ger Teil des Gesteins durch-strömt und deshalb auch nurein geringer Teil der Wärme inStrom gewandelt werden kann.Die ursprünglich geplante elek-trische Leistung über die pro-jektierte Betriebsdauer von 20Jahren hinweg ist demzufolgenicht realistisch. Die durch zu-sätzliche technische Stimulati-onsmaßnahmen erzielbarenVerbesserungen des Betriebs-verhaltens können durch weite-re derartige Auslegungsrech-nungen optimiert werden. Neben solchen „direkten“ Aus-legungsrechnungen kann mit

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wie es sicher im Untergrundgespeichert statt in die Atmo-sphäre ausgestoßen werdenkann, siehe Bild 4.

Aber sind die Gesteins-schichten oberhalb von poten-ziellen, tief im Untergrund lie-genden Speichergesteinen wi-derstandsfähig und undurchläs-sig genug, um die Lagerungdes Treibhausgases über Jahr-hunderte zu gewährleisten?Dieser Frage widmet sich zur-zeit ein Gemeinschaftsprojektunter Beteiligung der Lehrstüh-le Applied Geophysics and Ge-othermal Energy, sowie Geolo-gie, Geochemie und Lagerstät-

Bild 3: Unterschiedliche Längenskalen kennzeichnen die für die Charakterisierung des Untergrunds zur Verfügungstehenden Informationen. Füreine numerische Simulation

müssen diese Information aufrepräsentative Homogenberei-che in der Größenordnung derGitterzellen interpoliert bezie-hungsweise extrapoliert werden.

Bild 5: Prinzipbild der Einlage-rung von Kohlendioxid in eingeologisches Reservoir (rote

und gelbe Töne: hohe Konzen-tration; grüne und blaue Töne:niedrige Konzentration).

Bild 4: Schema der Unterta-gespeicherung von Kohlendio-xid (Quelle: www.sintef.no).

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Autor:Univ.-Prof. Dr.rer.nat. Christoph Clauser ist Leiter desLehrstuhls Applied Geophysicsand Geothermal Energy amE.ON Energy Research Centerder RWTH Aachen.

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ten des Erdöls und der Kohleund des Lehr- und Forschungs-gebiets Ton- und Grenzflächen-mineralogie.

Wenn Kohlendioxid als Gasin größeren Tiefen eingeleitetwird, steigt es wegen seiner ge-ringeren Dichte auf, bis es aufeine undurchlässige Deck-schicht trifft, siehe Bild 5. Dortbildet es im Kontakt mit Wasseraggressive Kohlensäure. DieseKohlensäure vermag bis dahindichte Gesteinsschichten zuschädigen. Im schlimmsten Fallkommt es zum Austreten desgespeicherten Kohlendioxids.Das vormals in großer Tiefe ge-

lagerte Kohlendioxid würdedann allmählich durch die darü-ber liegenden Erdschichten ent-weichen und gegebenenfallszurück in die Atmosphäre ge-langen – genau dies soll jedochdurch die Untertage-Speiche-rung vermieden werden. Beiden Untersuchungen in den La-boratorien der beteiligten Ein-richtungen werden unter den inmehreren hundert Metern Tiefeherrschenden Druck- und Tem-peraturbedingungen ausge-wählte Deckgesteine wie etwaTonsteine oder Mergel auf ihreDichtigkeit geprüft. Dadurchsoll ein besseres Verständnis der

Transport- und Zersetzungspro-zesse im Untergrund sowie derWechselwirkung des Kohlendi-oxids beziehungsweise derKohlensäure mit den Gesteinengewonnen werden. Ziel der Ar-beiten ist es, verlässliche Ver-fahren zur Charakterisierungvon Deckgesteinen potenziellerKohlendioxid-Speicher im Un-tergrund zu entwickeln.

www.geophysik.rwth-aachen.de

Bild 6: Univ.-Prof. Dr. rer. nat. Christoph Clauser und Dirk Breueruntersuchen Bohrkerne an einem Multisensor-Core-Logger, einemMessgerät für geophysikalische Messungen an Bohrkernen.Foto: Peter Winandy

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Jörg Neugebauer, Dierk Raabe

Vorhersagen von der atomarenEbene bis hin zur Makroskalavornehmen zu können. Dabeiwerden, anders als bei der be-schriebenen sukzessiven Wei-tergabe von Informationen vonSkala zu Skala, quantenmecha-nische Ergebnisse der Elektro-nentheorie unmittelbar auf dermakroskopischen Ebene einge-bunden.

Quantenmechanisch geführtes WerkstoffdesignDer Erfolg der neuen Methodikkann am Beispiel zweier jüngstentwickelter Biowerkstoffe fürImplantatanwendungen gezeigtwerden. Als Ausgangsbasis fürdie Materialentwicklung dientdas Implantatmetall Titan. Es istbioverträglich und besitzt einehohe Härte. Allein im Hüftbe-reich werden jährlich weltweitmehr als eine Million Prothesendaraus eingesetzt.

Trotz seiner positiven Eigen-schaften besteht beim Einsatzvon Titan ein bisher ungelöstesProblem: Während dermenschliche Knochen eine ela-stische Steifigkeit von etwa 20Giga Pascal, kurz Gpa, besitzt,bewegen sich die entsprechen-den Steifigkeiten der Titanim-plantate im Bereich von 100 bis110 GPa. Diese Diskrepanzführt zum Effekt der mechani-schen Abschirmung. Das be-deutet, dass die im betroffenenKörperteil übertragene Kraftnicht mehr vom Knochen, son-dern überwiegend vom metalli-schen Implantat getragen wird.Da der Knochen seine innereStruktur und mechanische Lei-stungsfähigkeit aber in Abhän-gigkeit von der anliegendenmechanischen Spannungenverändert, führt seine künstli-che Entlastung durch das Im-plantat im Laufe der Zeit zu sei-ner Schwächung. In der Folgekommt es zur Knochenschädi-gung und zur Lockerung desImplantats. Auch die Entste-hung von Entzündungsherdenan der Grenzfläche zwischenKnochen und Implantat ist eingroßes Problem.

Vor diesem Hintergrundsollten mit Hilfe der Verknüp-fung von Quantenmechanikund Kontinuumstheorie beigleichzeitig experimenteller

Überprüfung der Vorhersagenneue titanbasierte Legierungenhergestellt werden, die einedeutlich geringere Steifigkeithaben als bisherige Materialienund gleichzeitig über eine her-vorragende Bioverträglichkeitund Härte verfügen. Nur aufdiesem Wege kann eine höheremechanische Kompatibilität er-reicht werden, die zu einer we-sentlich verbesserten Langlebig-keit der Implantate im mensch-lichen Körper beitragen würde.Der Einsatz quantenmechani-scher Rechnungen zeigte, dassTitan, welches in der Natur beiRaumtemperatur nur in einerhexagonalen Kristallstrukturvorkommt, in der kubisch-raumzentrierten Kristallstruktureine deutlich reduzierte Steifig-keit aufweist.

Der Entwicklungsansatz be-stand daher darin, die kubisch-raumzentrierte Gitterstruktur,die beim reinen Titan nur beihohen Temperaturen auftritt,durch eine geeignete Legierungauch bei Raumtemperatur zustabilisieren. Zu diesem Zweckwurden Legierungen aus Titanund den hochschmelzendenkubisch-raumzentrierten Metal-len Niob und Molybdän analy-siert, die medizinisch beide un-bedenklich sind. Im erstenSchritt wurde dabei die Stabi-lität verschiedener Legierungenaus Titan und Niob sowie ausTitan und Molybdän mit ab-ini-tio-Verfahren, also Verfahren,die keine empirischen Parame-ter benötigen, untersucht. An-geleitet durch diese theoreti-schen Vorhersagen wurdenentsprechend aussichtsreicheProben durch schmelzmetallur-gische Verfahren hergestelltund am Elektronenmikroskophinsichtlich der zuvor getroffe-nen ab-initio-Vorhersagenüberprüft, Bild 2. In der Tat be-legen sowohl die quantenme-chanischen Rechnungen alsauch die Experimente, dass mitzunehmendem Gehalt an Niobbeziehungsweise Molybdän imTitan die kubisch-raumzentrier-te Struktur des Materials beiRaumtemperatur eingestelltwerden kann.

Der zweite wichtige Schrittbei der Entwicklung der neuen Im-plantatlegierungen bestand nun

darin, durch entsprechende ab-initio-Rechnungen zu untersu-chen, wie es um die elastischenEigenschaften der neuen Mate-rialien im Hinblick auf einenspäteren Einsatz als Implantat-material bestellt ist. Die elasti-sche Steifigkeit der neuen Ti-tan-Legierungen verlässlich vor-hersagen zu können, ist dabeibesonders wichtig, da die me-tallurgische Herstellung und dieexperimentelle Überprüfungder Elastizität an einer Vielzahlvon Proben unterschiedlicherZusammensetzung mit be-trächtlichem Aufwand verbun-den ist. Das bedeutet, dass imFalle des Erfolges der neuenStrategie zur Werkstoffentwick-lung in Zukunft verbesserteoder auch gänzlich neue Mate-rialien um ein Vielfachesschneller entwickelt werdenkönnen als bisher. Außerdemwerden sich eine große Anzahlteurer, aufwändiger und kom-plizierter Experimente umgehenlassen.

Ein weiterer wertvollerAspekt der ab-initio-Vorhersageder Elastizität einer Probe be-steht darin, dass diese sowohlfür eine Eigenschaft der Ele-mentarzelle mit wenigen Ato-men zutrifft, als auch für einegroßformatige Probe, etwa einImplantat, gilt. Anders gesagt,die ab-initio-Simulation der elas-tischen Steifigkeit dient auchunmittelbar der Vorhersage dermakroskopischen Eigenschafteneines Materials, obwohl sie aufatomistischer Skala durchge-führt wurde. Im vorliegendenFall der untersuchten Titan-Niob- und Titan-Molybdän-Le-gierungen ist zu erkennen, dassin der Tat eine hervorragendeÜbereinstimmung zwischenTheorie und Experiment erzieltwurde, Bild 3. Im Sinne der imersten Absatz dargestelltenStrategie der neuen Simulati-onsmethode wurden somittatsächlich bereits im zweitenTeilschritt des Ansatzes vieleZehnerpotenzen zwischen denunterschiedlichen Skalen in derVorhersagetechnik überbrücktund können nunmehr bereitsmakroskopische Eigenschaftenauf der Basis einer ab-initio-Si-mulation vorhergesagt und fürdie technische Beurteilung eines

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Werkstoffe werden seit jehermeist durch empirische Verfah-ren entwickelt. Verbesserungenresultieren dabei einerseits ausder Erfahrung, wie sich Legie-rungszusätze auf die Eigen-schaften auswirken, und ande-rerseits aus einigen einfachenthermodynamischen Zusam-menhängen bezüglich Stabilitätund Darstellbarkeit auf der Ba-sis einfachster Modelllegierun-gen. In diesem Zusammenhangspielen verschiedene Methodender Computersimulation seit 15Jahren eine wichtige Rolle, umdie Werkstoff-Eigenschaftengezielt vorherzusagen.

Auf den einzelnen Skalen –von der atomaren Ebene biszum kompletten Werkstück –haben diese Methoden inzwi-schen ihre Vorhersagekraft be-wiesen. Schwierig ist es abernoch, die Eigenschaften einesWerkstoffs nur auf der Basis ih-rer atomaren Komponenten zuberechnen. Zu diesem Zweckmüssen Ergebnisse von Simula-tionen auf benachbarten Skalensinnvoll miteinander verknüpftwerden. Bislang wurden be-stimmte Aspekte bei der Werk-stoffprognose zwischen denunterschiedlichen Modellen undSkalen mit Hilfe von Multiska-lenverfahren weitergegeben.Aufgrund der enormen Unter-schiede zwischen der atomarenund der makroskopischen Skalawird es aber auch in Zukunftnicht möglich sein, einen Werk-stoff komplett über alle Skalenhinweg durchgehend zu simu-lieren. Das lässt sich an einemeinfachen Beispiel veranschauli-chen: Elektronische Anregun-gen laufen im Bereich von Pico-sekunden ab, wohingegen Pro-zesse der Korrosion oder derMaterialermüdung in derGrößenordnung von Jahren an-zusiedeln sind. Bezüglich derOrtsskala bewegen sich die re-levanten Größenordnungenvom Sub-Angströmbereich, alsokleiner als 10-10 Meter, bis hinzu Hunderte Meter große Kon-struktionen, Bild 1.

Als Alternative zur Multiskalen-simulation wurde am Max-Planck-Institut für Eisenforschung inDüsseldorf das Verfahren derskalenüberbrückenden Werk-stoffsimulation entwickelt, um

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Virtueller Test für Biowerkstoffe

Page 45: RWTH-Themen Computational Engineering Science - Ein neues Ingenieurprofil

Werkstoffs unmittelbar heran-gezogen werden, Bild 4.

Der dritte Schritt der Mate-rialentwicklung beinhalteteschließlich die Einbindung derelektronentheoretischen Ergeb-nisse in makroskopische FiniteElemente Rechnungen. Die Fi-nite Elemente Methode, kurzFEM, ist ein mathematischesVerfahren zur Lösung von Dif-ferentialgleichungen, die heran-gezogen werden, um das Ver-halten von Strukturen zu be-schreiben; die Lösung der Dif-ferentialgleichungen ist für ein-fache Geometrien und Aufga-benstellungen möglich, nichtjedoch für komplexe diskonti-nuierliche Systeme, weshalbman die FEM als numerischesNäherungsverfahren nutzt. Be-sonders relevant bei der Über-tragung der ab-initio-Simulatio-

nen sind dabei einerseits dieGitterstruktur und andererseitsdie elastischen Konstanten. Wieoben erwähnt, wurden die Le-gierungen so entwickelt, dassdie kubisch-raumzentrierte Git-terstruktur bei Raumtemperaturstabil ist. Diese Information istfür die Weiterverwendung inden FEM-Rechnungen von Be-deutung, da die Gitterstrukturauch die Freiheitsgrade und da-mit die Richtungsabhängigkeitder elastischen und plastischen,in diesem Fall bleibenden, Ver-formung bestimmt.

Auch in diesem letztenSchritt der neuen Skalen über-brückenden Simulationsstrate-gie zeigt sich der besondereVorteil der Verknüpfung vonab-initio-Methoden und ma-kroskopischen Mechanikmodel-len in Zusammenhang mit

FEM-Lösungsverfahren: Die ab-initio-Vorhersagen zeigtennämlich nicht nur, dass sich bei-spielsweise im Falle der Titan-Niob-Legierungen durch denEinsatz von Niob tatsächlich dieelastische Steifigkeit der Probedeutlich gegenüber den kon-ventionellen hexagonalen Le-gierungen verringern ließ undsich somit der des Knochensannäherte, sondern dass sichauch die Anisotropie, das heißtdie Richtungsabhängigkeit, derElastizität verringerte. Andersgesagt bedeutet dies, dass dieneuentwickelte Legierung aufder Basis von Titan und Niobeinerseits eine bessere Kompa-tibilität zwischen menschlichenKnochen und dem Implantatgewährleistet, und andererseitsdie Richtungsabhängigkeit ausder Verteilung der kristallinen

Orientierungen durch eine bes-sere Isotropie der Eigenschaftenbereits auf der Ebene der Ele-mentarzelle deutlich verringertwird. Die letztere Eigenschaftist von besonderer Bedeutung,da bei der Herstellung solcherMaterialien in der Regel kom-plexe Orientierungsverteilun-gen der Kristalle in einer sol-chen Probe herbeigeführt wer-den. Bezüglich der Isotropie, al-so dem Gleichverhalten in allenRichtungen, sind demnach dieEndeigenschaften für die vor-geschlagenen Legierungendeutlich weniger von den De-tails der späteren Herstellver-fahren abhängig.

Neben den dargestelltenwissenschaftlich-technischenVorteilen der vorgeschlagenenVerknüpfung von ab-initio-Si-mulationen und Finite Elemente

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Quantenmechanik, Kontinuums-theorie und Experimente unterstützen die Simulation von Biowerkstoffen

Bild 1: Unterschiedliche Mo-delle und Skalen im Zusam-menhang mit Multiskalenver-fahren bei der Werkstoffsimu-lation.

Bild 2: Mikrostruktur einer imLabor hergestellten Legierungaus Titan und Niob, deren Sta-bilität und Eigenschaften zuvormittels ab-initio-Verfahren vor-hergesagt worden war. DieFarbwerte der Darstellung ent-sprechen unterschiedlichen Ori-entierungen.

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zen in diesem Zusammenhangeinen beträchtlichen Erkennt-nisgewinn bezüglich der elek-tronischen Wirkung bestimmterLegierungselemente und er-laubt somit Einblicke in dieGrundlagen der Bindungstheo-rie von Werkstoffen.

www.imm.rwth-aachen.de

www.mpie.de

Autoren:Prof. Dr. Jörg Neugebauer istDirektor der Abteilung Com-putational Materials Design amMax-Planck-Institut für Eisen-forschung in Düsseldorf. Prof. Dr.-Ing. Dierk Raabe istaußerplanmäßiger Professoram Lehrstuhl für AllgemeineMetallkunde und Metallphysikund leitet die Abteilung Mikro-strukturphysik und Umform-technik als Direktor am Max-Planck-Institut für Eisenfor-schung in Düsseldorf.

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Methoden zur Überbrückunggroßer Skalendifferenzen beider Werkstoffentwicklung liegtein weiterer wichtiger Vorteildieser Herangehensweise. Ge-rade im Bereich der Biowerk-stoffe erlauben die elektronen-theoretischen Methoden eineVorhersage der Stabilität mögli-cher neuer Legierungen unterder Einschränkung der Auswahlnur ganz bestimmter, nämlichbioverträglicher Legierungsele-mente. Auch liefert die Ver-wendung von ab-initio-Ansät-

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Bild 3: Vergleich der elasti-schen Eigenschaften der unter-suchten Titan-Niob- und Titan-Molybdän-Legierungen, der die

Bild 4: Mit der dargestelltenStrategie der neuen Simula-tionsmethode können vieleZehnerpotenzen zwischen denunterschiedlichen Skalen in der Vorhersagetechnik über-brückt und makroskopische Eigenschaften auf der Basis einer ab-initio-Simulation vorhergesagt werden.

hervorragende Übereinstim-mung zwischen ab initio Theo-rie und Experiment belegt.

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Marek Behr, Nicole Faber

Lage sind, auf zehn oder 100Prozessoren zu laufen, sind dieLizenzgebühren entsprechendhoch und die technischen An-forderungen, die einen effizien-ten Lauf auf 100 Mal so vielProzessoren ermöglichen, signi-fikant unterschiedlich. Am Lehr-stuhl für ComputergestützteAnalyse Technischer Systeme,kurz CATS, ist ein selbstent-wickeltes Programm mit demNamen XNS in der Lage, 4096Prozessoren von Blue Gene effi-zient auszunutzen, siehe Bild 2.Es ist absehbar, dass sich in zehnJahren auch die Schreibtisch-

computer auf 10.000 Prozesso-ren stützen werden. Notwendi-gerweise sollte serienmäßigeSoftware dieser Hardware ange-passt werden. Bis zu diesemZeitpunkt wird sich die Auf-merksamkeit von Forschungs-einrichtungen, die ihre selbstent-wickelte Software beibehalten,dem Quantum Computer zuge-wandt haben!

ModelleEntscheidende Bestandteile derComputersimulation sind Mo-delle, also mathematische Ver-hältnisse, die relevante physikali-

sche, chemische oder biologi-sche Prozesse beschreiben. Invielen neuen Anwendungsge-bieten müssen diese Modellenoch entwickelt werden. ZumBeispiel werden am LehrstuhlCATS Modelle entwickelt, diedie Eigenschaften des Blutflussesin biomedizinischen Geräten be-treffen. Dabei geht es darum,welche Effekte bestimmte Ei-genschaften des Blutflusses, wieetwa die variierende Geschwin-digkeitsverteilung, auf die Be-standteile des Blutes, zu denendie Erythrozyten gehören, ha-ben. Viele mechanische Geräte

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HHeute ist die Computersimulati-on technischer Systeme wieFlugzeuge oder Autos ein stan-dardmäßiger Teil des Designpro-zesses in praktisch jeder Firma.Das läuft ähnlich wie bei derTextverarbeitung oder Tabellen-kalkulation, die häufig serien-mäßige Softwaretools verwen-det und durch illustrierte Bedie-nerunterlagen, professionelleKommunikation und anwender-freundliche graphische Benut-zeroberflächen unterstützt wird.

Warum beharren dann soviele Ingenieure, Informatikerund Mathematiker der RWTHdarauf, ihre eigene Computer-software beizubehalten? Warumlernen Studierende im BereichComputational EngineeringScience in Theorie und Praxis ihreigenes Simulationsprogrammumzusetzen?

SkalierbarkeitDie erste Antriebskraft ist dieNotwendigkeit, rechnergestützteLeistung auszunutzen, die nurdurch Parallelrechenanlagen zurVerfügung gestellt werdenkann. Seit vielen Jahren werdenPersonal Computer immerschneller. Das Mooresche „Ge-setz“ aus den 1960er Jahrenprognostizierte, dass sich dieLeistungsfähigkeit von Compu-tern alle 18 Monate annäherndverdoppeln würde, siehe Bild 1.Ein Personal Computer war je-doch nie leistungsfähig genug,um die anspruchsvollsten Pro-bleme im Bereich des Computa-tional Engineering, beispielswei-se rechnergestützte Strömungs-dynamik (CFD), Klimamodellie-rung oder Molekularbiologie zulösen. Die höchste Berechnungs-rate kann nur erlangt werdendurch die Leistungsnutzung von1.000 und neuerdings 10.000gleichzeitig arbeitenden Prozes-soren. Diese spezialisierten Ma-schinen - parallele Höchstlei-stungsrechner - sind teuer, sel-ten und beanspruchen unübli-che Software.

Einer der leistungsstärkstenComputer dieser Art in Europabefindet sich im Forschungszen-trum Jülich und ist ein IBM BlueGene L Computer mit exakt16.384 (=214) Prozessoren. Ob-wohl einige der serienmäßigenSimulationsprogramme in der

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Rechnen auf Zehntausenden von Prozessoren – wo muss ich klicken?

Bild 1: Darstellung des Moore-schen Gesetzes: Entwicklungder Computer Arbeitsleistungin FLOPS (Gleitkomma-Rech-nung pro Sekunde) über einenZeitraum von 35 Jahren.Schwarze Punkte zeigen

Single-Chip Computer, rotePunkte zeigen parallele Höchst-leistungsrechner. Gordon Mooreist Mitbegründer der Intel Cor-poration und Urheber des gleich-namigen Gesetzes.

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Strömungssimulation mit skalierbarenSimulations-Codes und maßgeschneiderten Modellen

zum Bluttransport produzierenunnatürliche Durchflussmuster,welche einen ungünstigen Ein-fluss auf die Blutzellen habenkönnen. Exakte Modelle, die dieTendenz des Blutes zu gerinnenoder die vorzeitige Abgabe vonHämoglobin vorhersagen kön-nen, werden zurzeit entwickeltund sind typischerweise nicht ineinem kommerziellen Soft-warepaket erhältlich.

UnsicherheitenAlle Computersimulationen sindAnnäherungen an reale Syste-me. Ein Simulationsergebnis soll-

te möglichst nah an der Realitätsein. Vielleicht hat man jedochein falsches Modell gewähltoder das beste Modell ist zu die-sem Zeitpunkt noch nicht aus-reichend ausgearbeitet. Oderdie Übersetzung mathemati-scher Gleichungen in ein Pro-blem, dass der Computer lösenkann, ist zu grob - paralleleHöchstleistungsrechner helfenbei diesem Problem, aber siekönnen es nicht eliminieren. Wiekann man nun einschätzen, obdie Simulation, siehe Bild 3, dieWirklichkeit aufzeigt? Die Minimierung von Unsicherhei-

ten ist ein Unterbereich vonComputational Science, in wel-chem die neuesten mathemati-schen und programmierungs-technischen Methoden einge-setzt werden, um von vorneher-ein nicht nur das Verhalten einesSystems vorauszusagen, son-dern auch seine Reliabilität. Sowie im Fall der inversen Proble-me, die im nächsten Abschnittbeschrieben werden, ist eineUnsicherheitsanalyse nur mög-lich mit einem umfassendenVerständnis eines Simulations-programms.

Invertiertes AblaufdiagrammJahrzehntelang wurden Compu-ter-Simulationen als eine schnel-lere und billigere Version einesExperiments eingesetzt. Einegute Simulation reproduziertzum Beispiel beim Flugzeugde-sign die Ergebnisse eines auf-wändigen Windtunnels oderbeim Biomedical Engineering einschädliches Experiment in einemlebenden Organismus. Im Ge-gensatz zu dem, was im Folgen-den ausgeführt wird, lösen sol-che Simulationen ein „direktes“

Bild 2: Aufbau eines Gitternet-zes einer DeBakey Blutpumpefür 1.024 Prozessoren. Die Un-terbereiche der Strömungskam-mer werden entsprechend derProzessorenumsetzung in unter-schiedlichen Farben angezeigt.Mechanische Herzgeräte diesesTyps sind häufig die letzteHoffnung für Patienten mitHerzkrankheiten. Dieses Thema wurde ausführ-lich in den „RWTH-Themen“ 1/2007 dargestellt.

Bild 3: Gute Simulation versusschlechte Simulation: Geringfü-gige Änderungen der rechner-gestützten Methoden könnenzu unrealistischen Ergebnissenführen. Zu sehen ist hier einGeschwindigkeitsprofil u(x,y)eines Durchflusses in einemFlussbett ohne und mit unphy-sikalischer Schwingung.

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abbilden evaluieren würde. Indiesem Sinne sind die Probleme„invers“ und werden rückwärtsgelöst. Luftfahrtingenieure set-zen diese Lösungsvorschläge be-reits lange ein, um eine optimaleFeinabstimmung der Form ver-schiedener Flugzeuge, beispiels-weise im Sinne der bestmögli-chen Leistungsfähigkeit zu erzie-len. Obwohl es möglich ist, sol-che inversen Analysen mit ei-nem „Black-Box“ Simulations-programm durchzuführen, zumBeispiel wenn der Quellcodenicht verfügbar ist, können voll-ständige Synergie und Effizienz

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Problem: Es werden bestimmteInputs eingegeben und das phy-sikalische System, wie im Com-puterprogramm festgelegt, gibtbestimmte Outputs, die vergli-chen werden können mit expe-rimentellen Messwerten. Aberrechnergestützte Lösungsvor-schläge in den Natur- und Inge-nieurwissenschaften bieten an-dere, einzigartige Einsatzverfah-ren, wo mam die Inputs, die einbestimmtes gewünschtes Resul-tat produzieren würden, suchenoder eine Bandbreite möglicherModelle, die Resultate produzie-ren, die die Realität am besten

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Bild 4: Ein interdisziplinäresTeam entwickelt berechenbareModelle um das Design von miniaturisierten, implantier-baren Blutpumpen zu unter-stützen. Der dargestellte Titan-impeller dreht mit 10.000 Umdrehungen pro Minute, daher ist ein besonderes Design erforderlich, um den Einfluss auf die Blutzellenzu verringern.Foto: Peter Winandy

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nur dann umgesetzt werden,wenn die Software so modifi-ziert werden kann, dass zusätzli-che Informationen in Ergänzungzu den erforderlichen Informa-tionen für direkte Probleme er-zeugt werden können.

FazitComputersimulation, die über dieeinfach verfügbare kommerzielleSoftware hinausgeht, ist der Forschungsschwerpunkt des Lehrstuhl CATS und vieler an-derer Institute, die in die Akti-vitäten rund um das Thema„Computational Engineering

Science“ an der RWTH Aacheninvolviert sind. Besonders Simu-lationen, die die Leistung Tau-sender parallel arbeitender Pro-zessoren ausnutzen, um erfor-derliche Genauigkeit, Entde-ckung mathematischer Modelleauf Basis experimenteller Daten,Unsicherheitsanalyse und Opti-mierung zu erhalten, können als Ziele aufgeführt werden. Sieverlangen eine enge interdiszi-plinäre Zusammenarbeit zwi-schen den Ingenieuren, denMathematikern und den Infor-matikern.

Autoren:Univ.-Prof. Marek Behr, Ph.D.leitet den Lehrstuhl für Compu-tergestützte Analyse Techni-scher Systeme. Nicole Faber, M.A. ist Geschäftsführerin der Graduier-tenschule „Aachen Institute forAdvanced Study in Computa-tional Engineering Science”.

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Marek Behr, Nicole Faber

Insgesamt 50 Institute ge-ben an, selbstentwickelte Simu-lationspakete einzusetzen. An56 Instituten werden kommer-zielle Simulationspakete ver-wandt, hierzu gehören unteranderem Matlab, Fluent, AN-SYS, Modelica/Dymola, DIC-TRA, FactSage, VASP, PHONO,OpenMX, EMTO, LARSTRAN/SHAPE, PEP, CAOT, STRUC-SIM, Gaussian, ECOTEC, Tur-bomole, DL-POLM, Malpro,ABAQUS, MADYMO, Hyper-Works, RADIOSS, FEMFAT,ADAMS, CoWare, Convergen-SC, LISATek, HFFS, ADS, Re-new, Poses++, SeSAm, Ramsis,Kinematix, ARToolkit, ECLIPSE,TOUGH, TOUGHReact, ELAN,Interactive Petrophysics, Com-sol Multiphysics, gPROMS,ModelMaker, MARC/MENTAT,PAMCRASH, PAMFORM, WI-SETEX, Parsival, GTM-X, Body-builder, FEAP.

Die vorhandenen Simulati-onsmethoden und Algorithmenbasieren hauptsächlich auf denMonte-Carlo-, Finite-Elemente-und Finite-Volumen-Methoden,inklusive Mehrgitterverfahrenund anderen iterativen Lö-sungsverfahren sowie ALE (Ar-bitrary Lagrangian-Eulerian),Molekulardynamik, AdaptiveMultiskalen-Methoden, CFD,DFT (Density functional theo-ry), dynamische Simulation,Short-Cut-Methoden, sequenti-ell modulare Simulation, Finite-Differenzen-Methoden, Ma-schen- und Knotenpotenzial-verfahren, Petri-Netze, Multi-Agenten Simulation, Diagonali-sierung (CI), Kubo-Response-Theorie, Floquet-Theorie, Metro-polis- und Cluster-Flip-Algorithmen.

Das weitere Vorgehen be-züglich der Ergebnisse dieserBefragung wird innerhalb derGraduiertenschule diskutiertund den Professoren, die andieser Befragung teilgenomme-nen haben, mitgeteilt. Fragenzu den einzelnen Ergebnissender Erhebung oder zu den ent-sprechenden Ansprechpartnernin den Instituten beantwortetdie Graduiertenschule gerne.

www.aices.rwth-aachen.de

Autoren:Univ.-Prof. Marek Behr, Ph.D.leitet den Lehrstuhl für Compu-tergestützte Analyse Techni-scher Systeme. Nicole Faber M.A. ist Ge-schäftsführerin der Graduier-tenschule „Aachen Institute forAdvanced Study in Computa-tional Engineering Science”.

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WWie bereits ausgeführt im Arti-kel „Rechnen auf Zehntausen-den von Prozessoren – womuss ich klicken?“, werden insehr vielen Bereichen derRWTH Aachen die unterschied-lichsten Simulationsverfahrenentwickelt und eingesetzt. Umdie Zusammenarbeit der ver-schiedenen Institute zu doku-mentieren, hat die Graduierten-schule Aachen Institute for Ad-vanced Study in ComputationalEngineering Science eine Befra-gung durchgeführt, bei der 388Lehrstühle und Institute derRWTH Aachen angeschriebenwurden. Ziel der Befragung istdie Erstellung eines Überblicksüber die eingesetzten Simulati-onspakete und -methoden so-wie Simulationsprojekte undAnsprechpartner. Von den ver-schickten Fragebögen wurden65 zurückgesandt, zwei Rück-meldungen zeigten, dass keineSimulationen an den entspre-chenden Lehrstühlen durchge-führt werden. Dieser Gesamt-rücklauf entspricht einer Quotevon ungefähr 17 Prozent. Teil-genommen haben Institute aussieben von neun Fachbereichender RWTH Aachen.

Die Institute geben vorrangigSimulationsprojekte aus denBereichen Materialwissenschaf-ten, Medizin, Strömungslehre,Kraftfahrtwesen, Prozesstech-nik, Elektrotechnik, Geologie,Informatik, Biologie und Physikan. Die bis zu maximal acht an-gegebenen Einzelprojekte set-zen sich aus Teilprojekten derSonderforschungsbereiche oderExzellenzcluster, Projekten vonForschergruppen und Transfer-bereich-Projekten zusammen.Weitere werden von der Deut-schen Forschungsgemeinschaftoder dem Bundesministeriumfür Bildung und Forschung so-wie industriellen Vorhaben ge-fördert oder sind eigenfinan-ziert. Weitere Informationenzur Befragung, inklusive einerListe der Institute, die teilge-nommen haben, sind unter www.aices.rwth-aachen.de/research/simulation-survey-2007 abrufbar.

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Simulation an der RWTH Aachen

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Am 9. November 2007 öffnetedie RWTH Aachen bereits zumfünften Mal ihre Türen zur RWTH-Wissenschaftsnacht „5 vor 12“.Wissenschaft zu ungewöhnli-cher Zeit aus ungewöhnlicherPerspektive ist das Motto dieserVeranstaltung, die Jahr für Jahrmehr Besucher mit Vorträgen,Filmvorführungen, kabarettisti-schen und musikalischen Beiträ-gen bei freiem Eintritt begeistert.

Der Auftakt der Wissen-schaftsnacht widmete sich tra-ditionell den kleinen Besuchern.In einer Experimentalvorlesungfür Kinder zwischen 8 und 12 Jah-ren machte Univ.-Prof. Dr. rer. nat.Lutz Feld vom I. PhysikalischenInstitut Töne sichtbar. Unter-stützt wurde er dabei von Or-chestermitgliedern des TheatersAachen.

Insgesamt vier Institute derRWTH öffneten im Laufe desAbends ihre Türen für die Gäs-te der Wissenschaftsnacht.Ging es im Institut für Bergbau-kunde um die Frage „Wie vieleRohstoffe verbraucht ein Menschin seinem Leben?“, konnteman einige Meter weiter imehemaligen Heizkraftwerk derHochschule miterleben, dass

Erfolgreiche Wissenschaftsnacht „5 vor 12“Vergabe der RWTH-Preise Wissenschaftsjournalismus

Kohleverbrennung auch ohneCO2-Emission möglich ist. ImLehrstuhl für Oberflächentech-nik im Maschinenbau erhieltendie Besucher Einblicke in die viel-fältigen, alltäglichen Anwendun-gen von Beschichtungen, wäh-rend das Institut für Schweiß-technik und Fügetechnik in derPontstraße zeigte, dass schondem Steinzeitmenschen ohneFügetechnik das Bärenfell vonden Hüften gerutscht wäre. Bisnach Mitternacht beantworteteein umfangreiches Vortragspro-gramm unter anderem Fragennach der Lebendigkeit der Pa-thologie, der Wirkungsweisevon Werbung und der Ge-schichte vom Fliegen, Startenund Landen. Während Univ.-Prof. Dr.-Ing. Gerd Ascheid mo-bil auf Funkwellen surfte, Dr.Ulrich Knittel zu einer Reise zuden Supervulkanen einlud undPhilipp Hübl M.A. dem weißenKaninchen folgte, zeigte Univ.-Prof. Dr.techn. Werner Baum-gartner, wie die Bionik von ei-ner Echse zum kratzfesten Au-tolack führt.

Im Rahmen der RWTH-Wis-senschaftsnacht „5 vor 12“wurde auch der RWTH-Preis

Wissenschaftsjournalismus ver-liehen. Dieser würdigt seit 1993beispielhafte Beiträge aus Print-medien, Hörfunk und Fernse-hen und wurde jetzt zum ach-ten Male verliehen. Die Aus-zeichnung ist mit 1.000 Euro jeKategorie dotiert.

Den RWTH-Preis Wissen-schaftsjournalismus im BereichPrintmedien erhielt JohannesBernreuter für seinen Beitrag„Solarzellen – einfach ge-druckt“ aus der Zeitschrift „Bildder Wissenschaft“, Ausgabe2/2007. Der Autor beschreibtdarin die Entwicklung von Dünn-schicht-Solarmodulen durchDruck des Halbleiters auf Folie –mit Tinte aus Nanopartikeln.Die Jury lobte vor allem die po-pulärwissenschaftliche Darstel-lung des Technologietransfersvon der Idee zum Produkt.

In der Kategorie Hörfunkerhielt Dr. Jan Lublinski für seinRadiofeature „Der saure Ozean –wie der Klimawandel die Welt-meere bedroht“, ausgestrahltam 30.4.2006 in der Sendung„Forschung aktuell“ desDeutschlandfunks, die Aus-zeichnung. In der Begründung

zur Preisvergabe heißt es, dassdie Berichterstattung gelungenbiologische, klimatologischeund ozeanographische Aspektezu einem Gesamtzusammen-hang verknüpft. „Die Faktensind korrekt, gut recherchiertund sauber dargelegt“, so dieAussage der Jury, „das Themaist ausgezeichnet mit vielen O-Tönen aufbereitet.“

Die Redaktion der Sendung„Quarks & Co“ des Westdeut-schen Rundfunks um Redak-teurin Claudia Heiss wurdeausgezeichnet für ihren Beitrag„Herzklopfen – Rhythmus desLebens“ aus dem Jahre 2006.Dem Autoren-Team mit KatrinKrieft, Tanja Winkler, HilmarLiebsch, Heinz Greuling, TilmanWolff und Moderator RangaYogeshwar werden von derJury nicht nur eine sachlichekorrekte und umfassende Dar-stellung attestiert. „Darüberhinaus ist der Beitrag didaktischsehr gut und in höchstemMaße interessant verfasst undaufgebaut.“

Rektor Burkhard Rauhut beglückwünschte

die Preisträger des RWTH-Preises

Wissenschafts-journalismus.

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Jülich Aachen Research Alliance – JARARektor Rauhut und der Vor-standsvorsitzende des For-schungszentrums Jülich Prof.Achim Bachim unterzeichnetenin der Düsseldorfer Staatskanz-lei einen Vertrag zur Gründungder Jülich Aachen Research Alli-ance, kurz JARA. Ziel ist es, einModell einer international hochangesehenen Partnerschaft zwi-schen universitärer und außer-universitärer Forschung zu schaf-fen. Die Allianz startet in dreizukunftsträchtigen Forschungs-feldern mit den Sektionen: JARA-BRAIN Translational BrainMedicine (Neurowissenschaf-ten), JARA-FIT Fundamentalsof Future Information Techno-logy (Informationstechnologie)und JARA-SIM SimulationSciences (Simulationswissen-schaften). Weitere Sektionenwerden in Kürze gegründet, alsnächstes auf dem Gebiet derEnergieforschung.

„JARA hat Modellcharakter,weil wir vertraglich geregelt eine enge Verschmelzung vonWissenschaftsgebieten vorneh-men und vorwärtsweisend in-stitutionelle Hürden überwin-den“, machte Rektor Rauhutanlässlich der Vertragsunter-zeichnung deutlich. So würdendie Forschungsziele in den Sek-tionen gemeinsam definiert undgestaltet, gemeinsam die Res-sourcen in Forschung, Lehreund Ausstattung genutzt, ge-meinsam Lehraktivitäten ent-wickelt sowie Personal- und In-vestitionsentscheidungen ge-meinsam geplant. Dabei soll ei-ne möglichst unbürokratischeZusammenarbeit JARA aufschnellem Wege zu einer star-ken Marke machen.

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10 Jahre AMICAIm Juni 1994 stellte der Leiterdes Instituts für Halbleitertech-nik und heutiger Direktor vonAMICA (Advanced Micro- andOptoelectronic Center Aachen),Univ.-Prof. Dr.phil. HeinrichKurz, erstmals die Pläne für einNanotechnologielabor vor. ImJuli 1997 wurde AMICA eröff-net und startete mit mehrerenForschungsprojekten auf demGebiet der Nanotechnologie.Heute blickt AMICA stolz aufeine 10-jährige Erfolgsgeschich-te zurück. Seit der Gründungarbeitet man an Strategien undPotenzialen der Nanotechnolo-gie sowie der Umsetzung dieserPotenziale in strategische Zu-kunftstechnologien wie Infor-mationstechnik, Energie und Life Science.

Auszeichnung für Rory KoenenDr. Rory Koenen, Wissenschaft-licher Mitarbeiter am Institutfür Kardiovaskuläre Molekular-biologie am Uniklinikum Aa-chen, erhielt auf der Jahresta-gung der European VascularBiology Organisation in Bristoldie Auszeichnung „Young Inve-stigator Award“. Der Preis wirdvom European Vascular Geno-mics Network verliehen, das dieeuropäischen Kompetenzzen-tren für Kardiovaskuläre For-schung vernetzt. Der 31-jährigeKoenen forscht mit einem inter-nationalen Team unter Leitungvon Univ.-Prof. Dr. ChristianWeber auf dem Gebiet derAtherosklerose. Diese Erkran-kung wird durch eine chroni-sche Entzündung der Ge-fäßwand verursacht. Dabeispielen verschiedene Botenstof-fe, darunter kleine Peptide, eineRolle. Die Peptide locken Im-munzellen in die Gefäßwandund verstärken so die Entzün-dung. Solche Peptide könnenauch aneinander binden undsich gegenseitig in ihrer Wir-kung verstärken. Koenen konn-te die strukturellen Merkmaleeines solchen Peptidkomplexesaufklären. Auf diese Weise ge-lang es ihm, ein synthetischesBiomolekül zu entwickeln, dasdie Bildung eines solchen Kom-plexes verhindern kann.

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Neues Katalysezentrum Die Bayer Technology ServicesGmbH und die RWTH Aachenhaben eine zunächst auf fünfJahre angelegte, intensive Zu-sammenarbeit auf dem Gebietder Katalyseforschung verein-bart. „Katalyse ist längst zu ei-ner Schlüsseltechnologie in derchemischen Industrie gewor-den. Kaum eines unserer Pro-dukte entsteht, ohne dass esmit Katalysatoren in Berührunggekommen wäre“, erklärte IanPaterson, im Vorstand von Bay-er MaterialScience zuständigfür Marketing und Innovation,anlässlich der Vertragsunter-zeichnung in Aachen. BayerMaterialScience will über denZeitraum von fünf Jahren ins-gesamt 6,05 Millionen Euro indas Zentrum für Katalysefor-schung investieren, Bayer Tech-nology Services beteiligt sichzusätzlich mit 1,25 MillionenEuro. Das Land NRW und dieRWTH Aachen steuern insge-samt weitere 2,7 Millionen Eurozur Finanzierung des Zentrumsbei. Bis zu zwölf Forscher wer-den dort arbeiten. „Die Ent-wicklung gänzlich neuer kataly-tischer Prozesse, wie wir sie indem gemeinsamen Zentrumanstreben, öffnet viele Chancenund stellt gleichzeitig eine enor-me Herausforderung dar“, er-läuterte Univ.-Prof. Dr. WalterLeitner, wissenschaftlicher Lei-ter des neuen Zentrums. Beider Katalyse können bereitskleinste Mengen eines „mole-kularen Heiratsvermittlers“ aus-reichen, um eine chemische Re-aktion in die gewünschte Rich-tung zu lenken oder sie über-haupt erst in Gang zu setzen.Eine nachhaltige Chemie hilftauf diesem Wege, neue Roh-stoffe zu erschließen und Pro-zesse effizienter zu gestalten,was wiederum den Energiever-brauch sowie die Emission vonCO2 senken kann. In direkterNachbarschaft zum Institut fürTechnische und Makromoleku-lare Chemie der RWTH, dessenGeschäftsführer ebenfalls Pro-fessor Leitner ist, stellt dieHochschule die notwendigenLaborräume auf einer Flächevon insgesamt rund 400 Qua-dratmetern zur Verfügung. DerLabortrakt wird derzeit mit Un-terstützung des Landes Nord-rhein-Westfalen und der RWTHumfassend modernisiert unddann gemeinsam mit BayerMaterialScience ausgestattet.

Hochschulrat bestätigtDer Senat der RWTH Aachenhat einstimmig die zehn Mit-glieder des Hochschulrates derRWTH Aachen bestätigt. MitInkrafttreten des Hochschulfrei-heitsgesetzes im Januar 2007wurde die Einführung vonHochschulräten als neuesSteuerungsgremium mit Auf-sichts- und Entscheidungsauf-gaben festgelegt. Zu diesenAufgaben zählen unter ande-rem Wahl, Abwahl und Bera-tung des Rektorates, Fachauf-sicht des operativen Geschäf-tes, Zustimmung zum Hoch-schulentwicklungsplan, denZielvereinbarungen sowie demWirtschaftsplan. Der Hoch-schulrat soll Impulse aus derGesellschaft und der Wirtschaftaufnehmen und diese in dieHochschule übermitteln. Vordiesem Hintergrund wurde sei-tens des Senats festgelegt, dassder Rat mit drei Vertretern fürdie Industrie und Wirtschaftund jeweils einem für die Na-turwissenschaften, die Hoch-schulmedizin, die Geisteswis-senschaften sowie die strategi-sche Hochschulplanung besetztwerden soll. Darüber hinauswird eine Persönlichkeit mit eu-regionalem Bezug, sowie einMitglied für die RWTH und dieStudierenden den Hochschulratkomplettieren. Andreas Pinkwart, Minister fürInnovation, Wissenschaft, For-schung und Technologie desLandes Nordrhein-Westfalenwird die Ernennungsurkundenüberreichen.

Einschreibung in BA- und MA-StudiengängeDie RWTH hat die Umstellungauf Bachelor und Master erfolg-reich abgeschlossen. Zum Win-tersemester 2007/08 erfolgenkeine Neueinschreibungenmehr zu Diplom- oder Magis-terstudiengängen. Nach dreiJahren ist damit die phasenwei-se, nach Fachbereichen struk-turierte Umstellung beendet.Die Anpassung an die Vorga-ben des Bologna-Abkommensführten einerseits zu einerhöheren Transparenz des Lehr-betriebs und -ablaufs, anderer-seits zu einer deutlichen Ver-besserung der Studienbedin-gungen und -betreuung. Insge-samt hat der aufwändige Pro-zess Kosten in Höhe von etwa1 Million Euro verursacht. Inenger Abstimmung mit den Fa-kultäten und unter Feder-führung von Prorektor Univ.-Prof. Dr.-Ing. KonstantinMeskouris erhielten alle Studi-engänge eine neue Struktur.Zur Anerkennung der neuenCurricula wurden umfangreicheAkkreditierungsverfahrendurchlaufen. So wurden die je-weiligen Studieninhalte konzen-triert und praxisorientierter ge-staltet, zusätzliche Lehrformenwie Projektarbeit und Präsenta-tionen verstärkt, die Betreuungdurch Kleingruppen intensiviertund die Anzahl studienbeglei-tender Prüfungen erhöht. Dar-über hinaus erfolgt nun vonBeginn an eine engere Ver-knüpfung von Theorie und Pra-xis. Durch die Modularisierungund die Vergabe von Creditsrückt die Arbeitsbelastung derStudierenden in den Vorder-grund. Mit der vollständigenUmstellung beginnt gleichzeitigeine differenzierte Qualitätssi-cherung. Es wird eine studenti-sche Lehrveranstaltungsbefra-gung durchgeführt, es gibt Stu-diengangsevaluierungen undauch Reakkreditierungen, sodass der Prozess kontinuierlichOptimierungen erfährt. DieDurchfall- und Absolventen-quoten werden sorgfältig beob-achtet werden. Es geschiehtmehrfach eine systematischeÜberprüfung der Verfahrensab-läufe und -ergebnisse bis hin zueiner Befragung der ersten BA-und MA-Absolventen.

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Bundesweit größtes Forschungsvorhaben der Orthopädie Rund 80 Wissenschaftler undIndustrievertreter sind in dasbundesweit größte Forschungs-vorhaben der Orthopädie “orthoMIT” eingebunden. Me-diziner, Elektrotechniker, Infor-matiker, Materialtechniker undArbeitswissenschaftler gehörenzum Team von orthoMIT. Ne-ben den Aachener Kliniken istauch das Helmholtz-Institut fürBiomedizinische Technik betei-ligt. Das Projekt orthoMIT wirdvom Bundesforschungsministe-rium für die Dauer von fünfJahren mit 13 Millionen Eurogefördert. Insgesamt 24 Partneraus Klinik, Forschung und Indus-trie erarbeiten unter dem Mot-to „Schonendes Operieren mitinnovativer Technik“ neue Ar-beitsplätze, Verfahren undWerkzeuge für die Orthopädie.

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MATLAB-CampuslizenzSeit dem 1. Oktober könnenStudierende und Mitarbeiterder RWTH Aachen jetzt dieSoftware MATLAB der FirmaThe MathWorks Inc. nutzen.Möglich wird dies durch eineCampuslizenz, die aus den Stu-diengebühren finanziert wird.Die Software MATLAB wird ins-besondere zur Lösung mathe-matischer Probleme und zurgrafischen Darstellung der Er-gebnisse eingesetzt. Initiiertwurde das Projekt durch Stu-dierende und Institute der Fa-kultät für Maschinenwesen so-wie der Fakultät für Elektro-technik und Informationstech-nik. Cleve Mole, der „Vater vonMATLAB“, besuchte im No-vember 2004 die RWTH Aa-chen. Univ.-Prof. Dr.-Ing. DirkAbel vom Institut für Rege-lungstechnik bemühte sich seit-her um eine Campuslizenz undfreut sich jetzt über die erfolgteVertragsunterzeichnung. Abelbetreute hochschulintern dieArbeitsgruppe MATLAB undwird dort auch weiter aktivsein, um die Weiterentwicklungder Campuslizenz zu begleiten.Geplant ist beispielsweise einjährlicher MATLAB-Day als In-formationsveranstaltung für dieNutzer. Zur Vertragsunterzeich-nung begrüßte Rektor BurkhardRauhut und Professor AbelAndreas Schindler von The MathWorks Inc.

Neues KompetenzzentrumIm Rahmen des Exzellenzclus-ters „Integrative Produktions-technik für Hochlohnländer“haben MTU Aero Engines ausMünchen und die RWTH einenVertrag zur Gründung desKompetenzzentrums „Verdich-ter für Flugtriebwerke“ unter-schrieben. Die Zusammenarbeitin der Forschung und Entwick-lung für die Auslegung, Gestal-tung und Fertigung der nächs-ten Generation von Triebwer-ken soll hier weiter vertieftwerden. „Die ausgeprägte In-novationskraft der RWTH Aa-chen, ihre kompetente Lehreund hervorragende Ausstattungwaren für uns die maßgebli-chen Gründe zur Einrichtung ei-nes solchen Kompetenzzen-trums“, erläuterte MTU-Vor-stand Dr. Rainer Martens anläss-lich der Vertragsunterzeichnungin Aachen. Bereits seit Jahrenbestehen zahlreiche gemeinsa-me Forschungsprojekte zwi-schen MTU und der RWTH Aa-chen, insbesondere mit demLaboratorium für Werkzeugma-schinen und Betriebslehre sowiedem Institut für Strahlantriebeund Turboarbeitsmaschinen.

AllemaniACs verteidigen WeltmeistertitelDie “AllemaniACs”, das Robo-terteam der RWTH Aachen,verteidigten bei den RoboCup-Weltmeisterschaften in Atlanta,USA, ihren Weltmeistertitel.Diesen hatten sie im Jahr 2006in Bremen errungen und konn-te den Erfolg bei den zweitenWeltmeisterschaften jetzt wie-derholen. Das Team wird gelei-tet von Dipl.-Inform. StefanSchiffer vom Lehr- und For-schungsgebiet Informatik 5.

Bauingenieure ausgezeichnetZum 15. Mal wurde in diesemJahr in der Fakultät für Bauin-genieurwesen der F.C. Trapp-Preisvergeben. Dieser Preis wird an jun-ge Bauingenieure und Bauinge-nieurinnen verliehen, die sich inkurzer Studienzeit ein breit an-gelegtes Fachwissen für denBeruf angeeignet haben. Darü-ber hinaus werden überdurch-schnittliche Prüfungsergebnisseund herausragende Themender Diplomarbeiten, die vonbesonderem Interesse für dieBauwirtschaft sind, erwartet.Praktische Erfahrungen sind zu-dem Voraussetzung dafür, denPreis zu erhalten.Die diesjährigen Preisträger Dipl.-Ing. Dirk Geschwind, Dipl.-Ing. Ruth Menge, Dipl.-Ing. Peter Gautier, Dipl.-Ing. Ilko Hartung und Dipl.-Ing. Christiane Mesternahmen im Beisein von Prodekan Rainard Osebold und Rektor Burkhard Rauhautdie Preise von Stifter Dr.-Ing.Friedrich Carl Trapp entgegen.

Neubau für die Thai-German Graduate SchoolDie Thai-German GraduateSchool konnte jetzt einen Neu-bau in Bangkok beziehen.Univ.-Prof. Dr.-Ing. Rolf H. Jansen,Leiter des Instituts für Theoreti-sche Elektrotechnik, ist Deut-scher Direktor der Thai-GermanGraduate School in Partner-schaft mit einem thailändischenKollegen. Jansen initiierte dasProjekt vor zwölf Jahren undwarb in der Politik, der deut-schen Großindustrie und beimDeutschen Akademischen Aus-tauschdienst hierfür Mittel ein.Gleichzeitig knüpfte er ein um-fassendes Sponsorennetzwerk,zu dem mittlerweile namhafteUnternehmen aus ganzDeutschland und Thailandzählen. Die administrativenAufgaben und Lasten werdengleichermaßen von den deut-schen und den thailändischenPartnern getragen. Die Thai-German Graduate School willdas Aachener Modell der indus-trieorientierten Ingenieursaus-bildung langfristig in Thailandetablieren und Studierende derIngenieurwissenschaften ausdem gesamten asiatischenRaum zum Master-Abschlussbeziehungsweise zur Promotionführen.

Vodafone Förderpreis für Anke SchmeinkDer Förderpreis der Vodafone-Stiftung für Forschung wurdeim Bereich Natur- undIngenieurwissenschaften anDr.-Ing. Anke Schmeink verge-ben. Schmeink studierte an derRWTH Aachen Mathematik mitNebenfach Medizin und pro-movierte anschließend mit Aus-zeichnung in Elektrotechnikund Informationstechnik. In ih-rer Dissertation mit dem Thema„Capacity Analysis and Resour-ce Allocation in Wireless Com-munication Systems“ hat sieeinen interdisziplinären Lö-sungsansatz zur optimalen Aus-nutzung der Kapazitäten in mo-bilen Kommunikationsnetzenvorgelegt. Die erarbeiteten Lö-sungen garantieren die faireZuweisung von Mindestqualitä-ten für alle Mobilfunknutzerund bieten gegebenenfalls so-gar eine bessere Zuweisung derRessourcen. Mit dem Innova-tionspreis sowie den Förderprei-sen, die seit 1997 vergebenwerden, prämiert die Vodafo-ne-Stiftung für Forschung inder Mobilkommunikation her-ausragende, innovative For-schungsergebnisse auf diesemGebiet. Schmeink ist nach Dr.-Ing. Jörg Habetha bereits derzweite Preisträger des Förder-preises der Aachener Hoch-schule. Darüber hinaus erhiel-ten die RWTH-ProfessorenHeinrich Meyr im Jahr 2000und Rudolf Mathar im Jahr2002 für ihre bahnbrechendeForschung zur digitalen Mobil-funktechnik den angesehenenInnovationspreis.

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THEMEN 2/2007

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Auszeichnung für Stefanie Angel Die Gesellschaft für Wissen-schaft und Leben hat in diesemJahr erstmals einen Wissen-schaftspreis verliehen. Die Aus-zeichnung im Bereich Ingeni-eurwissenschaften ging an Dipl.-Ing. Stefanie Angel, dieam Institut für Eisenhüttenkun-de promovierte. Den mit 1.000Euro dotierten Preis erhielt siefür ihre Dissertation, die sichmit der Herstellung und Cha-rakterisierung metallischerSchäume befasst. Angel stu-dierte an der RWTH Bauinge-nieurwesen und ist seit 2003Wissenschaftliche Mitarbeiterinim Institut für Eisenhüttenkun-de. Sie beschäftigt sich in ihrerDissertation mit metallischenSchäumen, die Strukturen ausder Natur zum Vorbild habenund zu einer relativ jungenWerkstoffgruppe gehören. DieStärken von Schäumen liegenin ihrer niedrigen Werkstoff-dichte sowie ihren definiertenstrukturellen und funktionellenEigenschaften. Mit einem spezi-ellen Verfahren stellen die Aa-chener Wissenschaftler einenoffenporösen Schaum her, derje nach den späteren Einsatzge-bieten mit bestimmten Merk-malen im Hinblick auf Dichte,Druckfestigkeit eingestellt wer-den kann. Die wissenschaftliche Arbeitvon Stefanie Angel findet imRahmen des Projektes „Ent-wicklung von offenporigenSchäumen aus Nickelbasislegie-rungen und intermetallischenPhasen“ statt. Es ist Teil des ander RWTH angesiedelten inter-disziplinären Sonderforschungs-bereichs 561 „Thermisch hoch-belastete, offenporige undgekühlte Mehrschichtsystemefür Kombikraftwerke“.

Auszeichnung für Dr. Björn LüssemMit dem VDE-PromotionspreisNordrhein-Westfalen 2007wurde Dr. Björn Lüssem imRahmen eines Festaktes ausge-zeichnet. Er begann zum Win-tersemester 1997 sein Studiumder Elektrotechnik und Infor-mationstechnik. Im Winterse-mester 2003 beendete er diesesmit Auszeichnung und erhieltfür seine Diplomarbeit dieSpringorum-Denkmünze derFreundesgesellschaft proRWTH.Anschließend promovierte Lüssem am RWTH-Lehrstuhlfür Werkstoffe der Elektrotech-nik II bei Univ.-Prof. Dr. RainerWaser. Die Arbeit fertigte er amForschungszentrum Jülich anund wurde auch mit einemGünther Leibfried-Preis desForschungszentrums Jülichdafür ausgezeichnet. Mit seinerArbeit steht Dr. Lüssem bei-spielhaft für die Kooperationzwischen Aachen und Jülich imBereich künftiger Informations-technologien, welche in diesemJahr mit zur Gründung der Jü-lich Aachen Research Alliance(JARA) geführt hat. Der Preis-träger hat im Rahmen seinerPromotion Methoden ent-wickelt, mit denen man dieLeitfähigkeit von einzelnenelektronisch aktiven Molekülenmessen kann, er arbeitet hier ineinem Grenzbereich zwischenInformationstechnik, Physikund Chemie. Die Ergebnisse derArbeit sind von großer Bedeu-tung für die langfristige Ent-wicklung der so genanntenMolekularelektronik. Dies istein Konzept, in dem elektroni-sche Funktionen wie das Schal-ten und Speichern von digitalerInformation auf einzelne orga-nische Moleküle reduziert wer-den soll.

MOGAM-Gebäude eingeweihtNach nur zehn Monaten Bau-zeit wurde von der AachenerNiederlassung des Bau- undLiegenschaftsbetriebs NRW dasso genannte MOGAM-Gebäu-de an die RWTH übergeben.Rund 800 Quadratmetern ste-hen den Studierenden jetzt zumLernen und Arbeiten zur Verfü-gung. An etwa 130 Arbeitsplät-zen können sie zwischen denLehrveranstaltungen des be-nachbarten Kármán-Auditori-ums und der nahe liegendenInstitute im MOGAM lesen, anLaptops arbeiten oder diskutie-ren. Die vier Geschosse und ei-ne Empore sind als Atelier aus-gebaut und von einer Fassadeaus Kunststoff und raumhohenGlasflächen umgeben. DasMOGAM-Atelier hat rund 1,8Millionen Euro gekostet. Dergrößte Teil des Betrages, näm-lich eine Million Euro, wurdevon Dr. Young-Sup Huh, CEOder Green Cross Corp. in Seoul,Süd-Korea, sowie Absolventund Ehrensenator der RWTHAachen, gespendet. Erst dieseSpende machte die Realisierungdes lange gewünschten studen-tischen Lern- und Arbeitszen-trums möglich. Als Referenz andieses großzügige Engagementist das neue Gebäude nachdem Lebensmotto von Young-Sup Huh „MOGAM” benannt,was so viel bedeutet wie „dieErde zum Blühen bringen”.

Auszeichnung für Jochen HahnenJochen Hahnen erhielt jetzt denConvergators Award in der Ka-tegorie Mobile Content. DerConvergators Award wird unterder Schirmherrschaft des Bun-desverbands Informationswirt-schaft, Telekommunikation undneue Medien, kurz BITKOM,für vier Kategorien verliehen.Im Mittelpunkt stehen dabei al-lerdings nicht die Technologien,sondern die Menschen, die sichals Vorreiter gezeigt haben. DiePreisträger der Kategorien ha-ben anschließend die Möglich-keit, einen von drei weiterenPreisen zu gewinnen. Hahnenbegann sein Studium im Win-tersemester 2000 und ist seit2006 am Fraunhofer-Institut fürAngewandte Informationstech-nik (FIT) in St. Augustin alsWissenschaftlicher Mitarbeitertätig. Er entwickelte währendseines Studiums erste Ideen fürdas System Mobota, das auchheute noch im Mittelpunkt sei-ner Arbeit steht. Univ.-Prof. Dr.Matthias Jarke vom RWTH-Lehrstuhl für Informatik 5 (In-formationssysteme und Daten-banken) und Leiter des Fraun-hofer-Instituts für AngewandteInformationstechnik freut sichmit dem RWTH-Absolventenüber seinen Erfolg: „Die Aus-zeichnung für Jochen Hahnenist ein schöner Beweis für inno-vative Anwendungen multime-dialer Mobilkommunikation.“Der Mobile Outdoor TrainingAssistant, kurz Mobota, ver-wandelt GPS-fähige Mobiltele-fone eines Sportlers in mobileTrainingspartner. Er unterstütztden Sportler beispielsweise beider Navigation in unbekanntemGelände oder ermöglicht es,virtuelle Kämpfe gegen einenanderen Sportler aus demCommunity-Portal von Mobotaauszuführen.

Nachrichten

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In der nächsten Ausgabe:

ionik – Schnittstelle zwischen Natur und Technik

iologisch inspirierte Prothesen und Implantate

orbilder der Natur in metallische Gussteile umgesetzt

anofasern für die Nervenregeneration

ionische Venenklappen

essere Textilien dank neuronaler Netze

erkstoffe mit Licht funktionalisieren

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