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RWTH-Themen Elektromobilität in Aachen

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Berichte aus der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen

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ImpressumHerausgegeben

im Auftrag des Rektors:

Dezernat Presse- und Öffentlichkeitsarbeit

der RWTH Aachen Templergraben 55

52056 AachenTelefon 0241/80-94327Telefax 0241/80-92324

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Verantwortlich:Toni Wimmer

Redaktion:Sabine Busse

Angelika Hamacher

Fotos:Peter Winandy

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Art direction:Klaus Endrikat

DTP:ZAHRENDesign,

Aachen

Druck: Vereinte Druckwerke

Neuss

Gedruckt auf chlorfrei gebleichtem Papier

Das Wissenschaftsmagazin „RWTH-Themen”

erscheint einmal pro Semester. Nachdruck einzelner Artikel,

auch auszugsweise, nur mit Genehmigung der Redaktion.

Für den Inhalt der Beiträge sind die Autoren verantwortlich.

Wintersemester 2010

Fo-

to:

AUS DEM INHALT

Mit Elektromobilität die Zukunft gestalten 6Eine Forschungs- und Innovationsplattformfür Kleinstfahrzeuge: StreetScooter 8Aachen bietet Infrastruktur für Elektromobilität 12Ganzheitliche Entwicklung eines Elektrofahrzeuges 14SmartWheels – Intelligente Elektromobilität 18Aus Aachen wird E-Aix 22Elektrische Maschinen für alternative Antriebskonzepte 26Ein Netzwerk mit System: eMobil-Module 32Trends in der Fahrzeugproduktion 36Lebensdauer von Lithium-Ionen-Batterien 46Robuster Antriebsstrang für Elektrostraßenfahrzeuge 52Leichtbau und Kosteneffizienz 58Textile Engineering – eine Schlüsseltechnologie 62Was bedeutet Elektromobilität für einenachhaltige urbane Mobilität? 68Institute und Autoren 70Namen & Nachrichten 72

Elektromobilität made in Aachen

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Vorw

ort Mittlerweile herrscht Einigkeit über den Stellenwert der

Elektromobilität – sie ist längst keine „Option“ mehr,sondern wird als Notwendigkeit anerkannt. Die Motiva-tion hat dabei mehrere Dimensionen: Neben der ökolo-gischen Dimension der Schadstoffreduzierung sowie derwirtschaftlichen Dimension der Energiekosten spieltauch die politische Dimension eine entscheidende Rolle.Zum einen ist die Zukunftsfähigkeit der deutschen Au-tomobilindustrie Voraussetzung für den Erhalt von Ar-beitsplätzen, zum anderen birgt gerade die Produktionvon Batteriezellen und –systemen die Chance, die Ab-hängigkeit der Mobilität von fossilen Energieträgernsukzessive zu reduzieren und Deutschland zu einem„Treibstoffproduzenten 2.0“ zu machen.

Die fortschreitende Einführung der Elektromobilitätstellt dabei die Wissenschaft vor neue Herausforderun-gen: Einst ungeliebte Fächer wie die Elektrochemie ge-nießen ein Comeback, der Kommunikations- und Ko-operationsbedarf zwischen Fakultäten und Instituten in-tensiviert sich und es entsteht eine zunehmende Nach-frage nach Absolventinnen und Absolventen, die so-wohl fundierte Maschinenbau- als auch Elektrotechnik-kompetenz in sich vereinen.

Die RWTH Aachen hat eine Geschäftsstelle Elektro-mobilität gegründet, welche die vielfältigen Kompeten-zen systematisiert und Anlaufstelle für externe Anfragenist. Aktuell wird an der RWTH Aachen ein Projektvolu-men von weit mehr als 50 Millionen Euro im Bereich derElektromobilität bearbeitet. Die Bearbeitung vonGroßprojekten - wie beispielsweise des mit 22 MillionenEuro durch das BMBF geförderten Projekts „e perfor-mance“ - erfordert eine enge interdisziplinäre Koopera-tion von mehreren Instituten zumeist unterschiedlicherFakultäten. Diese Ausgabe der „RWTH-Themen“ ver-mittelt einen Einblick in aktuelle Projekte und will An-knüpfungspunkt für weitere Forschungsprojekte und -kooperationen auf diesem zentralen Zukunftsfeld sein.

In den kommenden Jahren baut die RWTH Aachenihre hervorragende Infrastruktur durch zusätzliche Bau-steine wie etwa das Testzentrum Aldenhoven, das Cen-ter for Mobile Propulsion und das Battery-Grid Interac-tion Center weiter aus. Damit werden exzellente Rah-menbedingungen für eine wegweisende Forschung undLehre geschaffen, die nicht nur für die universitäreGrundlagenforschung, sondern auch für Forschungsko-operationen zwischen Industrie und Hochschule einewertvolle Grundlage darstellen.

Univ.-Prof. Dr.-Ing. Ernst SchmachtenbergRektor

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litätskonzept eingegliedertwerden und an den Schnitt-stellen - zum Beispiel Bahnhö-fen - zur Anmietung und Nut-zung zur Verfügung stehen.Auf der untersten Ebene derElektromobilität befinden sichdie zweirädrigen Elektrofahr-zeuge, so genannte Pedelecsoder Elektroroller, die auf urba-nen Kurzstrecken höchste indi-viduelle Mobilität ermöglichen.Während in den meisten Re-gionen Europas das Auto dasdominierende Fortbewegungs-mittel darstellt, wird in Chinader Elektroroller das Fahrradablösen und das Rückgrat derMassenmobilität darstellen.Diese Kundenanforderungen inVerbindung mit kulturellen Un-terschieden stellen daher eineder Rahmenbedingungen dar,mit der auch der Blick auf diePreisbereitschaft potenzieller Kunden verbunden ist.

Die Nutzung elektrisch be-triebener Fahrzeuge setzt dieBereitstellung einer entspre-chenden Infrastruktur voraus,welche in Zukunft weiter aus-gebaut werden muss. Für dieersten auf den Markt kom-menden Elektrofahrzeuge istes wichtig die Möglichkeit ei-nes Nachladens an einer kon-ventionellen Steckdose einzu-richten, da diese Infrastrukturbereits weit verbreitet ist. Miteiner zunehmenden Verbrei-tung von Elektrofahrzeugenund einer Zunahme der Spei-cherkapazität von Batterienmüssen zusätzlich entspre-chenden Ladeterminals errich-tet werden, an denen dieseBatterien schneller geladenoder eventuell sogar ausge-

Christian-Simon Ernst

grad besitzen. Die Energieeffi-zienz hat eine besonders hoheökonomische Bedeutung fürdie Volkswirtschaft und fürden Kunden, der pro Kilometerdeutliche Einsparungen erzie-len kann.

Elektromobilität umfasst al-le Fahrzeugklassen, vom Elek-troroller über Personenkraft-wagen bis hin zu leichtenNutzfahrzeugen, Bussen undKommunalfahrzeugen. DerAntrieb muss dabei nicht zwin-gend rein elektrisch ausgeführtsein, sondern kann vielfältigeTopologien aufweisen, solangeauch ein rein elektrisches Fah-ren mit „Strom aus der Steck-dose“ möglich ist. Damit sindso genannte Plug-in Hybride,Elektrofahrzeuge, Range Ex-tender Fahrzeuge als auchBrennstoffzellenfahrzeugenmögliche Ausprägungen derElektromobilität.

Die Elektromobilität als au-tomobile Mobilitätslösung glie-dert sich in Zukunftskonzeptenin ein übergeordnetes Mobi-litätsnetzwerk ein, welches sichüber mehrere Ebenen er-streckt. Auf der obersten Ebe-ne des elektrischen undschnellen Langstreckenver-kehrs befinden sich Schienen-fahrzeuge, wie der Transrapidoder der ICE. Diese Ebene wirdin der deutschen und europäi-schen Diskussion weitgehendausgeklammert, obwohl eshier interessante Anknüp-fungspunkte gibt. Auf dermittleren Ebene liegen batte-riebetriebene Elektrofahrzeuge,welche in Zukunft über ver-schiedenste Geschäftsmodellein ein ganzheitliches Mobi-

tauscht werden können. Dabeikönnen grundsätzlich verschie-dene Ladestrategien unter-schieden werden. Die Installa-tion von Lademöglichkeitenam Arbeitsplatz und amWohnort ermöglicht die Nut-zung von Batterien mit ver-gleichsweise geringer Kapa-zität, da häufig nachgeladenwerden kann. Zusätzlich eröff-net sich die Option mit einerintelligenten Ladeinfrastrukturnur bei besonders niedrigenStrompreisen nachzuladen.Zum Austausch der Batterienbenötigte Batteriewechselkon-zepte sind derzeit interessanteForschungsthemen, erscheinenjedoch in Verbindung mit dendamit verbundenen Standardi-sierungs- und Abrechnungs-modellbemühungen sowie denökonomischen Anstrengungenals schwierig umsetzbar.

Damit Elektromobilitätnicht zu starken Einschränkun-gen in den üblichen Lebensge-wohnheiten führt, gilt es dieVariablen Reichweite, Ladezeitund Abrechnungsform so an-zupassen, dass sich die Kundenschrittweise an die neuen For-men der Mobilität annähern,beziehungsweise sich derenVorteile erschließen können.Eine große Bedeutung kommtdabei den Stromversorgern zu,welche die Entwicklung in star-kem Ausmaß beeinflussenkönnen. Verbunden mit derBereitstellung dieser infrastruk-turellen Gegebenheiten ist dieVision einer „ElektromobilenStadt“. In dieser, so die Vor-stellung, sind Zonen denkbar,in denen ausschließlich elek-trisch gefahren werden darf,

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Mit Elektromobilität

EElektromobilität wird in Zu-kunft der wesentliche Bausteinzur Lösung der umweltpoliti-schen und ökonomischen Her-ausforderungen für eine nach-haltige Mobilität sein. Treiben-de Kraft für eine Veränderungder Mobilität sind verschiede-ne Faktoren. Ein wesentlicherAspekt liegt in der Entstehungso genannter „Megacities“: Inden zwanzig größten Metro-polen leben derzeit rund 280Millionen Menschen mit einerweiterhin stark steigendenTendenz, so dass konventio-nelle Mobilitätskonzepte hieran ihre Grenzen stoßen. Wei-tere beeinflussende Faktorensind die endliche Verfügbar-keit der fossilen Ressourcen,die Ölpreisschwankungen so-wie eine weltweit starke –wenn auch uneinheitliche –Förderung der Elektromobi-lität.

Durch Elektrofahrzeuge inKombination mit weitgehendCO2-frei erzeugtem Strom,beispielsweise aus regenerati-ven Energiequellen, kann derZunahme der Umweltbela-stung entgegengewirkt undinsbesondere in Ballungszen-tren die lokale Lärm- und Ab-gasemissionsbelastung signifi-kant reduziert werden.

In einer Analyse einer um-fassenden Energiebilanz (Well-to-Wheel) wird das volle Po-tenzial von Elektrofahrzeugensichtbar: Durch die Elektrifizie-rung des Antriebsstrangs lässtsich die Energieeffizienz im ur-banen Verkehr deutlich stei-gern, da konventionelle PKWim Stop-and-Go-Verkehr einenrelativ schlechten Wirkungs-

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was insbesondere für die Emis-sionen der zunehmenden Zahlder Megastädte ein positivesBild darstellt. Ein erstes Bei-spiel, wie ein solches Konzeptentstehen könnte, zeigt die„Congestion Zone“ in London,welche nur von elektrischenund hybridisierten Fahrzeugenohne das Entrichten einerMaut befahren werden darf.Auf diese Weise sollen Anreizegeschaffen werden, auf denöffentlichen Nahverkehr aus-zuweichen und so einen Bei-trag zur lokalen Emissionsre-duktion zu leisten. Ein ähnli-ches Anreizsystem könnte fürdie Nutzung rein elektrisch be-triebener Fahrzeuge entwickeltwerden.

Die Vernetzung vieler Sys-teme eröffnet das Potenzial,die Ladekapazität von Batteri-en künftig als Strompuffer zunutzen. Insbesondere im Zu-sammenhang mit der Nutzungerneuerbarer Energiequellenwie Wind- und Solarenergiekommt diesem Aspekt einestarke Bedeutung zu. DieserStrom wird nicht gleichmäßigerzeugt, sodass Angebot undNachfrage von Spitzenlast teil-weise erheblich voneinanderabweichen, was im Extremfallzu negativen Strompreisenführt. Die Batterien der Elek-trofahrzeuge könnten hier alsZwischenspeicher dienen, diein Spitzenangebotszeiten über-schüssige Energie speichernund diese in Spitzenlastzeitenwieder zur Verfügung stellen.Herausforderungen liegen hier-bei im intelligenten Lastmana-gement und der Rückspeisungins Stromnetz. Erforderlich sind

hierzu intelligente Stromzähler.Eine Vergütung für die Nut-zung der privaten Batterien alsEnergiepuffer des Stromnetzesimpliziert hier zusätzlich neueGeschäftsmodelle.

Die Facetten der Elektro-mobilität werden an derRWTH Aachen durch die Ge-schäftsstelle Elektromobilität,kurz GSE, koordiniert. An mehrals 30 Hochschulinstitutenwird das Forschungsgebiet ausunterschiedlichsten Blickwin-keln untersucht. Die Kompe-tenzen der Aachener Hoch-schule im Bereich der For-schung und Entwicklung er-strecken sich von der Grundla-genforschung über die Kom-ponenten des elektrischen An-triebsstrangs wie Batterien,Leistungselektronik und Elek-tromotoren, deren Integrationin neuartig entwickelte fle-xible, sichere und innovativeFahrzeugkonzepte, bis hin zurEinbindung in die Infrastrukturfür Elektromobilität. Durch ei-nen ganzheitlichen Ansatzwerden zur Fahrzeug- undKomponentenentwicklung dieintelligente Produzierbarkeitund das Recycling dieser Fahr-zeuge in innovativen Struktu-ren untersucht. Das Forschungs-feld wird abgerundet durch dieEntwicklung neuer innovativerMobilitätskonzepte sowie Ge-schäftsmodelle, welche die ur-bane Mobilität nachhaltig be-einflussen. Einen gemeinsamenNukleus der Aktivitäten bildetdie durch die GSE begleiteteEntwicklung der Innovations-plattform StreetScooter. Darü-ber hinaus stehen im Bereichder Einbindung der Elektromo-

bilität in die Gestaltung derStromnetze und den Ausbauerneuerbarer Energien ebenfallsumfassende Kompetenzen undForschungsbereiche bereit.Auch die ökonomischen bezie-hungsweise verhaltensöko-nomischen Aspekte werden indieser Zusammenarbeit behan-delt.

Durch RWTH-Forschungund Entwicklung in den ge-schilderten Themenfeldernwird nachhaltig den ökonomi-schen und umweltpolitischenHerausforderungen durch dieNutzung der umfassenden Po-tenziale der elektromobilenEntwicklung entgegnet.

Autor:Dipl.-Ing. Dipl.-Wirt. Ing. Christian-Simon Ernst ist Wissenschaftlicher Mitarbeiteram Institut für Kraftfahrzeugeund Referent für Fahrzeug-technik in der GeschäftsstelleElektromobilität.

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die Zukunft gestaltenRWTH-Wissenschaftler arbeiten ganzheitlich an Fragestellungen rund um die individuelle Mobilität der Zukunft

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Christian-Simon Ernst, Thomas Finken, Achim Kampker,

Tobias Reil, Fabian Schmitt

20.000 Euro fokussieren. DiesesMarktsegment ist charakterisiertdurch die Nutzung als urbanesZweit- und/ oder Stadtfahrzeug,welches mit einer deutlich niedri-geren Reichweite auskommt.Damit distanziert sich das Projektdeutlich von den aktuellen An-geboten am Markt und schafftein Alleinstellungsmerkmal. Po-tenzielle Kunden müssen nunbeim Kauf zwischen fast unbe-schränkter - aber häufig nichtbenötigter - Reichweite eineskonventionellen Fahrzeugs undeinem attraktiven Preis mit nied-rigeren laufenden Kosten abwä-gen.

Am ökonomischsten für dieindividuelle Mobilität ist es, ver-gleichsweise kurze Strecken bismaximal 130 km Distanz mit ei-nem Elektrofahrzeug zurückzule-gen. Somit besteht die Chance,einen Großteil der individuellenMobilität eines durchschnittli-chen Fahrzeugnutzers rein elek-trisch, und somit lokal emissions-frei durchzuführen. Die darüberliegenden Strecken von über 130km, die mit mehreren StundenFahrt verbunden sind, werdenidealerweise mit einem konven-tionellen verbrennungsmotori-schen PKW oder mit der Bahnzurückgelegt. Als Ergebnis derMarktstudie und der typischenMobilitätsanforderungsverteilung

spiegelt das Lastenheft die gro-ben Zielwerte für die Gesamt-fahrzeugentwicklung des Street-Scooter wider:

Höchstgeschwindigkeit: 105 km/hLeistung: etwa 30 kWMinimale Reichweite: 45 – 130 km (durch modu-lare Batterie gestaffeltVerbrauch: < 12 kWh/100 kmGewicht: < 750 kg (exkl. Batterie), Batteriege-wicht < 250 kg

Als weitere Attribute werdenaußerdem ein konkurrenzfähigniedriger Preis, eine Modularitätzur Darstellung von mehrerenVarianten und offene Schnittstel-len zur Individualisierung anvi-siert. Gerade diese Attributeeröffnen Gestaltungsraum zurUmsetzung von revolutionärenIdeen im Rahmen der Innovati-onsplattform, und unterstütztendamit weitere Prozesse, die zurOptimierung von Elektrofahrzeu-gen beitragen.

Im Kern der Forschungs- undEntwicklungsaktivitäten des StreetScooters steht das modula-re Fahrzeugkonzept, auf dessenBasis dem Kunden ein in Größeund Reichweite individuell di-mensioniertes Fahrzeug angebo-

ten werden kann. So sollen inZukunft mehrere Derivate für ei-ne breite Modellpalette basie-rend auf einem vielfältig genutz-ten Baukasten angeboten wer-den können. In der ersten Pro-jektphase fokussieren sich dieEntwicklungsaktivitäten auf ei-nen kompakten Zweisitzer.Zukünftig plant die StreetScooterGmbH, auf Basis des gleichenBaukastens auch ein Coupé, Ca-brio, Viersitzer oder ein leichtesNutzfahrzeug darzustellen. Derhierfür nötige Modularitätsge-danke wird dabei in allen Ge-werken des Fahrzeugs, beispiel-haft der Karosserie, dem elektri-schen Antriebsstrang und derMensch-Maschine-Schnittstelleberücksichtigt.

Bei der Entwicklung einerKarosseriestruktur für ein Elek-trofahrzeug eröffnen sich neueFreiheitsgrade hinsichtlich des zuVerfügung stehenden Bauraums.So ermöglicht der bisher für denMotorblock vorgesehene Raumeine innovative Gestaltung undAuslegung der Crashstrukturen.Darüber hinaus begünstigen derWegfall oder die Elektrifizierungweiterer Komponenten einenmodularen Aufbau der gesamtenFahrzeugstruktur.

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Die Zahl der in den Städten le-benden Menschen nimmt signifi-kant zu. So prognostizieren dieVereinten Nationen, dass im Jahr2015 insgesamt 40 Prozent derWeltbevölkerung in Städten mitmehr als einer Million Einwoh-nern leben. Herkömmliche Fahr-zeugkonzepte finden daher inden Zukunftsentwürfen von Ver-kehrs- und Städteplanern immerweniger Platz. Erforderlich ist ei-ne neue Generation von Klein-und Kleinstfahrzeugen, die weni-ger Raum benötigen, lokal ohneSchadstoffe auskommen undoptimal auf die Mobilitätsbedürf-nisse in Ballungszentren abge-stimmt sind.

Der Markt für Elektrofahr-zeuge befindet sich erst in derEntstehungsphase und bietet da-her Chancen für neue Wettbe-werber. Die RWTH Aachenstrebt in enger Zusammenarbeitmit der Industrie die Verwirkli-chung des StreetScooters an, ei-nes kompakten urbanen Elektro-autos. Dieser wird an der Hoch-schule zu einer Innovationsplatt-form entwickelt, auf der zukünf-tig anwendungsnahe For-schungsaktivitäten abgebildetund bewertet werden können.Durch die Zusammenführungder Entwicklungsaktivitäten derEinzelkomponenten lassen sichin der Innovationsplattform neueSystemfunktionalitäten darstel-len, deren Ziel die Erhöhung desGesamtwirkungsgrades ist. Dieseinnovativen Lösungen konzen-trieren sich auf Effizienz, Sicher-heit und Zuverlässigkeit des Sys-temverbundes. Während die be-teiligten RWTH-Einrichtungenihren Fokus auf den Aspekt derForschungs- und Innovations-plattform legen, arbeitet parallelein in der StreetScooter GmbHorganisiertes Industriekonsortiuman der Kommerzialisierung desFahrzeugs einschließlich der Pro-duktion einer Kleinserie.

Im Vorfeld des StreetScooter-Projektes wurden detaillierteMarktanalysen durchgeführt undder Bedarf der Mobilität ver-knüpft mit Fahrzeugneupreisenauf dem aktuellen Stand ermittelt.Der Markt für den StreetScooterwird sich auf den Wettbewerb mitKleinwagen zu Preisen unter

Der StreetScooter als

Bild 1: Verteilung der Strecken.

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Die Herausforderung liegtfolglich darin, eine Fahrzeugs-truktur zu entwickeln, die dieGestaltungspotenziale einesElektrofahrzeugs ausnutzt und inEinklang mit den neuen Anfor-derungen bringt. Dabei sind ins-besondere die Aspekte Sicherheitund Zuverlässigkeit, Leichtbauund Individualisierbarkeit zuberücksichtigen. Zusätzlich misstdie StreetScooter GmbH einerintegrierten Produkt- und Pro-zessentwicklung eine hohe Be-deutung bei, um die Kosten ge-ring zu halten. Denn zu denRahmenbedingungen der Ent-wicklung zählt auch die realisti-sche Fokussierung auf 10.000erStückzahlen, welche die geeig-nete Flexibilität bietet, um auf ei-ne zukünftige Nachfragesteige-rung angemessen reagieren zukönnen.

Um diese Anforderungen er-füllen zu können, eignet sich ei-ne intensive Verwendung derProfilbauweise, bei der die Fahr-zeugstruktur zum größtmögli-chen Anteil aus standardisiertenKomponenten gefertigt wird. Ei-ne kostengünstige Fertigung ei-ner derartigen Karosseriestrukturbei kleinen Stückzahlen gelingt,wenn in hohem Maße Skalenef-fekte der Komponenten erzieltwerden. Hierzu wird ein Karos-seriebaukasten entwickelt, derdurch die Möglichkeiten derSkalierbarkeit universell für ver-schiedene Derivate eingesetztwerden kann. In Verknüpfungmit der Profilbauweise wird dieBeplankung des StreetScootersmit einer Kunststoffaußenhautdurchgeführt. Diese Außenhaut-bauteile können bereits einge-färbt an die Produktionslinie an-geliefert werden. Dies verein-facht die Logistikgestaltung umdiesen Fertigungsschritt enormund eröffnet somit weitere Kos-tenreduzierungspotenziale in derProduktion.

Der elektrische Antriebs-strang weist ein besonderes Po-tenzial auf, sich aus zu ent-wickelnden Modulbaukästen zubedienen, um die Anzahl der un-terschiedlichen Produktvariantenzu minimieren und derivatüber-greifend einheitliche Komponen-ten zu installieren. Die angestrebte

Nutzung einheitlicher Antriebsag-gregate, welche zum Ende derProduktion mit entsprechenderSoftware auf die Anwendung inunterschiedlichen Derivaten ange-passt wird, stellt ein naheliegendesBeispiel der Gleichteilestrategiedar.

Der Modularitätsgedankewiederholt sich auch in der Leis-tungselektronik. Hierbei liegendie Schwerpunkte auf einer Re-duzierung der Kosten, sowie aufRedundanz des Systems. WeitereMöglichkeiten mit Kosten-senkungspotenzialen zeichnensich beispielsweise durch innova-tive Lösungen die eine verklei-nerte Ausführung der Zwi-schenkreiskapazität ermöglichen,welche ein Kostentreiber vonheutigen Umrichtern ist.

Eine zentrale Bedeutung imProjekt nimmt die Batterie ein.Einerseits wird über sie dieReichweite definiert, andererseitswirkt sie als Kostentreiber. Pas-send zum tatsächlichen Bedarfdes Kunden, werden verschiedenBatteriepacks mit 45, 90 und130 km Reichweite angeboten.Das modulare Konzept sieht vor,die Batteriepacks in den Sand-wichboden der Karosserie zu in-tegrieren. Dieser Montageort er-möglicht eine einfache Montage,eine einfache Wartung und si-chert die Packs im Unfall best-möglich ab.

Auch im Rahmen derMensch-Maschine-Schnittstellewird der Ansatz verfolgt, durcheinen modularen Aufbau einehohe Skalierbarkeit der Funktio-nalität zu erreichen. Dies wirdbeispielsweise durch eine stan-dardisierte, offene Schnittstelleerreicht, mit der Smartphonesund weitere mobile Endgerätemit Hilfe eines gerätespezifischenAdapters an das Fahrzeug ge-koppelt werden und sie somitwesentliche Funktionen des Info-tainments und klassischer Fahrer-informationssysteme, wie zumBeispiel die Navigation, überneh-men. Über die standardisierteSchnittstelle stehen für Zusatzap-plikationen die aktuellen Fahr-zeuginformationen zu Ge-schwindigkeit, Batterieladezu-stand oder Reichweite zur Verfü-gung. Somit ist eine Plattform

zur freien Entwicklung von Soft-wareapplikationen für dieseEndgeräte mit zusätzlichemKundennutzen geschaffen. Da-bei muss jedoch sichergestelltwerden, dass gesetzlich vorge-schriebene Anzeigen durch Soft-ware Dritter nicht negativ be-einflusst werden.

Der Fokus des Projekts liegtderzeit auf der Prototypen- undVorserienentwicklung. Währenddieser zweijährigen Entwick-lungsphase werden in Zusam-menarbeit mit bekannten Indu-striepartnern wie Wittenstein,Dräxlmaier, Aumann und derProduction.Net GmbH sowieweiteren Industriepartnern zehnPrototypenfahrzeuge gebaut,welche einem intensiven Test-programm unterzogen werden.Auf Basis dieser Prototypenfahr-zeuge wird eine Industrialisie-rung der Forschungsaktivitätenin der StreetScooter GmbH an-gestrebt, welche Serien- undFeld-erfahrung zurück in dieHochschule speist. Gleichzeitigwird die Forschung und Ent-wicklung an zukünftigen Deri-vaten des StreetScooter auf Ba-sis der Innovationsplattformweiter voran getrieben, so dassweitere Innovationen eine Ver-wertung in der angestrebtenKleinserienproduktion der Street-Scooter GmbH finden können.

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InnovationsplattformEine Forschungs- und Innovations-plattform für Elektrofahrzeuge

Autoren:Dipl.-Ing. Dipl.-Wirt. Ing. Christian-Simon Ernstist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Kraftfahrzeuge und Referent fürFahrzeugtechnik in der Geschäftsstelle Elektromobilität. Dipl.-Ing. Thomas Finkenist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Elektrische Maschinen und Refe-rent für Elektrotechnik in der Geschäftsstelle Elektromobilität. Univ.-Prof. Dr.-Ing. Achim Kampker ist Leiter des Lehrstuhls für Produktionsmanagement des Werkzeugmaschinenlabors(WZL) und Geschäftsführer der StreetScooter GmbH.Dipl.-Ing. Dipl.-Wirt. Ing. Tobias Reilist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl fürProduktionssystematik und Referent für Produktions-technologie in der Geschäftsstelle Elektromobilität.Dipl.-Ing. Fabian Schmittist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut fürKraftfahrzeuge und Leiter der Geschäftsstelle Elek-tromobilität.

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Bild 2: Styling-Meetings definieren das attraktive Aussehen des StreetScooters.Foto: Peter Winandy

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TTobias Reil

Aachen bietet

von kinetischer Energie beiBremsvorgängen, sowie dieMöglichkeit des rein elektri-schen Fahrens und der damitverbundenen lokalen Emissi-onsminderung. Abhängig vomKonzept ergeben sich darausweitere Freiheitsgrade für dieAuslegung und den Betrieb desVerbrennungsmotors, die Po-tenzial zur Senkung von Ver-brauch und Emissionen brin-gen. Neben der Forschung anden einzelnen Komponentenund dem Gesamtsystem sollenauch eine mögliche Integrationder elektrochemischen Energie-speicher in das öffentliche Netzanalysiert werden. Damit ließensich die Energiespitzen aus re-generativen Energiequellen zurAufladung der Speicher nutzenund der verkehrsbedingte CO2-Ausstoß reduzieren. Die Umset-zung der Forschungsprogram-matik erfolgt im CMP in einemvernetzten Prüffeld. Dabei kön-nen einzelne Komponenten-prüfstände über ein echtzeit-fähiges Automatisierungssys-stem gekoppelt werden, um sodie Wechselwirkungen zwi-schen den Komponenten imdynamischen Betrieb erforschenzu können. Im CMP könnendie in anderen Laboren ent-wickelten Komponenten in ei-ner frühen Entwicklungsphasein den Antriebsstrang integriertwerden.

Zentrallabor für BatteriesystemtechnikFür den Einsatz von Batteriensind die Entwicklung und derBau von Batteriepacks ein ent-scheidendes Element in derWertschöpfungskette. Hierkommen Komponenten, Kon-zepte, Algorithmen und Ferti-gungstechnologien aus vielenverschiedenen Bereichen zu-sammen. Viele der Elementewerden von kleinen und mittle-ren Unternehmen angeboten.Um die Eignung der einzelnenElemente und deren Zusam-menwirkung aufzeigen und damit den Markt erobern zukönnen, ist es notwendig, dieFunktion in professionell gefer-tigten Batteriepacks zu demons-trieren. Dafür soll das „NRW-Labor für Batteriesystemtech-nik“ eingerichtet werden. Die

Laboreinrichtung soll den Ent-wicklern alle Freiheitsgrade beider Fertigung des Packs sowievon Einzelteilen des Packs er-möglichen. Das Labor wird soausgestattet werden, dass einPrototypenbau von Batterie-packs unter industriellen Stan-dards möglich ist. Insbesonderebei Fragen der Kühlung undder Gesamtsystemintegrationist es nicht möglich, mit Labor-mustern zu arbeiten. Das„NRW-Zentrallabor für Batte-riesystemtechnik“ wurde imWettbewerbsaufruf Elektromo-bil.NRW beantragt und von derJury positiv bewertet. Bei Bewil-ligung des Vorhabens wird esMitte 2011 seinen Betrieb aufnehmen.

eLab – Forschungs- und Kompetenzzentrum für ElektromobilitätDie für erfolgreiche Forschungund Entwicklung benötigte In-frastruktur wird im Elektromo-bilitätslabor den Industriepart-nern zur Verfügung gestellt.Zur Infrastruktur gehören dieBereitstellung von Prüf- undProduktionstechnologien, daszur Verfügung stellen vonBüro- und Werkstattflächen so-wie der Zugang zu RWTH-Wis-senschaftlern. Alle Ressourcenkönnen durch die Industriepart-ner bedarfsgerecht und kurzzei-tig zu marktüblichen Preisenangemietet werden. Insgesamtsollen einzelne Entwicklungs-projekte von KMU mit ScopeProdukt- und Prozessentwick-lung für Komponenten deselektrischen Antriebsstranges indas Elektromobilitätslabor verla-gert werden. Neben den Büro-flächen werden im Elektromo-bilitätslabor sieben Werkstatt-bereiche vorgehalten, in diesensind spezifische Prüfstände undTechnologien aufgebaut, die fürdie Komponenten- und Tech-nologieentwicklung erforderlichsind. In einem offenen Werk-stattbereich können einzelneKomponenten für Prototypenhergestellt und aufgebaut wer-den. Auf der variabel gestaltba-ren Hallenfläche von 800 m²werden Automatisierungstech-nologien bereitgestellt, die ent-sprechend den Anforderungender Nutzer variabel miteinander

kombiniert werden. Das Elek-tromobilitätslabor wurde imWettbewerbsaufruf Elektromo-bil.NRW beantragt. Bei Bewilli-gung des Vorhabens wird eLabim Juli 2012 seinen Betrieb auf-nehmen.

Anlauffabrik für Elektro- und KleinstfahrzeugeEin besonderes Werkzeug imAnlaufmanagement stellen sogenannte Anlauffabriken dar, indenen Vorserien und Prototy-pen unter serienähnlichen Be-dingungen aufgebaut werden.Durch diese Fabriken kann einehöhere Anlaufqualität bei kür-zeren Anlaufzeiten realisiertwerden. Außerdem werden An-läufe so sicherer und zum Pro-duktionsstart kann direkt eingrößeres Anlaufvolumen pro-duziert werden. Die geplanteAnlauffabrik soll den Fahrzeug-Initiativen die Möglichkeit bie-ten, die Produzierbarkeit undMassenproduktfähigkeit vonFahrzeugen oder neuen Kom-ponenten durch die Bereitstel-lung von Ressourcen zu ge-währleisten. Zudem haben hierAutomobilzulieferer die Chan-ce, ihrer steigenden Verantwor-tung in der Produktentwicklunggerecht zu werden und ihreKomponenten hinsichtlich Mon-tierbarkeit und Serientauglich-keit zu validieren. Eine Förde-rung für die Anlauffabrik wurdeim Wettbewerbsaufruf „Auto-motive+Produktion“ des Lan-des Nordrhein-Westfalen bean-tragt. Bei Projektbefürwortungkann der Betrieb der Anlauffa-brik im zweiten Quartal 2011aufgenommen werden.

Aldenhoven Testing Center Das Aldenhoven Testing Cen-ter, kurz ATC, dient als Erpro-bungsumgebung für die Ent-wicklung innovativer Technolo-gien sowie neuer Fahrzeug-und Antriebskonzepte. DieTeststrecke mit einer Größe von37 ha wird im IndustriegebietEmil Mayrisch der GemeindeAldenhoven-Siersdorf gebaut.Der erste Bauabschnitt ist mitt-lerweile fertiggestellt und um-fasst im wesentlichen eine Fahr-dynamikfläche mit über 200 mDurchmesser zuzüglich mehre-rer Zu- und Abfahrten. Parallel

Trotz Herausforderungen, Risi-ken und geringer Erfahrungenin der Serienproduktion vonKomponenten und Technologi-en des elektrischen Antriebsbietet die Elektrifizierung Auto-mobilherstellern und besondersZulieferern erhebliche Umsatz-und Gewinnchancen. Den Zu-lieferern muss es gelingen, sichin der neuen Wertschöpfungs-kette zu etablieren und denMarkt für diejenigen Kompo-nenten profitabel zu erschlie-ßen, die durch die Elektrifizie-rung des Antriebsstrangs neuhinzukommen. Zahlreichen Un-ternehmen fehlen jedoch gera-de nach der WirtschaftskriseRessourcen und Kompetenzen.Um der Wirtschaft Starthilferund um das Thema Elektromo-bilität zu verschaffen, errichtetdie RWTH Aachen eine „elek-tromobile Infrastruktur“. Diesewird zum einen von den Insti-tuten der Hochschule, aberauch von Industriepartnern ge-nutzt. So erhalten zahlreicheUnternehmen die Möglichkeitzu forschen, ohne selber in teu-re Technologien investieren zumüssen. Die Infrastruktur reichtvon Einrichtungen zur elektro-mobilen Grundlagenforschung,einem Elektromobilitätslaborzur Industrialisierung von Elek-trofahrzeugkomponenten, ei-nem Zentrallabor für Batterie-systemtechnik, einer Anlauf-fabrik für Elektro- und Kleinst-fahrzeuge, einem AutomobilenTestzentrum zum Testing deselektromobilen Gesamtsystemsund einem Prüf- und Qualifizie-rungszentrum für SmartGrids.

Center for Mobile PropulsionAm Center for Mobile Propulsi-on, kurz CMP, wollen RWTH-Wissenschaftler mittelfristig zurHalbierung des moibilitätsbe-dingten Verbrauchs fossiler Ener-giequellen beitragen. Gleichzei-tig sollen CO2-Emissionen unddie Abhängigkeiten von Erdölund -gas minimiert werden. Dielangfristige Vision ist das emis-sionsfreie Antriebssystem beinachhaltiger Energieversor-gung. Die Hauptmotivationender Integration von elektrischenKomponenten im Antriebs-strang sind Wirkungsgradstei-gerung durch Rückgewinnung

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Infrastruktur für ElektromobilitätVon der Grundlagenforschung über das Testing bis hin zur Industrialisierung

dazu wird unter Leitung des In-stituts für Regelungstechnik dieGalileo-Infrastruktur installiert,welche es ab März 2011 er-möglicht, aktiv an Galileo Ap-plikationen zu forschen, ob-wohl die entsprechenden Satel-liten noch nicht in ausreichen-der Stückzahl im All sind. In ei-nem in Genehmigung befindli-chen zweiten Bauabschnitt solldas Testzentrum um eine ovaleUmfahrung, einen Handling-kurs, einen Steigungshügel, ei-ne Schlechtwegstrecke, einenOffroadbereich sowie weiterespezifische Streckenabschnitteerweitert werden.

Prüf- und Qualifizierungs-zentrum für Elektrofahr-zeugspeicher und -ladegeräte in SmartGridsIn Zusammenarbeit zwischendem Instituts für Hochspan-nungstechnik (IFHT) und demInstitut für Stromrichtertechnikund elektrische Antriebe (ISEA)entsteht derzeit ein Prüf- undQualifizierungszentrum fürElektromobilität und Smart-Grids, welches die Möglichkeitfür umfangreiche und systema-tische Tests und Qualifizierun-gen bietet. So kann hier dieNetzfrequenz kontrolliert vari-iert werden, um das Verhaltenvon angeschlossenen Elektro-fahrzeugen in kritischen Netz-zuständen zu prüfen und dasoptimale Verhalten zum Errei-chen maximaler Systemstabilitätzu ermitteln. Auch kurzfristigeSpannungseinbrüche auf derMittelspannungsebene könnensimuliert werden. Weiterhinkönnen im Feldversuch ermit-telte typische Netzzuständeproblemlos reproduziert undder Einfluss verschiedener Re-gelungskonzepte hierauf unter-sucht werden. Den Kern desPrüfzentrums bildet ein Mittel-spannungsnetz mit mehrerenOrtsnetzstationen, die sowohldie Versorgung der Batterie-prüfstände sicherstellen alsauch selbst für Versuche ge-nutzt werden können. Die fol-gende Abbildung verdeutlichtdie Möglichkeit zum Test ver-schiedenster Komponenten undSysteme. Nicht nur Elektrofahr-zeuge, sondern alle Komponen-ten einer zukünftigen dezentra-

len Energieversorgung undSmartGrids können hier unter-sucht werden. Der Industriebietet sich hier die einzigartigeMöglichkeit, neue Komponen-ten zu testen und in gemeinsa-men Projekten mit der RWTHneue Konzepte des Netzbe-triebs und der Batteriebewirt-schaftung zu erforschen.

Autoren:Dipl.-Ing. Dipl.-Wirt. Ing. Tobias Reil ist Wissenschaftlicher Mitarbeiteram Lehrstuhl für Produktionssystematik und Referent fürProduktionstechnologie der GeschäftsstelleElektromobilität.

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N

Matthias Felden,Bastian Hartmann, Christoph Schäper,

Daniel von Treek

„e performance“

möglicherweise angepasst bezie-hungsweise grundlegend neuausgearbeitet werden. Ziel istauch die konsequente Weiter-entwicklung der Elektrifizierungdes Antriebsstrangs und dieAnalyse der Implikationen fürdas Gesamtfahrzeug. Zudemmüssen Lösungen im Hinblickauf die grundsätzlichen Heraus-forderungen eines Elektrofahr-zeugs wie Reichweite, Kostenund Nutzerakzeptanz erarbeitetwerden. Alle Neuentwicklungenund Lösungsansätze zielen aufdie Umsetzung in einem De-monstratorfahrzeug ab, um dar-aus valide Aussagen für einenmöglichen Einsatz in Serienpro-dukten ableiten zu können.

Im Rahmen der Entwicklungeines zukunftsfähigen Produktssind technische Herausforderun-gen zu meistern, bei denen dieBatterie als Energiespeicher eineKernkomponente darstellt. Da-her werden der praktische Auf-bau eines geeigneten Batteriepa-ketes, die Hochvoltsicherheit imBetriebs- und Crashfall, die ther-mischen Auslegung und die Ein-bindung des Speichers in dasFahrzeugthermomanagementuntersucht. Weitere Fragestel-lungen ergeben sich bezüglichdes elektrischen Antriebs. Diesebetreffen die automobilgerechteAuslegung von Leistungselektro-nik und Maschinen, sowie dieOptimierung der Komponenten,um die Potenziale der Technolo-gien auszuschöpfen. Dabei stehtstets der Systemgedanke im Vor-dergrund. Untersuchungen zurLängs- und Querdynamikrege-lung werden interdisziplinärdurchgeführt. Auch die Fahr-zeugsysteme Bordnetz, Karosse-rie und Fahrwerk des Elektrofa-hrzeugs werden analysiert undfür den Einsatz im Elektrofahr-zeug überarbeitet. Es gilt fahr-zeugübergreifend zu entwickeln,die unterschiedlichen Ansätzedurch gezielte Forschung zu ver-tiefen und am Versuchsträger zuverifizieren, um für eine zukünf-tige Serienentwicklung eine be-lastbare Basis zu schaffen.

In den Mittelpunkt der Forschung rücken folgendeThemengebiete:

Leichtbau und neue KarosseriestrukturenBatterietechnologien auf SystemebeneLeistungselektronik und RegelungstechnikElektromotoren und AntriebsauslegungenFahrdynamik und FahrwerkskonzepteThermo- und Klima-managementVernetzungstechnologienund SicherheitskonzepteBedienungskonzepte und AlltagstauglichkeitBetriebsstrategie und Testkonzept

Als Ausgangspunkt für die Ent-wicklung neuer Fahrzeugkon-zepte werden verschiedene An-triebsstrangtopologien aufFunktionalität, Leistungsfähig-keit, Kosten und ihre Eignungfür unterschiedliche Fahrzeug-klassen untersucht. Insbesonde-re die Traktionsbatterie stellt ei-ne Herausforderung an Fahr-zeugaufbau, Sicherheit und Ko-sten dar. Beim Aufbau des Bat-teriepacks nimmt die Entwick-lung von Sicherheits- und Kühl-konzepten eine wichtige Rolleein. Zur Vorhersage der Le-bensdauer und zur Implemen-tierung des Batteriemanage-mentsystems werden neue Bat-teriemodelle entwickelt. Um-fangreiche Zelltests über diegesamte Projektlaufzeit werdenbelastbare Daten liefern. Ent-scheidend für ein erfolgreichesBatteriesystem ist neben derZellchemie, der Funktionsfähig-keit der Zellen im Verbund undder Integration ins Fahrzeugauch die Sicherheit der Batterieim Falle eines Crashs und beider Bergung des Fahrzeugesnach einem Unfall.

Auch im Bereich der Leis-tungselektronik entstehen durchden Einsatz im Elektrofahrzeugneue Herausforderungen an Ge-wicht, Kosten und Zuverlässig-keit. Besonders hervorzuhebensind der Einfluss von Vibrationenund Temperaturzyklen. HeutigeHalbleiterpackages sind derarti-gen Anforderungen hinsichtlich

ihrer Lebensdauer nur bedingtgewachsen. Daher werden indiesem Projekt insbesondereneue Packagingkonzepte fürHalbleiterbauelemente unter-sucht. Eine intelligente Systemre-gelung wird entwickelt, um daseffiziente Zusammenspiel derelektrischen Komponenten imFahr- und auch im Ladebetriebzu ermöglichen. Bei der Entwick-lung der Maschinenregelungwerden die Optimierung desWirkungsgrads, die Erhöhungder thermischen Ausnutzung derMaschine, das nichtlineare Be-triebsverhalten, der Betrieb ander Spannungsgrenze sowie ge-gebenenfalls die Einhaltung einermaximalen Magnettemperaturund Entmagnetisierung berück-sichtigt. Darüber hinaus werdenlagegeberlose und akustisch op-timierte Regelungsverfahren indiesem Projekt untersucht.

Bei der Entwicklung der Mo-toren für Elektrofahrzeuge ergibtsich eine Reihe unterschiedlicherund teilweise gegenläufiger An-forderungen. Wesentlich sinddabei der Leichtbau des Antriebsund ein hoher Wirkungsgradüber einen großen Bereich derim Fahrbetrieb zu erwartendenBetriebspunkte. Dadurch lässtsich der Gesamtverbrauch desFahrzeugs deutlich reduzierenund somit die Reichweite er-höhen. Desweiteren sind die Kos-ten des Antriebs möglichst ge-ring zu halten. Durch den Weg-fall eines Verbrennungsmotorsim reinen Elektrofahrzeug, gilt esein besonderes Augenmerk aufdie akustischen Merkmale desAntriebs zu legen. Während dasakustische Spektrum eines Ver-brennungsmotors eher einembreitbandigen Rauschen ent-spricht, erzeugen elektrische An-triebe in einzelnen Frequenzbe-reichen besonders ausgeprägteTöne, welche von den Fahrzeug-insassen als unangenehm emp-funden werden können. Ziel istes die Ausprägung dieser Tönedurch das Design und die Be-triebsstrategie des Antriebs zuverringern oder ganz zu unter-binden. Desweiteren werden in-nerhalb des Projektes Methodenzur ressourcenschonenden undan den Lebenszyklus eines Fahr-zeugs angepassten Auslegungelektrischer Maschinen ent-

Neben der kontinuierlichenVerbesserung der konventionel-len Antriebe, können Hybrid-und Elektrofahrzeuge langfristigwesentlich dazu beitragen, denCO2-Ausstoß im Straßenver-kehr deutlich zu verringern. AlsMotivation für die Einführungneuer Technologien hat dieBundesregierung das Ziel fest-gelegt, Deutschland zu einemLeitmarkt für Elektromobilitätzu machen und dabei bis zumJahr 2020 eine Million Elektro-fahrzeuge auf die Straßen zubringen. Das Bundesministeri-um für Bildung und Forschungfördert aus diesem Grunde dasVerbundprojekt „e performan-ce“ über drei Jahre mit 22 Mil-lionen Euro. Unter Führung derAudi AG wollen Partner aus In-dustrie, Universitäten und For-schungseinrichtungen ein inno-vatives Systemkonzept für einleistungsfähiges Elektroautoentwickeln. Zentrale Forschungs-partner sind die Audi AG, dieAudi Electronics Venture GmbHund die Robert Bosch GmbHsowie die RWTH-Institute fürKraftfahrzeuge (ika), für Strom-richtertechnik und ElektrischeAntriebe (ISEA) und für Elektri-sche Maschinen (IEM). Darüberhinaus ist eine enge Zusam-menarbeit mit mittelständischenUnternehmen und weiterenForschungseinrichtungen ge-plant. Hierzu gehört auch dieForschungsgesellschaft Kraft-fahrwesen mbH Aachen (fka).Ziel ist es, Lösungsvorschläge inForm von realisierten Kompo-nenten in einen Gesamtver-suchsträger zu integrieren, umdie Technologie Elektrofahrzeugganzheitlich darstellen und dietheoretisch gewonnenen Er-kenntnisse in der Fahrpraxis ve-rifizieren zu können.

Die Partner des Verbundpro-jektes streben die ganzheitlicheEntwicklung eines Elektrofahr-zeuges an. Dabei ist es das Ziel,nicht nur neue Technologien inbestehende Konzepte zu inte-grieren, sondern neue Konzepteauf Basis der neuen Technologi-en zu entwickeln. Die Partnersind sich einig, dass ein Konzeptim internationalen Wettbewerbnur dann konkurrenzfähig ist,wenn alle technischen Domänengleichermaßen betrachtet und

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notwendig, um die Zusatzmassedes elektrischen Antriebs zu kom-pensieren zu und den Energie-verbrauch zu minimieren. DieseLeichtbaumaßnahmen müssensomit fahrzeugübergreifend an-setzen. Zudem werden neuePackagekonzepte erarbeitet, umden Erfordernissen des elektri-schen Antriebs gerecht zu wer-den.

Teil der Gesamtentwicklungsind auch die Auswirkungen aufdie Akustik und die Klimati-sierung des Fahrzeuges, die be-dingt durch den Wegfall des

konventionellen Antriebs deut-lichen Veränderungen unterlie-gen. Im Falle der Fahrzeugakus-tik resultiert aus dem elektri-schen Antrieb einerseits für denNutzer ein verändertes Geräusch-bild, welches vermehrt durchReifen- und Windgeräusche ge-prägt sein wird, andererseits eineveränderte Wahrnehmung durchdie übrigen Verkehrsteilneh-mern. Insbesondere die Wahr-nehmung des Fahrzeuges durchFußgänger im Stadtverkehr stelltein potenzielles Sicherheitsrisikound somit eine Entwicklungsauf-

wickelt. Darüber hinaus wird amAufbau einer Online-Überwa-chung des Antriebs geforscht,um die Betriebsstrategie adaptivan den Zustand des Antriebsund an die Bedürfnisse des Fah-rers anpassen zu können.

Durch neue Antriebskonzep-te ergeben sich auch fahrzeug-seitig Herausforderungen undPotenziale im Hinblick auf dieAuslegung der Karosserie unddie Gestaltung des Innenraums.Die konsequente Umsetzungdes Karosserie-Leichtbaus ist ins-besondere für Elektrofahrzeuge

Bild 1: Konzeptskizze des Demonstrators.

Ganzheitliche Entwicklung eines Elektrofahrzeuges

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Chancen, bringt aber auch Her-ausforderungen bezüglich Si-cherheit und Energieverbrauch.So müssen die bekannten Aus-legungskonflikte von Fahrver-halten und Energieverbrauch inHinblick auf die begrenzte Ener-giemenge neu bewertet werdenund Handlungsempfehlungenabgeleitet werden. Der Einsatzvon Brake-by-Wire-Systemen inzukünftigen Elektrofahrzeugenermöglicht eine verbesserteRückgewinnung der Bremsener-gie und somit eine weitere Re-duktion des Energieverbrauchs.Gleichzeitig ermöglicht die me-chanische Entkopplung derBetätigung von der Radbremsevöllig neue Gestaltungsmöglich-keiten der Mensch-Maschine-Schnittstelle. Weiterhin werdenneue Fahrwerkskonzepte ent-wickelt, die durch das Hochvolt-Bordnetz erst realisiert werdenkönnen und die Potenzial zurEnergierückgewinnung liefern.Durch die zahlreichen neuenKomponenten und deren Be-triebsweise in Kombination mitden daraus ableitbaren Fahr-zeugeigenschaften ergebensich neue funktionale Zusam-menhänge, die es in einerFahrzeugtopologie abzubildengilt. Dies erfordert jedoch eineUmstellung heute gängiger Ar-chitekturen hin zu solchen, die

gabe dar. Die Fahrzeugklimati-sierung beziehungsweise Hei-zung unterliegt durch den Weg-fall des Verbrennungsmotorsund dessen Abwärme ebenfallsdeutlichen Veränderungen, dieim Rahmen des Projektvorha-bens untersucht werden. DasThermomanagement, also dasHeizen und Kühlen von Kompo-nenten und Fahrgastraum, wirdaußerdem durch thermisch sen-siblere Komponenten erschwert.Durch einen sehr effizientenelektrischen Antrieb und die da-mit einhergehende Reduktionan Wärmeverlusten sind zur Er-füllung von Komfortansprüchendes Kunden im Winter beispiels-weise zusätzliche elektrischeHeizelemente erforderlich. Daaber auch die Batterietechnikhier noch eingeschränkt ist,muss neben dem Innenraumgegebenenfalls auch die Batterieaufgeheizt werden, um einsatz-bereit zu sein. Das Analoge giltbei hohen Außentemperaturenim Sommer, bei denen der Fahr-zeuginnenraum aber auch dieBatterie gekühlt werden müs-sen, um den gewünschten Kun-denkomfort aufrecht zu erhaltenund den Bauteilschutz der Bat-terie sicherzustellen.

Das Fahrverhalten von Elek-trofahrzeugen bietet gegenüberkonventionellen Fahrzeugen

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sowohl konventionelle Fahrzeu-ge als auch Hybrid- und Elek-trofahrzeuge abdecken können.

Bei der gesamten Fahrzeug-entwicklung werden im Projekt-verlauf intensiv Simulationstoolsin den verschiedenen Bereicheneingesetzt, um den Entwick-lungsablauf effizient zu gestaltenund den Aufwand gering zu hal-ten. Die Kopplung dieser ver-schiedenen Simulationsmodelleund -tools zu einem Gesamt-fahrzeugmodell ist Teil diesesVorhabens. Die Entwicklung ei-nes fahrzeugübergreifenden En-ergiemanagements wird mit Hil-fe dieses Gesamtsimulationstoolserfolgen. Eine verbrauchsorien-tierte Betriebsstrategie, der Lade-zustand der Batterie sowie derthermische Zustand der Kompo-nenten beeinflussen die verfüg-bare Antriebsleistung und damitdie möglichen Sollmomente desReglers und werden bei der Um-setzung des Energiemanagementsberücksichtigt.

Neben der Grundlagenfor-schung an den Komponentenund dem Fahrzeug ist auch derAufbau von Versuchsträgern derBestandteil des Vorhabens, umdie zuvor beschriebenen, theore-tisch gewonnenen Entwicklungs-ergebnisse verifizieren und in derPraxis demonstrieren zu können.

Autoren:Dipl.-Ing. Matthias Felden istWissenschaftlicher Mitarbeiteram Institut für Elektrische Ma-schinen.Dipl.-Ing. Bastian Hartmann istWissenschaftlicher Mitarbeiteram Institut für Kraftfahrzeuge. Dipl.-Ing. Christoph Schäperund Dipl.-Ing. Daniel van Treeksind Wissenschaftliche Mitarbeiter am Institut fürStromrichtertechnik und Elektrische Antriebe.

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Stefan Federlein, Claas Matrose

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Ziel ist die Ermittlung einer effizi-enten Nutzung von intelligentenSteuerungssystemen für ein Bat-terie- und Netzmanagement, mitdenen mögliche negative Aus-wirkungen von Elektromobilitätfür Verbraucher und Netzbetrei-ber ausgeschlossen werden kön-nen.

Hierzu werden theoretischeund simulative Untersuchungenzum Anschluss von Elektrofahr-zeugen in der Verteilungsnetz-ebene durchgeführt. Zunächstwerden Potenziale und Grenzeneiner Einbindung der Fahrzeugeevaluiert, um ausgehend hiervonSteuerungs- und Regelungskon-zepte zu entwerfen. Dabei wer-den verschiedene Zielgrößen derSteuerung und Regelung zuGrunde gelegt. Diese beziehensich zum einen auf einen opti-mierten Beitrag zur Systemstabi-lität und zum anderen auf denSchutz der Betriebsmittel wie Ka-bel, Transformatoren vor Überlas-tung. Zusätzlich werden Konzep-te zur Umsetzung der ebenfalls

E

innerhalb des Projekts entwickel-ten Geschäftsmodelle entworfen,welche einen Anreiz für Verbrau-cher zur Teilnahme an Elektro-mobilität und zur Beeinflussungdes Verbrauchsverhaltens zuGunsten der Umwelt unterstüt-zen sollen.

Die Realisierung der entwor-fenen Regelungs- und Ge-schäftsmodelle erfordert eine ge-naue und zukunftsweisende Spe-zifikation der Datenmodelle zurBeschreibung sowohl der primär-technischen Komponenten alsauch weiterer Informationen imKontext der Elektromobilität. DieForschungsgemeinschaft fürelektrische Anlagen und Strom-wirtschaft (FGH) e.V. – ein An-Institut der RWTH – bringt hierlangjährige Erfahrung in das Pro-jekt ein. Auf Basis der internatio-nalen Norm IEC 61850, welchedie Kommunikation der Betriebs-mittel und Schutzsysteme inSchaltanlagen spezifiziert, wer-den Informationsobjekte fürElektromobilität entwickelt undmit der bestehenden Norm ab-geglichen. Mit dem Ziel der In-teroperabilität und der Erweiter-barkeit bereiten die Entwürfedieses Arbeitspakets den Weg in

die Zukunft der Elektromobilitätund sichern zugleich die Umset-zung der entworfenen Konzepteim Feldversuch sowie im Labor.

Im Feldversuch kommen ins-gesamt elf Elektro-PKW zumEinsatz, welche ebenfalls in Aa-chen von der FEV Motorentech-nik GmbH auf Basis des Fiat 500entwickelt werden. Sechs dieserFahrzeuge werden von der RWTHbetrieben und im Institutsalltaggetestet. ZukunftsweisendeTechnologie wird hier von derRWTH in Form einer Informati-ons- und Telekommunikations-anbindung der Fahrzeuge ent-wickelt. Am Institut für Hoch-spannungstechnik (IFHT) ent-steht hierzu eine „Leitwarte Netz-integration“, welche in der Lagesein wird, gezielt Einfluss auf denLade- und später auch Entlade-vorgang der Fahrzeuge zu neh-men. Zur Bestimmung der Not-wendigkeit zur Einflussnahmewird dazu an ausgewählten Stand-orten im Netz der STAWAG einMonitoring-System installiert,welches außerdem umfangrei-chen Aufschluss über die heutenur sehr ungenau bekanntenLastflüsse in Verteilungsnetzengeben wird.

Bild 1: Aus Zapfhahn wird Stecker:Der Ladeanschluss des FEV LiionDrive.Foto: Peter Winandy

Elektrofahrzeuge sind stark aufdem Vormarsch, doch hohe Kos-ten auf Fahrzeug- wie auch aufInfrastrukturseite trüben dasBild einer schnellen Verbrei-tung. Große Euphorie ruft dieVision des emissionsfreien Fah-rens hervor, doch die Nutzak-zeptanz steht auf Grund gerin-ger Reichweiten und weitererHerausforderungen in Frage.Die Verbreitung von Elektromo-bilität durch die Integration indas „Internet der Energie“ unddie Infrastrukturen von Stadt-werken ist daher das Ziel desSmartWheels-Konsortiums,welches sich neben vier Institu-ten und zwei An-Instituten derRWTH, aus der STAWAG, derFirma Mennekes, der FEV Mo-torentechnik GmbH und derAachener regio iT zusammen-setzt. Neue Geschäftsmodelleund konvergente IKT-Dienstesollen entwickelt werden, umHemmnisse der Elektromobilitätzu überwinden. Die Förderungdes Projekts erfolgt aus Mittelndes Konjunkturpakets II durchdas Bundesministerium fürWirtschaft und Technologie(BMWi).

Geschäftsmodelle für dieVerbreitung von Elektromobilitätentwickelt das Forschungsinstitutfür Rationalisierung (FIR) an derRWTH Aachen. Neben der Ana-lyse potenzieller Nutzergruppenzählt hierzu auch die Analysetechnologischer und weitererHerausforderungen durch Elek-tromobilität an die etabliertenProzesse der Energiewirtschaft,beispielsweise hinsichtlich derAbrechnungsprozesse. Intelligen-te Kommunikationskonzepte zurRealisierung innovativer Ge-schäftsmodelle werden für diebesonderen Anforderungen derElektromobilität adaptiert. Hierbesteht eine enge Verzahnungmit dem E-Energy-Projekt SmartWatts.

Das Teilprojekt „Netzintegra-tion der Elektromobilität in Ver-teilungsnetze“ unter derFührung des Instituts für Hoch-spannungstechnik (IFHT) fokus-siert auf die Entwicklung undUntersuchung der intelligenten,netztechnischen, informations-und kommunikationstechnischenIntegration von Elektrofahrzeu-gen auf Verteilungsnetzebene.

SmartWheels

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Intelligente Elektromobilität in der Modellregion Aachen

Bild 2: Umfangreiche Kommunikation:verschiedene Systeme werdenvon den Konsortialpartnern fürden Feldversuch implementiert.Quelle: IHFT, Logos: Eigentum der jeweiligen Firmen.

Hiermit wird es möglich sein,nicht nur das bestehende Netzvor Überlastung durch Schnellla-devorgänge zu schützen. Auchdas tatsächliche Verbrauchsver-halten an einzelnen Netzab-schnitten wird bei anfangs nochsehr niedriger Durchdringungmit Elektrofahrzeugen unter-sucht. Daraus lassen sich Schluss-folgerungen über die geeigneteStandortfindung für Ladeinfra-struktur ziehen und Modelleüber die zu erwarteten Auswir-kungen der Elektromobilität aufdie Netze verfeinern.

Im letzten Arbeitsschritt wer-

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den die zuvor genannten Erkennt-nisse dazu verwendet, Empfeh-lungen für zukünftige Netzan-schlussrichtlinien und weitererNormen abzuleiten. Währendfür Netzanschlussrichtlinien eineVermeidung kritischer Netzzu-stände vorrangiges Ziel ist, gehtes für die Normenreihe IEC61850 vor allem darum, die ent-wickelten Datenobjekte den ent-sprechenden Normungsgremienzur Erweiterung des Standardsvorzuschlagen. Weiterhin sollenauch notwendige Prüfverfahrenidentifiziert und zur Normungvorgeschlagen werden. Eines der

im Feldversuch zum Einsatzkommenden Elektrofahrzeugewird vom Lehrstuhl für Verbren-nungskraftmaschinen (VKA) miteinem zusätzlichen Range-Exten-der ausgerüstet. Inhalte diesesArbeitspaketes sind sowohl dieAuswahl und Integration einesgeeigneten Motor- und Genera-torkonzeptes in das Fahrzeug alsauch die Erprobung des Systemsim Alltag. Hieraus sollen Aussa-gen zur Kundenakzeptanz undzum Kundenverhalten bei Nut-zung eines Fahrzeugs mit RangeExtender gegenüber Kunden mitrein elektrischen Fahrzeugen ab-

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geleitet werden.Während die FEV Motoren-technik die Entwicklung undden Aufbau des Elektro-PKWdurchführt, wird das Institut fürKraftfahrzeuge (ika) einen Busumrüsten. Auf Basis eines her-kömmlichen Mercedes Sprinterentsteht so ein vollwertigerElektrobus, der auf einer ausge-wählten Linie vom AachenerBusunternehmen ASEAG im öffentlichen Betrieb eingesetztwird.

Die hierfür nötigen Schritteumfassen dabei sowohl die kom-plette Entwicklung des elektrifi-zierten Antriebsstranges, wieauch die Adaption aller Subsys-teme für den elektrischen Be-trieb. Nicht nur komfortrelevanteKomponenten wie das Fahrwerkund die Klimatisierung werdenangepasst. Auch sicherheitsrele-vante Komponenten wie Brem-sen und Lenkung werden am ikaentwickelt und modifiziert.

Eine umfangreiche Erpro-bungsphase schließt die Entwick-lung des Busses ab. Unter realenUmwelt- und Umgebungsbedin-gungen wird der Bus zum Bei-

Bild 3: Einflussnahme auf das Ladeverhalten: Dipl.-Ing. Claas Matrose vom Institut für Hochspannungstechnikmacht sich mit der Programmierung vertraut.Foto: Peter Winandy

spiel auf der ika-eigenen Test-strecke unter allen im späterenSerieneinsatz zu erwartendenRandbedingungen getestet. Da-bei werden alle Komponenten –vom Antrieb über die IKT-Anbin-dung bis zu den Batterie- undLadesystemen – intensiv geprüftund so die Sicherheit für dieFahrgäste im späteren Feldver-such garantiert.

Ebenfalls an der RWTH,nämlich am Institut für Strom-richtertechnik und ElektrischeAntriebe (ISEA), wird das Batte-riesystem für den Bus ent-wickelt und getestet. Diese Ar-beiten, welche eng mit dem ikaabgestimmt sind, erstreckensich über die Auswahl der Zel-len, die Dimensionierung, dasPackaging sowie das Testenund Validieren des Batteriesys-tems. Auch die Entwicklung ei-nes Batteriemanagementsys-tems für den Bus ist Teil desAufgabenpaketes.

Zum Aufladen des Elektro-busses während der im Serienbe-trieb üblichen kurzen Standzei-ten werden zwei ebenfalls vomISEA mitentwickelte Ladestatio-

nen eingesetzt. Auf Basis kom-merziell verfügbarer Umrichtermit Leistungen von 50-80 kWwerden so zwei Schnellladegerä-te mit speziell adaptierter Hard-und Software entwickelt.

Während es beim Anschlussdes Busses auf Grund der Stand-zeiten nicht in Frage kommt, Ener-gie ins Stromnetz zurückzuspei-sen, stellt dies für PKW ein vieldiskutiertes Szenario dar. Um imFeldversuch verschiedene hierzumögliche Geschäfts- und Rege-lungskonzepte umzusetzen, ent-wickelt und baut das ISEA fürdie zum Einsatz kommendenPKW bidirektionale Ladegeräte.Ausgiebige Tests hiermit werdendann nicht nur im Feldversuchsondern auch im Prüflabor mög-lich sein.

Zum Ende der Projektlauf-zeit im September 2011 kön-nen vom SmartWheels-Konsor-tium umfangreiche Ergebnissefür die Verbreitung von Elektro-mobilität erwartet werden.

Autoren:Dr.-Ing. Stefan Federlein ist Oberingenieur am Institutfür Hochspannungstechnik. Dipl.-Ing. Claas Matrose ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Hochspannungstechnik.

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Benedikt Lunz, Sebastian Mathar, Susanne Rothgang, Dirk Uwe Sauer

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EAus Aachen

wird E-Aix

„E-Aix: Elektromobiles Aachen“lautet der Projekttitel, mit demmehrere Institute der RWTHAachen gemeinsam mit derForschungsgesellschaft Kraft-fahrwesen mbH Aachen sowieUnternehmen und Organisatio-nen aus der Region erfolgreichbeim Bundesministerium fürVerkehr, Bau und Stadtentwick-lung Fördermittel eingeworbenhaben. Ziel ist es, in der Städte-region Aachen Elektromobilitätauf die Straße zu bringen undneue Mobilitäts- und Infra-strukturkonzepte zu erarbeiten.Das Projekt ist Teil der Modell-region Elektromobilität Nord-rhein-Westfalen unter der Ko-ordination der EnergieagenturNRW. Aachen ist als Modellre-gion besonders geeignet: DasOberzentrum Aachen verbindetein ländlich geprägtes Umfeld,die Stadt beherbergt gleicher-maßen traditionelle wie moder-ne Industrie und gilt als Stadtder Wissenschaft. Die Nähezum benachbarten Ausland bie-tet Chancen, grenzübergreifen-de Konzepte zu entwickeln undzu erproben. Auch der Pendel-verkehr zu den BallungsräumenKöln und Düsseldorf stellt be-sondere Herausforderungendar.

Die Teilnehmer des Projekteswerden in einer Machbarkeits-studie mit praktischen Umset-zungen nachhaltige Mobilitäts-konzepte auf der Basis von Elek-tromobilität und bestehendenInfrastrukturen entwickeln, erfor-schen und realisieren. Dabeiwerden unterschiedliche elektrifi-zierte Verkehrsmittel mit einbe-zogen: So sollen Elektro-Roller,Elektro-PKW, Elektro-Nutzfahr-zeuge sowie Elektro-Busse fürden öffentlichen Personennah-verkehr im Projekt erforscht wer-den. Im Teilprojekt „Nutzfahr-zeuge“ sind die Forschungsge-sellschaft Kraftfahrwesen mbHAachen, kurz fka, und das Insti-tut für Stromrichtertechnik undElektrische Antriebe, kurz ISEA,aktiv. Sie werden eine Kleinflottean elektrifizierten Nutzfahrzeu-gen technisch umrüsten undanschließend in einem neunmo-natigen Feldversuch einsetzenund erforschen.

Im kommunalen und sozia-len Bereich sowie im Einsatzge-

biet größerer Industrieunterneh-men gibt es zahlreiche Anwen-dungen, für die der Einsatz vonkleinen Nutzfahrzeugen sinnvollist. So können kompakte Trans-porter bei der Stadtreinigung, inGartenbaubetrieben, bei sozialenEinrichtungen, bei Handwerkernoder für den Transport verwen-det werden. Auch für lokale Ver-teilerfahrzeuge und Postdiensteist eine Anwendung üblich. Inurbanen Anwendungen sind dietäglichen Fahrtstrecken gut über-schaubar, selten werden im Ta-gesverlauf mehr als 60 bis 80 kmgefahren. Dies sind optimale Ein-satzbedingungen für elektrischeNutzfahrzeuge, welche drei ele-mentare Vorteile gegenüber demEinsatz eines verbrennungsmoto-risch betriebenen Nutzfahrzeugsbieten: Emissionsreduktion undKraftstoffersparnis, Geräusch-reduktion sowie Reduktion derBetriebskosten.

Insbesondere der Aspekt derGeräuschreduktion wird als Vor-teil der Elektromobilität speziellbei Nutzfahrzeugen häufig un-terschätzt, obwohl Lieferfahr-zeuge, welche frühmorgendlichWohngebiete durchfahren, einegroße Belastung für die Bürgerdarstellen.

Rein elektrisch betriebeneNutzfahrzeuge sind bereits voneinigen Herstellern auf demMarkt. Diese weisen jedochnoch Potenzial für Verbesserun-gen und Weiterentwicklungenauf, gerade im Bereich der Batte-rietechnik und des Energiemana-gements. Um mit den äußerstkostengünstig angebotenenFahrzeugen aus Fernost mithal-ten zu können, müssen die vonlokalen Herstellern angebotenenProdukte sich mittelfristig durcheine höhere Qualität absetzenund dort Alleinstellungsmerkma-le bieten, welche die höherenKosten rechtfertigen.

Im Rahmen des Projekts wer-den sieben elektrische Kleinlasterder Firma Ecocraft beschafft, dieauf dem Markt serienmäßig an-geboten werden. Die Fahrzeugesind mit Bleibatterien und einersehr rudimentären Energiemana-gement- und Betriebsstrategieausgestattet, wodurch günstigePreise möglich sind. Allerdingsleiden unter dem hohen Batte-riegewicht und dem nichtopti-malen Energiemanagement dieReichweite und die mögliche Zu-ladung des Fahrzeugs. Daherwird das ISEA gemeinsam mitdem Batteriehersteller Hoppecke

zwei der Fahrzeuge auf eine Lithi-um-Ionen-Batterie umrüsten. Sokönnen die Vor- und Nachteilesowohl in Bezug auf die Nut-zungsmöglichkeiten als auch dieGesamtwirtschaftlichkeit vergli-chen werden. An einem der bei-den umgerüsteten Fahrzeugewird die fka zusätzlich innovativeEnergiemanagement - und Be-triebsstrategien sowie eine Ver-besserung des Mensch-Maschi-ne-Interfaces untersuchen.

Durch die Umrüstung sollbewertet werden, welcher wirt-schaftliche Vorteil bei gleichemBatteriegewicht durch die größe-re Reichweite beziehungsweisebei gleicher Reichweite durchdas niedrigere Batteriegewichtund damit durch die höhereNutzlast erreicht werden kann.Zudem können so die Leistungs-und Lebensdauerdaten der ver-schiedenen Batterietechnologienverglichen werden. Das ISEAwird dabei Fragen des Batte-riemanagements, der Auslegungdes Systems, der Bewertung desthermischen Managements undder Batteriediagnostik sowiegrundsätzliche Sicherheitsaspektein Bezug auf das Batteriespei-chersystem behandeln. Die Inte-gration der Batterie in das Ge-

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Elektrische Nutzfahrzeuge in der Elektromobilitäts-Modellregion Aachen

samtfahrzeugsystem sowie dieDefinition der notwendigenSchnittstellen übernehmen fka-Ingenieure.

Zusätzlich wird an einem derbeiden Fahrzeuge untersuchtwerden, inwieweit sich durch ei-nen optimierten Energiemanage-ment-Algorithmus sowie opti-mierte Nebenaggregate wie Hei-zung, Klima oder Lenkung dieReichweite des Fahrzeugs er-höhen lässt, ohne den Komfortdes Fahrers merkbar einzu-schränken. Im Detail soll einer-seits betrachtet werden, welchesmaximale Maß und welche Ar-ten von Bremsenergierückgewin-nungsmaßnahmen dem durch-schnittlichen Fahrer zuzumutensind, ohne die Sicherheit einzu-schränken. Es werden verschie-dene Betriebsstrategien umge-setzt und im Versuchsfahrzeuggetestet, wobei für jede Imple-mentierung eine Kosten/Nutzen-Betrachtung durchgeführt wird.Dazu gehört auch eine Optimie-rung der Ladestrategie für dieFahrzeuge mit Bleibatterien mitdem Ziel, eine Lebensdauerver-längerung zu erreichen. Anderer-seits sollen auch die energieseitigrelevanten Nebenaggregate indie Untersuchungen mit einbe-

zogen werden. Hierbei soll be-trachtet werden, ob durch inno-vative Sorptions-Heiz-/Kühlag-gregate bessere Gesamteffizien-zen erreicht werden können alsbeim Einsatz konventioneller reinelektrisch betriebener Aggregate.Es wird auch untersucht, wie in-novative Mensch-Maschine-In-terfaces dazu beitragen können,den Kundennutzen des Fahr-zeugs zu steigern und parallelhierzu seine Bedienbarkeit auchelektromobil unerfahrenen Nut-zern zu erleichtern.

Nachdem die Umrüstung derbeiden Versuchsträger-Fahrzeu-ge erfolgt ist, werden die siebenFahrzeuge im Feldversuch be-trieben. Hierzu werden sie mitentsprechender Messtechnik undDatenloggern ausgestattet, umfahrdynamische Profile aufzu-zeichnen und auswerten zu kön-nen. Die Fahrzeuge werden re-gelmäßig überprüft, und der Zu-stand und die Alterung der Bat-terien beurteilt. Zusätzlich wer-den während des Betriebs rele-vante Bordnetzparameter wiebeispielsweise Batteriestrom/-spannung und der Batterielade-zustand mit aufgezeichnet.Durch den gleichzeitigen Einsatzaller Fahrzeuge ist es möglich,

die Effizienz der an den beidenVersuchsträgern eingesetztenMaßnahmen qualitativ zu be-werten und quantitativ mit Mess-werten zu belegen.

Im Rahmen von „E-Aix:Elektromobiles Aachen“ wird esdarüber hinaus ein Teilprojekt„Zweirad“ geben. Dort werdenin einem Feldversuch mit Elek-trorollern und Pedelecs verschie-dene Geschäftsmodelle für dieseFormen der Elektromobilität be-trachtet. In einem weiteren Teil-bereich werden ganzheitlicheMobilitäts- und Verkehrsent-wicklungskonzepte untersucht.Zudem werden die notwendigeInfrastruktur für Elektromobilitätauf Basis der bestehenden Stadt-werkeinfrastrukturen sowie Ge-schäftsmodelle für die Marktvor-bereitung erarbeitet. Weiterezentrale Punkte sind die Evalua-tion, Optimierung und die Un-tersuchung des Nutzerverhaltens.

Autoren:Dipl.-Ing. Benedikt Lunz ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Teamleiter Netzintegration am Lehr- undForschungsgebiet Energie-wandlung und Speichersystem-technik.Dipl.-Ing. Sebastian Mathar ist Teamleiter Energiesystemebei der ForschungsgesellschaftKraftfahrwesen mbH Aachen,kurz fka. Dipl.-Ing. Susanne Rothgang ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehr- und Forschungsgebiet Energie-wandlung und Speichersystem-technik.Univ.-Prof. Dr.rer.nat. Dirk Uwe Sauer betreut das Lehr- und ForschungsgebietEnergiewandlung und Speicher-systemtechnik.

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Im Rahmen des Projekts SmartWheels nutzen Wissenschaftler unterschiedlicher Disziplinen die ElectricScooter zu Forschungszwecken.Foto: Peter Winandy

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Fahrzeugen kann der Treibstoff-verbrauch um 20 bis 30 Prozentgesenkt werden.

Wird ganz auf die konven-tionellen Antriebskomponentenwie Verbrennungsmotor, Ge-triebe und Treibstofftank ver-zichtet und der Antriebsstrangrein elektrisch aufgebaut,spricht man von einem Elektro-fahrzeug.

Bei der Entwicklung vonFahrzeugen mit alternativen An-triebskonzepten spielt mehrdenn je eine enge Zusammenar-beit zwischen verschiedenenThemenbereichen eine wichtigeRolle. Ein Beispiel hierfür stelltdas vom Bundesministerium fürWirtschaft und Technologie ge-förderte Vorhaben „Europa Hy-brid – Innovativer PKW-Hybri-dantantrieb für Europa“ dar, sie-he Bild 2a. Bei diesem wird unterder Leitung der FEV Motoren-technik im Verbund von Indu-strie und der RWTH Aachen einparalleles Vollhybridfahrzeugaufgebaut. Seitens der RWTH

Aachen sind das Institut fürelektrische Maschinen (IEM),das Institut für Stromrichtertech-nik und Elektrische Antriebe(ISEA), das Institut für Rege-lungstechnik (IRT) und der Lehr-stuhl für Verbrennungskraftma-schinen (VKA) beteiligt.

Die Anforderungen an dieelektrischen Maschinen, die sichaus den einzelnen Fahrzeugkon-zepten und Funktionalitäten er-geben, sind sehr umfangreich.Die Hauptanforderungen ent-sprechen den allgemeinen An-forderungen einer elektrischenMaschine: Ein geringes Gewichtdes Fahrzeuges reduziert denVerbrauch. Bei Hybridfahrzeu-gen und der Integration in denMotorraum sind ein kleines Bau-volumen und damit eine hoheLeistungsdichte von entschei-dender Bedeutung. Die Zuver-lässigkeit wird im Hinblick aufden Wartungsaufwand des Ge-samtfahrzeuges ebenfalls alshoch vorausgesetzt. Eine hoheÜberlastfähigkeit bietet kurz-

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Thomas Finken, Kay Hameyer

Elektrischefür alternative

zu Bremsen. Weiterhin kann derVerbrennungsmotor durch die sogenannte Lastpunktanhebung inBetriebspunkten höherer Effizi-enz betrieben werden. Die dabeizusätzlich abgegebene Leistungwird von der elektrischen Ma-schine in elektrische Energie um-gewandelt, die in der Batteriezwischengespeichert und bei derelektromotorischen Fahrt ge-nutzt werden kann. Die erreich-baren Treibstoffeinsparungenbeim Mildhybrid liegen bei zehnbis 20 Prozent.

Das Vollhybrid-Fahrzeug mitmehr als 20 kW/t bietet dieMöglichkeit, bis zu einer be-stimmten Geschwindigkeit reinelektromotorisch und damit zeit-weise und örtlich begrenzt voll-kommen emissionsfrei zu fahren.Durch die hohe elektrische Leis-tung kann der Verbrennungsmo-tor kleiner ausgelegt werden,dies führt zu einer Reduzierungdes Gewichtes und von Rei-bungsverlusten des Verbren-nungsmotors. Bei Vollhybrid-

UUmweltbewusstsein und strikteVorgaben an die Emissionswer-te zwingen zur Entwicklung ef-fizienterer Fahrzeuge mit gerin-gerem Kraftstoffverbrauch, oh-ne dabei auf Fahrkomfort oder-spaß zu verzichten. Ein weite-rer Beschleuniger dieses Prozes-ses ist die Aussicht auf eineVerknappung der fossilen Res-sourcen und die zu erwartendeVerteuerung der Treibstoffe.

In den Fokus ist hierbei, ne-ben dem Hybridfahrzeug, auchdas Elektrofahrzeug gerückt. DasHybridfahrzeug verbindet dieAntriebsleistung eines Verbren-nungsmotors mit der einer odermehrerer Elektromaschinen. Diehybride Energiespeicherung er-folgt durch einen herkömmli-chen Treibstofftank und einenelektrischen Energiespeicher, bei-spielsweise eine Batterie. DasElektrofahrzeug hingegen besitzteinen rein elektrischen Antriebs-strang, dessen Hauptkomponen-ten die elektrische Maschine, diezugehörige Leistungselektronik(Umrichter) und die Batteriesind.

Die Hybridisierung einesFahrzeuges, also die teilweiseElektrifizierung des Antriebstran-ges, kann in Leistungsabstufun-gen beschrieben werden. Die ers-te Stufe der Hybridisierung stelltdabei das Mikrohybrid-Fahrzeugdar. Bei diesem Fahrzeug sindder Startermotor und der Gene-rator, die in jedem konventionel-len Fahrzeug verbaut sind, in ei-ner elektrischen Maschine demso genannten Starter-Generatorvereint. Durch die Verwendungeiner Maschine 2,7-4 kW/t elek-trische Leistung pro Fahrzeug-masse, die leistungsfähiger alsein herkömmlicher Startermotorist, wird die „Start-Stopp-Auto-matik“ ermöglicht. Diese Funk-tionalität stoppt den Verbren-nungsmotor beim Stillstand desFahrzeuges und startet ihn wie-der beim Anfahren, in dieser Be-triebsart können fünf biszehn Prozent des Treibstoffeseingespart werden.

Beim so genannten Mildhy-brid werden Maschinen-Leistun-gen von 6–14 kW/t verbaut unddirekt in den Antriebsstrang inte-griert. So ist es möglich, zusätzli-che Antriebsleistung zur Verfü-gung zu stellen und regenerativ

Bild 1: Unterschiedliche FahrzeugkonzepteBild a: Mikrohybrid

Page 27: RWTH-Themen Elektromobilität in Aachen

Maschinen Antriebskonzepte

Anforderungen undAuslegungskriterien

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fristig eine möglichst große Ma-ximalleistung, zum Beispiel fürBeschleunigungs- oder Überhol-vorgänge.

Die wichtigste Anforderungist jedoch ein guter Wirkungs-grad der elektrischen Maschine.Anders als industriell verwende-te Maschinen, wie bei Pumpenoder sonstigen Antrieben, dieoft nur bei einer bestimmtenDrehzahl und Last betriebenwerden, können bei einemelektrischen Fahrzeugantrieb jenach Geschwindigkeit, Brems-oder Beschleunigungsvorgangalle möglichen Drehzahlen undLasten (Drehmomente) auftre-ten. Deswegen muss auch derWirkungsgrad der Maschineüber einen möglichst großenDrehmoment- und Drehzahlbe-reich hoch sein. Es spielt alsonicht in erster Linie der maxi-male Wirkungsgrad der Ma-schine eine Rolle, sondern dergemittelte Gesamt-Systemwir-kungsgrad während einerFahrt. Dies bedeutet, dass die

Betriebspunkte, die während ei-ner Fahrt auftreten, möglichstin dem Drehmoment- undDrehzahlbereich liegen, in de-nen die Maschine ihren bestenWirkungsgrad besitzt. Dies je-doch führt zu der Frage: Wassind die typischen Betriebs-punkte der elektrischen Ma-schine?

Aus diesem Grund werdenFahrzeugsimulationen durchge-führt. Die verwendeten Simula-tionsmodelle, siehe Bild 2b,enthalten dabei die einzelnenKomponenten und ihre Eigen-schaften: wie beispielsweise derVerbrennungsmotor, das Ge-triebe, die elektrische(n) Ma-schine(n), die Batterie und diezentrale Fahrzeugregelung. AlsEingangsgröße dienen hierbeiFahrprofile; Fahrzyklen, diezeitabhängige Geschwindig-keitswerte enthalten. Das fürdie Auslegung der elektrischenMaschine entscheidende Ergeb-nis ist die Häufigkeitsverteilungder geforderten Betriebspunkte,

Bild (b) Mildhybrid

Bild (d) Elektrofahrzeug

Bild (c) Vollhybrid (parallel)

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buste und zuverlässige Maschi-ne, die gerade bei hohen Dreh-zahlen einen guten Wirkungs-grad besitzt. Die PMSM hinge-gen hat durch die Verwendungvon Selten-Erd-Magnete einehohe Leistungsdichte und kannsehr kompakt und mit geringe-rem Gewicht gebaut werden.Der beste Wirkungsgrad liegtbei dieser Maschine bei niedri-gen Drehzahlen. Die PMSM istteurer, allerdings kann bei ei-nem höheren Gesamtwirkungs-grad auch die Batterie und da-mit der größte Kostenfaktor ge-senkt werden. Wenn beispiels-weise bei einem für den Stadt-verkehr vorgesehenem Fahr-zeug der Gesamtwirkungsgraddurch die Verwendung einerPMSM um zehn Prozent gestei-gert wird, kann die Kapazitätder Batterie bei gleichbleiben-der Reichweite um den glei-chen Faktor verringert werden.Die Verbrauchseinsparungdurch das geringere Gewichtder Batterie ist hierbei nochnicht berücksichtigt. Bei denaktuellen Maschinen- und Bat-teriekosten, würden die Ge-samtkosten trotz der Verwen-

dung einer teureren Maschinegesenkt werden, fallen die Bat-teriekosten durch gesteigerteProduktionszahlen, wie für dienächsten Jahre angenommenwird, kann diese Bewertung an-ders ausfallen.

Nach der Auswahl des Ma-schinentyps muss die fahrzyklus-gerechte Auslegung der elektri-schen Maschine durchgeführtwerden. Dabei muss der opti-male Wirkungsgradbereich spä-ter den Bereich abdecken, indem die häufigsten Betriebs-punkte der elektrischen Maschi-ne während einer Fahrt zu fin-den sind. So kann über geome-trische Variationen die Bereichedes besten Wirkungsgrades inRichtung der Drehmoment-Ach-se oder der Drehzahl-Achse ver-schoben werden. Ziel ist es, denGesamtwirkungsgrad über einentypischen Fahrzyklus zu optimie-ren und den Energie- oder Treib-stoff-Verbrauch zu minimieren.In Bild 4 ist dargestellt, wie ver-schiedene Maschinenauslegun-gen den Gesamtwirkungsgradbeeinflussen können. Als Rand-bedingung ist eine gleichbleiben-de äußere Abmessung ange-

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siehe Bild 3. Diese unterschei-det sich erheblich für verschie-dene Fahrzeuge, Fahrzeugkon-zepte und verwendete Fahrzy-klen. Somit ist es wichtig, dassrealitätsnahe Fahrzyklen ver-wendet werden: es sollten ver-schiedene Fahrzyklen wieStadt-, Überland-, Autobahn-oder spezialisierte Fahrten be-trachtet und das Ergebnis ent-sprechend dem späteren Ver-wendungszweck gewichtetwerden.

Nach der Ermittlung derHäufigkeitsverteilung musszunächst der passende Maschi-nentyp gewählt werden. Diezurzeit hauptsächlich verwende-ten Maschinentypen sind dieAsynchronmaschine, kurz ASM,und die Permanentmagneterreg-te Synchronmaschine, kurzPMSM.

Neben diesen beiden könnenauch Alternativen wie die Trans-versalflussmaschine oder die ge-schaltete Reluktanzmaschine(siehe Artikel Seite 50) betrachtetwerden.

PMSM und ASM habenVor- und Nachteile: So ist dieASM eine kostengünstige, ro-

Bild 2: Beispiel eines parallelen Vollhybridfahrzeuges.(a) Hauptkomponenten des Europa Hybrid.

(b) Simulationsmodell einesparallelen Hybridfahrzeuges.

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(b) Stadtfahrt, Elektrofahrzeug

Bild 3: Unterschiedliche Häufigkeitsverteilungen für verschiedene Fahrzeuge und Fahrzyklen.

(a) Stadtfahrt, paralleler Vollhybrid

(c) Überlandfahrt, Elektrofahrzeug

Page 30: RWTH-Themen Elektromobilität in Aachen

Bild 4: Unterschiedli-che Maschinenausle-gungen, ihre Wir-kungsgradkennfelderund Gesamtwirkungs-grade.

(a) Wirkungsgrade,Geometrie1

(b) Wirkungsgrade,Geometrie2

(d) Wirkungsgrade,Geometrie4

(c) Wirkungsgrade,Geometrie3

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Autoren:Univ.-Prof. Dr.-Ing.habil. Dr.h.c. Kay Hameyer ist Leiter des Instituts für elektrische Maschinen, kurz IEM. Dipl.-Ing. Thomas Finken ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter und GruppenleiterAutomotive am Institut fürelektrische Maschinen (IEM)sowie Referent für Elektro-technik in der GeschäftsstelleElektromobilität.

nommen. Auch wenn der maxi-male Wirkungsgrad nahezuidentisch ist, kommt es doch zustarken Abweichungen beim ge-mittelten Wirkungsgrad.

Für die Auslegung und Opti-mierung der elektrischen Ma-schinen wird am Institut für Elek-trische Maschinen eigene Soft-ware eingesetzt, die ständig wei-ter entwickelt wird. Daraus er-gibt sich der Vorteil der vollkom-menen Transparenz und derMöglichkeit, diese den Bedürf-nissen anzupassen und eine ho-he Automatisierung zu erreichen.Die erste Grobauslegung derelektrischen Maschine erfolgtdabei durch schnelle analytischeBerechnungsmethoden. DieFeinauslegung und Optimierungwird mit der numerischen Finite-Elemente-Methode durchge-führt, die es ermöglicht nebenden elektrischen Leistungsdatenauch sämtliche auftretende Ver-luste zu berechnen und die er-forderlichen Wirkungsgradkenn-felder zu bestimmen. Zudem be-steht die Möglichkeit, akustischeProblemstellungen mit Hilfe vonstrukturdynamischen Simulati-onsmodellen zu lösen.

Bild 5: Das Institut für Elektrische Maschinen nutztdie Holobench mit Tracking-system unter anderem zur 3D-Visualisierung von magnetischen Feldverteilungenin Motoren für Elektrofahrzeu-ge. Für die Optimierung derelektrischen Maschine identifiziert Dipl.-Ing. ThomasFinken Gebiete hoher Verlusteoder auftretende magnetischeSättigungen.Foto: Peter Winandy

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Sebastian Döring, Achim Kampker,

Günther Schuh

zen gezielt weiter zu ent-wickeln.

Im Hinblick auf diese Her-ausforderungen laufen diegroßen deutschen Automobil-hersteller derzeit Gefahr, denAnschluss bei den Entwicklun-gen im Bereich der Elektromo-bilität zu verlieren. Dies ist ins-besondere auf die Pfadabhän-gigkeit – eine aufgrund derHistorie der Unternehmen ge-schaffene Abhängigkeit vonfrüheren Entscheidungen –zurückzuführen, die große Au-tomobilhersteller beispielswei-se durch hohe bereits getätig-te Investitionen in ihrer Ge-staltungsfreiheit einschränkt.Dies ist auch der Grund dafür,dass sich die Konzepte fürElektrofahrzeuge der großenAutomobilhersteller meist dar-auf beschränken, den An-triebsstrang konventionell an-getriebener Fahrzeuge durcheinen elektrischen Antriebs-strang zu ersetzen. So könnendie bestehenden, investitions-intensiven Produktionsanla-gen, wie sie beispielsweise fürdie Fertigung der Karosserieerforderlich sind, weiter ge-nutzt werden.

Dieses Vorgehen hat aller-dings zur Folge, dass die Po-tenziale, die ein elektrischer

Antriebsstrang für das gesam-te Fahrzeug mit sich bringt,weitestgehend ungenutzt blei-ben. Um diese Potenziale er-schließen zu können, ist es er-forderlich, bei der Gestaltungdes gesamten Fahrzeugs neueWege zu gehen und dieseskonsequent anforderungsge-recht zu entwickeln. Abgelei-tet aus dem Gesamtfahrzeug-konzept gilt diese Forderungfür jedes Modul und jede ein-zelne Komponente eines Elek-trofahrzeugs.

Bei der Entwicklung vonKomponenten nimmt der Mit-telstand eine bedeutende Rol-le im internationalen Wettbe-werbsumfeld ein, da viele klei-ne und mittlere Unternehmen(KMU) bereits als Zuliefererinnovative Lösungen für Elek-trofahrzeuge anbieten. Auf-grund ihrer geringen Größekönnen diese Unternehmenallerdings häufig nur sehr spe-zifische Lösungen oder vomEntwicklungsumfang kleineKomponenten anbieten. Ge-lingt es diesen Unternehmen,

die derzeit verstreuten und aufeinzelne Komponenten bezo-genen Kompetenzen zu bün-deln, können Systemlösungengeschaffen werden, mit deneneine Differenzierung vomWettbewerb möglich ist. Umin den frühen Phasen derMarktentwicklung bei den da-mit verbundenen geringenStückzahlen von Elektrofahr-zeugen bereits wettbewerbs-fähige Produkte anbieten zukönnen, müssen Skaleneffektegenutzt werden. Die Entwick-lung von modularen Systemlö-sungen mit standardisiertenSchnittstellen, die in unter-schiedlichen Elektrofahrzeugeneingesetzt werden können,verspricht hier ein großes Po-tenzial.

Ziel des vom Lehrstuhl fürProduktionsmanagement koor-dinierten Netzwerks eMobil-Module ist es, die derzeit neunPartnerunternehmen aus derAutomobilzuliefer- und Elek-troindustrie zur Entwicklungvon wettbewerbsfähigen mo-dularen Systemlösungen zu

Bild 1: Das Netzwerk eMobil-Module basiert aufdem Prinzip der Virtuellen Fabrik.

DDer weltweit zunehmende An-teil des Individualverkehrs unddie gleichzeitige Knappheit anfossilen Brennstoffen offenbartdie Mobilität der Zukunft alsein gesellschaftliches Kernpro-blem. Neben der Verknappungder Ressourcen kommt demSchutz der Umwelt eine zu-nehmend größere Rolle zu.Dies gilt in verstärktem Maßefür dicht besiedelte Gebieteund Städte, in denen nebenCO2-Emmissionen auch Fak-toren wie Lärmbelästigungoder Schadstoffbelastung einezunehmend größere Bedeu-tung erhalten. Diese Entwick-lungen haben dazu geführt,dass in jüngster Zeit die Elek-tromobilität weltweit deutlichan Beachtung gewonnen hat.Als Konsequenz werden imautomobilen Marktumfeld inden nächsten Jahren massiveVerschiebungen der Wert-schöpfungsketten auftreten.Jedes Unternehmen, das inder Automobilbranche aktiv istoder aktiv werden möchte,muss daher entsprechendeMaßnahmen treffen, um aufdiesen Wandel vorbereitet zusein. Dazu gehört insbesonde-re, frühzeitig neue Kompeten-zen aufzubauen beziehungs-weise bestehende Kompeten-

eMobil-Module:

Page 33: RWTH-Themen Elektromobilität in Aachen

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Mittelständisches Netzwerk zurEntwicklung wettbewerbsfähigerModule für Elektrofahrzeugebefähigen und somit derenWettbewerbsposition im glo-balen Umfeld zu stärken. Diessoll insbesondere durch diegemeinsame Nutzung von in-terdisziplinären, sich ergänzen-den Fähigkeiten im Netzwerkfür Produkt-Neuentwicklun-gen erreicht werden. Um da-bei die wirtschaftliche Wettbe-werbsfähigkeit der Module si-cherzustellen, werden diesemaßgeblich aus der Perspekti-ve der Produktion gestaltet.Durch eine konsequent inte-grierte Produkt- und Prozess-entwicklung können die Kos-ten für eine Serienfertigungder Module entwicklungsbe-gleitend betrachtet und durchModifikationen der Produktein frühen Entwicklungsphasenreduziert werden. Neben derauftragsneutralen Modulent-wicklung ermöglicht die Bün-delung der Kompetenzen derNetzwerkpartner auch einegemeinsame Akquise und Auf-tragsabwicklung für größereund komplexere Projekte, dievon einem einzelnen Netz-werkpartner nicht bearbeitetwerden könnten. Dabei kommtallen Netzwerkpartnern dasKnow-how über Elektrofahr-zeuge zugute, dass sie sichüber die Arbeit im Netzwerkaneignen.

Die Struktur des Netzwerk-es folgt dem Leitbild der virtu-ellen Fabrik. Das erste funkti-onsorientierte und branchen-spezifische Konzept der virtu-ellen Fabrik wurde bereits Mit-te der 1990er Jahre entwor-fen. Seither wurde es basie-rend auf den Erfahrungen ausbestehenden virtuellen Fabri-ken kontinuierlich verbessertund angepasst. Das Hauptzieldes Konzepts ist die Verknüp-fung von Stabilität und Flexi-bilität durch die Schaffung ei-nes Gesamtsystems, welchesseine Leistungsfähigkeit ausder Unterteilung in ein stati-sches Beziehungsnetzwerkund dynamische, im Bedarfs-fall aktivierbare Teilnetzwerkeschöpft. Im Beziehungsnetz-werk sind alle potenziell not-wendigen Kapazitäten undKompetenzen enthalten. ZurAbwicklung eines Projekteswerden dann dynamisch dieje-

nigen Netzwerkpartner ausge-wählt, die die jeweils benötig-ten Fähigkeiten besitzen.

Im Netzwerk eMobil-Mo-dule bilden die Netzwerkpart-ner das statische Beziehungs-netzwerk mit den grundlegen-den Kompetenzen siehe Bild 1.Aus diesem Beziehungsnetz-werk werden themenspezifischTeilnetzwerke gebildet, in de-nen modulare Systemlösungenentwickelt werden. Themen-felder dieser Teilnetzwerkesind beispielsweise der Leicht-bau, um die erforderliche Bat-teriekapazität zu reduzierenund somit Kosten zu sparen,die akustische Dämmung, daim Elektrofahrzeug Neben-geräusche viel stärker wahrge-nommen werden sowie einneues Konzept für das Ther-momanagement im Fahrzeug,um den zusätzlichen Strom-verbrauch von Heizung undKlimatisierung zu reduzieren.Je nach Umfang der zu ent-wickelnden Module variiertauch die Anzahl der an einemTeilnetzwerk beteiligten Un-ternehmen. Themenspezifischwerden Institute der RWTHAachen wie das Institut fürKraftfahrzeuge (ika) mit ihrerExpertise in die Teilnetzwerkeeingebunden.

Die Koordination des Netz-werks übernimmt ein Teamaus Netzwerkmanagern desLehrstuhls für Produktionsma-nagement. Im Fokus der Auf-gaben stehen zunächst Maß-nahmen zum erfolgreichenAufbau des Netzwerks:

Strategische Positionierungdes Netzwerks im Wettbe-werbsumfeldDefinition der F&E-Themenund Weiterentwicklung desNetzwerksRegelung der rechtlichenRahmenbedingungen

Der Startpunkt für eine erfolg-reiche Zusammenarbeit imNetzwerk ist die strategischePositionierung. Sie gibt die in-haltliche Stoßrichtung für dasNetzwerk vor und bildet dieGrundlage für alle weiterenAktivitäten. Ausgehend vondem Spannungsfeld zwischenpotenziellen Kunden (Anfor-derungsdefinition), Wettbe-

werbern (Markteintrittsbarrie-ren) und Zulieferern werdendie relevanten Wettbewerbs-arenen definiert und eine Visi-on beziehungsweise ein Leit-bild für das Netzwerk abgelei-tet. Darauf basierend werdenstrategische Erfolgspositionenerarbeitet und ein strategi-sches Programm konzipiert.Dabei kommt beispielsweiseder Positionierung gegenüberden bestehenden Automobil-herstellern und großen Zulie-ferern eine hohe Bedeutungzu, da diese gleichzeitig so-wohl Kunden als auch Wett-bewerber sein können. Esmüssen folglich sowohl The-menfelder definiert werden, indenen sich die Netzwerkakti-vitäten bewusst differenzieren,als auch solche, in denen einenger Austausch gesucht wer-den muss – beispielsweise umallgemein anerkannte Stan-dards zu etablieren.

Auf der strategischen Posi-tionierung basierend werdendie inhaltlichen Forschungs-und Entwicklungsthemen desNetzwerks definiert. DieseThemenplanung stellt dieGrundlage für die Ausdetaillie-rung der Entwicklungsprojektein den themenspezifischenTeilnetzwerken dar. Dabei wirdfür jedes Projekt ein konkretesForschungs- und Entwick-lungsziel definiert. Durch diethematische Verknüpfung undeine zeitliche Staffelung derProjekte im Netzwerk ergibtsich eine Projekt-Roadmap fürdie Forschungs- und Entwick-lungsaktivitäten. Die für dieUmsetzung dieser Roadmaperforderlichen Fähigkeitenwerden mit den bei den Netz-werkpartnern vorhandenenKompetenzen abgeglichen.Für den Fall, dass zusätzlicheKompetenzen im Netzwerkbenötigt werden, können die-se entweder durch die Netz-werkunternehmen selbst auf-gebaut werden, oder dasNetzwerk wird durch die ge-zielte Aufnahme neuer Netz-werkpartner weiterentwickelt.

Der enge inhaltliche Aus-tausch der Partner erfordertes, für die Zusammenarbeit imNetzwerk eine Grundlagerechtlicher Rahmenbedingun-

gen zu schaffen. Dort werdenbeispielsweise der Ein- undAustritt von Netzwerkpart-nern, deren Rechte undPflichten und die Vertraulich-keit im Umgang mit den Ent-wicklungsergebnissen gere-gelt. Dies beinhaltet auch Re-gelungen für den Umgang mitSchutzrechten und geistigemEigentum im Netzwerk. Durchdiese Regelungen wird sicher-gestellt, dass sich die Partnerohne Vorbehalt mit ihrenFähigkeiten und ihrem Wissenan dem Netzwerk beteiligen.Im Vordergrund der Betrach-tungen steht dabei, welchesWissen von den Partnern ein-gebracht wird und wie diesesWissen von den anderen Part-nern genutzt werden darf.Gleiches gilt für das im Netz-werk neu geschaffene Wissen.

Mit dem Aufbau des Netz-werks eMobil-Module werdendie Partnerunternehmen dazubefähigt, gemeinschaftlichmodulare Systemlösungen fürElektrofahrzeuge bis zurMarktreife zu entwickeln. Ne-ben dem technologischenFortschritt für die Elektromo-bilität wird damit die interna-tionale Wettbewerbsfähigkeitkleiner und mittlerer Unter-nehmen am StandortDeutschland gefördert. DasNetzwerk ist Teil des Gesamt-konzepts der Forschungsakti-vitäten im Themenfeld Elek-tromobilität an der RWTH Aa-chen.

Autoren:Univ.-Prof. Dr.-Ing. Achim Kampker ist Inhaber des Lehrstuhls für Produktionsmanagement am WerkzeugmaschinenlaborWZL. Univ.-Prof. Dr.-Ing. Dipl.-Wirt.Ing. Günther Schuh ist Inhaber des Lehrstuhls für Produktionssystematik am WerkzeugmaschinenlaborWZL. Dipl.-Ing. Dipl.-Wirt.Ing. Sebastian Döring ist wissenschaftlicher Mitarbeiteram Lehrstuhl für Produktions-systematik.

Ein Netzwerk mit System

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Achim Kampker, Günther Schuh, Mateusz Swist

zeugen ausmachen. Auch an-dere Länder wie beispielsweisedie Türkei sehen in der Elektro-mobilität die Möglichkeit, inden Automobilmarkt einzutre-ten, in dem sie bislang dieMarktposition der größten Pro-duzenten USA, Deutschlandund Japan nicht gefährdenkonnten.

Wertschöpfungsstrukturenmüssen hinterfragt werdenFür die deutsche Industrie be-deutet dies, dass neue Fahr-zeug- und Produktionskonzepteentwickelt werden müssen,welche die existierenden Wert-schöpfungsstrukturen verlassen,um Raum für innovative, radi-kal kostenreduzierte Lösungenzu schaffen. Um nicht den An-schluss an das Wachstumsseg-ment der kostengünstigenKleinwagen zu verlieren, müs-sen die Herstellkosten des ge-samten Fahrzeugs auch ohneBatterie signifikant gesenktwerden. Neben der reinenTechnologieentwicklung ge-winnt daher das Thema Produ-zierbarkeit an Bedeutung. DieStrategie zur Technologieent-wicklung für die Elektromobi-lität musste gestern erzeugtwerden – heute muss die Stra-tegie zum Aufbau einer wett-bewerbsfähigen Wertschöpfungentwickelt werden. Weit vornesind derzeit kleine Elektrofahr-zeuginitiativen, welche los-gelöst von bisherigen Struktu-ren komplett neue Produktions-und angepasste Designkonzep-te für Elektrofahrzeuge nachdem Purpose Design siehe Bild 1entwickeln. Auch die großenFahrzeughersteller haben dieNotwendigkeit neuer Ansätzeerkannt. Um zukünftig in demsich wandelnden Markt zu be-stehen, ist es nur eine Frage derZeit, bis die ersten marktfähi-gen Purpose-Design-Konzeptevorgestellt werden. Für dieWettbewerbsfähigkeit dieserKonzepte gegenüber konven-tionellen Fahrzeugen einerseitsund der Konkurrenz aus demAusland andererseits fehlenderzeit jedoch Lieferanten kos-tengünstiger Komponenten wieElektromotor und Batterie so-wie die erforderliche Infrastruk-tur, um den Kraftakt von Kon-

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Trends in der Fahrzeugproduktion

zeptphase und Prototyp inRichtung Serienreife zu meis-tern. Mit der Elektrofahrzeug-Initiative StreetScooter hat dieRWTH Aachen eine Entwick-lungs- und Kommunikations-plattform für ein breites Unter-nehmensnetzwerk geschaffen,um diesen Herausforderungenzu begegnen.

Zulieferer müssen in Vorleistung gehenDie Entwicklung von Serienpro-zessen für die Herstellung kos-tengünstiger Antriebsstrangele-mente für Elektrofahrzeuge istder erste Schritt, mit dem einekompetenzgerechte Wert-schöpfungsverteilung erreichtwerden kann. So werden rundum die StreetScooter-Initiativeexistierende sowie potenzielleZuliefererunternehmen unter-schiedlicher Branchen dazu mo-bilisiert, die Herstellung vonElektromotoren, Batterien undweiteren Komponenten, wiedem gesamten Thermomana-gement und der Leistungselek-tronik, den Anforderungen derSerienproduktion anzupassen.Die zunehmende Verfügbarkeitdieser Komponenten zu niedri-geren Preisen wird vielen Elek-trofahrzeuginitiativen einenwichtigen Anreiz für die Über-führung ihrer Fahrzeugkonzep-te in die Serienreife liefern. DasZiel dabei muss lauten, Schnitt-stellen herstellerübergreifend zustandardisieren, um Produkt-und Produktionsprozessstan-dards in der Komponentenferti-gung zu ermöglichen. Es müs-sen Skaleneffekte bei Kompo-nentenherstellern geschaffenwerden, um bei anfangs gerin-gen Modellstückzahlen den je-weiligen Elektrofahrzeugprodu-zenten die Möglichkeit zu ge-ben, ihre Produkte am Marktabzusetzen. Dies bedeutet auchdie Entwicklung automatisierterProzesse für die Komponenten-herstellung, um niedrige Kostenund eine maximale Produkt-qualität und -zuverlässigkeit zugewährleisten. In der Batterie-herstellung, in der die gegen-wärtigen Produktionsprozesseje nach Prozessstufe Ausschus-sraten von bis zu 40 Prozentgenerieren, geht die Automati-on weit über ein reines Investi-

nutzen und Elektrofahrzeugemit vorhandenen Ressourcenzu produzieren. Beispiele fürElektrofahrzeuge, die nach demConversion Design produziertwerden, sind der Mini E oderdie Elektrovariante des Smart.

Für die Wettbewerbsfähigkeitwerden neue Ansätze benötigtDie genannten Vorteile desConversion Design kompensie-ren jedoch nicht die hohen Kos-ten, welche beim Elektrofahr-zeug durch die Notwendigkeiteiner leistungsstarken und ener-giereichen Batterie entstehen.Die Folge sind Fahrzeuge, diemehr als 10.000 Euro über demVerkaufspreis konventionellerModelle liegen. Die Kosten proKilowattstunde (kWh) liegenbei einer Lithium-Ionen-Batteriederzeit bei über 1.000 Euro. Beieiner Batteriekapazität für einenKleinwagen mit 15 kWh kostetallein die Batterie somit minde-stens 15.000 Euro und damitmehr als ein konventionellerKleinwagen. Daher ist die Sen-kung der Batteriekosten einzentrales Thema der Elektromo-bilität. Eine Halbierung der Bat-teriekosten wird derzeit alleinedurch die Optimierung der Her-stellungsprozesse als möglichangesehen. Ein japanischer Au-tomobilkonzern plant die Ent-wicklung von Akkus, die ledig-lich 300 Euro pro kWh kostensollen. Auch wenn dieses Zielerreicht wird, übertreffen dieHerstellkosten eines nach demConversion Design hergestell-ten Elektrofahrzeugs die Mehr-preisbereitschaft der Kunden.Das bedeutet, dass Elektrofahr-zeuge mit konventionellen Au-tos nicht wettbewerbsfähigwären, woraus sich ein hoherKostendruck beim Gesamtfahr-zeugkonzept ergibt.

Zusätzlicher Druck kommt aus dem AuslandKonkurrenz kommt zudem ausAsien. Insbesondere in Chinasehen Politik und Industrie Po-tenziale, in der Elektromobilitätweltweit Fuß zu fassen. Eindeutlicher Vorteil Chinas liegtbei den geringen Personalkos-ten, die auch hierzulande nachwie vor den größten Teil derHerstellkosten von Serienfahr-

SSeit nunmehr einhundert Jah-ren rollen Autos in kurzen Tak-ten vom Band. Entsprechendgroß ist die Erfahrung der Au-tomobilindustrie in der Gestal-tung und kontinuierlichen Ver-besserung dieser klassischenFahrzeugproduktion. Wert-schöpfungsstrukturen sind ge-wachsen und auf der ständigenSuche nach Verbesserungspo-tenzialen zur Steigerung der Ef-fizienz ist die Fahrzeugproduk-tion dort angelangt, wo sieheute steht: In Kundensequenzwerden alle Fahrzeugkompo-nenten in einer zum Teil mehrals 300 Takte umfassendenMontagelinie wie bei einerPerlenkette Schritt für Schrittzum Gesamtfahrzeug verbaut.Die Vorstellung, wie marktfähi-ge Elektrofahrzeuge in Zukunfthergestellt werden können, lässtsich daraus ableiten. Die Erfah-rung der vergangenen hundertJahre sollte die effizienteste undwettbewerbfähigste Herstellungvon Elektrofahrzeugen erlau-ben, welche derzeit möglich ist.Dass für die Elektromobilitätandere Lösungen gefunden wer-den müssen, wird erst auf denzweiten Blick deutlich.

Mit Conversion-Design werdenbestehende Strukturen genutztViele der großen Automobilher-steller sind derzeit bereits fähig,Elektrofahrzeuge auf konven-tionellem Wege zu produzieren.Ungelöst ist jedoch das Pro-blem, dass diese Fahrzeugeaufgrund deutlich höherer Her-stellkosten nicht wettbewerbs-fähig sind. Der gegenwärtigeAnsatz der Automobilhersteller,Elektrofahrzeuge auf Basis be-stehender Fahrzeugplattformenzu bauen und den konventio-nellen Antriebsstrang durch denelektrischen auszutauschen,klingt vorteilhaft. So werdenbei diesem Conversion-Design-Ansatz durch die Übernahmebestehender Komponenten er-hebliche Entwicklungskostenund Entwicklungszeit gespart.Zusätzlich werden Skaleneffek-te durch die Verwendung vonGleichteilen in konventionellenund elektrisch angetriebenenFahrzeugen erzielt. Auf den ers-ten Blick erscheint es sinnvoll,vorhandene Kapazitäten zu

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In der Elektromobilität werden die Karten neu gemischt

tionsproblem hinaus. Ähnlich istes bei anderen Komponenten,von denen bisher deutlich ge-ringere Stückzahlen produziertworden sind. Der Fokus derkommenden Jahre wandert so-mit in Richtung der Zulieferer-unternehmen, womit der bishe-rige Trend beibehalten wird, sie-he Bild 2. Diese sollten in Vor-leistung gehen, wodurch ihreRolle gegenüber den Fahrzeug-herstellern gleichzeitig gestärktwerden kann. Dabei müssensich innovative Ideen gegenü-ber dem Korsett der klassischenFahrzeugstruktur durchsetzen –nicht um bessere, leichtere undfuturistische Komponenten zubauen, sondern um einen deut-lichen Kostensprung nach untenzu schaffen. Basis einer derartzielgerichteten Entwicklung vonKomponenten und deren Pro-duktionsprozesse ist eine Platt-form, auf der sich Zuliefererund Hersteller problemnah aus-tauschen können. Die Street-

Scooter-Initiative schafft derzeitdiese Plattform, indem zahlrei-che Zuliefererunternehmen undAnlagenbauer am Projekt betei-ligt werden und in Abstimmunguntereinander Produkt- undProzessentwicklungen für eingemeinsames Fahrzeugkonzeptvorantreiben.

Kosteninnovative Konzeptebenötigen Ressourcenzugang Die Überführung der Gesamt-fahrzeuge in ein serienreifesMontagekonzept erfordert ei-nen weiteren Schritt über dieKomponentenentwicklung und-produktion hinaus. Heute sindes Elektrofahrzeug-Initiativenmit geringer Erfahrung in derProduktion von kostengünsti-gen Serienfahrzeugen für denMassenmarkt, die mit innovati-ven Ideen auf sich aufmerksammachen. Im StreetScooter-Pro-jekt werden völlig neue Pro-duktstruktur- und Montage-konzepte untersucht, um auch

bei einer mittelfristig geringenProduktionsstückzahl denMarkteintritt zu schaffen.Durch eine modulare Produkt-und Prozessstruktur wird bei-spielsweise versucht, Varianten-treiber in wenigen Modulen zubündeln, um Varianzkosten ausdem Großteil der Produktions-prozesse auszuschließen. Ein ra-dikales Beispiel ist die Trennungder Fahrzeugfront inklusiveCockpit und Pedalerie vom Restdes Autos, um diese in allenDerivaten und Varianten alsvormontiertes Gleichteil einset-zen zu können. Standardisierteund leicht zugängliche Schnitt-stellen zu Batterie, Antrieb undweiteren Komponenten sollenzudem die Kompatibilität zu ex-tern durch Lieferanten ent-wickelten Systemen sicherstel-len und die Montierbarkeit desGesamtfahrzeugs erleichtern.Die Vision ist dabei, das Elek-trofahrzeug wie einen IBM-PCaus standardisierter Massenwa-

Bild 1: Gegenüberstellung desConversion Designs und desPurpose Designs.

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Bild 2: Der Trend zur Reduzierungder Wertschöpfungstiefe setzt sichim Automobilsektor fort.

re nach dem „Plug-and-Play“-Prinzip zusammenstecken zukönnen, siehe Bild 3. Dass fürinnovative Ideen der Einsatzneuer Produktionstechnologiennotwendig sein wird, zeigt sichinsbesondere bei den Fügever-fahren. So erfordert das Fügenausgebauter Komponenten indie Rahmenstruktur des Fahr-zeugs beispielsweise kalte undgleichzeitig robuste Fügetech-nologien. Zur Überführung in-novativer Ideen und bestehen-der Prototypen in serienreifeProdukte und Prozesse ist je-doch der Zugang zu kapitalin-tensiven Produktionsressourcennotwendig. Erst durch die prak-tische Erprobung, Optimierungund Verifizierung der gesamtenProduktionsprozesskette unterseriennahen Bedingungen kön-nen das Investitionsrisiko ge-senkt und gezielte Investitionenin Produktionsanlagen getätigtwerden. Während die großenAutomobilhersteller für dieÜberführung ihrer Prototypen

in die Serienreife bei konventio-nellen Fahrzeugen auf eigeneAnlauffabriken zurückgreifenkönnen, fehlt im Bereich derElektromobilität aufgrund dernotwendigen Investitionssum-men und dem damit einherge-henden Risiko der Zugang zusolchen Ressourcenparks. Somitwird es für die Serienprodukti-on von Elektrofahrzeugen not-wendig sein, potenziellen Elek-trofahrzeugherstellern die Zu-gänglichkeit zu kapitalintensi-ven Ressourcenparks in Formvon Anlauffabriken zu ge-währen, um die Produktions-stückzahlen erhöhen zu kön-nen. Entsprechende Projektesind gegenwärtige Vorhabendes WerkzeugmaschinenlaborsWZL.

ZusammenfassungDer Wandel zur Elektromobi-lität ist eine Frage der Zeit. Eswird nicht lange dauern, bisBemühungen anderer Länderwie China zu Massenmarkt-

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Bild 3: Übertragung des IBM-Prinzips auf die Elektrofahrzeugmontage.

fähigen Elektrofahrzeugenführen. Hinzu kommt die zu-nehmende Präsenz der Elektro-mobilität in Politik und Medien.Der Druck auf Deutschlandwächst, seine Position im Auto-mobilsektor auch zukünftig un-ter neuen Bedingungen zu be-haupten. Ein Lösungsansatz istdas Purpose-Design – die Ge-nerierung neuer, kosteninnova-tiver Fahrzeug- und Produkti-onskonzepte und die damit ein-hergehende Anpassung derWertschöpfungskette. Zuliefe-rern neuer Fahrzeugkomponen-ten wie zum Beispiel der Batte-rie, dem Elektromotor oder derLeistungselektronik kommt da-bei eine besondere Bedeutungzu. Insbesondere bei anfangskleinen Stückzahlen müssen ra-dikal kostenreduzierte Serien-prozesse entwickelt und Stan-dards für neue Bauteile ge-schaffen werden, bevor derMarkt durch Unternehmen ausanderen derzeit aktiven Län-dern erschlossen wird. Für dieMontage bedeutet dies: weg

vom kontinuierlichen Fahrzeug-ausbau entlang einer langen Li-nie und hin zum Zusammenbaudes Fahrzeugs aus modell- undherstellerübergreifend standar-disierten, weitgehend ausge-bauten Komponenten. Um wei-terhin die notwendigen Innova-tionen für kleinere wie auchgroße Produktionsstückzahlenvon Komponenten und gesam-ten Fahrzeugen in markt- undwettbewerbsfähige Serienpro-dukte umzuwandeln, bedarf eszudem einen Zugang zu Res-sourcen, in die viele Unterneh-men in Anbetracht des hohenInvestitionsrisikos nicht investie-ren werden. Die Bereitstellungeiner entsprechenden Entwick-lungs-Infrastruktur ist ein wei-terer Schritt, mit dem die Ent-wicklung der Elektromobilität inDeutschland beschleunigt wer-den kann. Mit der StreetScoo-ter-Initiative schafft die RWTHeinen wertvollen Beitrag zu die-sen Entwicklungsschritten.

AutorenUniv.-Prof. Dr.-Ing. Achim Kampker ist Inhaber des Lehrstuhls für Produktionsmanagement am Werkzeugmaschinenlabor WZL. Univ.-Prof. Dr.-Ing. Dipl.-Wirt. Ing.Günther Schuh hat den Lehrstuhl für Produktions-systematik am Werkzeugmaschi-nenlabor WZL inne. Dipl.-Ing. Dipl.-Wirt. Ing. Mateusz Swist ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Produktionsmanagement.

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Bild 4: Herausforderung Industrialisie-rung: Im StreetScooter-Projekt stehtnicht nur die technische Umsetzungdes Elektrofahrzeugs im Vordergrund, sondern auch die wirtschaftliche Industrialisierung.Foto: Peter Winandy

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Bild 5: Ein gegenwärtiges und zukünftiges Kernthema der Elektromobilität stellt die Produzierbarkeit von Elektrofahrzeugen dar. Im 3D-Layout werden neue Montagekonzepte auf ihre Umsetzbarkeit überprüft.Foto: Peter Winandy

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II zur Verfügung gestellt. Ne-ben der Forschung werden zu-sätzlich Ausbildungsmoduleentwickelt, um den zukünftigenBedarf an Spezialisten für dieForschung und Industrie besserdecken zu können. Den Part-nern kommen hierbei verschie-dene Rollen zu: Das Forschungs-zentrum Jülich konzentriert sichauf Fragen zur Festkörperelek-trochemie und hierbei haupt-sächlich auf die Verbesserungder Kathodenmaterialien be-züglich Langlebigkeit, Sicherheitund Kostenreduktion des Her-stellungsverfahrens. Das Max-Plank-Institut für Eisenfor-schung bringt seine Kompetenzim Bereich Oberflächen- undGrenzflächencharakterisierungsowie deren Präparierung inden Verbund mit ein und stellthiermit eine Reihe von Mes-smethoden, wie die Raster-Au-ger-Spektrometrie oder diverseElektronenmikroskope zur Ver-fügung. Die Grenzflächen Elek-trode-Elektrolyt ist in Lithium-Ionen Batterien von besonde-rem Interesse, da sie maßgeb-lich die Alterung der Batteriebestimmt. Mit Kernmagneti-scher-Resonanz-Spektroskopiekönnen an der Leibnitz Univer-sität Hannover Elektroden- undElektrolytmaterialien bezüglichihrer atomaren und elektroni-schen Strukturen sowie der Dif-fusions- und Transporteigen-schaften vermessen werden. Ander Universität Münster werdenElektrolyte entwickelt. Außer-dem schließt sich dort dieLücke zwischen den untersuch-ten Zellmaterialien und der Zel-le, indem die verschiedenenMaterialien in Laborzellen ein-gebaut und als Gesamtsystemgetestet werden. Das Institutfür Stromrichtertechnik undElektrische Antriebe (ISEA) derRWTH mit dem Lehr- und For-schungsgebiet Elektrochemi-sche Energiewandlung undSpeichersystemtechnik (ESS)von Professor Sauer schlägtschließlich den Bogen von derZelle zur Batterie und deren In-tegration ins Fahrzeug. DasISEA steht im KVN-Verbund amEnde der Wertschöpfungskette.Der Forschungsschwerpunktliegt auf Alterungsuntersuchun-gen und der Entwicklung eines

Zuverlässige Lebensdauerprognose

für Lithium-Ionen-Batterien

Madeleine Ecker, Julia Kowal,

Dirk Uwe Sauer

Bild 1: Am Institut für Stromrichtertechnik und ElektrischeAntriebe werden Batterien bei vorgegebener Temperatur in Klimakammern und Öfen gealtertund in bestimmten Abständen mittels Impedanzspektroskopie vermessen.Foto: Peter Winandy

EElektrofahrzeuge gelten als viel-versprechende Technologie, umlangfristig eine umweltverträgli-che, individuelle Mobilität zu si-chern. Sie ermöglichen es, dasgesamte Spektrum erneuerba-rer Energien zu nutzen und inBallungsräumen die lokalenSchadstoff- und Lärmemissio-nen zu senken. Unter ökologi-schen Gesichtspunkten scheintdie Markeinführung von Hy-brid- und Elektrofahrzeugenlängst überfällig, doch techni-sche und ökonomische Aspektebehindern den Fortschritt. Ins-besondere die Energiespeicher-technologie stellt die Automo-bilindustrie vor große techni-sche Herausforderungen. Leis-tungsstarke, sichere und be-zahlbare Batterietechnologiensind für die Elektromobilität un-abdingbar. Es bedarf in denkommenden Jahren intensiverForschungsanstrengungen, umeine führende Rolle Deutsch-lands in diesem Bereich sicher-zustellen. Insbesondere die Lithi-um-Ionen Batterietechnologiegilt als vielversprechend für denEinsatz in Hybrid- und Elektro-fahrzeugen, da sie sich durchhohe Energie- und Leistungs-dichte und schnelle Ladefähig-keit auszeichnet.

Der Kompetenzverbund NordDer Kompetenzverbund Nord(KVN) ist ein Zusammenschlussverschiedener nord- und west-deutscher Forschungseinrich-tungen unter der Förderungdes Bundesministeriums für Bil-dung und Forschung (BMBF),welcher es sich zum Ziel gesetzthat, die Kompetenz in der Elek-trochemie für die Elektromobi-lität in Deutschland zu steigern.Standortübergreifend wird anThemen von den Rohstoffenund Materialien bis hin zur Bat-terie geforscht, um gemeinsamverbesserte und neue Materiali-en für Batterien zu entwickeln.Forschungspartner sind die Uni-versitäten Münster, Hannoverund Bochum, das DüsseldorferMax-Plank-Institut für Eisenfor-schung, das ForschungszentrumJülich sowie die RWTH Aachen.Für den Verbund wurden Gel-der in einer Höhe von insge-samt über elf Millionen Eurovom BMBF im Rahmen des KoPa

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Alterungsuntersuchung zur Optimierung neuer Materialienim Kompetenzverbund Nord

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48Bild 2: Alterungseffekte an derGrenzfläche Anode-Elektrolyt.

sie sich aus einer Varietät vonMaterialen zusammensetzenlassen. In kommerziellen Lithi-um-Ionen-Batterien werden aufder Anodenseite gewöhnlichKohlenstoffe verwendet, aufder Kathodenseite Lithiumme-talloxide oder Lithiumeisen-phosphat. Beim Laden und Ent-laden der Zelle werden Lithium-Ionen an der einen Elektrodeausgelagert, wandern durchden Elektrolyten zur gegenüber-liegenden Elektrode und lagernsich dort in das Kristallgitter desElektrodenmaterials wieder ein.Alterungserscheinungen wieKapazitätsverlust und Wider-standserhöhung treten insbe-sondere dadurch auf, dass zy-klisierbares Lithium verlorengeht oder sich durch chemische

ode bei Überladung der Zelleund Zyklisierung bei tiefenTemperaturen, die mechanischeAlterung und der Kontaktver-lust der Elektroden durch dieVolumenänderungen währendder Lithium Ein- und Auslage-rung sowie die Zerstörung derKristallstruktur an der Kathodebeim Zyklisieren. Die auftreten-den Effekte sind allerdings starkvon der verwendeten Material-kombination und insbesonderedem Elektrolyten und seinenZusätzen abhängig.

Die oben beschriebenen Al-terungseffekte zeichnen sich inelektrischen Tests von Zellendurch Widerstandserhöhungund Kapazitätsabnahme ab, si-he Bild 3a und b. Zur Untersu-chung der kalendarischen Alte-rung während der Lagerungder Batterien sowie der Zyklen-alterung müssen geeignete,aussagekräftige Tests bei ver-schiedenen Temperaturen, La-dezuständen und Zyklentiefenentwickelt und durchgeführtwerden. Auch Impedanzmes-sungen, bei denen die Span-nungsantwort auf Stromsignaleverschiedener Frequenzen ge-messen wird, eignen sich zurUntersuchung der Alterung.Doch um die physikalischenund chemischen Ursachen derAlterung zu verstehen, werdenzusätzlich zu diesen elektri-schen Tests Post-Mortem-Ana-lysen der Zellen notwendig.Das sich zurzeit im Aufbau be-findende chemische Labor amISEA wird dies zukünftig er-möglichen. Dort können Zellenin verschiedenen Alterungssta-dien in Handschuhboxen unterSchutzatmosphäre geöffnet,Proben genommen und mitverschiedenen Spektrometern(optische Spektrometer, Ra-man- und IR-Spektrometer,Röntgenspektrometer) und Mi-kroskopen (Stereo-Lichtmikro-skop, Lasermikroskop, Raster-kraftmikroskop) untersuchtwerden. Dazu gehört auch einaus Mitteln der Hochschule be-schafftes „Environmental Elek-tronen-Transmissions-Mikro-skop“ (eTEM), das mit anderenArbeitsgruppen der RWTH ge-nutzt werden wird.

Die Alterungstests werdenbegleitet durch den Aufbau ei-nes Simulationsmodells, wel-ches die Vorgänge in der Batte-rie modelliert. Es wird durch dieAlterungstests parametriert.Das Simulationsmodell ist phy-sikalisch-chemisch basiert undberechnet das Strom-Span-nungsverhalten, den Ladezu-stand und die Lithium-IonenKonzentration in der Zelle zeit-und ortsaufgelöst. Die Berech-nung der Stromverteilung ba-siert auf einem elektrischenNetzwerk, in welchem physika-lisch-chemische Prozesse in derZelle als nicht-ohmsche Wider-

Alterungsmodells zur Lebens-dauerprognose von Batterien.Dies ist für die Anwendung derBatterien im Fahrzeug vongroßer Bedeutung, insbesonde-re um eine zuverlässige Integra-tion ins Fahrzeug sicherzustel-len. Anderseits liefern dieseModelle auch den Materialher-stellern Rückmeldung für dieOptimierung ihrer Materialien.

Alterung von Lithium-Ionen BatterienUm Alterung zu modellierenund Lebensdauern zu prognos-tizieren, muss verstanden wer-den, welche physikalischen undchemischen Prozesse in einerLithium-Ionen Batterie ablau-fen. Lithium-Ionen Batterienzeichnen sich dadurch aus, dass

Reaktionen in der Zelle Schich-ten auf den Grenzflächen aus-bilden. Ein wesentlicher Alte-rungseffekt in Lithium-IonenBatterien ist die Ausbildung derSolid Electrolyte Interface (SEI).Diese Schicht entsteht an derGrenzfläche Anode-Elektrolytdurch die Reaktion von Lithiummit dem Elektrolyten, siehe Bild2. Bei der Bildung der SEI wirdLithium irreversibel eingebun-den und es kommt zu einemVerlust von zyklisierbarem Lithi-um. Die SEI führt außerdem zurWiderstanderhöhung der Zelle,da sie eine zusätzliche Barrierebeim Ein- und Auslagern der Li-thium-Ionen darstellt. WeitereAlterungseffekte sind unter an-derem die Ablagerung von me-tallischem Lithium an der An-

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Bild 3a: Kapazitätsabnahme einer NMC Lithium-Ionen Batterie während kalendari-schen Lagerungstests bei verschiedenen Temperaturen.

Bild 4a: Aufteilung des Zellmodells in je drei Aktivmasse-Abschnitte (blau,grün, rot), getrennt durch einenSeparator-Abschnitt (gelb). Die Ableiter sind in schwarzdargestellt.

Bild 4b: Elektrisches Ersatzschaltbild der Lithium-Ionen Batterie. Die Elementesind entsprechend den zu-gehörigen Abschnitten der Zelle in Bild 4a eingefärbt.

Bild 4c: Simulation und Messung der Spannungsant-wort einer High Power NMCLithium-Ionen Batterie. Anregung mit 10s Lade- undEntladepulse bei 2C, 4C, 7C, 10C, 15C, 20C

stände dargestellt und nach„first principles“ berechnetwerden, siehe Bild 4a und b.Elektrische Elemente des Netz-werkes sind unter anderem derLadungstransferwiderstand,welcher die Hauptreaktion inder Zelle beschreibt, die lokaleGleichgewichtsspannung, derSEI Widerstand und Widerstän-de für Ableiter, Aktivmaterial,Elektrolyt und Separator. Umdiese Elemente zu berechnen,muss die Konzentrationsvertei-lung der Lithium-Ionen in derZelle berechnet werden. Des-halb wird dem elektrischen Mo-dell ein Konzentrationsmodellhinterlegt, welches auf Diffu-sionsprozessen basiert und Dif-fusionsgleichungen mit der Fi-niten-Differenzen-Methodelöst. Das Simulationsmodell bil-det auch Detailprozesse wiezum Beispiel die mechanischeBelastung der Kristallstrukturenbeim Laden- und Entladen oderdie Ablagerung von metalli-schem Lithium („Li-Plating) un-ter bestimmten Betriebsbedin-gungen ab. Sowohl Lade- undEntladekennlinien als auch dy-namische Belastungen könnenmit dem Modell realistisch wie-dergegeben werden, siehe Bild4c. Schnittstellen für die Alte-rungseffekte sind vorgesehenund werden künftig integriert.Das Modell ermöglicht schonheute eine Unterstützung derMaterialhersteller im Entwick-lungsprozess durch die Identifi-kation der Schwachstellen imZelldesign und der Zellausle-gung in Bezug auf die Lebens-dauer. Erweitert um die Alte-rungseffekte wird es ein mäch-tiges Tool für die Vorhersagevon Lebensdauern von Lithium-Ionen-Batterien in verschiedens-ten Anwendungen und Belas-tungsprofilen und auch für dieBatterieentwickler bereits in derEntwicklungsphase.

Autoren:Dipl.-Phys. Madeleine Ecker istWissenschaftliche Mitarbeiterindes Lehr- und Forschungsge-biets Elektrochemische Energie-wandlung und Speichersystem-technik im Institut für Strom-richtertechnik und ElektrischeAntriebe.Dipl.-Ing. Julia Kowal ist Obe-ringenieurin am Lehr- und For-schungsgebiet Elektrochemi-sche Energiewandlung undSpeichersystemtechnik im Insti-tut für Stromrichtertechnik undElektrische Antriebe.Dr.rer.nat. Dirk Uwe Sauer istUniversitätsprofessor für dasFach Elektrochemische Energie-wandlung und Speichersystem-technik im Institut für Strom-richtertechnik und ElektrischeAntriebe.

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Bild 3b: Widerstands-erhöhung einer NMC Lithium-Ionen Batteriewährend kalendarischen Lagerungstests bei verschiedenen Temperaturen.

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Bild 5: Lithium-Ionen Knopfzellen können nur unter Schutzatmosphäre ineiner Handschuhbox hergestellt werden.Foto: Peter Winandy

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AAufgrund der starken Nachfra-ge nach alternativen Antriebenspielen elektrische Antriebeheutzutage eine große Rolle beider Entwicklung neuer Fahr-zeugkonzepte. Im Bereich elek-trischer Antriebe gibt es eineVielzahl von Maschinentypen,die in Fahrzeugen eingesetztwerden können. Vor allem fürHochdrehzahlantriebe ist dieGeschaltete Reluktanzmaschine(GRM) eine interessante Alter-native.

Bei Hybridfahrzeugen kom-men derzeit meistens perma-nenterregte Synchronmaschi-nen mit vergrabenen Magneten(IPMSM) zur Anwendung. Die-se Maschinen zeichnen sichdurch ihre hohe Drehmoment-dichte und einen dadurch be-dingten geringen Platzbedarfaus. Weiterhin haben IPMSMbei niedrigen Drehzahlen denbesten Wirkungsgrad. Bei rei-nen Elektrostraßenfahrzeugensteht dagegen für die elektri-sche Maschine mehr Bauraumzur Verfügung. Außerdem sinddurch den Einsatz von Getrie-ben mit hoher, fester Überset-zung hohe Drehzahlen der E-Maschine möglich, wodurch dieLeistungsdichte, also die Leis-tung des Antriebs bezogen aufdas Volumen, erhöht werdenkann. Je höher die maximaleDrehzahl, desto kleiner undleichter ist die Maschine beikonstanter Leistung.

Wechselt man allerdings zuhohen Drehzahlen, nimmt derWirkungsgrad von IPMSMdurch die erforderliche Schwäch-ung des Magnetfeldes ab, sodass hier die kostengünstigerenAsynchronmaschinen (ASM)oder Geschalteten Reluktanz-maschinen (GRM) gut einge-setzt werden können. Dabeizeigt sich, dass über einen Fahr-zyklus gerechnet der durch-schnittliche Wirkungsgrad vonIPMSM, ASM und GRM sehrähnlich ist.

Die GRM zeichnet sich imVergleich zu den anderen Ma-schinen durch einen einfachenund robusten Aufbau aus. Beihohen Stückzahlen und auch zuhöheren Drehzahlen hin hatgerade diese Maschine das Po-tenzial, am kostengünstigstenzu arbeiten, da weder Magne-

ten noch Wicklungen auf demRotor benötigt werden. Zusätz-lich ist die GRM von Natur ausredundant. Im Vergleich zuIPMSM oder ASM sind die ein-zelnen Stränge der GRM elek-trisch und magnetisch vonein-ander unabhängig. Das ermög-licht im Falle eines Fehlers in-nerhalb eines Stranges das Wei-terfahren mit reduzierter Leis-tung, zum Beispiel in die näch-ste Werkstatt.

Trotz dieser Vorzüge hat dieGRM bislang noch keine großeVerbreitung gefunden. EinGrund dafür ist, dass das Funk-tionsprinzip und damit auchUmrichter und Regelung starkvon konventionellen Drehfeld-maschinen abweichen, was ei-ne Einstiegshürde darstellt.Auch die Topologie der Leis-tungselektronik des Umrichtersweicht von der für Drehfeldma-schinen üblichen Topologie ab.Weiterhin gilt die GRM als sehrlaut und wird daher oft vonvorne herein ausgeschlossen.Durch konstruktive und rege-lungstechnische Maßnahmenlassen sich die Geräusche je-doch minimieren, wie Arbeitenam Institut für Stromrichter-

technik und Elektrische Antrie-be (ISEA) gezeigt haben.

Da zurzeit die meisten Hy-brid- und Elektrofahrzeuge imHochpreissegment verkauftwerden, steht der Komfort anerster Stelle. Wenn in Zukunftkostengünstige Fahrzeuge ingroßen Stückzahlen auf denMarkt kommen sollen, spielendie Materialkosten eine ent-scheidende Rolle. Dabei zeich-net sich jetzt schon ab, dass dieNachfrage nach Magnetmateri-al und damit die Kosten für dieIPMSM steigen werden, so dassdieses Konzept weniger attrak-tiv wird.

Funktionsprinzip Als Anfang des 19. Jahrhun-derts das Funktionsprinzip derGRM entdeckt wurde, gab esnoch keine Leistungsschalter,die für einen effektiven Betriebder Maschine notwendig sind.Deshalb haben sich damalsGleichstrommaschinen durch-gesetzt, die durch Anlegen un-terschiedlicher Spannung gere-gelt werden können. Die Nach-teile wie ein niedriger Wir-kungsgrad, hohes Verschleißendes Kommutators und dadurch

auch hohe Kosten für die War-tung begünstigten die Entwick-lung von Drehfeldmaschinen,wie der Asynchronmaschine.Mit der Weiterentwicklung derLeistungsschalter wurde in denletzten 35 Jahren verstärkt auchdie Entwicklung von Geschalte-ten Reluktanzmaschinen voran-getrieben.

Der prinzipielle Aufbau ei-ner GRM ist in Bild 1 zu sehen.Dabei sind ausgeprägte Zähnesowohl auf dem Rotor als auchauf dem Stator gut zu erken-nen. Im Folgenden soll dasFunktionsprinzip stark verein-facht erläutert werden:Ändert sich die Rotorposition,so ändert sich auch der magne-tische Widerstand der Stränge.Bestromt man die Stränge, sobaut sich ein magnetischerFluss auf, der bedingt durchden positionsabhängigen ma-gnetischen Widerstand (auchals Reluktanz bezeichnet) zu ei-ner Kraft führt. Bestromt manbei der Maschine Strang A wiein Bild 1 dargestellt, so drehtsich der Rotor gegen den Uhr-zeigersinn, bis der Rotorzahndem bestromten Statorzahn ge-nau gegenübersteht. Damit die

Bild 1: Prinzipschaltbild einer Geschalteten Reluktanzmaschine.

Robuster Antriebsstrang für

Elektrostraßen-fahrzeuge

Matthias Bösing, Rik W. De Doncker, Martin Hennen, Knut Kasper,

Timo Schönen

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Die Geschaltete Reluktanzmaschine als interessante Alternative

Bild 2: Ersatzschaltbild einer 3-strängigen asymmetrischen Halbrücke.

Drehbewegung weitergeht,muss die Bestromung vonStrang A abgeschaltet undStrang B bestromt werden. DerName „Geschaltete Reluktanz-maschine“ beruht genau aufdiesem Prinzip, bei dem dieeinzelnen Stränge abhängigvon ihrer Position an- oder aus-geschaltet werden.

Dynamische Drehmomentregelung Die Schnittstelle zwischen Fah-rer und Antrieb ist, grob ge-sagt, das mit dem Gaspedalvorgegebene Drehmoment. Dieauf dem Umrichter implemen-tierte Regelung hat nun dieAufgabe, das geforderteDrehmoment umzusetzen. Da-zu wurden in den vergangenenJahren am ISEA verschiedeneVerfahren zur direkten Rege-lung des Drehmoments ent-wickelt. Bei der „direct instan-taneous torque control“ (DITC)wird anhand berechneter odervermessener Maschinencharakte-ris-tiken der aktuell gemessenenStrangströme und der Rotorpo-sition das aktuelle Drehmomentgeschätzt und durch geeigneteBestromung verhindert, dassdas Drehmoment stärker als ei-ne Toleranzgrenze von der Vor-gabe abweicht. In einer weite-ren Arbeit wurde gezeigt, dasssich eine direkte Drehmo-mentregelung auch mit einerPulsweitenmodulation (PWM)realisieren lässt. Dies hat dieVorteile, dass die benötigte Re-gelungsbandbreite geringer ist,die Implementierung verein-facht wird und eine konstante,frei wählbare Schaltfrequenzvorgegeben werden kann, zumBeispiel außerhalb des hörbarenBereichs. Mit Hilfe dieser Rege-lungen ist es nun möglich, überden gesamten Betriebsbereich,einschließlich des generatori-schen Betriebs, hochdynamischund schwankungsfrei dasDrehmoment einzustellen.

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Akustisches Verhalten Eingangs wurde bereits er-wähnt, dass die Minderungdes Betriebsgeräusches einegroße Herausforderung beiGeschalteten Reluktanzma-schinen darstellt. Die Ursacheder Schwingungsanregung desStators und damit des Gehäu-ses der Maschine liegt in derim Prinzip bedingten pulsför-migen Kraftanregung in radia-ler Richtung. Während sich dieebenfalls pulsförmigen Dreh-momentverläufe der einzelnenStränge, wie im vorigen Ab-schnitt gezeigt, zu einemschwankungsfreien Gesamt-drehmoment überlagern las-sen, ist dies für die Kraftanre-gung in radialer Richtung nichtder Fall. Es besteht aber dieMöglichkeit, dies bereits beider Maschinenauslegung zuberücksichtigen, im BetriebFrequenzkomponenten in kriti-schen Frequenzbereichendurch angepasste Bestromungzu dämpfen, sowie die Gehäu-se geeignet anzupassen. Alseine Strategie auf Steuerungs-seite sei hier die am ISEA ent-wickelte Early Single PulseStrategy (ESPS) erwähnt, mit-hilfe derer der Kraftverlauf

auch bei niedrigen Drehzahlengeglättet werden kann. Bei denzunehmend eingesetzten Hoch-drehzahlmaschinen nehmen dieAmplituden der Kraftanregungzudem einerseits grundsätzlichab und weiterhin sind dieseMaschinen leichter zu dämpfen.Somit lassen sich Maschinenkonstruieren, die die akusti-schen Anforderungen an Elek-trostraßenfahrzeuge erfüllen.

Leistungselektronik für Traktionsantriebe Die GRM hat den Vorteil, dassdas Vorzeichen des Drehmo-ments nicht durch die Strom-richtung beeinflusst wird undder Strom daher nur in eineRichtung fließen können muss.Dies wird in vielen Fällen zurVereinfachung des Umrichtersausgenutzt. So kann ein beiVollbrücken möglicher Brücken-kurzschluss aufgrund gleichzei-tig schaltender Bauteile bei denmeisten Topologien ganz aus-geschlossen werden. Dies führtzu einer Vereinfachung derSteuerschaltung. Die heutzuta-ge am häufigsten eingesetzteTopologie ist die asymmetrischeHalbbrücke. Ähnlich einemUmrichter für Drehfeldmaschi-

nen benötigt sie zwei Schalterund zwei Dioden pro Phase.Der Aufbau eines Umrichtersfür eine dreisträngige GRMwird in Bild 2 gezeigt. Es ist zuerkennen, dass die Anzahl derBauelemente gleich der Anzahlderer einer B6-Wechselrichter-brücke ist, wie sie typischerwei-se für Drehfeldmaschinen ein-gesetzt wird. Im Vergleich zueiner dreisträngigen Drehfeld-maschine in Stern- oder Drei-eckschaltung verdoppelt sichdie Anzahl der Zuleitungen zurMaschine. Der daraus folgendeVorteil ist allerdings die elektri-sche Unabhängigkeit der ein-zelnen Phasen. Die drei Halb-brücken sind lediglich über dengemeinsamen Zwischenkreismiteinander verbunden. Da-durch können die einzelnenStränge getrennt voneinanderangesteuert werden, das heißt,in jedem Betriebspunkt könnenoptimale Stellparameter ge-wählt werden. Zusätzlich dazuerhöht sich die Redundanz desAntriebs. Der Ausfall einer Pha-se, auch ein Kurzschluss, führtnicht zum Ausfall des gesamtenAntriebs, da die restlichenStränge weiterbetrieben wer-den können.

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Bild 3: Antriebsprüfstand am Institut für Stromrichtertechnik und Elektrische Antriebe.Foto: Peter Winandy

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Forschung am Institut fürStromrichtertechnik und Elek-trische AntriebeAm ISEA wird seit über 35 Jah-ren an der Entwicklung vonGeschalteten Reluktanzmaschi-nen geforscht. Mit den ent-wickelten Drehmomentregel-verfahren ist die GRM als Trak-tionsantrieb einsetzbar. Durchlagegeberlose Regelverfahrenist es möglich, die Kosten wei-ter zu senken und die Zuverläs-sigkeit zu erhöhen. Im Rahmendes vom Bundesministerium fürBildung und Forschung (BMBF)geförderten OKOFEH-Projektes(Optimierte KOmponenten FürElektro- und Hybridfahrzeuge)wurde eine GRM mit Umrichterals Traktionsantrieb entwickelt,aufgebaut und getestet. Derkomplette Antriebsstrang be-stehend aus Umrichter, Maschi-ne, Getriebe und Differenzialmit einer Spitzenleistung von75 kW ist in Bild 4 zu sehen.Sowohl die Maschine als auchder Umrichter sind wasser-gekühlt, um eine höhere Leis-tungsdichte als bei einem luft-gekühlten System zu erreichen.

FazitDurch die Entwicklungen in denletzten Jahren ist die Geschalte-te Reluktanzmaschine für denEinsatz in Elektrostraßenfahr-zeugen hervorragend geeignet,insbesondere für Hochdrehzahl-antriebe. Die direkte Regelungdes Drehmoments beseitigt diebei GRM sonst auftretendeDrehmomentwelligkeit. Die Kos-ten für die Leistungselektroniksind nicht höher als bei Dreh-feldmaschinen. In einer Serien-fertigung zählen letztendlichdie Materialkosten, und hierhat die GRM Vorteile gegen-über anderen Maschinentypen,vor allem, wenn langfristig dieKosten für Magnetwerkstoffesteigen. Durch geeignete Rege-lungen und optimierte Gehäu-setechnologien wird die GRMauch hinsichtlich der Akustikdie Anforderungen an ein Elek-trostraßenfahrzeug erfüllen. Zu-sätzlich ist die GRM redundantund damit inhärent fehlertole-rant.

Autoren:Univ.-Prof. Dr.ir. Rik W. De Doncker ist Leiterdes Instituts für Stromrichter-technik und Elektrische Antriebe, Direktor des E.ONEnergy Research Center (E.ONERC) und dort Leiter des Instituts Power Generationand Storage Systems (PGS).Dipl.-Ing. Matthias Bösing, Dipl.-Ing. Martin Hennen undDipl.-Ing. Timo Schönen sindWissenschaftliche Mitarbeiteram Institut für Stromrichter-technik und Elektrische Antriebe. Dipl.-Ing. Knut Kasper ist Oberingenieur am Institut fürStromrichtertechnik und Elektrische Antriebe.

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Bild 4: Prototyp des OKOFEH Antriebsam Radlastprüfstand.Quelle: ISEA

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ventionellen Fahrzeugbau ab-weichende Anforderungen undHerausforderungen, welche inbesonderem Maße auch die Fü-getechnik betreffen.

Kein E-Fahrzeug ohne Batterietechnik und ElektronikDen Batterien der Vergangen-heit ist hohes Gewicht undgroßes Volumen bei nur gerin-ger Energie gemeinsam. Im Ver-gleich liefert ein Liter Diesel-kraftstoff elf Kilowattstunden(kWh) Energie, eine 30 kg Blei-Batterie jedoch nur eine kWh.Für größere Speicherdichtenwurde die Lithium-Ionen-Batte-rie entwickelt.

Im Vergleich zu anderenBatteriesystemen steht die Lithi-um-Ionen-Batterie am Anfangihres Großserieneinsatzes fürAnwendungen mit hohem Leis-tungsbedarf. Die Haupteinsatz-gebiete sind derzeit noch Mobil-funkgeräte und Notebooks. Fürdie Serienfertigung von Lithium-Ionen-Batterien in Elektrofahr-zeugen sind noch einige Ent-wicklungen zur Standardisierungzu leisten. Gewicht und Volu-men der Lithium-Ionen-Batteriesind zugunsten eines leichtenFahrzeugs und einer effizientenEnergienutzung im Betrieb zureduzieren. Einen innovativenBeitrag hierzu liefert das im Rah-men der Initiative Ziel 2.NRWgeförderte und von den RWTH-Instituten Werkzeugmaschinen-labor (WZL), Institut für Strom-richtertechnik und elektrischeAntriebe (ISEA) und Institut fürSchweißtechnik und Fügetech-nik (ISF) durchgeführte Projektzur Gestaltung einer durchgän-gigen Produktionsstruktur fürdie Fertigung von Lithium-Io-nen-Batterien. Das Institut fürSchweißtechnik und Fügetech-nik entwickelt in diesem Rah-men einen standardisierten Pro-zess zum optimierten Fügen derim Batteriesystem grundlegen-den Verbindungsstellen. Dabeiwerden sowohl die Einzelele-mente der Batteriezelle betrach-tet, als auch das Gesamtsystemim Batteriepack. Die kleinsteelektrochemische Einheit derBatterie ist die Zelle. Sie ist inder Regel durch Löt- oderSchweißkontakte mit anderengleichartigen Zellen innerhalb

der Batterie verbunden. Eine fer-tige Batterie verfügt über an-schlusssichere, stromführendeKontakte in einem verschlosse-nen Gehäuse.

Für eine lange Lebensdauerder Lithium-Ionen-Batterie sindmehrere fügetechnische Aspektezu berücksichtigen. Auf Zellebe-ne selbst sind dies die Kontaktie-rung der Elektroden innerhalbder Zelle, ebenso wie die Mon-tage und das Verschließen desBatteriegehäuses. In der nächs-ten Ebene werden die Elektro-denableiter der einzelnen Batte-riezellen zur seriellen Verschal-tung des Batteriepacks elektrischkontaktiert und im Pack mit dernotwendigen Peripherie wie derZellüberwachung oder dem Bat-terie-Management-System inte-griert. Als Herausforderung giltdas Fügen bislang schweißtech-nisch problematischer Werk-stoffkombinationen wie zumBeispiel Kupfer mit Aluminium,Bild 1. Die Schmelztemperaturendieser Werkstoffe unterscheidensich annähernd um den Faktorzwei. Darüber hinaus neigendiese Werkstoffe im Schmelz-schweißprozess immens zur Bil-dung intermetallischer spröderPhasen. Wenn es werkstofftech-nisch gelingt, eine solche Ver-bindung herzustellen, ist die Le-bensdauer einer Autobatterieund damit auch die Fahrzeugin-sassensicherheit noch nicht aus-reichend gewährleistet. Zusätz-lich muss die Beständigkeit derElektrodenkontaktierungen beigleichbleibender Stromleitfähig-keit und gegenüber Korrosionnormgerecht nachgewiesenwerden. Deswegen bereitet die-se Verbindung immer noch vie-len Forschern in Wissenschaftund Industrie Kopfzerbrechen.Aber auch das Verschließen dereinzelnen Batterien birgt Gefah-ren. Bei zu viel Wärmeeinbrin-gung reagiert die Batteriechemieund die Zelle ist bereits vorihrem Einsatz zerstört. Die Lithi-um-Ionen-Batterie wird im Elek-trofahrzeug in Reihe geschaltet,weshalb bereits eine ausgefalle-ne Zelle zum kompletten Ausfalldes Batteriepacks führen kann.In der Bewältigung dieser Auf-gabe zur standardisierten undrobusten Herstellung von repa-rierbaren Lithium-Ionen-Batte-

riepacks liegt ein wichtiger An-satz für die Einführung und ge-sellschaftliche Akzeptanz dieserTechnologie.

Neben dem Stromspeicherist auch der Elektromotor einwesentliches Element des Elek-trofahrzeugs, denn hier ge-schieht die Umwandlung derelektrischen Energie zum Antriebdes Fahrzeugs. Die Zusammen-arbeit der elektronischen Kom-ponenten im Fahrzeug bewerk-stelligen Leistungselektronik,Steuerelektronik, Verbindungs-systeme und dergleichen. Auchhier werden die stromführendenSchnittstellen mittels Fügetech-nik verbunden.

Viele mechanische Anwen-dungen im Fahrzeug sind überdie Jahre mehr und mehr durchelektrotechnische und elektroni-sche Komponenten und Prozes-se ersetzt worden. MechanischeAuslöser wurden durch elektri-sche Kontakte ersetzt. Oftmalssind wir uns dessen gar nichtbewusst, so zum Beispiel beimSetzen des Blinkers, dessen aku-stisches Signal heutzutage durchElektronik erzeugt wird. Oderwelcher Laie kennt schon dieKomplexität eines Kabelbaumsim Fahrzeug? Die gesamte Fahr-zeugelektronik leitet ihre Impul-se zur Fahrzeugbedienung überSchnittstellen zwischen den ein-zelnen Komponenten. Und allediese Komponenten sind überFügeverbindungen miteinanderverbunden. Es handelt sich bei-spielsweise um Batteriekontakte,Kabelanschlüsse, Sicherungenoder Bonddrähte aus unter-schiedlichen Werkstoffen. Zu-verlässige Schweißverbindungensollen hier dafür sorgen, dassauch bei Erschütterung, Vibrati-on oder Feuchtigkeitseinflüssenalles reibungslos und sicherfunktioniert.

Elektrofahrzeuge: Karosserie-entwicklung von morgenIn der jüngeren Vergangenheitbasierten die Elektrofahrzeuge,welche in größeren Stückzahlenhergestellt wurden, auf Stan-dardfahrzeugmodellen, die fürden Betrieb mit einem Verbren-nungsmotor ausgelegt waren.Für den Einsatz als Elektrofahr-zeug waren diese Konstruktio-nen jedoch nicht optimiert. So

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IIn den Kindertagen des Auto-mobils war noch nicht abzu-schätzen, welches Antriebskon-zept sich in den kommendenJahrzehnten durchsetzen würde.Man verfolgte mannigfaltigeAnsätze und es gab neben denBenzin- und Elektrowagen auchDampf- und Druckluftwagen.Um 1900 verfügten in den USA40 Prozent der Automobile übereinen Dampfantrieb, 38 Prozentwurden über einen Elektromotorbetrieben und nur 22 Prozentverfügten über einen Verbren-nungsmotor, welcher mit Benzinversorgt wurde.

Anfangs war das Elektroau-tomobil den Fahrzeugen mitVerbrennungsmotor in fast allenPunkten überlegen, da der Wir-kungsgrad des Elektromotorshöher war. Zudem konnte aufGetriebe und sonstige mechani-sche Komponenten zur Kraft-übertragung verzichtet werden.In den folgenden Jahrzehntenwurden die Verbrennungsmoto-ren weiter optimiert und liefenden Elektroautos den Rang ab,da die Batterietechnik nicht mitder Entwicklungsgeschwindig-keit Schritt halten konnte. Mankonnte nur auf Bleiakkumulato-ren zurückgreifen, die neben derbegrenzten Kapazität ein hohesGewicht aufwiesen. So war demElektroautomobil in den folgen-den Dekaden nur ein Nischen-dasein zugestanden, beispiels-weise als Kleinlieferwagen oderLastkarren.

Ab 1990 wurde das ThemaElektroautomobile wieder stär-ker verfolgt, aus Umweltschutz-gründen und aufgrund der Ver-knappung der weltweit vorhan-denen Ölreserven. Um Elektro-automobile wieder am Marktetablieren zu können, müssendie gleichen Standards in punktoSicherheit und Wirtschaftlichkeiterfüllt werden wie beim klassi-schen Kraftfahrzeug mit Ver-brennungsmotor. Bei Elektroau-tomobilen ist insbesondere dieBatterie der wesentliche Faktor,denn sie macht im Fahrzeug ei-nen erheblichen Teil des Ge-samtgewichts und einen nochgrößeren Teil der Gesamtkostenaus. Aus dieser Tatsache undaus der Zielgruppe der Nutzervon Elektrofahrzeugen ergebensich zusätzliche neue, vom kon-

Herausforderungenan die Fügetechnik

Alexander Harms, Uwe Reisgen, Markus Schleser,Alexander Schiebahn, Regina Thiele

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kann man bei der mittels Elek-tromotor betriebenen Varianteauf einen Getriebetunnel oderandere Komponenten derKraftübertragung verzichten,wenn beispielsweise radnaheSysteme zum Einsatz kommen.Des Weiteren waren die auf die-se Weise hergestellten Fahrzeu-ge zu teuer und wurden auf-grund des hohen Anschaffungs-preises vom Kunden nicht ange-nommen.

Um die Kosten gering zuhalten und damit die Attrakti-vität eines Elektrofahrzeugs zuerhöhen, ist es notwendig, dasGewicht der Karosserie zu opti-mieren. Der Gedanke, der hinterdieser Anforderung steckt wirdschnell klar: Ein leichteres Fahr-zeug benötigt für die gleiche

Fahrtstrecke eine kleinere Batte-rie und eine kleinere Batterie istwiederum leichter und günstigerals eine große. Dies führt beider Konstruktion der Karosseriezur Wahl von Stählen mit höhe-ren Festigkeiten und somit zuMaterialersparnis oder zum Ein-satz von Werkstoffen mit gerin-gerer Dichte, wie beispielsweiseAluminium oder Kunststoff.

Im Karosseriebau konventio-neller Automobile hat sich dieso genannte Schalenbauweiseetabliert. Dabei werden Blechein entsprechenden Pressen zuBlechschalen mit definierterGeometrie geformt und an-schließend Stück für Stück biszur fertigen Rohkarosserie an-einander gefügt. Dies geschiehthauptsächlich mittels Wider-

standspunktschweißen, Bild 2.Aufgrund der kostenintensivenPresswerkzeuge ist die Schalen-bauweise jedoch erst ab hohenStückzahlen wirtschaftlich. Fürdie aktuell zu erwartendenStückzahlen eines Elektrofahr-zeuges kommt diese Bauweisedementsprechend weniger inFrage. Vielmehr ist der Einsatzvon kostengünstigen Standard-profilen aus Stahl oder Alumini-um zweckmäßig.

Die Kombination dieser bei-den Anforderungen, dem Leicht-bau auf der einen und der Pro-filbauweise auf der anderen Sei-te, stellt eine große Herausfor-derung an die Fügetechnik dar.Die etablierten und preisgünsti-gen Fügeverfahren des Punkt-schweißens und auch die Ver-

Leichtbau und Kosteneffizienz beim Elektrofahrzeug

Bild 1: Schweißung aus Kupfer und Messing, Batterieklemme. Quelle ISF

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fahrenskombination Punkt-schweißkleben können bei ei-ner profilintensiven Bauweisenur sehr eingeschränkt einge-setzt werden. Prozesse mit ho-her Wärmeeinbringung, wiebeispielsweise die konventionel-len Lichtbogenschweißverfah-ren, sind ebenso nur begrenzteinsetzbar, da mit ihnen das Fü-gen von Leichtbauwerkstoffenschwer zu realisieren ist. Höher-feste Stähle besitzen ein herstel-lungsseitig speziell eingestelltesGefüge und dadurch gute me-chanische Eigenschaften, die

Bild 2: Untersuchung des robotergeführten Widerstands-punktschweißens. Quelle: ISF

durch hohe Wärmeeinbringungzerstört würden. Aus diesemGrund ist es erforderlich, Verfah-ren mit relativ geringem Wär-meeintrag, wie beispielsweiseLaserstrahlschweißen, Klebenoder das Friction Stir Welding(Rührreibschweißen) auf ihreEignung hin zu überprüfen oderprinzipiell geeignete Verfahrenso anzupassen, dass sie den vor-liegenden Anforderungen genü-gen.

Mit den Herausforderungenaus Batterietechnik und Karosse-rieentwicklung beschäftigt sich

das Institut für Schweißtechnikund Fügetechnik im Rahmen di-verser Industrieprojekte und öff-entlich geförderter Projekte.Durch die gute Vernetzung mitanderen Instituten, auch imRahmen des eLab auf dem neu-en RWTH-Campus, sind dieVorrausetzung für eine kompe-tente Problemlösung aller füge-technischen Fragen gegeben.

Autoren:Univ.-Prof. Dr.-Ing. Uwe Reisgen ist Leiter des Instituts für Schweißtechnik und Fügetechnik. Dr.-Ing. Markus Schleser ist Oberingenieur am Institut für Schweißtechnik und Fügetechnik und leitet die Abteilung Cold Technologies. Dipl.-Ing. Alexander Harms, Dipl.-Ing. Alexander Schiebahnund Dipl.-Wirt.-Ing. Regina Thielesind Wissenschaftliche Mitarbeiteram Institut für Schweißtechnik und Fügetechnik.

Bild 3: Vielfältig skalierbare Fügetechnologien für Elektromobilität.Foto: Peter Winandy

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für die deutsche Automobil-branche und die zukünftigenNutzer ein viel radikaleres Um-denken. Das Gesamtsystem„Auto“ muss zielgerichtet neuentwickelt werden, um die viel-fältigen Anforderungen berück-sichtigen zu können: Diese de-finieren sich aus den Perspekti-ven der Hersteller, der Nutzer,der Stadtplaner, der Gesetzge-ber und vieler weiterer Interes-senvertreter. Zentrale Schlag-worte dieser komplexen undgegensätzlichen Ansprüche sindSicherheit, Komfort und Ge-wicht, Fahreigenschaften undspezifischer Verbrauch, Attrakti-vität und Preis-Leistungsver-hältnis sowie Innovationshöheund Funktionssicherheit, die andas Platzangebot und dieAußenmaße des Automobilsangepasst werden müssen. Beiallem Nachdenken über tech-nologisch sinnvolle Lösungenim Sinne eines nachhaltigenUmgangs mit natürlichen Res-sourcen müssen einige zentraleAspekte stets im Blick behaltenwerden. Die Entwicklung neuer

Produktlösungen bedarf auchimmer der gleichzeitigen Ent-wicklung angepasster Produkti-onsstrategien und -verfahren.Hierfür müssen auch entspre-chend qualifizierte Arbeitskräftevorhanden sein. Weiterhin wirdein globaler Preisdruck die Ent-wicklung sehr preiswerter Elek-trofahrzeuge erzwingen. Darü-ber hinaus darf nicht vergessenwerden, dass Autos hoch emo-tional aufgeladene Produktesind und sein werden. Eine Be-friedigung des Bedürfnissesnach einem emotionalen Fahr-erlebnis muss sich in Zukunftweniger auf die Fahrleistung ei-nes Autos beziehen, sondernsollte neue Inhalte anbieten.Hierfür sind zum einen entspre-chende Ansätze der Öffentlich-keitsarbeit und des Marketingsund zum anderen auch neueAnsätze der Nutzerintegrationund des Customizing notwen-dig. Nachfolgend wird anhandeiniger konkreter Entwicklungs-projekte am ITA und eines Aus-blicks in die Zukunft aus derPerspektive der Textiltechnik

dargelegt, wie vielfältig das Po-tenzial textiler Werkstoffe fürdie „automobile E-Zukunft“ ist.

LeichtbauKonsequenter Leichtbau ist einnotwendiger Ansatz zur Redu-zierung des Fahrzeuggewichtsund somit essenziell für zu-kunftsweisende E-Mobilitäts-konzepte. Zurzeit bildet sich einKonsens heraus, dass Multi-Material-Systeme der Lösungs-ansatz der Zukunft für den au-tomobilen Leichtbau sein wer-den. Textilbasierte Faserver-bund-Werkstoffe werden hier-für unverzichtbar sein. Als Ma-trixmaterialien kommen entwe-der Duromere, zum BeispielEpoxy-Harze, oder Thermopla-ste, zum Beispiel Polyamide,zum Einsatz. Verstärkungsfa-sern bestehen in der Regel ausGlas, Kohlenstoff, Aramidenoder auch thermoplastischenHochleistungspolymeren. Aktu-elle Ziele sind die Herstellungendkonturnaher komplexerTextilstrukturen, für die innova-tive Flecht-, Wirk- oder Web-

TTextile Materialien kennt jederaus seinem Alltag; zahlreicheBeispiele von der Bekleidungüber Haus- und Heimtextiliensind überall zu finden. Die Viel-falt der sehr anspruchsvollentechnischen Anwendungenkomplexer textiler Strukturenerschließt sich weniger leicht.Das Institut für Textiltechnik(ITA) entwickelt maßgeschnei-derte textile Materialien undderen Fertigungsverfahren fürdie Medizintechnik, Bauanwen-dungen, den Einsatz in derLuft- und Raumfahrt sowie in-dustrielle Anwendungen. EineBranche, die verstärkt den Ein-satz technischer Textilien in denBlick nimmt, ist der Automobil-bereich. Bereits heute enthältjeder Personenwagen ungefähr30 kg textile Werkstoffe. Diesefinden sich in der Reifenkarkas-se, den Airbags, dem Innen-raum und der Dämmung alsauch in Filtern, Antriebsriemenund Faserverbund-Leichtbau-strukturen. In dem hochkom-plexen System „Auto“ könnentextile Komponenten ihre Vor-teile zur Geltung bringen: DieVielfalt der zum Einsatz kom-menden Werkstoffe, die Reich-haltigkeit der textilen Architek-turen von der eindimensionaleFaser bis zum dreidimensiona-len bauteilnahen textilen Pre-form sowie die Möglichkeit derHybridisierung der Werkstoffeund die verschiedenen Ansätzezur Integration physikalischerund elektronischer Funktionen.Nachfolgend wollen wir dieThese belegen, dass textileWerkstoffe und ihre Produkti-onstechnologien eine der not-wendigen Schlüsseltechnologi-en für die E-Mobilität von mor-gen sein werden.

Unbestritten ist, dass – un-ter der Voraussetzung der ge-gebenen ehrgeizigen Klimaziele– die Elektromobilität eine zen-trale Forschungsaufgabe derkommenden Jahre ist. Ziel kannes hierbei nicht sein, konventio-nelle Fahrzeuge ihres Verbren-nungsmotors zu entledigen undstattdessen mit einer Batterieund einem Elektroantrieb aus-zustatten. Dieser Ansatz wäreviel zu kurz gegriffen. Die viel-fältigen Anforderungen an dieMobilität von morgen erfordern

Vielseitig, anforderungsgerecht

und effizient

Thomas Gries, Bernhard Schmenk, Britta Sköck-Hartmann

Bild 1: Vergleich der Prozessketten in Stahl- und Textilverarbeitung.

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Textile Engineering als eineSchlüsseltechnologie für dasAuto von morgen

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Bild 2: Herausforderungenfür eine Serienfertigung vonFaserverbundbauteilen.

Bild 3: Fertigung von angepass-ten multiaxialen Gelegen für Leichtbauelemente. Quelle: ITA

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Bild 4: Automatisierte Prozesse für die Herstellung von Verstärkungstextilien.Foto: Peter Winandy

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des endkonturnahen textilenVorformlings in einem Schrittwährend der Textilherstellung.Das Analog zu den maßge-schneiderten Stahl- und Alumi-niumwerkstoffen sind maßge-schneiderte Gelege und der an-gepasste rohrförmige Werkstoffsind maßgeschneiderte Ge-flechte. Für das mehrstufigePreforming kommt am ITA dasso genannte „Preform-Center“zum Einsatz. Mittels eines Ro-boters, der über verschiedeneBearbeitungsköpfe für Handha-bungs- oder Fügeprozesse ver-fügt, werden die textilen Halb-zeuge endkonturnah in eineWerkzeugform abgelegt undverbunden, bis der gewünschtedreidimensionale Vorformlingentsteht. Diese Verfahren bie-ten das Potenzial eines hohenAutomatisierungsgrades. Diesist notwendig, um die Akzep-tanz in einer von kurzen Takt-zeiten geprägten Produktions-strategie zu finden.

Um den industriellen Quali-fizierungsbedarf im Bereich dertextilbasierten Faserverbund-

werkstoffe zu adressieren, bie-tet das ITA gemeinsam mit demDepartment Metallurgy andMaterials Engineering der KULeuven unter dem Dach derRWTH International Academyeinen Zertifikatskurs an: „Es-sentials of textile reinforcedcomposites“. Weitere Informa-tionen hierzu unter www.academy.rwth-aachen.de.

Integrierter PersonenschutzBei Fußgänger-Fahrzeug-Unfäl-len sind Kopf- und Halsverlet-zungen die häufigste Todesur-sache. Daher herrscht ein im-menser Bedarf, den fahrzeug-seitigen Fußgängerschutz zuverbessern. Pkw-Motorhaubenwerden heute meist ohne akti-ves Fußgängeraufprallschutz-system ausgeliefert. Aktive Sys-teme zur Reduzierung der Un-fallfolgen wie beispielsweise eine Motorhaubenaufstellungoder Außenairbags erforderneine sichere Sensorik für Fuß-gängerunfälle und sind mit er-heblichen Mehrkosten undhöherem Gewicht verbunden.

Deshalb besteht großes Interes-se an möglichst effizienten pas-siven Lösungen für den Fuß-gängerschutz. Besonders für dieElektromobilität, die für die Stadt-fahrzeuge der Zukunft ange-strebt wird, ist ein verbesserterPersonenschutz bei Fußgänger-Fahrzeug-Unfällen essenziell. Am ITA und am Institut fürTextilmaschinen und textileHochleistungswerkstofftechnik(ITM) der TU Dresden wurdenAbstandstextilien zur Energie-absorption für den fahrzeugsei-tigen Fußgängerschutz ent-wickelt. Dabei wurde in Kopf-aufpralltests nachgewiesen,dass diese textilen Abstands-strukturen in der Lage sind, dieVerletzungsschwere bei einemKopfaufprall deutlich zu redu-zieren. Hierfür wird das textileDämpfungssystem unterhalbder Motorhaube angebrachtund kann so die Energie bei ei-nem Kopfaufprall abbauen undein Durchschlagen des Kopfesauf Motorraumkomponentenabmildern oder sogar verhin-dern. Für eine industrielle Um-

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verfahren zum Einsatz kom-men. Die gezielte Kombinationdieser Fertigungsverfahren er-möglicht die lastgerechte Aus-legung und Gestaltung der tex-tilen Preforms, um mit einemMindestmaß an Verstärkungs-fasern ein Höchstmaß an Fest-igkeit und Steifigkeit zu errei-chen. Weiterhin können die Ener-gieabsortion und somit dasCrashverhalten gezielt einge-stellt werden.

In der Stahlindustrie kenntman diese maßgeschneidertenWerkstoffe schon lange Zeit. Invielen Automobilen werden Tai-lored Blanks und Tailored Tubesverbaut und auf den Produkti-onsstraßen durch geeignete Fü-geverfahren zu Karosseriestruk-turen verbunden. Der Trend inder Textiltechnik heißt, dieseStrukturen durch Faserverbund-werkstoffe oder hybride Werk-stoffe mit geringerem Bauteil-gewicht zu ersetzen.

Hierfür kommt das so ge-nannte textile Preforming zumEinsatz. Beim einstufigen Pre-forming erfolgt die Herstellung

Bild 5: Simulation und Realisierung eines Abstand-textils für den Aufprallschutz.Quelle: ITA

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setzung textilbasierter Auf-pralldämpfungssysteme bestehtjedoch noch erheblicher For-schungsbedarf. Es sind unter-schiedliche, sich zum Teil wider-sprechende Anforderungen zuerfüllen, wie Gewichtsredukti-on, optimale Verteilung derAufprallenergie, Haubendesignund -steifigkeit, akustische undthermische Dämpfung. Zur Zeitwerden in einem weiterführen-den Projekt zusammen mit demITM und dem Institut für Kraft-fahrzeuge der RWTH Aachen(ika) integrale Motorhauben-systeme mit einstellbaren Dämpf-ungseigenschaften für denFußgängerschutz und mit inte-grierter Schall- und Wärme-dämmung durch den Einsatzanwendungsgerechter Ab-standstextilien entwickelt.

Innenraumgestaltung mit Smart TextilesDie Gestaltung des Automobil-Innenraums gewinnt zuneh-mend an Bedeutung, um demFahrer auch bei kleinen Fahr-zeugen ein Ambiente von Wer-tigkeit, Komfort und Luxus zuvermitteln. Akustische Däm-mung, Klimatisierung, Anord-nung und Funktionalität derBedienungselemente, Beleuch-tung und Design sind nebender aktiven und passiven Sicher-heit von großer Relevanz. DieseAnforderungen müssen sich anden Randbedingungen einesgeringen Gewichts, akzeptablerFertigungskosten und einer Mo-dularisierung der Bauteile orien-tieren. Dabei birgt die Optimie-rung der Innenraumakustik fürElektrofahrzeuge ein großes Ent-wicklungspotenzial und kannneu gestaltet werden, da inElektroautos keine geräusch-intensiven Verbrennungsmotorenmehr zum Einsatz kommen.

Intelligente Textilien, dieelektrische oder physikalischeFunktionen in die textile Struk-tur integrieren, sind für die Ge-staltung des Interieur der Zu-kunft eine notwendige Option.Die Entwicklung neuer Elektro-automobile kann als Chancegesehen und genutzt werden,mit deren Einführung das Inte-rieur mit funktionsintegriertenTextilien neu zu gestalten unddie Aktzeptanz des Endanwen-

ders zu steigern. Das ITA hathierfür beispielsweise den tex-tilen Matrixtaster entwickelt,der durch die gezielte Anord-nung elektrisch leitfähiger Gar-ne einen elektrischen Schalterin einer textilen Struktur reali-siert. Der erste erfolgreiche De-monstrator war eine Kissen-Fernbedienung für einen Fern-seher, welche – nach Heraus-nahme von Batterie und Sen-deeletronik – waschbar ist undwie jedes konventionelle Kissengenutzt werden kann, um ei-nen ruhigen und erholsamen(Fernseh-)schlaf zu garantieren.Die Nutzung dieser Technologieim Auto bietet die Möglichkeit,Schalter für Innenraumbeleuch-tung, Fensterheber, Schiebe-dach, Sitzverstellung und vielesmehr in die Innenraum-Verklei-dung oder die Sitzfläche zu in-tegrieren.

Herkömmliche Klimatisie-rungskonzepte begrenzen dieReichweite der neuen Elektro-autos zusätzlich und müssenan die neuen Gegebenheitenadaptiert werden. Die neu zuentwickelnden Systeme zur In-nenraum-Klimatisierung stehenunter dem Anforderungsprofil,möglichst energieeffizient zuarbeiten. Daher eröffnet dieNutzung von Abstandstextilienzur Innenraumklimatisierungzum Beispiel eine gezielte Luft-führung in der Sitzpolsterungoder in einem Dachhimmel.

Weitere Entwicklungsziele sinddie Integration von (O)LED-ba-sierten Beleuchtungselementenin textile Innenraum-Verklei-dungen. Zurzeit werden piezo-elektrische Fasermaterialienentwickelt, mit denen ein Textilmechanische Belastungen de-tektieren kann, um somit alstextilintegrierter Sensor zu fun-gieren.

Zukunftsfelder und damitverbundene Herausforderungenliegen unter anderem in einerweitergehenden Funktionsinte-gration wie beispielsweise dasHealth monitoring, sowohl imSinne einer Fahrerüberwachungals auch einer Überwachung re-levanter Komponenten derFahrzeugstruktur. Eine adaptiveHaptik und Optik des Interieurs,wie eine angenehme Innen-raumbeleuchtung, bieten neueMöglichkeiten der Mensch-Ma-schine-Interaktion inklusive In-fotainment-Anwendungen underlauben, auf individuelle Be-findlichkeiten eines Fahrers ein-zugehen. Die Umsetzung dieserinnovativen Technologien in dieSerienfertigung erfordert ange-passte Fertigungs- und Monta-gekonzepte, um eine hohe Au-tomatisierungsrate realisierenzu können.

Fazit und AusblickDie drei zuvor beschriebenenEntwicklungsschwerpunkte illus-trieren die Vielfältigkeit und die

Bild 6: Textiler Matrixtaster.

Anwendungsbreite textilerWerkstoffe und der damit ver-bundenen Konstruktionen. ImHinblick auf neue Fahrzeug-konzepte für die E-Mobilitätwurden Leichtbau-Konzepte,Systeme zur Steigerung derpassiven Sicherheit und Mög-lichkeiten der Funktionsintegra-tion im Interieur beschrieben.Vorteile textiler Strukturen ge-genüber anderer Materialklas-sen sind die unabsehbare Viel-falt möglicher Umsetzungsfor-men. Der Einsatz nachwachsen-der Rohstoffe in Form von Na-turfasern, wie beispielsweiseFlachs oder Wolle, ist eine sinn-volle Option für viele Anwen-dungen im Sinne eines nach-haltigen Ressourceneinsatzes.Innovative textile Materialver-bunde besitzen darüber hinausdas Potenzial, neue Anwen-dungsbereiche zu erschließen.Sowohl in der Batterietechnolo-gie (Separatoren) als auch inBrennstoffzellen ist die Anwen-dung textilbasierter Membra-nen denkbar.

Wenn wie oben beschrie-ben das System „Elektro-Auto“einer umfassenden Neubetrach-tung und –gestaltung unter-worfen wird, bietet dies dieChance, das Potenzial textilerWerkstoffe und der vielfältigenKonstruktionsmöglichkeitenauszunutzen, um die notwendi-gen Fortschritte in Kosten-/En-ergie- und Materialeffizienz zuerzielen.

Autoren: Univ.-Prof. Dr.-Ing. Dipl.-Wirt.Ing. Thomas Gries hat denLehrstuhl Textilmaschinenbauinne und ist Leiter des Institutsfür Textiltechnik. Dipl.-Ing. Britta Sköck-Hart-mann ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bereich Faser-verbundwerkstoffe am Institutfür Textiltechnik.Dr.-Ing. Bernhard Schmenk istLeiter des Bereichs CorporateDevelopment am Institut fürTextiltechnik.

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Fluch oder Segen?

UUrbane Mobilität in Städtenund Regionen sichert die Er-reichbarkeit unterschiedlicherZiele wie Arbeitsplätze, Ein-kaufsmöglichkeiten, Ausbil-dungsstätten oder Kultur- undFreizeiteinrichtungen. Sie spieltsich in Entfernungsbereichenzwischen wenigen 100 Meternund rund 100 km ab, wobeiverschiedene nationale Regelndie Grenze für den Nahverkehrbei 50 km ansetzen. Aufgrundder guten Infrastruktur, der ho-hen Verfügbarkeit von Perso-nenwagen sowie der erforderli-chen Flexibilität bei der Arbeits-platzwahl sind aber auch tägli-che Distanzen von 70 und 80km keine Ausnahme. Allerdingsbeträgt die Entfernung der et-wa 3,3 Wege, die ein Menschdurchschnittlich pro Tagzurücklegt, nur jeweils rund 10bis 15 km. Als Verkehrsmittelwerden das Fahrrad, der Öf-fentliche Personennahverkehr(ÖPNV) oder das Auto genutzt.Viele Wege im Nahbereich wer-den auch zu Fuß zurück gelegt.

Als wesentliche, durch denmotorisierten Verkehr in Städ-ten und Regionen ausgelösteProbleme sind Staus, Luftver-schmutzung und Lärm anzuse-hen. Aus Gründen des Gesund-heitsschutzes existieren auf eu-ropäischer Ebene inzwischen ei-ne Vielzahl von Richtlinien zurLuftqualität und zum Lärm-schutz, die bei Überschreitungbestimmter Grenzwerte vonden Kommunen Maßnahmenzur Verbesserung der Situationverlangen. Dabei werden häu-fig temporäre beziehungsweiselokale Fahrverbote oder Ge-schwindigkeitsbeschränkungenausgesprochen, um die Lärm-und Abgasemissionen zu redu-zieren. Wesentlicher Auslöserder aktuellen intensiven For-schung und Förderung derElektromobilität ist zudem dieEndlichkeit der Erdölreserven,auf deren Grundlage die heutegebräuchlichen Verkehrsmittelwie Busse oder Personenwagenbetrieben werden.

In der Summe wird von derElektromobilität also die Lösungvieler, wenn nicht gar aller Pro-bleme der urbanen Mobilitäterwartet: die Reduzierung derErdölabhängigkeit, die Senkung

der Lärm- und Abgasemissio-nen und vielleicht sogar auchvon Staus durch neue Klein-fahrzeuge wie beispielsweisedem „Streetscooter“ oder demschon bekannten Smart. DieFrage dabei ist, ob und was dieElektromobilität tatsächlich leis-ten kann und welche Rahmen-bedingungen dafür erforderlichsind. Damit beschäftigt sich dasInstitut für Stadtbauwesen (ISB)in einer Reihe von Projekten,die zum Ziel haben, die Rah-menbedingungen, geeigneteEinsatzfelder, die notwendigeInfrastruktur sowie Potenzialezur Verbesserung der Markt-durchdringung zu ermitteln undzu fördern. Erste Tendenzenund Ergebnisse sollen im Fol-genden dargestellt werden.

Zunächst ist festzustellen,dass Elektromobilität sicher da-zu beitragen kann, lokale Schad-stoffemissionen zu reduzieren.Inwieweit auch im größerenKontext die CO2-Emissionenreduziert werden können, hängtvon der Art der Stromerzeu-gung ab. Eine deutliche CO2-Reduzierung kann nur danngelingen, wenn der Strom ausregenerativen Energien gewon-nen wird. Das bedeutet, dassdie Gewinnung von Strom ausWindkraft, Fotovoltaik undauch Biomasse gesteigert wer-den muss. Dadurch entstehenaber andere Konflikte wie bei-spielsweise die zwischen Nah-rungsmittel- und Energiepflanzen-anbau, die Frage der Entwick-lung des Landschaftsbildes hinzu Monokulturen oder einer„Verspargelung“ durch Wind-kraftanlagen. Offshore-Wind-kraft verspricht hier teilweise ei-ne Lösung, verlangt aber denAusbau der Transportnetze ge-

nauso wie die Gewinnung vonSolarenergie, wie sie zum Bei-spiel mit dem Desertec-Projektgeplant ist.

Bezüglich einer Reduzierungder Lärmemissionen ist zu be-rücksichtigen, dass im Bereichbis 30 Stundenkilometer (km/h)die Motorengeräusche domi-nant sind, so dass dort sichereine Reduzierung durch diegeräuscharme Elektromobilitäterreicht werden kann. Im Be-reich von 30 bis 60 km/h domi-nieren jedoch die Rollgeräu-sche. Damit kann auf städti-schen oder regionalen Haupt-verkehrsstraßen nur eine teil-weise Reduzierung des Lärmserreicht werden. Hier bedarf esflankierender Maßnahmen zurVerbesserung der Reifenprofileoder Fahrbahnbeläge, um dieVorteile voll entfalten zu kön-nen. Bei höheren Geschwindig-keiten dominieren die aerody-namischen Geräusche, so dassauch hier weitere Maßnahmenerforderlich werden. Bezüglichder Geräusche ist jedoch auchzu berücksichtigen, dass insbe-sondere bei Fußgängern undRadfahrern das Gehör einewichtige Rolle für die Orientie-rung und Verkehrssicherheitspielt. Zu leise Fahrzeuge ber-gen die Gefahr, dass die Ver-kehrssicherheit negativ beein-flusst wird, wenn von hintenoder von der Seite herannahen-de Fahrzeuge nicht mehr wahr-genommen werden. Es sind da-her weitere Untersuchungen,Risikoabschätzungen und einstadtverträgliches Akustik-Ma-nagement erforderlich.

Hinsichtlich der Staus, desParkraumbedarfs oder andererFlächenprobleme wird mit elek-trisch betriebenen Fahrzeugenals Adaption eines herkömmli-chen Fahrzeuges, also nur demAustausch der Antriebstechno-logie, keine Verbesserung er-reicht. Zudem ist zu berücksich-tigen, dass Wirtschafts- undLieferverkehre besondere An-forderungen an den Platz unddie Leistungsfähigkeit haben,die hinsichtlich Energiespeicher

und Reichweite noch zu lösensind. Grundsätzlich lässt sichfesthalten, dass klassische stadt-planerische Konzepte wie Näheund Nutzungsmischung die Di-stanzen und damit den Verkehrinsgesamt reduzieren. So kanneine Vermeidung der Problemeerreicht werden, die immer bes-ser ist als eine partielle Reduzie-rung.

Im Hinblick auf die Verbrei-tung der Elektromobilität ist si-cher eine der größten Heraus-forderungen die Frage der Nut-zungswünsche der Verkehrsteil-nehmer. Diese legen durchschnitt-lich 40 km am Tag zurück, wasnach dem derzeitigen Kenntnis-stand ohne Probleme mit Elek-trofahrzeugen bewältigt wer-den kann. Aber heute ist derMensch gewohnt, für wenigeMale im Jahr ein Fahrzeug mit„Fernreisefähigkeit“ zu besit-zen. Hier stellt sich die zentraleFrage, was erwartet wird undwelchen Preis oder welche Nut-zungsmodelle vertretbar sindund akzeptiert werden. Schaf-fen die Nutzer sich mehrereverschiedene Kraftfahrzeuge anoder nutzen sie je nach Mobi-litätsbedarf unterschiedlicheFahrzeuge aus Mietpools?

Hybridantriebe bieten dieChance längere Distanzen zuüberrücken, brauchen aber si-cher nicht weniger Platz alsherkömmliche Fahrzeuge. Car-Sharing-Modelle ermöglichenschon heute, je nach Nutzungs-bedarf einen Kleinwagen, eingrößeres Fahrzeug oder gar ein

Dirk Vallée

Page 69: RWTH-Themen Elektromobilität in Aachen

Was Elektromobilität für eine nachhaltige urbane Mobilität bedeuten kann

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Lieferfahrzeug zu wählen. Ähn-liche Lösungen sind bei Miet-beziehungsweise Leasing-Mo-dellen denkbar, bei denen dieNutzer bei einem Anbieter jenach Bedarf das passende Fahr-zeug mieten. Die Frage ist also,ob es gelingt, von dem heutegewohnten Eigentum am Fahr-zeug als Nutzungsdeterminantezu anderen Modellen wie „rentfor use“ zu kommen. Hier be-steht eine Chance, zumal auf-grund der teuren Batterie dieFrage nach Leasing oder Kaufder Batterie und die Frage derBezahlung für die Aufladunggrundsätzlich zu stellen ist.

Im Hinblick auf die urbaneMobilität gewinnt die Frage derBezahlung eine zusätzliche Di-mension. Heute müssen dieVerkehrsteilnehmer bei ver-schiedenen Anbietern die je-weils nachgefragte Mobilitäteinkaufen, also das Auto unddie Tankfüllung, ein Fahrrad, ei-ne Fahrkarte für den ÖPNVoder die Bahn, ein Flugticket,CarSharing oder andere Model-le. Regelmäßig sind dafür ein-zelne Zugänge, Anmeldungenund vertragliche Vereinbarun-gen erforderlich. Die Frage ist,welche organisatorischen Vor-aussetzungen neben den infra-strukturellen geschaffen wer-den müssen, um zu einem nut-zerfreundlichen und stadtver-träglichen neuen Mix in der ur-banen Mobilität zu gelangen.Weiter gilt es zu klären, obnicht die Elektromobilität dieChance bietet, die sowieso er-forderlichen Änderungen beiden Angeboten wie auch beiden Einstellungen der Men-

schen zu fördern und gleich ei-nen Quantensprung statt nureine Weiterentwicklung zuschaffen.

Im urbanen Verkehr sind 60Prozent der Wege kürzer alsfünf Kilometer. Das ist eine Ent-fernung, die auch gut mit demFahrrad zu bewältigen ist. AlsHinderungsgründe dies zu nut-zen, werden oft die Topografie,die schlechte Witterung bezie-hungsweise der Gepäck- oderEinkaufstransport genannt. DasProblem der Topografie ist mitPedelecs, also Fahrrädern mitHilfsmotor, oder Motorrollernlösbar. Bleibt die Frage der Wit-terung und dem Gepäcktrans-port. Hier sind Lösungen inForm elektrisch unterstützterRikschas, die dann einen Wet-terschutz erhalten können, odergekapselter Zweiräder, ähnlichdem von BMW angebotenenC1, denkbar. Diese Ansätzemüssen aber sicher noch weiterentwickelt werden. Für solcheGefährte, wie auch für dieZweiräder, sind zudem gegenVandalismus gesicherte undwitterungsgeschützte Abstell-möglichkeiten erforderlich. Dergroße Vorteil von Zweirädernist ihr geringer Platzverbrauchund ihre Flexibilität, was für ei-ne Neudefinition der urbanenMobilität eine wesentlicheChance bietet.

Eine andere Möglichkeitwäre, die Kombination vonFahrrad und ÖPNV zu verbes-sern. Durch Fahrradverleihsys-teme in Kombination mit ÖPNV-Tickets lässt sich erreichen, dassbei schlechter Witterung oderder Notwendigkeit von Ge-päcktransport oder Personen-mitnahme das öffentliche An-gebot stärker genutzt und beiAlleinfahrten ein Rad gemietetwird. Werden dabei Pedelecseingesetzt sowie über das Ticketdes Öffentlichen Nahverkehrsabgerechnet und können diesean beliebigen Orten in derStadt hinterlassen werden, be-stehen auch hier deutliche Re-

duzierungen heutiger Nutzungs-barrieren. Die Chance, die sichangesichts der sowieso erfor-derlichen Umstellungen bietet,ist also die nutzerfreundlicheVernetzung von ÖPNV/Pedelecoder Mietrad/Car-Sharing undanderen Mobilitätsangebotenauf der Basis einer Bezahlungnach Nutzung statt nach Besitz.Dafür bedarf es aber kunden-freundlicher, das heißt leichtbuchbarer, flexibler, flächig ver-fügbarer Einrichtungen und vorallem eines Zugangs- und Ab-rechnungsmodells. Wird diesesflankiert mit Maßnahmen desMobilitätsmanagements wie In-formationskampagnen, koordi-nierten intermodalen Angebo-ten und so weiter zur Unter-stützung einer bewussten Wahldes jeweils günstigsten, emissi-onsärmsten und platzsparend-sten Verkehrsmittels, bestehtdie Chance, die urbane Mobi-lität neu zu definieren undnicht nur die klassischen vonVerbrennungskraft getriebenenFahrzeuge durch andere zu er-setzen und damit nur einen Teilder Probleme zu lösen. Dafürbedarf es eines breiteren Ansat-zes zur Erforschung der Motive,Wünsche, Chancen, infrastruk-turellen und organisatorischenVoraussetzungen, für den der-zeit erste Schritte unternom-men werden. Hier ist noch vielzu tun! Leider haben die der-zeitigen Forschungsprogrammehier noch keinen Schwerpunkt.Zudem muss die städtische In-frastruktur zum Abstellen undLaden dieser neuen Verkehrs-mittel ertüchtigt werden.

Abschließend sei für denGüter- und Wirtschaftsverkehrangemerkt, dass sich geradehier aufgrund immer kleinerwerdender Sendungen und im-

mer häufigeren Liefervorgän-gen die Notwendigkeit ergibt,neue Konzepte zu durchden-ken. Es besteht die Chance ei-ner Renaissance der City-Logis-tik-Konzepte mit E-Fahrzeugen,wozu allerdings die bisherigenHemmnisse nochmals genauanalysiert werden müssen undmittels Push- und Pull-Maß-nahmen ein Gesamtkonzeptentstehen sollte.

Fazit: Es kommt also daraufan, wie umfassend die Elektro-mobilität als Chance für eineNeudefinition der urbanen Mo-bilität gesehen und genutztwird. Allein die Einführungelektrisch betriebener Fahrzeu-ge zum Personen- und Güter-verkehr löst Probleme wie denPlatzbedarf oder die Lärmemis-sionen in der Stadt kaum oderallenfalls zum Teil. Wird dieChance ergriffen, neue umfas-sende Geschäftsmodelle zusam-men mit einer nutzerfreundli-chen Vernetzung und Abrech-nung zu etablieren, besteht dieMöglichkeit, mit einem neuennutzerfreundlichen Mix ausZweirädern, ÖPNV und Elek-trofahrzeugen zusammen mitbegleitenden Maßnahmen desMobilitätsmanagements zu ei-ner neuen stadtverträglichenMobilitätskultur zu kommen.Dafür gilt es, die Rahmenbedin-gungen im Bereich der Infra-struktur und der Mobilität zuschaffen.

Autor:Univ.-Prof. Dr.-Ing. Dirk Vallée ist Inhaber des Lehrstuhls für Stadtbauwesen und Stadtverkehr.

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Institut für Elektrische Maschinen

Institut für Hochspannungstechnik (IFHT)

Institut für Kraftfahrzeuge (ika)

Lehrstuhl für Produktionsmanagement

Lehrstuhl für Produktionssystematik

Forschungsinstitut für Rationalisierung (FIR)

Institut für Regelungstechnik (IRT)

Institut für Schweißtechnik und Fügetechnik (ISF)

Institut für Stromrichtertechnik und Elektrische Antriebe (ISEA)

Institut für Stromrichtertechnik und Elektrische Antriebe (ISEA)

Institut für Textiltechnik (ITA)

Lehrstuhl für Verbrennungskraftmaschinen (VKA)

Institute

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/AutorenUniv.-Prof. Dr.-Ing.habil. Dr.h.c. Kay Hameyer ist Leiter des Instituts für Elektrische Maschinen

Univ.-Prof. Dr.-Ing. Armin Schnettler ist Leiter des Instituts für Hochspannungstechnik

Univ.-Prof. Dr.-Ing. Lutz Eckstein ist Leiter des Instituts für Kraftfahrzeuge

Univ.-Prof. Dr.-Ing. Achim Kampker ist Leiter des Lehrstuhls für Produktionsmanagement des Werkzeugmaschinenlabors

Univ.-Prof. Dr.-Ing. Dipl.-Wirt. Ing. Günther Schuh ist Leiter des Lehrstuhls für Produktionssystematik, Mitglied des Direktoriums des Werkzeugmaschinenlabors WZL der RWTH Aachen und Mitglied des Direktoriums des Fraunhofer-Instituts für Produktionstechnologie (IPT)

Univ.-Prof. Dr.-Ing. Dirk Abel ist Leiter des Instituts für Regelungstechnik und koordiniert die Galileo-Aktivitäten an der RWTH Aachen

Univ.-Prof. Dr.ir. Rik W. De Doncker ist Leiter des Instituts für Stromrichtertechnik und Elektrische Antriebe, Direktor des E.ON Energy Research Center (E.ON ERC) und dortLeiter des Instituts Power Generation and Storage Systems (PGS)

Univ.-Prof. Dr.rer.nat. Dirk Uwe Sauer ist Universitätsprofessor am Institut für Stromrichtertechnik und E lektrische Antriebe und am Institut Power Generation and Storage Sytems (E.ON ERC PGS)

Prof. Dr. Volker Stich ist Geschäftsführer des Forschungsinstituts für Rationalisierung

Univ.-Prof. Dr.-Ing. Uwe Reisgen ist Leiter des Instituts für Schweißtechnik und Fügetechnik

Das Institut für Textiltechnik und der damit verbundene Lehrstuhl für Textilmaschinenbau werden von Univ.-Prof. Dr.-Ing. Dipl.-Wirt. Ing. Thomas Gries geleitet

Univ.-Prof. Dr.-Ing. Stefan Pischinger ist Inhaber des Lehrstuhls für Verbrennungskraftmaschinen

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RWTH und Universität Sao Paulo betreuen gemeinsam PromotionenDie Zahnmedizinerin Marina Stel-la Bello Silva profitiert von einerKooperation zwischen der RWTHAachen und der Universität SaoPaulo in Brasilien. Die beidenHochschulen vereinbarten ein sogenanntes Cotutelle-Verfahren,das ihnen die gemeinsame Be-treuung von Promotionen er-möglicht. Die 27-jährige studiertein Brasilien und begann mit ihrerPromotion in Sao Paulo unter Be-treuung von Prof. Dr. Carlos dePaula Eduardo. Die Absolventeneines Cotutelle-Verfahrens erwer-ben mit der Promotion die jewei-ligen Doktorgrade der beteiligtenUniversitäten und können diesealternativ verwenden. Bello darfsich daher in DeutschlandDr.med.dent. und in BrasilienPh.D. nennen, nicht zulässig istdie Kombination der beiden Titel.

Europäischer Friedrich-List-Preisfür Sebastian KlabesDr.-Ing. Sebastian G. Klabes istmit dem Europäischen Friedrich-List-Preis für seine Dissertationausgezeichnet worden. Diese be-schäftigt sich mit der Problematikdes Netzzugangs von Eisenbahn-verkehrsunternehmen in einem li-beralisierten Eisenbahnmarkt undentstand im Rahmen des Gradu-iertenkollegs „Algorithmic syn-thesis of reactive and discrete-continuous systems". Der Eu-ropäische Friedrich-List-Preis wirdjährlich von der EuropäischenPlattform für Verkehrswissen-schaften ausgelobt und würdigtdie Leistungen Friedrich Lists alsWegbereiter eines modernen Ver-kehrswesens in Europa und alsVisionär der europäischen Einheit.

Ehrenmitgliedschaftfür Hubertus Jongen Univ.-Prof. Dr. Dr.h.c. HubertusJongen ist jetzt Ehrenmitglied derMathematischen Gesellschaft derMongolei. Die Urkunde wurdeihm anlässlich der Eröffnung derInternational Conference on Op-timization, Simulation and Con-trol in Ulaanbaatar überreicht.Jongen, Inhaber des RWTH-Lehr-stuhls C für Mathematik, hält seitvielen Jahren Kontakt mit denMathematikern in der Mongolei.Er pflegt einen regen wissen-schaftlichen Austausch mit derNational University of Mongoliasowie der Mongolian Universityof Science and Technology undbesuchte bereits dreimal die Kol-legen. Auch half er bei der Orga-nisation von Tagungen undbemühte sich um die Förderungdes wissenschaftlichen Nach-wuchses. Jongen, 1947 geboren,ist bereits seit 1987 Professor derRWTH Aachen.

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Dieter Enders erhielt Robert Robinson Award 2010Als erster Deutscher Chemiker er-hielt Univ.-Prof. Dr. Dieter Endersvom Lehrstuhl I für OrganischeChemie jetzt den Robert Robin-son Award 2010. Enders bekamdie renommierte Auszeichnungder britischen Royal Society ofChemistry für seine zahlreichenbahnbrechenden Beiträge zurEntwicklung und praktischen An-wendung der modernen asym-metrischen organischen Synthese.Die Auszeichnung ist nach demChemie-Nobelpreisträger SirRobert Robinson benannt undwird seit 1964 für hervorragendeForschungsarbeiten im Bereichder Chemie verliehen.

Professor Enders ist seit 1985an der RWTH Aachen tätig undDirektor des Instituts für Organi-sche Chemie. Für seine For-schungsarbeiten ist er bereits mitzahlreichen Auszeichnungen ge-ehrt worden: unter anderem mitdem Leibniz-Preis der DeutschenForschungsgemeinschaft (1993),dem ersten Yamada-Preis, Japan(1995), dem Max-Planck For-schungs-Preis für Chemie (2000),der Emil-Fischer-Medaille der Ge-sellschaft Deutscher Chemiker(2002) sowie dem Arthur C. Co-pe Scholar Award der AmericanChemical Society (2008). Darüberhinaus war Enders von 1994 bis2005 Sprecher des Sonderfor-schungsbereichs 380 „Asymme-trische Synthese mit chemischenund biologischen Methoden“und von 1998 bis 2001 Sprecherdes Transferbereichs 11 „Stereo-selektive Wirkstoffsynthese“ derder Deutschen Forschungsge-meinschaft. Seit 2007 ist er Mit-glied der Deutschen Akademieder Naturforscher Leopoldina inHalle und seit 2008 des Senatsder Deutschen Forschungsge-meinschaft. Dieter Enders gilt alseiner der Pioniere der „Asymme-trischen Synthese“, bei der vonzwei möglichen spielgelbildlichenMolekülen (Enantiomere) nur ei-nes gezielt und hochselektiv er-halten wird. Mitte der siebzigerJahre hat er parallel zu den Arbei-ten von Albert Meyers, USA,erstmalig gezeigt, dass Chemikerin der Lage sind, bei Kohlenstoff-Kohlenstoff-Verknüpfungen ingroßer Anwendungsbreite hoheenzymähnliche Enantioselektivitä-ten zu erreichen.

Neues Graduiertenkolleg für die RWTH AachenDie Deutsche Forschungsgemein-schaft hat die Einrichtung einesGraduiertenkollegs mit dem Titel„Experimentelle und konstruktiveAlgebra“ bewilligt. Die DFG stelltder Hochschule in den nächstenviereinhalb Jahren hierzu 2,8 Mil-lionen Euro zur Verfügung. Un-tersucht werden abstrakte alge-braische Fragestellungen mit ex-perimentellen Methoden. DerComputer dient hierbei als Mikros-kop und Werkzeug. Die ständigeWeiterentwicklung der entspre-chenden Methoden ermöglicht,zum einen immer tiefere Einblickein die Welt der Mathematik underlaubt zum anderen auch An-wendern die Verwendung der Al-gorithmen und Resultate ohneEinarbeitung in die meist schwie-rige Theorie im Hintergrund. Diebeteiligten Wissenschaftlerinnenund Wissenschaftler HartmutFühr, Julia Hartmann, GerhardHiss, Aloys Krieg, Gabriele Nebe,Wilhelm Plesken, Sebastian Wal-cher und Eva Zerz forschen aufunterschiedlichen Gebieten derMathematik, zwischen denen je-doch vielfältige Verbindungen be-stehen, die im Rahmen des Gra-duiertenkollegs weiter ausgebautund verstärkt werden sollen. Ausden sich ergebenden Synergieef-fekten resultieren meist innovati-ve Ansätze und alternative Sicht-weisen, die schließlich zu einerwesentlichen Weiterentwicklungvon Theorie und Algorithmenführen. Univ.-Prof. Dr. GabrieleNebe vom Lehr- und Forschungs-gebiet Mathematik (Algebra) istSprecherin des Graduiertenkollegs.

Namen

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Auszeichnung für Dominic Lencer Dominic Lencer, Doktorand am I.Physikalischen Institut, hat den„Graduate Student Gold Award“für seine Forschungsarbeiten er-halten. Er arbeitet an der Ent-wicklung neuer leistungsfähigerPhasenwechselspeicher. Diesesind heute in Notebook, Handy,MP3-Player oder in der Digitalka-mera: Ihre Leistungsfähigkeit undLebensdauer sollen ständig opti-miert werden; immer größere Da-tenmengen müssen verarbeitetund gespeichert werden. Der Di-plom-Physiker erforscht innerhalbseiner Dissertation optimale Ma-terialien für Phasenwechselspei-cher. Es ist ihm gelungen, dasVerständnis einer wichtigen Ma-terialklasse - den so genanntenPhasenwechselmaterialien - einenentscheidenden Schritt voranzu-bringen. Die Materialien müssenspezielle Eigenschaften besitzen,da sie ständig zwischen einer kristallinen und einer amorphenPhase hin und her wechseln müs-sen.

Indisch-deutsche Zusammenarbeit verstärkenRektor Ernst Schmachtenberg,Prof. Max Huber, Vizepräsidentdes DAAD, und der Direktor desIndian Institute of Technology(IIT) Madras, Prof. M.S. Ananth,unterzeichneten einen Vertrag zurErrichtung des Indo-GermanCentre for Sustainability. Nebender RWTH sind an dem Deutsch-Indischen Zentrum für Nachhal-tigkeitsforschung die TU Berlin,die TU München, die UniversitätStuttgart und die Christian-Alb-recht-Universität zu Kiel beteiligt.Das Zentrum wird aus Mittelndes Bundesministeriums für Bil-dung und Forschung finanziert.Sein Aufbau wurde bereits imJahre 2008 während eines Be-suchs von BildungsministerinSchavan in Madras beschlossen.Ziel ist es, deutsche Spitzenfor-schung an einer renommiertenindischen Hochschule mit starkenBeziehungen zur deutschen Wis-senschaftslandschaft sichtbar zumachen und die Qualität der Zu-sammenarbeit zu intensivieren.Geplant sind Forschungsprojektein den Bereichen Energie, Wasser,Landnutzung/ländliche Entwick-lung und Abfallwirtschaft. Vorsit-zende des Zentrums werden je-weils der Rektor der RWTH Aa-chen und der Direktor des IITMadras sein.

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Daniel Barben tritt VDI-Professurfür Zukunftsforschung anUniv.-Prof. Dr. rer.pol. Daniel Bar-ben hat die VDI-Professur für Zu-kunftsforschung angetreten. DerVDI und die RWTH Aachen er-möglichen dort die wissenschaftli-che Erforschung von Zukunftsfra-gen. „Wir legen den Grundsteinfür eine wissenschaftlich fundierteAuseinandersetzung mit denzukünftigen sozialen und techno-logischen Herausforderungen.Die Professur ist in Deutschlandeinmalig“, erläutert Sascha Her-mann, Geschäftsführer des VDITechnologiezentrum (TZ). Der Ar-beitsbereich Zukunftsforschungist interdisziplinär ausgerichtetund vernetzt sozialwissenschaftli-che mit ingenieur- und naturwis-senschaftlichen Bereichen. Denthematischen Fokus bilden Fra-gen der zukunftsorientierten Er-forschung und Gestaltung vonWissenschaft, Technik und Inno-vation. Einen besonderen Stellen-wert werden globale Herausfor-derungen in Bezug auf Gesund-heit, Ernährung, Energie, Mobi-lität, demographischen und Kli-mawandel einnehmen. Sowohldie Professur als auch das Zu-kunftskonzept „RWTH 2020 –Meeting Global Challenges“ set-zen sich dafür ein, diese Heraus-forderungen in Forschung undLehre anzunehmen und Beiträgezur gesellschaftlichen Problemlö-sung zu leisten. Mit einem För-derbeitrag von 190.000 Eurojährlich beteiligen sich VDI TZund VDI e.V. an der Ausstattungder Professur.

Barben, in Zürich geboren,hat an der Freien Universität Ber-lin studiert, an der UniversitätPotsdam promoviert und an derFU Berlin habilitiert. Er arbeitetean zahlreichen einschlägigen For-schungseinrichtungen im In- undAusland, so etwa am Wissen-schaftszentrum Berlin für Sozial-forschung, an der TechnischenUniversität Berlin, der UniversitätBielefeld, der Rutgers University,der Harvard University und derUniversity of Wisconsin-Madison.Zuletzt war er Forschungsprofessoran der Arizona State University.

RWTH-Büro in New York eingeweihtDie RWTH Aachen hat jetzt ihrnordamerikanisches Verbindungs-büro offiziell eingeweiht. DasBüro wurde eingerichtet, um diePartnerschaften der RWTH Aa-chen mit nordamerikanischenUniversitäten, Forschungseinrich-tungen und Unternehmen zustärken und weiter auszubauen.Zudem ist es Anlaufstelle für Stu-dierende und Wissenschaftler ausNordamerika, die sich für dieRWTH Aachen interessieren odermit der Universität in Kontakt tre-ten wollen. Ebenso unterstützt esStudierende, Forscher und Alumnider RWTH in den USA und inKanada. Das Verbindungsbüro istim New Yorker „German House“untergebracht, das auch dasdeutsche Konsulat, die deutscheUN-Vertretung, die Verbindungs-büros anderer deutscher Univer-sitäten sowie die Nordamerika-Außenstelle des DAAD beher-bergt. Die Einweihungsfeier fandauf dem Campus des MIT inCambridge, Massachusetts, statt.Neben hochrangigen wissen-schaftlichen und administrativenVertretern des MIT, der HarvardUniversity, von Unternehmen derRegion Boston sowie der norda-merikanischen Fraunhofer-Institu-te konnten Kanzler Manfred Net-tekoven und die Leiterin des NewYorker Verbindungsbüros, LauraMontgomery, auch Dr. ThomasPeterson, Assistant Director derUS-amerikanischen Forschungs-gemeinschaft NSF, zu der Veran-staltung begrüßen. Von deutscherSeite nahmen der Präsident derDeutschen Forschungsgemein-schaft, Prof. Dr. Matthias Kleiner,die Präsidentin der Hochschulrek-torenkonferenz, Prof. Dr. MargretWintermantel, sowie führendeVertreterinnen und Vertreter desDeutschen Akademischen Aus-tauschdienstes, der TU9 und derWirtschaftsförderungsgesellschaftNRW.INVEST teil.

Max Dohmann lehrt in ChinaProfessor Max Dohmann, ehe-maliger Direktor des Instituts fürSiedlungswasserwirtschaft, ist ei-ner von sechs Wissenschaftlern,die als High-End-Professoren andie chinesische Sichuan-Univer-sität in Chengdu berufen werden.Hintergrund ist das so genannte„5 + 1“-Programm, das von derchinesischen Zentralregierung ini-tiiert wurde. Dabei sollen interna-tional renommierte Wissenschaft-ler und Hochschullehrer für meh-rere Jahre verpflichtet werden, ihrWissen an chinesische Studieren-de weiterzugeben. Für ihre For-schungsaufgaben werden ihneninnerhalb der High-End-Professurneu geschaffene Institutseinrich-tungen zur Verfügung gestellt.Den Namen „5 + 1“ trägt dasProgramm, weil einer der sechsWissenschaftler Nobelpreisträgerist. Neben Dohmann wurden dreiamerikanische Wissenschaftler,darunter ein Nobelpreisträger derMedizin, ein japanischer und einenglischer Wissenschaftler beru-fen.

Seit seiner Emeritierung beimInstitut für Siedlungswasserwirt-schaft im Jahr 2004 übt Doh-mann eine Vorstandstätigkeit inden Forschungsinstituten For-schungsinstitut für Wasser- undAbfallwirtschaft und Prüf- undEntwicklungsinstitut für Abwas-sertechnik aus und lehrt an meh-reren chinesischen Universitäten.Darunter seit 2004 als Ehrenpro-fessor an der Sichuan-Universität.In Chengdu, der Hauptstadt derchinesischen Provinz Sichuan, ister darüber hinaus wissenschaftli-cher Leiter des Sino German Re-search Centers for Water Mana-gement.

Nachrichten

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In der nächsten Ausgabe:

Eigenschaften von Chemiefasern

Von Hochleistungsplasmen zu Hochleistungswerkstoffen

Leichtere Flugzeugtriebwerke

Zuverlässigkeit moderner Gasturbinen steigern

Knochenersatzwerkstoffe

Hochleistungs-Werkstoffe durch erhöhte Reinheit optimieren

Virtuelle Werkstoffentwicklung

Mit Lautsprechern

heiße Schmelzen

zum Schweben bringen

Auf dem Weg zum universellen Speicher –Phasenwechselmaterialien

Werkstoffe

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