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FACING INDIA 29.4.18 – 7.10.18 DIE DATEN UND FAKTEN IM ÜBERBLICK TITEL Facing India ZEITRAUM 29. April bis 7. Oktober 2018 ORT Große Halle des Kunstmuseums Wolfsburg KURATORIN Uta Ruhkamp KÜNSTLERINNEN Vibha Galhotra, Bharti Kher, Prajakta Potnis, Reena Saini Kallat, Mithu Sen und Tejal Shah AUSSTELLUNGSKATALOG Herausgeber: Ralf Beil, Uta Ruhkamp Verlag: Hatje Cantz Verlag, Berlin Autoren: Ralf Beil, Uta Ruhkamp, Urvashi Butalia, Roobina Karode Einführung und ausführliche Interviews mit allen Künstlerinnen von Uta Ruhkamp Gestaltung: Bureau Mario Lombardo, Berlin Abbildungen: 180 Technische Übersicht: Hardcover, 240 Seiten, 24 x 31 cm Sprachen: deutsche und englische Ausgabe Preis: 38 € im Museumshop AUSSTELLUNGSOBJEKTE Gesamtzahl: 94 Arbeiten unterschiedlichster Medien Collagen: 24 Fotografien: 7 Fotoserien: 3 Grafikserie: 1 Lightboxen: 3 Materialbilder: 6 Ortsspezifische Installationen: 2 Raumgreifende Installationen: 11 Skulpturen und Skulpturserien: 9 Slideshows: 4 Videoprojektionen: 3 Zeichnungen: 21 Gefördert durch

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FACINGINDIA29.4.18 – 7.10.18

DIE DATEN UND FAKTEN IM ÜBERBLICKTITEL Facing India ZEITRAUM 29. April bis 7. Oktober 2018ORT Große Halle des Kunstmuseums WolfsburgKURATORIN Uta RuhkampKÜNSTLERINNEN Vibha Galhotra, Bharti Kher, Prajakta Potnis, Reena Saini Kallat, Mithu Sen und Tejal Shah

AUSSTELLUNGSKATALOGHerausgeber: Ralf Beil, Uta RuhkampVerlag: Hatje Cantz Verlag, BerlinAutoren: Ralf Beil, Uta Ruhkamp, Urvashi Butalia, Roobina KarodeEinführung und ausführliche Interviews mit allen Künstlerinnen von Uta RuhkampGestaltung: Bureau Mario Lombardo, BerlinAbbildungen: 180

Technische Übersicht: Hardcover, 240 Seiten, 24 x 31 cmSprachen: deutsche und englische AusgabePreis: 38 € im Museumshop

AUSSTELLUNGSOBJEKTEGesamtzahl: 94 Arbeiten unterschiedlichster MedienCollagen: 24Fotografien: 7Fotoserien: 3Grafikserie: 1Lightboxen: 3Materialbilder: 6Ortsspezifische Installationen: 2Raumgreifende Installationen: 11Skulpturen und Skulpturserien: 9Slideshows: 4Videoprojektionen: 3 Zeichnungen: 21

Gefördert durch

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„FACING INDIA“ (29.4 – 7.10.2018) KÜNSTLERINNEN DER AUSTELLUNG

Die Arbeiten von Vibha Galhotra (*1978) kreisen um die Frage, was es bedeutet, als bildende Künstlerin im Anthropozän zu arbeiten. Ist es in der künstlerischen Praxis möglich, soziale, ökologische und politische Themen wie den Klimawandel zu verhandeln, ohne dass die Ästhetik der Werke die gesamte Aufmerksamkeit auf die Künstlerin lenkt und verheerende Probleme normalisiert? Untersuchungs-gegenstand sind die fünf Elemente Was-ser, Erde, Luft, Feuer und Äther. Mit einer scheinbar romantisierenden Bildsprache thematisiert Galhotra das kontaminierte

Wasser des heiligen Yamuna-Flusses oder die alle zulässigen Werte übersteigende Feinstaubkonzentration in Delhi. Die Atemmaske wird zum alltäglichen Kleidungsstück, besorgniserregende Klimagraphen verwandeln sich in eine an die Arte povera erinnernde Welle aus Glöckchen, und das Säubern von Pflanzen wird zur Zen-Meditation. Vibha Galhotra reagiert mit ihren Arbeiten auf den menschlichen Irrsinn im „Zeitalter der Vernunft“. Ihre Ästhetisierung der ökologischen Katastrophe ist Vermittlungsstrategie und ironische Brechung zugleich.

Bharti Kher (*1969) ist als einzige Künst-lerin der Ausstellung in der Diaspora in London geboren. Seit 1992 lebt sie in Indien und blickt aus einer doppel-ten Perspektive auf die patriarchalische Gesellschaft ihres Landes. Ihre Arbeiten resultieren aus der Beobachtung ihrer all-täglichen Umwelt, deren Gegenstände, Objekte und Merkmale sie als „Objet trouvé“ oder „Readymade“ in neue Sinn-zusammenhänge überführt. Entschei-dende Identitätszeichen indischer Frauen, wie das Bindi, der Sari oder die Armreifen, werden zum Material und suggerieren

trotz der Abwesenheit des Körpers eine Anwesenheit des Weiblichen. Nicht Reproduktion, sondern Suggestion ist das Anliegen Bharti Khers. So setzt sie sich in ihrem Werk mit klassischen Material- und Kompositionsfragen aus-einander, scheut sich als bekennende Feministin aber auch nicht vor klaren gesellschaftskritischen Aussagen. Ihr schwarzer „Deaf Room“ steht für die verstummten Stimmen unzähliger Frauen, während es sich bei ihrer Arbeit „Six Women“ um die geschundenen Körper von Sex-Arbeiterinnen aus Kalkutta handelt. Bharti Kher sprengt die Grenzen des traditionellen indischen Frauenbildes und lässt Frauen multiple Identitäten annehmen, vorzugsweise als starkes Geschlecht.

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Prajakta Potnis (*1980) ist die jüngste Künstlerin der Ausstellung, die ihre gesell-schaftlichen Beobachtungen indirekt und metaphorisch ausdrückt. Sie begreift materielle und physische Grenzen wie Mauern, Wände und Haut als permeable Membran. Welche Spuren tragen sie? Was dringt durch sie hindurch und beein-flusst unsere Psyche? Prajakta Potnis macht sichtbar, was unsichtbar in unserer Gesellschaft wuchert, wie ein Virus, der die Alltagswelt befällt. Als Ausgangspunkt für ihre Befragung wählt sie die nicht nur

in Indien am deutlichsten weiblich konnotierten Orte, das Haus und vor allem die Küche, die sie als Konfliktzone zwi-schen Tradition und Technologisierung fasziniert. Der Trockner, der Standmixer, der Kühlschrank oder das Gefrierfach werden zum Verhandlungsort für politische und ökologische Themen, überholte Ideologien, Gesellschaftskritik und Identitätsfragen. Das Persönliche wird zum Politischen, wenn ein atompilzartiger Blumenkohl auf Genmanipulation schließen lässt, die Ventile von Schnellkochtöpfen wie kleine Granaten auf das Gefühl konstanter Bedrohung durch den Terrorismus oder Überwachungsstaat verweisen oder Miniaturrolltreppen in einem Kühlschrank an ein globales „Nowhere“ der immer gleichen Shoppingmalls und Flughäfen erinnern, die jegliche lokale Standortidentität negieren.

Das Trennende und das Verbindende zie-hen sich wie ein roter Faden durch das Werk von Reena Saini Kallat (*1973). Dabei geht es ihr nicht nur um umkämpfte Territorialgrenzen, sondern auch um soziale und psychologische Barrieren. Trotz ihrer Stacheldrahtästhetik steht ihre Arbeit „Woven Chronicle“, eine aus Elektro kabeln geknüpfte Weltkarte, die Migrationsrouten weltweit nachvollzieht, nicht nur für internationale Grenzkon-

flikte, sondern fungiert auch als Netzwerkmetapher – ein Manifest der möglichen Kommunikation. Ganz in diesem Sinne lebt die Natur in Reena Saini Kallats Arbeiten vor, wozu der Mensch in Geschichte und Gegenwart nicht in der Lage ist: ein friedliches und gleichberechtigtes Miteinander, einen gelebten Pluralismus der Kulturen. So kreiert sie in ihren „Hyphenated Lives“ eine Welt aus tierischen und pflanzlichen Hybriden, die sich aus der typischen Flora und Fauna zweier Konfliktländer zusammensetzt, seien es Indien und Pakistan oder Texas und Mexiko. Reena Saini Kallat benennt die Namenlosen und sieht im Rückblick die Chance auf den Blick nach vorn. So zögert sie nicht, dem weib-lichen Körper in „Crease/Crevice/Contour“ die erlittene Gewalt während der indisch-pakistanischen Teilung 1947 als sichtbare Wunde hinzuschreiben und spricht sich deutlich für eine Kultur des Erinnerns statt des Schweigens aus.

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Mithu Sen (*1971) setzt ihre eigenen Regeln und entzieht sich jeder Kategori-sierung. Für ihre allumfassende Revolte hat sie das Präfix „un“ gewählt, das das Geschehene oder eine Aussage gleich-zeitig wieder aufhebt: (un)becoming, un(home), un(construct), un(mything) bis hin zu un(mithu). In ihrem Drang zur Ent-grenzung zerlegt Mithu Sen jedoch nicht nur die Sprache in ihre Bestandteile, um sie dann immer wieder neu zusammen-zusetzen. Der Ort ihrer Reflexion ist der Körper. In ihren Bildern, Zeichnungen, Skulpturen und Installationen überlagern

sich weibliche und männliche Geschlechtsmerkmale, Blumen, Früchte, menschliche und tierische Elemente zu bizarr schockierenden Hybriden. Universalien menschlicher und tierischer Existenz, wie Haare, Knochen oder Zähne, stel-len nicht nur etablierte Hierarchien und Grenzen zwischen Geschlechtern infrage, sondern auch zwischen Ethnien, Kasten und Spezies. Mit der Radikalität ihrer Bildsprache bricht sie lautstark Tabus. Ihr Auflösungswille reicht bis hin zur Institutionskritik. So schafft sie mit ihrem „Museum of Unbelongings“ (2018) die Idee eines demokratischen Museums der marginalisierten Dinge, das ohne Labels und Hierarchien auskommt. Alle Gegenstände haben den gleichen Wert – eine Metapher für eine egalitäre, grenzenlose Welt.

Tejal Shah (*1979) vertritt eine der radi-kalsten Positionen in der indischen Kunst der Gegenwart. Ihr Werk dreht sich um die Frage nach der puren Essenz von Existenz. Antworten sucht sie in extrem unterschiedlichen Feldern wie dem Bud-dhismus, Studien zur Kommunikation zwischen Mensch und Tier, postfeministi-schen oder Post-Porn-Theorien. So lässt sie in ihrer komplexen documenta-13- Arbeit „Between the Waves“, einer Fünf-Kanal-Installation, scheinbar aus

Zeit und Raum gefallene Wesen eine urzeitliche und zugleich unverkennbar zeitgenössische Welt erkunden und dabei ihren natürlichen Instinkten folgen, denen sie sich schamfrei vor der Kamera hingeben. Unverkennbar ist dabei ihre Forderung nach Anerkennung eines flexiblen Genderverständnisses, jenseits von binären, biologischen und sozial konstruierten Geschlechterrollen. Dieses spiegelt sich in Arbeiten wie „Women like us“ und „I am“, einer Por-trätgalerie von Inderinnen, deren Selbstverständnis sich nicht mit den konservativen Vorstellungen von weiblicher Identität deckt oder „Untitled (On violence)“, in der sie die Gewalt durch den Staat gegen das sogenannte „dritte Geschlecht“ (hijra) offen thematisiert. Provokant und direkt setzt sich Tejal Shah in ihren Werken für soziale Gerech-tigkeit und eine tabufreie Gesellschaft ein und überschreitet dabei die Grenzen zum Aktivismus.

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