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ÄRZTETAGE VELDEN PALLIATIV PATIENTINNEN : Notfallmanagement Ch. Grebe

RZ DRUCK Skriptendeckblätter A4 - arztakademie.at · Langzeit-bereich Alten-/Pflegeheime Mobile Palliativ-teams Stationäre Hospize ... Quetiapin, Risperidon 11 Akute Blutung •

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Ärztetage velden

PALLIATIVPATIENTINNEN: NotfallmanagementCh. Grebe

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Notfallmedizin beim Palliativpatienten

Leben retten oder sterben lassen?

Dr. Christina Grebe, MScLandesverband Hospiz OÖ Palliativstation Vöcklabruck

Ärztetage Velden – [email protected]

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Fallbeispiel

• 86jährige Patientin, seit 3 Jahren von Mobiler Pflege betreut• wohnt mit Sohn und Schwiegertochter in einem Haus, 2 Töchter

besuchen sie regelmäßig• Verhältnis der Kinder untereinander ist gespannt• Grunderkrankung: Mb. Parkinson• Immobilität, Angina pectoris• Verlauf: wird schwächer• Pat. betont, dass sie keine Angst vor dem Sterben hat, will nach

eigenen Angaben nicht reanimiert werden bei HKL-Stillstand• es gibt keine Patientenverfügung oder ärztliche Anordnung

Patientin verstirbt während der Betreuung - Reanimation?

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Notfallmedizin

Diagnostik- und Therapiemaßnahmen zur Überwindung

akut lebensbedrohlicher Erkrankungen und

Verletzungen

Ziel ist immer der Erhalt des Lebens

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Palliative Care

Ziel: Verbesserung der Lebensqualität

• PatientIn kann bis zum Lebensende in der

häuslichen Umgebung bleiben.

• Sterben zuhause ermöglichen.

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H o s p i z - u n d P a l l i a t i v b e t r e u u n g

GRUNDVERSORGUNG unterstützende/beratende Dienste

betreuende Dienste

Akut-bereich Krankenhäuser

Hospiz-teams

Palliativ-konsiliar-dienste

Palliativ-stationen

Langzeit-bereich Alten-/Pflegeheime

Mobile Palliativ-

teams

Stationäre Hospize

Zuhause niedergelassene Ärzte, Mobile Dienste, TherapeutInnen

Tages-hospize

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Gegensätze

Notfall – so viel wie möglich

Palliativ – so wenig wie nötig

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In der Begleitung Sterbender gibt es Situationen, in denen sonst angemessene Diagnostik und Therapieverfahren nicht mehr angezeigt und Begrenzungen geboten sind.(Grundsätze der dt. Bundesärztekammer zur ärztlichen Sterbebegleitung)

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Bei Patienten, die in absehbarer Zeit sterben, ist eine Änderung des Therapieziels geboten, wenn lebenserhaltende Maßnahmen Leiden nur verlängern würden oder die Änderung des Behandlungsziels dem Willen des Patienten entspricht. (Grundsätze der dt. Bundesärztekammer zur ärztlichen Sterbebegleitung)

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Stellungnahme des Nationalen Ethikrates:

Therapie am Lebensende:

„Dazu gehören auch Maßnahmen, bei denen die Möglichkeit besteht, dass der natürliche Prozess des Sterbens verkürzt wird, sei es durch eine hochdosierte Schmerzmedikation oder eine starke Sedierung, ohne die eine Beherrschung belastender Symptome nicht möglich ist.“

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MedizinischeBehandlungspflicht

Rechtliche Rahmenbedingungen

Patienten-wille

Therapieentscheidungen am Lebensende

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- Autonomie -

im westlichen Kulturkreis wird die Selbstbestimmung des Patienten über die ärztliche

Entscheidung gestellt.

die Indikation zur Therapie obliegt jedoch dem Arzt.

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Rechtliche Rahmenbedingungen

Sterbehilfe:

- aktiv, direkt

- aktiv, indirekt

- passiv

Was ist mein Ziel?

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Rechtliche Rahmenbedingungen

Patientenverfügungsgesetz 2006

Das Gesetz läßt die medizinische Notfallversorgung unberührt, sofern der mit der Suche nach einer PV verbundene Zeitaufwand das Leben oder die Gesundheit des Patienten ernstlich gefährdet.

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individuelle, auf den Patienten

abgestimmte Therapieentscheidung

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= ein akut krisenhaftes unbeherrschbares Symptom, das mit

der Grunderkrankung assoziiert ist und den Patienten und /

oder die Angehörigen betrifft. Gratzl R. et al 2011

Definition Palliativmedizinischer Notfall

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1. Informationsdefizit bezüglich der Patienten-Erkrankung & -willen bezüglich medizinischer Maßnahmen

2. Zeitdruck bezüglich des Ergreifens oder Unterlassensvon lebenserhaltenden Maßnahmen

Im Zweifel hat der Erhalt des Lebens Vorrang!

Notfallmedizin beim Palliativpatienten

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Einsatzdiagnosen:

- Akute Dyspnoe

- Krampfanfall

- Bewusstseinsstörung

- Herz-Kreislaufstillstand

- Akute Schmerzexazerbation

- Psychosoziale Entgleisung (Angst, Panikattacken, Depression, Angehörige)

C. Wiese Nofall Rettungsmed 2010

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Palliative Notfälle

1. Verschlechterung des AZ oder bekannter Symptome,

die durch die Grunderkrankung bedingt sind.

2. Neu aufgetretene Symptome, die durch die

Grunderkrankung bedingt sind.

3. Von der Grunderkrankung unabhängige Notfälle

(Apoplex, akutes Coronarsyndrom etc.)

4. Notfälle durch Therapienebenwirkungen (z.b.

neutropenisches Fieber / Sepsis nach CTX)

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Palliative Notfallsituationen

• 3-5% der präklinischen

Notfälle (DE)

• 2,5% der Rettungsfahrten bei „Tumorpatienten in der Sterbephase (DE) (Anästhesist 2007; 56:133)

Hilft der Notarzt?Retrospektive, mulitzentrische Befragung von Notärzten bei Palliativpatienten (akute Schmerzexazerbation beim Tumorpatienten)• 17 Patienten• Bei 10 präklinisch keine Schmerzlinderung

erreicht• 15 wurden ins KH eingewiesen• Bei 2 ambulanter Palliativdienst – blieben

zuhause

C. Wiese Nofall Rettungsmed 2010

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Advanced care planning

- Was kann passieren?- Was wünscht der Patient?- Was ist sinnvoll / indiziert?- Welche therapeutischen Möglichkeiten?- Was ist das Therapieziel?

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Akute Schmerzexazerbation

• >90% der Patienten mit fortgeschrittener

Tumorerkrankung leiden an Schmerzen

• Akute Schmerzexazerbationen treten bei >80% der

fortgeschrittenen Tumorpatienten auf

WHO-Stufenschema

Stufe 1: Nicht-Opioide

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Stufe 2: Schwache Opioide

Stufe 3: Starke Opioide

+ Adjuvantien

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Durchbruchschmerz-BehandlungOrale IR-Opioide (Rescue-Medikation)

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Tramadol (s.c. / i.m. / i.v.) Tramal® 100 200 300 400 500

Tramadol (oral / rectal) Tramal® 150 300 450 600

Dihydrocodein (oral) Paracodin®

120 240 360

Morphin (oral / rectal) Vendal® 30 60 90 120 150 180 210 240 300 600 900

Oxycodon (oral) OxyContin®

30 60 90 120 150 300 450

L-Methadon (oral) Heptadon® 7,5 Individuelle Titration

Hydromorphon (oral) Hydal® 4 8 12 16 20 24 28 32 40 80 120

Morphin (s.c. / i.v.) Vendal® 10 20 30 40 50 60 70 80 100 200 300

Piritramid (i.v.) Dipidolor® 15 30 45 60

Pethidin (i.v.) Dolantin® 75 150 225 300

Morphin (epidural) Vendal® 2,5 5,0 7,5 10,0 12,5 15,0 17,5 20,0 25,0 50,0 75,0

Morphin (intraspinal) Vendal® 0,25 0,5 0,75 1,0 1,25 1,5 1,75 2,0 2,5 5,0 7,5

Fentanyl Depot Pfl. (mg/24 h) Durogesic® 0,3 0,6 - 1,2 - 1,8 - 2,4 3,0 - 9,0

Fentanyl Depot Pfl.( μg / h) Durogesic® - 25 - 50 - 75 - 100 125 - 375

Buprenorphin (s.l.) Temgesic® 0,4 0,8 1,2 1,6 2,0 2,4 2,8 3,2 4 8 12,0

Buprenorphin Dep. Pfl.( μg / h) Transtec® 17,5 35 52,5 70 87,5 105 122 140

Buprenorphin Dep. Pfl.( mg/24 h) Transt.®

0,8 1,2 1,6

Buprenorphin (s.c. / i.v.) Temgesic® 0,3 0,6 0,9 1,2 1,5 1,8 2,1 2,4 3,0 6

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Ersticken – akute Dyspnoe

- Atemnot ist die häufigste Ursache für die Krankenhaus-

einweisung in der Terminalphase (Edmonds 2001)

- Inzidenz: 80% der Palliativpatienten in der letzten

Lebensphase

- Atemnot-Angst-Spirale

- Sterben wird oft mit Ersticken gleichgesetzt

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Ersticken – akute Dyspnoe

Diagnostik:

- Reversible Ursache?

Erguss, Bolus, Bronchokonstriktion, Pneumonie, ..

- Irreversible Ursache?

Tumor

- Befindet sich der Patient in der Terminalphase?

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Dyspnoe – Therapie

- Ruhe, nicht alleine lassen

- Positionierung

- Frischluft, Ventilator

- Kausale Therapie wenn möglich

- Atemphysiologische Maßnahmen

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Dyspnoe – Therapie

- Opioide

- Benzodiazepine?

- Sauerstoff?

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Opiate in der Dyspnoetheapie

Es gibt keinen Hinweis, dass eine lege artisdurchgeführte Therapie der Atemnot mit Opioiden zu einer klinisch relevantenAtemdepression führt. Abernethy et al. 2003

Sauerstoffgabe?

Sauerstoff sollte nicht zur Linderung von Atemnot bei nicht-hypoxämischen Patienten mit einer nicht heilbaren Krebserkrankung

eingesetzt werden. Abernethy et al. 2010

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Sauerstoffgabe?

Nicht-hypoxämische bzw. leicht-hypoxämische COPD-Patienten (PaO2 ≥ 60

mmHg bzw. 55–59 mmHg), die nicht die Kriterien für eine Sauerstoff- Langzeittherapie erfüllen, können von einer Sauerstoffgabe

zur symptomatischen Linderung von Atemnot profitieren (Uronis et al. 2011 (SysRev))

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Delir in der Sterbephase

• In der letzten Lebenswoche sind 44% der Patienten

verwirrt (Morita 1998)

• Ursachen:

- psychisch (Angst, Alleinsein, Unerledigtes)

- unkontrollierte Symptome (Schmerz, Atemnot,

Mundtrockenheit, Harnverhalt)

- ZNS-Störungen (Hypoxie, Elyte, Metastasen)

- Medikamente!! >5 Medikamente = Delirrisiko x14

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Delir in der Sterbephase

• Therapie:

- Ruhe, Vertrauen schaffen, gewohnte Umgebung

- Reversible Ursachen beseitigen

• Medikamentös: Benzodiazepine

Haloperidol

Quetiapin, Risperidon

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Akute Blutung

• Vorsorgeprotokoll für Blutungsnotfall

• Aufklärung der Angehörigen / Betreuuenden

• Dunkle Tücher

• Dabei bleiben, Ruhe vermitteln

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Akute Blutung

Leichte, gut zugängliche Blutung:

- Kompression

- Otrivin-Nasentropfen, Adrenalin lokal

- Sucralan

- Tabotamp Gazestreifen

Starke, lebensbedrohliche Blutung:

- Benzodiazepine, Opiate

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Todesrasseln

= in- und exspiratorisches Atemgeräusch. Sekret, ansammlung durch vermindertes Schlucken und Husten

Wird von Angehörigen oft mit Atemnot / Ersticken gleichgesetzt.

Aufklärung, Stresszeichen suchen!

Flüssigkeitszufuhr reduzieren, Robinul s.c.

Cave: Absaugen, Diuretika!

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Weitere Notfälle

Obere Einflusstauung: Bestrahlung?

Rückenmarkskompression: MR /OP? Cortison

Bestrahlung?

Cerebrale Krampfanfälle: Antiepileptika in Griffweite

Palliativer Notfallkoffer!

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Wahrscheinlichkeit, nach CPR das KH lebend zu

verlassen:

- Gesamtpopulation: 4,3-11,2%

- Lokalisierter Tumor: 9,1%

- Metastas. Tumor: 7,8%

- Karnofsky <50% 2,3%

Reisfield GM et al 2006

CPR – ja /nein?

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• Patientin äußert einen klaren, mutmaßlichen Patientenwillen

Fallbeispiel

Dokumentation!

Hausarzt

Erstellen einer PV

Mobiles Palliativteam

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• bekannte Familienkonflikte

Fallbeispiel

Familienkonferenz

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Take home:

• Vorausschauendes Handeln ist entscheidend

• Frühzeitige Integration von PC• Betreuungskontinuität

• Teamarbeit - Vernetzung

• Angehörige einbinden

Fragen zur Selbstevaluation

• Welche Unterschiede zwischen Notfallmedizin und Palliative Care kennen Sie?

• Welche Gemeinsamkeiten?• Welche extramuralen palliativen Betreuungsdienste kennen Sie?• Was bedeutet advanced care planning?• Was ist ein palliativer Notfall?• Wie reagieren sie in einer akuten Schmerzsituation beim

Tumorpatienten? • Welches ist die bevorzugte Medikation bei symptomatischer Dyspnoe-

Therapie?• Welchen Patienten empfehlen sie Sauerstoff in der Palliativsituation?• Was müssen Sie bei akuten Tumorblutungen beachten?• Welche verschiedenen Formen der Sterbehilfe kennen Sie und was ist

erlaubt?